atw - International Journal for Nuclear Power | 1.2024
Rückbau und Abfallbehandlung
Rückbau und Abfallbehandlung
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ISSN: 1431-5254 (Print) | eISSN: 2940-6668 (Online)<br />
32.50 €<br />
<strong>International</strong> <strong>Journal</strong> <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
2024 1<br />
Decommissioning Costs of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Plants – an <strong>International</strong> Overview<br />
Interview mit Steffen Kanitz<br />
nucmag.com<br />
Forecasts and Scenarios <strong>for</strong> Global Energy<br />
Supply up to 2050 – Synopsis of the Approaches<br />
and Results of Studies Published in 2023<br />
Seit 68 Jahren im Dienste der Kerntechnik
Editorial<br />
3<br />
Meilenstein für die weltweite<br />
Sichtbarkeit der Kernenergie<br />
Die am 13. Dezember 2023 zu Ende gegangene<br />
COP28 in Dubai hat einen Meilenstein für<br />
die internationale Anerkennung der Kernenergie<br />
als wesentlicher Baustein der Energie- und<br />
Klima politik gesetzt. Mit dem Bekenntnis zum massiven<br />
Ausbau der Kernenergie auf das dreifache der<br />
Kapazität von 2020 und ihrer Aufnahme als zu verfolgende<br />
Emissionsminderungstechnologie in die Abschlusserklärung<br />
der Konferenz, tritt die Kernenergie<br />
endgültig aus dem Schatten der globalen Energiepolitik<br />
– das ist die Klimapolitik nämlich eigentlich.<br />
Nach der Taxonomie-Entscheidung der EU, einer<br />
wachsenden Zahl von Kernkraft-Ausbauprogrammen<br />
und Kernkraftprojekten auch in Europa, der Schaffung<br />
einer Nuklearallianz innerhalb der EU sowie<br />
weiteren positiven Entwicklungen bildet die Initiative<br />
der 22 Staaten für die Kernkraft den positiven Abschluss<br />
eines langen Ringens der Branche und gesellschaftlicher<br />
Unterstützer um eine angemessene Rolle<br />
in der Energiepolitik der kommenden Jahrzehnte.<br />
Nun gilt es für die Unternehmen der Kerntechnik und<br />
ihre Beschäftigten alles Notwendige zu tun, um den<br />
beabsichtigten massiven Ausbau der Kernenergie zu<br />
ermöglichen. Dabei müssen Robustheit und Verlässlichkeit<br />
der kerntechnischen Lieferketten und die<br />
Lernfähigkeit aus zum Teil schwierigen Projekten der<br />
vergangenen Jahre im Mittelpunkt stehen. Der beabsichtigte<br />
Ausbau in großem Umfang schafft jedenfalls<br />
die Voraussetzungen für den Ausbau der Lieferketten<br />
und für Kostendegression durch Serialisierung auch<br />
großer Kraftwerkseinheiten. Die Branche und die<br />
Politik sind gemeinsam gefragt, mit kreativen Projektfinanzierungen<br />
und förderlichen Marktbedingungen<br />
den Nutzen der Kernenergie für das Stromsystem und<br />
die Volkswirtschaft zu verwirklichen. In den Händen<br />
der Gesetzgeber – auch des europäischen – liegt es,<br />
Geneh migungsverfahren an einen beschleunigten<br />
Ausbau der Kernenergie anzupassen. Dabei geht es<br />
nicht um Sicherheitsrabatte, sondern um rationale<br />
und effiziente Regulierung ohne nationale oder<br />
behördliche Eitelkeiten. Auch Protektionismus im<br />
Gewand regulatorischer Vorbehalte wird am Ende<br />
nur dem globalen Projekt Kernkraft schaden.<br />
Die hiesigen Unternehmen und Standorte der Kerntechnik<br />
sind bereit und willig, am globalen Kernkraftprojekt<br />
mitzuarbeiten und es mit Kompetenz und<br />
Kapazität zu unterstützen. Die Aufgabe der öffentlichen<br />
Hand in Deutschland besteht nur darin, diese<br />
Entwicklung zu akzeptieren und ihre Tätigkeit etwa<br />
in der Exportkontrolle ohne poli tische Vorbehalte und<br />
mit Blick auf das auch in der Kerntechnik vorhandene<br />
eigene wirtschaftliche Interesse auszuüben. Das ist<br />
wahrlich nicht zu viel verlangt.<br />
Zu viel verlangt war dagegen wohl die Umsetzung des<br />
Projekts eines Bereitstellungslagers, des Logis tikzentrums<br />
Konrad, in Würgassen. Im Dezember wurde<br />
das Projekt vom BMUV abgesagt. Begründet wird das<br />
damit, dass sich das Logistikzentrum bis zur Bereitstellung<br />
des Endlagers Konrad aufgrund zu vieler<br />
rechtlicher und planerischer Risiken voraussichtlich<br />
nicht rechtzeitig und auch nicht wirtschaftlich umsetzen<br />
ließe, weder in Würgassen, noch anderswo. Zur<br />
Erinnerung: es handelt sich dabei um ein staatliches<br />
Projekt mit einem gesetzlichen Mandat, ausgeführt<br />
von einem Bundesunternehmen, das 2018 so früh wie<br />
möglich begonnen wurde und dessen Realisierungszeitraum<br />
durch Verzögerungen bei der Fertigstellung<br />
von Endlager Konrad auf inzwischen 2029 zweimal<br />
verlängert wurde. Man meint hier zu erkennen, wie<br />
der Staat in Deutschland inzwischen an sich selbst<br />
erstickt. Es scheint, als führe hier nicht einmal mehr<br />
die kernkraftkritische Haltung in weiten Teilen<br />
des Geschäftsbereichs des BMUV die Feder, sondern<br />
der Geist der Resignation. Wirklich bedauerlich ist,<br />
dass mit dieser Entscheidung Lasten auf kommende<br />
Generationen verlagert werden. Man spart sich in den<br />
nächsten Jahren Geld, Mühe und Nerven bei der<br />
Realisierung des Logistikzentrums, enthält aber den<br />
späteren Betreibern des Endlagers mehrere Jahrzehnte<br />
Effizienzgewinne beim Betrieb des Endlagers<br />
vor, da dieses nun mit dem als unzureichend angesehenen<br />
Pufferlager auskommen muss.<br />
In eigener Sache sei noch eine kurze Bemerkung zum<br />
neuen Layout mit einer Neugestaltung des Titels<br />
gemacht: Nach neun Jahren relativer Kontinuität mit<br />
nur graduellen Änderungen ist es angebracht, wieder<br />
einen größeren gestalterischen Schritt zu machen.<br />
Das neue Layout und der neue Titel sollen moderner<br />
und straffer sein sowie dem Leser einen guten<br />
Wiedererkennungswert bieten. Die Redaktion hofft,<br />
dass die Leserschaft dieser Einschätzung folgt und<br />
sich rasch in einem positiven Sinne an den neuen<br />
optischen Auftritt gewöhnt.<br />
Die Redaktion der <strong>atw</strong> wünscht allen Abonnenten<br />
und Lesern ein gutes und zufriedenes Jahr 2024.<br />
Nicolas Wendler<br />
– Chefredakteur –<br />
Vol. 69 (2024)
4<br />
Contents<br />
Ausgabe 1<br />
2024<br />
Januar<br />
Inhalt<br />
Editorial<br />
Meilenstein für die weltweite Sichtbarkeit der Kernenergie . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Did you know?<br />
Jahresbericht 2022 der Euratom Supply Agency – nur moderate Änderungen<br />
bei der Uranversorgung in der geopolitischen Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Kalender 2024 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Feature: Decommissioning and Waste Management<br />
Decommissioning Costs of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants – an <strong>International</strong> Overview . . 7<br />
Peter Hippauf<br />
Interview mit Steffen Kanitz<br />
Innovationen sind Treiber im Rückbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Nicolas Wendler<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Forecasts and Scenarios <strong>for</strong> Global Energy Supply up to 2050 – Synopsis<br />
of the Approaches and Results of Studies Published in 2023 . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Erste Vor-Ort-Demonstration der laserbasierten Dekonta minations technologie<br />
in einem deutschen Kontrollbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Dr.-Ing. Anne-Maria Reinecke und Carsten Friedrich<br />
AWiR: Ein beteiligungsorientiertes Change-Projekt im kerntechnischen<br />
Rückbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Ralf Schimweg und Marco Steinbusch<br />
Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />
Verlängerte Zwischenlagerung: Neues Regelwerk und Nachweisführung<br />
für den „weiteren Verbleib“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
Prof. Dr. Tobias Leidinger, Düsseldorf<br />
Education and Training<br />
Das neue Multilevel- Lernkonzept in der Kerntechnik: eine innovative Lösung<br />
für den Wissenstransfer in der Generation Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
Dr. Hendrik Wiesel<br />
Cover: Zerlegung des RDB im KKW Unterweser mit einem Großbandsägesystem<br />
(Bildrechte: PreussenElektra)<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Quecksilber & Kerntechnik – eine Geschichte ohne Ende? . . . . . . . . . . . . . . 51<br />
Dr. Daniela Speicher<br />
Verwendung von Tc-99m zur Prozess beschreibung und Qualitätskontrolle bei<br />
materialabtragenden Oberflächen behandlungsverfahren und zur Bestimmung<br />
des Filtriervermögens von Aerosol-Rückhaltesystemen . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
Frank Klein<br />
KTG-Fachinfo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
Vor 66 Jahren<br />
Das Atomprogramm muss verwirklicht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />
KTG Inside<br />
Bericht zur Nachwuchstagung 2023 der Jungen Generation . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
Report<br />
<strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong> Decommissioning 2023 – Rückblick . . . . . 78<br />
Zweites Forum Endlagersuche: Öffentlicher Austausch<br />
zum Stand der Suche nach einem Endlager in Halle an der Saale . . . . . . . . . . . 80<br />
Stärker vernetzt – Women in <strong>Nuclear</strong> Germany e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
Fachworkshop Zwischenlagerung: BGZ stellt umfangreiches<br />
Forschungsportfolio vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
Ausgabe 1 › Januar
Did you know?<br />
5<br />
Did you know?<br />
Jahresbericht 2022 der Euratom Supply Agency – nur moderate<br />
Änderungen bei der Uranversorgung in der geopolitischen Krise<br />
Mit erheblicher Verspätung im Vergleich zu den Vorjahren hat die Euratom Supply Agency (ESA) ihren Jahresbericht<br />
zur Uranversorgung der EU für das Jahr 2022 veröffentlicht. Das vergangene Jahr war im Energiesektor von<br />
dramatischen Preisentwicklungen und hoher Volatilität bei den fossilen Energieträgern und in Folge auch auf<br />
dem Strommarkt geprägt. Verglichen damit sind die Änderungen bei der Uranversorgung und auf dem Uranmarkt im<br />
Krisenjahr 2022 moderat ausgefallen.<br />
Brennstoffbedarf 2022<br />
In der EU wurden 2022 1.602 tU durchschnittlich auf 3,93 %<br />
U-235 angereicherter Kernbrennstoff in Reaktoren eingesetzt,<br />
entsprechend 10.993 tU Natururan. Für die<br />
Erzeugung des Reaktorbrennstoffes einschließlich der<br />
Anreicherung von 57 tU Uran aus der Wiederaufarbeitung<br />
wurden 8.340 tUTA (Urantrennarbeit) aufgewendet. Der<br />
durchschnittliche Gehalt an U-235 in den Tails lag bei 0,2 %.<br />
Zusätzlich wurde MOX-Brennstoff eingesetzt, der 3.007 kg<br />
Plutonium enthielt. Damit wurden 277 tU und 197 tUTA<br />
eingespart. Das gesamte eingesetzte Brennstoffinventar<br />
entspricht somit einem Natururanäquivalent von 11.327 tU.<br />
Auffällig – und möglicher weise eine erste Krisenreaktion –<br />
ist, dass erstmals seit acht Jahren wieder mehr Brennstoff<br />
an die Kraftwerke geliefert als eingesetzt wurde. 98 Prozent<br />
des gelieferten Urans wurde auf Grundlage langfristiger<br />
Verträge geliefert. Die Bedarfsschätzung der Betreiber<br />
weist in diesem Jahr für den Zeitraum bis 2032 einen<br />
recht konstanten Bedarf an Uran und Trennarbeit aus im<br />
Unterschied zu den vergangenen zehn Jahren, in denen<br />
die Schätzungen häufig nach unten revidiert wurden.<br />
Herkunft des Urans und Marktanteile im Front-end<br />
Bei der Herkunft des Urans haben sich 2022 im Vergleich<br />
zum Vorjahr einige Änderungen ergeben. So hat der Bezug<br />
aus Kasachstan um rund 14 % und der aus Kanada sogar<br />
um 50 % zugenommen, wohin gegen die Einfuhr aus Russland<br />
um 16 % zurückgegangen ist, diejenige aus Australien<br />
um mehr als 80 % (siehe auch Grafik Uranlieferländer). Die<br />
Konversion von Uran in Form von U3O8 in UF6 im Umfang<br />
von 10.936 tU wurde zu rund 37 % in Frankreich von Orano,<br />
zu 22 % in Russland von Rosatom, zu 21 % von Cameco in<br />
Kanada und zu 16 % von ConverDyn in den USA durchgeführt.<br />
Hier gab es im Vergleich zu 2021 ein Wachstum<br />
von 10 % bei Orano und Rückgänge von 20 % bei Rosatom<br />
und 25 % bei Cameco. Die Gesamtmenge der Konversion<br />
für die EU-Reaktoren war 10 % niedriger als 2021. Bei der<br />
Anreicherung blieben die Marktanteile nach Staaten<br />
praktisch unverändert, mit 62 % in der EU, 30 % in Russland<br />
und 8 % in anderen Staaten. Die Betreiber von Reaktoren<br />
mit westlicher Technik haben um 16 % weniger Urantrennarbeit<br />
in Russland in Anspruch genommen. Das im Besitz<br />
von Kernkraftwerks betreibern befindliche Uran ist noch<br />
einmal etwas um 1.100 tU auf 35.710 tU gesunken. Die Preise<br />
von Uran in längerfristigen Verträgen tendierten 2022<br />
uneinheitlich, die Preise für Konversion erhöhten sich<br />
deutlich, diejenigen für Anreicherung stiegen sehr stark.<br />
Versorgungssicherheit<br />
Hinsichtlich der Versorgungssicherheit betrachtet die ESA<br />
die Abhängigkeit mittel- und osteuropäischer Betreiber<br />
von russischen Brennelementen und gekoppelten Brennstoffkreislaufdienstleistungen<br />
als bedeutendstes Risiko im<br />
EU-Kernenergiesektor. Diese Betreiber haben aber eine<br />
Diversifizierung in die Wege geleitet und haben sich mit<br />
Brennstoff bevorratet, weswegen der Erwerb von Konversions-<br />
bzw. Anreicherungsleistungen in Russland um 30 %<br />
bzw. 22 % gestiegen ist. Insgesamt wird für den „ globalen<br />
Westen“ festgestellt, dass dieser mittel- und langfristig<br />
nicht zu Selbstversorgung mit Konversion und Anreicherung<br />
in der Lage sein könnte, falls nicht einige Werke ihre<br />
Produktion erhöhen und in Kapazitätserweiterungen<br />
inves tieren. Die Versorgung der Betreiber in der EU ist für<br />
die kommenden Jahre mit Lieferverträgen abgesichert,<br />
allerdings könnte es unter Umständen nicht möglich<br />
sein, alle Optionen auszuüben, um den möglichen Ausfall<br />
von Risikolieferanten auszugleichen. Die ESA beklagt<br />
eine anhaltende Investitionsschwäche in den Brennstoffkreislauf,<br />
die langfristig die Versorgungssicherheit<br />
untergräbt.<br />
Ursprung des an EU-Kernkraftwerksbetreiber gelieferten Urans 2022 in Prozent<br />
26,82<br />
Kasachstan<br />
Quelle: Euratom Supply Agency, Annual Report 2022<br />
25,38<br />
Niger<br />
21,99<br />
Kanada<br />
16,89<br />
Russland<br />
3,76<br />
Usbekistan<br />
2,79<br />
Australien<br />
2,23<br />
Namibia<br />
0,15<br />
EU<br />
Vol. 69 (2024)
6<br />
Calendar<br />
Kalender 2024<br />
23.01. – 25.0<strong>1.2024</strong><br />
<strong>Power</strong>Gen <strong>International</strong>.<br />
New Orleans, LA, United States<br />
https://www.powergen.com/<br />
07.02. – 09.02.2024<br />
Long-Term Operation Summit.<br />
Andermatt, Switzerland<br />
https://lto-summit.org/<br />
07.03.2024<br />
Small & Advanced <strong>Nuclear</strong> Reactors NEI.<br />
Idaho Falls, Idaho, USA<br />
https://www.neimagazine.com/news/<br />
newssmall-and-advanced-reactors-<br />
2024-call-<strong>for</strong>papers-10905507<br />
10.03. – 14.03.2024<br />
WM2024.<br />
Technologies, Phoenix, AZ, USA<br />
https://www.wmsym.org/<br />
25. – 27.03.2024<br />
EPS-Forum – The European Physical<br />
Society Forum.<br />
Berlin, Germany<br />
https://eps<strong>for</strong>um.org/<br />
03. – 04.04.2024<br />
<strong>Nuclear</strong> Decommissioning & Waste<br />
Management Summit.<br />
London, UK<br />
https://www.wplgroup.com/aci/event/<br />
nuclear-decommissioning-wastemanagement-summit/<br />
10. – 18.04.2024<br />
Karlsruhe <strong>International</strong> School<br />
on Fusion Technologies.<br />
Karlsruhe, Germany<br />
https://summerschool.fusion.kit.edu/<br />
21.04. – 24.04.2024<br />
PHYSOR 2024 – <strong>International</strong><br />
Conference on Physics of Reactors.<br />
San Francisco, CA, United States<br />
https://www.ans.org/meetings/<br />
physor2024/<br />
13.05. – 16.05.2024<br />
ERMSAR 2024 – 11 th European Review<br />
Meeting on Severe Accident Research<br />
Conference.<br />
Stockholm, Sweden<br />
https://www.ermsar2024.conf.kth.se/<br />
15.05. – 17.05.2024<br />
RAMTrans 2024 – all aspects of packaging<br />
<strong>for</strong> the transport, storage and disposal of<br />
radioactive and nuclear materials.<br />
London, UK<br />
https://www.euronuclear.org/<br />
project/ramtrans-2024-15-17-may-2024-<br />
london-uk/<br />
20.05. – 24.05.2024<br />
ICONS 2024 – <strong>International</strong> Conference<br />
on <strong>Nuclear</strong> Security.<br />
Vienna, Austria<br />
https://www.iaea.org/events/icons2024<br />
21.05. – 22.05.2024<br />
Nordic <strong>Nuclear</strong> Forum 2024.<br />
Helsinki, Finland<br />
https://nordicnuclear<strong>for</strong>um.fi/<br />
25.05. – 29.05.2024<br />
NURER2020 – 7 th <strong>International</strong><br />
Conference on <strong>Nuclear</strong> and Renewable<br />
Energy Resources.<br />
Ankara, Türkiye<br />
http://www.nurer2020.org/en<br />
27.05. – 29.05.2024<br />
DEM 2024 – <strong>International</strong> Conference<br />
on Decommissioning Challenges:<br />
Role and importance of innovations.<br />
Avignon, France<br />
https://www.euronuclear.org/project/<br />
dem-2024-27-29-may-2024-avignonfrance/<br />
05.06. – 06.06.2024<br />
NIC 2024 – <strong>Nuclear</strong> Innovation<br />
Conference.<br />
Amsterdam, The Netherlands<br />
www.nuclearinnovationconference.eu/<br />
02. – 06.07.2024<br />
IYCE 2024 – <strong>International</strong> Youth<br />
Conference on Energy.<br />
Colmar, France<br />
https://www.iyce-conf.org/<br />
24. – 26.07.2024<br />
Global Forum <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Innovation.<br />
Eden Roc, Miami Beach, USA<br />
https://www.globalnuclearinnovation.com/<br />
04. – 08.08.2024<br />
ICONE31 – 31 st <strong>International</strong> Conference<br />
on <strong>Nuclear</strong> Engineering.<br />
Prague, Czech Republic<br />
https://event.asme.org/ICONE<br />
25. – 28.08.2024<br />
NUTOS – 14 th <strong>International</strong> Topical<br />
Meeting on <strong>Nuclear</strong> Reactor Thermal-<br />
Hydraulics, Operation, and Safety.<br />
Vancouver, BC, USA<br />
https://nuthos-14.org/<br />
09. – 11.09.2024<br />
World Utilities Congress.<br />
Abu Dhabi, UAE<br />
https://www.worldutilitiescongress.com/<br />
23. – 27.09.2024<br />
Symposium on Fusion Technology.<br />
Dublin, Ireland<br />
https://ncpst.ie/ncspt-to-host-softconference-2024-advancing-the-<br />
studyof-fusion-technology/<br />
29.09. – 03.10.2024<br />
TopFuel 2024.<br />
Grenoble, France<br />
https://www.euronuclear.org/<br />
topfuel-2024/<br />
18. – 21.1<strong>1.2024</strong><br />
ICOND 2024.<br />
Aachen, Germany.<br />
www.icond.de<br />
21.04. – 25.04.2024<br />
RRFM 2024 – European Research<br />
Reactor Conference.<br />
Warsaw, Poland<br />
https://www.euronuclear.org/project/<br />
european- research-reactor-conference-<br />
2024-21-25-april-2024-warsaw-poland/<br />
22.04. – 25.04.2024<br />
World Energy Congress.<br />
Rotterdam, The Netherlands<br />
https://worldenergycongress.org/<br />
rotterdam/<br />
10. – 14.06.2024<br />
Conference on the Management of Spent<br />
Fuel from <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Reactors 2024.<br />
Vienna, Austria<br />
https://www.iaea.org/events/sfm24<br />
17. – 20.06.2024<br />
Symposium on Plasma Physics<br />
and Technology.<br />
Prague, Czech Republic<br />
https://www.plasmaconference.cz/<br />
25. – 28.1<strong>1.2024</strong><br />
Clay Conference 2024.<br />
Hannover, Germany<br />
https://www.bge.de/de/endlagersuche/<br />
clay-conference/<br />
01. – 02.05.2024<br />
SMR & Advanced Reators 2024.<br />
Atlanta, USA<br />
https://events.reutersevents.com/nuclear/<br />
smr-usa<br />
06. – 10.05.2024<br />
NETS 2024 – <strong>Nuclear</strong> and Emerging<br />
Technologies <strong>for</strong> Space.<br />
Santa Fe, New Mexico, USA<br />
https://www.ans.org/meetings/nets2024/<br />
11.06. – 13.06.2024<br />
Leipzig, Germany<br />
https://kerntechnik.com/de/<br />
welcomes<br />
Ausgabe 1 › Januar
Feature: Decommissioning and Waste Management<br />
7<br />
Decommissioning Costs<br />
of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants<br />
– an <strong>International</strong> Overview<br />
› Peter Hippauf<br />
Introduction<br />
The number of nuclear power plants (NPP) to be<br />
decommissioned and dismantled will grow within<br />
the next years. Figure 1 shows the age of the reactors<br />
worldwide in power production [1] . It indicates<br />
a coming final shut down of several units assuming<br />
operation periods between 40 and 60 years. Particularly<br />
NPP in Europe and in the United States are<br />
affected.<br />
Owners/licensees are generally responsible <strong>for</strong><br />
developing decommissioning cost estimates. A<br />
good understanding of decommissioning costs is<br />
fundamental <strong>for</strong> the development of cost esti mates<br />
based on realistic decommissioning plans. Transparent<br />
cost estimates also provide a basis <strong>for</strong><br />
reserving the necessary funds and further assessing<br />
the decommissioning process with the aim of<br />
ensuring that necessary funds are avail able when<br />
needed to cover the actual cost of decommissioning<br />
activities. [2]<br />
An important business area of NIS is the estimation<br />
of decommissioning costs <strong>for</strong> NPP and other<br />
nuclear facilities as well as the preparation of the<br />
related decommissioning plans. The following<br />
sections provide an overview of the:<br />
⁃ NIS references<br />
⁃ Methodology <strong>for</strong> calculating the<br />
decommissioning costs<br />
⁃ Main figures and results <strong>for</strong> the decommissioning<br />
of selected NIS references<br />
⁃ Conclusion.<br />
NIS references<br />
Siempelkamp NIS Ingenieurgesellschaft mbH<br />
(NIS), located in Alzenau, Germany, has worked in<br />
the field of decommissioning of nuclear facilities<br />
<strong>for</strong> more than 40 years now. NIS analyses these projects<br />
from a technical as well as from an eco nomical<br />
point of view. All gained experience is steadily<br />
included in the NIS decommissioning cost calculations<br />
to assure being up-to-date with regard to<br />
modern techniques.<br />
Today, NIS prepares annual decommissioning cost<br />
calculations <strong>for</strong> the German NPP quite recently<br />
Fig. 1.<br />
Reactor age worldwide<br />
Vol. 69 (2024)
8<br />
<br />
Feature: Decommissioning and Waste Management<br />
shut down as well as those in decommissioning.<br />
These annual expert assessments are mainly<br />
pre pared <strong>for</strong> liability purposes relevant <strong>for</strong> the<br />
operators’ annual financial accounting. Additionally,<br />
they are often considered <strong>for</strong> the planning<br />
and project management work.<br />
Since the 1990s, these experiences led to several<br />
contracts in <strong>for</strong>eign European countries. For the<br />
Belgian NPP, NIS prepares decommissioning cost<br />
calculations and preliminary decommissioning<br />
plans (PDP) every 3 years. Also decommissioning<br />
studies and cost calculations <strong>for</strong> NPP in Switzerland<br />
and in the Netherlands are updated regularly<br />
every 5 years. Further decommissioning cost<br />
calcula tions are per<strong>for</strong>med <strong>for</strong> NPP in Slovenia,<br />
Slovakia, Lithuania and France.<br />
Additionally, NIS prepares decommissioning cost<br />
calcu lation and planning <strong>for</strong> several German<br />
nuclear research facilities.<br />
Figure 2 summarizes the reference countries <strong>for</strong><br />
NIS decommissioning cost calculations. For the<br />
current projects (dark-blue), the methodology<br />
subse quently presented is applied and they are the<br />
basis <strong>for</strong> the overview in the main figures and<br />
results <strong>for</strong> NPP.<br />
Methodology<br />
In general, the per<strong>for</strong>mance of the NIS decommissioning<br />
cost estimation relies on four steps:<br />
1. Analysis of the masses to be considered<br />
(mass analysis)<br />
2. Creation of a work breakdown structure (WBS)<br />
3. Scheduling of the decommissioning project<br />
4. Per<strong>for</strong>mance of the cost calculation.<br />
At first, the inventory of the NPP is registered in the<br />
NIS database application. For each component, an<br />
adequate treatment (e.g. dismantling, cutting, decontamination,<br />
etc.) and waste disposal route (e.g.<br />
super-compaction, direct packaging, clearance<br />
measurement, etc.) is defined referring to the developed<br />
applicable waste management concept.<br />
Also, appropriate containers are chosen. At the end<br />
of the mass analysis, resulting waste amounts and<br />
disposal volumes are available. For the following<br />
planning and scheduling activities, the components<br />
are assigned to possible dis mantling steps<br />
relying on systems or rooms <strong>for</strong> example.<br />
Next, all measures and steps necessary <strong>for</strong> the<br />
decommissioning and dismantling of the NPP are<br />
identified and listed. This includes planning,<br />
licensing, preparation, nuclear dismantling, decontamination,<br />
clearance, conventional dismantling,<br />
waste processing, disposal and operation<br />
tasks. These tasks are arranged in a hierarchical<br />
WBS and customized e.g. according to the <strong>International</strong><br />
Structure <strong>for</strong> Decommissioning Costing<br />
(ISDC) [3] .<br />
For scheduling the decommissioning project,<br />
appropriate techniques and processes are selected.<br />
By means of linking measures and steps the<br />
sequence <strong>for</strong> the whole project is set. The duration<br />
of steps is determined according to personnel<br />
requirements and capacities as well as by the<br />
chosen techniques.<br />
Finally, the WBS as well as the time schedule are<br />
implemented in the NIS database application to<br />
per<strong>for</strong>m the cost calculation. Cost factors (e.g.<br />
wages per required qualification, costs of dismantling<br />
equipment, costs <strong>for</strong> consumables, container<br />
costs, etc.) are assigned to the individual<br />
steps to calculate the costs in a bottom-up prin ciple.<br />
The total costs, costs <strong>for</strong> each level of the WBS as<br />
well as yearly costs according to the project schedule<br />
are now available.<br />
As NIS is involved in several current decommis sion<br />
projects, experience accrues and is consequently<br />
considered in each of the four steps.<br />
The total decommissioning costs <strong>for</strong> the selected<br />
references presented in the following section<br />
are broken down in the same way to allow a<br />
meaningful comparison. They are split up in<br />
administra tion/operation, dismantling and waste<br />
management.<br />
Fig. 2.<br />
Reference countries NIS decommissioning cost calculations<br />
Administration/operation involves all types of<br />
activities concerned with the management of<br />
decommissioning activities, engineering, technical,<br />
safety and other relevant support, during all<br />
phases of the decommissioning project. Furthermore,<br />
the remaining site infrastructure and the<br />
Ausgabe 1 › Januar
Feature: Decommissioning and Waste Management<br />
9<br />
final radio activity survey <strong>for</strong> release of<br />
buildings. Secondly, conventional dismantling<br />
of systems in premises outside<br />
of the controlled area and demolition of<br />
structures, both <strong>for</strong> buildings originally<br />
located within the controlled area and<br />
<strong>for</strong> buildings outside the controlled area<br />
is covered. The site clean-up and landscaping<br />
as well as the final survey of the<br />
site to realize “green field” status is<br />
included.<br />
Fig. 3.<br />
Total decommissioning masses/inventory and gross capacities<br />
Waste management deals with all aspects<br />
of treating radioactive, hazardous<br />
and conventional waste generated<br />
during the removal activities. Beside<br />
the treatment itself, it considers conditioning<br />
<strong>for</strong> disposal, including container<br />
costs. Sometimes storage ef<strong>for</strong>ts<br />
are covered if regulated by law.<br />
Fig. 4.<br />
Average distribution of decommissioning masses per type<br />
operation needs to be managed. So, the necessary<br />
measures <strong>for</strong> the retention of a safe operation of<br />
the plant and the containment of the remaining<br />
radioactivity during the decommissioning work<br />
are considered. Also includes are operation and<br />
maintenance ef<strong>for</strong>ts, radiological protection and<br />
health physics, security and other operational<br />
expenditures.<br />
First of all, dismantling involves nuclear removal<br />
of the systems and structures within the controlled<br />
area, particularly procurement of equipment <strong>for</strong><br />
decontamination and dismantling, preparation<br />
and support <strong>for</strong> dismantling, pre-dismantling<br />
decontamination, removal of materials requiring<br />
specific procedures, dismantling of main process<br />
systems, structures and components, dismantling<br />
of other systems and components, removal of<br />
contamination from building structures and the<br />
Main figures and results<br />
As described previously, NIS has prepared<br />
various decommissioning cost<br />
calculations <strong>for</strong> different reactor types<br />
and nuclear facilities <strong>for</strong> decades. For a<br />
reasonable comparison, the following<br />
overview of main figures and results<br />
is evaluated from projects of PWR regarding<br />
the immediate dismantling<br />
decommissioning strategy. In total,<br />
figures and results of 21 PWR units located<br />
in 6 Euro pean countries are selected.<br />
Due to confidentiality, the plants and<br />
countries are anonymized.<br />
Figure 3 shows the masses to be removed<br />
during decommissioning of<br />
the referenced PWR units and their<br />
gross capacities. Dependent on the size,<br />
between 150.000 and 850.000 tons are<br />
registered in the NIS database application. The<br />
greatest part is non-radioactive equipment, components,<br />
concrete and building masses.<br />
Figure 4 provides particularly the distribution of<br />
the remaining (non-conventional) part. Especially<br />
<strong>for</strong> these components and masses, nuclear dismantling<br />
techniques are applied. Furthermore,<br />
site specific waste management concepts are<br />
developed considering the radiological evaluations,<br />
packaging and disposal policies.<br />
Figure 5 presents the required final disposal<br />
volumes <strong>for</strong> the remaining radioactive waste of the<br />
referenced PWR units. Between 3.200 and 9.100 m³<br />
are estimated. Obviously, there is no clear correlation<br />
between the amount of the decom missioning<br />
mass and the resulting final disposal volume as the<br />
country-specific packaging and disposal policies<br />
Vol. 69 (2024)
10<br />
<br />
Feature: Decommissioning and Waste Management<br />
are of importance in the NIS decommissioning<br />
cost calculations.<br />
Fig. 5.<br />
Final disposal volumes <strong>for</strong> radioactive waste<br />
Figure 6 shows the average of the<br />
total costs per PWR unit estimated by<br />
NIS <strong>for</strong> each reference country. The<br />
total costs are split into costs <strong>for</strong> administration/operation,<br />
dismantling<br />
and waste management. There is a<br />
range of 320 to 1.340 Million € <strong>for</strong> the<br />
average in total costs. 120 – 650 Million<br />
€ are determined <strong>for</strong> administration/operation,<br />
130 – 460 Mil lion € <strong>for</strong><br />
dismantling and 70 – 220 Mil lion € <strong>for</strong><br />
waste management. Figure 7 provides<br />
the distribution of the total<br />
decommissioning costs by percentage<br />
<strong>for</strong> each of the 6 referenced countries.<br />
There is a range of 30 % to 53 % <strong>for</strong><br />
administration/operation, 31 % –<br />
40 % <strong>for</strong> dismantling and 12 % – 38 %<br />
<strong>for</strong> waste management costs.<br />
Conclusion<br />
The total costs <strong>for</strong> the decommissioning<br />
of the selected 21 PWR units range<br />
between 320 and 1.500 Million €<br />
per unit. Due to the strong correlation<br />
between the registered decommissioning<br />
masses and the corresponding<br />
decommissioning ef<strong>for</strong>t, larger PWR<br />
units consequently cause higher decommissioning<br />
costs. Figure 6 shows<br />
the highest average costs <strong>for</strong> the country<br />
with the largest PWR units.<br />
Fig. 6.<br />
Overview decommissioning costs<br />
Fig. 7.<br />
Distribution of decommissioning costs per country<br />
Some countries show significantly<br />
lower price and wage levels, accordingly<br />
leading to lower decommissioning<br />
costs. This mainly affects administration/operation,<br />
waste management<br />
and simple dismantling tasks.<br />
In particular the dismantling of the<br />
main components (e.g. reactor pressure<br />
vessel, internals) is not affected,<br />
as this work is usually carried out<br />
by specialized world-wide service<br />
suppliers. This is one reason <strong>for</strong> different<br />
ratios between dismantling and<br />
ad ministration/operation costs as<br />
shown in Figure 7.<br />
Second, there is a sensitivity of decommissioning<br />
costs regarding the<br />
project duration. Cost reductions due<br />
to optimized scheduling of the decommissioning<br />
project are mainly<br />
driven by savings in administration/<br />
opera tion costs, par ticularly during<br />
the first years after final shut down.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Feature: Decommissioning and Waste Management<br />
11<br />
Obvi ously, it is important to avoid delays in<br />
the achievement of milestones permitting the<br />
reduc tion of operation support. This particularly<br />
applies to the removal of spent fuel as well as the<br />
granting of licenses to start dismantling as early<br />
as possible.<br />
A look at countries with multi-unit sites shows<br />
lower average decommissioning costs <strong>for</strong> each<br />
single unit. The NIS decommissioning cost calculations<br />
point out cost advantages due to economies<br />
of scale. The degression of fixed costs, learning<br />
curve effects as well as capacity optimizations are<br />
con sidered here.<br />
The regulation in some countries involves the<br />
intermediate storage and (partly) the final storage<br />
of the remaining radioactive waste in the decommissioning<br />
costs. This leads to a larger share of<br />
waste management costs in these countries, as<br />
shown in Figure 7.<br />
Figure 8 provides an international comparison of a<br />
mass-specific decommissioning cost figure in<br />
€/ton (total costs from Figure 6, per decommissioning<br />
mass from Figure 3). It illustrates countries<br />
with significantly lower price and wage levels.<br />
Furthermore, countries where large plants as well<br />
as multi-unit site are located, show lower mass-specific<br />
decommissioning costs than countries with<br />
smaller plants and single unit sites.<br />
Figure 9 completes the international overview<br />
with a decommissioning cost figure related to<br />
the gross capacities of the PWR in the different<br />
countries. The averages range between about<br />
0,60 Billion €/GW e and 1,20 Billion €/GW e or<br />
between 0,60 €/W e and 1,20 €/W e alternatively<br />
noted. In conclusion, it confirms the<br />
findings on the impact of plant size, multi-unit<br />
sites as well as price and wages<br />
levels on decommis sioning costs of nuclear<br />
power plants.<br />
References<br />
[1] IAEA (2021): <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Reactors in the World, IAEA<br />
reference data series No. 2, edition 2021, IAEA, Vienna.<br />
[2] NEA (2016): Costs of Decommissioning <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Plants, OECD, Paris.<br />
[3] NEA (2012): <strong>International</strong> Structure <strong>for</strong> Decommissioning<br />
Costing (ISDC) of <strong>Nuclear</strong> Installations, OECD, Paris.<br />
Author<br />
Fig. 8.<br />
Decommissioning costs per mass<br />
Peter Hippauf<br />
Project Manager<br />
Decommissioning Costs<br />
Siempelkamp NIS Ingenieurgesellschaft<br />
mbh, Alzenau, Germany<br />
peter.hippauf<br />
@siempelkamp-nis.com<br />
Peter is an expert in nuclear decom<br />
mis sioning and the corresponding<br />
costs <strong>for</strong> these projects. In<br />
2009, he started at Siempel kamp NIS located in Alzenau,<br />
Bavaria, Germany, calculating decommissioning costs <strong>for</strong><br />
nuclear power plants and facilities in Germany. Over the<br />
years, his scope expands with the preparation of decommissioning<br />
plans and cost estimates <strong>for</strong> nuclear facilities in<br />
several European countries.<br />
Fig. 9.<br />
Decommissioning costs per gross capacity<br />
Vol. 69 (2024)
12<br />
Interview<br />
Interview mit Steffen Kanitz<br />
Innovationen<br />
sind Treiber im Rückbau<br />
Interview mit Steffen Kanitz,<br />
Technischer Geschäftsführer (CTO) der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />
› Nicolas Wendler<br />
Steffen Kanitz<br />
Technischer Geschäftsführer (CTO) der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />
Mitglied des Vorstandes RWE <strong>Power</strong> AG (Ressort Kernenergie)<br />
› seit Juni 2023<br />
Technischer Geschäftsführer (CTO) der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />
Mitglied des Vorstandes RWE <strong>Power</strong> AG (Ressort Kernenergie)<br />
› 2018 – 2023 Geschäftsführer, Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE)<br />
› 2017 – 2018 Generalbevollmächtigter, BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH<br />
› 2013 – 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU)<br />
› 2008 – 2013 Projektmanager, Gelsenwasser AG<br />
› 2004 – 2008 Universität Münster, Studium der Betriebswirtschaftslehre,<br />
Abschluss: Diplom-Kaufmann<br />
› 14.02.1984 geboren in Dortmund<br />
Mit dem Standort Emsland sind nun alle Kernkraftwerke<br />
des RWE in Nachbetrieb oder Rückbau. Gibt<br />
es für die vier Standorte eine übergreifende Rückbaustrategie<br />
oder wird eher standortspezifisch<br />
vorgegangen?<br />
Die Trans<strong>for</strong>mation vom Energie erzeuger zu einem<br />
Rückbauunternehmen ist eine ambitionierte Aufgabe,<br />
die neue Methoden und Denkmuster er<strong>for</strong>dert.<br />
Wir haben bereits vor einigen Jahren über<br />
alle Standorte hinweg alle Prozessschritte des<br />
Rückbaus unter die Lupe genommen<br />
– vom Antrag der Abbaugenehmigung<br />
bis hin zur Entlassung<br />
aus dem Atomgesetz. Entstanden<br />
ist dabei der „Integrierte<br />
Rückbauprozess“ (IRP), der die<br />
Grundlage für die opera tive Steuerung<br />
der Organisation und die<br />
neue, auf Rückbau ausgerichtete<br />
Struktur bildet. Ähnlich wie beim<br />
Bau von Autos, wird die komplexe<br />
Aufgabe in kleine Pakete aufgeteilt. Die einzelnen<br />
Abbau tätigkeiten werden aufeinander abgestimmt<br />
und greifen wie am Fließband ineinander. Dank<br />
Die einzelnen<br />
Abbau tätigkeiten<br />
werden aufeinander<br />
abgestimmt und<br />
greifen wie am<br />
Fließband ineinander.<br />
dieser Vorgehensweise ist der Rückbau gut kontrollierbar<br />
und sicher zu bewältigen.<br />
Die vier kerntechnischen Rückbaustandorte haben<br />
alle ihre Besonderheiten. Wie ist aktuell der Stand<br />
beim Rückbau und was sind die nächsten Schritte<br />
an den verschiedenen Stand orten?<br />
Mit dem Kernkraftwerk Emsland befinden wir uns<br />
im Nachbetrieb und warten noch auf die Stilllegungs-<br />
und Abbaugenehmigung. Gleichwohl laufen<br />
die rückbauvorbereitenden<br />
Maßnahmen auf Hochtouren.<br />
Die ebenfalls am Standort<br />
befind liche Altanlage, das<br />
Kernkraftwerk Lingen (KWL)<br />
ist seit Ende 2015 im Rückbau.<br />
Aktuell führen wir den Abbau<br />
des Reaktordruckgefäßes, der<br />
das ehemalige tech nische Herzstück<br />
der Anlage bildete, durch.<br />
In Gundremmingen haben wir in beiden Maschinen<br />
häusern die Generatoren und andere<br />
Komponenten ausgebaut und zerlegt. Dort werden<br />
Ausgabe 1 › Januar
Interview<br />
13<br />
wir – wie bereits in Lingen im Sommer – bald<br />
mit dem Bau eines Transportbereitstellungs- und<br />
Logistik gebäudes zum Zwischenpuffern von<br />
schwach- und mittelradioaktiven Abfällen bis zur<br />
Abgabe an den Bund beginnen.<br />
In Biblis konnte der Rückbau mehrerer Systeme<br />
sowie verschiedener Großkomponenten, etwa der<br />
Dampferzeuger, bereits erfolgreich abgeschlossen<br />
werden.<br />
In Mülheim-Kärlich sind bereits mehr als zwei<br />
Drittel des technischen Equipments ausgebaut.<br />
Aktuell werden die Einbauten des Reaktordruckbehälters<br />
zerlegt, parallel laufen erste Aktivitäten<br />
zur Freimessung der Betonstrukturen in den<br />
Ringräumen.<br />
Darüber hinaus errichten wir am Standorte<br />
Emsland innerhalb der Anlage eine moderne<br />
Rückbau fabrik mit z.B. Bandsägen und Strahl anlagen<br />
zur Behandlung abge bauter Komponenten,<br />
in Biblis ist der Fabrikaufbau schon abgeschlossen,<br />
in Gundremmingen wird die Fabrik bedarfsgerecht<br />
erweitert.<br />
Der kerntechnische Rückbau ist in Deutschland<br />
inzwischen ein eta bliertes Vorgehen, gleichwohl<br />
wird weiter aktiv in diesem Bereich ge<strong>for</strong>scht. Gibt<br />
es bei RWE <strong>Nuclear</strong> Forschungskooperationen oder<br />
-projekte hinsichtlich des Rückbaus oder<br />
verbundener Bereiche wie Freigabe oder Konditionierung<br />
und Verpackung?<br />
Unsere Forschung ist anwendungsorientiert ausgelegt.<br />
Als Ergebnis dieser Ausrichtung haben wir<br />
in Biblis gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut<br />
für Graphische Datenverarbeitung IGD das<br />
gemeinsame FORKA-Forschungsprojekt ROBBE<br />
( ROBotergestützte BEarbeitung von Baugruppen)<br />
entwickelt. Kern der Technologie<br />
ist die autonome Erfassung der<br />
3D-Geometrie be liebiger beschichteter<br />
Bauteile unterschiedlicher<br />
Form und Größe sowie deren automatisierte<br />
Ent schichtung mittels<br />
Ultra-Hochdruck-Wasserstrahltechnik.<br />
Die 3D-Technik zur Erfassung<br />
wurde bislang bei der<br />
Digitalisierung von Kulturgütern<br />
genutzt. Die nun robotergestützte<br />
Bearbeitung von Baugruppen<br />
erhöht die Arbeitssicherheit und<br />
bringt einen Effizienzschub bei<br />
der Dekontami nation und damit für den gesamten<br />
Rückbau. Dass wir für diese Innovationspartnerschaft<br />
in 2022 den Nuklearen Innovationspreis der<br />
EU erhalten haben, macht uns besonders stolz.<br />
Das Projekt wurde von der Jury mit dem dritten<br />
Preis in der Kategorie Entsorgung radioaktiver<br />
Abfälle aus gewählt. In einem Nachfolgeprojekt<br />
