Studie_Im Blick_Private Public Award 2014_WEB
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private public award <strong>2014</strong><br />
23<br />
0<br />
A<br />
MUT ZU<br />
UNGEWÖHNLICHEM<br />
Es muss nicht immer bloße<br />
Fotografie sein. TÜD SÜD<br />
zeigt, dass man bei Vorstandsabbildungen<br />
Fotografie auch<br />
sehr gut mit Illustrationen<br />
kombinieren kann.<br />
A<br />
0<br />
EINFACH<br />
NUR COOL<br />
Elegantes Interieur, stimmiges<br />
Licht, faltenfreies Jacket: Der<br />
Vorstand im Geschäfts bericht<br />
von Bertelsmann besteht die<br />
Modelprüfung mit Bravour.<br />
Fröhlicher Gruß vom Podest<br />
Es gibt zwei Themen, bei denen man in Sachen<br />
Geschäftsbericht nur verlieren kann. Das eine ist<br />
die englische Übersetzung – immer findet sich ein<br />
Anglophiler im Unternehmen, der weiß, dass man<br />
es so auf gar keinen Fall sagen kann (schließlich<br />
war er in seiner Jugend mal in London gewesen).<br />
Das andere Verlierer-Thema ist die Vorstandsfotografie.<br />
Selbst umgängliche CFOs, kumpelhafte COOs,<br />
onkelhafte CEOs werden plötzlich sperrig und<br />
eitel, wenn es um die Inszenierung der eigenen<br />
Person geht. »Können wir nicht einfach die Fotos<br />
vom letzten Jahr nehmen?«, ist die reflexartige<br />
Frage an die leidgeprüften Kommunikationschefs.<br />
Wird diese verneint, etwa bei Vorstandswechsel,<br />
muss man aber irgendwie da durch.<br />
Was alles schief gehen kann bei solchen<br />
Shootings, zeigen Jahr für Jahr die gedruckten<br />
Ergebnisse. Falten im Gesicht und am Sakko,<br />
Doppelkinn in voller Schönheit, Lichtreflexe<br />
auf der 8-Dioptrien-Brille. Gut, das alles kann<br />
im Photoshop-Zeitalter noch auf persönlichen<br />
Wunsch kaschiert werden, bis hin zur synthetisch-makellosen<br />
Erscheinung eines Covergirls<br />
auf der Programmzeitschrift. Doch unpassende<br />
Pose und Mimik kann auch die beste Litho-Anstalt<br />
nicht mehr zurechtrücken. Hat der Fotograf kein<br />
Gespür für Authentizität, täuscht der Dominator<br />
gequält eine Lockerheit vor, die er nicht hat,<br />
und der Harmoniebedürftige grüßt zähnefletschend<br />
mit Feldherrenpose vom Podest. Da öffnet sich die<br />
Glaubwürdigkeitsschere genauso wie beim fröhlichen<br />
Shooting eines Vorstands teams, in dem letztlich<br />
nur einer das Sagen hat.<br />
Getoppt wird dies nur noch vom Gesamtbild, das<br />
Foto und Vorwort abgeben. Nein, die Rede ist ausnahmsweise<br />
mal nicht von inhaltsleeren Floskeln<br />
wie »Hinter uns liegt ein erfolgreiches Jahr«,<br />
sondern von der handschriftlichen Anrede des<br />
geschätzten Lesers. Wenn der harte Knochen, der<br />
den Laden auf Effizienz getrimmt hat, mit einer<br />
Schulmädchenschrift aus dem Kunst-Leistungskurs<br />
aufwartet, dann nennt man das wohl unfreiwillige<br />
Ironie. Nur – wer sagt’s ihm? Wer traut sich?<br />
... halt ein Thema, bei dem man nur verlieren<br />
kann.