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atw - International Journal for Nuclear Power | 10.2019

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

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<strong>atw</strong> Vol. 64 (2019) | Issue 10 ı October<br />

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 468<br />

Stromproduktion von Doel 1 gestatte und den Stilllegungstermin<br />

für beide Blöcke um 10 bzw. fast 10 Jahre verschiebe,<br />

so dass „auf den ersten Blick“ dieses Gesetz eine Genehmigung<br />

im Sinne der UVP-Richtlinie zu sein scheine oder<br />

doch zumindest im Hinblick auf die wesentlichen Merkmale<br />

des Projekts den ersten Schritt eines Genehmigungsverfahrens<br />

darstelle. Daher bedürften grundsätzlich auch<br />

die mit der Laufzeitverlängerung untrennbar verbundenen<br />

Renovierungsarbeiten, soweit ihre potenziellen Auswirkungen<br />

bereits vor Erlass des Gesetzes ermittelbar seien –<br />

was das vorzulegende Gericht zu prüfen habe – einer UVP.<br />

d) Möglichkeit einer Ausnahme<br />

von einer bestehenden UVP-Pflicht<br />

Die UVP-RL (Art. 2 Abs. 4) lässt – ungeachtet der Pflichten<br />

eines Mitgliedstaates im Hinblick auf eine grenzüberschreitende<br />

UVP (Art. 7 UVP-RL) grundsätzlich Ausnahmen<br />

von der UVP-Pflicht zu. Der EuGH hält es auch<br />

nicht für grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Notwendigkeit,<br />

die Stromversorgungssicherheit zu gewährleisten,<br />

eine solche Ausnahme begründen kann. Der<br />

Mitgliedstaat müsse zum einen darlegen, dass<br />

pp<br />

die Gefahr für die Stromversorgungssicherheit „bei<br />

vernünftiger Betrachtung wahrscheinlich ist“ und<br />

pp<br />

das fragliche Projekt so dringlich sei, dass es das<br />

Unterbleiben der UVP rechtfertige.<br />

Zum anderen müsse der Mitgliedstaat<br />

pp<br />

prüfen, ob eine andere Form der Feststellung der<br />

Umweltauswirkungen angemessen sei,<br />

pp<br />

der Öffentlichkeit etwaige bei der Prüfung gewonnene<br />

In<strong>for</strong>mationen zugänglich machen und<br />

pp<br />

die Kommission über die Gründe für die Ausnahme<br />

unterrichten (was erwiesenermaßen im vorliegenden<br />

Fall nicht geschehen ist).<br />

e) Gesetzgebungsakt als Ausnahme<br />

vom Geltungsbereich der UVP-Richtlinie?<br />

Gemäß Art. 1 Abs. 4 UVP-RL gilt die Richtlinie nicht für<br />

Projekte, die im Einzelnen durch einen einzelstaatlichen<br />

Gesetzgebungsakt genehmigt werden. Art. 1 Abs. 4<br />

UVP-RL gibt dazu gleich selbst die Begründung: „..., da die<br />

mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele, einschließlich der<br />

Bereitstellung von In<strong>for</strong>mationen, im Wege des Gesetzgebungsverfahrens<br />

erreicht werden“.<br />

Der EuGH nennt zwei Voraussetzungen für die Ausnahme<br />

vom Geltungsbereich:<br />

pp<br />

Zum einen muss der Gesetzgebungsakt die gleichen<br />

Merkmale aufweisen wie eine Genehmigung; vor allem<br />

muss er dem Projektträger das Recht zur Durchführung<br />

des Projekts verleihen.<br />

pp<br />

Zum anderen müssen die mit der UVP-RL verfolgten<br />

Ziele, wozu auch die Bereitstellung von In<strong>for</strong>mationen<br />

gehört, im Wege des Gesetzgebungsverfahrens erreicht<br />

werden. Der Gesetzgeber muss daher zum Zeitpunkt<br />

der „Genehmigung“ über ausreichende Angaben zum<br />

Projekt verfügen. Mindestan<strong>for</strong>derungen enthält Art. 5<br />

Abs. 3 UVP-RL.<br />

Zwar, so der EuGH, sei es Sache des vorlegenden Gerichts<br />

zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, jedoch<br />

scheine dies in Anbetracht der dem EuGH vorliegenden In<strong>for</strong>mationen<br />