wird die Automatisierung ausgeweitet auf die<br />
Zur Vorbereitung<br />
des Rückbaus im<br />
Kraftwerk Emsland<br />
haben unsere<br />
Mitarbeitenden einen<br />
„digitalen Zwilling“<br />
des Kontrollbereichs<br />
erstellt.<br />
ROBBE – robotergestütze Bearbeitung von Baugruppen<br />
(Bildrechte: RWE)<br />
Entschichtung durch Laserablation und die Vormessung<br />
von Bauteilen beliebiger Geometrie.<br />
Konnten im Rahmen der Rückbauprojekte von RWE<br />
Verfahrens- oder Prozessinnovationen in die Praxis<br />
umgesetzt werden?<br />
Innovationen sind Treiber im Rückbau. Unsere<br />
motivierten und gut ausgebildeten Beschäftigten<br />
haben immer wieder neue Ideen und Gedanken,<br />
wie wir den Rückbau noch sicherer oder effizienter<br />
gestalten können.<br />
Die gerade erwähnte ROBBE bewährt sich aktuell<br />
beim Einsatz in der Fabrik in Biblis.<br />
In Mülheim Kärlich haben<br />
wir das Projekt „GAuDI“ (Gebäudefreigabe<br />
Automatisierung<br />
und Digi talisierung)<br />
entwickelt und wollen es nun<br />
an allen Standorten umsetzen.<br />
Zur Unter stützung der<br />
Gebäude freigabe haben wir<br />
zwei Roboter ent wickelt, die<br />
automatisiert Dosis leistungsmes<br />
sungen in Räumen durchführen.<br />
Hierdurch können<br />
wir nicht nur Messfehler verringern,<br />
sondern auch Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
von monotoner Arbeit im Vormessprozess<br />
von Räumen entlasten und erhalten freie Personalressourcen<br />
für an dere Aufgaben.<br />
Zur Vorbereitung des Rückbaus im Kraftwerk<br />
Emsland haben unsere Mitarbeitenden einen<br />
„ digitalen Zwilling“ des Kontrollbereichs erstellt.<br />
Vol. 69 (2024)
14<br />
Interview<br />
Dank des nun vorliegenden digitalen detailgetreuen<br />
3D-Modells können wir viel einfacher<br />
planen und bei der Arbeits vorbereitung Mitarbeiter<br />
von Partner firmen den<br />
genauen Arbeits ort vorab vorstellen<br />
und Sicherheitshinweise<br />
geben.<br />
Darüber hinaus steigern wir<br />
in allen Prozessen Effizienz<br />
und Zuverlässigkeit mit gezielter<br />
Digi talisierung, wovon<br />
nicht nur wir profitieren. In<br />
der Ent sorgung haben wir gemeinsam<br />
mit der zu ständigen Bundes gesellschaft<br />
für Endlagerung die Digitalisierung der Produktkontrolle<br />
angestoßen. Das kommt nun allen Ablieferungspflichtigen<br />
zu Gute.<br />
Der Rückbau von kommer ziellen Kernkraftwerken<br />
findet in Deutschland an zahlreichen Standorten<br />
und in verschiedenen Unternehmen statt, teils<br />
seit Jahrzehnten. Gibt es aus Ihrer Sicht hier noch<br />
größeres Optimierungs- bzw. Kos ten senkungspotential<br />
und wenn ja, in welchen Bereichen?<br />
Ein großes Thema sind die Restbetriebskosten. Klar<br />
ist: Solange eine Anlage nicht brennelementfrei ist,<br />
sind wir verpflichtet, Sicherheitssysteme zu warten<br />
und in Betrieb zu halten. Je früher wir brennelementfrei<br />
werden, desto früher können wir auf<br />
diese redundanten Sicherheitssysteme verzichten<br />
und Kosten sparen. Darüber hinaus<br />
reichen die Maßnahmen von einfachen<br />
Dingen wie dem Einsatz<br />
mobiler Lichtquellen bis hin zum<br />
Umbau der Medienversorgung, um<br />
den Verbrauch zu senken.<br />
Branchenweit<br />
gibt es ein großes<br />
Optimierungspotential<br />
bei der Freigabe<br />
von Reststoffen<br />
aus den Anlagen.<br />
Ein zweiter großer Hebel ist die<br />
Optimierung des Material flusses.<br />
Wir müssen die Themen Genehmigungen,<br />
Organisation und Steuerung noch konsequen<br />
ter darauf ausrichten. Dabei geht es um Evolution<br />
und nicht um Revolution. Wir machen vieles<br />
sehr gut. Jetzt geht es darum, herauszu finden, was<br />
wir noch besser machen können. Branchenweit<br />
gibt es ein großes Optimierungs potential bei der<br />
Freigabe von Reststoffen aus den Anlagen. In Ermangelung<br />
eines spezifischen Regelwerkes für den<br />
Rückbau arbeiten wir immer noch mit Leistungsbetriebsstandards,<br />
die einem massen fähigen<br />
Rückbau prozess klar im Wege stehen. Hier sehe ich<br />
echten Anpassungsbedarf, ohne den wir den Rückbau<br />
nicht erfolgreich ins Ziel führen können.<br />
Für die Standortgemeinden ist die Zukunftsperspektive<br />
für die Standorte von großer Bedeutung.<br />
Gibt es schon konkrete Zukunftsprojekte,<br />
an denen RWE Anteil hat?<br />
Wir führen an den jeweiligen Standorten bereits<br />
intensive Gespräche über konkrete Projekte, auch<br />
wenn ich da heute noch nicht ins Detail gehen<br />
kann. Wir sind Eigen tümer großer Flächen mit<br />
hervorragender Infrastruktur, so dass wir parallel<br />
zum Rückbau auch Neubauprojekte<br />
realisieren können: Batteriespeicher,<br />
PV-An lagen zum<br />
Beispiel, aber auch die mög liche<br />
H2-ready Infra struk tur der Zukunft.<br />
Ich bin froh, dass wir an<br />
allen Standorten Projekte haben,<br />
die Anschlussperspektiven schaffen.<br />
So können unsere Standorte<br />
Teil der Energiewende bleiben.<br />
Klar ist auch: Die Dimension eines<br />
Großkraftwerks mit all seinen Effekten für Beschäftigung<br />
und Wertschöpfung in der Region<br />
werden wir nicht erreichen. Aber die Projekte<br />
können einen wichtigen Beitrag leisten.<br />
Ein interessanter Fall ist der Energiestandort<br />
Lingen, der jahrzehntelang Standort von Kernkraftwerken,<br />
anderen Kraftwerken und anderen<br />
Anlagen der Energieinfrastruktur war und ist. Was<br />
ist dort für die Zukunft geplant?<br />
Unser Gaskraftwerk Emsland am Standort Lingen<br />
entwickelt sich gerade zu einem Vorzeigestandort<br />
für die entstehende Wasserstoff-Wirtschaft. Vor<br />
wenigen Wochen haben wir im Rahmen eines<br />
Forschungsprojekts mit einer Hochtemperatur<br />
Elektrolyse den ersten Wasserstoff erzeugt. Ak tuell<br />
laufen die Arbeiten für die Inbetrieb nahme einer<br />
14-MW-Pilotan lage, an der<br />
wir Betriebserfahrung mit<br />
Ich bin froh, dass wir<br />
an allen Standorten<br />
Projekte haben, die<br />
Anschlussperspektiven<br />
schaffen.<br />
zwei weiteren Elek tro lyse-<br />
Tech no logien sammeln.<br />
Ende 2022 haben wir die<br />
ersten zwei 100-MW-Elektrolyseure<br />
für das Projekt<br />
GET H2 Nukleus beauftragt,<br />
bei dem wir perspektivisch<br />
in industriellem<br />
Maßstab grünen Wasser stoff in Lingen erzeugen<br />
wollen. Auf lange Sicht haben wiram Standort Lingen<br />
ausge zeichnete Voraus setzungen, um Elektrolyseure<br />
mit einer Leistung von bis zu 2 Gigawatt zu<br />
errichten.<br />
Autor<br />
Nicolas Wendler<br />
Leiter Presse und Politik<br />
KernD (Kerntechnik Deutschland e. V.)<br />
nicolas.wendler@kernd.de<br />
Nicolas Wendler ist seit August 2013 Leiter Presse<br />
und Politik von Kerntechnik Deutschland e. V./<br />
Deutsches Atom<strong>for</strong>um e. V. und war davor seit März<br />
2010 als Referent Politik dort beschäftigt. Er war<br />
zuvor als <strong>International</strong>er Referent für die internationalen<br />
Beziehungen der Jungen Union Deutschlands<br />
zuständig und hat unter anderem Themen der Energie-, Klima- und<br />
Wirtschaftspolitik für die Organisation bearbeitet. Wendler hat in München<br />
und Bordeaux Politische Wissenschaft sowie Volkswirtschaftslehre und (Nord-)<br />
Amerikanische Kulturgeschichte studiert.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
15<br />
Second publication<br />
(first release VGBE Energy <strong>Journal</strong> November 2023)<br />
Forecasts and Scenarios <strong>for</strong><br />
Global Energy Supply up to 2050<br />
– Synopsis of the Approaches<br />
and Results of Studies Published<br />
in 2023<br />
› Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer<br />
Introduction<br />
The development of global energy supply in the<br />
coming decades is of outstanding interest <strong>for</strong> the<br />
strategic orientation of companies and governments<br />
as well as the positioning of international<br />
stakeholders. Accordingly, a number of institutions<br />
regularly present detailed analyzes of the prospects<br />
<strong>for</strong> energy consumption and its coverage.<br />
These include government-backed international<br />
organizations, energy companies, consulting firms<br />
and scientific institutes. The analyzes produced are<br />
characterized by differences in the methods followed<br />
and the assumptions made. A fundamental<br />
distinction must be made between <strong>for</strong>ecasts and<br />
exploratory and normative scenarios. The approaches<br />
and results of the studies will be characterized<br />
if they were published in 2023. The future<br />
paths indicated in these studies are assigned to<br />
the categories mentioned. The wide range in the<br />
results achieved on the future development of primary<br />
energy consumption and electricity generation<br />
is explained – differentiated according to energy<br />
sources. Furthermore, common messages that<br />
can be derived from the studies are identified. This<br />
is particularly true with regard to compliance with<br />
the climate targets decided by the global community.<br />
Increasing electrification and increased use<br />
of hydrogen are identified as key technological<br />
drivers. For political support, the most globally<br />
harmonized pricing of CO 2 as well as increased<br />
international cooperation are advocated.<br />
Development of global energy supply<br />
from 1985 to 2022<br />
A presentation of the methods and results of<br />
the projections and scenarios in which statements<br />
are made about the period up to the middle of<br />
the century will be preceded by the<br />
main features of the global development<br />
of energy supply and demand<br />
in the period 1985 to 2022. First of<br />
all, primary energy consumption<br />
(Figure 1).<br />
Fig. 1.<br />
Global Primary Energy Consumption 1985 to 2022<br />
in Million toe* resp. in Exajoules (EJ)<br />
* tons of oil equivalent<br />
Source: Energy Institute, 2023 Statistical Review of World Energy, June 2023 (Workbook)<br />
From 1985 to 2022, global primary<br />
energy consumption has doubled.<br />
The main drivers of this development<br />
were the increase in the population<br />
by almost two thirds and the<br />
tripling of global economic output<br />
(adjusted <strong>for</strong> inflation). The energy<br />
mix has changed as follows over these<br />
37 years:<br />
⁃ The increase in energy consumption<br />
was largely covered by fossil<br />
fuels. All fossil energies have made<br />
growing contributions to covering<br />
the increased consumption.<br />
Vol. 69 (2024)
16<br />
<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
⁃ The share of fossil fuels in primary energy<br />
consumption in 2022 was only 5.9 percentage<br />
points lower than in 1985. In 2022, 81.8 % of<br />
total energy consumption was from coal, oil<br />
and natural gas - compared to 87.7 % in 1985.<br />
⁃ The share of nuclear energy has decreased<br />
from 5.0 % to 4.0 %.<br />
⁃ The contribution of renewable energies almost<br />
doubled from 7.3 % to 14.2 %.<br />
Global electricity generation tripled from 1985 to<br />
2022 (Figure 2). Here too, a comparable development<br />
can be seen with regard to the role of fossil<br />
energies:<br />
⁃ The growth in electricity generation was<br />
primarily based on a significantly increased<br />
use of coal and natural gas.<br />
⁃ The use of fossil fuels in electricity generation<br />
has hardly decreased - from 64.1 % in 1985 to<br />
61.5 % in 2022.<br />
⁃ The relative contribution of nuclear energy fell<br />
from 15.1 % to 9.2 %.<br />
⁃ Renewable energies were able to compensate<br />
<strong>for</strong> the relative losses of nuclear energy and<br />
fossil energies with share gains of 8.5 percentage<br />
points. Hydropower, wind and solar energy<br />
as well as biomass and geothermal energy<br />
accounted <strong>for</strong> 29.3 % of global electricity generation<br />
in 2022 – compared to 20.8 % in 1985.<br />
The coming decades will be fundamentally different<br />
from the development shown in the past.<br />
Forecasts and scenarios <strong>for</strong> global energy supply<br />
until 2050<br />
In 2023, various institutions published per spectives<br />
on future global energy supplies up to 2050.<br />
These include government-sponsored international<br />
organizations, industrial groups, consulting<br />
firms and scientific research institu tions. Eleven<br />
institutions have presented updated global energy<br />
projections in 2023, covering all energy sources<br />
and technologies. From among the international<br />
organizations supported by governments, these<br />
are the <strong>International</strong> Energy Agency (IEA) 1 , the<br />
<strong>International</strong> Renewable Energy Agency (IRENA) 2<br />
and the U.S. Energy In<strong>for</strong>mation Adminis tration<br />
(EIA) 3 . Of the energy companies, BP 4 , the Norwegian<br />
Equinor 5 , ExxonMobil 6 and the international<br />
classification and certification company DNV 7<br />
based in Norway have published <strong>for</strong>ecasts and<br />
scenarios in 2023 on the prospects <strong>for</strong> global energy<br />
supply up to 2050. In addition, the management<br />
consultants McKinsey 8 , Wood Mackenzie 9 and<br />
Enerdata 10 as well as The Institute of Energy<br />
Economics, Japan (IEEJ) 11 presented corresponding<br />
studies in 2023.<br />
Categorization of <strong>for</strong>ecasts and scenarios<br />
The institutions indicated have chosen different<br />
approaches to show the prospects <strong>for</strong> future energy<br />
supply. The studies by DNV and ExxonMobil are<br />
<strong>for</strong>ecasts, while the other institutions modeled<br />
scenarios. Eight of the nine institutions that relied<br />
on scenarios calculated both exploratory scenarios<br />
and one normative scenario. The U.S. EIA, on<br />
the other hand, has limited itself to a reference<br />
scenario that is supplemented by sensitivity<br />
calculations. One of the common features of the<br />
published analyzes is that the assessments of<br />
global development are supported by data and<br />
facts differentiated by region of the world.<br />
The fundamental differences between <strong>for</strong>ecasts<br />
and scenarios can be outlined as follows:<br />
Forecasts present future developments based<br />
on parameters that are assumed to be probable,<br />
including demographic developments,<br />
economic per<strong>for</strong>mance,<br />
technological innovations, world<br />
market prices <strong>for</strong> energy and the<br />
expected political framework. Corresponding<br />
assumptions are included<br />
in the modeling as input<br />
parameters and lead to quantitative<br />
results. Institutions that create<br />
<strong>for</strong>ecasts strive to reflect what is<br />
considered likely from today‘s<br />
perspective.<br />
Fig. 2.<br />
Global <strong>Power</strong> Generation Mix 1985 to 2022<br />
in TWh<br />
* including other non-renewable energies<br />
Source: Energy Institute, 2023 Statistical Review of World Energy, June 2023 (Workbook)<br />
In contrast, scenarios are plausible<br />
and com prehensible alternative<br />
views into the future that help to<br />
understand how different factors<br />
can interact and thus shape the<br />
future. A distinction can be made<br />
between exploratory and normative<br />
scenarios.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
17<br />
⁃ In exploratory scenarios, a development path<br />
is shown that starts from the present and –<br />
depending on the input parameters chosen –<br />
charac terizes possible paths <strong>for</strong> the future.<br />
Exploratory scenarios can also be categorized<br />
according to whether they are more qualitative<br />
or whether the focus is on quantification. Even if<br />
the focus is on a narrative, this can be quantitatively<br />
supported by a model.<br />
⁃ In contrast to this “bottom-up” approach, in<br />
normative scenarios the starting point is a target<br />
state in the future. Starting from the defined<br />
target state, it is determined top-down which<br />
development path can lead to achieving the<br />
specified target state. The target state chosen in<br />
most of the scenarios examined is to maintain<br />
the goal of limiting temperature rise to 1.5 °C<br />
compared to pre-industrial levels. In some cases,<br />
however, an expanded set of goals is also specified,<br />
which can include, <strong>for</strong> example, access <strong>for</strong><br />
all people to af<strong>for</strong>dable energy or improved air<br />
quality.<br />
Both scenario types are explicitly not predictions.<br />
Probabilities of occurrence are not assigned to<br />
exploratory or normative scenarios. Both types of<br />
scenarios can serve to provide the basis <strong>for</strong> successful<br />
strategy and policy in a world characterized<br />
by uncertainty. This applies to both business and<br />
political strategies.<br />
When comparing the results of various studies<br />
on the prospects of energy supply, it is of crucial<br />
importance which approach was chosen and<br />
which input parameters were used. The <strong>for</strong>ecasts<br />
and scenarios that have recently been presented<br />
by the eleven institutions mentioned are assigned<br />
to the individual categories (Figure 3).<br />
Fig. 3.<br />
Categorization of outlooks of different organizations on global energy supply<br />
Forecasts <strong>for</strong> global energy supply until 2050<br />
Global energy supply <strong>for</strong>ecasts were presented<br />
by ExxonMobil and DNV in 2023. The results<br />
obtained differ significantly. In order to understand<br />
this, the underlying assumptions must first<br />
be explained.<br />
Characterization of ExxonMobil and DNV <strong>for</strong>ecasts<br />
ExxonMobil has published the company‘s latest<br />
view of demand and supply dynamics through<br />
2050. It <strong>for</strong>ms the basis <strong>for</strong> the company‘s business<br />
planning and is underpinned by a deep understanding<br />
of long-term market fundamentals. In<br />
addition to assessing trends in economic development,<br />
technology advances and consumer behavior,<br />
the outlook seeks to identify potential impacts<br />
of climate related government policies.<br />
The company projects demand <strong>for</strong> services across<br />
15 sectors covering needs <strong>for</strong> personal mobility,<br />
residential energy, production of steel, cement and<br />
chemicals, plus many others. Then it matches that<br />
demand across multiple energy sources, taking<br />
into account current use and potential evolution.<br />
It also projects liquid and natural gas supply and<br />
trade flows.<br />
According to ExxonMobil, an energy transition is<br />
underway, but it is not yet happening at the scale<br />
or on the timetable required to achieve society‘s<br />
net-zero ambitions. Three key drivers are available,<br />
all involving broad collaboration among governments,<br />
companies, universities, and others.<br />
⁃ First, continued public policy support. Incentives<br />
like those in the U.S. Inflation Reduction Act can<br />
provide the necessary catalyst to begin scaling up<br />
low-carbon solutions.<br />
⁃ Second, technology advances.<br />
A broad technology<br />
approach, where governments<br />
avoid picking<br />
winners and losers, will<br />
lead to the most cost-efficient<br />
solutions produced<br />
in a timely manner.<br />
⁃ And third, market-driven<br />
solutions. Governments<br />
across the world can’t af<strong>for</strong>d<br />
to pay in perpetuity<br />
to reduce the amount of<br />
emissions needed to be<br />
removed or avoided. Ultimately,<br />
to achieve global<br />
emission-reduction goals,<br />
the world will need to<br />
move to widespread adoption<br />
of markets where<br />
society as a whole incentivizes<br />
driving emissions<br />
down.<br />
Vol. 69 (2024)
18<br />
<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
DNV also presents a single <strong>for</strong>ecast <strong>for</strong> the global<br />
energy future, known as the “Best Estimate”,<br />
broken down into ten regions of the world. In<br />
addition, DNV has presented a “Pathway to Net<br />
Zero Emissions” that shows what could be possible,<br />
although the associated challenges are considered<br />
very significant. The aim of this additional<br />
“ backcasting” is to demonstrate the gap between<br />
the “Best Estimate Future” and the “Net Zero<br />
Pathway”.<br />
The <strong>for</strong>ecast, which is the focus of the DNV analysis,<br />
is based on the following parameters:<br />
⁃ Consideration of longer-term dynamics and<br />
not short-term imbalances<br />
⁃ Continued development of existing technologies,<br />
without assuming, from today‘s perspective,<br />
uncertain breakthroughs<br />
⁃ Inclusion of key policy trends, with non resilient<br />
commitments (NDCs) being included with<br />
caution<br />
⁃ Changes in behavior, particularly in relation to<br />
increased requirements <strong>for</strong> environmental and<br />
climate protection<br />
The model structure and the input data are shown<br />
in detail in the study.<br />
Results of ExxonMobil and DNV <strong>for</strong>ecasts<br />
ExxonMobil and DNV come to different conclusions<br />
regarding the prospects <strong>for</strong> global energy supply.<br />
This is illustrated by the <strong>for</strong>ecast development of<br />
primary energy consumption by energy technology<br />
(Figure 4).<br />
ExxonMobil assumes that global primary energy<br />
consumption in 2050 will exceed the level of 2022,<br />
given the population increase of around 2 billion<br />
and economic output more than twice as high as<br />
today. The energy mix will change significantly.<br />
Energy from solar and wind is projected to more<br />
than quintuple, from 2 % of the world‘s supply to<br />
11 % in 2050. Coal will increasingly be displaced<br />
by lower-emission sources of electricity production<br />
– not just renewables but also natural gas. Natural<br />
gas use is projected to increase by more than 20 %<br />
by 2050 given its utility as a reliable and lower<br />
emissions source of fuel <strong>for</strong> electricity generation,<br />
hydrogen production and heating <strong>for</strong> both industrial<br />
processes and buildings. Oil use is expected<br />
to decline significantly in personal transportation<br />
but will remain essential <strong>for</strong> the industrial processes<br />
and heavy-duty transport like shipping,<br />
long-haul trucking and aviation. Oil and gas are<br />
projected to still make up more than half of the<br />
world‘s energy supply in 2050. The expected decline<br />
in coal consumption will lead to losses in the<br />
share of coal in total primary energy consumption<br />
from 27 % in 2022 to 14 % in 2050.<br />
The contribution of all fossil energies to covering<br />
total primary energy consumption will decrease<br />
from 80 % in 2022 to 68 % in 2050. <strong>Nuclear</strong> energy<br />
will then amount to 7 % (compared to 5 % in 2022).<br />
The share of renewable energies in primary energy<br />
consumption will grow from 16 % in 2022 to 25 %<br />
in 2050.<br />
Global electricity consumption is increasing significantly<br />
faster than primary energy consumption.<br />
Electricity demand in 2050 is expected to exceed<br />
current levels by 80 %. According to ExxonMobil,<br />
the use of natural gas to generate electricity will<br />
swell in the future, while the use of coal in 2050<br />
will be more than a third lower than today. <strong>Nuclear</strong><br />
energy is increasing by around 50 %. The contribution<br />
of wind and solar energy to electricity<br />
generation is growing the most. By 2050, solar<br />
energy is expected to increase tenfold and wind<br />
power is expected to increase sixfold<br />
compared to 2021 levels.<br />
As a result of model calculations<br />
carried out by ExxonMobil, energyrelated<br />
CO 2 emissions will fall by<br />
25 % to 25 billion tons by 2050. This<br />
would mean that the Paris climate<br />
target would be clearly missed. In<br />
order to limit the temperature<br />
increase to less than 2 °C compared<br />
to pre-industrial levels, energyrelated<br />
CO 2 emissions would have<br />
to fall to 11 billion tons by 2050,<br />
according to the group‘s analyses.<br />
Fig. 4.<br />
Global primary energy consumption – Synopsis of EIA’s IEO 2023 Reference Case<br />
and the <strong>for</strong>ecasts from ExxonMobil and DNV in 2050<br />
in Mtoe<br />
Source: IEA, World Energy Outlook 2023; EIA, IEO 2023;<br />
DNV, Energy Transition Outlook 2023; ExxonMobil, 2023 Global Outlook<br />
In contrast to ExxonMobil, DNV<br />
comes to the conclusion that global<br />
primary energy consumption will<br />
peak at 663 exajoules in 2038,<br />
exceeding today‘s level by 9 %. As<br />
Ausgabe 1 › Januar
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
19<br />
Fig. 5.<br />
Global power generation – Comparison of the results between<br />
the EIA Reference Case with BP‘s New Momentum Scenario and DNV‘s <strong>for</strong>ecast<br />
in TWh<br />
* Including geothermal energy<br />
Source: EIA, IEO 2023; DNV, Energy Transition Outlook 2023; BP, Energy Outlook 2023<br />
Solar energy will account <strong>for</strong> 54 % of<br />
global electri city generation capacity<br />
in 2050, according to DNV calculations.<br />
The share of the PV generation<br />
fed into the grid will be 39 %. In 2022,<br />
the global share of solar PV was just<br />
under 5 %. Electricity generation from<br />
wind power is expected to increase<br />
from 2.0 PWh in 2022 to 18.3 PWh in<br />
2050. This corresponds to a ninefold<br />
increase. This means that wind will<br />
account <strong>for</strong> 30 % of total global electricity<br />
generation in 2050, compared to<br />
7 % in 2022. Hydro power will grow by<br />
50 %. The share of hydropower will<br />
there<strong>for</strong>e decrease from 15 % in 2022<br />
to 11 % in 2050. The remaining renewable<br />
energy shares come from bioenergy<br />
and geothermal energy.<br />
a result, it is expected to decline to 655.6 exajoules<br />
or 15,656 Mtoe in 2050.<br />
The contribution of fossil energies to covering<br />
consump tion will decrease from currently around<br />
80 % to 48 % by the middle of the century. The<br />
share of coal falls from 27 % to 10 %. Oil consumption<br />
is reduced by 38 percent. This will be accompanied<br />
by a reduction in the share of oil in primary<br />
energy consumption from 30 percent in 2022 to<br />
17 % in 2050. Global gas demand will reach its<br />
highest level in 2036 and then fall to a level that is<br />
10 % below today‘s level. The share of natural gas<br />
in primary energy consumption will decrease<br />
from around a quarter to 21 % over the <strong>for</strong>ecast<br />
period.<br />
The peak of electricity generation based on nuclear<br />
energy is expected in 2047 at a level that exceeds<br />
the current level by 41 %. The share of nuclear<br />
energy in primary energy consumption will<br />
increase from 5 % in 2022 to 6 % in 2050. Renewable<br />
energies are experiencing a rapidly accelerating<br />
growth trend. Their percentage contribution<br />
to covering global primary energy consumption<br />
will triple to around 46 % by 2050.<br />
According to DNV, the trans<strong>for</strong>mation of energy<br />
supply is primarily characterized by increased use<br />
of electricity. At 61 petawatt hours (PWh), global<br />
electricity consumption in 2050 will be more than<br />
twice as high as in 2022, <strong>for</strong> which 29 PWh is<br />
reported. This means that the share of electricity<br />
in covering global final energy consumption will<br />
increase from 19.5 % in 2022 to 35 % in 2050. But<br />
electricity consumption is not only growing, it is<br />
also becoming greener. According to DNV, in 2022,<br />
31 % of net electricity generation worldwide was<br />
based on the use of renewable energies (Figure 5).<br />
By 2050, their share is expected to increase to 82 %,<br />
around half of which will come from solar energy.<br />
Hydrogen and its derivatives are seen as crucial<br />
<strong>for</strong> the decarbonization of sectors that are difficult<br />
to electrify directly, such as aviation and shipping,<br />
heavy transport and high-temperature processes<br />
in industry. According to DNV estimates, global<br />
hydrogen production will increase from just under<br />
100 million tons in 2022 to over 300 million tons in<br />
2050. However, hydrogen only accounts <strong>for</strong> 3 % of<br />
final energy consumption. In order to meet the<br />
1.5 degree target, there would have to be a much<br />
stronger ramp-up, namely to a contribution of<br />
around 15 % of final energy consumption.<br />
DNV finds that energy-related global CO 2 emissions<br />
will fall only slightly over the current decade, from<br />
33.4 billion tons in 2022 to 32.1 billion tons in 2030,<br />
and then only in the following two decades, to<br />
18.1 billion tons in 2050. This development would<br />
result in an increase in global temperatures of<br />
2.2 °C compared to pre-industrial levels.<br />
Scenarios <strong>for</strong> world energy supply until 2050<br />
Exploratory and normative scenarios <strong>for</strong> the development<br />
of global energy supply were presented<br />
in 2023 by the <strong>International</strong> Energy Agency, the U.S.<br />
Energy In<strong>for</strong>mation Adminis tration and IRENA,<br />
Equinor and BP, McKinsey, Wood Mckenzey and<br />
Enerdata as well as IEEJ. The selected scenarios<br />
differ significantly. The exploratory scenarios are<br />
characterized by the assumptions made in each<br />
case and express what can be expected if one starts<br />
from the specifications outlined differently <strong>for</strong> the<br />
scenarios. The normative scenarios explain what<br />
would have to happen in order to achieve the specified<br />
goal or set of goals.<br />
Characterization of the scenarios<br />
The <strong>International</strong> Energy Agency (IEA) examined<br />
three scenarios <strong>for</strong> global energy supply by 2050 in<br />
Vol. 69 (2024)
20<br />
<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
on current laws and regulations<br />
as of March 2023; the U.S. projections<br />
refer to laws and regulations<br />
as of November 2022.<br />
That means: The EIA represents<br />
a set of policy neutral baselines<br />
against which future policy<br />
action can be evaluated.<br />
the World Energy Outlook 2023. Two of these, the<br />
Stated Policy Scenario (STEPS) and the Announced<br />
Pledges Scenario (APS), belong to the group of<br />
exploratory scenarios. The third, the Net Zero by<br />
2050 Scenario (NZE), can be classified as a normative<br />
scenario (Figure 6). In addition to statements<br />
on global perspectives, the publication also contains<br />
analysis results differentiated by world<br />
regions.<br />
IRENA‘s World Energy Transitions Outlook 2023<br />
builds on two key scenarios to capture global progress<br />
toward meeting the 1.5 °C climate goal: The<br />
Planned Energy Scenario (PES) is the primary<br />
reference case <strong>for</strong> this study, providing a perspective<br />
on energy system developments based on<br />
governments‘ energy plans and other planned<br />
targets and policies in place at the time of analysis,<br />
with a focus on G20 countries. The 1.5 °C Scenario<br />
describes an energy transition pathway aligned<br />
with the 1.5 °C climate target to limit global temperature<br />
increase by the end of the present century<br />
to 1.5°C, relative to pre-industrial levels. It prioritizes<br />
readily available technology solutions, which<br />
can be scaled up to meet the 1.5 °C goal and outlines<br />
a vision <strong>for</strong> the transition of the energy landscape<br />
to reflect the goals of the Paris Agreement.<br />
The <strong>International</strong> Energy Outlook 2023 (IEO 2023)<br />
of the U.S. Energy In<strong>for</strong>mation Administration<br />
(EIA) explores long-term energy trends across the<br />
world and in 16 regions through 2050. The organization<br />
uses the World Energy Projection System<br />
(WEPS), an integrated economic model that captures<br />
long-term relationships between energy supply,<br />
demand, and prices across regional markets.<br />
Besides the Reference Scenario, the IEO 2023 includes<br />
a series of cases that reflect different<br />
assumptions related to macroeconomic growth,<br />
technology costs, and fuel prices. Neither the<br />
Reference Scenario nor the cases can be interpreted<br />
as predictions. Rather, the IEO 2023 is based<br />
Fig. 6.<br />
IEA’s World Energy Outlook 2023<br />
Equinor has presented one<br />
exploratory scenario (Walls)<br />
and one normative scenario<br />
(Bridges). The Walls scenario<br />
builds on current trends in<br />
market, technology and policy,<br />
assuming them to continue<br />
developing at a slowly accelerating<br />
pace in the future. Economic<br />
growth remains the key<br />
driver <strong>for</strong> growing energy demand, and national<br />
governments continue to prioritize short-term<br />
economic growth over long-term climate goals. The<br />
Bridges scenario is a normative back-cast aligned<br />
with the 1.5 °C global warming ambition in the<br />
Paris Agreement. This scenario requires the<br />
establishment of a benign geopolitical landscape,<br />
supporting renewed cooperation and friendly competition<br />
among nations. Energy markets become<br />
more integrated and technological advancements<br />
are shared more readily. Climate action remains<br />
the key driver, and all regions increase the expansion<br />
of renewable capacity, improve energy efficiency<br />
and make drastic behavioral changes.<br />
BP‘s report builds on two exploratory scenarios<br />
and one normative scenario. New Momentum is<br />
designed to capture the broad trajectory along<br />
which the global energy system is currently progressing.<br />
It places weight both on the marked increase<br />
in global ambition <strong>for</strong> decarbonization seen<br />
in recent years and the likelihood that those aims<br />
and ambitions will be achieved, and on the manner<br />
and speed of progress seen over the recent past.<br />
Accelerated is conditioned on the assumption that<br />
there is a significant tightening of climate policies<br />
leading to a pronounced and sustained fall in CO 2 -<br />
equivalent (CO 2e ) emissions. The fall in emissions<br />
in Net Zero is aided by a shift in societal behavior<br />
and preferences which further supports gains in<br />
energy efficiency and the adoption of low-carbon<br />
energy sources. Neither the two exploratory scenarios<br />
nor Net Zero are predictions of what is likely<br />
to happen. Rather, the three scenarios taken collectively<br />
are used to explore the range of possible outcomes<br />
over the next 27 years.<br />
McKinsey has published a range of scenarios<br />
(Figure 7). The four bottom-up scenarios are equal<br />
in granularity (i.e. 300+ million datapoints <strong>for</strong><br />
each scenario); they combine a combination of<br />
long-term fundamental economic modeling and<br />
Ausgabe 1 › Januar
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
21<br />
Fig. 7.<br />
Description of the five McKinsey Global Energy Perspective 2023 scenarios<br />
Fig. 8.<br />
CO 2 prices <strong>for</strong> electricity, industry and energy production in selected regions by scenario<br />
USD (2022, MER) per tonne of CO 2<br />
1) includes all OECD countries except Mexico<br />
2) Includes China, India, Indonesia, Brasilia and South Africa<br />
3) without Net Zero obligations<br />
Source: <strong>International</strong> Energy Agency, World Energy Outlook 2023, Page 297<br />
technologies is assumed. Country<br />
Pledges: Aligned with net zero<br />
pledges announced in the run up<br />
to COP28. Incorporates policy response<br />
to the current energy crisis,<br />
and geopolitical challenges facing<br />
global economy. Net Zero 2050:<br />
Aligned with the most ambitious<br />
goal of the Paris Agreement. Immediate<br />
peak energy; rapid hydrogen<br />
and carbon removal deployment;<br />
consumer shift. These trajectories<br />
are consistent with 2.5 °C<br />
global warming (Base case), below<br />
2 °C warming (Country pledges)<br />
and 1.5 °C warming (Net zero 2050)<br />
respectively.<br />
Enerdata has chosen three scenarios<br />
in EnerFuture 2023 to explore<br />
possible futures to global energy<br />
systems. EnerBase: Continuation<br />
of existing policies and trends<br />
aligned with a temperature increase<br />
above 3°C. EnerBlue: Achievement<br />
of new NDC’s submitted up<br />
to the end of 2022 aligned with a<br />
temperature rise around 2.5°C.<br />
EnerGreen: Ambitious GHG emission<br />
budget in line with the Paris<br />
Agreement by limiting the temperature<br />
increase below 2°C. Ener<br />
Future is relying on the re cognized<br />
Poles-Enerdata model, an energyeconomy-environment<br />
model of<br />
the global energy system, covering<br />
66 countries and regions, with dedicating<br />
modelling of the individual<br />
end-use sectors, energy supply,<br />
prices and GHG emissions.<br />
thinking on learning curves (quantitative) with<br />
assessment of policy (which could be quantitative<br />
as well, e.g. in case of subsidies) and ramp-up/<br />
readiness/constraints (e.g. looking at supply and<br />
potential bottlenecks) (more qualitatively). It can<br />
be argued that right now we are more on the<br />
Further Acceleration path. The fifth scenario is<br />
top-down and illustrates a pathway the world<br />
would need to follow to reach the 1.5 °C target.<br />
Wood Mackenzie has published three scenarios, a<br />
Base case, a so-called Country pledges and Net zero<br />
2050. These scenarios, two exploratory and one<br />
normative, are defined by different policy assumptions<br />
and various enablers. Base case: Evolution of<br />
current policies and aligned with the Wood<br />
Mackenzey‘s commodity outlooks released in H1<br />
2023. Steady advancement of current and nascent<br />
The Institute of Energy Economics<br />
(IEEJ), Japan, quantifies the global<br />
energy supply and demand structure up to 2050.<br />
The IEEJ Outlook 2024 contains two exploratory<br />
scenarios. In the Reference Scenario, the pre vailing<br />
changes will continue against the backdrop of<br />
current energy and environmental policies. The<br />
Advanced Technologies Scenario is a scenario in<br />
which energy and environmental technologies are<br />
introduced to the maximum extent possible to<br />
ensure a stable supply of energy and strengthen<br />
measures against climate change. According to the<br />
Reference scenario, energy related CO 2 emissions<br />
in 2050 will still be at the same level as today, while<br />
in the Advanced Technologies Scenario they will<br />
fall to 14.7 billion tons and thus by around half –<br />
comparable with IEA’s APS. The IEEJ Outlook 2024,<br />
using econometric models and other tools, presents<br />
results both at the global level and <strong>for</strong> different<br />
countries.<br />
Vol. 69 (2024)
22<br />
<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Fig. 9.<br />
Global primary energy consumption – Synopsis of the results<br />
of IEA, Equinor, BP, Enerdata and IEEJ exploratory scenarios by 2050<br />
in Mtoe<br />
Source: IEA, World Energy Outlook 2023; Equinor, Energy Perspectives 2023;<br />
BP, Energy Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023; IEEJ Outlook 2024<br />
Results of exploratory scenarios in comparison<br />
Most institutions whose analyzes are included here<br />
have published at least one, sometimes two or<br />
more, exploratory scenarios. Behind this are different<br />
assumptions regarding political decisions,<br />
such as at the IEA, at BP, at Wood Mackenzie,<br />
at McKinsey and at Enerdata, or technological<br />
advances, such as at IEEJ. The assumptions about<br />
CO 2 pricing entered into the modeling as input<br />
parameters also differ greatly between the scenarios.<br />
This applies, <strong>for</strong> example, to McKinsey (Fig. 7),<br />
but also to the IEA (Figure 8), among others.<br />
An example are the scenarios of the World Energy<br />
Outlook 2023, in which the <strong>International</strong> Energy<br />
Agency comes to different results based on the<br />
various assumptions (Figure 9).<br />
⁃ In the Stated Policy Scenario (STEPS), global primary<br />
energy consumption will continue to rise<br />
until 2050, but only at an annual average rate of<br />
0.5 %. Global demand <strong>for</strong> coal as well as oil and<br />
natural gas will reach its highest level be<strong>for</strong>e<br />
2030. The peak will be followed by a decline -<br />
particularly pronounced <strong>for</strong> coal. The share of<br />
coal will decrease from 27 % in 2022 to 14 % in<br />
2050. According to this scenario, all fossil energies<br />
will still cover 60 % of primary energy consumption<br />
in 2050. In 2022 it was just under 80 %.<br />
The contribution of renewable energy increases<br />
from 16 to 33 %. <strong>Nuclear</strong> energy will reach 7 % in<br />
2050 compared to 5 % in 2022<br />
⁃ In the Announced Pledges Scenario (APS), global<br />
primary energy consumption will remain largely<br />
constant in the coming decades despite an<br />
increase in population and economic output. The<br />
contribution of fossil energies to covering primary<br />
energy consumption will fall to 37 % by<br />
2050. Renewable energies then come to 53 %, and<br />
nuclear energy makes a contribution of almost<br />
10 %.<br />
Other organizations also show<br />
comparable tendencies – depending<br />
on the basic assumptions<br />
underlying the respective<br />
scena rios. This applies, <strong>for</strong> example,<br />
to Equinor‘s Walls scenario,<br />
which shows a similar<br />
energy mix to the IEA‘s STEPS<br />
scenario – although, in contrast<br />
to STEPS, Equinor expects primary<br />
energy consumption <strong>for</strong><br />
2050 to be approximately the<br />
same as in 2022. EnerBase from<br />
EnerData is based on a smaller<br />
change in global energy supply<br />
than STEPS and Walls. At Ener<br />
Base, fossil energies will still<br />
account <strong>for</strong> two thirds of primary<br />
energy consumption in 2050.<br />
In the IEEJ Reference Scenario,<br />
fossil energies even contribute<br />
73 % to covering primary energy consumption in<br />
2050. In IEEJ’s Advanced Technology Scenario,<br />
fossil fuels account <strong>for</strong> 53 % in 2050. Even the Advanced<br />
Techlogies Scenario is far from achieving<br />
global carbon neutrality in 2050.<br />
The Enerdata scenarios also show clear differences<br />
between the results <strong>for</strong> EnerBlue and EnerBase.<br />
Due to the assumptions made by EnerBlue that<br />