nicht der Fall zu sein. Auch sähe es so aus, als<br />

ob das Laufzeitverlängerungsgesetz lediglich ein erster<br />

Schritt des Genehmigungsverfahrens sei, so dass die<br />

Ausnahmevoraussetzungen nicht erfüllt seien.<br />

2) Verstoß gegen die Habitat-Richtlinie?<br />

Der EuGH bejaht ebenfalls die grundsätzliche Anwendbarkeit<br />

der Habitat-RL. Vor Erlass des Gesetzes zur<br />

Laufzeitverlängerung hätte also eine Prüfung auf Verträglichkeit<br />

mit den betroffenen geschützten Gebieten<br />

erfolgen müssen, sofern die Art der Arbeiten und ihre<br />

potenziellen Auswirkungen zu dem Zeitpunkt ermittelbar<br />

waren. Die in Art. 6 Abs. 4 Habitat-RL vorgesehene Ausnahme<br />

sei eng auszulegen und setze eine Analyse der<br />

Auswirkungen eines Plans oder Projekts voraus. Die<br />

Richter des EuGH betonen jedoch, dass die Energieversorgungssicherheit<br />

in der EU eines der grundlegenden<br />

Ziele der Unionspolitik im Energiebereich sei, und die<br />

jederzeitige Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit<br />

in einem EU-Mitgliedstaat einen zwingenden Grund<br />

des öffentlichen Interesses darstelle. Wenn das geschützte<br />

Gebiet, dessen Beeinträchtigung zu besorgen sei, einen<br />

„prioritären“ Lebensraum“ oder eine „prioritäre“ Art einschließe,<br />

könne ferner die Notwendigkeit der Abwendung<br />

einer tatsächlichen und schwerwiegenden Gefahr der<br />

Unterbrechung der Stromversorgung einen Grund der<br />

öffentlichen Sicherheit im Sinne der Ausnahmevorschrift<br />

in Art. 6 Abs. 4 Habitat-RL darstellen.<br />

3) Verstoß gegen das Espoo-Übereinkommen?<br />

Da bereits im Rahmen der Prüfung der UVP-RL festgestellt<br />

wurde, dass ein Verfahren zur Prüfung der grenzüberschreitenden<br />

Auswirkungen des Projekts durchgeführt<br />

werden muss, erübrigte sich eine gesonderte Prüfung der<br />

Fragen des vorlegenden Gerichts zur Vereinbarkeit des<br />

Gesetzes zur Laufzeitverlängerung mit dem Espoo-Übereinkommen.<br />

4) Aufrechterhaltung der Wirkungen<br />

des Gesetzes zur Laufzeitverlängerung<br />

Hierzu konstatiert der EuGH, dass zwar weder die UVP-RL<br />

noch die Habitat-RL die Folgen aus einem Verstoß gegen<br />

die in den beiden Richtlinien statuierten Pflichten aufzeigen,<br />

dass aber die Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4<br />

Abs. 3 EUV festgelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit<br />

zur Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes<br />

gegen das Unionsrecht verpflichtet sind, z. B. durch<br />

Rücknahme oder Aussetzung erteilter Genehmi gungen.<br />

Das Unionsrecht lasse es aber zu, dass ein nationales Gericht<br />

im Einklang mit der nationalen Rechtsordnung die<br />

rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen die beiden<br />

Richtlinien ausnahmsweise aufrechterhalten könne, sofern<br />

die Aufrechterhaltung durch zwingende Erwägungen<br />

gerechtfertigt ist verbunden mit der Not wendigkeit, die<br />

tatsächliche und schwerwiegende Gefahr einer Unterbrechung<br />

der Stromversorgung des betref fenden Mitgliedstaates<br />

abzuwenden und kein anderes Mittel zur Abwehr<br />

dieser Gefahr zur Verfügung steht. Der EuGH betont, dass<br />

die Aufrechterhaltung des rechts widrigen Zustandes nur<br />

für die Zeit gelten darf, „der absolut notwendig ist, um die<br />

betreffende Rechtswidrigkeit zu beseitigen“.<br />

III. Fazit<br />

Im Lichte dieses EuGH-Urteils wird nun der belgische<br />

Verfassungsgerichtshof über die Nichtigkeitsklage zu entscheiden<br />

haben.<br />

Es sieht jedoch nicht so aus, als ob das Laufzeitverlängerungsmodell<br />

„à la Belge“ als Blaupause für andere<br />

EU-Mitgliedstaaten tauglich ist. Zwar hält der EuGH unter<br />

bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der im<br />

Inland grundsätzlich er<strong>for</strong>derlichen UVP für möglich. Fest<br />

steht aber bereits, dass eine dieser Voraussetzungen, die<br />

Unterrichtung der Kommission, nicht erfüllt ist. Erhebliche<br />

Zweifel lässt der EuGH zudem im Hinblick auf die<br />

Erfüllung der Voraussetzungen für eine Ausnahme vom<br />

Geltungsbereich der UVP-RL erkennen. Im Übrigen lässt<br />

der EuGH keine Zweifel daran, dass das belgische Laufzeitverlängerungsgesetz<br />

gegen die Vorschriften über die<br />

grenzüberschreitende UVP (Espoo-Konvention) erlassen<br />

wurde.<br />

Author<br />

Ulrike Feldmann<br />

Berlin, Deutschland<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

The Decision of the European Court of Justice of 29 July 2019: Lifetime Extension à la Belge – A Successful Model? ı Ulrike Feldmann

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