differ from EnerBase, the total primary energy consumption<br />
in 2050 will be only slightly higher than<br />
the comparable number <strong>for</strong> 2022. This also applies<br />
to the Accelerated scenario compared to BP‘s<br />
New Momentum. In IEEJ‘s Advanced Technology<br />
Scenario, the total primary energy consumption<br />
in 2050 – unlike in IEEJ‘s Reference Scenario –<br />
remains below the comparable level of 2022.<br />
Above all, however, the energy mix has a completely<br />
different structure than in the scenarios<br />
that are more based on a baseline. The contribution<br />
of renewable energies to covering primary energy<br />
consumption increases significantly more in the<br />
exploratory scenarios that assume an increased<br />
focus on climate protection than in the scenarios<br />
that are more geared toward a continuation of the<br />
status quo. In the “baseline” scenarios STEPS (IEA),<br />
Walls (Equinor), New Momentum (BP), EnerBase<br />
(Enerdata) and Reference (IEEJ), renewable energies<br />
will reach shares of between 22 % and 41 % in<br />
2050. In contrast, the range <strong>for</strong> the exploratory<br />
scenarios of these institutions aligned with more<br />
ambitious climate policies or stronger en<strong>for</strong>cement<br />
of advanced technologies ranges from 36 % in<br />
IEEJ‘s ATS, over 46 % in Enerdata‘s EnerBlue, 53 %<br />
in IEA‘s APS and 66 % in Accelerated by BP.<br />
In electricity generation, the differences depending<br />
on the basic assumptions made in the exploratory<br />
scenarios become even more visible than in<br />
Ausgabe 1 › Januar
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
23<br />
primary energy consumption. The <strong>International</strong><br />
Energy Agency assumes a significantly greater<br />
electrification of the energy supply in the APS than<br />
in the STEPS (Figure 10). The share of renewable<br />
energies in electricity generation increases from<br />
around 30 % in 2022 to 71 % in STEPS and 82 % in<br />
APS, whereby <strong>for</strong> both scenarios it applies that not<br />
only the entire increase in electricity generation is<br />
covered by renewable energies but also renewable<br />
energies partly replace fossil energies – but to a<br />
greater extent in the APS than in the STEPS. <strong>Nuclear</strong><br />
energy increases in absolute terms in both scenarios.<br />
However, their contribution remains proportionally<br />
limited to 8 %.<br />
The other institutions also come to comparable<br />
results (Fig. 9). In the scenarios Advanced Technology<br />
from IEEJ, EnerBlue from Enerdata and<br />
Further Acceleration from McKinsey, renewable<br />
energies reach shares of between 73 and 79 %<br />
of total global electricity generation in 2050. In<br />
contrast, the share of renewable energies in global<br />
electricity generation determined <strong>for</strong> the Reference<br />
scenarios by IEEJ and EnerBase by Enerdata will<br />
still remain to around 50 % in 2050. According to<br />
all explora tory scenarios, there is broad agreement<br />
that the greatest growth potential is seen <strong>for</strong> wind<br />
power and solar energy. Hydrogen is also playing<br />
an increasing role in electricity generation.<br />
The various institutions, such as the IEA or McKinsey,<br />
also make statements in the studies presented<br />
about the expected consequences <strong>for</strong> global temperature<br />
developments. The IEA comes to the conclusion<br />
that, according to STEPS, a temperature<br />
increase of 2.4 °C compared to pre-industrial levels<br />
would be expected, while in the APS a limit of 1.7 °C<br />
would be maintained (Figure 11). McKinsey, <strong>for</strong><br />
example, sees this in a similar way. For the Current<br />
trajectory scenario, a temperature increase of<br />
2.3 °C is assumed compared to 1.9 °C in Further<br />
Acceleration (Fig. 7). Wood Mackenzie‘s Base Case<br />
is broadly consistent with a 2.5 °C<br />
global warming view by 2050 and<br />
the scenario Country pledges with<br />
2°C. In both cases, the different<br />
assumptions underlying the respec<br />
tive CO 2 pricing scenarios<br />
play an important role.<br />
Fig. 10.<br />
Global power generation – Comparison of the results of different exploratory scenarios in 2050<br />
in TWh<br />
Source: IEA, World Energy Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023;<br />
McKinsey, Global Energy Perspective 2023; IEEJ Outlook 2024<br />
Fig. 11.<br />
Development of global CO 2 emissions according to the IEA‘s WEO 2023 scenarios<br />
Source: <strong>International</strong> Energy Agency, World Energy Outlook 2023<br />
Comparison of the results<br />
of normative scenarios<br />
The results obtained <strong>for</strong> the normative<br />
scenarios compared to the<br />
exploratory scenarios show the<br />
gap that would have to be closed in<br />
order to meet the 1.5 °C target.<br />
Almost all institutions that have<br />
published scenarios <strong>for</strong> future<br />
energy supply have modeled a normative<br />
scenario in addition to exploratory<br />
scenarios. The results of<br />
the normative scenarios differ<br />
from the results of the exploratory<br />
scenarios in three main points:<br />
⁃ Total global primary energy consumption<br />
will fall in the next<br />
few years and will there <strong>for</strong>e be<br />
lower in 2050 than in 2022<br />
(Figure 12).<br />
⁃ Global electricity generation will<br />
double to triple by 2050, and the<br />
share of electricity in final energy<br />
consumption will increase<br />
significantly, in Wood Mckenzie‘s<br />
scenario Net zero 2050 to<br />
50 % in 2050.<br />
⁃ The share of renewable energies<br />
in primary energy con sump tion<br />
is significantly higher. The scenarios<br />
EnerGreen from Enerdata,<br />
Vol. 69 (2024)
24<br />
<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Fig. 12.<br />
Global primary energy consumption – Synopsis of the normative Scenarios<br />
from IEA, IRENA, Equinor, BP and Enerdata by 2050<br />
in Mtoe<br />
1) Exajoule equals 23.88 million tons of oil equivalent (Mtoe)<br />
Source: IEA, World Energy Outlook 2023; BP Energy Outlook 2023 (Net Zero); Equinor, Energy<br />
Perspectives 2023; IRENA, World Energy Transitions Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023<br />
⁃ Global hydrogen production<br />
is picking up significantly. Hydrogen<br />
is increasingly being<br />
used in areas that are difficult<br />
to decarbonize using electricity.<br />
These are certain industrial<br />
processes, heavy goods traffic<br />
on the road as well as<br />
shipping and air traffic. Global<br />
production of low-emissions<br />
hydrogen will increase<br />
from 1 million tons in 2022 to<br />
420 million tons in 2050. More<br />
than three quarters of this<br />
production takes place in<br />
electrolysis plants. The remaining<br />
part is generated based<br />
on fossil energies with carbon<br />
capture and storage or usage.<br />
A key factor <strong>for</strong> these top-down<br />
results is the higher CO 2 price<br />
set in the normative scenarios<br />
compared to the exploratory<br />
scenarios.<br />
Fig. 13.<br />
Global power generation – comparison of the results<br />
of different normative scenarios (net zero by 2050)<br />
in TWh<br />
* including geothermal energy and hydrogen<br />
Source: IEA, World Energy Outlook 2023; IRENA, World Energy Transitions Outlook 2023;<br />
BP, Energy Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023<br />
The energy transition leads to a<br />
significant growth in the demand<br />
<strong>for</strong> critical minerals and<br />
materials. This increasing demand<br />
results from the lowcarbon<br />
energy system, including<br />
the construction of wind<br />
and solar plants, hydrogen and<br />
CO 2 -pipelines, new storage facilities,<br />
expansion in the power<br />
grid and distribution systems<br />
used to connect renewable assets<br />
and deliver electricity to its<br />
end use (Figure 14).<br />
Bridges from Equinor, NZE from the IEA, Net Zero<br />
from BP and 1.5 °C from IRENA <strong>for</strong> the year 2050<br />
show shares of renewable energies in primary<br />
energy consumption between 62 and 77 %. And in<br />
electricity generation, these studies even estimate<br />
contributions from renewable energies to be<br />
between 80 and 90 % by 2050 (Figure 13).<br />
⁃ <strong>Nuclear</strong> energy is also attributed a greater contribution<br />
than in the exploratory scenarios, as is the<br />
case with the IEA or Enerdata.<br />
⁃ The share of fossil energy will fall to less than a<br />
quarter by 2050, and in some of the normative<br />
scenarios even to less than a fifth of global primary<br />
energy consumption.<br />
⁃ The capture and storage or use of CO 2 in power<br />
generation and industrial processes is given<br />
greater importance than in the exploratory<br />
scenarios.<br />
As an example, the statements<br />
in the BP study on the Net Zero<br />
Scenario focussed on three critical minerals:<br />
copper, lithium, and nickel. Copper’s future growth<br />
is dominated by its use in the transition of low-carbon<br />
power and the electrification of transport. As<br />
a consequence, in Net Zero, BP expects global copper<br />
demand to triple to around 60 million tonnes<br />
by 2050. The growing demand <strong>for</strong> lithium is driven<br />
by its use in electric vehicles. In Net Zero, the total<br />
global demand <strong>for</strong> lithium is assumed to increase<br />
by a factor of approximately 20 compared to today’s<br />
level. Around 90 % of the additional demand <strong>for</strong><br />
lithium accounts <strong>for</strong> electrification of transport.<br />
The demand <strong>for</strong> nickel is also driven by its role in<br />
the electrification of transport. In Net Zero, total<br />
nickel demand in creases four times by 2050 – approximately<br />
80 % of that growth is due to the increasing<br />
use of lithium-ion batteries in electric<br />
vehicles.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
25<br />
Fig. 14.<br />
Selected energy-related technology applications of critical materials<br />
Notes: CSP = Concentrated solar power; EV = electric vehicles; PV = photovoltaic<br />
Source: IRENA (2023). Geopolitics of the Energy Transition: Critical Materials<br />
The critical minerals mining and processing<br />
landscape is geographically concentrated, with a<br />
select group of countries playing a dominant role.<br />
Australia (lithium), Chile (copper and lithium),<br />
China (graphite, rare earths), the Democratic<br />
Republic of Congo (cobalt), Indonesia (nickel) and<br />
South Africa (platinum) occupy leading positions<br />
in the mining of critical minerals. The degree of<br />
concentration in the processing phase is significantly<br />
greater than in mining – characterized by<br />
an even more pronounced market position of<br />
China. 12<br />
However, the risks associated with the supply<br />
of fossil energy and the supply of critical raw<br />
materials <strong>for</strong> the energy transition must be assessed<br />
differently. Renewable energy plants that have<br />
already been built could continue to operate even<br />
if the supply of critical raw materials was interrupted.<br />
There<strong>for</strong>e, unlike fossil fuels the risk associated<br />
with interruptions in the supply of critical minerals<br />
does not involve dis ruption to the ongoing operations<br />
of facilities that have already been constructed.<br />
However, there could be a slowdown in the pace<br />
of the implementation of the energy transition. 13<br />
Vol. 69 (2024)
26<br />
<br />
Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />
Conclusion<br />
The future of energy supply looks significantly different<br />
than the past. This is shown by the <strong>for</strong>ecasts<br />
and scenarios presented by international institutions<br />
in recent months. A change is taking place from<br />
an age dominated by fossil fuels to a world in which<br />
renewable energies dominate. The decisive keys to<br />
achieving the climate goals are the accelerated improvement<br />
of energy efficiency, the massive expansion<br />
of renewable energies, the widespread implementation<br />
of the technology <strong>for</strong> the capture and use<br />
or storage of CO 2 and the reliance on hydrogen in<br />
those sectors that are difficult to develop <strong>for</strong> electrification.<br />
<strong>Nuclear</strong> energy is also seen as playing<br />
an important role in the trans<strong>for</strong>mation of the energy<br />
supply in a number of countries. How quickly<br />
and to what extent this change occurs depends on<br />
factors such as the energy and climate policy orientation<br />
of governments, technological developments<br />
and consumer behavior. In order to meet the goal<br />
of limiting the global temperature rise to well below<br />
2°C, the pricing of CO 2 , if possible at a comparable<br />
level worldwide, technology-neutral support<br />
mechanisms by governments and increased international<br />
cooperation are seen as crucial.<br />
References<br />
1 <strong>International</strong> Energy Agency (2023). World Energy Outlook 2023 (WEO<br />
2023). Paris, October 2023<br />
2 <strong>International</strong> Renewable Energy Agency (2023). World Energy Transitions<br />
Outlook: 1.5 °C Pathway. Abu Dhabi, June 2023<br />
3 U.S. Energy In<strong>for</strong>mation Administration (2023). <strong>International</strong> Energy<br />
Outlook 2023 (IEO 2023). Washington DC, October 2023<br />
4 BP (2023). Energy Outlook: 2023 edition. London, July 2023<br />
5 Equinor (2023). Energy Perspectives 2023. Oslo, June 2023<br />
6 ExxonMobil (2023). Global Outlook: Our View to 2050. Irving (Texas),<br />
August 2023<br />
7 DNV (2023). Energy Transition Outlook 2023 – A global and regional<br />
<strong>for</strong>ecast to 2050 (ETO 2023). Oslo, October 2023<br />
8 McKinsey & Company (2023). Global Energy Perspective 2023. New York,<br />
October 2023<br />
9 Wood Mackenzie (2023). 2023 Energy Transiton Outlook. London, November<br />
2023<br />
10 Enerdata (2023). EnerFuture 2023. Grenoble, August 2023<br />
11 The Institute of Energy Economics, Japan (2023). IEEJ Outlook 2024.<br />
Tokyo, October 2023 (available in English in February 2024)<br />
12 <strong>International</strong> Renewable Energy Agency (2023). Geopolitics of the Energy<br />
Transition: Critical Minerals. Abu Dhabi, July 2023<br />
13 <strong>International</strong> Energy Agency (2023). Critical Minerals. Paris, July 2023<br />
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Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer ist Mitglied im Studies<br />
Committee des World Energy Council, London. Er war viele<br />
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bei einem großen Energieunternehmen tätig und ist Lehrbeauftragter<br />
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Author<br />
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer<br />
hwschiffer@t-online.de<br />
Prof. Hans-Wilhelm Schiffer is member of the<br />
Studies Committee of the World Energy Council,<br />
London and a visiting lecturer <strong>for</strong> Energy Economics<br />
at RWTH Aachen University. Mr. Schiffer studied<br />
economics at the University of Cologne and at<br />
the Pennsylvania State University. He started his<br />
career as scientific assistant at the Institute <strong>for</strong><br />
Energy Economics of the Cologne University. He<br />
then worked as a civil servant in the Federal Economics Ministry, including a<br />
period with the British Department of Energy, and the Federal Ministry <strong>for</strong><br />
Environment in Bonn and subsequently <strong>for</strong> the RWE Group in Essen. He is the<br />
author of the standard work Energiemarkt Deutschland, published by Springer<br />
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Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
27<br />
Erste Vor-Ort-Demonstration<br />
der laserbasierten Dekontaminationstechnologie<br />
in einem<br />
deutschen Kontrollbereich<br />
› Dr.-Ing. Anne-Maria Reinecke und Carsten Friedrich<br />
1 Einleitung<br />
Der Rückbau kerntechnischer Anlagen stellt<br />
alle Beteiligten vor große technische Heraus<strong>for</strong>derungen.<br />
So müssen beispielsweise metallische<br />
Oberflächen dekontaminiert und metallische<br />
Komponenten von Lackschichten und radioaktiver<br />
Kontamination befreit werden. Übergeordnete<br />
Aufgabe bei diesen Arbeiten ist der Einschluss der<br />
freigesetzten radioaktiven Stoffe und die Begrenzung<br />
der Strahlenexposition des Einsatzpersonals<br />
sowie der Umwelt. Weiterhin soll Abfall recycelt,<br />
minimiert oder vermieden werden.<br />
Aktuell eingesetzte chemische und mechanische<br />
Verfahren stoßen dabei teilweise an Grenzen. Beim<br />
Abrasivstrahlen von metallischen Kom ponenten<br />
entstehen Sekundärabfälle, welche konditioniert<br />
und endgelagert werden müssen. Bei chemischen<br />
Dekontaminationsverfahren müssen eingesetzte<br />
Beizsäuren anschließend aufbereitet werden. Bei<br />
mechanischen Verfahren, wie „ Shaven“ oder Sandstrahlen<br />
ist das Einsatz personal hohen Arbeitsbelastungen,<br />
verursacht durch Vibrationen, Rückstellkräfte<br />
und Lärm, ausgesetzt. Chemische Verfahren<br />
können bei Hautkontakt und Einatmung<br />
gesundheitsschädlich sein.<br />
An der TU Dresden, Professur für Wasserstoff- und<br />
Kernenergietechnik, werden seit mehreren Jahren<br />
Lasertechnologien untersucht, die für den Rückbau<br />
kerntechnischer Anlagen eingesetzt werden<br />
sollen. Solche Technologien haben ein enormes<br />
Potenzial für die Reinigung von Oberflächen, insbesondere<br />
durch einen präzisen und berührungslosen<br />
Abtrag. Damit verbunden sind eine Abfallminimierung<br />
sowie die Reduktion der Exposition<br />
und Arbeitsbelastung des eingesetzten Personals.<br />
Die Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />
(KTE) ist zuständig für alle Rückbauaktivitäten an<br />
stillgelegten kerntechnischen Versuchs- und Prototypanlagen<br />
am Standort Karlsruhe KIT Campus<br />
Nord sowie für die notwendigen Entsorgungstätigkeiten<br />
der nuklearen Abfälle.<br />
Im Zeitraum 2019 bis 2023 waren beide Partner<br />
am Forschungsprojekt „Qualifizierung der laserbasierten<br />
Dekontaminationstechnologie für den<br />
Einsatz im nuklearen Rückbau (LaDECO)“ beteiligt,<br />
dessen Ziel es war, noch offene Fragen zur Sicherheit<br />
des Laserdekontaminationsprozesses zu beant<br />
worten. Unter anderem wurde untersucht, wie<br />
eine Aerosolfreisetzung in die umgebende Raumluft<br />
minimiert werden kann, um eine damit verbundene<br />
unkontrollierte Freisetzung von Radioaktivität<br />
und Toxizität zu verhindern. Dazu wurde<br />
an der TU Dresden ein Teststand zur experimentellen<br />
Bestimmung der Aerosolfreisetzung während<br />
der Laserbearbeitung errichtet. Daraus konnten<br />
geeignete Filtertechnologien abgeleitet werden,<br />
die eine unkontrollierte Freisetzung verhindern.<br />
Ende 2022 wurde das Laserdekontaminationsverfahren<br />
von TU Dresden und KTE erstmals im<br />
Strahlenschutzbereich des Prozessgebäudes der<br />
WAK erfolgreich eingesetzt.<br />
Präsentiert werden hier im Folgenden die Ergebnisse<br />
dieser Laserdekontamination von KKWtypischen<br />
metallischen Oberflächen wie Edelstahl,<br />
Baustahl, oxidierter Baustahl, verzinkter Baustahl<br />
und lackierter Baustahl, von repräsentativen γ-,<br />
β- und α-Strahlern: Co-60, Cs-137, Sr 85 und Am 241.<br />
Es wurden Dekontaminationsgrade bestimmt,<br />
die Aktivität bilanziert sowie deren Verteilung<br />
ermittelt. Als Lasersystem wurde ein mobiles Gerät<br />
mit 150 W mittlerer Leistung genutzt, mit dem gleichermaßen<br />
die Ergebnisse der Voruntersuchungen<br />
unter Laborbedingungen und an metallischen<br />
Oberflächen im Strahlenschutzbereich des WAK-<br />
Prozessgebäudes erzielt werden konnten.<br />
Die Ergebnisse des Tests unter praxisnahen Bedingungen<br />
dokumentieren das Potenzial des<br />
Vol. 69 (2024)
28<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Laserverfahrens für die Dekontamination von<br />
metallischen Oberflächen in besonderer Weise und<br />
zeigen die vielfältigen Möglichkeiten der hier<br />
unter suchten Technologie beim Rückbau kerntechnischer<br />
Anlagen.<br />
2 Stand von Wissenschaft und Technik<br />
Neben einer Vielzahl bereits etablierter mechanischer<br />
und chemischer Verfahren zur Dekontamination<br />
radioaktiv belasteter Oberflächen ist<br />
die Laserdekontamination ein vielversprechendes<br />
ther misches Verfahren [1] . Kommerziell angewendet<br />
wird es beispielsweise zum Entlacken von<br />
Flug zeugen [2] oder zum Reinigen und Entrosten<br />
von Metallen [3] . Im Vergleich zu mechanischen<br />
oder chemischen Verfahren bietet die Laserstrahlde<br />
kon tamination zahlreiche entscheidende<br />
Vorteile:<br />
⁃ die Laserstrahlung arbeitet berührungslos,<br />
⁃ jedes Material kann aufgrund der hohen Laserintensitäten<br />
direkt verdampft werden,<br />
⁃ die Abtragstiefe beträgt wenige Mikrometer,<br />
⁃ das Abtragsvolumen wird signifikant gesenkt,<br />
⁃ es entsteht nahezu keine Sekundärkontamination<br />
(Aktivität wird in Filtern aufgefangen),<br />
⁃ die Technik befindet sich im nicht kontaminierten<br />
Bereich; nur eine Lichtleitfaser mit<br />
Arbeitskopf wird eingeschleust,<br />
⁃ das Personal wird physisch deutlich weniger<br />
belastet (keine schwere Technik, keine<br />
Rückstellkräfte),<br />
⁃ das Verfahren lässt sich ideal automatisieren<br />
(Fernsteuerung von Robotertechnik)<br />
Die Laserstrahldekontamination wird seit ca.<br />
20 Jahren an der Professur für Wasserstoff- und<br />
Kernenergietechnik (TU Dresden) im Rahmen<br />
zahlreicher Projekte entwickelt und optimiert.<br />
Umfangreiche Untersuchungen zur Laserdekontamination<br />
von beispielsweise Beton bei gleichzeitiger<br />
Abprodukt-Konditionierung [4], [5], [6] , zur<br />
thermischen Zersetzung PCB-haltiger Lacke auf<br />
Betonoberflächen [7] und zur Automatisierung des<br />
Laserprozesses mittels Manipulators [8] legten die<br />
Grundlage zur Fertigung und Erprobung eines<br />
Prototypen. Zu Beginn wurde dabei ein cw-Hochleistungsdiodenlaser<br />
(continuous wave = kontinuierliche<br />
Strahlung emittierende Laser) eingesetzt.<br />
Neueste Entwicklungen konzentrieren sich jedoch<br />
auf den Einsatz von gepulsten Hochleistungslasern<br />
zur Dekontamination von Metalloberflächen [9] und<br />
die Analyse der beim Abtrag entstehenden Partikel<br />
in Größenverteilung und Konzentration [10] . Der<br />
Vorteil gepulster Laser gegenüber cw-Lasern ist die<br />
signifikant höhere Leistungsabgabe während der<br />
Pulsspitzen. Bereits bei einer mittleren Leistung<br />
von 100 W können so Leistungspeaks von mehreren<br />
MW erreicht werden. Dies führt zur direkten Verdampfung<br />
des Materials und einer Minimierung<br />
der Schmelzbildung durch einen reduzierten<br />
Wärmeeintrag gegenüber der Bestrahlung mit<br />
einem kontinuierlichen cw-Laser. Der Tiefenabtrag<br />
liegt daher im Mikrometerbereich und<br />
ermöglicht eine Minimierung struktureller<br />
Schädigungen. Auch international sind Untersuchungen<br />
und Veröffentlichungen zur Laserstrahldekontamination<br />
von Metallen mit gepulsten<br />
und cw-Lasern an inaktiven [11], [12], [13], [14] und kontaminierten<br />
Oberflächen bekannt. Es wurden<br />
beispielsweise Versuche mit Nd:YAG-Lasern zur<br />
Dekontamination von Co-60 mit fester Optik [15] vorgenommen,<br />
der Einfluss der Wellenlänge auf<br />
den Dekontaminationsgrad bestimmt [16], [17] oder<br />
spezielle Kurzpulslaser wie Excimerlaser für<br />
die Dekontamination verschiedener metallischer<br />
Nuklide eingesetzt [18] , die jedoch nicht mobil sind.<br />
3 Laserstrahldekontamination von Metallen<br />
im Labormaßstab<br />
Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes<br />
mit dem Förderkennzeichen 15S9418A wurden<br />
umfangreiche Voruntersuchungen zur Laserstrahldekontamination<br />
von Metalloberflächen im Labormaßstab<br />
[19] durchgeführt, die den Tests an der<br />
WAK vorausgingen.<br />
Der eingesetzte Laser ist ein fasergeführter Handarbeitslaser<br />
CL150 der Firma Clean-Lasersysteme<br />
GmbH mit der Optik OSH50 (Arbeitskopf). Das im<br />
System integrierte Basisgerät ist ein q-switched<br />
Nd:YAG-Laser der Wellenlänge von 1064 nm mit<br />
einer maximalen mittleren Strahlleistung von<br />
150 W. Die Pulsfolgefrequenz lässt sich im Bereich<br />
zwischen 12 kHz und 24 kHz variieren, wobei sich<br />
die Pulsspitzenleistung in diesem Bereich tendenziell<br />
verringert und die Pulsdauer tendenziell<br />
größer wird. Während des Abtrags wurde die<br />
Schmelzbildung und damit die Gefahr des Einbettens<br />
von Nukliden in die Metalloberfläche minimiert<br />
[13]. Hierzu erfolgte eine Optimierung der<br />
thermischen Diffusionslänge l th , die neben der<br />
thermischen Diffusivität k von der Pulsdauer τ Puls<br />
abhängt.<br />
(4)<br />
Die kürzeste vom Laser erreichbare Pulsdauer von<br />
105 ns ergibt sich bei einer Pulsfolgefrequenz von<br />
12 kHz und einer Pulsspitzenleistung von 112,4 kW.<br />
Die Parameter führen bei einem Fokusdurchmesser<br />
von 472 µm abzüglich aller Verluste über<br />
die Strahlführungs- und Formungskomponenten<br />
zu einer Pulsfluenz von 4,33 J‧cm2.<br />
Die Dekontamination der Metalloberflächen wurde<br />
bei konstanter Position im Winkel von 60° des<br />
Laserbearbeitungskopfes relativ zur Metalloberfläche,<br />
bei den Laserparametern (Tabelle 1)<br />
zur Erzeugung einer gewählten Abtragspurbreite<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
29<br />
Laserparameter<br />
Mittlere Leistung<br />
auf der Oberfläche<br />
P m<br />
91 W<br />
Für ein zweifaches Scannen der Oberfläche (eine<br />
Auf- und Abwärtsbewegung des gescannten Laserstrahls<br />
über ein und dieselbe Fläche) wurde die<br />
Abtragstiefe bestimmt.<br />
Pulsspitzenleistung<br />
bei 12 kHz<br />
P max<br />
110 kW<br />
Pulsfolgefrequenz f P 12 kHz<br />
Scanfrequenz f S 50 Hz<br />
Scanbreite d s 60 mm<br />
Tab. 1.<br />
Den Ergebnissen zugrunde liegende Laserparameter<br />
(30 mm) und einer Vorschubgeschwindigkeit<br />
(10 mm‧s -1 ), die eine hundertprozentige Ab deckung<br />
der Fläche mit Laserpulsen darstellt, durchgeführt.<br />
Die Bestimmung des Dekontaminationsgrads<br />
D D als Verhältnis der aufgebrachten Aktivität<br />
A b und der Aktivität nach der Bear beitung A a<br />
wurde über die Formel<br />
ermittelt.<br />
Im Unterschied zu den im Kontrollbereich stattgefundenen<br />
Arbeiten musste der Laserstrahl über<br />
ein Fenster in eine Box, in der sich die zu dekontaminierende<br />
Probe befand, eingekoppelt werden,<br />
um eine Kontamination der Umgebung zu verhindern<br />
(Abbildung 1).<br />
Abb. 2.<br />
Abtragstiefe nach zweifachem Scannen der Oberflächen mit Laserstrahlung<br />
In Abbildung 2 ist das Ergebnis als Mittelwert<br />
über 10 Versuche grafisch aufbereitet. Die Abtragstiefe<br />
beträgt bei den blanken metallischen Oberflächen<br />
zwischen 140 und 450 nm, bei Lackschichten<br />
rund 40 µm. Die Abtragstiefe bei oxidierten<br />
Oberflächen konnte messtechnisch nicht erfasst<br />
werden, da sie um Potenzen geringer als die Rauigkeit<br />
der Oberfläche war (R a ≈ 13 µm).<br />
Edelstahl<br />
Baustahl<br />
BS<br />
verzinkt<br />
BS<br />
oxidiert<br />
BS<br />
lackiert<br />
Co-60 90 68 98 93 99<br />
Cs-137 100 99 99 97 100<br />
Sr-85 90 94 94 97 100<br />
Am-241 90 93 93 99 100<br />
Tab. 2.<br />
Erreichter Dekontaminationsgrad in % im Labormaßstab nach zwei Scans<br />
In Tabelle 2 sind die im Labormaßstab mit der<br />
Arbeitsbox erreichten Dekontaminationsgrade<br />
nach zweifachem Scannen der Oberfläche dargestellt.<br />
Eine Steigerung des Dekontaminationsgrades<br />
war durch eine Wiederholung der Bearbeitung<br />
möglich. Diese Ergebnisse konnten unter<br />
realen Bedingungen, ohne Arbeitsbox, deutlich<br />
übertroffen werden (siehe 5.4).<br />
Abb. 1.<br />
Versuchsaufbau zum Abtrag von Radionukliden<br />
auf Metalloberflächen im Labormaßstab<br />
Das Absaugen der Abtragsprodukte erfolgte quer<br />
zur Probenoberfläche (80 Nl‧min -1 ); für das Auffangen<br />
stand ein Zwei-Filter-System (Vorfilter:<br />
PALL Corp., 2500 Quat Partikelgröße 300 nm,<br />
Abscheidegrad 99,98 %; Hauptfilter: FST GmbH,<br />
EFST-XXN, Partikelgröße 10 nm, Abscheidegrad<br />
99,9995 %) zur Verfügung. Die Auswahl der Filter<br />
basiert auf Analysen der Partikelgrößenverteilung<br />
der Abtragsprodukte [20] .<br />
4 Genehmigungsverfahren<br />
Infolge der hier durchgeführten Vorversuche<br />
konnte die KTE die Beantragung zur Einführung<br />
dieser Laserabtragtechnologie vornehmen. Mit<br />
dem langwierigen und teils zähen Änderungsvorhaben<br />
WAK-2021-007 konnte erstmals in<br />
Deutschland die Freigabe für die laserbasierte<br />
Dekontamination in einer kerntechnischen Anlage<br />
erzielt werden.<br />
Bei dem Vorhaben handelt es sich um ein Modellvorhaben<br />
mit begrenzter zeitlicher Dauer, beschränkter<br />
Radioaktivität sowie mit der örtlichen<br />
Vol. 69 (2024)
30<br />
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Decommissioning and Waste Management<br />
Beschränkung auf eine Raumgruppe innerhalb<br />
der WAK. Es handelt sich bei diesem Vorhaben<br />
um eine unwesentliche Änderung der Anlage<br />
oder des Betriebes mit unerheblicher Abweichung<br />
vom genehmigten Verfahren und mit unerheblichen<br />
Auswirkungen auf den genehmigten sicherheits-<br />
oder sicherungstechnischen Zustand, die<br />
nicht genehmigungspflichtig ist. Die Einstufung<br />
des Änderungsvorhabens erfolgt daher in Kategorie<br />
B.<br />
5 Versuchsdurchführung<br />
Die Durchführung dieses Verfahrens wurde in<br />
der Raumgruppe R. 153 des Prozessgebäudes<br />
der WAK durchgeführt. Die Anlagentechnik wurde<br />
vom eigentlichen Dekontaminationsort abgetrennt.<br />
Das Laseraggregat mit Kühlmitteleinheit,<br />
die Steuerungstechnik und die Druckluftaufbereitung<br />
befinden sich in einem kontaminationsfreien<br />
Bereich. Die Medien werden mittels<br />
Lichtleitfaser bzw. Verbindungsschläuchen in<br />
die Einhausung zum Laserarbeitskopf geführt.<br />
Dieses Verfahrensschema ist in Abbildung 3<br />
dargestellt.<br />
5.1 Prozesstechnik<br />
Das mobile Lasergerät (Abbildung 4a) befand sich<br />
außerhalb der Arbeitskabine. Die Laserstrahlung<br />
wurde über eine 10 m lange mit einer Ummantelung<br />
geschützten Lichtleifaser zum Arbeitskopf<br />
geführt. Im Arbeitskopf wurde der Laserstrahl in<br />
x-Richtung mit einer Scanfrequenz von 50 Hz auf<br />
eine Breite von 60 mm abgelenkt, wodurch bei<br />
Bewegung des Arbeitskopfes eine 6 cm breite<br />
Abtragsspur auf der Oberfläche entsteht (Abbildung<br />
4b).<br />
An den am Arbeitskopf befindlichen Absauganschluss<br />
wurde ein Staubsaugerschlauch befestigt.<br />
Dieser verfügt neben einem Vorfilter über einen<br />
IFA klassifizierten HEPA-Filter der Staubklasse H,<br />
welcher bei einer kritischen Partikelgröße von<br />
0,3 μm mehr als 99,995 % der Partikel filtert. Die<br />
maximale Saugleistung beträgt 194 m³‧h -1 .<br />
Neben der Direktabsaugung wurde die Raumluft<br />
der Einhausung ebenfalls abgesaugt und gefiltert.<br />
Hier fand die Deconta green dec G 100 SE Verwendung.<br />
Die Deconta verfügt über einen Vor- (G3) und<br />
einen Zwischenfilter (G4), ergänzt mit einem<br />
Abb. 3.<br />
Verfahrensschema der Laserdekontamination<br />
Abb. 4.<br />
a Mobiles Lasergerät (Cleanlaser GmbH hier CL500) [21] , b Arbeitskopf des Lasers<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
31<br />
Gesamtaktivität gemäß<br />
DAkkS [Bq]<br />
Volumen<br />
[ml]<br />
Salzsäurekonzentration<br />
[mol∙l -1 ]<br />
Äquivalentdosis * [22] [µSv∙h -1 ]<br />
je Probenkörper je Flasche<br />
Cobalt-60 29.000 30 0,1 4,2 100,9<br />
Strontium-85 41.500 30 0,5 1,3 31,5<br />
Cäsium-137 37.500 30 0,1 1,4 34,8<br />
Americium-241 103.500 30 1 0,3 6,3<br />
Tab. 3.<br />
Übersicht der ausgewählten und verwendeten Radionuklide und relevanten Eckdaten<br />
* berücksichtigte Faktoren: 1 cm Abstand zur Strahlungsquelle mit 1 cm Luft<br />
Aktivkohlefilter AK 292. Der bauseitige HEPA-Filter<br />
wurde in diesem Modellvorhaben durch einen<br />
speziell für Partikelgrößen < 100 nm geprüften<br />
HEPA-Filter ersetzt. Hier kam der H13-Filter<br />
Absolute 1D der Fa. CAMFIL zum Einsatz. Die<br />
maximale Saugleistung der Deconta beträgt<br />
1.650 m³‧h -1 . Bei Verwendung der Aktivkohlezelle<br />
wurde die Saugleistung auf maximal 1.000 m³‧h -1<br />
reduziert. Sowohl innerhalb der Einhausung als<br />
auch im freien Bereich im Raum R.153a fanden<br />
kontinuierlich Raumluftmessungen statt. Hierfür<br />
wurden jeweils Aerosolsammler aufgestellt,<br />
welche alle 24 h ausgewertet wurden.<br />
5.2 Material und Präparation<br />
Für die Durchführung des Modellvorhabens<br />
kamen metallische Probenkörper (PK) aus austenitischen<br />
und ferritischen Stählen mit unterschiedlichen<br />
Oberflächenbeschichtungen (blank,<br />
verzinkt, oxidiert, lackiert) aus unterschiedlichen<br />
Bereichen der KTE zum Einsatz:<br />
⁃ R200-Deckel (Ferrit mit Dekontlack)<br />
⁃ DC01/ (alt St 1203) (1.0330): Gehopon-Lacke<br />
der Firma Geholit & Wiemer mit folgendem<br />
Aufbau: 1x Grundierung grün E1-613: 50 µm,<br />
1x Haftgrund weiß E1-940: 50 µm, 1x Decklack<br />
RAL 1004 E1-1248: 50 µm<br />
⁃ Einwegbox (verzinktes Blech)<br />
⁃ DC01/ (alt St 1203) (1.0330) verzinkt nach (DIN<br />
EN 10131)<br />
⁃ zugeschnittene Edelstahlbleche<br />
⁃ X2CrNi19-11 (1.4306)<br />
⁃ T170-Deckel (blanker und oxidierter Baustahl)<br />
⁃ DC01/ (alt St 1203) (1.0330)<br />
Die Oberfläche der Probenkörper betrug 100 cm²<br />
(5 cm x 20 cm); die mit radioaktiver Flüssigkeit<br />
benetzte Oberfläche wurde auf 54 cm² (3 cm x<br />
18 cm) abgegrenzt. Die Anzahl der Probenkörper<br />
betrug 80 Stück und setzte sich wie folgt zusammen:<br />
fünf verschiedene Grundsubstrate, kontaminiert<br />
mit vier verschiedenen Radionukliden für<br />
vier Laserabtragversuche. Für die Laserabtragversuche<br />
wurden mit Co-60, Cs-137, Sr-85 und<br />
Am-241 repräsentative Radionuklide ausgewählt.<br />
Mit den genannten Radionukliden ist das Spektrum<br />
von γ-, β- und α-Strahlern abgedeckt. Die Oberfläche<br />
der Probenkörper wurde tropfenweise<br />
mit radioaktiver Flüssigkeit benetzt, welche anschließend<br />
eintrocknete (drop cast method). Bei<br />
einigen ausgewählten radioaktiv-kontaminierten<br />
Probenkörpern sollte ein zusätzliches Überstreichen<br />
mit einem Dekontlack in Form einer<br />
Mischung aus einem 2K-Lack mit der jeweiligen<br />
Radionuklidlösung eine eingeschlossene Kontamination<br />
simulieren.<br />
Als Grundlage für die Bestimmung der Ausgangsaktivität<br />
diente die Nachweisgrenze der Strahlenschutz-Messgeräte<br />
bei annehmbaren Messzeiten.<br />
Mittels Hochrechnung über angenommene Dekontaminationsgrade<br />
und Sicherheitsfaktoren<br />
wurden die Ausgangsaktivitäten ermittelt, die in<br />
Tabelle 3 genannt sind. Das notwendige Volumen<br />
von 30 ml ergab sich aus der experimentell<br />
bestimmten Anzahl und Größe der mittels Pipette<br />
aufzubringenden Tropfen. Die resultierenden Gesamtaktivitäten,<br />
die Salzsäurekonzentration sowie<br />
die resultierende Äquivalentdosis der Radionuklide<br />
sind ebenfalls in Tabelle 3 zusammengefasst.<br />
5.3 Versuchsablauf<br />
Die Versuche erfolgten innerhalb des Zeitraums<br />
vom 20.10. bis zum 11.11.2022. Der Großteil der<br />
radiologischen Messungen für die Auswertung der<br />
Laserabtragversuche erfolgte im Anschluss der<br />
Versuche. Für den Laserabtrag lagen die PK einzeln<br />
fixiert auf dem Arbeitstisch. Während eines Laserabtragprozesses<br />
wurde der Laserarbeitskopf am<br />
unteren Ende des PK mit den Rollen aufgesetzt und<br />
in einer Art Pendelbewegung unidirektional über<br />
den PK gefahren. Die Verfahrgeschwindigkeit<br />
ist unbekannt und wurde vom Bearbeiter vom<br />
sichtbaren Abtragergebnis abhängig variiert.<br />
Die Laser parameter sind in Kapitel 3 aufgeführt.<br />
Abbildung 5 zeigt radioaktiv kontaminierte<br />
Deckelproben eines 200 l – Reststofffasses sowohl<br />
vor als auch nach einer erfolgten Laserdekontamination.<br />
Nach der einmaligen Überfahrt des Laserarbeitskopfes<br />
wurde die bearbeitete Oberfläche<br />
der PK mittels eines CONTAMAT Kontaminationsmonitors<br />
auf noch verbliebene Radioaktivität<br />
untersucht. Details der Messanordnung sowie der<br />
Messgerätespezifikation sind im Folgenden aufgelistet<br />
und beschrieben. Je nach Betrag der erhaltenen<br />
Messergebnisse erfolgte entweder ein<br />
Vol. 69 (2024)
32<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
erneuter Laserabtragprozess oder die Dekontamination<br />
des vorliegenden PK wurde als abgeschlossen<br />
eingestuft.<br />
Folgend sind die Messanordnungen und Messgerätespezifikationen<br />
für die jeweiligen Messverfahren<br />
beschrieben:<br />
⁃ CONTAMAT Kontaminationsmonitor<br />
⁃ Gerätespezifikation: LB 124 Scin-300 von<br />
der Firma Berthold<br />
⁃ Messverfahren und -anordnung: Es erfolgt<br />
eine Direktmessung der Probenoberfläche<br />
mit einem definierten Messabstand von<br />
1–2 mm je nach Materialstärke der PK.<br />
Ein Abstandshalter garantiert eine Kontaktvermeidung<br />
des Messgeräts mit der kontaminierten<br />
Probenoberfläche.<br />
⁃ Gammaspektrometrie<br />
⁃ Gerätespezifikation: Hochreiner, stickstoffgekühlter<br />
Germaniumdetektor der Firma<br />
Mirion (Canberra)<br />
⁃ Messverfahren: Die Messungen erfolgten<br />
in Bleiburgen bzw. mit Abschirmungen,<br />
um die natürliche Umgebungsstrahlung zu<br />
reduzieren und Einstrahlung auszuschließen.<br />
Es wurde keine Mittelungsfläche oder<br />
Mittelungsmasse verwendet.<br />
⁃ Messanordnung bei In-situ: Das Gerät wurde<br />
20 cm über den Probenkörpern zum Messen<br />
positioniert, die mit Aktivität versehene<br />
Fläche zeigte zum Detektor. Die Messungen<br />
erfolgten bei Raumtemperatur.<br />
⁃ Messanordnung „Low-Level“: Die Probenkörper<br />
wurden in Plastikfolie eingeschweißt<br />
und mit dieser Folie gemessen. Die Probenkörper<br />
wurden auf einem Probenhalter<br />
( Abstandshalter mit 8 cm Höhe) positioniert,<br />
die mit Aktivität versehene Fläche zeigte<br />
zum Detektor. Die Messungen erfolgten<br />
bei konstanter Temperatur von ca. 23 °C.<br />
5.4 Dekontaminationsgrad<br />
Zentrale Aspekte des Modellvorhabens zur laserbasierten<br />
Dekontamination von Metalloberflächen<br />
waren die Bestimmung des Dekontaminationsgrades<br />
und die Erfassung eines etwaigen nuklidspezifischen<br />
Verhaltens. Für quantitative Aussagen<br />
wurden hierfür umfangreiche Messungen<br />
mit verschiedenen Analysemethoden vollzogen.<br />
Details der Messanordnung sowie Messgerätespezifikation<br />
sind in Kapitel 5.3 beschrieben.<br />
Dabei wurden alle PK sowohl vor als auch nach<br />
dem Laser abtragprozess mittels Direktmessung<br />
(CONTAMAT) und 25 % der PK vor und 100 % nach<br />
dem Laserabtrag mittels Gammaspektrometrie<br />
(Low-Level, In-situ) vermessen. Eine Übersicht der<br />
Ergebnisse ist in Tabelle 4 wiedergegeben.<br />
Die Messergebnisse zeigen, dass im Vergleich<br />
zu den zuvor ermittelten Laborergebnissen ein<br />
Dekontaminationsgrad von mindestens 97,3 %, bei<br />
den Radionukliden Am 241, Cs-137 sowie Sr-85 von<br />
98,3 % und höher resultiert. Darüber hinaus wurde<br />
festgestellt, dass im Fall von Am-241 bei 40 % der<br />
PK ein Dekontaminationsgrad von 100 %; im Falle<br />
von Cs-137 ein Wert von 45 % der PK bestimmt wurde.<br />
Dabei handelte es sich bei Am-241 vorzugsweise<br />
um das Grundsubstrat blanker Baustahl, bei Cs-137<br />
um lackierten bzw. verzinkten Baustahl. Weiterhin<br />
hat sich gezeigt, dass bei den Radionukliden<br />
Cs-137 und Sr-85 der hohe Dekontaminationsgrad<br />
bereits nach einem einzigen Laser abtragprozess<br />
erzielt wurde.<br />
Mit der Ausnahme von verzinktem Baustahl ist<br />
dies auch bei Co-60 zu beobachten. Bei verzinktem<br />
Baustahl konnte trotz mehrmaliger Bearbeitung<br />
nur ein Dekontaminationsgrad von 89,4 % erreicht<br />
werden. Wird bei der Ermittlung des Durchschnittwerts<br />
des Dekontaminationsgrades das Grundsubstrat<br />
verzinkter Baustahl nicht miteinbezogen,<br />
resultiert für Co-60 ein Wert von 98,6 %. Eine<br />
Erklärung für diese Auffälligkeit konnte in der<br />
Nuklid<br />
Dekontaminationsvorgänge<br />
(Anzahl)<br />
Dekontaminationsgrad<br />
(Minimum)<br />
Freigabe 4)<br />
Sr-85 1 ≥ 98,5 % uneingeschränkt freigabefähig<br />
Co-60 1 1) ≥ 97,3 % 1) uneingeschränkt freigabefähig 1)<br />
Cs-137 1 ≥ 98,8 % uneingeschränkt freigabefähig<br />
Am-241 2,5 2) ≥ 98,3 % ca. 50 % uneingeschränkt<br />
freigabefähig 3)<br />
Tab. 4.<br />
Ergebnisse der Laserabtragversuche – Dekontaminationsergebnis<br />
1) ohne verzinkten Baustahl<br />
2) Effekt der Wechselwirkung zwischen Salzsäure und Oberflächen ist zu erkennen;<br />
dieser reduziert deutlich die Effektivität des Laserabtrags<br />
3) verhältnismäßig hohe Ausgangsaktivitätskonzentration (> 80 Bq•cm -2 );<br />
eine Freigabe gemäß StrlSchV nach erfolgter Deko ist hier nicht realistisch<br />
4) nuklidspezifische Freigabewerte gemäß StrlSchV, Anlage 4, Tab. 1, Sp. 5<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
33<br />
Abb. 5.<br />
Radioaktiv kontaminierte Deckelproben eines 200 l –<br />
Reststofffasses a vor dem Laserabtrag, b nach einem einmaligen Laserabtragprozess – uneingeschränkt freigabefähig.<br />
Verwendung von Salzsäure (in der die Nuklide<br />
gelöst waren) nachgewiesen werden. Die chemische<br />
Wechselwirkung vorrangig mit Zink führt<br />
zum Lösen des Zinks und damit zur Einlagerung<br />
des Nuklids in tiefere Regionen. Abgeschwächt ist<br />
dies auch bei Baustahl zu beobachten. Unter real<br />
kontaminierten Oberflächen liegt diese Situation<br />
nicht vor.<br />
Wenngleich der Dekontaminationsgrad bei Am-241<br />
mit mindestens 98,3 % grundsätzlich sehr hoch<br />
ausfällt, waren im Schnitt 2,5 Laserabtragprozesse<br />
notwendig.<br />
Weiterhin wurde die verbliebene Menge an Radioaktivität<br />
je PK mit den jeweiligen Freigabewerten<br />
gemäß Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), Anl.<br />
4, Tab. 1, Sp. 5 verglichen. Hierbei hat sich bei den<br />
verwendeten Radionukliden Cs-137, Sr-85 sowie<br />
Co-60 gezeigt, dass alle PK nach dem durchgeführten<br />
Laserabtrag mit einer Ausnahme uneingeschränkt<br />
freigabefähig sind.<br />
Abbildung 5 zeigt exemplarisch die mit Sr-85<br />
kontaminierten Deckelproben eines 200 l – Reststofffasses<br />
vor sowie nach dem Laserabtrag. Bei<br />
der Ausnahme handelt es sich um die bereits oben<br />
erwähnte Versuchsreihe von aufgetragenem Co-60<br />
auf verzinktem Baustahl. Hier lässt ein Dekontaminationsgrad<br />
von rund 89,4 % keine Freigabefähigkeit<br />
zu. Der Grund liegt im Lösungsverhalten<br />
der Salzsäure, wie oben beschrieben. Im Fall des<br />
Radionuklids Am-241 konnten gemäß Strahlenschutzverordnung<br />
die Hälfte aller PK als uneingeschränkt<br />
freigabefähig eingestuft werden.<br />
Generell muss im Fall des Am-241 festgehalten<br />
werden, dass hier eine sehr hohe Ausgangsaktivitätskonzentration<br />
(> 80 Bq‧cm -2 ) vorlag, so dass eine<br />
Dekontamination mit dem Ziel einer Freigabe<br />
nicht realistisch ist.<br />
Die Freigabemöglichkeit variiert in tatsächlich<br />
vorliegenden Fällen, da hier Nuklidgemische vorhanden<br />
sind und hierbei die abgeleiteten Freigabewerte<br />
berücksichtigt werden müssen.<br />
5.5 Aktivitätsbilanz<br />
Aufgrund der definierten und DAkkS-zertifizierten<br />
Menge an verwendeter Radioaktivität war es<br />
möglich, eine Aktivitätsbilanz nach Abschluss<br />
der Arbeiten aufzustellen. Hierfür wurden aufwendige<br />
Untersuchungen mittels Direktmessung<br />
( CONTAMAT) und der Gammaspektrometrie (In-situ<br />
und Low-Level) durchgeführt. Details der Messanordnung<br />
sowie Messgerätespezifikation sind in<br />
Kapitel 5.3 beschrieben. Es wurden nicht nur die<br />
Probenkörper (PK) untersucht, sondern auch die<br />
verschiedenen Komponenten des Aufbaus (u. a.<br />
Laser arbeitskopf, Absaugelemente, Einhausung).<br />
Weiterhin erfolgte die Auswertung von Wischtests<br />
und Luftmessungen innerhalb und außerhalb der<br />
Einhausung mittels Aerosolsammler. Ferner<br />
wurden alle verwendeten Hilfsmittel (u. a. Glas<br />
Serum-Flaschen, Pipetten, Spritzen), die mit der<br />
Radionuklidlösung in Berührung gekommen sind,<br />
gammaspektrometrisch untersucht. Die Ergebnisse<br />
der Bilanzierung sind in der folgenden<br />
Abbildung 6 aufgeführt.<br />
Bei der Bilanzierung der Aktivitäten nach Abschluss<br />
der Arbeiten wurde festgestellt, dass der<br />
Hauptanteil der Aktivität im Staubsauger, konkret<br />
im Filter, angesammelt vorliegt. Der nächstgrößere<br />
Anteil beinhaltet Reste der nicht genutzten Lack-<br />
Nuklid-Mischung. Auf den Oberflächen der Probenkörper<br />
sind nur noch äußerst geringe Mengen<br />
an verbliebener Radioaktivität, siehe Kapitel 5.4.<br />
Bezogen auf die DAkkS-zertifizierten Ausgangsaktivitäten<br />
weisen die Oberflächen bei den Radionukliden<br />
Sr-85, Cs-137 sowie Am-241 eine verbliebene<br />
Restaktivität von 0,5 % oder weniger auf.<br />
Beim Radionuklid Co-60 hingegen liegt der Wert<br />
bei 2,7 % und fällt damit deutlich höher aus. Hier<br />
ist erneut die Ausnahme beim verzinkten Baustahl<br />
anzumerken, da auf den PK eine ungewöhnlich<br />
hohe Restaktivität zurückbleibt. Wird in der Bilanzierung<br />
von Co-60 der verzinkte Baustahl nicht<br />
berücksichtigt, liegt der Wert bei nur noch 1 %. Es<br />
kann somit festgehalten werden, dass nach dem<br />
Laserabtrag bei den Radionukliden Sr-85, Cs-137<br />
und Am-241 eine ähnlich geringe Restaktivität auf<br />
Vol. 69 (2024)
34<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Abb. 6.<br />
Bilanzierung der einzelnen Radionuklide nach dem Laserabtrag (Angaben in Bq)<br />
den Oberflächen verbleibt und diese bei Co-60 im<br />
Vergleich dazu deutlich höher ausfällt.<br />
Vergleicht man innerhalb der einzelnen Bilanzierungen<br />
die aufsummierte Gesamtaktivität mit den<br />
jeweiligen Gesamtausgangsaktivitäten, so erkannt<br />
man, dass sich im Fall von Cs-137 und Sr-85 eine<br />
geringe negative Abweichung von rund 2 % ergibt.<br />
In Anbetracht diverser Ungenauigkeiten und Toleranzen<br />
sind diese Ergebnisse sehr zufriedenstellend.<br />
Bei den Radionukliden Co-60 (+11,7 %) und<br />
Am-241 (+18,1 %) sind im Vergleich zu den beiden<br />
zuvor genannten Nukliden deutlich höhere Abweichungen<br />
zu beobachten. Die Gründe hierfür<br />
liegen vor allem in den radiologischen Messungen.<br />
Da diese vielfältig und komplex sind, ergibt sich<br />
ein hohes Maß an Unsicherheiten, welche messtechnisch<br />
kaum zu vermeiden sind. Dennoch<br />
befinden sich alle Ergebnisse strahlenschutztechnisch<br />
innerhalb eines zufriedenstellenden<br />
Bereichs.<br />
Die Auswertungen der Aerosolsammler, der<br />
abwisch baren Kontamination und der In-situ<br />
Messungen zeigen sowohl innerhalb als auch<br />
außerhalb des Zeltes keine erhöhten Werte.<br />
Die mittels Laserstrahlung abgetragene Radioaktivität<br />
ist somit vollständig in den Arbeitskopf<br />
gesaugt worden und es sind nachweislich keine<br />
Partikel in die Raumluft gelangt. Die abgesaugten<br />
Partikel (auch kleiner 100 nm) werden mittels<br />
eines konventionellen H13-Filters nachweislich<br />
aufgefangen.<br />
6 Zusammenfassung<br />
Mit einem mobilen, gepulsten 150-W-Nd:YAG-Laser<br />
wurden nach erfolgten Voruntersuchungen zur<br />
Laserstrahldekontamination von Metalloberflächen<br />
im Labormaßstab Praxistests im Prozessgebäude<br />
der WAK durchgeführt. Kernkraftwerktypische<br />
Oberflächen wie Edelstahl, Baustahl,<br />
verrosteter Stahl, verzinkter Stahl und lackierter<br />
Stahl wurden mit den Radionukliden Co-60, Cs-137,<br />
Sr-85 und Am-241 präpariert und anschließend<br />
mit dem Laser dekontaminiert. Um den Erfolg<br />
der Dekontamination zu beurteilen, wurde die<br />
Radioaktivität vor und nach der Laserablation<br />
gemessen und der Dekontaminationsgrad bestimmt.<br />
Alle Laser- und Prozessparameter wurden<br />
für alle Experimente konstant eingestellt.<br />
In der Praxis wurde ein Dekontaminationsgrad<br />
von mindestens 97,3 % erreicht. Dieser Wert ist<br />
höher als der im Labormaßstab erreichte. Der<br />
Grund für den geringeren Dekontaminationsgrad<br />
im Labormaßstab wird in der Nutzung einer Box<br />
gesehen, in der die Absaugung quer zur Abtragsrichtung<br />
verlief und die über ein Einkoppelfenster<br />
verfügt, auf welchem sich während eines Versuchs<br />
Partikel ablagerten, die die Transmission des<br />
Laserstrahls deutlich verringerte.<br />
Der Dekontaminationsgrad hängt sowohl von der<br />
Art des Nuklids als auch von der Art des Substrats<br />
ab. Bei den Substraten wurde der höchste Dekontaminationsgrad<br />
bei Lacken festgestellt (nahezu<br />
100 %). Hier ist der Abtrag in die Tiefe am höchsten,<br />
und es liegen keine Wechselwirkungen mit Metall<br />
vor. Bei diesen unterliegen vorrangig Baustahl als<br />
auch Zink hohen Wechselwirkungen mit der in der<br />
Nuklidlösung befindlichen Salzsäure, die eine<br />
intensive chemische Reaktion mit der Oberfläche<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
35<br />
bewirkt, wodurch die Aktivität in die Oberfläche<br />
eingelagert wird, was unter real kontaminierten<br />
Oberflächen nicht zu erwarten ist.<br />
Die auf den Oberflächen nach dem Abtragsprozess<br />
verbliebene Aktivität wurde mit den Freigabewerten<br />
gemäß StrlSchV, Anl. 4, Tab. 1, Sp. 5 verglichen.<br />
Mit Ausnahme von verzinktem Baustahl<br />
(bei Co-60) konnte bei den Radionukliden Cs-137,<br />
Sr-85 und Co-60 auf den restlichen Substraten eine<br />
uneingeschränkte Freigabe erzielt werden. Bei<br />
Am-241 traf dies nur auf 50 % der Proben zu. Hier<br />
ist zu vermerken, dass bewusst eine hohe Ausgangsaktivitätskonzentration<br />
zum Einsatz kam,<br />
durch die eine Dekontamination mit dem Ziel einer<br />
Freigabe nicht realistisch war.<br />
Betrachtet man innerhalb der Aktivitätsbilanz nur<br />
die beim Laserabtragprozess involvierten Komponenten<br />
(Probenoberfläche, Staubsauger und Umgebung)<br />
ergibt sich gemäß den Dekontaminationsgraden,<br />
dass mindestens 97 % der Aktivität im<br />
Staubsauger nachgewiesen wurden. Hiervon verteilen<br />
sich ca. 3 % auf den Staubsaugerschlauch<br />
und ca. 97 % werden im Beutel abgeschieden. Die<br />
Auswertungen der Aerosolsammler, der abwischbaren<br />
Kontamination und der In-situ-Messungen<br />
zeigten sowohl innerhalb als auch außerhalb<br />
des Zeltes keine erhöhten Werte. Die mittels Laserstrahlung<br />
abgetragene Radioaktivität ist somit<br />
vollständig über den Arbeitskopf abgesaugt<br />
und dem konventionellen H13-Filter zugeführt<br />
worden.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das<br />
hier verwendete Sicherheitskonzept dieser Laserabtragversuche<br />
die zu besorgenden und geplanten<br />
Schutzziele vollumfänglich erfüllt hat. Mit den vorliegenden<br />
Ergebnissen konnte ein entscheidender<br />
Schritt in Richtung Einsatzfähigkeit der Laserabtragtechnologie<br />
in kerntechnischen Anlagen<br />
geleistet werden. Im Hinblick auf eine Reduktion<br />
von Sekundärwaste sowie von Expositionszeiten<br />
für das Personal bleibt abzuwarten, wann diese<br />
Technologie auch von den früheren Betreibern<br />
und heutigen Rückbauunternehmen von kerntechnischen<br />
Anlagen eingesetzt werden.<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
ÄA<br />
BS<br />
cw<br />
DAkkS<br />
LAW<br />
KIT<br />
KTE<br />
LOP<br />
PCB<br />
PK<br />
Änderungsanzeige<br />
Baustahl<br />
continous-wave (kontinuierliche Strahlung emittierende Laser)<br />
Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH<br />
low active waste<br />
Karlsruher Institut für Technologie<br />
Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />
Liste offener Punkte<br />
polychlorierte Biphenyle<br />
Probenkörper<br />
StrSchV<br />
TÜV<br />
UM<br />
WAK<br />
WKET<br />
Literatur<br />
Verordnung zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender<br />
Strahlung (Strahlenschutzverordnung)<br />
TÜV SÜD Energietechnik GmbH Baden-Württemberg<br />
(Sachverständigen gern. § 20 AtG)<br />
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft<br />
Baden-Württemberg – Referat 35<br />
Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe<br />
Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik der TU Dresden<br />
[1] R. Versemann; F.W Bach.; G. Kremer; P. Brüggemann: Research and<br />
Development Results <strong>for</strong> Dismantling and Decontamination Application;<br />
Tucson, Arizona: WM’05 Conference, 2004<br />
[2] https://lpt.glatt.com/2021/05/07/gefahrstoffsanierung-sockelflugzeug/<br />
[3] https://www.hofeditz-baunatal.de/en/laser-reinigung<br />
[4] J. Knorr; W. Lippmann; A.-M. Reinecke; et al.: Decontamination of<br />
siliceous surfaces by laser ablation with simultaneous waste product<br />
conditioning, KONTEC 2005, 20. – 22.04.2005, Berlin<br />
[5] Herrmann, M.; Lippmann, W.; Hurtado, A.: The Release of Radionuclides<br />
in the Laser Decontamination Process; Icone 17th, Brüssel, 2009<br />
[6] A. Anthofer, W. Lippmann, A. Hurtado: Development and Testing of a<br />
Laser-Based Decontamination System, <strong>Journal</strong> of Optics & Laser Technology,<br />
48 (2013), pp. 589–598<br />
[7] A. Anthofer, W. Lippmann, A. Hurtado: Laser decontamination of epoxy<br />
painted concrete surfaces in nuclear plants Original Research Article;<br />
Optics & Laser Technology, Volume 57, April 2014, Pages 119-128<br />
[8] A. Hurtado, W. Lippmann, M. Herrmann, R. Littwin, S. Gentes, J.<br />
Bremmer, P. Kern, N. Gabor: Decontamination of radioactively contaminated<br />
concrete surfaces by means of a manipulator-borne laser system,<br />
Kontec, Dresden, 2009<br />
[9] G. Greifzu, T. Kahl, M. Herrmann, W. Lippmann, A. Hurtado: Laserbased<br />
decontamination of metal surfaces, Optics & Laser Technology,<br />
117 (2019), pp. 293-298<br />
[10] T. Kahl, F. Lohse, M. Herrmann, A. Hurtado: Evaluation of particle<br />
release during cleaning of coated surfaces with pulsed Nd:YAG laser,<br />
<strong>Journal</strong> of Aerosol Science, 172 (2023) 106187<br />
[11] R.L. Demmer, R.L. Ferguson: Testing and evaluation of light ablation<br />
decontamination; Idaho National Engineering Laboratory; 94/0134,<br />
1994<br />
[12] B. Baigalmaa, Won, H.J., Moon, J.K., Jung, C.H., Hyun, J.H.: A comprehensive<br />
study on the laser decontamination of surfaces contaminated with<br />
Cs(+)ion, Applied Radiation and Isotopes 67 (2009) pp. 1526-1529<br />
[13] L. Carvalho, W. Pacquentin, M. Tabarant M.; H. Maskrot; A. Semerok:<br />
Growth of micrometric oxide layers to explore laser decontamination<br />
of metallic surfaces, EPJ Nucl. Sci. Technol. 3 (2017) 30<br />
[14] K.-H. Song, J. S. Shin: Surface removal of stainless steel using a singlemode<br />
continuous wave fiber laser to decontaminate primary circuits;<br />
<strong>Nuclear</strong> Engineering and Technology 54 (2022)<br />
[15] S. Sadanori, A. Seiji, T. Inoue: Applying laser technology to decommissioning<br />
<strong>for</strong> nuclear power plant, Advanced High-<strong>Power</strong> Lasers and<br />
Applications; Osaka Japan (1999).<br />
[16] J.P. Nilaya, P. Raote, A. Kumar, D.J. Biswas: Laser-assisted decontamination<br />
– A wavelength dependent study, Appl. Surf. Sci. 254 (22) (2008)<br />
7377–7380<br />
[17] H. Won, J. Park, C. Jung, W. Choi, J. Moon: Decontamination of Radioactive<br />
Material by Nd:YAG Laser; Asain <strong>Journal</strong> of Chemistry, 10 (2013)<br />
5819-5822<br />
[18] Ph. Delaporte, M. Gastaud, W. Marine, M. Sentis et. al: Dry Excimer laser<br />
cleaning applied to nuclear decontamination; Applied Surface Science<br />
208-209 (2003)<br />
[19] A.-M. Reinecke, M. Acker, S. Taut, M. Herrmann, W. Lippmann,<br />
A. Hurtado: Laser beam decontamination of metallic surfaces with a<br />
pulsed (150 W) Nd: YAG Laser; <strong>Journal</strong> of <strong>Nuclear</strong> Engineering and<br />
Technology 55 (2023) 4159<br />
[20] T. Kahl, F. Lohse, M. Herrmann, A. Hurtado: Evaluation of particle<br />
release during cleaning of coated surfaces with pulsed Nd:YAG laser;<br />
<strong>Journal</strong> of Aerosol Sciences, 172 (2023) 106187<br />
[21] URL: https://adapt-laser.com/product/cl500/<br />
[22] Nucleonica Datenbank, URL: https://nucleonica.com/,<br />
Abrufdatum: 03.06.2022<br />
Vol. 69 (2024)
36<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Autorin und Autor<br />
Dr.-Ing. Anne-Maria Reinecke<br />
Leiterin Hochleistungslaserlabor<br />
TU Dresden, Institut für Energietechnik,<br />
Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik<br />
anne-maria.reinecke@tu-dresden.de<br />
Impressum<br />
Offizielle Mitgliederzeitschrift<br />
der Kerntechnischen Gesellschaft e. V. (KTG)<br />
Verlag<br />
INFORUM Verlags- und Verwaltungsgesellschaft mbH<br />
Berliner Straße 88A, 13467 Berlin<br />
Anne-Maria Reinecke ist seit 2003 wissenschaftliche<br />
Mitarbeite rin an der Professur für Wasserstoff- und<br />
Kernenergietechnik der TU Dresden. Hier beschäftigt<br />
sich die promovierte Maschinenbauingenieurin<br />
kontinuierlich mit der Bearbeitung von Forschungsprojekten<br />
auf dem Gebiet der Lasermaterialbearbeitung. Zudem hat sie 2008<br />
mit dem Aufbau eines Hochleistungslaserlaboratoriums an der TU Dresden<br />
begonnen und leitet eben dieses seitdem.<br />
www.nucmag.com<br />
@<strong>atw</strong>_<strong>Journal</strong><br />
@<strong>atw</strong>-international-journal-<strong>for</strong>-nuclear-power<br />
Geschäftsführer<br />
Dr. Thomas Behringer<br />
Carsten Friedrich<br />
stellv. Abteilungsleiter Rückbau<br />
der Verglasungseinrichtung Karlsruhe<br />
Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />
carsten.friedrich@kte-karlsruhe.de<br />
Chefredakteur<br />
Nicolas Wendler<br />
+49 172 2379184<br />
nicolas.wendler@nucmag.com<br />
Redakteurin<br />
Nicole Koch<br />
+49 163 7772797<br />
nicole.koch@nucmag.com<br />
Carsten Friedrich ist stellv. Abteilungsleiter Rückbau<br />
Verglasungseinrichtung Karlsruhe (VEK) bei<br />
der Kerntechnischen Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />
(KTE) und damit (mit)verantwortlich für die<br />
Planung und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen<br />
zum „Fernhantierten Rückbau der Prozesszellen<br />
der VEK“.<br />
Aufgrund seiner Tätigkeiten während des Maschinenbaustudiums (Diplomingenieur)<br />
an der TUD beschäftigte er sich bereits intensiv mit der Laserdekontamination<br />
und begleitet seither die diesbezüglichen Forschungsprojekte<br />
seitens der KTE.<br />
Anzeigen und Abonnements<br />
info@nucmag.com<br />
Layout<br />
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paper. Please address letters and manuscripts only to the Editorial Staff<br />
and not to individual persons of the association‘s staff. We do not assume<br />
any responsibility <strong>for</strong> unrequested contributions.<br />
Signed articles do not necessarily represent the views of the editorial.<br />
ISSN 1431-5254 (Print) | eISSN 2940-6668 (Online)<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
37<br />
AWiR:<br />
Ein beteiligungsorientiertes<br />
Change-Projekt im<br />
kerntechnischen Rückbau<br />
› Ralf Schimweg und Marco Steinbusch<br />
Abb. 1.<br />
Der in Rückbau befindliche AVR-Hochtemperaturreaktor in Jülich<br />
Einführung<br />
Der Rückbau von Anlagen ist für die Beschäftigten<br />
ein ambivalentes Vorhaben: Es fällt nicht leicht<br />
jeden Tag daran zu arbeiten, den eigenen Arbeitsplatz<br />
abzubauen. Dieses Dilemma war im Rückbau<br />
des AVR-Versuchsreaktors der JEN sicht- und<br />
messbar durch ständige Projektverzögerungen<br />
und schlechte Stimmung in der Belegschaft, insbesondere<br />
zwischen Restbetrieb, Demontage und<br />
Strahlenschutz.<br />
In diesem Artikel beschreiben die Autoren, wie es<br />
in einem gut zweijährigen Change-Projekt gelungen<br />
ist, mit intensiver Beteiligung der Beschäftigten<br />
die Veränderungs bereitschaft, die Zukunftsperspek<br />
tiven, die Zusammenarbeit und letztlich<br />
auch den Verlauf des Rückbauprojektes erheblich<br />
zu verbessern.<br />
Das Projektteam – Herzstück des Change<br />
Projektes – bestand aus Füh rungs kräften<br />
und aus der Belegschaft gewählten Mitarbeitenden<br />
sowie Vertretern des Betriebsrates.<br />
Alle Aktivi täten und Ergebnisse<br />
sind durch das Projektteam „legitimiert“<br />
worden.<br />
Zwölf Arbeitsgruppen haben zum Teil<br />
parallel an der Gestaltung der zukünftigen<br />
Organisation gearbeitet.<br />
Wesentliche Ergebnisse des Projektes<br />
sind eine zukunftsorientierte Aufbauorganisation,<br />
in der Demontage, Betrieb,<br />
Instandhaltung und Strahlenschutz<br />
Hand in Hand arbeiten, was zu er heblich<br />
verbesserten Kennzahlen im Rückbau<br />
geführt hat. Der Erfolg des „AWiR“-Projektes<br />
führte zum Start eines weiteren<br />
Change-Projekt, das die gesamte Hauptabteilung<br />
Rückbau der JEN mit derzeit<br />
vier Rückbauvorhaben umfasst.<br />
Ausgangslage<br />
Die JEN (Jülicher Entsorgungsgesellschaft für<br />
Nuklearanlagen mbH) ist ein noch sehr junges<br />
Unternehmen. Sie wurde 2015 gegründet aus<br />
dem Zusammenschluss der Arbeitsgemeinschaft<br />
Versuchsreaktor GmbH (AVR) und den Nuklearbereichen<br />
des Forschungszentrums Jülich. Die<br />
Mission der JEN ist es, kerntechnischen Einrichtungen<br />
am Standort Jülich bis zur grünen Wiese<br />
zurückzubauen.<br />
Das hier beschriebene Organisationsentwicklungs<br />
projekt bezieht sich auf den Betrieb und<br />
Rückbau des AVR, eines von aktuell vier Rückbau-<br />
Vorhaben der JEN (siehe Abbildung 1).<br />
Vol. 69 (2024)
38<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Rückbau und genehmigungskon<strong>for</strong>mer Betrieb:<br />
Beides schien nicht gleichzeitig möglich zu<br />
sein. Die Situation war durch folgende Effekte<br />
gekennzeichnet:<br />
⁃ Seit Jahren immer wieder Verlängerungen<br />
der geplanten Projektlaufzeiten<br />
⁃ Kaum Zusammenarbeit, stattdessen großes<br />
Gemecker über „die Anderen“<br />
⁃ Hohe Stillstandszeiten durch fehlende Kommunikation<br />
und Abstimmung<br />
Abb. 2.<br />
Organigramm AVR Betrieb und Projekt zu Projektbeginn<br />
Ca. 70 Mitarbeitende sind im AVR-Projekt beschäftigt.<br />
Zurzeit konzentrieren sich die Rückbau<br />
Aktivitäten auf den Rückbau noch verbliebener<br />
Betonstrukturen innerhalb des Reaktorgebäudes,<br />
das Projektende „Grüne Wiese“ ist für 2036<br />
geplant.<br />
Mitautor Marco Steinbusch übernahm 2019 die<br />
Leitung des AVR-Rückbauprojekts. Damals gab es<br />
im Organigramm zwei AVR-Abteilungen, den<br />
Betrieb und das Projekt (Abbildung 2).<br />
Projekt und Betrieb waren organisatorisch und<br />
auch faktisch voneinander getrennt und wurden<br />
in Personalunion durch M. Steinbusch geleitet. In<br />
der Abteilung „Betrieb“ waren der Restbetrieb mit<br />
der 24/7-besetzten Warte und die Instandhaltung<br />
mit Werkstätten, Betriebsingenieuren und Elektro<br />
Planern angesiedelt. Hauptaufgabe war es, den<br />
genehmigungskon<strong>for</strong>men Betrieb sicherzustellen,<br />
wobei es nicht viel Fantasie benötigt sich vorzustellen,<br />
was Betrieb bei einem Kraftwerk bedeutet,<br />
das seit vielen Jahren kernbrennstofffrei ist und<br />
der Rückbau fast ausschließlich aus dem Abbau<br />
von Betonstrukturen besteht: Lüftung, Abwasserauffanganlagen,<br />
Klimaanlagen, Brandmeldeanlage<br />
und Heizung wiederkehrend prüfen und instand<br />
setzen.<br />
In der anderen Abteilung war das „Projekt“ beheimatet<br />
mit den Funktionen Rückbauplanung und<br />
Demontageausführung.<br />
Manifestierte Interessensgegensätze<br />
Mit der Brille eines Organisationsentwicklers<br />
liegt es auf der Hand: Hier sind gegensätzliche<br />
Interessen und Aufgaben so durch den Aufbau der<br />
„Doppelabteilung“ manifestiert, dass eine effektive<br />
Zusammenarbeit im Sinne gemeinsamer Ziele<br />
gar nicht zu erwarten ist. Die Einen sollen das<br />
abbauen, was die Anderen sicher betreiben sollen.<br />
Mit jedem erfolgreichen Tag im Rückbau verkürzt<br />
sich die Existenz der Anlage und des eigenen<br />
Arbeitsplatzes.<br />
Zusätzlich zu den Interessensgegensätzen zwischen<br />
Rückbau und Betrieb gab es noch einen<br />
weiteren Aspekt, der die Situation noch verschlimmerte:<br />
Der Strahlenschutz gehörte zu einer anderen<br />
Hauptabteilung, und zwar sowohl der<br />
prak tische Strahlenschutz vor Ort, als auch die<br />
Strahlen schutz-Planung der Teilprojekte. So gab es<br />
gleich drei Parteien, die sich zum Teil gegenseitig<br />
im Weg standen.<br />
Die folgende Grafik (Abbildung 3) zeigt eindrucksvoll<br />
zu welchen Ergebnissen die problematische<br />
Zusammenarbeit geführt hat.<br />
Abb. 3.<br />
Typischer Verlauf Rückbau Betonstrukturen<br />
In dem abgebildeten Zeitraum von 3 Monaten, der<br />
64 Arbeitstage umfasst, wurde nur an 24 Tagen tatsächlich<br />
am Abbau der Betonstrukturen – hier als<br />
„Baggern“ bezeichnet – gearbeitet, an 40 Arbeitstagen<br />
konnte aus unterschiedlichen Gründen kein<br />
Rückbau betrieben werden. Diese Arbeiten stellten<br />
den kritischen Pfad dar und dem Projektplan lag<br />
eine Plan-Abbauleistung von 10 Mg/Woche zugrunde.<br />
Eine realistische Annahme, denn an den<br />
Tagen, an denen „gebaggert“ werden konnte, lag<br />
die durchschnittliche Tagesleistung bei 2.160 kg<br />
(graue Linie). Das Problem waren die häufigen<br />
ungeplanten Stillstände, die zu einer durchschnittlichen<br />
Abbruchleistung von nur 762 kg pro Arbeitstag<br />
geführt hat (orange Linie).<br />
Zu spät bestellte Filter, schlecht disponiertes<br />
Personal, schlecht abgesprochene Reparaturen,<br />
Meinungsverschiedenheiten über zu ergreifende<br />
Schutzmaßnahmen und viele weitere vermeidbare<br />
Ursachen wurden identifiziert. Viel Energie wurde<br />
investiert, um Schuldige zu suchen, Rechtfertigungen<br />
zu konstruieren und Frust abzuladen.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
39<br />
Fehlende Perspektiven<br />
Um es vorweg zu nehmen: Es ist nicht fehlendes<br />
Personal, mangelnde Qualifikation oder schlechtes<br />
Material, mit dem sich die beschriebene Ausgangslage<br />
erklären lässt. Vielmehr wurde mangelnde<br />
Motivation in Kombination mit fehlenden Zukunftsperspektiven<br />
nach dem rückbaubedingten<br />
Wegfall von Aufgaben und Arbeitsplätzen als<br />
Hemmschuh ausgemacht.<br />
Change-Projekt „AWiR“<br />
Im Frühjahr 2020 ist im Management der JEN der<br />
Entschluss gereift, den Wandel hin zu einer zukunftsorientierten<br />
Organisation und Kooperation<br />
im AVR durch ein umfangreiches Change-Projekt<br />
mit externer Unterstützung durchzuführen. Dabei<br />
konnte im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens<br />
die MA&T Sell & Partner GmbH als externe<br />
Unterstützung gewonnen werden. MA&T hatte mit<br />
einem interdisziplinären Team aus Ingenieuren,<br />
Arbeitspsychologinnen und Betriebspraktikern<br />
fast 30 Jahre Erfahrung in der Begleitung beteiligungsorientierter<br />
OE-Projekte, allerdings noch nie<br />
in einer kerntechnischen Anlage gearbeitet. Die<br />
beiden Autoren haben das Change-Projekt mit dem<br />
Titel „AWiR“ gemeinsam geleitet.<br />
Was Change-Projekte gelingen lässt<br />
Aus der Literatur zu Change-Projekten 1 ist bekannt,<br />
dass es für erfolgreiche Change-Projekt einige<br />
wenige notwendige Voraussetzungen gibt, davon<br />
nennen wir hier sechs:<br />
1. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit<br />
der Veränderung muss klar sein.<br />
2. Angst vor gravierenden negativen Auswirkungen<br />
des Change-Projektes darf in<br />
der Belegschaft nicht vorhanden sein.<br />
3. Es gibt eine Vision und Ziele dafür, wohin<br />
sich die Organisation entwickeln soll.<br />
4. Es gibt eine starke Führungskoalition,<br />
die die Vision auch gegen innerbetriebliche<br />
Widerstände durchsetzt.<br />
5. Es gelingt, schnell wirksame Erfolge<br />
zu generieren.<br />
6. Das Vorhaben ist medial präsent, z.B. durch<br />
Flyer, Poster, Rollups oder elektronische Medien<br />
Bereits die erste genannte Bedingung war zu<br />
Beginn des Projektes weitgehend nicht gegeben.<br />
Die Belegschaft - und in Teilen auch die Führungskräfte<br />
– waren daran gewöhnt, dass mit dem<br />
Argument der Sicherheit nahezu jede Verzögerung<br />
und Kostensteigerung zu rechtfertigen war. Auf<br />
individueller Ebene gab es auch keine starke<br />
Motivation zur Veränderung, weil durch den<br />
Tarifvertrag und diverse Betriebsvereinbarungen<br />
persönliche Nachteile weitgehend ausgeschlossen<br />
waren und sind, was wiederum den zweiten<br />
Aspekt, keine Angst haben zu müssen, sehr gut<br />
erfüllt. Die Voraussetzungen 3 bis 6 galt es, im<br />
Projekt sicherzustellen.<br />
Bedeutung von Beteiligung<br />
Es gibt in der Organisationsentwicklung einen<br />
Zusammenhang zwischen dem Grad der Beteiligung<br />
der von Veränderung betroffenen Menschen<br />
und deren Identifikation 2 mit den Lösungen (siehe<br />
Abbildung 4.)<br />
Abb. 4.<br />
Zusammenhang zwischen Beteilung und Identifikation<br />
Abbildung 4 sagt aus, dass ohne Beteiligung damit<br />
zu rechnen ist, dass eingeleitete Veränderungen<br />
tendenziell bekämpft werden. Das unterste Level<br />
von Beteiligung – die In<strong>for</strong>mation – trägt schon<br />
dazu bei, dass Neuerungen wenigstens erduldet<br />
werden, also nicht aktiv bekämpft. Infomieren<br />
kann und sollte man also immer, wie unangenehm<br />
die Nachrichten auch sein sollten.<br />
Mit Anhörung ist gemeint, dass aktiv die Haltungen<br />
und Meinungen der Betroffenen abgefragt<br />
werden, ohne eine Garantie, dass auch jede Äußerung<br />
in die Lösung einfließt. Tut man dies, so<br />
kann schon mit Unterstützung gerechnet werden.<br />
Werden die Mitarbeitenden in die Entwicklung<br />
oder sogar Entscheidung zukünftiger Lösungen<br />
einbezogen, so steigt die Chance, dass es eine ausreichende<br />
Anzahl von Betroffenen geben wird, die<br />
die Neuerungen auch gegen die Kritik anderer<br />
verfechten.<br />
Klingt einfach: Dann lassen wir doch einfach die<br />
Beschäftigten alles entscheiden, dann haben<br />
wir maximale Akzeptanz. So einfach ist es leider<br />
nicht. Wer kennt nicht das Zitat „Wer einen Teich<br />
austrocknen will, der sollte nicht die Frösche<br />
befragen“?<br />
1 Vgl. Kotter, J. P. (2011): Leading Change, München.<br />
2 Schimweg, R (2008).: Projektmanagement in der IG-Metall, 3. Auflage, Frankfurt am Main<br />
Vol. 69 (2024)
40<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Als nächstes folgten Infoveranstaltungen für alle<br />
AVR-Beschäftigte inkl. Leiharbeitnehmer, wegen<br />
Corona in kleinen Gruppen à 6 – 8 Personen.<br />
Hier gab es die erste Gelegenheit nachzufragen<br />
und zur Bekundung des Interesses, in dem Projekt<br />
mitzuwirken.<br />
Kurz nach den Infoveranstaltungen wurde ein<br />
Wettbewerb zur Findung eines Projektnamens und<br />
-Logos durchgeführt.<br />
Abb. 5.<br />
Projektphasen<br />
Die Balance zwischen maximaler Identifikation<br />
und Erreichung der beabsichtigten Veränderungen<br />
muss hergestellt werden, indem einerseits<br />
Vorgaben gemacht und klar kommuniziert<br />
werden, andererseits gezielt Gestaltungsmöglichkeiten<br />
geschaffen werden, bei denen Beteiligung<br />
bis hin zu Mitentscheidung möglich und<br />
erwünscht ist.<br />
In welchen Projektphasen das wie umgesetzt wurde,<br />
erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.<br />
Der Verlauf des AWiR-Projektes<br />
Der Verlauf des Projektes gliedert sich „klassisch“<br />
in 6 Abschnitte. Die Darstellung als „Achterbahn“<br />
deutet an: Change-Projekte haben Höhen und<br />
Tiefen. Anfängliche Euphorie wird abgelöst durch<br />
Enttäuschung und Resignation, bevor rationale<br />
Einsicht zu echten Veränderungen und akzeptierten<br />
und gut funktionierenden neuen Arbeits weisen<br />
führt. Eine ganz normale Abfolge von guten und<br />
schlechten Phasen im Projekt. Gut zu wissen, dass<br />
das in Change-Projekten immer so ist. Auch wenn<br />
zwischendurch mal Gedanken geäußert werden,<br />
ob es nicht besser wäre alles zu stoppen, ist es<br />
wichtig, weiter zu machen, positive Erlebnisse zu<br />
erzeugen, und (auch sich selbst) klar zu machen:<br />
Das ist unvermeidlich, gut, dass wir dieses Tief<br />
bald hinter uns haben.<br />
Im Folgenden wollen wir darauf eingehen, mit<br />
welchen Methoden der Beteiligungsgedanke in<br />
den unterschiedlichen Ausprägungen umgesetzt<br />
wurde.<br />
Projektstart<br />
Das Projekt begann mit der Konstituierung des Lenkungsausschusses,<br />
bestehend aus Geschäftsführung,<br />
Betriebsrat, Personalleitung, internem und<br />
externem Projektleiter. Hier wurden insbesondere<br />
die Kon kretisierung der Projektziele, die Vereinbarung<br />
der Arbeitsweise und des Projektablaufs festgelegt.<br />
Auf die gesteckten Ziele und deren Erreichung<br />
gehen wir erst am Ende dieses Beitrags ein.<br />
Das Projektteam – Herzstück des gesamten Vorhabens<br />
– wurde gegründet und die erste Sitzung<br />
durchgeführt.<br />
Im Projektteam, das die wesentlichen Entscheidungen<br />
im Projekt getroffen hat, waren neben Projektleitung,<br />
Betriebsrat und Führungskräften aus dem<br />
AVR auch (gewählte) Mitarbeitende aus Betrieb,<br />
Rückbau und Strahlenschutz vertreten. Mit 18 Mitgliedern<br />
war das Projektteam nicht als Arbeitsgremium<br />
konzipiert, sondern als so genannter<br />
„Resonanzkörper“, immerhin fast ein Fünftel der<br />
AVR-Belegschaft war im Projektteam vertreten.<br />
Im anfänglich 14-tägigen, später monatlichen<br />
Rhythmus tagte das Projektteam insgesamt 26 Mal<br />
im Projektverlauf. Hier wurde berichtet, entschieden,<br />
Arbeitsgruppen beauftragt und Ergebnisse<br />
entgegengenommen. Zur Erhöhung der Transparenz<br />
wurden die Protokolle der Projektteam<br />
Sitzungen im Intranet veröffentlicht. Außerdem<br />
wurden zur Visualisierung des Projektes insgesamt<br />
acht Poster erstellt und in allen Gebäuden auf<br />
dem AVR-Gelände aufgehängt.<br />
Analyse<br />
Zur Erhebung des Ist-Zustands bezogen auf Motivation,<br />
Zukunftsperspektiven, Zusammenarbeit,<br />
Arbeitsabläufe, Führung, Verantwortung, In<strong>for</strong>mation<br />
und Kommunikation wurde eine elektronische,<br />
anonyme Befragung durchgeführt. Das<br />
Design der Befragung wurde vom Projektteam mit<br />
der Unterstützung durch eine Arbeitspsychologin<br />
von MA&T erarbeitet. Nach der Auswertung der<br />
Befragung im Projektteam wurden sechs Arbeitsgruppen<br />
mit der Erarbeitung von Verbesserungen<br />
beauftragt.<br />
Die Themen „Statusgespräche“, „Koordinierungsgespräche“<br />
und „Lagerentnahmen“ sind bewusst<br />
ausgewählt worden, weil hierzu sehr schnell<br />
Verbesserungen umgesetzt werden konnten. Diese<br />
so genannten „Quick Wins“ sind ein wichtiges<br />
Mittel, um auf Befragungen mit positiven Veränderungen<br />
schnell zu reagieren, bevor die ersten<br />
Stimmen sagen: „War doch klar, dass das alles<br />
nichts bringt“.<br />
Abbildung 6 zeigt ein Poster mit den nach der Befragung<br />
beauftragten Arbeitsgruppen.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
41<br />
Abb. 6.<br />
Poster zu den ersten sechs<br />
Arbeitsgruppen<br />
Konzeption und Test<br />
Diese beiden Projektphasen<br />
liefen nicht nacheinander<br />
ab, sondern zu<br />
vielen verschiedenen<br />
Themen wurden insgesamt<br />
zwölf Arbeitsgruppen<br />
vom Projektteam<br />
beauftragt, die jeweils<br />
Soll Konzepte erarbeitet,<br />
erprobt, manchmal verworfen<br />
oder verbessert<br />
und letztlich dem Projektteam<br />
oder – bei gravierenden<br />
Entscheidungen<br />
– dem Lenkungsausschuss<br />
zur Entscheidung<br />
vor gelegt haben.<br />
Umsetzung<br />
Viele der umgesetzten Soll-Konzepte betreffen<br />
die Kommunikation und Zusammenarbeit:<br />
Wöchentliche Koordinierungsgespräche zwischen<br />
Demontage, Betrieb und Instandhaltung, tägliche<br />
Kurzbesprechungen zwischen Demontage und<br />
Strahlenschutz und morgendliche Abstimmung<br />
des aktuellen Tages wurden beispielsweise eingeführt,<br />
um einen reibungsloseren Ablauf zu erreichen,<br />
gegenseitiges Unterstützen zu organisieren<br />
und mehr Transparenz über das Geschehen in<br />
der Anlage zu bekommen. Diese Optimierungen<br />
konnten ohne großen Aufwand etabliert werden.<br />
Eine ganz wesentliche Änderung betrifft aber die<br />
grundsätzliche Arbeitsweise: Der Rückbau des<br />
AVR, der selbstverständlich in einzelne Vorhaben<br />
gegliedert ist, wird seit dem AWiR-Projekt in Teilprojekten<br />
organsiert. Jedes Teilprojekt wird von<br />
einem Planer oder einer Planerin geleitet und von<br />
der Vorhabenanzeige bis zum Abschluss verantwortlich<br />
betreut. Zu jedem Teilprojekt sind (sofern<br />
benötigt) Mitarbeitende aus dem Betrieb, der<br />
Instandhaltung, der Demontage und dem Strahlenschutz<br />
fest zugeordnet. Diese projektorientierte<br />
Arbeitsweise ist über Monate in der Arbeitsgruppe<br />
„Zuständigkeiten“ in unterschiedlichen Varianten<br />
erprobt worden. In Kombination mit der optimierten<br />
Regelkommunikation wurde auch das<br />
Organigramm und damit auch Stellenbeschreibungen<br />
und Stellenbewertungen überarbeitet, benötigte<br />
Kapazitäten neu definiert, Qualifizierungs-Pläne<br />
erstellt und mit deren Umsetzung begonnen.<br />
Abschluss<br />
Zum Abschluss des Projektes wurde erneut eine<br />
Befragung der Belegschaft durchgeführt, insbesondere<br />
um eines der gesteckten Ziele bewerten zu<br />
können. Ein Lessons-Learned- Workshop im Projektteam,<br />
eine Abschlussveranstaltung mit allen<br />
AVR-Beschäftigten sowie eine letzte Sitzung des<br />
Lenkungsausschuss bildeten den <strong>for</strong>malen Abschluss<br />
des Projekts, gefolgt von einem gemeinsamen<br />
Grillfest für die gesamte Belegschaft des AVR.<br />
Neue Arbeitsweise und<br />
zukunftsfähiges Organigramm<br />
Neben einer <strong>for</strong>mal nicht sichtbaren Veränderung<br />
des „Mindsets“ der Mitarbeitenden, die in der<br />
täglichen Zusammenarbeit über die ehemaligen<br />
Organisationsgrenzen hinweg spürbar ist, wurde<br />
die Arbeit in Teilprojekten etabliert (siehe Abbildung<br />
7):<br />
Direkt dem Leiter „AVR-Rückbauprojekt“ zugeordnet<br />
sind die „aktiven“ Teilprojekte mit jeweils<br />
einer Teilprojektleitung. Je nach Art, Umfang und<br />
Komplexität gibt es zu jedem dieser Teilprojekte<br />
ein darauf zugeschnittenes Team, dem je nach<br />
Er<strong>for</strong>dernis, notwendigem Knowhow und freien<br />
Kapazitäten, Mitarbeitende aus den verschiedenen<br />
Gruppen und Teams zugeordnet werden.<br />
Die TP-Leitenden sind in der Regel Mitglieder des<br />
Planungsteams, die bis zum Abschluss des Teilprojektes<br />
Verantwortung für das TP übernehmen.<br />
Früher war es so, dass mit der Genehmigung der<br />
Vorhabensanzeige der Job der Planenden abgeschlossen<br />
war und die Umsetzung der Planung<br />
durch Andere erfolgte. Die daraus resultierenden<br />
Effekte haben wir in der Ausgangslage schon<br />
beschrieben.<br />
Es ist durchaus so, dass sowohl die TP-Leitenden als<br />
auch die Mitglieder im TP in der Regel in mehreren<br />
Teilprojekten arbeiten, was die Kom plexität der<br />
Steuerung erhöht. Dafür sind aber innerhalb der<br />
Teilprojekte Schnittstellen weitgehend eliminiert.<br />
Während in Abbildung 7 die Arbeitsweise dargestellt<br />
ist, zeigt Abbildung 8 das neue Organigramm,<br />
das die gewünschte Arbeitsweise möglichst<br />
gut unterstützen soll, aber nicht ohne<br />
Zuordnung von Mitarbeitenden zu Organisationseinheiten<br />
und Führungskräften auskommt.<br />
Zunächst ganz wichtig: Es gibt nur noch eine Abteilung<br />
und auch nur noch einen Abteilungsleiter.<br />
Faktisch war das wegen der Personalunion zwar<br />
schon vorher so, aber das Organigramm teilte sich<br />
eben auch darunter in zwei (mehr oder weniger<br />
stark) konkurrierende Zweige.<br />
Die Teilprojekt-Leitendenden sind disziplinarisch<br />
direkt dem Abteilungsleiter zugeordnet. Neben<br />
dem Abteilungsleiter wird wegen der eben genannten<br />
Komplexität eine weitere Instanz benötigt, die<br />
sich um TP-übergreifende Fragestellungen kümmert:<br />
Der Projektkoordinator. Insbesondere der<br />
Blick auf das gesamte Rückbauprojekt, aber auch<br />
Vol. 69 (2024)
42<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Abb. 7.<br />
neue Arbeitsweise in Teilprojekten<br />
übergeordnete Kapazitäts- und Prioritätensteuerung,<br />
technologische Fragestellungen<br />
Behörden-Kontakte zählen<br />
zu den Aufgaben der Stabstelle, deren<br />
Inhaber zugleich stellvertretender Abteilungsleiter<br />
ist.<br />
Die Gruppe Projektbüro mit dem Team<br />
Warte kümmert sich um die atomrechtlichen<br />
Aspekte der Anlagensicherheit,<br />
das interne und externe Reporting,<br />
Umsetzung der Regelwerke etc. Außerdem<br />
wurden aus dem Warten-Team für<br />
alle sicherheitsrelevanten Einrichtungen<br />
Verantwortliche benannt und qualifiziert.<br />
Damit wurde auch eine Zukunftsperspektive für<br />
die Mitarbeitenden eröffnet, weil die klassischen<br />
Tätigkeiten des Wartenpersonals bereits stark abgenommen<br />
haben und weiter abnehmen werden.<br />
In der Gruppe Ausführung sind die Demontageund<br />
Instandhaltungs-Teams (Mechanik und<br />
Elektro) angesiedelt. Während die Instandhaltung<br />
zuvor dem „Restbetrieb“ zugeordnet war, ist sie<br />
nun näher an der Demontage, weil gegenseitige<br />
Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen<br />
diesen Teams täglich notwendig ist und Instandhaltung<br />
mit <strong>for</strong>tschreitendem Rückbau immer<br />
mehr zu „Rückbauunterstützung“ wird (Bau von<br />
Vorrichtungen, Anpassung von Infrastruktur,<br />
Außer betriebnahmen etc.).<br />
Weiterhin nicht Bestandteil des AVR-Organigramms<br />
sind die praktischen Strahlenschützer,<br />
obwohl gerade in der Zusammenarbeit zwischen<br />
Demonteuren und Strahlenschützern sehr großes<br />
Optimierungspotenzial vorhanden war. Der Strahlenschutz<br />
gehört aus nachvollziehbaren Gründen<br />
zu einer anderen Hauptabteilung. Durch die<br />
fak tische Zusammenarbeit in den Teilprojekten<br />
konnte aber auch hier eine erhebliche Verbesserung<br />
erreicht werden.<br />
Zielerreichung<br />
Zu Beginn des Artikels haben wir ja bereits darauf<br />
verwiesen, dass wir uns dem Thema „Ziele“ erst<br />
am Ende widmen. Das Change-Projekt hatte<br />
zwei übergeordnete Ziele als Vorgabe, bevor es<br />
Abb. 8.<br />
Angepasstes Organigramm<br />
Abb. 9.<br />
Ziele und Zielerreichung<br />
überhaupt im Detail geplant wurde. In Worten ausgedrückt<br />
klang das so:<br />
„Wir möchten gemeinsam mit Führungskräften,<br />
Mitarbeiter*innen und Betriebsrat die Motivation<br />
und Veränderungsbereitschaft der Beschäftigten<br />
erhöhen und Zukunftsperspektiven für die Zeit<br />
nach rückbaubedingtem Wegfall der aktuellen<br />
Aufgaben erarbeiten und vermitteln“<br />
In der Startphase des Projektes wurden diese übergeordneten<br />
Ziele ergänzt durch 5 überprüfbare,<br />
operationalisierte Ziele, deren Erreichen am Projektende<br />
gemessen bzw. vom Projektteam bewertet<br />
wurde (siehe Abbildung 9).<br />
Mit der Erreichung des Ziels „Prozesse werden<br />
akzeptiert, gelebt, umgesetzt und weiterentwickelt“<br />
sind wir überwiegend zufrieden. Indikatoren<br />
sind:<br />
⁃ Es gab praktisch keine ungeplanten Stillstandszeiten<br />
mehr im 2. Halbjahr 2022<br />
⁃ Die Planung Teilprojekte hat sich verbessert<br />
durch strukturierte Teilprojekte mit etablierten<br />
Detailplänen, Zielvorgaben mit Meilensteinen<br />
und Ressourcenplanung und -auslastung<br />
für alle Bereiche<br />
⁃ Nach zum Teil erheblichen Projektverzögerungen<br />
in den Vorjahren gab es im Dezember 2022<br />
keine Verschiebung auf kritischem Pfad<br />
Das zweite Ziel, eine hohe Umsetzungsquote der erarbeiteten<br />
Maßnahmen zu erreichen, ist ebenfalls<br />
gut gelungen. Wir haben dies gemessen anhand<br />
der Handlungspläne, die in allen Arbeitsgruppen<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
43<br />
Abb. 10.<br />
Ein-Punkt-Fragen zur Akzeptanz<br />
Abb. 11.<br />
Auswirkungen auf den Rückbau<br />
und Projektgremien geführt wurden. Am Projektende<br />
gab es in diesen „To-Do-Listen“ knapp unter<br />
1.000 Einzelmaßnahmen, von denen 79% erledigt<br />
und weitere 11% begonnen waren.<br />
Auch die Akzeptanz der gefundenen Lösungen<br />
wurde als überwiegend erfüllt eingeschätzt, hierzu<br />
gab es jedoch keine messbare Kennzahl. In den<br />
Infoveranstaltungen konnten die Anwesenden<br />
aber jeweils auf einer Pinnwand mittels Klebepunkten<br />
Fragen zur Akzeptanz beantworten. Ein<br />
Beispiel für eine solche Frage ist in Abbildung 10<br />
zu sehen.<br />
Mit der Erreichung des Ziels, messbare Verbesserungen<br />
der Zufriedenheit zu erreichen, sind wir<br />
nur mittelmäßig zufrieden. In den beiden Befragungen<br />
zum Beginn und zum Ende des Projektes<br />
sollten die Beschäftigten auf einer sechsstufigen<br />
Skala u.a. die Frage beantworten, wie zufrieden sie<br />
generell mit der Arbeit bei der JEN sind. Hier konnte<br />
nur eine ganz geringe Steigerung der Zufriedenheit<br />
festgestellt werden, die nicht signifikant ist.<br />
Nun zum fünften Ziel „Betrieb, Rückbau und<br />
praktischer Strahlenschutz AVR arbeiten Hand in<br />
Hand“, auf dessen Erfüllung die gesamte AVR-Belegschaft<br />
zurecht stolz sein kann. Als Indikator<br />
haben wir die „Tagesleistung Baggern“ herangezogen,<br />
die wir schon in der Beschreibung der Ausgangslage<br />
verwendet haben, um die Notwendigkeit<br />
des Projektes zu unterstreichen.<br />
Wie in Abbildung 11 dargestellt, ist die durchschnittliche<br />
Tagesleistung von 762 auf 2.932 kg/<br />
Arbeitstag gestiegen. Das liegt auch daran, dass an<br />
einzelnen Tagen nie dagewesene Spitzenwerte<br />
erreicht wurden. Aber insbesondere ist dieser Erfolg<br />
darauf zurückzuführen, dass die geänderte<br />
Arbeits weise zu erheblich weniger Stillständen<br />
(von >60 % auf 20 %) beigetragen hat. Ungeplante<br />
Stillstände sind im 2. Halbjahr 2022 überhaupt<br />
nicht mehr vorgekommen. Damit wird die oben<br />
genannte Planungsgrundlage von 10 Mg/ Woche<br />
(entspricht 2 Mg / Arbeitstag) im betrachteten Zeitraum<br />
deutlich überschritten.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Das Change-Projekt AWiR hat gezeigt, dass mit<br />
einem planvollen Vorgehen, einer klaren Vision,<br />
angemessenen Beteiligungsmöglichkeiten und dem<br />
frühzeitigen und bewussten Erzeugen von Erfolgen<br />
in einem Zeitraum von ca. 2 Jahren eine neue, zukunftsgerichtete<br />
Organisation aufgebaut und umsetzt<br />
werden kann. Wegen der guten Erfahrungen<br />
im Rückbauprojekt AVR hat die JEN im Anschluss<br />
an das AWiR-Projekt direkt das nächste Change-<br />
Projekt gestartet, das sich auf die gesamte Hauptabteilung<br />
Rückbau bezieht und vor allem die<br />
Bündelung der Kompetenzen und Ressourcen für<br />
einen flexibleren und bedarfs gerechteren Einsatz<br />
für die heutigen und zu künftigen Rückbauaufgaben<br />
der JEN in den Blick nimmt.<br />
Autoren<br />
Ralf Schimweg<br />
Geschäftsführender Gesellschafter, MA&T Sell &<br />
Partner GmbH, Würselen<br />
ralf.schimweg@mat-gmbh.de<br />
Ralf Schimweg begann seine berufliche Laufbahn<br />
als Maschinenschlosser 1984 in einem Stahlwerk in<br />
Bremen. Nach dem Maschinenbaustudium promovierte<br />
er 1996 am Institut für In<strong>for</strong>matik im Maschinenbau<br />
der RWTH Aachen zum Dr.-Ing. mit einer<br />
Dissertation im Themenbereich Kraftwerkstechnik.<br />
Seit 1996 ist er bei der privaten Forschungs- und Beratungsfirma MA&T Sell &<br />
Partner GmbH als Geschäftsführer tätig. Dort beschäftigt er sich überwiegend<br />
mit Organisationsentwicklung im produzierenden Gewerbe. Seit 2020 bearbeitet<br />
er gemeinsam mit dem Co-Autor Marco Steinbusch Change-Projekte im<br />
Rückbau kerntechnischer Einrichtungen in Jülich.<br />
Marco Steinbusch<br />
Abteilungsleiter Rückbauprojekt AVR, JEN Jülicher<br />
Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH<br />
marco.steinbusch@jen-juelich.de<br />
Marco Steinbusch begann nach dem Maschinenbaustudium<br />
seine berufliche Laufbahn 2008 als<br />
Projektingenieur bei der Brenk Systemplanung<br />
GmbH und hat dort schwerpunktmäßig Unterlagen<br />
in Genehmigungsverfahren erstellt sowie den<br />
gesamten Prozess zur Freigabe von Gebäudestrukturen<br />
in leitender Funktion begleitet.<br />
Seit 2013 ist er bei der JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen<br />
mbH. Dort ist er seit 2019 Projektleiter und Leiter der Anlage für das AVR-<br />
Rückbauprojekt. In dieser Funktion hat er das Change-Projekt AWiR für das<br />
AVR-Rückbauprojekt initiiert.<br />
Vol. 69 (2024)
44<br />
<br />
Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />
Verlängerte Zwischenlagerung:<br />
Neues Regelwerk und<br />
Nachweisführung für den<br />
„weiteren Verbleib“<br />
› Prof. Dr. Tobias Leidinger, Düsseldorf<br />
Vom BMUV ist ein „neues Regelwerk“ für eine bis zur Abgabe der Castor-Behälter an<br />
ein Endlager verlängerte Zwischenlagerung angekündigt. Erste Aussagen zu den<br />
Grundlinien dieses Regelwerks deuten darauf hin, dass die An<strong>for</strong>derungen für die<br />
Nachweisführung mit Augenmaß bestimmt werden. Wie indes der bereits – sechs oder acht<br />
Jahre – vor Ablauf der jeweiligen Aufbewahrungsgenehmigung gegenüber der jeweiligen<br />
Landesaufsichtsbehörde zu führende Nachweis für den „weiteren Verbleib“ der Castoren zu<br />
erfüllen ist, ist ungewiss.<br />
I. „Neues Regelwerk“ für eine verlängerte<br />
Zwischenlagerung<br />
Die bislang auf 40 Jahre befristet erteilten Aufbewahrungsgenehmigungen<br />
der 16 Zwischen lager<br />
in Deutschland laufen zwischen 2034 und 2047 aus.<br />
Die für eine verlängerte Zwischenlagerung er<strong>for</strong>derlichen<br />
neuen Genehmigungen nach § 6 AtG<br />
müssen anschließend den An<strong>for</strong>derungen des vom<br />
BMUV für 2025 angekündigten, neu zu erlassenden<br />
Regelwerks für die trockene Zwischenlagerung<br />
entsprechen. Erste, grundlegende Aussagen zum<br />
Inhalt dieses Regelwerks liegen seit September<br />
2023 vor (10. Symposium Lagerung und Transport<br />
radioaktiver Stoffe am 5./6. September 2023 in<br />
Hannover). Danach basiert das neue Regelwerk auf<br />
folgenden Grundannahmen:<br />
⁃ Es gibt keine sicherheitstechnischen Gründe für<br />
die Auslegung der bisherigen Nachweisführung<br />
auf 40 Jahre und die entsprechende Befristung<br />
in den Aufbewahrungsgenehmigungen;<br />
⁃ Die neuen Nachweise – für eine bis rund<br />
80 Jahre zusätzliche Aufbewahrungszeit – sind<br />
auf Basis vorhandener Daten und bereits<br />
initiierter Untersuchungen zu führen; ein<br />
Öffnen der Behälter ist nicht er<strong>for</strong>derlich;<br />
⁃ Es bestehen aus Sicht der Entsorgungskommission<br />
keine begründeten Zweifel an der<br />
Langzeiteignung der bislang verwendeten<br />
Castor Behälter;<br />
⁃ Die (neue) Nachweisführung hat aus Sicht der<br />
Entsorgungskommission realistische Randbedingungen<br />
zugrunde zu legen; Über-Konservativitäten<br />
sind abzubauen.<br />
Kurzum: Das neue Regelwerk er<strong>for</strong>dert – auf<br />
Basis der unverändert geltenden Schutzziele (hinsichtlich<br />
der Beschaffenheit der Lagerbehälter,<br />
zur Kritikalitätssicherheit, Wärmeabfuhr und<br />
Abschirmung radioaktiver Strahlung) keine<br />
grundlegenden Änderungen am bisher praktizierten<br />
Vorgehen: Weder bedarf es des Zubaus<br />
„Heißer Zellen“ noch eines „Austausches“ von<br />
Castor Behältern. Nach dem neuen Regelwerk<br />
sollen Periodische Sicherheitsüberprüfungen zur<br />
regelmäßigen Überprüfung der Sicherheit der Aufbewahrung<br />
<strong>for</strong>tlaufend durchgeführt werden.<br />
Weitergehend konkretisierte Aussagen zu den<br />
im Einzelnen zu erfüllenden Genehmigungsan<strong>for</strong>derungen<br />
im Rahmen der neuen Verfahren<br />
nach § 6 AtG liegen bislang noch nicht vor.<br />
II. An<strong>for</strong>derungen an die Führung des „Nachweises<br />
zum weiteren Verbleib“: ungewiss<br />
In den bislang befristet erteilten Aufbewahrungsge<br />
nehmigungen nach § 6 AtG ist regelmäßig<br />
durch Nebenbestimmung festgelegt, dass „spätestens“<br />
sechs (z.T. sogar acht) Jahre vor Ablauf der<br />
Ausgabe 1 › Januar
Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />
45<br />
behälterbezogenen Aufbewahrungsge neh mi gung<br />
der „Nachweis“ gegenüber der atomrecht lichen<br />
Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes<br />
über den „weiteren Verbleib“ der radioaktiven Abfälle<br />
zu führen ist. Durch diese Festlegung kommt<br />
es zum einen zu einer erheblichen zeit lichen Vorverlagerung<br />
von „Nachweisan<strong>for</strong> derungen“ (1.).<br />
Zum anderen löst diese Regelung beachtliche<br />
Rechts unsicherheit aus, da nicht bestimmt ist, wie<br />
der insoweit er<strong>for</strong>derliche „Nachweis“ zu führen<br />
und wann er als erfüllt zu be werten ist (2.).<br />
1. Vorverlagerung der Nachweisführung<br />
für den „Verbleib der Abfälle“<br />
Läuft eine befristet erteilte § 6 AtG-Genehmigung<br />
z.B. bereits im Jahr 2034 aus und ist nach dem Inhalt<br />
ihrer Nebenbestimmungen mindestens sechs Jahre<br />
zuvor der „Nachweis“ über den „ weiteren Verbleib“<br />
der radioaktiven Abfälle zu führen, wäre diese<br />
Nachweis<strong>for</strong>derung damit – im gewählten Beispielsfall<br />
– schon bis 2028 zu erfüllen. Zu diesem – absehbaren<br />
– Zeitpunkt wird das bis herige Regelwerk<br />
durch das für 2025 neu ange kündigte Regelwerk für<br />
eine verlängerte trockenen Zwischen lagerung<br />
bereits ersetzt sein. Durch die Festsetzung in der<br />
Nebenbestimmung erhöht sich der Druck erheblich:<br />
Neben der Vorbereitung auf das neue Genehmigungsverfahren<br />
für eine ver längerte Zwischenlagerung<br />
i.S.v. § 6 AtG (nach Maßgabe des neuen Regelwerks),<br />
ist eine zweite „An<strong>for</strong>derung“ zu erfüllen,<br />
die dem eigentlichen Genehmigungsverfahren vorausliegt.<br />
Dabei sind die inhaltlichen An<strong>for</strong>de rungen<br />
an die Führung des Nachweises für den „weiteren<br />
Verbleib“ in mehrfacher Hinsicht ungewiss.<br />
2. An<strong>for</strong>derungen an die Nachweisführung<br />
rechtlich unbestimmt<br />
Was genau unter dem „Nachweis über den weiteren<br />
Verbleib“ radioaktiver Abfälle zu verstehen ist,<br />
wirft Fragen auf: Der Begriff „Verbleib“ ist mindestens<br />
mehrdeutig. Zum einen könnte er so verstanden<br />
werden, dass damit allein auf den Ort des<br />
weiteren Verbleibs abzustellen ist. Zum anderen<br />
könnte er so gelesen werden, dass damit eine<br />
inhaltliche An<strong>for</strong>derung hinsichtlich des weiteren<br />
Umgangs mit den Abfällen definiert wird (z.B. i.S.<br />
der Genehmigungsfähigkeit der weiteren Auf bewahrung).<br />
Im Ergebnis sprechen mehrere Gründe<br />
für ein restriktives Verständnis, das überzogene<br />
An<strong>for</strong>derungen von vornherein ausschließt:<br />
Dass es sich hier nicht um eine Nachweisführung<br />
im genehmigungsrechtlichen Sinne handeln kann,<br />
folgt schon daraus, dass dieser Nachweis nicht in<br />
einem förmlichen Genehmigungsverfahren gegenüber<br />
der Genehmigungsbehörde (BASE), sondern<br />
allein gegenüber der jeweiligen Landesaufsichtsbehörde<br />
zu führen ist. Die Aufsichtsbehörde<br />
ist in ihrem Kompetenzbereich allein auf Überwachungs<br />
aufgaben begrenzt, d.h. sie darf nicht in<br />
den Kompetenzkreis der originär für die Erteilung<br />
von § 6 AtG-Genehmigungen allein zuständigen<br />
Genehmigungsbehörde eingreifen. Aufsichts- und<br />
Genehmigungssachverhalte dürfen auch inhaltlich<br />
nicht gleichgesetzt werden: Der „Verbleibs-<br />
Nachweis“ aus einer Nebenbestimmung darf<br />
nicht in das An<strong>for</strong>derungsprofil einer § 6 AtG<br />
Genehmigung umgedeutet werden. Die Erteilung<br />
einer § 6 AtG-Genehmigung er<strong>for</strong>dert, dass zu<br />
sämt lichen Tatbestandsvoraussetzungen Nachweise<br />
in einem <strong>for</strong>malisierten Verfahren im Einzelnen<br />
geführt und final geprüft werden. Für eine<br />
Gleichsetzung der Inhalte einer Nebenbestimmung<br />
mit einem solchen An<strong>for</strong>derungsprofil fehlt<br />
jegliche Rechtsgrundlage, insbesondere auch in<br />
Bezug auf den anzulegenden Prüfmaßstab. Denn<br />
ein festliegender Beurteilungsmaßstab oder ein<br />
„Regel werk“ in Bezug auf den „Verbleibsnachweis“<br />
existiert (bislang jedenfalls) nicht. Damit obliegt<br />
es der jeweiligen Landesaufsichtsbehörde festzustellen,<br />
ob die Nebenbestimmung als erfüllt<br />
anzusehen ist oder nicht. Dabei darf der Prüfmaßstab<br />
unter Berücksichtigung der be schränkten<br />
Bestimmtheit der Nebenbestimmung (besser:<br />
Kon turenlosigkeit) und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit<br />
keinesfalls überzogen werden. Die<br />
Kontrollmaßstäbe für die Nachweisführung in<br />
Bezug auf den „weiteren Verbleib“ und die später<br />
zu erteilende § 6 AtG-Genehmigung für eine verlängerte<br />
Zwischenlagerung sind weder identisch,<br />
noch dürfen sie miteinander verknüpft werden.<br />
Angesichts der Konturenlosigkeit des Inhalts der<br />
Nebenbestimmung löst sie beachtliche Rechtsunsicherheit<br />
aus:<br />
Zu erwarten ist, dass sich die Vollzugspraxis<br />
von sieben verschiedenen Landesbehörden kaum<br />
einheitlich darstellt, solange für die Auslegung<br />
und Anwendung dieser Nebenbestimmung ein<br />
kon kreter Maßstab fehlt. Eine rechtlich einwandfreie<br />
Verwaltungspraxis er<strong>for</strong>dert indes einen<br />
ein deutigen und einheitlichen Prüfmaßstab,<br />
der für alle Beteiligten im Vorhinein bekannt ist.<br />
Da die Aufsichtsbehörden der Länder im Atomrecht<br />
im Auftrag des Bundes handeln, unterliegen<br />
sie hinsichtlich der Gesetz- und Zweckmäßigkeit<br />
ihres Handelns seiner Aufsicht und seinen<br />
Weisungen (Art. 85 Abs 3 GG). Der Bund hätte die<br />
Vol. 69 (2024)
46<br />
<br />
Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />
Möglichkeit, einen einheitlichen Prüfmaßstab für<br />
den „Verbleibs Nachweis“ von sich aus zu definieren<br />
(z.B. in Form von Verwaltungsvorschriften).<br />
Ergo: Angesichts der Bedeutung der Thematik sollten<br />
die An<strong>for</strong>derungen an den „Verbleibsnachweis“<br />
und die damit verbundene Rechtsunsicherheit<br />
nicht einfach sich selbst überlassen bleiben, sondern<br />
im Interesse einer vorhersehbaren Vollzugspraxis<br />
– das heißt alsbald – klar geregelt sein.<br />
Autor<br />
Prof. Dr. Tobias Leidinger<br />
Rechtsanwalt und Fachanwalt<br />
für Verwaltungsrecht<br />
Partner<br />
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft<br />
Graf-Adolf-Platz 15<br />
40213 Düsseldorf<br />
tobias.leidinger@luther-lawfirm.com<br />
III. Fazit<br />
Die jüngst erfolgte Ankündigung zum baldigen<br />
Erlass des für eine verlängerte Zwischenlagerung<br />
er<strong>for</strong>derlichen „Neuen Regelwerks“ lässt inhaltlich<br />
keine grundlegenden Änderungen erwarten. Denn<br />
das Konzept der „trockenen Zwischenlagerung“ in<br />
Deutschland hat sich bewährt. Zu begrüßen ist<br />
auch, dass neue Regelungen mit Augenmaß getroffen<br />
werden.<br />
Prof. Dr. Tobias Leidinger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht,<br />
ist Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Vor dem Hintergrund<br />
seiner langjährigen Beratungstätigkeit in der Industrie und besonderen<br />
Projekt- und Rechtsexpertise berät er private und öffentliche Unternehmen im<br />
Öffentlichen Wirtschaftsrecht (einschl. Projektsteuerung), insbes. im Atomund<br />
Strahlenschutzrecht sowie im Anlagen-, Umwelt-, Bau- und Planungsrecht<br />
(Rückbau von Nuklearanlagen, Errichtung und Genehmigung von nuklearen<br />
Lagereinrichtungen, komplexe Infrastrukturvorhaben, etc.). Er ist zugleich<br />
Direktor am Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum<br />
und als Fachbuchautor ausgewiesen (u.a. Buch-Veröffentlichungen zum Atomrecht,<br />
Energieanlagenrecht, Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung, etc.).<br />
In Bezug auf die aus den Nebenbestimmungen der<br />
bislang bestehenden § 6 AtG-Genehmigungen<br />
resultierenden An<strong>for</strong>derungen für den „Nachweis“<br />
des „weiteren Verbleibs“ der Abfälle nach<br />
Auslaufen der jeweiligen Genehmigung, besteht<br />
indes – mangels hinreichender Bestimmtheit<br />
dieser Regelung – Rechtsunsicherheit. Eine Gleichsetzung<br />
oder „Vermischung“ der zu erfüllenden<br />
„Nachweise“ zum „weiteren Verbleib“ im Verhältnis<br />
zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach<br />
§ 6 AtG (nach Maßgabe des neuen Regelwerks) ist<br />
unzulässig. Die Landesaufsichtsbehörden sind<br />
weder zuständig noch befugt, Genehmigungsvoraussetzungen<br />
i.S.v. § 6 AtG zu prüfen, noch<br />
kann ihre „Prüfung zum Verbleib“ Rechtswirkungen<br />
einer späteren Neugenehmigung ersetzen<br />
oder vorwegnehmen. Im Interesse aller<br />
Beteiligten läge es, wenn für den „Verbleibsnachweis“<br />
i.S. der Nebenbestimmungen ein klarer<br />
Prüfmaßstab transparent im Vorhinein bestimmt<br />
wäre: Das beseitigt die Rechtsunsicherheit und<br />
gewährleistet eine einheitliche Verwaltungspraxis<br />
der Länderaufsichtsbehörden im Vollzug.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Education and Training<br />
47<br />
Das neue Multilevel- Lernkonzept<br />
in der Kerntechnik: eine innovative<br />
Lösung für den Wissenstransfer<br />
in der Generation Z<br />
› Dr. Hendrik Wiesel<br />
Der Einstieg von immer mehr Neuankömmlingen in die Kerntechnik stellt Unternehmen<br />
vor die Heraus<strong>for</strong>derung, diese Mitarbeitenden schnell und sicher einzuarbeiten.<br />
Von besonderer Relevanz ist dies bei der heutigen Generation Z (Abbildung 1), die<br />
mit anderen Lernpräferenzen und Erwartungen an Lernmethoden in die Arbeitswelt eintritt.<br />
Traditionelle Lehrmethoden erfüllen nicht mehr ihre Bedürfnisse, was durch wissenschaftliche<br />
(Cilliers 2017)<br />
Erkenntnisse belegt ist.<br />
Ein speziell auf die An<strong>for</strong>derungen der Gene ration Z zugeschnittenes Lernkonzept, der<br />
Competence.hub für Neulinge in der Kerntechnik, wurde von der Advanced <strong>Nuclear</strong> Fuels<br />
entwickelt und wird im Folgenden vorgestellt.<br />
Abb. 1.<br />
Generationsübersicht unserer Gesellschaft.<br />
Vol. 69 (2024)
48<br />
<br />
Education and Training<br />
Die Heraus<strong>for</strong>derung des Wissenstransfers<br />
in der Kerntechnik<br />
Mit der steigenden Anzahl an neuen Mitarbeitenden<br />
in der Kerntechnik wird gleichzeitig in<br />
wenigen Jahren ein Großteil der Kompetenzträger<br />
in den Ruhestand treten. Dieser gegenläufige Effekt<br />
macht deutlich, wie wichtig es ist, eine gute Strategie<br />
im Hinblick auf den Wissenstransfer zu haben,<br />
da die Zeit für den Transfer endlich und irreversible<br />
ist. Die Not ist also groß, den Übergang so<br />
zu gestalten, dass er nachhaltig und effizient ist,<br />
damit die Kernkompetenzen (Company Value) bestmöglich<br />
erhalten und weitergegeben werden.<br />
Folgende Trans<strong>for</strong>mationsaspekte erschienen uns<br />
wichtig und wurden näher betrachtet:<br />
Generation Z: Die Bedürfnisse, hinsichtlich der<br />
Art der Lernumgebung, unterscheidet sich heute<br />
grundlegend von den bisherigen Lernmethoden<br />
vorheriger Generationen (X & Y). Wo große Seminarräume<br />
in noblen Hotels unterschwellig noch als<br />
Statussymbol galten und ein 8-stündiges Seminar<br />
mit Frontalunterricht und unzähligen Folien alternativlos<br />
waren, sind heute digitale On-Demand<br />
Medien, interaktive Methoden und soziale Elemente<br />
angesagt. Dabei haben zweifelsfrei die sozialen<br />
Medien wie Facebook, Instagram und TikTok Einfluss<br />
auf die Aufmerksamkeitspanne genommen<br />
(Nicholas 2020). Waren es früher noch lange Vorträge<br />
oder Seminarreihen, Spielfilme in Überlänge<br />
oder Romane mit mehreren hundert Seiten, so sind<br />
es heute Mini-Serien, YouTube-Tutorials und digitale<br />
Master-Classes – online versteht sich. Schon<br />
hier sieht man die Diskrepanz zwischen den Generationen<br />
bzw. den Methoden wie Wissen vermittelt<br />
wurde bzw. wird. Unternehmen tun gut daran<br />
eine Methode zu entwickeln, die die Empfänger<br />
(GenZ) akzeptieren und konsumieren möchten.<br />
Eine „ unattraktive“ Methode Wissen zu transferieren,<br />
führt bei der Generation Z häufig nicht zum<br />
gewünschten Erfolg. Selbstverständlich sind nicht<br />
alle Mitglieder der Generation Z gleich und es gibt<br />
individuelle Unterschiede in der Nutzung digitaler<br />
Medien. Dennoch ist die grundsätzliche Affinität<br />
zu digitalen Medien bei der Generation Z deutlich<br />
erkennbar. Ein akzeptierter Trend zurück zum<br />
analogen Frontalunterricht mit monologen Vortragstechniken<br />
ist daher nicht zu erwarten.<br />
Die folgende Abbildung (Ab bildung 2) zeigt Unterschiede<br />
beider Generationen (X, Z) hinsichtlich der<br />
gewohnten Lernmethoden. Diese Unterschiede machen<br />
schnell deutlich, welche Veränderungen in<br />
der Lernumgebung in den letzten Jahrzehnten eingetreten<br />
sind.<br />
Digitalisierung: Die Generation Z ist mit digitalen<br />
Technologien aufgewachsen und nutzt diese intensiv<br />
für das Lernen. Spätestens Corona hat der analogen<br />
Wissensvermittlung in Sachen digitaler<br />
Kommunikation, Kollaboration und Vermittlung<br />
von Wissen an Rang abgelaufen. Die heutige Generation<br />
bevorzugt den Zugriff auf In<strong>for</strong>mationen<br />
über Online-Platt<strong>for</strong>men, Websites, E-Books/<br />
(Grous 2022)<br />
Videos und andere digitale Ressourcen.<br />
Da kerntechnisches Wissen komplex und vielfältig<br />
ist, werden aufgrund der Fülle an In<strong>for</strong>mationen<br />
kurze und prägnante Lerninhalte bevorzugt. Die<br />
Tendenz geht dahin, dass In<strong>for</strong>mationen in kurzen<br />
Lerneinheiten aufgenommen werden, zum Beispiel<br />
in Form von E-Learning Videos, Podcasts,<br />
Infografiken oder zusammengefassten Kurztexten;<br />
neudeutsch: Nugget-Learning.<br />
Flexibilität und On-Demand-Zugang: Flexibilität<br />
und die Möglichkeit, jederzeit und überall zu<br />
Arbeiten und dabei auf Lerninhalte zurückgreifen<br />
zu können, hat einen hohen Wert. (Grous 2022) Wa r u m?<br />
Weil bei On-Demand-Lernangeboten jeder sein<br />
eigenes Tempo und Intensität bestimmen und<br />
Inhalte wiederholen kann. Diese Form erhöht die<br />
Aufnahme von Wissen und schafft gleichzeitig ein<br />
tieferes Verständnis für die Materie. Gerade in der<br />
Abb. 2.<br />
Unterschiedliche Lernmethoden der Generationen X & Z.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Education and Training<br />
49<br />
Kerntechnik mit Blick auf nukleare Sicherheit kein<br />
zu unterschätzender Punkt. Aber nicht nur die<br />
Teilnehmenden schätzen dieses Format, auch für<br />
Unternehmen hat sie große Vorteile: Wissen kann<br />
zu geringen Kosten beliebig skaliert und verbreitet<br />
werden, da die aufgenommenen Inhalte immer<br />
wieder abrufbar sind. Wir befinden uns derzeit in<br />
einer Trans<strong>for</strong>mationsphase weg vom synchronen<br />
Lernen (alle Teilnehmenden sind physisch zur<br />
selben Zeit am selben Ort) hin zum asynchronen<br />
Lernen, in dem jeder individuell das Wissen konsumiert,<br />
unabhängig von Ort und Zeit.<br />
Wissenstransfer: Die ältere Generation in der<br />
Kerntechnik verfügt über wertvolle Erfahrungen,<br />
welche in vielen Fällen nicht <strong>for</strong>mal dokumentiert<br />
werden können. Idealerweise sind Kollegen bereit,<br />
ihren Fundus weiterzugeben. Das Verschriftlichen<br />
oder Festhalten gestaltet sich jedoch häufig als<br />
schwierig, da Zeit, Wille oder Standards ( Templates)<br />
fehlen. Häufig findet man ein Sammelsurium aus<br />
Dokumenten, Notizen, Tabellen und <strong>Power</strong>Point<br />
Folien vor. Für den Kompetenzträger ist das Puzzle<br />
glockenklar, für den Nachfolger eine Heraus<strong>for</strong>derung<br />
– mit unterschiedlich ausgeprägter<br />
Motivation das Puzzle auch lösen zu wollen. Aus<br />
psychologischer Sicht gibt es sogar Gründe, warum<br />
Menschen dazu neigen, das Wissen für sich zu<br />
behalten. Das reicht von Machtgedanken über<br />
Statuserhalt bis hin zur fehlenden Anerkennung.<br />
Der Wissenstransfer sollte so<br />
(Garfield 2006)<br />
gestaltet sein, dass dieses implizite Wissen erfasst<br />
und in einer für die jüngere Generation zugänglichen<br />
Form vermittelt wird. Hier zeigt sich das<br />
Format der Podcasts als wertvolle Methode, da<br />
in diesem Format eine Art Bühne geschaffen wird,<br />
in der die Person wertschätzend als Experte<br />
befragt und gezeigt wird. Der Kompetenzträger<br />
zeigt sein ganzes Können in einer lockeren<br />
Atmosphäre und wird nachhaltig als Experte in<br />
Erinnerung bleiben.<br />
Gamification: Jeder Mensch wächst im Kindesalter<br />
mit Spielen auf. Erziehung und Systeme verdrängen<br />
diese Anfangserfahrung (leider) mit der<br />
Zeit. Nichtsdestotrotz ist der Wunsch zu Spielen<br />
intrinsisch manifestiert. Wissen spielerisch zu<br />
vermitteln ist also eine bekannte und gleichzeitig<br />
wirkungsvolle Methode, weil sie den Lernprozess<br />
motivierender, unterhaltsamer und effektiver gestalten<br />
kann. (Saxena et al. 2021) Durch den Einsatz von<br />
spielerischen Elementen wie z. B. Punkten, Levels,<br />
Belohnungen und Heraus<strong>for</strong>derungen wird die<br />
Motivation - bedingt durch eine wiederkehrende<br />
Dopamin-Ausschüttung – der Lernenden signifikant<br />
gesteigert. Spielelemente können zudem<br />
einen Wettbewerbsgedanken wecken und Anreize<br />
schaffen, Fortschritte zu machen und Ziele zu<br />
erreichen. Dies erhöht das Engagement und die<br />
Ausdauer der Lernenden wie Studien zeigen.<br />
Gruppenlernen: Gemeinschaftliches problemlösendes<br />
Lernen vermittelt Zugehörigkeit und<br />
Sicher heit. Die Generation Z ist sehr gut sozial vernetzt<br />
und legt großen Wert auf Zusammenarbeit<br />
(Nicholas 2020)<br />
und Austausch. Sie bevorzugen Lernumgebungen,<br />
die es ihnen ermöglichen, mit<br />
anderen zu interagieren; sei es durch Online<br />
Diskus sions<strong>for</strong>en, Gruppenprojekte oder gemeinsames<br />
Lernen in virtuellen Räumen. (Ulrich 2020) Nicht<br />
umsonst haben alle großen Marken wie Apple,<br />
Nike, Fender oder Peleton große Abonnement<br />
Angebote für digitale Kursräume, in welchen<br />
gemeinsam trainiert wird – online versteht sich.<br />
Ein erfolgreicher Wissenstransfer in der Kerntechnik<br />
er<strong>for</strong>dert also eine strategische Herangehensweise,<br />
die die Bedürfnisse und Präferenzen<br />
der jüngeren Generation berücksichtigt, während<br />
sie gleichzeitig von der Erfahrung und dem Wissen<br />
der älteren Generation profitiert. Durch den<br />
Einsatz moderner digitaler Technologien und die<br />
Förderung von Kooperationen haben wir festgestellt,<br />
dass auch der Wissenstransfer in der<br />
Nukleartechnik erfolgreich und nachhaltig sein<br />
kann.<br />
Wie wird das Wissen an die Generation Z<br />
vermittelt?<br />
Auf einer modernen digitalen Lernplatt<strong>for</strong>m<br />
vermitteln Experten aus den Fachabteilungen und<br />
aus unterschiedlichen Unternehmen ihr Wissen<br />
in Form von E-Learning Videos, Podcasts und Animationsfilmen<br />
(#Digitalisierung). Dabei wurde<br />
die Aufmerksamkeitsspanne je nach Medienart<br />
( Videos kürzer, Podcasts länger) berücksichtigt<br />
und angepasst (#GenerationZ).<br />
Durch den Mix der verschiedenen Medienarten<br />
wie Video, Podcast etc. stellen wir sicher, dass<br />
genügend Abwechslung in der Digitalisierung<br />
vorhanden ist, und die Teilnehmenden unterhalten<br />
werden (#Entertainment). Des Weiteren haben<br />
wir mehrere Wissensquizze eingebaut, um das<br />
Erlernte auch abzurufen. Teilnehmende können<br />
zusätzlich während des Kurses Punkte sammeln<br />
und gegen andere Teilnehmende antreten. Der<br />
Sieger bekommt am Endes des Kurses einen Preis<br />
verliehen (#Gamification).<br />
Alle Inhalte auf der digitalen Lernplatt<strong>for</strong>m sind<br />
On-Demand; sprich jederzeit, von überall und von<br />
jedem Endgerät aus abrufbar (#Flexibilität). Des<br />
Vol. 69 (2024)
50<br />
<br />
Education and Training<br />
Weiteren bleiben alle Inhalte für weitere 6 Monate<br />
abrufbar, was dem Reverse-Learning Anspruch<br />
der Generation Z nachkommt, Probleme erst dann<br />
verstehen und lösen zu wollen, wenn Sie tatsächlich<br />
auftreten.<br />
Zusätzlich werden wöchentlich Online-Treffen<br />
angeboten, in dem die Teilnehmenden ihre individuellen<br />
und persönlichen Fragen an Experten<br />
aus der Branche stellen können (#Gruppen lernen).<br />
Sie lernen Branchenexperten, deren Erlebnisse und<br />
Erfahrungen direkt kennen (#Wissenstransfer).<br />
Die Summe der Einzelkomponenten machen die<br />
Trainings attraktiv und gleichzeitig effektiv, so das<br />
Feedback der teilnehmenden Unternehmen. Für<br />
sie ist das Training deshalb interessant, weil jeder<br />
neue Mitarbeitende einfach und kostengünstig in<br />
die Kerntechnik eingeführt wird, ohne das der<br />
Arbeitsplatz verlassen werden muss. Von Anfang<br />
an wird dabei auch ein Fokus auf die nukleare<br />
Sicherheit gelegt, was das Unfallrisiko reduziert<br />
und die Effizienz erhöht. Es ist ein Weg, Wissen<br />
sicher und attraktiv zu transportieren, ohne<br />
großen Aufwand für die Führungskräfte. Das<br />
Unter nehmen präsentiert sich zudem als modern<br />
und kann das Onboarding guten Gewissens in<br />
kompetente Hände geben.<br />
Quellen<br />
Cilliers 2017: Cilliers, E., J. (2017). “The Challenge of Teaching Generation Z”.<br />
PEOPLE: <strong>International</strong> <strong>Journal</strong> of Social Sciences, 3(1), 188 –198.<br />
Garfield 2006: Garfield, S. (2006); “10 reasons why people don’t share their<br />
knowledge”; Knowledge Management Review, Page 10 –11.<br />
Grous 2022: Grous, Alexander (2022); “Digitalisation in the new normal:<br />
Empowering Generation Z and Millennials to Deliver Change”, <strong>Journal</strong> of<br />
London School of Economics and Political Science, Pape 70.<br />
Nicholas 2020: Nicholas, Arlene J. (2020), „Preferred Learning Methods of<br />
Generation Z“, Faculty and Staff – Articles & Papers. 74.<br />
Saxena et al. 2021: Saxena, M., Dharmesh K. M. (2021); „Gamification and<br />
Gen Z in Higher Education: A Systematic Review of Literature.“ <strong>International</strong><br />
<strong>Journal</strong> of In<strong>for</strong>mation and Communication Technology Education; Vol.17,<br />
No.4.<br />
Ulrich 2020: Ulrich, I. (2020); „Gute Lehre in der Hochschule“, 2. Auflage,<br />
Springer Verlag.<br />
Autor<br />
Dr. Hendrik Wiesel<br />
Leiter Competence.hub<br />
Advanced <strong>Nuclear</strong> Fuels GmbH, Lingen<br />
hendrik.wiesel@framatome.com<br />
Dr. Hendrik Wiesel studierte an der Universität zu<br />
Köln Chemie und promovierte anschließend im<br />
Fachbereich Nuklearchemie. Seit 2013 ist er bei<br />
der Advanced <strong>Nuclear</strong> Fuels GmbH und leitet heute<br />
das Competence.hub – für nukleare Trainings. Der<br />
Fokus des Competence.hubs liegt auf der Wissensund<br />
Kompetenzvermittlung nach modernsten<br />
Lehrmethoden.<br />
Auf der anderen Seite können sich die Teilnehmenden<br />
über einen schnellen und digitalen<br />
Onboarding kurs namens „Neu in der Kern technik“<br />
freuen, erlangen Selbstsicherheit und verstehen<br />
Zusammenhänge und erlernen die Fachsprache.<br />
Sie bleiben motiviert und mit Spaß bei der Sache.<br />
In Zeiten von Fachkräftemangel, ein durchaus<br />
wichtiger Faktor für Unternehmen.<br />
Wir glauben, dass sich die Zukunft des Lernens<br />
innerhalb der Kerntechnik verändern wird und<br />
muss. Lernen macht Spaß, wenn der Rahmen<br />
stimmt.<br />
Der competence.hub<br />
Nukleare Exzellenz aus Deutschland.<br />
competencehub.de<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
51<br />
Quecksilber & Kerntechnik<br />
– eine Geschichte ohne Ende?<br />
› Dr. Daniela Speicher<br />
Aufgrund seiner faszinierenden Eigenschaften ist das Element Quecksilber schon seit<br />
der Antike bekannt. Es findet bereits in den frühen Werken von Aristoteles oder<br />
Paracelsus als „Wassersilber“ Erwähnung und wurde, mit Beginn des 16. Jahrhunderts,<br />
wirtschaftlich zunehmend bedeutsamer. Neben seiner Verwendung als „Heilmittel“, gewann<br />
es seit der Industrialisierung zunehmend an Bedeutung, z. B. im Amalgamverfahren zur<br />
Herstellung von Natriumhydroxid und Chlorgas. <br />
Mit der Verwendung in Thermometern oder Dampflampen erweiterte sich später das<br />
Anwendungsspektrum des Elements, Damit fand es Einzug in viele Industrie- und<br />
Lebensbereiche bis hin zur kerntechnischen Branche. Dort verweilt es nun bis – nun ja, bis<br />
wann eigentlich und warum?<br />
Den Lehren aus dem „Clementine“-Experiment<br />
können wir heute wohl verdanken, dass die kerntechnische<br />
Branche sich im Rahmen des Rückbaus<br />
mit nur verhältnismäßig geringen Mengen des<br />
Quecksilbers konfrontiert sieht, welcher zunehmend<br />
als „Problemreststoff“ klassifiziert wird.<br />
Doch woher kommt der schlechte Ruf des Quecksilbers,<br />
vor allem in der Kerntechnik?<br />
Abb. 1.<br />
Quecksilber<br />
Quecksilber in Los Alamos<br />
Der experimentelle Schnelle Brüter in Los Alamos,<br />
New Mexico, wurde unter dem Namen „ Clementine“<br />
bekannt. Gebaut 1946, mit einer Auslegung für<br />
25 kW, wurde der Reaktor noch im selben Jahr erstmals<br />
kritisch und gilt als einer der ersten stromerzeugenden<br />
Reaktoren der Welt. 1952 folgte die<br />
Stilllegung, da Brüche in den Brennstabhüllen zu<br />
einer Kontamination des Primärkreislaufes mit<br />
Plutonium führten. Als seine, retrospektive Besonderheit<br />
galt die Verwendung von Quecksilber<br />
als Kühlmittel mit einer Flussrate von 9 l/min.<br />
Über den Rückbau des Reaktors und vor allem über<br />
den Umgang mit dem Plutonium-kontaminierten<br />
Quecksilber ist nichts bekannt. Wohl aber war die<br />
Quintessenz des Experiments, dass Quecksilber<br />
sich aufgrund seiner schlechten Wärmeleitfähigkeit<br />
nicht als Kühlmittel für Kernreaktoren eignet.<br />
Hier stellten sich im Laufe der Zeit andere Metalle<br />
wie z. B. Natrium als geeigneter heraus.<br />
Der Wandel zum Problemreststoff<br />
Wie bereits erwähnt, wurde Quecksilber früher in<br />
vielen Bereichen genutzt, wobei die Verwendungszwecke<br />
immer auf die besonderen Eigenschaften<br />
des Quecksilbers zurückzuführen sind. Als Nebengruppenelement<br />
gehört es zu den Metallen und<br />
liegt aufgrund seiner speziellen Elektronenkonfiguration<br />
bei Raumtemperatur als Flüssigkeit vor.<br />
Manch einer beschreibt es in der Handhabung als<br />
„Flüssiger als Wasser“, was zusätzliche An<strong>for</strong>derungen<br />
an den arbeitstäglichen Umgang stellt, z. B.<br />
die Nutzung von Auffangwannen und die so<strong>for</strong>tige<br />
Aufnahme verschütteter Mengen. Obwohl es<br />
metallisch ist, ist es ein vergleichsweise schlechter<br />
Wärmeleiter. Eine sehr hohe Dichte (13,5 g/cm³)<br />
und ein relativ temperaturunabhängiger Wärmeausdehnungskoeffizient<br />
komplettieren die außergewöhnlichen<br />
physikalischen Eigenschaften des<br />
Quecksilbers. Im Umgang mit dem Element kommen<br />
vor allem seine hohe Oberflächenspannung,<br />
der sehr geringe Dampfdruck und seine Toxizität<br />
(CMR Kategorie IB) zum Tragen (Abbildung 2).<br />
Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften<br />
wird Quecksilber auf vielfältige Weise in der<br />
Vol. 69 (2024)
52<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Abb. 2.<br />
Gefahrstoff Quecksilber<br />
Kerntechnik eingesetzt: zahlreiche Quecksilberschalter,<br />
Quecksilber-gefüllte Manometer, mit<br />
Quecksilber ausgegossene Manipulatordichtungen<br />
oder Quecksilber-gefüllte Abschirmungen für<br />
Gammadetektoren oder Spallationstargets.<br />
Mehrere Umweltkatastrophen des 20. Jahrhunderts<br />
rüttelten jedoch am Image des Quecksilbers und<br />
mündeten in der Minamata-Konvention von 2013,<br />
welches von 135 Staaten ratifiziert wurde. Bedingt<br />
durch das übergeordnete Ziel, der Verringerung<br />
der Quecksilber-Emissionen und dem Schutz<br />
von Mensch und Umwelt, galt dieses Übereinkommen<br />
auch als das Aus für die weitere Produktion,<br />
Verwendung und unspezifische Lagerung<br />
dieses Stoffes. Die Konvention legte quasi den<br />
Grundstein für die Klassifizierung des Quecksilbers<br />
als Problemreststoff. Die Entsorgung<br />
war somit beschlossene Sache, unabhängig des<br />
Anwendungsbereichs.<br />
Sackgasse Entsorgung<br />
Die Entsorgung von Gefahrstoffen ist in Deutschland<br />
vielfältig geregelt: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />
(KrWG), die Abfallverzeichnis-Verordnung<br />
(AVV) und die Gewerbeabfallverordnung<br />
( GewAbfV) um nur einige der Texte zu nennen. Für<br />
Quecksilber finden sich vor allem in der Deponieverordnung<br />
(DepV) eindeutige Vorgaben.<br />
Da kerntechnische Anlagen allerdings im Aufsichtsbereich<br />
des Atom- bzw. Strahlenschutz rechts<br />
liegen, sind die zuvor genannten Gesetze und<br />
Verordnungen nur bedingt relevant. Zwar muss<br />
auch hier prinzipiell jede Gefährdung von Mensch<br />
und Umwelt ausgeschlossen werden, doch stehen<br />
zunächst einmal nur zwei Entsorgungswege zur<br />
Wahl: Die Endlagerung als radioaktiver Abfall<br />
oder die Entlassung aus der atom- oder strahlenschutzrechtlichen<br />
Aufsicht, die Freigabe.<br />
Betrachten wir zunächst die Endlagerung als<br />
radioaktiver Abfall. Da Quecksilberabfälle aufgrund<br />
ihrer ehemaligen Anwendungsbereiche<br />
glücklicherweise nicht zu den hochradioaktiven<br />
Abfällen (HAW) zählen, würde deren Entsorgung<br />
über die (zukünftigen) LAW-/MAW-Endlager<br />
laufen. Im Grunde stellen diese Langzeitlager für<br />
radioaktive Abfälle ebenfalls Deponien dar. Die<br />
gesonderten Vorgaben, die Endlagerbedingungen,<br />
hier vollständig aufzuzählen, würde an dieser<br />
Stelle zu weit führen. Zwei Grundan<strong>for</strong>derungen<br />
sollten dennoch genannt werden: Abfallprodukte<br />
müssen in fester Form vorliegen. Sie dürfen keine<br />
Flüssigkeiten oder Gase enthalten, abgesehen von<br />
nicht vermeidbaren Restgehalten. Wie bereits<br />
oben erwähnt, ist Quecksilber bei Normalbedingungen<br />
flüssig und weist darüber hinaus<br />
einen niedrigen Dampfdruck auf. Es bildet bei<br />
Raumtemperatur Quecksilberdämpfe. Gemäß CLP-<br />
Verordnung (EG 1272/2008) wurde es nicht nur als<br />
reproduktionstoxisch, sondern auch als stark<br />
wassergefährdend eingestuft, was sich nicht mit<br />
der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis z. B.<br />
des Endlager Konrads in Einklang bringen lässt.<br />
Folglich wurde die Gesamtmenge für flüssiges<br />
Quecksilber für Salzgitter auf nur 43,7 kg (3,2 Liter)<br />
reglementiert. Zum Vergleich: Das entspricht<br />
nicht einmal der einfachen Kühlmittelmenge des<br />
„Clementine“-Reaktors.<br />
Allerdings könnte Quecksilber in einer chemisch<br />
stabilen und relativ ungefährlichen Form endgelagert<br />
werden. Zinnober(rot) ist manchen<br />
möglicherweise aus dem Wasserfarbkasten im<br />
Schulunterricht bekannt. Doch die Farbe des<br />
Zinnobers, welches korrekterweise als Cinnabarit<br />
(Abbildung 3) bezeichnet wird, rührt von der<br />
chemischen Verbindung aus Quecksilber und<br />
Schwefel, dem Quecksilbersulfid HgS, her. Die<br />
Umwandlung elementaren Quecksilbers in Quecksilbersulfid<br />
ist eine seit dem Altertum bekannte<br />
Reaktion, bei Quecksilber mit Schwefelblüten in<br />
Anwesenheit von verschiedenen Laugen unter<br />
stetiger Wärmezufuhr umgesetzt wird. Verschiedene<br />
Firmen haben in den 2000er Jahren<br />
moderne Varianten dieses altertümlichen Verfahrens<br />
zum Patent anmelden lassen und somit<br />
erkannt, dass die Umsetzung zum Zinnober eine<br />
Möglichkeit zur Entsorgung von elementarem<br />
Quecksilber darstellt. Wohl aber fand dieses<br />
Verfahren bislang noch keine Anwendung in<br />
der kerntechnischen Branche und wird eher für<br />
konven tionelle Quecksilberbestände angewandt.<br />
Getrieben durch den Rückbau unserer deutschen<br />
Reaktoren ist die großtechnische Umsetzung<br />
de Verfahrens alles andere als trivial und genehmigungsbedürftig,<br />
sofern es direkt vor Ort<br />
durch geführt werden soll. Ein Transport des<br />
elemen taren Quecksilbers zu einem externen<br />
Dienstleister zwecks chemischer Umsetzung zu<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
53<br />
Quecksilber sulfid stellt enorme An<strong>for</strong>derungen<br />
an beteiligte Parteien wie z. B. Transport selbst<br />
und den Strahlenschutz. Während der Transport<br />
von Reaktordruckbehältern ins Ausland zwecks<br />
Ein schmelzung inzwischen mehrfach erprobt<br />
ist, wäre der Transport von elementarem Quecksilber<br />
zu einer fiktiven Verarbeitungsanlage unter<br />
Berücksichtigung der Strahlenschutzgesetzgebung<br />
absolutes Neuland.<br />
Des Weiteren gilt im Rückbau die Prämisse<br />
der Mengenreduktion der Endlagerabfälle. Der<br />
Platz unter Tage ist begrenzt und teuer. Bei der<br />
Umsetzung von 1 kg elementaren Quecksilbers<br />
mit Schwefel entstünden rechnerisch 1,16 kg<br />
Quecksilbersulfid. Auch wenn das Umsetzungsprodukt<br />
mit Hochdruckpressen kompaktiert<br />
werden könnte, so würde es auf dem Papier ca. das<br />
doppelte Stoffvolumen einnehmen wie das<br />
ursprüng liche Quecksilber. Außerdem ist die<br />
Endlagerung von radioaktiv-kontaminiertem<br />
Quecksilbersulfid bisher nicht vorgesehen und<br />
würde ein erweitertes Genehmigungsverfahren<br />
nach sich ziehen, vor allem da zur Langzeitstabilität<br />
von „Labor Zinnober“ im Vergleich zum<br />
mineralischen Zinnober wenig bekannt ist.<br />
Demnach ist eine Endlagerung in Form von Quecksilbersulfid,<br />
auch aus Kostengründen, nicht unbedingt<br />
die Lösung der Wahl. Somit könnte man<br />
die Option der Entsorgung durch Endlagerung als<br />
Sackgasse bezeichnen, da sie in vielen Punkten<br />
nicht umsetzbar ist oder zum gewünschten Ergebnis<br />
führen würde.<br />
Freigabe – Wenn es denn so einfach wäre<br />
Als letzter, möglicher Entsorgungsweg bleibt folglich<br />
nur die Freigabe. Und es könnte so einfach<br />
sein: Entscheidungsmessungen zum Nachweis der<br />
Unterschreitung der Freigabewerte nach Anlage 4<br />
Tabelle 1 StrlSchV, das Zusammentragen der<br />
notwendigen Dokumentation und abschließend<br />
der schriftliche Freigabeantrag bei der Behörde.<br />
Abb. 3.<br />
Zinnober (hier mineralische Darstellung).<br />
Was sich in der Theorie so einfach liest, ist in<br />
Wirklichkeit eine wahre Heraus<strong>for</strong>derung für alle<br />
Beteiligten. Doch wo liegt genau das Problem?<br />
Grundlage für die Freigabe ist zunächst einmal<br />
das 10 µSv-Dosiskriterium (§ 31 StrlSchV), dessen<br />
Einhaltung es im Rahmen des Freigabeverfahrens<br />
nachzuweisen gilt. Hierfür sind Entscheidungsmessungen<br />
der radionuklid-spezifischen Aktivitäten<br />
durchzuführen und zu dokumentieren (§ 42<br />
StrlSchV). Man würde wohl die uneingeschränkte<br />
Freigabe nach § 35 StrlSchV bevorzugen und demnach<br />
die Unterschreitung der Werte aus Anlage 4<br />
Tabelle 1 Spalte 3 StrlSchV nachweisen wollen. Ein<br />
gängiges Verfahren, welches täglich vielerorts für<br />
zahlreiche Materialien angewandt wird. Ein Blick<br />
in Anlage 8 Teil B StrlSchV verrät jedoch, dass die<br />
uneingeschränkte Freigabe für Quecksilber nicht<br />
vorgesehen ist, da es weder zur Kategorie „Öle“<br />
noch „organische Lösungs- und Kühlmittel“ zählt.<br />
Arbeitet man sich nun weiter durch die StrlSchV,<br />
so stößt man in Anlage 8 auf den Teil G, welcher<br />
die spezifische Freigabe von Metallschrott zum<br />
Recycling beschreibt. Hier wird eindeutig die<br />
Einschränkung getroffen, dass die Freigabe von<br />
Metallschrott eine Einschmelzung er<strong>for</strong>dert. Also<br />
ist auch die spezifische Freigabe nach Anlage<br />
4 Tabelle 1 Spalte 14 StrlSchV nicht umsetzbar.<br />
Folglich bleibt nur noch eine potentielle Freigabe<br />
nach § 37 StrlSchV, der sogenannten Einzelfallbetrachtung.<br />
Die Freigabe im Einzelfall nach § 37 StrlSchV könnte<br />
demnach immer dann angewandt werden, wenn<br />
es sich um andere als in Anlage 8 Teil B StrlSchV<br />
bezeichnete Flüssigkeiten handelt. Üblicherweise<br />
gilt dies z. B. für wässrige Abfälle.<br />
Zur Erlangung der uneingeschränkten Freigabe<br />
im Einzelfall werden gemäß § 32 StrlSchV „alle<br />
möglichen künftigen Nutzungen, Verwendungen<br />
(…), Beseitigungen, Innehaben der freizugebenden<br />
Stoffe und Gegenstände oder deren Weitergabe<br />
an Dritte beachtet (wurden).“ Alle prinzipiell zu<br />
berücksichtigenden Expositionsszenarien<br />
sind in Anlage 11 StrlSchV beschrieben,<br />
welche sich jedoch glücklicherweise für<br />
das Quecksilber dank der Minamata-<br />
Konvention (und darauf aufbauende,<br />
spezifische Gesetze und Verordnungen<br />
auf Bundesebene), dem<br />
Immissionsschutz und dem<br />
Gefahrstoffrecht auf einige<br />
wenige einschränken lassen.<br />
Da der Umgang für die Bevölkerung<br />
untersagt wird<br />
sowie die berufliche Handhabung<br />
von Quecksilber nur<br />
noch auf ein absolut notwendiges<br />
Maß unter ausschließlich<br />
hohen Auflagen reglementiert<br />
Vol. 69 (2024)
54<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
ist, greifen die konventionellen Vorschriften dem<br />
Strahlenschutzrecht deutlich vor und sind als<br />
restriktiver und abdeckend zu betrachten. Letztlich<br />
sind die zu berück sich tigenden Expositionsszenarien<br />
aber immer abhängig vom weiteren Weg<br />
des Quecksilbers nach der Freigabe: Soll es deponiert<br />
werden? Soll eine Umsetzung zum Zinnober<br />
erfolgen oder ist gar eine Wiederverwendung/<br />
Rezyklierung, z. B. in Forschungseinrichtungen<br />
angedacht?<br />
Heraus<strong>for</strong>derungen im Labor<br />
Nachdem alle möglichen Expositionsszenarien<br />
und die weitere Verwendung des Quecksilbers<br />
betrachtet wurden, gilt es nun, die Unterschreitung<br />
der Freigabewerte analytisch nachzuweisen.<br />
Typischerweise werden u. a. Nuklide wie Cs-137,<br />
Co-60, Am-241, Sr-90, H-3 und/oder C-14 betrachtet.<br />
Hierfür finden zumeist die Gammaspektrometrie<br />
oder Flüssigszintillationsspektrometrie (LSC) Anwendung.<br />
Doch elementares Quecksilber hingegen<br />
ist gänzlich ungeeignet zur direkten Messung mit<br />
diesen Methoden. Aufgrund seiner enormen Dichte<br />
ist eine direkte Gammamessung z. B. in einer<br />
Flasche praktisch nicht möglich. Erst in ultradünnen<br />
Quecksilberschichten wäre es einem Gammadetektor<br />
möglich, hinreichende Nachweisgrenzen<br />
zu erreichen. Die Mischung eines organischen<br />
Szintillatorcocktails für die LSC-Vorbereitung<br />
wäre grob fahrlässig, da Quecksilber und organische<br />
Verbindungen u. U. zu hoch toxischen Mischungen<br />
reagieren können. Und letztlich wäre<br />
auch hier kein Lichtblitz innerhalb des hoch dichten<br />
Quecksilbers detektierbar. Somit kommen weder<br />
eine direkte Messung mittels Gammaspektrometrie<br />
noch LSC zur Analyse des elementaren<br />
Queck silbers infrage.<br />
Es muss also zwingend eine geeignete Probenaufarbeitungsmethode<br />
angewandt werden, um<br />
repräsentativen Aliquote in eine messbare Form zu<br />
überführen. Möglich wäre das Auflösen des Quecksilbers,<br />
z. B. in konzentrierten Säuren. Hierbei wäre<br />
allerdings darauf zu achten, dass etwaige Analyten<br />
wie z. B. Tritium nicht ausgetrieben werden. Die<br />
dabei resultierenden, wässrigen Lösungen wären<br />
einfach per Gammaspektrometrie analysierbar,<br />
eignen sich aber unter Umständen nicht zur Direktmessung<br />
durch Flüssigszintilla tionsspektrometrie,<br />
da verschiedene Anionen hier störend wirken können.<br />
Die analytische Lücke in der Bestimmung von<br />
Alpha- bzw. Betastrahlern könnte anstatt durch<br />
LSC jedoch auch durch Messung mit Proportionalitätszählern<br />
geschlossen werden. Die analytischen<br />
Möglichkeiten für eine wässrige Probe sind vielfältig,<br />
müssen jedoch zur Messaufgabe, nämlich<br />
den zu betrachtenden und Freigaberelevanten<br />
Nukliden passen. Und auch hier ist Pionierarbeit<br />
gefragt, denn die radiolo gische Untersuchung von<br />
Quecksilber ist Neuland.<br />
Vorausgesetzt die Probenvorbereitung sowie<br />
Laboranalytik waren erfolgreich, so wäre nun der<br />
erste Schritt zur Freigabe in greifbarer Nähe. Nur<br />
was tun, wenn die Ergebnisse keine Unterschreitung<br />
der anvisierten Freigabewerte, sondern offenkundig<br />
eine Kontamination des Quecksilbers<br />
offen baren? Dann sind geeignete Dekontaminationsmaßnahmen<br />
notwendig. Wann und aus<br />
welchem Grund diese durchgeführt werden ist für<br />
die Freigabe zunächst irrelevant. Die Dekontamination<br />
kann im Vorfeld erfolgen, sozusagen „auf<br />
Verdacht“, z. B. aufgrund der Betriebshistorie oder<br />
erst nach der Sichtung der ersten Analyseergebnisse.<br />
In diesem Fall wären Dekontaminationsmaßnahmen<br />
Mittel zum Zweck zur Herstellung<br />
einer Freigabefähigkeit des Quecksilbers.<br />
Wie bereits erwähnt, besticht elementares Quecksilber<br />
durch seine außergewöhnlichen che mischen<br />
und physikalischen Eigenschaften. Zur Planung<br />
von Dekontaminationsmaßnahmen sind hier vor<br />
allem drei Eigenschaften hervorzuheben: Seine<br />
besonders hohe Oberflächenspannung, die Hydrophobie<br />
und die Affinität zur Amalgambildung mit<br />
anderen Metallen.<br />
Noch vor Entwicklung moderner Analysetechniken<br />
beurteilte man die Reinheit von Quecksilber<br />
anhand seines Glanzes und Fließverhaltens. Verblasste<br />
der Glanz, wirkte es matt und haftete<br />
an Glasoberflächen, so war die Probe nicht rein<br />
(Abbildung 4).<br />
Die hohe Oberflächenspannung bewirkt, dass<br />
Kontamination praktisch nicht in ein Quecksilbervolumen<br />
eindringen kann. Sie schwimmt förmlich<br />
oben auf und lässt sich auch nicht durch Schütteln<br />
Abb. 4.<br />
Verunreinigtes, matt aussehendes Quecksilber.<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
55<br />
oder Druck in das Volumeninnere bewegen. Eher<br />
würde das Volumen zu zahlreichen, kugelartigen<br />
Tropfen zerplatzen. Aus dieser Eigenschaft resultiert<br />
die Möglichkeit, dass oberflächliche Kontamination,<br />
z. B. durch Staub, Textilfaser, Glaspartikel<br />
sehr einfach mechanisch, z. B. durch Filtration<br />
abgetrennt werden können. Häufig haftet an diesen<br />
Partikeln schon ein Großteil der radiologischen<br />
Kontamination und ist somit ebenso einfach<br />
abzutrennen.<br />
Aufgrund seiner ausgeprägten Hydrophobie lässt<br />
sich elementares Quecksilber auch gut mit wässrigen<br />
Lösungen waschen. Hierbei können hydrophile<br />
Radionuklide wie z. B. Tritium gezielt entfernt<br />
werden, welche schnell mit Komponenten der<br />
wässrigen Phase austauschen. H-1 stellt im Gegensatz<br />
zu H-3 kein Freigabehindernis dar.<br />
Quecksilber bildet mit einigen Metallen stabile<br />
Amalgamverbindungen. Zu den bekanntesten<br />
gehört die Verbindung mit Silber und Zinn, besser<br />
bekannt als „Zahn-Amalgam“. Mit anderen<br />
Metallen bzw. deren Radionuklide, wie z. B. Na-22,<br />
Sr-90 bildet es einfach Amalgame, welche sich<br />
durch sehr hohe Schmelztemperaturen im Gegensatz<br />
zu elementarem Quecksilber auszeichnen.<br />
Somit wäre eine Abtrennung der (Radionuklid)-<br />
kontaminierten Amalgamverbindungen eine<br />
mögliche Dekontaminationsmaßnahme. Hierfür<br />
eignen sich z. B. destillative Verfahren und werden<br />
so auch bereits in der konventionellen Quecksilberaufreinigung<br />
großtechnisch angewandt<br />
(z. B. Firma Batrec, Schweiz).<br />
Vorteilhaft ist, dass Quecksilber mit einigen<br />
Metallen, z. B. Cäsium, nur unter außergewöhnlichen<br />
Reaktionsbedingungen (sehr hohe Temperaturen,<br />
Druck, Katalyse) Amalgame bildet und<br />
mit z. B. Eisen oder Kobalt gar nicht zur Amalgambildung<br />
neigt. Eine Amalgambildung mit Cs-137<br />
wäre z. B. für Quecksilber aus geschlossenen,<br />
elektrischen Schaltern in der Theorie äußerst<br />
unwahrscheinlich, falls doch wohl aber per<br />
Destillation abtrennbar. Kontaminationen ohne<br />
Amalgambildung, z. B. mit Co-60, wären durch<br />
die vorherigen Dekontaminationsmethoden zu<br />
eliminieren.<br />
Aufbauend auf diesen wichtigen Erkenntnissen<br />
entwickelte die Safetec GmbH (Heidelberg,<br />
Deutschland) ein Verfahren zur Aufreinigung und<br />
Freimessung von elementarem Quecksilber im<br />
Aufsichtsbereich des Strahlenschutzrechts. 2020<br />
konnte somit die erste Freigabe von ursprünglich<br />
Tritiumkontaminierten Quecksilber erwirkt, das<br />
Verfahren 2021 zum Patent angemeldet und 2023<br />
erteilt werden.<br />
Fazit<br />
Quecksilber aus kerntechnischen Anlagen kann,<br />
aufgrund möglicher Kontaminationen, nicht<br />
ohne Weiteres aus dem Aufsichtsbereich des<br />
Atom- bzw. Strahlenschutzrechts entlassen werden.<br />
Die Entsorgung als elementares Quecksilber<br />
über die zukünftigen Endlager für radioaktive<br />
Abfälle scheitert an zahlreichen Punkten, nicht<br />
zuletzt auch am flüssigen Aggregatszustand.<br />
Bleibt zwangsläufig also nur noch die Freigabe,<br />
welche heraus<strong>for</strong>dernd, aber nicht unmöglich ist.<br />
Die ersten Schritte sind gemacht und Erfahrungen<br />
werden gesammelt. Jetzt gilt es an diesem Thema<br />
dranzubleiben, damit am Ende keine grünen<br />
Wiesen mit einzelnen Quecksilber-Gebinden<br />
übrigbleiben.<br />
Autorin<br />
Dr. Daniela Speicher<br />
Leitung Strahlenschutz, Projektberaterin &<br />
Patentkoordinatorin<br />
Safetec GmbH<br />
Daniela.Speicher@safetec-hd.de<br />
Dr. Daniela Speicher ist promovierte Chemikerin<br />
und seit 2017 in der kerntechnischen Branche tätig.<br />
Während ihrer Einsätze an verschiedenen, kerntechnischen<br />
Anlagen sowie auch außerhalb dieser<br />
im Rahmen von Sonderprojekten konnte sie vielfältige<br />
Erfahrungen auf den Gebieten der Freigabe, Entsorgung, Beförderungen<br />
und Strahlenschutz sammeln und sich so immer wieder heraus<strong>for</strong>dernden<br />
Aufgabenstellungen annehmen: Angefangen beim Rückbau von Radiochemielaboren<br />
über die Suche nach möglicherweise vergrabenen Radiumquellen bis<br />
hin zur hier thematisierten Quecksilberproblematik.<br />
Als Bestandteil des FORKA-Programmes wurde<br />
unter dem Projekttitel „Prometeus“ erstmals die<br />
Dekontamination und Freigabe von Radioaktivkontaminierten<br />
Quecksilberabfällen im Rahmen<br />
des Rückbaus betrachtet. Die wesentliche Erkenntnis<br />
des Projekts lautete, dass die Lösung der Quecksilberproblematik<br />
große Heraus<strong>for</strong>derungen an<br />
alle beteiligten Parteien sowie an die Mess- und<br />
Verfahrenstechnik stellt, v. a. unter Berücksichtigungen<br />
des sogenannten „Scale-ups“, also dem<br />
Schritt raus aus dem Labor hin zu Kraftwerksdimensionen.<br />
Vol. 69 (2024)
56<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Verwendung von Tc-99m zur Prozessbeschreibung<br />
und Qualitätskontrolle<br />
bei materialabtragenden Oberflächenbehandlungsverfahren<br />
und<br />
zur Bestimmung des Filtriervermögens<br />
von Aerosol-Rückhaltesystemen<br />
› Frank Klein<br />
1 Zusammenfassung<br />
1.1 Stand der Technik<br />
Bei der Reinigung von kontaminierten Oberflächen<br />
werden Abrasiv-Verfahren eingesetzt. Als Maß für<br />
die Reinigungsqualität wird als Vergleich der Quotient<br />
Kontamination VORHER K v zu Rest-Kontamination<br />
NACHHER K n herangezogen, der Dekontfaktor<br />
K v /K n . In der Kern-/Nukleartechnik werden<br />
dazu typische Nuklide benutzt, welche radioaktive<br />
Reststoffe und Abfälle verursachen (hohe Halbwertzeiten,<br />
wie z. B. Co-60: 5,3 a, Cs-137: 30,2 a).<br />
Diese Nuklide werden für Kontrolle und Beschreibung<br />
der Aerosol-Rückhaltung (= Filterwirksamkeit)<br />
benutzt. Die betroffenen Komponenten und<br />
Systeme sind dadurch hinterher radioaktiv kontaminiert.<br />
Sie müssen aufwändig dekonta miniert<br />
werden – was radioaktive Abfälle verursacht – oder<br />
werden selbst als radioaktive Abfälle entsorgt.<br />
1.2 Verbesserung durch dieses Verfahren<br />
Anstelle der o. a. Nuklide wird Tc-99m eingesetzt.<br />
Durch seine kurze Halbwertszeit (6,01 h) ist es<br />
einerseits möglich, die Reinigungseffektivität<br />
der Dekont- bzw. Reinigungsverfahren und die<br />
Aerosol Rückhaltung der Filtersysteme sehr genau<br />
zu bestimmen. Andererseits klingt die Tc-99m<br />
Aktivität schnell ab, das heißt: das Tc-99m verschwindet.<br />
Die benutzten Komponenten und<br />
benutzten Begleitmaterialien können i. A. problemlos<br />
freigemessen werden. Die messbare Restaktivität<br />
aller an dem Prozess und den Überprüfungen<br />
beteiligten Materialien, Komponenten liegt<br />
unterhalb der Freigrenzen der Strahlenschutzverordnung.<br />
Der Einsatz von Tc-99m ist seit Jahrzehnten in der<br />
Nuklearmedizin Standard, die Anwendung ist<br />
hoch qualitätsgesichert. Genauso gut kann Tc-99m<br />
in der technischen und Nukleartechnischen<br />
Anwendung eingesetzt werden.<br />
2 Hintergrund<br />
Während des langjährigen Betriebs kern technischer<br />
Anlagen werden Materialoberflächen<br />
radioaktiv kontaminiert. Bei diesen Kontaminationen<br />
handelt es sich um radioaktive Ablagerungen,<br />
die sich auf den Oberflächen der Komponenten und<br />
Systeme ablagern. Es sind Innenoberflächen und<br />
Außenoberflächen betroffen:<br />
⁃ Innenoberflächen: Rohrleitungen und Behälterinnenflächen,<br />
Lüftungsschächte, die von Radioaktivität-führenden<br />
Medien durchströmt<br />
wurden,<br />
⁃ Außenoberflächen: durch freigesetzte Radioaktivität<br />
kontaminierte Außenflächen.<br />
Die betroffenen Komponenten und Systeme befinden<br />
sich in den Kontrollbereichen der Kernkraftwerke<br />
bzw. kerntechnischen Anlagen.<br />
Beim Rückbau dieser Kernkraftwerke bzw. kerntechnischen<br />
Anlagen müssen diese Komponenten<br />
und Systeme gereinigt werden. Dabei werden die<br />
Kontaminanten von den Oberflächen entfernt;<br />
die Oberflächen werden dekontaminiert.<br />
Die Güte der Oberflächenreinigung/Dekontamination<br />
entscheidet darüber, ob die behandelten<br />
Materialien als Wertstoffe rezykliert werden<br />
können, oder ob sie als radioaktive Abfälle separiert<br />
und entsorgt werden müssen. Die Klassifizierungen<br />
sind in gesetzlichen Regelwerken wie<br />
der Strahlenschutzverordnung beschrieben.<br />
Bei der mechanischen Reinigung frei zugänglicher<br />
Oberflächen werden standardmäßig abrasive<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
57<br />
Abb. 1.<br />
Tc-99m-Zerfall und Tc-99-Bildung über die Zeit; Anfangsaktivität: 10 +08 Bq, Aktivität nach 7 Tagen: Tc-99m
58<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Tc-99m hat eine Halbwertzeit von 6,01 Stunden. Es<br />
geht unter Aussendung eines sehr gut messbaren<br />
Gamma-Signals bei 141 keV in das Tochternuklid<br />
Tc-99 über (Halbwertzeit Tc-99: 210000 Jahre) 3 . In<br />
der Diagnostik wird das Tc-99m über das Gamma-<br />
Signal im behandelten Patienten gemessen, und es<br />
klingt mit der Halbwertzeit von 6,01 Stunden sehr<br />
schnell ab. In Abbildung 1 ist dargestellt, wie aus<br />
anfänglich eingesetzten 10 Millionen Bq Tc-99m<br />
nach sieben Tagen 0,3 Bq des Tochternuklids Tc-99<br />
entstanden sind.<br />
5 Technische Anwendung<br />
Zu Beginn der Prozesskontrolle wird die Aerosolquelle<br />
mit Tc-99m dotiert/markiert. Im skizzierten<br />
Beispiel in Abbildung 3 sind es Probenober flächen,<br />
die abrasiv behandelt werden. Zur Dotierung/<br />
Tracerung werden 10 +08 Bq Tc-99m eingesetzt.<br />
Die einzelnen Vorbereitungsschritte sind in Abbildung<br />
2 skizziert. Zu Beginn, während der Durchführung<br />
und nach deren Abschluss werden die<br />
relevanten Systeme beprobt, die Tc-99m-Aktivitäten<br />
werden bestimmt. Die Bestimmung der Tc-99m-<br />
Konzentrationen erfolgt typischerweise mit entsprechenden<br />
Gamma-sensitiven Messsystemen<br />
(Spektrometern, Zählern), welche die 141-keV-Linie<br />
des Tc-99m empfindlich genug erfassen können.<br />
Die Messergebnisse werden zur Auswertung<br />
Zerfallszeit-korrigiert (Bezugsdatum und -zeit).<br />
Diese messtechnische Verfolgung findet in einem<br />
Kontrollbereich statt. Sieben Tage nach Beginn<br />
der Untersuchungen ist das eingesetzte Tc-99m<br />
„zerfallen“ zu Tc-99; alle Komponenten, Anlagenteile,<br />
Materialien und Räumlichkeiten, die zu<br />
Beginn mit Tc-99m in Kontakt kamen, zeigen keine<br />
Aktivitätskontaminationen mehr, und die verbleibenden<br />
0,3 Bq Tc99 liegen von Aktivitätsniveau<br />
her unterhalb der Freigrenzen für die uneingeschränkte<br />
Freigabe von festen und flüssigen<br />
Stoffen 4 .<br />
Nach einer entsprechenden Wartezeit (Tc-99m<br />
Abkling-Fenster) ist das Tc-99m vollständig zerfallen.<br />
Die zuvor mit Tc-99m beaufschlagten Systeme,<br />
Komponenten, Räumlichkeiten (= Kontrollbereich)<br />
und auch die bei der Durchführung<br />
entstandenen Abfälle (Putztücher, -papiere, Schutzanzüge,<br />
-masken) sind dann wieder Tc-99m-frei.<br />
Sie können entsprechend unter Berücksichtigung<br />
der geltenden Regelwerke (StrlSchV) freigegeben<br />
werden.<br />
Abb. 2.<br />
In dieser Abbildung beschreibt eine prinzipielle Vorgehensweise. Die vorbereitenden Schritte (1) können<br />
vor Tc-99m-Zugabe inaktiv spezifiziert werden. Die Überprüfung der Tc-99m-Verteilung ist optional.<br />
3 Karlsruher Nuklidkarte, 7. Auflage 2006<br />
4 StrlSchV, Anlage 4, Tabelle 1 „Freigrenzen, Freigabewerte für verschiedene Freigabearten, Werte für hochradioaktive Strahlenquellen,<br />
Werte der Oberflächenkontamination“<br />
Ausgabe 1 › Januar
Decommissioning and Waste Management<br />
59<br />
Abb. 3.<br />
Typische Skizze eines mit Tc-99m zu kontrollierenden bzw. überprüfenden Prozesses. Aerosol-Rückhaltevermögen = Filtersystem-<br />
Rückhaltung. Aktivitätsangaben oben links, Mitte, rechts: Aktivitätsinventar zum jeweiligen Prozesszeitpunkt; es ändert sich durch Zerfall<br />
des Tc-99m. Der Dekont-Erfolg wird durch Vergleichsmessung der Tc-99m-Aktivität vor der Abrasiv-/LASER-Behandlung und<br />
nach der Behandlung ermittelt (Bestimmung des Dekontfaktors = Quotient von Tc-99m VOR- zu Tc-99m NACH-Aktivität)<br />
6 Verbesserungspotential<br />
6.1 Grundprinzip<br />
Die Qualität des abrasiven Abtragsverhaltens wie<br />
auch die Überprüfung und Beschreibung des Filtrationsverhaltens/-prozesses<br />
geschieht durch<br />
Gamma-Messung des Tc-99m-Tracers, der nach Abschluss<br />
der Versuchsreihen zerfallen ist. Die Untersuchungen<br />
können prinzipiell in temporären Kontrollbereichen<br />
und unter Strahlenschutz-Kontrolle<br />
durchgeführt werden. Nach Abklingen der Tc-99m-<br />
Aktivität können die Komponenten wieder inaktiv<br />
freigegeben werden, die entstandenen Abfälle<br />
ebenfalls. Der temporäre Kontrollbereich kann<br />
wieder aufgelöst werden. Radioaktive Abfälle aus<br />
den Versuchsreihen fallen nicht an.<br />
6.2 Konventionelle Technik<br />
Für die nicht-nukleare, nicht kerntechnische<br />
Technik ist die Verwendung der Tc-99m-Traceroder<br />
-Dotierungs-Technik gerade dann bei der<br />
Auslegung oder Spezifizierung von Aerosol-Rückhaltesystemen<br />
technisch vorteilhaft, wenn die<br />
genaue Beschaffenheit der Aerosole nicht bekannt<br />
oder nicht stabil ist (Aerosol-Größenverteilung,<br />
Trocken- zu Feucht-Aerosolverhältnisse).<br />
6.3 Nuklear-, Kerntechnik<br />
Zur Beschreibung des Aerosol-Rückhaltevermögens<br />
von Filtersystemen werden vielfältig<br />
„ reale“ Nuklide eingesetzt, wie sie auch im Anlagenbetrieb<br />
und Rückbau vorkommen (z. B. Co-60,<br />
Mn-54, Cs-137, Ag-110m, andere); diese Nuklide<br />
haben alle lange Halbwertszeiten, die weit oberhalb<br />
der 6,01 Stunden des Tc-99m liegen (mehrere-<br />
100-Tage- bis Jahrzehnte-Bereiche). Dadurch sind<br />
alle untersuchten Komponenten dauerhaft kontaminiert.<br />
Sie müssen entweder aufwändig dekontaminiert<br />
werden, oder als radioaktive Abfälle in die<br />
Zwischenlager aufgenommen werden 5 — was dem<br />
Grundziel der nuklearen Entsorgung widerspricht.<br />
Endlager für radioaktive Reststoffe und Abfälle<br />
sind nicht vorhanden.<br />
7 Fazit<br />
Mit dem hier beschriebenen Verfahren steht<br />
im Bereich der Nuklear-Technik ein Tool zur<br />
Ve rf ü g u n g , u m<br />
⁃ neue Verfahren<br />
⁃ schneller,<br />
⁃ wirtschaftlicher und<br />
⁃ kostengünstiger konzipieren, verifizieren zu<br />
können und<br />
⁃ schneller zum Einsatz zu bringen,<br />
⁃ wird dem vom Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Energie (jetzt: BMWK) gesetzten Ziel<br />
der Minimierung radioaktiven Abfalls für die<br />
Verlängerung der Zwischenlagerung Rechnung<br />
getragen (Reduzierung der Auslastung des<br />
Zwischenlagers, siehe Fußnote 5),<br />
⁃ Die Personendosisbelastung bei der Durchführung<br />
der Messungen mit Tc-99m durch die<br />
kurze Halbwertszeit minimiert.<br />
Im Bereich der konventionellen Technik kann das<br />
Verfahren ebenfalls angewendet werden.<br />
5 Aktuell: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (jetzt: BMWK) – „Bekanntmachung der Forschungsförderung zur nuklearen Sicherheit“<br />
vom 14. Oktober 2021<br />
Vol. 69 (2024)
60<br />
<br />
Decommissioning and Waste Management<br />
Nach der Einrichtung temporärer Kontroll bereiche<br />
können die Messungen<br />
⁃ hochgenau, einfach und sauber, und ebenfalls<br />
mit<br />
⁃ realen Aerosolen durchgeführt werden.<br />
Das Verfahren kann eingesetzt werden in<br />
Kerntechnik, Rückbau<br />
Einrichtung, Dimensionierung von Dekontanlagen<br />
und -Verfahren, Qualitätsicherung mittels wiederkehrender<br />
Prüfungen (WKP). Überprüfung der<br />
Wirksamkeit und Dimensionierung der Fortluft-<br />
Systeme, Aerosol-Rückhaltung der Filter.<br />
Sonstige Anlagentechnik<br />
Auch außerhalb der Kerntechnik kann dieses Verfahren<br />
eingesetzt werden, mit dem geringste Austragsmengen<br />
hochempfindlich gamma spektroskopisch<br />
nachgewiesen werden können. Oberflächenbearbeitungsprozesse<br />
(Lackent fernung,<br />
Chromschichten (Chromat), Korrosionsschichten)<br />
können auf ihre Effektivität hin überprüft<br />
werden.<br />
Autor<br />
Frank Klein<br />
Freier Sachverständiger für Chemie und<br />
Radiochemie in Nukleartechnik<br />
www.klein-enterprises.com<br />
frank@klein-enterprises.com<br />
Frank Klein ist seit Januar 2022 als freier Sachverständiger<br />
für Chemie und Radiochemie in<br />
Nukleartechnik tätig. In dieser Funktion gibt er<br />
seine Expertise aus mehr als 37 Jahren Berufserfahrung<br />
als Radiochemiker weiter:<br />
Seit 2011 und bis Laufzeitende Dezember 2021 war Herr Klein fachlich und in<br />
der leitenden Position des Kraftwerkschemikers im Kernkraftwerk Gundremmingen<br />
tätig. In seinem Zuständigkeitsbereich lag unter anderem die Minimierung<br />
der radiologischen Aktivitätsmobilisierung – die Verbesserung der Personaldosis-Exposition<br />
bei Betrieb und Revisionen war das Ziel. Dies wurde<br />
erreicht durch wirkungsvolle Reduktion von Aktivitäts aufbau und Mobilisierung.<br />
Dieses Ziel wurde durch den 2011 beschlossenen nationalen Ausstieg aus<br />
der Kerntechnik zusätzlich dringlicher.<br />
Davor war Frank Klein über zwei Dekaden hinweg bei dem Institut für Radiochemie<br />
der TUM tätig. Seine Tätigkeitsfelder umfassten u. a. die Konditionierung<br />
und Entsorgung des SUR 100-Kernbrennstoffs aller in Deutschland außer<br />
Betrieb genommenen Siemens-Unterrichtsreaktoren. Herr Klein vertrat auch<br />
das Institut auf nationalen und internationalen Workshops.<br />
Sein Chemie-Ingenieurstudium an der Naturwissenschaftlich-Technischen<br />
Akademie Prof. Dr. Grübler schloss Herr Klein 1985 ab.<br />
Die Überprüfung der Wirksamkeit und Dimen sionierung<br />
vorhandener Fortluft-Systeme, Aerosol-<br />
Rückhaltung der Filter ist möglich.<br />
Anzeige<br />
Ausgabe 1 › Januar
KTG-Fachinfo<br />
61<br />
KTG-Fachinfo 19/2023 vom 05.12.2023:<br />
Bekenntnis zur Kernenergie auf der<br />
Weltklimakonferenz – Neupositionierung<br />
der Unionsparteien?<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />
der KTG, am vergangenen Samstag haben die Vertreter<br />
von 22 Staaten, darunter 13 aus Europa auf der<br />
Weltklimakonferenz (COP28) eine Erklärung zur<br />
Kernenergie (Declaration to Triple <strong>Nuclear</strong> Energy)<br />
vorgestellt, die auch als <strong>Nuclear</strong> Pledge – Nukleares<br />
Versprechen bezeichnet wurde. Die Unterzeichner<br />
bekennen sich dabei zur Schlüsselrolle der Kernenergie<br />
zur Erreichung so genannter Netto-Null-<br />
Ziele bei Treibhausgasemissionen und bei der<br />
Aufgabe, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens<br />
in Reichweite zu halten. Ausgehend von<br />
der Tatsache, dass die Kernkraft heute weltweit die<br />
zweitgrößte CO 2 -arme Stromerzeugungstechnik ist<br />
und Bezug nehmend auf Analysen der <strong>Nuclear</strong><br />
Energy Agency der OECD (NEA), der <strong>International</strong>en<br />
Energieagentur (IEA) sowie der World <strong>Nuclear</strong><br />
Association (WNA) erklären die Unterzeichner, dass<br />
sie zur Erreichung des Ziels einer Verdreifachung<br />
der installierten nuklearen Kapazität bis 2050 im<br />
Vergleich zum Jahr 2020 zusammenarbeiten wollen.<br />
Die Erklärung folgt der Einschätzung der IEA,<br />
dass eine Verkleinerung der Kernkraftkapazität<br />
das Erreichen eines Netto-Null-Zieles schwieriger<br />
und teuer machen würde. Hinsichtlich neuer Kerntechnik<br />
wird in der Erklärung festgestellt, dass<br />
diese wenig Fläche verbraucht, in der Standortauswahl<br />
flexibel und bedarfsgerecht geplant werden<br />
und die Dekarbonisierung auch jenseits der Stromerzeugung<br />
unterstützen kann, einschließlich der<br />
Industriesektoren, in denen die Emissionen nur<br />
schwer gemindert werden können. Daraus folgt<br />
das Bekenntnis, die Entwicklung und den Bau auch<br />
von kleinen oder <strong>for</strong>tgeschrittenen Reaktortypen<br />
sowohl für die Stromerzeugung als auch für andere<br />
Anwendungen wie Wasserstofferzeugung oder<br />
die Herstellung von synthetischen Treibstoffen zu<br />
unterstützen.<br />
Die Unterzeichner bekennen sich dazu, in ihren<br />
Ländern dafür zu sorgen, dass Kernkraftwerke<br />
verantwortungsbewusst und in Übereinstimmung<br />
mit den höchsten Standards bei Sicherheit, Nachhaltigkeit,<br />
Sicherung und Non-Proliferation betrieben<br />
werden und dass mit radioaktiven Abfällen<br />
lang fristig verantwortlich umgegangen wird, so<br />
wie es auch die <strong>International</strong>e Atomenergieorganisation<br />
(IAEA) in ihrer “Atoms4NetZero”-Initiative<br />
<strong>for</strong>dert. Unter Berücksichtigung der vorgenannten<br />
Grundsätze sollen auch die Laufzeiten bestehender<br />
Kernkraftwerke verlängert werden, wo dies technisch<br />
möglich und wirtschaftlich ist.<br />
Ein besonderes Augenmerk der Erklärung gilt der<br />
Finanzierungsmöglichkeit für neue Kernkraftwerke,<br />
hinsichtlich der sich die Unterzeichner auch zu<br />
innovativen Finanzierungsmechanismen bekennen.<br />
Die Erklärung ruft die Anteilseigner der Weltbank,<br />
regionaler Entwicklungsbanken und internationaler<br />
Finanzinstitutionen dazu auf, Kernenergie be darfsgerecht<br />
in ihre Kreditvergaberichtlinien aufzunehmen<br />
und die Kernenergie, falls diese Möglichkeit<br />
bereits besteht, aktiv zu unterstützen. In der<br />
Er klärung wird auch die Bedeutung robuster Lieferketten<br />
für sichere Technologien zur Nutzung in<br />
Kernkraftwerken einschließlich Kernbrennstoffe und<br />
deren Förderung über den gesamten Lebenszyklus<br />
anerkannt.<br />
Die Unterzeichner erklären ihre Unterstützung für<br />
verantwortungsvolle Nationen, die eine neue zivile<br />
Entwicklung der Kerntechnik ins Auge fassen unter<br />
Berücksichtigung höchster Standards bei Sicherheit,<br />
Nachhaltigkeit, Sicherung und Non-Proliferation.<br />
Auch entsprechende Beiträge des Privatsektors,<br />
von Nicht-Regierungsorganisationen, Entwicklungsbanken<br />
und Finanzinstitutionen werden ermutigt<br />
und begrüßt.<br />
Der Fortschritt hinsichtlich der Versprechen in der<br />
Erklärung soll jährlich am Rande der Weltklimakonferenzen<br />
bewertet werden.<br />
Vorgestellt wurde die von den Vereinigten Staaten<br />
initiierte Erklärung auf einer gesonderten Veranstaltung<br />
durch den Klimabeauftragten der US-<br />
Regierung, John Kerry, an der u. a. der französische<br />
Präsident Emanuel Macron, der tschechische Ministerpräsident<br />
Petr Fiala, der polnische Präsident<br />
Andrzej Duda, der belgische Premierminister<br />
Alexander De Croo und IAEA-Generalsekretär Rafael<br />
Mariano Grossi teilgenommen haben, wie u. a. Daniel<br />
Wetzel in der Welt und das Handelsblatt berichten.<br />
Kerry erklärte dabei, „man kann das Ziel von Netto-<br />
Null Treibhausgas-Emissionen bis 2050 ohne Atomkraft<br />
nicht erreichen“ und stellte fest, dass dies nichts<br />
mit Politik oder Ideologie zu tun habe, sondern reine<br />
Wissenschaft sei, Mathematik und Physik. Präsident<br />
Macron ergänzte: „Von diesem Treffen geht ein<br />
extrem machtvolles Signal in die Welt hinaus“ und<br />
stellte fest, dass es „die vielen Länder ermutige,<br />
die in die Kernenergie und besonders in die neue<br />
Generation von modularen Kleinstreaktoren investieren<br />
wollen“. Ministerpräsident Fiala bezeichnete<br />
die Kernkraft als eine sichere, verlässliche, saubere<br />
und effiziente Energiequelle und kündigte deren<br />
Vol. 69 (2024)
62<br />
KTG-Fachinfo<br />
Ausbau in Tschechien auf einen Anteil von 50 Prozent<br />
der Stromerzeugung bis 2050 an. Präsident Duda<br />
erklärte, den Ausbau der Kernenergie zum Schwerpunktthema<br />
der polnischen EU-Ratspräsidentschaft<br />
im ersten Halbjahr 2025 machen zu wollen und De<br />
Croo lud gemeinsam mit IAEA-Generalsekretär<br />
Grossi für den 22. März 2024 zum „Welt-Nuklear-<br />
Gipfel“ nach Brüssel ein.<br />
Die Unterzeichner der Erklärung sind neben den Vereinigten<br />
Staaten Kanada, Japan, Korea, die Gastgeber<br />
der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate<br />
sowie aus Europa Frankreich, das Vereinigte Königreich,<br />
Polen, die Niederlande, Tschechien, Belgien,<br />
Schweden, Finnland, Slowenien, die Slowakei,<br />
Rumänien, Ungarn, Bulgarien, die Ukraine und<br />
Moldau. Auch andere Länder, die neu in die Kernenergie<br />
einsteigen möchten, haben unterschrieben:<br />
Marokko, Ghana und die Mongolei. Deutschland hat<br />
sich der Erklärung erwartungsgemäß nicht angeschlossen,<br />
sondern wie insgesamt 120 Staaten,<br />
darunter auch viele Zeichner der Kernenergie-<br />
Erklärung eine Erklärung mit dem Ziel einer Verdreifachung<br />
der Kapazität erneuerbarer Energie bis<br />
2030 unterzeichnet. Bundeskanzler Scholz er wähnte<br />
in seiner Rede, in der er zum Ausstieg aus den fossilen<br />
Energieträgern aufrief, nur Windkraft, Photovoltaik,<br />
elektrische Antriebe und Wasserstoff als Technologien,<br />
die dies ermöglichen sollen.<br />
Am 5. Dezember 2023 folgte eine von der WNA<br />
organisierte Net Zero <strong>Nuclear</strong> Industry Pledge durch<br />
zahlreiche internationale Unternehmen der Kerntechnik.<br />
Unter besonderer Betonung der Rolle der<br />
Kernenergie als größte saubere, CO 2 -arme Stromquelle<br />
in den OECD-Staaten, des gleichrangigen<br />
Zugangs zu Klimafinanzierungsmitteln mit anderen<br />
CO 2 -armen Technologien, der Notwendigkeit, Kernenergie<br />
schneller als das globale Wachstum des<br />
Stromverbrauchs auszubauen sowie unter Hinweis<br />
auf die Vorzüge geringer Materialintensität und niedrigen<br />
Flächenbedarfs sagten die unterzeichnenden<br />
Unternehmen zu, die Regierungen bei ihren Kernenergieausbauzielen<br />
zu unterstützen, Investments<br />
in Kernkraftprojekte auch durch innovative Finanzierungsinstrumente<br />
zu mobilisieren und in Kooperation<br />
mit Regierungen und Aufsichtsbehörden Neubauten<br />
und die bessere Ausnutzung bestehender<br />
Anlagen in sicherer und verantwortlicher Weise zu<br />
verwirklichen sowie das Ziel einer Verdreifachung<br />
der Kapazität bis 2050 zu erreichen.<br />
Die finnische Außenministerin Elina Valtonen stellte<br />
im Interview mit der Bild-Zeitung, über das am<br />
04.12.2023 dort berichtet wurde, mit Blick auf die<br />
deutsche Energiepolitik fest, dass es in Zukunft eine<br />
Heraus<strong>for</strong>derung würde, dass manche europäische<br />
Partner im Gegensatz zu Finnland ihr Energieangebot<br />
verknappt hätten. Sie erklärte, dass Finnland<br />
ab 2035 klimaneutral sein werde und dass die Kernenergie<br />
dort die Basis für den Klimaschutz darstelle.<br />
In den Unionsparteien zeichnet sich unterdessen ein<br />
Paradigmenwechsel in der Kernenergiepolitik ab,<br />
über den Morton Freidel und Konrad Schuller in der<br />
FAS berichteten. Während im vergangenen Jahr<br />
weitgehend nur ein krisenbedingter Weiterbetrieb<br />
möglichst vieler deutscher Kernkraftwerke für einen<br />
kürzeren Übergangszeitraum befürwortet wurde,<br />
mehren sich nun die Stimmen für einen Wiedereinstieg<br />
in die Kernenergie auf längere Sicht, einschließlich<br />
des Neubaus. Dahingehend äußerten<br />
sich die Ministerpräsidenten Markus Söder und<br />
Michael Kretschmer, CDU-Generalsekretär Carsten<br />
Linnemann, der stellvertretende Vorsitzende der<br />
Unionsfraktion, Jens Spahn, die Präsidentin des CDU-<br />
Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, sowie die Chefin<br />
der Mittelstandsunion, Gitta Connemann. Söder<br />
erklärte, dass jetzt grundlegende politische Veränderungen<br />
gerade im Energiebereich notwendig<br />
seien und stellte fest, dass die von den Grünen<br />
geprägte Energiepolitik mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
an der Realität zerschellt sei.<br />
Er <strong>for</strong>derte, dass die verbliebenen Reaktoren in<br />
Deutschland für die Zeit der Krise „umgehend“<br />
reaktiviert werden müssten und dass zur Erhaltung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit und im Sinne der Klimaziele<br />
eine Umstellung auf modernere, kleinere,<br />
sicherere und effizientere Reaktoren vorangetrieben<br />
werden müsse. Auch Jens Spahn <strong>for</strong>derte Atomkraftwerke<br />
der neuesten Generation zu bauen,<br />
sobald sie entwickelt sind sowie eine deutsche<br />
Beteiligung an dieser Entwicklung. CDU-Generalsekretär<br />
Carsten Linnemann bekannte sich für die<br />
Union zur Forschung und Entwicklung der Kernenergie<br />
der nächsten Generation einschließlich<br />
größerer Reaktorkonzepte, die weniger Atommüll<br />
hinterlassen sollen. Auch der Vorsitzende der FDP-<br />
Bundestagsfraktion Christian Dürr unterstützte<br />
die Nutzung neuartiger Reaktorkonzepte und sein<br />
parlamentarischer Geschäftsführer, Torsten Herbst,<br />
<strong>for</strong>derte „einen generellen Wiedereinstieg in die<br />
Kernkraft“ bei dem Deutschland dem Beispiel<br />
unserer europäischen Nachbarn folgen solle.<br />
Für die Welt kann man mit der nun auf der COP28<br />
vorgestellten Erklärung zur Verdreifachung der<br />
Kernenergie durchaus von einem Umbruch zu<br />
Gunsten der Kernenergie sprechen. Denn noch vor<br />
zwei Jahren war die Kernkraft praktisch kein Thema,<br />
im vergangenen Jahr nur ein Randthema auf der<br />
Weltklimakonferenz und generell ein politischer<br />
Sachverhalt, der selbst von den Staaten, die einen<br />
Ausbau der Kernenergie verfolgt haben, nur<br />
Ausgabe 1 › Januar
KTG-Fachinfo<br />
63<br />
verschämt, wenn überhaupt angesprochen wurde.<br />
Das offene Bekenntnis zum massiven Ausbau<br />
der Kernenergie durch zahlreiche Staaten, darunter<br />
wichtige Handelspartner und Konkurrenten<br />
Deutschlands stellt die Diskussion über die künftige<br />
Energiepolitik und die Kernenergie auf eine neue<br />
Grundlage. In der Opposition scheint die globale<br />
Neubewertung der Kernenergie in Teilen angekommen<br />
zu sein, wie Äußerungen der vergangenen<br />
Wochen zunehmend zeigen. Taten können diesen<br />
Worten allerdings so bald nicht folgen, denn seitens<br />
der Bundesregierung ist keinerlei Veränderung der<br />
Position zu erwarten, was sich auch an Kleinigkeiten<br />
zeigt: so hatte die Staatssekretärin im Auswärtigen<br />
Amt, die Ex-Greenpeace-Funktionärin Jennifer<br />
Morgan, die die COP28 begleitet und jeden Tag ihre<br />
drei Highlights der Tagung präsentiert, am Samstag<br />
die Kernenergie-Erklärung nicht erwähnt, sondern<br />
als dritten Punkt ihrer Aufzählung nach der Rede<br />
von Bundeskanzler Scholz und der Erklärung zu<br />
erneuerbaren Energien dem Hinweis auf eine neue<br />
Kooperation mit Kenia den Vorzug gegeben.<br />
Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />
Nicolas Wendler<br />
KTG-Fachinfo 18/2023 vom 17.11.2023:<br />
Fahrplan für die Kernenergie<br />
in Schweden<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />
der KTG, die schwedische Regierung hat am<br />
16. November 2023 einen Fahrplan für neue Kernenergie<br />
vorgestellt. Zielsetzung ist es, einen stabilen<br />
und wettbewerbsfähigen Zugang zu fossilfreiem<br />
Strom zu ermöglichen, um die wirtschaftliche<br />
Wettbewerbsfähigkeit Schwedens zu sichern und<br />
eine industrielle Renaissance zu ermöglichen.<br />
Zugleich soll mit dem Ausbau der Kernenergie den<br />
An<strong>for</strong>derungen der – klimapolitisch bedingten –<br />
Elektrifizierung entsprochen werden, die nach Einschätzung<br />
der Regierung zu einer Verdoppelung des<br />
Strom verbrauchs bis 2045 führen wird. Schweden<br />
möchte mit der Erneuerung der Kernenergie so viel<br />
sauberen Strom wie möglich erzeugen, wieder zu<br />
einer führenden Kernkraftnation werden und ein<br />
Treiber des grünen Wandels im Westen sein,<br />
wie Energie- und Industrieministerin Ebba Busch<br />
erklärte.<br />
Als konkrete Maßnahme zur Beschleunigung des<br />
neuen Kernenergieprogramms wird ein Kernenergiekoordinator<br />
benannt werden, der die Beseitigung<br />
von Hindernissen unterstützen wird und die Realisierung<br />
neuer Kernenergie erleichtern soll. Da zur<br />
Umsetzung der Kernenergie-Roadmap eine Zusammenarbeit<br />
aller Beteiligten er<strong>for</strong>derlich ist, wird der<br />
Koordinator alle relevanten Parteien in die Arbeit<br />
einbeziehen. Darüber hinaus soll der Koordinator<br />
den Bedarf für zusätzliche Maßnahmen ermitteln.<br />
Weitere Maßnahmen in der Kernkraft-Roadmap sind<br />
Investitionen in die Kernenergie<strong>for</strong>schung und<br />
Kompetenzentwicklung bei den Behörden sowie<br />
verstärkte internationale Zusammenarbeit und<br />
Untersuchungen über Möglichkeiten der Genehmigungsvereinfachung.<br />
Die Arbeit an der künftigen<br />
Gestaltung des Strommarktes soll mit der Arbeit am<br />
Ausbau der Kernenergie koordiniert werden.<br />
Zur Unterstützung der Finanzierung neuer Kernkraftprojekte<br />
soll eine staatliche Kreditgarantie in<br />
Höhe von 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden.<br />
Da die Regierung dies allein als nicht ausreichend für<br />
den Anschub von Kernkraftinvestitionen betrachtet,<br />
soll ein Risikoteilungsmodell entwickelt werden, bei<br />
dem sich der Staat am finanziellen Projektrisiko<br />
beteiligt. Finanzministerin Elisabeth Svantesson<br />
begründete das finanzielle Engagement des Staates<br />
mit dem Hinweis darauf, dass die vergangenen Jahre<br />
gezeigt hätten, wie teuer es sei, auf Kernkraft zu verzichten.<br />
Schweden hatte 2016 und 2017 die Kernkraftwerke<br />
Oskarshamn-2 bzw. Oskarshamn-1<br />
sowie Ende 2019 bzw. Ende 2020 die Kernkraftwerke<br />
Ringhals-2 und Ringhals-1 abgeschaltet.<br />
Insbesondere die letzten beiden Abschaltungen<br />
hatten zu einer signifikanten Angebotsverknappung<br />
auf dem (süd-)schwedischen Strommarkt und<br />
infolgedessen zu häufigen Situationen mit hohen<br />
Strompreisen geführt.<br />
Das konkrete Ziel soll die Errichtung von Kernkraftkapazität<br />
im Umfang von zwei Großreaktoren oder<br />
mindestens 2.500 MW bis 2035 sein. Bis 2025 soll es<br />
einen entsprechenden Genehmigungsantrag geben,<br />
über den möglichst in 2026 entschieden werden soll.<br />
Dies deckt sich mit den aktuellen Aktivitäten um den<br />
Standort Ringhals, wo Vorbereitungen für den Neubau<br />
von zwei Kraftwerksblöcken mit rund 2.800 MW<br />
Leistung getroffen werden, wie in der KTG-Fachinfo<br />
16/2023 berichtet. In längerfristiger Perspektive<br />
fossilfreier Stromerzeugung und Energieversorgung<br />
durch Elektrifizierung soll bis 2045 ein Ausbau<br />
realisiert werden, der dem Äquivalent von 10 großen<br />
Kernkraftwerksblöcken entspricht. Die tatsächliche<br />
Menge und Art benötigter Reaktoren hängt dabei<br />
vom Ausbau des Elektrizitätssystems, der technologischen<br />
Entwicklung und der künftigen Verteilung<br />
von neuen Verbrauchs- und Produktionsstandorten<br />
im Land ab.<br />
Vol. 69 (2024)
64<br />
KTG-Fachinfo<br />
Die schwedische Regierung weist der Kernenergie<br />
eine zentrale Rolle nicht nur für die Klimapolitik,<br />
sondern generell für die zukünftige erfolgreiche<br />
Entwicklung des Landes mit einem stabilen und<br />
verlässlichen Elektrizitätssystem sowie einer wettbewerbsfähigen<br />
industriellen Wirtschaft zu. Man<br />
darf dabei daran erinnern, dass Schweden in den<br />
siebziger und achtziger Jahren die schnellste<br />
Ausbaurate der Kernenergiestromerzeugung pro<br />
Kopf in der Welt realisieren konnte, noch vor<br />
Frankreich.<br />
Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />
Nicolas Wendler<br />
KTG-Fachinfo 17/2023 vom 09.11.2023:<br />
Europäische SMR-Industrieallianz<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />
der KTG, im Rahmen des European <strong>Nuclear</strong> Energy<br />
Forum am 6. und 7. November 2023 in Bratislava<br />
hat die Europäische Kommission auf der Veranstaltung<br />
„European SMR Partnership – the Way<br />
<strong>for</strong>ward“ und vertreten durch die Energiekommissarin<br />
Kadri Simson die Schaffung einer EU SMR-<br />
Industrieallianz angekündigt, die sich auf den Einsatz<br />
der SMR- Technologie sowie den Aufbau der Lieferkette<br />
und eines kompetenten Arbeitskräftepotentials<br />
konzentrieren soll. Die SMR-Industrieallianz<br />
steht dabei im Zusammenhang mit dem<br />
generellen Beitrag der Kernenergie zur Energiesicherheit<br />
und Wettbewerbsfähigkeit sowie zu<br />
ambitionierten Klimazielen und soll insbesondere<br />
zum Ziel euro päischer Führerschaft in Technologie<br />
und Industrie und damit auch zur strategischen<br />
Unabhängigkeit Europas beitragen. Die Industrieallianz<br />
soll Anfang kommenden Jahres eingerichtet<br />
werden.<br />
Die SMR-Industrieallianz gründet dabei auf die<br />
Vorarbeit einer europäischen SMR-Vorpartnerschaft,<br />
die mit einem EU SMR-Workshop im Juni<br />
2021 angestoßen wurde und an der insbesondere<br />
die Vereinigung SNETP (Sustainable <strong>Nuclear</strong> Energy<br />
Technology Plat<strong>for</strong>m) beteiligt war. Bei den Vorarbeiten<br />
zur EU SMR-Partnerschaft wurde im<br />
Januar 2022 ein Steuerungskomitee eingerichtet, das<br />
im Juli fünf Berichte zu den Themen Marktintegration<br />
und Errichtung, Genehmigung, Finanzierung<br />
und Partnerschaften, Entwicklung der Lieferketten<br />
sowie Innovation, Forschung und Entwicklung<br />
vorgelegt hat. Darin wird davon ausgegangen, dass<br />
bis 2035 2 bis 5 GW und bis 2040 rund 20 GW SMR-<br />
Kapazität in der EU installiert sein werden.<br />
Die SMR-Industrieallianz soll sich auf vier Schlüsselbereiche<br />
konzentrieren:<br />
⁃ Marktanreize: die Bedürfnisse der energieintensiven<br />
Industrien angehen und die Lösungsmöglichkeiten<br />
durch SMR aufzeigen.<br />
⁃ SMR Finanzierung: Kostenteilungsmöglichkeiten<br />
und finanzielle Unterstützung für einzelne<br />
Projekte ermitteln.<br />
⁃ Sicherstellen, dass die Nuklearindustrie gut<br />
gerüstet ist: dazu gehören die Stärkung von<br />
Aus- und Weiterbildung, um ein kompetentes<br />
Arbeitskräftepotential bereit zu stellen und die<br />
Erhöhung der Beteiligung von EU-Lieferketten<br />
in der Entwicklung von SMR.<br />
⁃ Unterstützung für Innovation, Forschung und<br />
Entwicklung (I, F+E): Identifizierung der Bedürfnisse<br />
um relevante I, F+E Programme und<br />
Einrichtungen bereit zu stellen.<br />
Am 26. Oktober fand ein Stakeholder<strong>for</strong>um zur<br />
EU-SMR-Vorpartnerschaft statt, in dem neben dem<br />
Bericht über den Stand der Aktivitäten und einem<br />
Einblick in die Arbeit der Finanzierungs-AG über<br />
folgende Themen diskutiert wurde:<br />
⁃ Entwicklung von Vorlagen für die Ausarbeitung<br />
von Kosten- und Risikoteilungsmechanismen<br />
bis zur erfolgreichen Errichtung der ersten Einheiten.<br />
⁃ Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden<br />
derjenigen Länder, die eine Serie<br />
identischer SMR installieren wollen sowie<br />
Möglichkeiten zur Ausführung von Sicherheitsbewertungen<br />
durch verstärkten Austausch<br />
zwischen den Aufsichtsbehörden unter Beibehaltung<br />
ihrer souveränen Verantwortlichkeit.<br />
⁃ Fähigkeit der Lieferkette zur Bewältigung der<br />
erhöhten Arbeitsbelastung bei Fertigung und<br />
Errichtung unter Einbeziehung verschiedener<br />
europäischer Anbieter mit vergleichbarer industrieller<br />
Vorgehensweise und Praxis.<br />
⁃ Befähigung der F+E Kapazitäten zum Füllen der<br />
technologieabhängigen Wissenslücken und zur<br />
Bereitstellung von Bausteinen für Sicherheitsnachweise<br />
und der Leistungsfähigkeit von SMR.<br />
EU-Energiekommissarin Kadri Simson bekräftigte<br />
bei ihrer Rede auf dem ENEF (European <strong>Nuclear</strong><br />
Energy Forum) die Einrichtung der SMR-Industrieallianz<br />
in den kommenden Monaten mit Beteiligung<br />
der Europäischen Kommission, der Industrie,<br />
der Forschung und der Aufsichtsbehörden. Sie<br />
berichtete von Fortschritten bei einer von Russland<br />
unabhängigen Beschaffung von Brennstoff für<br />
Reaktoren sowjetischen/russischen Typs, sah aber<br />
noch Heraus<strong>for</strong>derungen in den Bereichen Service,<br />
Instandhaltung, Komponenten und Systeme. Simson<br />
erklärte, dass zur Aufrechterhaltung der installierten<br />
Ausgabe 1 › Januar
KTG-Fachinfo<br />
65<br />
Kapazität an Kernenergie bis 2050 in der EU Investitionen<br />
in Höhe von 350 bis 450 Milliarden Euro<br />
notwendig seien.<br />
Der Verband der europäischen Elektrizitätswirtschaft,<br />
eurelectric, hat am 8. November ein Positionspapier<br />
zur Rolle von SMR zur Erreichung klimapolitischer<br />
Ziele veröffentlicht. Darin werden SMR<br />
als Ergänzung zu großen Kernkraftwerken insbesondere<br />
vor dem Hintergrund der Steigerung der<br />
Stromerzeugung in der EU von 3.064 TWh in 2020<br />
auf 5.791 TWh in 2040 als Bestandteil eines Net-<br />
Zero-Ansatzes hervorgehoben.<br />
Eurelectric geht davon aus, dass künftige SMR<br />
mit einer hohen Flexibilität gut für die Integration<br />
erneuerbarer Energien und die Bereitstellung von<br />
Netzdienstleistungen geeignet sein werden. Auch<br />
die Möglichkeit einer Umrüstung bestehender<br />
Standorte thermischer Kraftwerke, insbesondere<br />
von Kohlekraftwerken, wird – auch mit Blick auf die<br />
bestehende Netztopographie – als ein Vorteil und<br />
möglicher Einsatzbereich von SMR angesprochen.<br />
SMR werden wegen ihrer geringen marginalen<br />
Erzeugungskosten auch als Stütze der Elektrifizierung<br />
bei Raumwärme und im Verkehr betrachtet.<br />
Dazu treten Anwendungsmöglichkeiten jenseits der<br />
Erzeugung von Strom für das Versorgungsnetz etwa<br />
in der Fernwärmeerzeugung und in der Bereitstellung<br />
von Wärme und Strom zur Dekarboni sierung<br />
industrieller Prozesse an deren Standorten.<br />
Eurelectric <strong>for</strong>dert die Schaffung eines wettbewerbsfähigen<br />
europäischen SMR-Marktes mit europäisch<br />
integrierten Lieferketten, standardisierten nuklearen<br />
und nicht-nuklearen Komponenten sowie harmonisierten<br />
Genehmigungen durch Kooperation der<br />
Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden.<br />
Eurelectric spricht sich für die technologieneutrale<br />
Gleichbehandlung aller Netto-Null-Technologien in<br />
der EU aus und begrüßt die Aufnahme von Nukleartechnologien<br />
in den Net-Zero Industry Act (NZIA)<br />
durch das Europäische Parlament. Diese Technologieneutralität<br />
soll sich auch auf die Finanzierung und<br />
Marktregulierung erstrecken. Der Verband <strong>for</strong>dert<br />
die EU-Kommission auf, eine EU-Kommunikationsstrategie<br />
für die Umwandlung von Kohlestandorten<br />
in SMR-Standorte zu entwickeln, um eine breite<br />
öffentliche Akzeptanz zu erreichen.<br />
Bei Entwicklung und Bewertung von SMR-Technologie<br />
können deutsche Forschungseinrichtungen<br />
sowie hiesige Unternehmen bzw. Standorte wertvolle<br />
Beiträge leisten, nicht nur im Sinne der quantitativen<br />
Verstärkung der Kapazitäten, sondern wegen<br />
des hohen Kompetenzniveaus und der vorhandenen<br />
Infrastruktur auch im Sinne eines qualitativen<br />
Beitrags zu einer industriellen und technologischen<br />
Führungsposition der EU. Mutatis mutandis gilt das<br />
auch für die Realisierung von Projekten und die<br />
Bereitstellung von Kapazität für Fertigung und<br />
Errichtung von SMR im kommenden Jahrzehnt.<br />
Wenn man annimmt, dass bei 60 Kalenderjahren<br />
Betrieb bis 2050 rund 85 GW von 100 GW heute<br />
in der EU installierter Kernkraftkapazität ersetzt<br />
werden muss und der Kernenergieanteil bei<br />
durch Elektrifizierung/Dekarbonisierung um 55 bis<br />
95 Prozent steigendem Strombedarf (IEA, eurelectric<br />
2023) gleichbleibt, dann dürften die Gesamtinvestitionen<br />
im Kernenergiesektor der EU noch<br />
deutlich über der Schätzung der EU-Kommission<br />
liegen und einen erhebliches Wachstum des Sektors<br />
auch in Deutschland er<strong>for</strong>dern.<br />
Zugleich muss man festhalten, dass die Markteinführung<br />
von SMR neben den weiterhin sinnvollen<br />
und auch wettbewerbsfähigen großen Kernkraftwerkseinheiten<br />
kein Selbstläufer sein wird. Gerade<br />
wurde in den Vereinigten Staaten ein wichtiges<br />
Pilotprojekt, die Errichtung einer SMR-Anlage mit<br />
sechs modularen Einheiten von NuScale <strong>Power</strong><br />
durch den kommunalen Versorgerzusammenschluss<br />
Utah Associated Municipal <strong>Power</strong> Systems<br />
(UAMPS) beendet, weil nach Kostensteigerungen<br />
von 53 Prozent die Schwelle von 80 Prozent teilnehmender<br />
UAMPS-Partner nicht erreicht werden<br />
konnte. Dies könnte auch auf ein geplantes rumänisches<br />
sowie mögliche polnische Projekte Auswirkungen<br />
haben.<br />
Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />
Nicolas Wendler<br />
KTG-Fachinfo 16/2023 vom 02.11.2023:<br />
Jüngste Entwicklungen<br />
im europäischen Neubaumarkt<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />
der KTG, in den vergangenen Tagen hat es einige<br />
weitere Entwicklungen im europäischen Kernkraft-<br />
Neubaumarkt gegeben, nachdem es bereits in<br />
den Wochen zuvor eine Vertragsunterzeichnung<br />
über das standortspezifische Design des ersten<br />
polnischen Kernkraftwerks, weitere Bewerbungen<br />
für ein von den Vereinigten Staaten gefördertes<br />
nukleares Konversionsprogramm für Kohlekraftwerksstandorte<br />
in Mittel- und Osteuropa sowie eine<br />
Entscheidung über die finale Auswahlrunde für SMR-<br />
Projekte im Vereinigten Königreich gegeben hat.<br />
Vol. 69 (2024)
66<br />
KTG-Fachinfo<br />
In Bulgarien hat die Regierung am 25. Oktober<br />
beschlossen, einen weiteren Block am Standort<br />
Kozloduy mit einem AP1000 von Westinghouse zu<br />
errichten sowie den Energieminister zu beauftragen,<br />
einen Vertrag zum Bau des ersten AP1000 am Standort<br />
auszuhandeln. Am Standort Kozloduy befinden<br />
sich vier abgeschaltete Blöcke sowjetischer Bauart<br />
mit zusammen 1.760 MW Bruttoleistung sowie<br />
zwei Blöcke VVER-320 mit je 1.040 MW Bruttoleistung,<br />
die 1989 bzw. 1993 in Betrieb gegangenen<br />
sind. Die beiden neuen Blöcke mit rund 2.200 MW<br />
Leistung sollen die in den Nuller-Jahren abgeschalteten<br />
440-MW-Blöcke ersetzen und mit ihrer<br />
besseren Lastfolgefähigkeit zu einer verbesserten<br />
Netz regelung beitragen, wie sie durch den Ausbau<br />
volatiler erneuerbarer Energien er<strong>for</strong>derlich ist.<br />
Am 31. Oktober hat Elektrárna Dukovany II (EDU II),<br />
eine Tochter des tschechischen Energieversorgers<br />
CEZ, die endgültigen Bewerbungen auf die Ausschreibung<br />
des Kernkraftwerksprojektes Dukovany<br />
II erhalten.<br />
Als Bewerber im Verfahren verblieben sind EDF mit<br />
einem modifizierten EPR mit 1.200 MW Leistung,<br />
KHNP mit einem APR1000, eine mit Technologie<br />
des aus dem Projekt Barakah bekannten APR1400<br />
weiter entwickelte Version des in Südkorea betriebenen<br />
OPR1000 mit rund 1.000 MW Leistung<br />
sowie Westinghouse mit dem AP1000. Für das Projekt<br />
eines neuen Kernkraftwerksblocks in dieser Leistungsklasse<br />
liegt bereits eine positiv abgeschlossene<br />
Umweltverträglichkeitsprüfung sowie<br />
eine Standortgenehmigung vor. Derzeit läuft eine<br />
nach tsche chischem Baurecht er<strong>for</strong>derliche so<br />
genannte Zoning Procedure für u. a. Abwasserleitungen,<br />
Stromleitungen und Zubringerstraßen. Die<br />
Entscheidung über den Lieferanten in der seit<br />
März 2022 laufenden Ausschreibung wird für<br />
Februar 2024 erwartet, der Bau soll 2029 und die<br />
Inbetriebsetzung 2036 beginnen. Am Standort<br />
Dukovany laufen derzeit vier VVER V-213 mit<br />
zusammen 2.000 MW Bruttoleistung, die zwischen<br />
1985 und 1987 in Betrieb gegangen sind.<br />
bevorstehende Genehmigungsanträge bei der<br />
Strahlenschutzbehörde und dem Land- und Umweltgericht<br />
dienen.<br />
Vattenfall strebt eine Netzsynchronisation für 2032<br />
an. Am Standort Ringhals befinden sich derzeit zwei<br />
Reaktorblöcke mit zusammen 2.288 MW Bruttoleistung<br />
in Betrieb, die 1981 bzw. 1983 in Betrieb<br />
gegangen sind. Zwei weitere Blöcke mit zusammen<br />
1.873 MW Bruttoleistung wurden Ende 2019 bzw.<br />
Ende 2020 abgeschaltet.<br />
Diese Entwicklungen der vergangenen Tage und<br />
Wochen in verschiedenen Ländern West-, Nord-,<br />
Mittel- und Osteuropas zeigen eindrücklich, dass die<br />
Rückbesinnung auf die Kernenergie im Spannungsfeld<br />
von Klimapolitik, Energieunabhängigkeit und<br />
wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit deutlich<br />
Fahrt aufnimmt und Kernkraftwerke auch in entwickelten<br />
Volkswirtschaften ihren langfristigen<br />
Platz im Energiemix haben. Damit einher geht eine<br />
positive Perspektive für die kerntechnische Wirtschaft<br />
in ganz Europa und natürlich auch in Deutschland.<br />
Das ist eine schöne Botschaft, die möglichst<br />
weite Verbreitung verdient, gerade auch für junge<br />
Menschen, die überlegen, welche Wege in Bildung<br />
und Beruf für sie die richtigen sein könnten.<br />
Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />
Nicolas Wendler<br />
In Schweden hat Vattenfall am 1. November einen<br />
Planungsbescheid zur Ausarbeitung eines geänderten<br />
Detailplanes für den Standort Ringhals<br />
beantragt, um dort den Bau neuer Kernkraftwerksblöcke<br />
zu ermöglichen. Seit dem Frühjahr wird an<br />
einer Umweltverträglichkeitserklärung gearbeitet,<br />
und seit dem Sommer läuft ein Anfrageprozess an<br />
Reaktorlieferanten. Die Vorstudie für die Neubauten<br />
mit einer Leistung von 2.800 MW soll bis Jahresende<br />
abgeschlossen sein und dann als Grundlage für<br />
Ausgabe 1 › Januar
Vor 66 Jahren<br />
67<br />
Das Atomprogramm muss verwirklicht<br />
werden<br />
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KTG Inside<br />
73<br />
Nachwuchstagung 2023<br />
Bericht zur Nachwuchstagung 2023<br />
der Jungen Generation<br />
Am 14. und 15. November<br />
fand die diesjährige Nachwuchstagung<br />
der Jungen<br />
Generation der KTG bei der<br />
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit<br />
(GRS) in Garching<br />
bei München statt. Der Fokus der<br />
Nachwuchstagung lag dieses Jahr<br />
auf den Themen Kernfusion und<br />
Forschungsreaktoren in Deutschland.<br />
Das Ziel der Tagung war es,<br />
jungen Interessenten aus ganz<br />
Deutschland die Perspektiven<br />
aufzuzeigen, die es trotz des<br />
Abschaltens der letzten Leistungsreaktoren<br />
im April sowohl<br />
in der Forschung als auch in<br />
der Industrie noch gibt. In diesem<br />
Zusammenhang war es besonders<br />
erfreulich, zahlreiche Referenten aus unterschiedlichsten<br />
Bereichen der Kerntechnik willkommen<br />
zu heißen.<br />
Als erste Referenten hielten Joachim Herb und<br />
Jan Soedingrekso (beide GRS) Fachvorträge zu<br />
den Themen Lizensierung von Fusionskraftwerken<br />
sowie <strong>for</strong>tschrittliche Sicherheitsanalysen. Dabei<br />
wurden zum einen die unterschiedlichen Fusionskonzepte<br />
vorgestellt, die sowohl in Deutschland als<br />
auch im Ausland entwickelt und umgesetzt werden.<br />
Zum anderen wurden tagesaktuelle Themen wie<br />
die Nutzung von künstlichen Intelligenzen (KI) für<br />
Sicherheitsanalysen diskutiert, die auch im kerntechnischen<br />
Bereich an Bedeutung gewinnen. Eine<br />
anschließende Führung in Kleingruppen durch das<br />
Centre <strong>for</strong> Advanced Laser Applications (CALA), wo<br />
mithilfe von Lasertechnologie in Bereichen wie<br />
Medizin und Kernfusion ge<strong>for</strong>scht wird, brachte<br />
spannende Einblicke in einen Teilbereich der Fusions<strong>for</strong>schung.<br />
Im Anschluss stellte Heike Freund,<br />
COO von Marvel Fusion, zukünftige Pläne und Herangehensweisen<br />
vor, die Nutzung der Kernfusion zur<br />
Stromerzeugung zu realisieren. Erfolge und er reichte<br />
Meilensteine zeigten, dass man sich auf einem<br />
vielversprechenden Weg befände, den es durchaus<br />
weiterzuverfolgen lohnt. Dass die Fusions<strong>for</strong>schung<br />
Gruppenfoto am FRMII (© FRM II TUM)<br />
gerade in Deutschland sehr ernst genommen wird,<br />
zeigte auch die letzte Exkursion des ersten Tages<br />
zum Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in<br />
Garching. Dort konnten die Teilnehmer der Tagung<br />
mit der Fusionsanlage ASDEX Upgrade vom Typ<br />
Tokamak eine der größten in Betrieb befindlichen<br />
deutschen Versuchsanlagen zur Entwicklung von<br />
Fusionsreaktoren besichtigen.<br />
Den zweiten Tagungstag eröffnete Herr Vitaly Ivenin<br />
(GRS) mit dem aktuellen Thema Sicherheit ukrainischer<br />
Kernkraftwerke während des Krieges und<br />
ging damit auch auf aktuelle Gefährdungen und<br />
Probleme ein, die die Kampfhandlungen für die<br />
nukleare Sicherheit in der Ukraine mit sich bringen.<br />
In diesem Kontext thematisierte er auch den Beitrag<br />
der GRS auf diesem Gebiet hinsichtlich der Kommunikation<br />
von In<strong>for</strong>mationen gegenüber einer breiten<br />
Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Kriegsgeschehens<br />
auf die Sicherheit der nuklearen Einrichtungen.<br />
Herr Jie Liu präsentierte im Anschluss das<br />
Thema seiner Promotionsarbeit, die der Fehlerdiagnose<br />
basierend auf Methoden des maschinellen<br />
Lernens für Kernkraftwerke gewidmet ist. Passend<br />
zur dritten Exkursion der Nachwuchstagung, die die<br />
Teilnehmer zum Forschungsreaktor FRM II führte,<br />
referierte Florian Jeschke (TUM) über die besonderen<br />
Vol. 69 (2024)
74<br />
<br />
KTG Inside<br />
Brennelemente des FRM II und deren fachgerechte<br />
Entsorgung. Dafür stellte er den dafür vorgesehenen<br />
Transport- und Lagerbehälter CASTOR® MTR3 vor,<br />
der später auch bei der Exkursion zu sehen war.<br />
Weiterhin stellte Lars Rinn mit eindrücklichen Videoaufnahmen<br />
die Arbeit der Siempelkamp NIS beim<br />
Rückbau von Reaktordruckbehältern vor. Einen<br />
weiteren Weg, im Bereich der Kerntechnik tätig zu<br />
werden, zeigte Cord Lehmann von der Friotherm-<br />
Gruppe. Dabei wurde der Einsatz von Kältemaschinen<br />
vorgestellt, die für den Einsatz in<br />
Kernkraftwerken besonders hohe An<strong>for</strong>derungen<br />
erfüllen müssen.<br />
sich alle Beteiligten für eine zusammenfassende<br />
Diskussion zusammen, wobei verbliebene offene<br />
Fragen beantwortet wurden. Unser Dank gilt allen<br />
Teilnehmern, Referenten sowie der TUM, dem IPP<br />
und CALA für die großartigen Führungen durch ihre<br />
Anlagen. Ein besonderer Dank gilt außerdem der GRS<br />
als Gastgeber der Tagung. Nach vielen positiven<br />
Rückmeldungen freuen wir uns bereits auf eine rege<br />
Teilnahme an der nächsten Nachwuchstagung 2024.<br />
Elvira Martynov<br />
Vorstandsmitglied der Jungen Generation der KTG e.V.<br />
Einen weiteren Höhepunkt der Nachwuchstagung<br />
stellte die Führung durch den Kontrollbereich des<br />
FRM II dar, bei der die Experimentier- und Neutronenleiterhalle<br />
sowie das Brennelementlagerbecken<br />
besichtigt werden konnten. Zum Abschluss fanden<br />
Liebe KTG-Mitglieder,<br />
ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende zu. Vielen von<br />
uns wird es ähnlich gehen: alles scheint sich ständig<br />
„schneller zu drehen“ und man hat kaum mehr Zeit<br />
zum Innehalten.<br />
Mit der Kerntechnik in Deutschland ist es leider<br />
genau andersherum. Wir haben in Deutschland –<br />
politisch motiviert – nunmehr auch die letzten<br />
Kernkraftwerke abgeschaltet. Zugleich können wir<br />
feststellen, dass der internationale und europäische<br />
Trend in eine ganz andere Richtung geht: Zusätzlich<br />
zu zahlreichen Neubauinitiativen und Projekten, die<br />
in Europa angeschoben werden, hat sich in der EU<br />
eine „Nuklearallianz“ zur Stärkung der Kernenergie<br />
gebildet und findet die Kernenergie nach der wegweisenden<br />
Taxonomie-Entscheidung von 2022 auch<br />
in immer mehr anderen europäischen Gesetzgebungs<br />
verfahren positive Anerkennung. Zuletzt hat<br />
sich auf der Weltklimakonferenz in Dubai eine<br />
Gruppe von 22 Staaten klar zu einem massiven<br />
weltweiten Ausbau der Kernkraft als unerlässlichem<br />
Beitrag zur Klimapolitik bekannt.<br />
deutsche Weg schwer nachzuvollziehen. Die internationale<br />
Entwicklung dagegen gibt uns Anlass<br />
zu Optimismus und Kraft, zu einem neuen Aufbruch<br />
in der Kerntechnik auch aus Deutschland heraus<br />
beizutragen.<br />
Wir werden uns weiterhin für die Kerntechnik in<br />
Deutschland einsetzen, sachliche In<strong>for</strong>mationen<br />
bereitstellen, Diskussions<strong>for</strong>en und Veranstaltungen<br />
anbieten und jungen Menschen die Attraktivität der<br />
Branche darlegen.<br />
Wir danken Ihnen für die Mitgliedschaft<br />
und Unterstützung der KTG und<br />
wünschen Ihnen besinnliche Feiertage<br />
und einen guten Start ins neue Jahr.<br />
Ihr KTG-Vorstand<br />
Für uns als KTG‘ler, die die „Faszination Kerntechnik“<br />
verbindet, die in allen Bereichen der kerntechnischen<br />
Branche tätig sind oder waren und die um die<br />
Leistungsfähigkeit der Kerntechnik wissen, ist der<br />
Ausgabe 1 › Januar
KTG Inside<br />
75<br />
Die KTG gratuliert an dieser Stelle unseren besonderen Jubilaren ab und<br />
in ihren „ Neunzigern“. Wir danken für die lange und treue Mitgliedschaft<br />
in der KTG und wünschen noch viele glückliche Lebensjahre.<br />
Inside<br />
Februar 2024<br />
90 Jahre | 1934<br />
9. Dr. Horst Keese<br />
Rodenbach<br />
12. Dipl.-Ing. Horst Krause<br />
Radebeul<br />
März 2024<br />
93 Jahre | 1934<br />
25. Dr. Hans-Ulrich Borgstedt,<br />
Karlsruhe<br />
Herzlichen Glückwunsch!<br />
Die KTG gratuliert ihren Mitgliedern sehr herzlich zum Geburtstag<br />
und wünscht ihnen weiterhin alles Gute!<br />
Februar 2024<br />
35 | 1989<br />
19. Brauer Christian, Radbruch<br />
45 | 1979<br />
2. Dipl.-Ing. Giulio Malinverno, Como/IT<br />
12. Stephanie Gottstein, Crinitzberg<br />
60 | 1964<br />
5. Dipl.-Ing. Lutz Föllner, Altdorf<br />
71 | 1953<br />
3. Dr. Reinhard Knappik, Dresden<br />
72 | 1952<br />
22. Dr. Paul David Bottomley,<br />
Pfinztal-Kleinsteinbach<br />
74 | 1950<br />
12. Karl-Heinz Durst, Hessdorf<br />
75 | 1949<br />
4. Gerhard Gradel, Forchheim<br />
10. Siegfried-P. Kaufmann, Linnich<br />
76 | 1948<br />
7. Dr. Hans-Hermann Remagen, Brühl<br />
14. Reinhold Rothenbücher, Erlangen<br />
23. Dr. Rudolf Görtz, Salzgitter<br />
29. Dr. Anton von Gunten,<br />
Oberdiessbach/CH<br />
79 | 1945<br />
1. Prof. Alfred Voß, Stuttgart<br />
23. Dipl.-Ing. Victor Teschendorff, München<br />
28. Dr. Günther Dietrich, Holzwickede<br />
80 | 1944<br />
26. Dr. Ivar Kalinowski, Ohrum<br />
81 | 1943<br />
5. Dr. Joachim Banck, Heusenstamm<br />
20. Ing. Leonhard Irion, Rückersdorf<br />
28. Dr. Klaus Tägder, Sankt Augustin<br />
82 | 1942<br />
22. Dr. Cornelis Broeders, Linkenheim<br />
84 | 1940<br />
9. Dr. Gerhard Preusche, Herzogenaurach<br />
13. Dr. Hans-Ulrich Fabian, Gehrden<br />
85 | 1939<br />
8. Dr. Herbert Spierling, Dietzenbach<br />
22. Dr. Manfred Schwarz, Dresden<br />
86 | 1938<br />
15. Dr. Hans-Heinrich Krug, Saarbrücken<br />
87 | 1937<br />
6. Dipl.-Ing. Heinrich Moers,<br />
Winter Park/USA<br />
11. Dr.-Ing. Günter Keil, Sankt Augustin<br />
18. Dipl.-Ing. Hans Wölfel, Heidelberg<br />
88 | 1936<br />
6. Dr. Ashu-Tosh Bhattacharyya, Erkelenz<br />
März 2024<br />
45 | 1978<br />
10. Sven Nothvogel, Bad Vilbel<br />
55 | 1968<br />
20. Thomas Wiese, Ebermannstadt<br />
30. Dr. Heiko Ringel, Gundremmingen<br />
72 | 1951<br />
3. Dipl.-Ing. Günter Müller, Mühlheim<br />
30. Dipl.-Ing. (FH) Adelbert Geßler,<br />
Zusmarshausen<br />
73 | 1950<br />
23. Hans-Dieter Schmidt, Dortmund<br />
74 | 1949<br />
5. Dipl.-Ing. Hans Gawor, Bad Honnef<br />
27. Walter Defren, Heddesheim<br />
75 | 1948<br />
13. Dipl.-Kfm. Jochen Bläsing, Mörlenbach<br />
76 | 1947<br />
6. Dr. Michael Weis, Rödermark<br />
78 | 1945<br />
4. Dr. Bernd Hofmann,<br />
Eggenstein-Leopoldsh.<br />
11. Dr. Ulrich Krugmann, Erlangen<br />
11. Joachim Lange, Burgdorf<br />
20. Dipl.-Ing. mult. Herbert Niederhausen,<br />
Gebhardshain<br />
79 | 1944<br />
2. Dr. Peter Schnur, Hannover<br />
10. Prof. Dr. Reinhard Odoj, Hürtgenwald<br />
80 | 1943<br />
16. Dipl.-Ing. Jochen Heinecke, Kürten<br />
20. Dipl.-Ing. Jörg Brauns, Hanau<br />
81 | 1942<br />
10. Dipl.-Phys. Alfons Scholz, Brühl<br />
83 | 1940<br />
1. Dipl.-Ing. Wolfgang Stumpf, Moers<br />
3. Dipl.-Ing. Eberhard Schomer, Erlangen<br />
7. Dr. Volker Klix, Gehrden<br />
18. Dipl.-Ing. Friedhelm Hülsmann, Garbsen<br />
84 | 1939<br />
1. Prof. Dr. Günter Höhlein, Unterhaching<br />
85 | 1938<br />
4. Dr. Rainer Göhring, Nieblum/Föhr<br />
88 | 1935<br />
2. Dipl.-Ing. Joachim Hospe, München<br />
20. Dr. Jürgen Ahlf, Neustadt in Holstein<br />
Wenn Sie künftig eine Erwähnung Ihres<br />
Geburtstages in der <strong>atw</strong> wünschen, teilen<br />
Sie dies bitte der KTG- Geschäftsstelle mit.<br />
KTG Inside<br />
Lektorat: Kerntechnische Gesellschaft e. V. (KTG), Berliner Straße 88A, 13467 Berlin | E-Mail: info@ktg.org | www.ktg.org<br />
Vol. 69 (2024)
76<br />
<br />
KTG Inside<br />
† Nachruf<br />
Wir haben die traurige Nachricht erhalten, dass<br />
Prof. Dr. Jae-Il Kim<br />
† 3.12.2023<br />
am 03.12.2023 im Alter von 87 Jahren verstorben ist.<br />
Er war von 1991 bis 2002 Direktor des Instituts für Nukleare Entsorgung (INE) am<br />
damaligen Forschungszentrum Karlsruhe (heute KIT). Zuvor bekleidete er<br />
Professuren für Radio- und Nuklearchemie an der TU München und an der KTH<br />
in Stockholm. Lange Zeit war er Mitglied der Kerntechnischen Gesellschaft e.V.<br />
(KTG) und dort Vorstandsmitglied der Sektion „Chemie und Entsorgung“. Seine<br />
Arbeiten zu Themen der Actinidenchemie und des Radionuklidverhaltens unter<br />
den Bedingungen eines Endlagers für radioaktive Abfälle mit Hilfe innovativer<br />
Methoden genießen bis heute große internationale Anerkennung. Bereits 1990<br />
wurde ihm für seine hervorragende wissenschaftliche Arbeit der Karl-Wirtz-Preis<br />
der KTG verliehen.<br />
Prof. Kim war darüber hinaus im In- und Ausland für eine Reihe wissenschaftlicher<br />
Organisationen beratend tätig. Beispielhaft seien seine Mitgliedschaft in der<br />
Reaktorsicherheitskommission (RSK) und seine Beratertätigkeit für den deutschen<br />
Wissenschaftsrat genannt. Seinem Heimatland Südkorea blieb er durch wissenschaftliche<br />
Kooperationen und Beratertätigkeiten immer eng verbunden. Dafür<br />
wurden ihm mehrere Preise, u. a. 1986 der Ehrenpreis des koreanischen Premierministers<br />
und 1995 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Seoul verliehen.<br />
Seine wegweisenden wissenschaftlichen Leistungen und sein stetes<br />
Engagement bei der Förderung junger Wissenschaftler/innen<br />
werden wir nicht vergessen und ihm ein ehrendes Andenken bewahren.<br />
Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.<br />
Im Namen des Karlsruher Institut für Technologie<br />
Prof. Dr. Horst Geckeis und Prof. Dr. Walter Tromm<br />
Ausgabe 1 › Januar
KTG Inside<br />
77<br />
† Nachruf<br />
Dr. Günter Kussmaul<br />
* 26.5.1934<br />
† 13.10.2023<br />
Nach dem Vordiplom an der Universität Karlsruhe, wo er auch ein<br />
erfolgreicher Leichtathlet war, wechselte er zur TU München, um am<br />
Reaktor Garching zu <strong>for</strong>schen. Dort wurde seine Leidenschaft für die<br />
Kernenergie geweckt.<br />
Als Diplom Physiker begann er 1963 seine Arbeit am Institut für Neutronenphysik<br />
und Reaktortechnik im Kern<strong>for</strong>schungszentrum Karlsruhe auf dem Gebiet der<br />
Reaktorsicherheit und der schnellen Brüter. Nach der Promotion ermutigte ihn<br />
das Institut an internationalen Kooperationen teilzunehmen. So kam er mit seiner<br />
jungen Familie für 2 Jahre nach Kali<strong>for</strong>nien, um bei General Electric am SEFOR<br />
Reaktor mitzuarbeiten.<br />
1974 kam er nach Südfrankreich zum Kern<strong>for</strong>schungszentrum Cadarache. Dort<br />
leitete er bis 1988 die deutsche Delegation des internationalen Projekts CABRI.<br />
Diese Zeit war für ihn nicht nur wissenschaftlich prägend, sondern auch durch die<br />
enge Zusammenarbeit mit deutschen, französischen und internationalen Kollegen<br />
bereichernd.<br />
Die Jahre nach der Pensionierung 1996 verbrachte er mit seiner Frau in Manosque,<br />
Südfrankreich. Dort genossen sie das schöne Klima der Provence und die Nähe<br />
zu ihrem Sohn und dessen Familie in Marseille. Sein lebenslanges Interesse an<br />
Naturwissenschaften, Geschichte und Kunst füllte seine Tage. Er unternahm auch<br />
zahlreiche Reisen, insbesondere in die USA, wo er neben Nationalparks den<br />
zweiten Sohn und dessen Familie in Boston besuchen konnte.<br />
Der plötzliche Tod seiner Frau im Jahr 2018 stellte für ihn einen schweren<br />
Verlust dar. Dennoch lebte er bis zuletzt mit Freude und Engagement.<br />
Regelmäßige Treffen mit seiner Familie boten ihm Trost und Erfüllung.<br />
In liebevollem Gedenken<br />
Andreas mit Familie in Boston<br />
Thomas mit Familie in Marseille.<br />
Vol. 69 (2024)
78<br />
Report<br />
<strong>International</strong> Conference on<br />
<strong>Nuclear</strong> Decommissioning 2023<br />
– Rückblick<br />
Wie schon in den vergangenen Jahren veranstaltete das Aachen Institute <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong><br />
Training GmbH (AiNT) auch 2023 wieder die <strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong><br />
Decommissioning (ICOND); eine der wichtigsten Branchentreffs im Bereich des<br />
nuklearen Rückbaus und der Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Zum nunmehr zwölften<br />
Mal wurden auch in diesem Jahr bedeutende Innovationen und aktuelle Entwicklungen von<br />
33 Vortragenden den mehr als 280 Teilnehmenden aus 16 Ländern vorgestellt und gemeinsam<br />
diskutiert. Im Fokus standen dabei nicht nur fachlich/technische, sondern auch gesellschaftlich<br />
und politische Aspekte. An der ICOND 2023 haben sich darüber hinaus zahlreiche<br />
bedeutende Fachunternehmen beteiligt, die ihre Produkte und Dienstleistungen in der<br />
begleitenden Ausstellung präsentierten.<br />
In dem Pre-Conference Workshop am 13. November<br />
2023 präsentierten die Vortragenden ihre aktuellen<br />
Produkte und Dienstleistungen für den nuklearen<br />
Rückbau. Den TeilnehmerInnen wurden dabei<br />
sowohl innovative und hoch anspruchsvolle<br />
Messtechniken als auch Rückbau, Dekontaminations-<br />
sowie Behandlungsverfahren anschaulich<br />
vorgestellt.<br />
Die ICOND wurde fachlich am 14. November 2023<br />
mit dem Themenschwerpunkt Strategien und<br />
Marktentwicklung eröffnet. Als erster Redner<br />
diskutierte Herr Oehr, Geschäftsführer der GNS<br />
Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, die<br />
spannende Frage, ob Deutschland auf dem Weg der<br />
Trans<strong>for</strong>mation vom Erzeugungs- zum Rückbauweltmeister<br />
sei? Seitens der Betreiber stellten<br />
Herr Weiß, Leiter Nukleare Abfallentsorgung bei<br />
PreussenElektra GmbH, und Herr Berben, Leiter<br />
Stilllegung und Management radioaktiver Abfälle<br />
bei ENGIE Electrabel, die Fortschritte in ausgewählten<br />
Rückbauvorhaben vor. Über die aktuellen<br />
Stände der Errichtung und der Abrufvorbereitung<br />
des Endlagers Konrad wurde von Herrn<br />
Dr. Samwer, Leiter Genehmigungen für das Endlager<br />
Konrad der BGE Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />
mbH, referiert. Vor allem bei den deutschen<br />
Betreibern waren die Erwartungen und das<br />
Interesse an diesem Vortrag besonders groß und<br />
die Umsetzung der Festlegungen aus der gehobenen<br />
wasserrechtlichen Erlaubnis führte zu intensiven<br />
Diskussionen. Thematisch wurde der erste<br />
ICOND-Tag von den internationalen Beratern Herr<br />
König von Jacobs Ltd. und Herrn Austin von EnergySolutions<br />
LLC abgerundet, welche die Stilllegung<br />
von kerntechnischen Anlagen in den globalen<br />
Kontext der Energiewende sowie der UN-Nachhaltigkeitsziele<br />
setzten.<br />
Der effektive Austausch und die intensiven Gespräche<br />
wurden beim Conference Dinner im Aachener<br />
Fußballstadion TIVOLI weiter <strong>for</strong>tgesetzt. Bei belgischem<br />
Bier und reichlichen weiteren Delikatessen<br />
klang damit der erste ICOND-Tag in der beeindruckenden<br />
Aachener Stadionatmosphäre erfolgreich<br />
aus.<br />
Der zweite ICOND-Tag gliederte sich in die Themenschwerpunkte<br />
Projektstatus & bewährte Verfahren,<br />
Rückbautechnologien, Innovation & Digitalisierung<br />
und Charakterisierung & Abfallmanagement. Herr<br />
Ausgabe 1 › Januar
Report<br />
79<br />
Kaisanlahti von Fortum <strong>Power</strong> and Heat Oy, Frau<br />
Kallenbach-Herbert von JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft<br />
für Nuklearanlagen mbH sowie Frau<br />
Dr. Pudollek von Nagra fokussierten sich in Ihren<br />
Vorträgen auf die radioaktiven Abfälle sowie auch<br />
auf deren Behandlungs- und Entsorgungsmöglichkeiten.<br />
Herr Kerr von Jacobs Ltd. widmete sich in<br />
seinem Vortrag der Möglichkeit die Stilllegung von<br />
ganzen kerntechnischen Anlagenflotten in einer<br />
Management-Toolbox zu erfassen und zu steuern.<br />
Im zweiten Themenblock an diesem ICOND-Tag<br />
ließen Herr Lerche von Fortum <strong>Power</strong> and Heat Oy<br />
und Herr Delavalle von Veolia <strong>Nuclear</strong> Solutions<br />
die ZuhörerInnen an Ihren Erfahrungen von dem<br />
Einsatz einer Behandlungsanlage für radioaktiv<br />
kontaminierte Flüssigkeiten in Grafenrheinfeld<br />
sowie von Untersuchung, die im Inneren des<br />
primären Sicherheitsbehälters des havarierten<br />
Kernkraftwerks Fukushima Daiichi geplant sind,<br />
teilhaben. Begeisterte für den Einsatz von künstlicher<br />
Intelligenz, state of the art Robotertechniken<br />
zur radiologischen Bewertung und von<br />
D i g it a l i s i e r u n g spr o z e s s e n v on ho c h - k omp l i z i e r te n<br />
nuklearen Stilllegungsvorhaben kamen bei den<br />
Vorträgen von Herrn Gottschalk von Arthur D.<br />
Little Schweiz AG, Herrn Querfurth von Framatome<br />
GmbH und Herrn Owen von Createc Ltd voll auf<br />
ihre Kosten. Spannende Diskussionen ergaben<br />
sich im Anschluss an die Vorträge von Herrn Dr.<br />
Carasco von CEA aus Frankreich, Herrn Dr.<br />
Anthofer von DORNIER <strong>Nuclear</strong> Services GmbH,<br />
Herrn Segurado von EQUANS und Herrn Dr. Keller<br />
von WTI GmbH, welche die Charakterisierung und<br />
das Abfallmanagement thematisierten. Diese und<br />
auch andere Diskussionen wurden bei einem<br />
gemütlichen Get-Together in dem Aussteller bereich<br />
im Anschluss an die Vorträge <strong>for</strong>tgeführt.<br />
Besonders zu erwähnen ist das an diesem Tag stattgefundene<br />
Business-Speed-Networking, bei dem<br />
alle angemeldeten TeilnehmerInnen in kürzester<br />
Zeit sich und seine/ihre Organisation vorstellen<br />
und damit eine Vielzahl von neuen Kontakten<br />
knüpfen konnten.<br />
Am letzten ICOND-Tag wurden die Themenschwerpunkte<br />
Kompetenz & Weiterbildung sowie Reststoffmanagement<br />
& Freigabe behandelt. Herr Dr.<br />
Ungelenk von der GRS gGmbH legte die aktuellen<br />
Möglichkeiten der öffentlichen Förderung von<br />
nuklearen Sicherheits- und Rückbau<strong>for</strong>schungen<br />
anschaulich dar und motivierte diese zu nutzen.<br />
Herr Prof. Dr. Langer von der Fachhochschule<br />
Aachen bewarb in seiner sehr sympathischen Art<br />
das bereits etablierte Studienprogramm der FH<br />
Aachen und offerierte die Möglichkeiten sich hier<br />
bei der Inhaltsfindung und als Dozent einzubringen.<br />
Herr Turpin von HRForecast gab hinsichtlich<br />
neuer Studieninhalte erste Ideen, indem er den<br />
Bedarf an neuen Fähigkeiten für eine erfolgreiche<br />
Stilllegung skizzierte und wie sein Unternehmen<br />
in Kooperation mit AiNT diese umsetzt. Den<br />
Schlusspunkt der Vortragsthemen setzen Frau Dr.<br />
Sliz vom Paul Scherrer Institut, Herr Dr. Brückner<br />
von Safetec GmbH, Herr Dr. van Dillen von RIVM<br />
und Herr Dr. Nitzsche von Brenk Systemplanung<br />
GmbH. Sie alle arbeiteten mit ihren Vorträgen<br />
verständlich heraus, welche Heraus<strong>for</strong>derungen<br />
bestehen, einen radioaktiven Stoff als nichtradioaktiven<br />
Stoff verwenden zu dürfen.<br />
Herr Prof. Dr. Thomauske vom AiNT leitete die<br />
ICOND 2023 ein, regte während der ICOND zu<br />
kontroversen Diskussionen an und verabschiedete<br />
die TeilnehmerInnen am letzten Tag. Dabei<br />
bedankte er sich sehr herzlich bei allen, die den<br />
Weg nach Aachen zur diesjährigen ICOND gefunden<br />
hatten, und wünschte, trotz kurzfristig angesetzten<br />
Bahnstreiks, eine gute und vor allem<br />
sichere Heimfahrt. Er und das gesamte Team des<br />
AiNT freuen sich auf ein Wiedersehen bei der<br />
nächsten ICOND, welche vom 18. bis 21. November<br />
2024 dann zum 13. Mal stattfinden wird.<br />
+ Weiter In<strong>for</strong>mationen zur ICOND sind abrufbar<br />
unter www.icond.de<br />
Vol. 69 (2024)
80<br />
Report<br />
Pressein<strong>for</strong>mation des Planungsteams Forum Endlagersuche – bestehend aus Vertreter:innen<br />
der Institutionen BASE, BGE mbH und NBG sowie aus Kommunen, Wissenschaft, der jungen Generation,<br />
Bürgerschaft und gesellschaftlichen Organisationen<br />
Zweites Forum Endlagersuche:<br />
Öffentlicher Austausch<br />
zum Stand der Suche nach einem<br />
Endlager in Halle an der Saale<br />
Großes Interesse am zweiten Forum Endlagersuche in Halle an der Saale: Am Freitag,<br />
den 17.11.2023, waren 530 Teilnehmer:innen dabei, am Folgetag 296 – je die Hälfte<br />
nahm am Tagungsort in der Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaften<br />
beziehungsweise digital an der zweitägigen Veranstaltung teil. Schwerpunkte des Forums<br />
waren die nächsten Schritte zur Eingrenzung der Teilgebiete und die Möglichkeiten der<br />
Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren. Vieldiskutiert wurde auch der Zeithorizont bei der<br />
Suche nach einem Endlagerstandort. Auch die Wahl der Mitglieder des Planungsteams Forum<br />
Endlagersuche stand auf dem Programm.<br />
Das Forum ist ein zentrales Beteiligungs<strong>for</strong>mat zur<br />
Standortauswahl für das Endlager für hochradioaktive<br />
Abfälle in Deutschland und bestand aus<br />
Diskussionen im Plenum und verschiedenen<br />
Arbeitsgruppen. Zusätzlich gab es zwischen dem<br />
6. und 14. November 2023 zur Vorbereitung und<br />
Vertiefung bestimmter Themen mit Blick auf<br />
das Forum zehn digitale Veranstaltungen zur<br />
Endlagersuche.<br />
In einem Grußwort sagte Bundesumwelt ministerin<br />
Steffi Lemke am 17. November zur Eröffnung<br />
des Forums Endlagersuche in Halle: „Wir dürfen<br />
die langen – zu langen – Zeiträume, bis die hochgefährlichen<br />
Abfälle so sicher wie möglich<br />
verwahrt sind, nicht einfach hinnehmen. Denn<br />
letztlich ist der Zeitfaktor auch ein Sicherheitsfaktor.“<br />
Für das BASE, Veranstalter des Forums in<br />
Zusammen arbeit mit der Bundesgesellschaft für<br />
Endlagerung (BGE) mbH und dem Planungsteam<br />
Forum Endlagersuche, sagte Präsident Wolfram<br />
König: „Das Forum Endlagersuche hat allen<br />
Interessierten eine Platt<strong>for</strong>m geboten, sich offen<br />
über den derzeitigen Stand der Endlagersuche auszutauschen.<br />
Die Randbedingungen haben sich in<br />
den vergangenen Monaten drastisch verändert.<br />
Die Glaubwürdigkeit des Suchverfahrens hängt<br />
maßgeblich davon ab, dass alles getan wird, die<br />
Risiken der radioaktiven Hinterlassenschaften<br />
konsequent zu verringern und möglichst zügig<br />
ein sicheres Endlager zu finden. Dazu braucht<br />
es belastbare Zeitpläne und Meilensteine, die<br />
regelmäßig überprüft und öffentlich diskutiert<br />
werden.“<br />
Der Minister für Wissenschaft und Umwelt von<br />
Sachsen-Anhalt, Professor Armin Willingmann,<br />
eröffnete den zweiten Tag mit einem Video<br />
Grußwort: „Das notwendige Vertrauen in diesen<br />
Prozess, dann in eine in vielen Jahrzehnten anstehende<br />
Entscheidung, wird man nur erzeugen<br />
können, wenn das Verfahren tatsächlich wissenschaftsbasiert<br />
und fair abläuft.“<br />
Johannes Hunger, der im Planungsteam Forum<br />
Endlagersuche die junge Generation vertritt,<br />
sagte: „Im Gespräch mit Bundesumweltministerin<br />
Steffi Lemke wurde ganz deutlich, wie wichtig<br />
die Beteiligung junger Menschen an der Endlagersuche<br />
ist. Wie mit der Erblast der Atomkraft<br />
umgegangen wird, entscheidet sich in den nächsten<br />
Jahren. Die Konsequenzen daraus betreffen<br />
nicht nur meine, sondern auch kommende<br />
Generationen.“<br />
Ausgabe 1 › Januar
Report<br />
81<br />
Bettina Gaebel, als Bürgerin gewählt in das<br />
Planungsteam Forum Endlagersuche sagt: „Das<br />
Bundesumweltministerium hat das Forum Endlagersuche<br />
als zentrales Beteiligungselement in<br />
der Endlagersuche bis zur Einsetzung von<br />
Regional konferenzen bestätigt – und dem neu<br />
gewählten Planungsteam Forum Endlagersuche<br />
mehr Freiheit in seiner Arbeit in Aussicht gestellt.<br />
Die fachlichen Impulse zu dringenden Fragen<br />
der Entsorgung des hochradioaktiven Mülls<br />
werden sowohl im politischen Raum als auch von<br />
Seiten der Akteur:innen Resonanz finden. Ein<br />
zentrales Thema waren der verlängerte Zeitbedarf<br />
für die Endlagersuche und die Eingrenzungsschritte<br />
zu Standortregionen. Vorsichtig optimistisch<br />
stimmen uns die offenen Gespräche,<br />
die zum Thema ,Lernendes Verfahren‘ und Veränderungen<br />
in der Zusammenarbeit geführt<br />
wurden.“<br />
Dr. Thomas Lautsch, Geschäftsführer der<br />
Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)<br />
mbH, würdigte das Engagement insbesondere der<br />
Ehrenamtlichen im Planungsteam Forum Endlagersuche.<br />
Er sagte: „Für die BGE ist der direkte<br />
Austausch mit Wissenschaft und kritischer Öffentlichkeit<br />
enorm wichtig. In den Forumstagen und<br />
dann in Halle sind viele Themen diskutiert worden,<br />
die die kritische Öffentlichkeit auf die Tagesordnung<br />
gesetzt hat. Die BGE braucht den Dialog.<br />
Dadurch werden unsere Arbeitsergebnisse besser.<br />
Ich freue mich sehr darüber, dass das Forum Endlagersuche<br />
so erfolgreich verlaufen ist.“<br />
⁃ Beim Forum Endlagersuche sind folgende Personen<br />
in das PFE gewählt worden, die das dritte<br />
Forum Endlagersuche vorbereiten werden.<br />
⁃ Für die Gruppe der Bürger*innen sind Bettina<br />
Gaebel und Heiko Schaak gewählt.<br />
⁃ Für die Gruppe der Wissenschaft sind Janine<br />
Hauer und Daniel Lübbert gewählt.<br />
⁃ Für die Gruppe der Kommunalen Gebietskörperschaften<br />
sind Eva Bayreuther und Asta<br />
von Oppen gewählt.<br />
⁃ Für die Gruppe der organisierten Zivilgesellschaft<br />
sind Jörg Hacker und Andreas Fox<br />
gewählt.<br />
⁃ Für die Gruppe der Unter-35-Jährigen sind Asta<br />
Haberbosch, Elisa Akansu, Johannes Hunger,<br />
Farras Fathi, Anton Koeller und Maximilian<br />
Hipp gewählt. Damit ist die Gruppe der jungen<br />
Generation deutlich größer als bei der vorhergehenden<br />
Wahl.<br />
Zum Hintergrund<br />
Das Forum Endlagersuche wird vom Planungsteam<br />
Forum Endlagersuche (PFE) gestaltet, in dem<br />
gewählte Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft<br />
mit entsandten Vertreterinnen des Bundesamts für<br />
die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE),<br />
der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und<br />
des Nationalen Begleitgremiums (NBG) zusammenarbeiten.<br />
Im Frühjahr hatte das PFE einen Aufruf<br />
zur Mitgestaltung veröffentlicht, aus dem<br />
83 Programm vorschläge vom Plakat bis zur kompletten<br />
Veranstaltung als Beitrag zu den Forumstagen<br />
und dem Forum Endlagersuche hervorgegangen<br />
sind. Aus diesen Beiträgen hat das PFE<br />
das Forum Endlagersuche und die zugehörige<br />
digitale Veranstaltungsreihe erarbeitet.<br />
Vol. 69 (2024)
82<br />
<br />
WiN Germany<br />
Stärker vernetzt<br />
– Women in <strong>Nuclear</strong> Germany e.V.<br />
Wer kennt Sie nicht, die Situationen im Berufsalltag, in denen in die Runde geschaut<br />
wird bei der Frage: „Hat bei der Firma jemand einen Ansprechpartner?“. Nicht<br />
umsonst sind ebenjene häufig erfolgreicher, die über ein großes Netzwerk<br />
verfügen und sich bei der Frage nach dem Ansprechpartner nicht nur räuspern – genügend<br />
Studien haben dies belegt.<br />
So viel als Einleitung, warum Netzwerken gerade<br />
im beruflichen Kontext kein Selbstzweck ist. Das<br />
eigene Netzwerk geht häufig genug auf etliche<br />
Berufsjahre, Konferenzteilnahmen und Projekttreffen<br />
zurück, und nicht selten ist es gar nicht so<br />
einfach, das eigene Netzwerk mit den jüngeren<br />
Kolleginnen und Kollegen zu teilen, welche eben<br />
noch nicht so viele Begegnungen mit Geschäftspartnern,<br />
Behördenvertretern, Wissenschaftlern<br />
etc. in die Waagschale werfen können. Der Verein<br />
Women in <strong>Nuclear</strong> bietet nicht nur die fachliche<br />
Expertise zum Rückbau oder der Entsorgung<br />
radioaktiver Abfälle, zu EVU’s oder Dienstleistern<br />
(Kommentar: sind die größten Tätigkeitsbereiche<br />
unserer Mitglieder), sondern in alle Bereiche<br />
der kerntechnischen Forschung/ Dienstleistung<br />
aber auch der Weltraum<strong>for</strong>schung oder Nuklearmedizin.<br />
Und für die stetige Entwicklung des Netzwerks<br />
wird einiges geboten: Die digitalen Formate<br />
„ WiNeXpresso“ und „Wissen mit WiN“ bieten Fachvorträge<br />
und Diskussionen in komprimierter Form<br />
für Mitglieder und Gäste. Sie geben einen Überblick<br />
über spezielle Aktivitäten der Branche oder aber<br />
einen detaillierten Blick in sehr spezifische Fachthemen.<br />
Auch der berufliche Lebensweg einer erfolgreichen<br />
Branchenvertreterin oder allgemeine<br />
Entwicklungstipps können auf der Tagesordnung<br />
stehen. Ziel ist stets der Austausch zwischen den<br />
Mitgliedern – im Übrigen nicht ausschließlich,<br />
aber erwartungsgemäß überwiegend Frauen –<br />
und selbstverständlich wird auch die Förderung<br />
des fachlichen Nachwuchses nicht vergessen.<br />
Durch die jährliche Verleihung des WiN Germany<br />
Preises werden Qualifikationsarbeiten an Hochschulen<br />
und Forschungseinrichtungen geehrt,<br />
welche sich mit Themen aus dem gesamten<br />
nuklearen Spektrum befassen.<br />
Die jährliche Mitgliederversammlung (MV) findet<br />
meist an einem kerntechnischen Standort mit<br />
Möglichkeit zur Besichtigung einer kerntechnischen<br />
Einrichtung statt. So war WiN Germany<br />
z.B. in Garching (Atom-Ei), in Lingen (ANF) und in<br />
unterschiedlichen Kraftwerken der Preussen<br />
Elektra und RWE. Dabei kommt der Austausch im<br />
internationalen Umfeld auch nicht zu kurz. Als Teil<br />
des internationales Netzwerkes Women in <strong>Nuclear</strong><br />
Global (mit knapp 35.000 Mitglieder) veranstaltet<br />
WiN Germany e.V. regelmäßige Meetings mit Vertreterinnen<br />
von WiN Schweiz, WiN Schweden und<br />
WiN Finnland.<br />
WiN Germany ist als gemeinnütziger Verein anerkannt.<br />
Bei Interesse an der kostenlosen Mitgliedschaft<br />
können sich Frauen und Männer gerne an<br />
info@win-germany.org wenden. Wir freuen uns<br />
auf Euch!<br />
Dr. Marie Charlotte Bornhöft<br />
Martina Etzmuß<br />
Chantal Wadewitz<br />
Ausgabe 1 › Januar
Report<br />
83<br />
Fachworkshop Zwischenlagerung:<br />
BGZ stellt umfangreiches<br />
Forschungsportfolio vor<br />
Am 21. und 22. November fand in Berlin der dritte Fachworkshop Zwischenlagerung der<br />
BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung des Bundes statt. Bei diesem dritten Workshop<br />
zeigte sich eine sehr dynamische Entwicklung in der Forschung der BGZ. Beim<br />
ersten Workshop 2019 wurden Forschungsbedarf und -themen, Absichten und erste<br />
Konzepte sowie die Vorschläge und Forschung anderer Einrichtungen vorgestellt und die<br />
Grundlagen eines Netzwerks für interdisziplinäre und internationale Forschungszusammenarbeit<br />
gelegt. Beim zweiten Workshop 2021 konnten Überblicksvorträge über die angeschobene<br />
BGZ-Forschung und Fachvorträge von Forschungspartnern über grundsätzliche<br />
Parameter und Fragestellungen bei Themen wie Brennstabintegrität, Hüllrohrverhalten und<br />
Transport nach langer Zwischenlagerungsdauer präsentiert werden.<br />
Beim jüngsten Workshop nun wurde<br />
über mehrere eigene Forschungsprojekte<br />
sowohl durch eigene <strong>for</strong>schende<br />
Mitarbeiter als auch durch<br />
wissenschaftliche Kooperationspartner<br />
berichtet, Zwischen stände<br />
und auch erste Ergebnisse vorgestellt.<br />
Die Themenpalette umfasste<br />
das Verhalten von Transport- und<br />
Lagerbehältern, insbesondere der<br />
Dichtsysteme, den Sachstand hinsichtlich<br />
der häufig diskutierten<br />
Frage einer Behälteröffnung bzw.<br />
eines solchen Programms, die Inventaranalyse<br />
mittels Myonenradiographie,<br />
Wasserstoff diffusion in<br />
Brennstab-Hüllrohren, jüngste Entwicklungen<br />
bei Brennstab-Rechencodes<br />
sowie die Rolle von Benchmarks<br />
bei der Bewertung der<br />
einschlägigen Sachverhalte. Auch<br />
externe Perspektiven wie die des<br />
„Schwesterunternehmens“ in Sachen<br />
Zwischenlagerung, der EWN Entsorgungswerke<br />
Nord und die Behälter<strong>for</strong>schung für die<br />
Endlagerung der Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />
(BGE) wurden einbezogen.<br />
Das Forschungsprogramm der BGZ, ein Update<br />
In seinem Einführungsvortrag „Das Forschungsprogramm<br />
der BGZ, ein Update“ ordnet Dr. Jörn<br />
Becker, Leiter der BGZ-Forschungsabteilung, die<br />
Forschungsaktivitäten der BGZ in den Rahmen<br />
Rund 130 Teilnehmer tauschten sich beim Fachworkshop Zwischenlagerung auf Einladung<br />
der BGZ in Berlin über die Heraus<strong>for</strong>derungen der verlängerten Zwischenlagerung aus.<br />
Foto: BGZ<br />
ihres Auftrages gegenüber der Öffentlichkeit ein.<br />
Becker hält fest, dass Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
auch für die Forschungsabteilung<br />
wichtig seien, und daher auch Mitarbeiter gezielt<br />
für diese Aufgabe eingestellt worden sein. Die Entwicklung<br />
der Forschung zeige, dass der Bedarf<br />
an Forschung und wissenschaftlicher Diskussion<br />
auch in internationaler Kooperation steige. Becker<br />
berichtet, dass die BGZ bei der Arbeit zu Inventarfragen<br />
stärker mit der universitären Forschung<br />
zusammenarbeite und benennt die Kooperation<br />
Vol. 69 (2024)
84<br />
Report<br />
mit der Kerntechnik und der Radiochemie der TU<br />
München als Beispiel. In der Forschung zur<br />
Zwischenlagerung sei zu berücksichtigen, dass<br />
sich der Zeithorizont der Endlagerung verschoben<br />
habe. Allerdings gebe es bei den Arbeiten zum<br />
Alterungsmanagement von Lagerbehältern, die<br />
heute durchgeführt würden, keine grundsätzlichen<br />
Unterschiede zwischen Lagerzeiten von 80,<br />
100 oder 120 Jahren. Becker berichtet, die <strong>International</strong>e<br />
Atomenergie-Organisation habe ein BGZ-<br />
Forschungsprojekt als „area of good per<strong>for</strong>mance“<br />
eingestuft.<br />
Becker beschreibt den sicherheitsorientierten<br />
Forschungsprozess in der Zwischenlagerungs<strong>for</strong>schung<br />
so, dass ausgehend vom Stand von<br />
Wissenschaft und Technik, der Betriebserfahrung,<br />
den Regelwerken und den Genehmigungen, die<br />
Einhaltung der Schutzziele bei Inventar, Behältern<br />
und Gebäuden unter den Bedingungen verlängerter<br />
Zwischenlagerung untersucht und bewertet<br />
werde. Eine herausgehobene Rolle spielten dabei<br />
Forschungen zu wasserstoffbezogenen Prozessen<br />
in Hüllrohrmaterialien. Forschungsprojekte dabei<br />
seien SpizWurZ (Spannungsinduzierte Wasserstoffumlagerung<br />
in Brennstabhüllrohren während der<br />
längerfristigen Zwischenlagerung, Verbundvorhaben<br />
von GRS und KIT), HYDAX (Hydrogen and<br />
Hydrides Distribution in Axial Cladding Direction)<br />
und LEDA (Long-Term Experimental Dry Storage<br />
Analysis). Bei diesem Projekt sei auch die<br />
Kooperation mit dem Paul Scherrer Institut (PSI)<br />
in der Schweiz wichtig.<br />
Als neuer Forschungsbereich sei das Monitoring<br />
und die Bewertung der technischen Nutzungsdauer<br />
von Gebäuden hinzugetreten. Hier habe ein<br />
dreijähriges Verbundvorhaben von TU Braunschweig,<br />
Bundesanstalt für Materialprüfung<br />
(BAM) und GRS zur Bewertung der Zwischenlagergebäude<br />
begonnen. Die Gebäude seien auch in<br />
der Öffentlichkeit oft ein Diskussionsgegenstand,<br />
obwohl diese nicht zur Erfüllung der Schutzziele<br />
beitrügen. Insgesamt hätten sich die Forschungsvorhaben,<br />
an denen die BGZ in der einen oder<br />
anderen Form beteiligt sei, beinahe verdoppelt,<br />
was zeige, dass das BGZ-Forschungsprogramm<br />
sehr vital sei. Dabei sei die fachliche Kooperation<br />
mit der TU München ausgeweitet worden.<br />
Verlängerte Zwischenlagerung bei der EWN<br />
Über „Verlängerte Zwischenlagerung bei der EWN“<br />
berichtet Sebastian Helm von der EWN Entsorgungswerke<br />
Nord. Helm erläutert, dass aus<br />
Sicht des Zwischenlagerbetreibers vor allem das<br />
Er<strong>for</strong>dernis der Genehmigungsverlängerung im<br />
Mittelpunkt stehe, nachdem bei der Endlagerung<br />
ein erheblicher zeitlicher Verzug absehbar<br />
geworden sei. Helm stellt fest, dass bei den Themen<br />
Behälterdichtungen und Schrauben, Moderatormaterial<br />
und Druckschalter keine größeren<br />
Probleme bekannt seien. Die Rückstellkraft der<br />
Metalldichtungen nehme zwar ab, dies habe aber<br />
keine Auswirkungen auf die Dichtigkeit. Die Inventaraktivität<br />
und damit die Bean spruchung des Moderatormaterials<br />
nehme kontinuierlich ab und<br />
könne gut extrapoliert werden. Bei den Druckschaltern<br />
gebe es eine geringe Ausfallrate – seit<br />
2012 kein Defekt mehr bei 114 Behältern – und die<br />
Schalter könnten problemlos im Wartungsbereich<br />
ausgetauscht werden. Es gebe drei Forschungs projekte<br />
in diesen Bereichen: DPOPT zur Ent wicklung<br />
eines neuen Druckschalters für den Austausch<br />
nach Ausfall, MSTOR zum Langzeitverhalten<br />
von Metalldichtungen,<br />
wobei man von der Untersuchung<br />
von hohen Temperaturen über kurze<br />
Zeiträume zur Untersuchung bei<br />
realistischen Temperaturen aber<br />
über lange Zeit räume übergehe sowie<br />
OBSERVE, ein Temperatur- und<br />
Dosisleistungsmessprogramm zum<br />
Vergleich von Messwerte mit errechneten<br />
Werten und zur Überprüfung<br />
der Abschirm- und Wärmeabfuhreigenschaften,<br />
also der Erreichung<br />
der Schutzziele der Behälter.<br />
Dr. Jörn Becker, Leiter der BGZ-Forschungsabteilung, gab beim Fachworkshop Zwischenlagerung<br />
einen Überblick über den aktuellen Stand des BGZ-Forschungsprogramms.<br />
Foto: BGZ<br />
Helm berichtet, dass ein wesentlicher<br />
Aspekt der Langzeitbetrachtung<br />
die Sicherheit des Inventars sei.<br />
Einflussgröße hier seien korrosive<br />
Änderungen am Hüllrohr des Brennstabs.<br />
Die Ausdehnung der Hüllrohre<br />
durch Temperatur und Gasdruck<br />
sei nur minimal, die Auslegung für<br />
die wesentlich anspruchsvolleren<br />
Ausgabe 1 › Januar
Report<br />
85<br />
Integritätskriterien im Reaktorbetrieb machten<br />
eine sichere Lagerung der Brennelemente in den<br />
Behältern auch für sehr lange Zeiträume möglich,<br />
zumal Strahlung und Temperatur kontinuierlich<br />
abnähmen. Bei den sonstigen Inventaren, Plutonium-Beryllium<br />
Quellen, Brennstabbüchsen der<br />
Otto-Hahn und des KNK, Core-Bauteile der VVER-<br />
Anlagen sowie HAW-Glaskokillen sei keine Radionuklidmobi<br />
lisierung zu erwarten. EWN beteilige<br />
sich am Forschungsprojekt LEDA zum Hüllrohrverhalten<br />
bei verlängerter Zwischenlagerung. Bei<br />
dem voraussichtlich von 2024 bis 2028 laufenden<br />
Projekt soll die vorhandene experimentelle Basis<br />
zum Hüllrohrverhalten unter Bedingungen der<br />
ver längerten Zwischenlagerung erweitert werden<br />
und Modelle zur Vorhersage des Hüllrohrver halten<br />
abgeleitet werden. Experimentelle Kampagnen<br />
seien bei Studsvik in Schweden geplant. Ein<br />
weiteres Projekt sei DCS-Monitor II bei dem Verfahren<br />
zur nicht invasiven Analyse des Inventarzustands<br />
für Transport- und Lagerbehälter bei<br />
verlängerter Zwischenlagerung erprobt und entwickelt<br />
werden. In dem Verbundprojekt mit der<br />
Hochschule Görlitz/Zittau, der TU Dresden und<br />
dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf<br />
(HZDR) werde das äußere Strahlungsfeld gemessen<br />
und simuliert, um ein validiertes Monitoring<br />
Verfahren für die Behälter zu entwickeln. Dazu<br />
gehöre auch ein Projekt zur Myonentomographie,<br />
ebenfalls mit TU Dresden und HZDR, bei dem<br />
mit einem Detektor der kosmische Myonenfluss<br />
nach Durchdringung des Behälters vermessen<br />
werde.<br />
In der Diskussion erläutert Helm, dass bei<br />
einem 2011 mit heterogenem Inventar beladenen<br />
Behälter die Bestrahlungshistorie/Abbrände sowie<br />
Lagerung und Entnahme aus dem Nasslager<br />
dokumentiert seien. Hinsichtlich der bildgebenden<br />
Verfahren erklärt er, dass Bildgebung auch mit<br />
Gamma- und Neutronensignaturen möglich, aber<br />
die Myonentomographie präziser sei. Weiter wird<br />
in der Diskussion erläutert, dass die Forschung<br />
an Brennelementen aus Druckwasserreaktoren<br />
Priorität habe und dass die Temperaturüberwachung<br />
dazu diene, nachzuweisen, dass die<br />
Inventar- und Behältertemperaturen sich so verhielten<br />
wie erwartet. Es werde an einer Verbesserung<br />
des Verfahrens durch Wärmebildkameras<br />
gearbeitet. Insgesamt dienten die<br />
Untersuchungen dem Ziel, zu zeigen, dass die<br />
Schutz ziele eingehalten würden, der Validierung<br />
von Simulationsprogrammen und dem Nachweis<br />
der Behälterintegrität. Auch der Abbau von<br />
Konservativitäten durch Ermittlung realer Beanspruchungen<br />
sei ein Ziel. Oda Becker nahm dies in<br />
der Diskussion zum Anlass vor dem Abbau von<br />
Konservativitäten zu warnen. Ein Vertreter der<br />
BGZ erklärt in diesem Zusammenhang, dass sich<br />
die Sicherheitsbetrachtungen zur verlängerten<br />
Zwischenlagerung noch ändern würden und ein<br />
Vertreter von WTI erklärt, dass zur Codevalidierung<br />
auch Realdaten und nicht nur maximal<br />
konservative Annahmen benötigt würden. Es<br />
seien viele Messwerte er<strong>for</strong>derlich, um die genauen<br />
Verläufe und die zugrunde liegenden physikalischen<br />
Prozesse zu verstehen und richtig<br />
abzubilden. Hinsichtlich der Frage einer Identifizierungsmöglichkeit<br />
für einzelne Defekte durch<br />
die bildgebenden Verfahren erklärte Helm, dass<br />
theoretisch mit der Myonentomographie auch<br />
einzelne Brennstäbe aufgelöst werden könnten,<br />
dafür aber sehr gute Daten und Statistik benötigt<br />
würden. Helm erklärte zur praktischen Umsetzung,<br />
dass Messaufbauten in Zwischenlagern<br />
realisierbar sein müssten und ggf. Genehmigungen<br />
von Behörden er<strong>for</strong>derlich seien.<br />
Heraus<strong>for</strong>derungen auf dem Weg<br />
zum Endlagerbehälter<br />
Lisa Seidl, Bereichsleiterin Standortauswahl<br />
von der BGE Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />
hielt den Vortrag „Heraus<strong>for</strong>derungen auf dem<br />
Weg zum Endlagerbehälter“. Seidl berichtet, dass<br />
die BGE seit 2019 auch die Aufgabe der Ent wicklung<br />
von Endlagerbehältern habe. Sie erklärt, das Prinzip<br />
der bestmöglichen Sicherheit gebe die Möglichkeit,<br />
im Verfahren die Messlatte immer höher zu<br />
legen. Es gebe in dem Verfahren zwei unterschiedliche<br />
Endlagertypen, denjenigen in Salz und Tongestein<br />
mit einschlusswirksamem Gebirgsbereich<br />
(ewG) und einen Typen in Kristallin gestein ohne<br />
einschlusswirksamen Gebirgsbereich. Beim Endlagertypus<br />
ohne ewG würden sehr hohe Langzeitsicherheitsan<strong>for</strong>de<br />
rungen an Behälter und Versatz<br />
gestellt. Auf dem aktuellen Stand des Verfahrens<br />
werde stark mit generischen Konzepten<br />
gearbeitet, ab der Phase zwei des Auswahlverfahrens<br />
werde es konkreter auch hinsichtlich der<br />
Behälter und ihrer Wechselwirkung mit dem<br />
Endlagersystem einschließlich der geotechnischen<br />
Barrieren. Aktuell werde Endlagerbehälter entwicklung<br />
für Kristallin mit GNS und BGE Technology,<br />
für Tongestein mit DMT betrieben.<br />
Seidl erläutert, dass das Thema der Grenztemperatur<br />
zwischen Behälteraußenwand und Gestein<br />
bzw. Buffer die Behälterentwicklung beeinflusse.<br />
Diese Grenztemperaturen sollten wirtsgesteinsspezifisch<br />
ermittelt werden, wofür Ergebnisse im<br />
Frühjahr 2024 erwartet würden. Benötigt würden<br />
auch umfassende und detaillierte Inventardaten.<br />
Hier bestehe eine hohe Kooperationsbereitschaft<br />
bei BGZ und den EVU sowie den Betreibern von<br />
Forschungsanlagen, aber anders als bei Geodaten<br />
fehle eine gesetzliche Grundlage. Die An<strong>for</strong>derungen<br />
an das konditionierte Produkt müssten<br />
noch entwickelt werden. Die Arbeit an der Behälterentwicklung<br />
sei gestartet worden, die Arbeit<br />
am Thema Konditionierung werde folgen. Ein<br />
Vertreter des bayerischen Umweltministeriums<br />
Vol. 69 (2024)
86<br />
Report<br />
fragt unter Verweis darauf, dass das ALARA<br />
Prinzip im Strahlenschutz im Zusammenhang mit<br />
dem Bestreben nach einem bestmöglichen Endlager<br />
auch in Bezug auf Endlagerbetrieb, Behälterhandhabung<br />
und Konditionierung berücksichtigt<br />
werden solle danach, ob auch das Konzept der<br />
direkten Endlagerung der Transport- und Lagerbehälter<br />
verfolgt werde. Seidl antwortet, dass diese<br />
Möglichkeit mitbetrachtet werde, es aber kein<br />
eigenes Programm dafür gebe. Seidl erklärt<br />
auf eine Nachfrage zu einem möglichen internationalen<br />
Regelwerk, dass die An<strong>for</strong>derungen an<br />
Endlager international unterschiedlich seien und<br />
BGE die Arbeiten und Lösungen in anderen Staaten<br />
mitbetrachte, aber dass die Verordnung über<br />
Sicherheitsan<strong>for</strong>derungen an die Endlagerung<br />
spezifische nationale An<strong>for</strong>derungen stelle. Zur<br />
zeitlichen An<strong>for</strong>derung an die Behälterintegrität<br />
im Endlager erklärt sie, dass sich die Barrierefunktion<br />
im Lauf der Zeit vom Behälter auf den<br />
einschlusswirksamen Gebirgsbereich verschieben<br />
werde. Salz werde bei der Entwicklung der<br />
Behälteran<strong>for</strong>derungen nach hinten geschoben<br />
und erst nach dem Erkenntnisrückfluss zu Tongestein<br />
und Kristallin behandelt.<br />
Stand der Forschungsvorhaben auf dem Gebiet<br />
der Transport- und Lagerbehälter<br />
In seinem Vortrag „Stand der Forschungsvorhaben<br />
auf dem Gebiet der Transport- und Lagerbehälter“<br />
stellt Ralf Schneider-Eickhoff von der BGZ verschiedene<br />
behälterbezogene Forschungsprojekte<br />
vor. Das Projekt MSTOR, (Metal Seals during longterm<br />
STORage), an dem die BGZ Forschungsgruppe<br />
Transportbehälter beteiligt sei, beinhalte getrennt<br />
Forschungsprogramme für Großdeckel- und Kleindeckeldichtungen.<br />
Die damit verbun denen Messprogramme<br />
liefen oder hätten 2023 begonnen. Im<br />
Projekt würden die am höchsten verpressten Dichtungen<br />
herangezogen und einige Unter suchungen<br />
seien bereits abgeschlossen. Das zusammengefasste<br />
Ergebnis sei, dass die Rückstellkraft der Dichtungen<br />
über die Zeit und den Temperaturverlauf<br />
im erwarteten Bereich liege. Dies gelte für<br />
Aluminium- und Silberdichtungen. Die nutzbare<br />
elastische Rückfederkraft gelte als Be wertungsparameter<br />
ähnlich für Dichtungen in Guss<br />
Flanschen wie in Edelstahl. Bei hohen Temperaturen<br />
liefe die Alterung schneller ab und<br />
reduziere sich mit sinkenden Temperaturen möglicherweise<br />
auf ein Niveau, dass sie in überschaubaren<br />
Zeiträumen keine Rolle mehr spiele.<br />
Für das Verhalten bei niedrigen Temperaturen<br />
würden noch Jahre an Messungen benötigt.<br />
Das Verlassen des Arbeitsbereichs der Dichtungen<br />
unter Störfallbedingungen müsse experimentell<br />
ermittelt werden. Man verwende dafür im Ofen<br />
vorgealterte Dichtungen. Die Projektpartner<br />
dabei seien der Dichtungshersteller Technetics,<br />
GNS und EWN.<br />
Schneider-Eickhoff berichtet, dass beim Projekt<br />
MShift, Leckagerate gealterter Metalldichtungen<br />
bei einer Deckelquerverschiebung, eine Deckelquerverschiebung<br />
an Flanschen durch Aufprall<br />
einer geführten Fallmasse auf einer Flanschhälfte<br />
simuliert werde, mit der Folge einer dynamischen<br />
Querverschiebung. Diese Versuche dienten der Ableitung<br />
von Auslegungs-Leckageraten nach einem<br />
generischen Störfall und die Versuche würden an<br />
vorgealterten Metalldichtungen durchgeführt.<br />
Beim Projekt MLift, Leckagerate nach dem Wiederverpressen<br />
gealterter Metalldichtungen, sollen<br />
durch Versuche an gealterten Dichtungen Auslegungs-Leckageraten<br />
nach einem generischen<br />
Störfall mit Anheben des Deckels und Wiederverpressen<br />
abgeleitet werden.<br />
Über das Dosisleistungs- und Temperaturmessprogramm<br />
OBSERVE berichtet Schneider-Eickhoff,<br />
dass durch Messungen an beladenen Behältern<br />
rechnerische Erwartungswerte mit Messwerten an<br />
ausgewählten Behältern zu verschiedenen Zeitpunkten<br />
während der Lagerung verglichen werden<br />
sollen. Man habe dabei im Rahmen der numerischen<br />
Untersuchungen festgestellt, dass sich eine<br />
Tragkorbverdrehung von 5 Grad auf die Gamma-<br />
Dosisleitung an der Behälteroberfläche auswirke.<br />
Die Oberflächendosisleistung sei auch sensitiv auf<br />
Moderatorveränderungen wie eine Lücke oder<br />
Zersetzungen. Eine Umlagerung von Brennstoff –<br />
beispielsweise 50 Kilogramm aus einem äußeren<br />
Brennelement – zeichne sich in der Gamma- und<br />
Neutronen-Messung ab. Auch bei inneren MOX-<br />
Brennelementen sei eine Umlagerung bei der<br />
Neutronendosisleistungs verteilung erkennbar, bei<br />
der Gammadosis leistung nicht. Temperaturmessungen<br />
seien allerdings zu ungenau zum Erkennen<br />
von Brennelement- oder Inventarveränderungen.<br />
Die Behälter müssten für Messungen vereinzelt<br />
werden und es dürften auch keine Wände in der<br />
Nähe sein, da sonst Streu effekte die Messergebnisse<br />
überlagerten. Weitere Schritte seien die Umsetzung<br />
der Erkenntnisse in ein konkretes Messprogramm<br />
einschließlich der Auswahl von Standorten und<br />
Behältern, die Einbindung der betroffenen atomrechtlichen<br />
Aufsichtsbehörden und die Einbindung<br />
von OBSERVE in die Alterungsbewertung.<br />
In der Diskussion erläutert Schneider-Eickhoff,<br />
dass bei den vorliegenden metallischen Dichtungen<br />
die vorhandene Strahlung um Größenordnungen<br />
unterhalb der Schwelle zu relevanten Effekten<br />
im Material liege. Darüber hinaus lägen die Dichtungen<br />
außerhalb des Hauptstrahlungsfeldes.<br />
Warum ist im Forschungsprogramm<br />
keine Behälteröffnung vorgesehen?<br />
Dr. Maik Stuke, Leiter der BGZ-Forschungsgruppe<br />
Garching widmet sich in seinem Vortrag<br />
„Warum ist im Forschungsprogramm keine<br />
Ausgabe 1 › Januar
Report<br />
87<br />
Behälter öffnung vorgesehen?“ einem Thema, das<br />
in der Öffentlichkeit, auch der Fachöffentlichkeit<br />
häufig im Zusammenhang mit der verlängerten<br />
Zwischen lagerung angesprochen wird.<br />
Stuke berichtet zunächst, dass es in der Vergangenheit<br />
bereits Öffnungen von Behältern<br />
für bestrahlte Brenn elemente gegeben habe, in<br />
Deutschland, den Vereinigten Staaten und Japan<br />
zur Demonstration der Trockenlagerung. In<br />
Deutschland habe dies von 1982 bis 1984, in den<br />
USA von 1985 bis 1999 stattgefunden. Es seien<br />
verschiedene Behälter typen geöffnet worden und<br />
man habe keine Gasfreisetzung sowie eine<br />
einwandfreie Behälter- und Dichtungsintegrität<br />
feststellen können. Ein aktuelles Forschungsprogramm<br />
mit Behälter öffnung werde in den USA<br />
vom Department of Energy und dem Electric<br />
<strong>Power</strong> Research Institute (EPRI) durchgeführt,<br />
mit Einlagerung 2017 und vorgesehener Öffnung<br />
2027. Es sollen dabei einzelne Stäbe gezogen<br />
und zerstörenden Prüfungen der Hüllrohre und<br />
der Brennstoff tabletten unterzogen werden. In<br />
Japan seien Versuche am Standort Fukushima<br />
Daiichi mit Beladung im Becken 1995 und Inspektionen<br />
2000, 2005 und 2011 nach dem Tsunami<br />
durchgeführt worden. Auch hier habe es –<br />
einschließlich nach Flutung des Zwischenlagergebäudes<br />
durch den Tsunami – keine Auffälligkeiten<br />
gegeben.<br />
Stuke hält fest, dass es in Deutschland ver schiedene<br />
Inventare, DWR- und SWR-Brennelemente, unterschiedliche<br />
Hüllrohrmaterialien und Abbrandhistorien<br />
gebe, so dass bei einem Prüfprogramm<br />
eine große Zahl von Behältern geöffnet werden<br />
müsse. Kein Behälter sei älter als 40 Jahre, so dass<br />
mit einer Öffnung nur die aktuellen Nachweise<br />
bestätigt werden könnten. Darüber hinaus seien<br />
bloße Sichtkontrollen nicht ausreichend, um das<br />
Materialverhalten zu kontrollieren. Es wäre also<br />
eine kerntechnische Groß<strong>for</strong>schungseinrichtung<br />
notwendig, um Behälter zu öffnen und zerstörende<br />
Untersuchungen am Inventar durchführen zu<br />
können sowie die Abfallkonditionierung zu<br />
gewährleisten. Diese müsste erst errichtet werden.<br />
Die Hochabbrand-Brennelemente würden zudem<br />
erst seit ca. 20 Jahren in Behälter eingelagert.<br />
Daher seien andere Forschungsvorhaben zur<br />
Untersuchung der Einhaltung der Schutzziele<br />
effizienter.<br />
Stuke nennt hier als Beispiel das Programm LEDA<br />
(Long-Term Experimental Dry Storage Analysis),<br />
bei dem Experimente zum Hüllrohrverhalten<br />
unter Bedingungen der verlängerten Zwischenlagerung<br />
durchgeführt und Modelle zu seiner<br />
Vorhersage abgeleitet werden, wie bereits von<br />
einem Vorredner erwähnt. Dabei stünden insbesondere<br />
hohe Abbrände über 55 GWd/tSW und<br />
Anzeige<br />
Vol. 69 (2024)
88<br />
Report<br />
unterschiedliche Hüllrohrmaterialien (Zry-4, M5,<br />
Opt.ZIRLO, Duplex Zry-2 mit/ohne Liner) sowie<br />
UO2- und MOX-Brennstoff im Mittelpunkt. Es<br />
würden dabei an den bestrahlten Brennstäben<br />
typische Innendrücke, axiale Temperaturverteilungen<br />
und Temperaturverläufe bei Trocknungsprozess<br />
und Abkühlung nachgebildet. Stuke<br />
teilt mit, dass insgesamt 22 Brennstabsemente<br />
unterschiedlicher Art hinsichtlich Material,<br />
Abbrand und Brennstoff untersucht würden. Die<br />
Versuchsanlage sei 2023 in eine Heiße Zelle bei<br />
Studsvik in Schweden integriert worden. Aktuell<br />
seien Vorversuche an unbestrahlten Hüllrohren<br />
und die Vorcharakterisierung der ersten sechs<br />
Brennstabsegmente sowie die Vorbereitung der<br />
ersten sechs Brennstabsegmente für die erste Kampagne<br />
fast abgeschlossen. Der voraussichtliche<br />
Start der ersten Langzeitmessung in der Heißen<br />
Zelle werde im ersten Quartal 2024 liegen. Darüber<br />
hinaus gebe es weitere Programme mit bildgebenden<br />
Verfahren zur Untersuchung der Behälter und<br />
des Inventars sowie zum Hüllrohrverhalten, die<br />
teils schon vorgestellt worden seien. Dr. Stuke<br />
schließt seinen Vortrag mit der Folgerung, dass ein<br />
Behälteröffnungsprogramm in Deutschland aus<br />
technisch-wissenschaftlicher Sicht zur Zeit nicht<br />
angemessen und sinnvoll wäre. Deutsche Forscher<br />
beteiligten sich an internationalen Beobachtungsprogrammen<br />
und der Aufwand für ein eigenes<br />
Programm wäre enorm hoch.<br />
In der Diskussion wird die Frage nach der Nutzung<br />
der Pilotkonditionierungsanlage (PKA) in Gorleben<br />
für die Öffnung von Behältern und Unter suchungen<br />
des Inventars aufgeworfen. Dr. Stuke erläutert<br />
dazu, dass die PKA alleine nicht ausreichend<br />
sei und dort nur Sichtprüfungen durchgeführt<br />
werden könnten. Im weiteren Verlauf der Diskussion<br />
erklärt Stuke, dass es das Ziel sei, mit den verschiedenen<br />
Forschungsprogrammen eine Voraussicht<br />
von rund 20 Jahren hinsichtlich der Behälter<br />
und des Inventars zu erlangen. Im Programm<br />
LEDA seien drei Kampagnen vorgesehen und diese<br />
hätten unterschiedliche Charakteristiken hinsichtlich<br />
des Wasserstoffverhaltens.<br />
Myonenradiographie von Transport- und<br />
Lagerbehältern<br />
Julia Niedermeier von der TU München hält mit<br />
„Myonenradiographie von Transport- und Lagerbehältern“<br />
den Eröffnungsvortrag des zweiten<br />
Tages des Fachworkshops Zwischenlagerung.<br />
Sie erklärt, dass die TU München eine theoretische<br />
Machbarkeitsstudie zur Nutzung der Myonenradiographie<br />
in der Zwischenlagerung abgebrannter<br />
Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle<br />
durchführe. Langfristiges Ziel sei es dabei,<br />
einzelne Brennstäbe visuell auflösen zu können.<br />
Neben der erreichbaren Auflösung sei auch die<br />
Dauer des Untersuchungsprozesses am einzelnen<br />
Behälter eine wichtige Forschungsfrage, da die<br />
Zahl der nutzbaren Myonen begrenzt sei. Niedermeier<br />
berichtet, dass ein zweites Forschungsprojekt<br />
zur praktischen Umsetzung im Zwischenlager<br />
Grafenrheinfeld laufe.<br />
Zum Hintergrund des Forschungsvorhabens<br />
erläutert Niedermeier, dass pro Minute rund<br />
600 Myonen infolge kosmischer Strahlung den<br />
Körper durchdringen, eines pro Minute pro<br />
„ Daumennagel“. Dies entspreche rund 10.000 Myonen<br />
pro Minute und Quadratmeter. Aktuell befasse<br />
man sich mit der Entwicklung eines sehr genauen<br />
Behältermodells um die Auflösung zu verbessern<br />
und untersuche, welcher Grad an Vereinfachung<br />
zur Veränderung der Simulation des Streuverhaltens<br />
führe. Die Myonenenergie werde mit<br />
4 GeV, der Eintrittswinkel mit 0 Grad angenommen.<br />
Die Myonenzahl variiere zwischen<br />
4,5 und 15 Millionen, entsprechend Bestrahlungszeiten<br />
von 100 Stunden bis zwei Wochen.<br />
Niedermeier berichtet, dass das Forschungsprojekt<br />
MUTOMCA (MUon TOMography <strong>for</strong><br />
shielding CAsks) in Grafenrheinfeld in Zusammenarbeit<br />
mit dem Forschungszentrum Jülich, dem<br />
Istituto Nazionale di Fisica <strong>Nuclear</strong>e (INFN)<br />
und der Euratom DG ENER E der Re-Verifikation<br />
von Brennelementbehältern mit Unterscheidung<br />
zwischen Brennelementen und Dummy<br />
Elementen diene. Die bisherigen praktischen Tests<br />
seien vielversprechend und die Arbeiten würden<br />
zur weiteren Verbesserung der Ergebnisse <strong>for</strong>tgesetzt.<br />
In der Diskussion erklärt Niedermeier,<br />
dass das Thema Myonenradiographie eine Forschung<br />
in wenigen, kleinen Gruppen sei und<br />
daher ein tendenziell eher isoliertes Forschen die<br />
Regel sei.<br />
Wasserstoffdiffusion in zirkoniumbasierten<br />
Hüllrohrmaterialien<br />
Dr. Peter Kaufholz, von der BGZ trägt zu „Wasserstoffdiffusion<br />
in zirkoniumbasierten Hüllrohrmaterialien“<br />
vor. Er erläutert, dass im Betrieb im<br />
Reaktor eine Wasserstoffaufnahme vor allem<br />
durch wasserseitige Oxidation und die Bildung von<br />
Zirkonhydriden erfolge, woraus sich nur eine<br />
geringfügige Beeinflussung der mechanischen<br />
Struktur ergebe. Die relevanten Einflussgrößen<br />
seien Spannungszustand, Temperaturhistorie und<br />
Wasserstoffkonzentration. Der Spannungszustand<br />
werde vom Innendruck und dem Pellet-Cladding-<br />
Bonding, Brücken zwischen Brennstoffpellet und<br />
Hüllrohr bestimmt, wobei diese das Hüllrohr<br />
auch stabilisieren. Die Temperaturhistorie werde<br />
von der Nachzerfallswärme und der Wärmeabfuhr<br />
bestimmt. Sie sei gekennzeichnet durch<br />
den Wechsel von hohen Betriebstemperaturen von<br />
350 °C zu niedrigen Temperaturen in der Nasslagerung<br />
von rund 40°C sowie dem wechselhaften<br />
Ausgabe 1 › Januar
Report<br />
89<br />
Brennelemente-Zwischenlager Gorleben<br />
Foto: BGZ<br />
Temperaturverlauf während der Behältertrocknung<br />
und dem langsamen Abklingen von<br />
zunächst recht hohen Temperaturen der Brennelemente<br />
in der Trockenlagerung, die anfangs<br />
denen im Reaktorbetrieb ähnelten. Die Wasserstoffkonzentration<br />
und -verteilung wiederum<br />
werde von einer geometrischen Umorientierung<br />
eines Teils der Zirkonhydride während der<br />
Temperaturwechsel des Trocknungsprozesses<br />
beeinflusst.<br />
Kaufholz berichtet, dass klassische Modelle<br />
zum Wasserstoffverhalten für lange Zeiträume<br />
ungeeignet seien. Daher solle ein kinetisches<br />
Modell des Wasserstoffverhaltens entwickelt<br />
werden. Dabei solle besser berücksichtigt werden,<br />
dass die Hydridbildung und die Wasserstoffverteilung<br />
von Verlauf und Geschwindigkeit der<br />
Temperaturveränderungen abhingen. Er führt<br />
aus, dass mit der Hydrid-Reorientierung ein<br />
potentieller Schädigungsmechanismus existiere,<br />
der allerdings für den größten Teil des Inventars<br />
nicht relevant sei. So könnten für Linerund<br />
Duplex-Brennstoffe Hydrid-Reorientierungen<br />
bereits jetzt ausgeschlossen werden. Kaufholz<br />
benennt als Forschungsprojekte in diesem<br />
Zusammenhang das Verbundvorhaben mit KIT<br />
und GRS, SpizWurZ (Spannungsinduzierte Wasserstoffumlagerung<br />
in Brennstabhüllrohren während<br />
der längerfristigen Zwischenlagerung), HYDAX<br />
(Hydrogen and Hydrides Distribution in Axial<br />
Cladding Direction) in Zusammenarbeit mit dem<br />
PSI und SCIP IV/V (Studsvik Cladding Integrity Project)<br />
als internationales Projekt der OECD/NEA, bei<br />
dem es um Untersuchungen zum Kriech verhalten<br />
von Hüll rohrwerkstoffen und zur Hydrid Reorientierung<br />
unter den Bedingungen der trockenen<br />
Zwischenlagerung gehe. Kaufholz teilt mit, das<br />
SCIP IV bis Juni 2024 laufe und SCIP V im Anschluss<br />
bis 2029 geplant sei. Bei letzterem habe die BGZ das<br />
experimentelle Programm aktiv mitgestalten können.<br />
Auch das Projekt LEDA gemeinsam mit u.a.<br />
Studsvik, Framatome und EDF habe eine Laufzeit<br />
bis 2029. Kaufholz macht auf den Studierendentag<br />
der BGZ am 18. und 19. April 2024 in Garching<br />
aufmerksam, bei dem die Möglichkeit zur Vorstellung<br />
und Diskussion von Forschungs- und Abschlussarbeiten<br />
mit Bezug zur Zwischenlagerung<br />
bestehe.<br />
Neuste Entwicklungen auf dem Gebiet<br />
der Brennstabcodes<br />
Vom Paul Scherrer Institut in der Schweiz<br />
zum Fachworkshop gereist, ist Dr. Piotr Konarski<br />
für den Vortrag „Neuste Entwicklungen auf dem<br />
Gebiet der Brennstabcodes“. Er stellt das Konzept<br />
der Schweizer Entsorgungspolitik mit Nasslagerung<br />
an den Standorten der Kernkraftwerke,<br />
zentraler trockener Zwischenlagerung und einer<br />
Entsorgungsperspektive nach Standortaus wahlverfahren<br />
nach 2050 vor. Konarski erläutert, dass<br />
sich der Forschungsansatz des PSI zur Zwischenlagerung<br />
aus dem Projekt STARS (Steady-state<br />
and Transient Analysis Research <strong>for</strong> the Swiss<br />
reactors) ergebe, einer Schweizer Multiphysikplatt<strong>for</strong>m,<br />
mit der das Verhalten des Kraftwerks,<br />
die Reaktorphysik und die Brennstoffmodellierung<br />
untersucht werden könnten. Aus dieser<br />
inte grierten Sicherheitsanalyse von der Turbine<br />
bis zum Pellet sei das Projekt DRYstars (DRY Storage<br />
Analyses <strong>for</strong> the Reactors in Switzerland) entwickelt<br />
worden, das 2019 begonnen worden sei.<br />
Konarski erläutert, dass DRYstars auf einer<br />
Bestandsaufnahme hinsichtlich der zu behandelnden<br />
Phänomene und Sicherheitskriterien, der<br />
vorhandenen Experimente und Codes sowie der<br />
Berücksichtigung spezifisch Schweizer Aspekte<br />
beruhe. Davon ausgehend und unter Einsatz<br />
Vol. 69 (2024)
90<br />
Report<br />
der vorhandenen Kompetenzen in Multiphysik<br />
Modellen wie der Schweizer Brennstoffanalyse<br />
und entsprechender Sensitivitätsstudien sollen<br />
Modelle zum Verhalten der Pellets, der Hüllrohre<br />
und des Wasserstoffs entwickelt werden. Ein<br />
fachlicher Ausgangspunkt sei Falcon (Fuel Analysis<br />
and Licensing Code – New) des US-amerikanischen<br />
EPRI, ein 2D-Brennstab-Code, bei dem das PSI zum<br />
Entwicklungsteam gehöre. Falcon sei allerdings<br />
nicht für die Analyse in der Trockenlagerung<br />
entwickelt worden und habe daher modifiziert<br />
werden müssen. Gegenstände dieser Modifikationen<br />
seien das Fuel-Cladding Bonding, das<br />
Kriechverhalten des Hüllrohrs bei Trockenlagerung,<br />
Wasserstoffdiffusion, Hydrid-Bildung<br />
und -Auflösung sowie Hydrid-Reorien tierung.<br />
Konarski berichtet, dass im Rahmen dieser<br />
Forschung Modellierungen für das Kriechverhalten<br />
für Druck- und Siedewasserreaktoren, für<br />
das Heliumverhalten und das Anschwellen des<br />
Brennstoffs sowie die Heliumfreisetzung und<br />
das Wasserstoffverhalten angewandt bzw.<br />
integriert und entwickelt worden seien. Dabei<br />
hätten sich teils Abweichungen von den Ergebnissen<br />
von Experimenten mit bestrahlten Proben<br />
ergeben, so dass die Modelle weiterentwickelt<br />
werden müssten.<br />
Warum Benchmarks immer wichtig sind<br />
Den abschließenden Fachvortrag „Warum Benchmarks<br />
immer wichtig sind“ hält Sven Tittelbach<br />
von der WTI Wissenschaftlich Tech nische Ingenieurberatung.<br />
Tittelbach beginnt mit einer ausführlichen<br />
Begriffsbestimmung von „Benchmark“<br />
auf Grundlage verschiedener Regelwerke und beschließt<br />
dies mit der Feststellung, dass ein Benchmark<br />
ein zur Validation eines Be rechnungssystems<br />
für einen Anwendungsfall verwendetes Experiment<br />
oder eine verwen dete Messung an einer<br />
Referenzanordnung sei. Tittelbach beschreibt die<br />
Bedingungen und An<strong>for</strong>derungen an einen guten<br />
experimentellen Benchmark und stellt internationale<br />
Benchmarksammlungen vor. Er beschreibt<br />
die Anpassung der Nachweißführung, die bislang<br />
von der sicheren Einhaltung von Grenzwerten im<br />
Fall der frischen Behälterbeladung geprägt gewesen<br />
sei, an die An<strong>for</strong>derungen der verlängerten<br />
Zwischenlagerung und des anschließenden Transports.<br />
So sei eine Kom pensation der zusätzlichen<br />
Unsicherheiten und geänderten Randbedingungen<br />
bei gleichbleibenden Grenzwerten durch die<br />
Berücksichtigung der Ist Inventare anstelle der<br />
Auslegungsinventare, die Verbesserung der<br />
Vorhersagegenauigkeit der Berechnungen und<br />
die Berücksichtigung der Ist-Daten der Behälter<br />
herbeizuführen.<br />
Tittelbach führt aus, dass sich in diesem Sinne<br />
folgender Benchmarkbedarf für die verlängerte<br />
Zwischenlagerung ergäbe: Berücksichtigung<br />
der Ist-Inventare durch Absicherung der Quellterme<br />
der Ist-Inventare und Validation neuer<br />
Berechnungsprogramme; Hüllrohr- und Behälterkomponententemperaturen<br />
als Eingangswerte<br />
für die Alterungsbewertung mit Validation der<br />
berechneten Temperaturen bei der Abfertigung<br />
und trockenen Zwischenlagerung sowie einer<br />
Absicherung der Nachzerfallsleistung der Ist<br />
Inventare; Dosisleistung mit Verbesserung der<br />
Vorhersagegenauigkeit der Abschirmberechnungen<br />
und ebenfalls Absicherung der Quellterme<br />
der Ist-Inventare.<br />
Tittelbach erklärt, dass ein wichtiges internationales<br />
Benchmark-Vorhaben in diesem Zusammenhang<br />
das von EPRI koordinierte Extended<br />
Storage Collaboration Program (ESCP) im Rahmen<br />
der OECD/NEA sei. Im Fokus bei dem Projekt, an<br />
dessen erstem Workshop 2009 40 überwiegend<br />
US-amerikanische Teilnehmer mitwirkten, beim<br />
letzten Winter-Meeting aber 300 Teilnehmer aus<br />
15 Staaten, stehe die thermische Modellierung der<br />
Behälter und damit die Möglichkeit, Aussagen über<br />
Nachzerfallswärme und Dosisleistung. Er weist<br />
darauf hin, dass die Alterung loga rithmisch durch<br />
die Temperatur bestimmt werde und kleine Temperaturunterschied<br />
zu großen Alterungsunterschieden<br />
führen könnten. Tittelbach erklärte, dass<br />
die Teilnahme an internatio nalen Benchmarkprogrammen<br />
auch der Kom petenzerhaltung und<br />
dem Kompetenzerwerb bei Nachwuchskräften<br />
diene, da es in Deutschland kaum mehr Anwendungsfälle<br />
gebe.<br />
Fazit<br />
Der dritte Fachworkshop Zwischenlagerung zu<br />
Forschung und Entwicklung im Bereich der<br />
Zwischenlagerung zeigte eindrucksvoll, dass die<br />
Forschungstätigkeit der BGZ inzwischen eine<br />
große Breite sowie nationale und internationale<br />
Vernetzung erreicht hat, die die BGZ zu einem<br />
auch im internationalen Vergleich relevanten<br />
Forschungsakteur im Bereich der Zwischenlagerung<br />
macht. National wird die BGZ zu einem<br />
Kompetenzhub für das Thema Zwischenlagerung,<br />
wie es Ihrer zentralen Funktion und ihren Verpflichtungen<br />
gegenüber der Öffentlichkeit entspricht.<br />
Die Forschung an der durch die neue<br />
Standortauswahl unvermeidlichen verlängerten<br />
Zwischenlagerung hat in Deutschland durch<br />
die BGZ einen entscheidenden Schub erfahren<br />
und dies in einem kontinuierlichen Dialog mit<br />
der Fachöffentlichkeit und der allgemeinen<br />
Öffentlichkeit insbesondere an den betroffenen<br />
Zwischenlagerstandorten.<br />
Nicolas Wendler<br />
Leiter Politik und Presse, KernD e.V.<br />
Ausgabe 1 › Januar
SEMINARPROGRAMM 2024<br />
Dual-Use-Re<strong>for</strong>m<br />
TERMIN 12. März 2024 PREIS 548,— €<br />
Referent Kai Höft Rechtsanwalt, M. A. (BWL), Rechtsanwalt der Kanzlei für Außenwirtschaftsrecht, Hamburg<br />
Atomrecht – Ihr Weg durch Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren<br />
TERMIN 14. März 2024 PREIS 1.049,— €<br />
Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
Atomrecht - Das Recht der radioaktiven Reststoffe und Abfälle<br />
TERMIN 18. April 2024 PREIS 1.049,— €<br />
Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
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WEBINAR<br />
Grundlagenschulung Kerntechnik (im Preis inbegriffen ist pro Teilnehmer ein Exemplar des Softcover-Fachbuches Kernenergie Basiswissen)<br />
TERMIN 06.–07. Mai 2024 (Präsenzseminar) PREIS 1.498,— € ORT Kaiserin-Friedrich-Stiftung<br />
Referent Dr.-Ing. Thomas Behringer Geschäftsführer Kerntechnik Deutschland e. V. Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin<br />
Grundzüge des Strahlenschutzrechts<br />
TERMIN 14. Mai 2024 PREIS 1.049,— €<br />
Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
Dual-Use-Re<strong>for</strong>m<br />
TERMIN 24. September 2024 PREIS 548,— €<br />
Referent Kai Höft Rechtsanwalt, M. A. (BWL), Rechtsanwalt der Kanzlei für Außenwirtschaftsrecht, Hamburg<br />
Atomrecht – Ihr Weg durch Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren<br />
TERMIN 26. September 2024 PREIS 1.049,— €<br />
Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
Atomrecht – Das Recht der radioaktiven Reststoffe und Abfälle<br />
TERMIN 07. November 2024 PREIS 1.049,— €<br />
Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
Grundzüge des Strahlenschutzrechts<br />
TERMIN 14. November2024 PREIS 1.049,— €<br />
Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
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TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />
Referent Dr. Nikolai A. Behr DIKT Deutsches Institut für Kommunikations- und MedienTraining, München<br />
„Stilllegung und Rückbau in Recht und Praxis“<br />
TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />
Referenten Dr. Matthias Bauerfeind TÜV SÜD Energietechnik, Filderstadt<br />
Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
Das Strahlenschutzrecht und seine praktische Umsetzung<br />
TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />
Referenten Dr. Maria Poetsch TÜV SÜD Energietechnik, Filderstadt<br />
Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />
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Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Stand: 30. November 2023