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atw - International Journal for Nuclear Power | 1.2024

Rückbau und Abfallbehandlung

Rückbau und Abfallbehandlung

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ISSN: 1431-5254 (Print) | eISSN: 2940-6668 (Online)<br />

32.50 €<br />

<strong>International</strong> <strong>Journal</strong> <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

2024 1<br />

Decommissioning Costs of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Plants – an <strong>International</strong> Overview<br />

Interview mit Steffen Kanitz<br />

nucmag.com<br />

Forecasts and Scenarios <strong>for</strong> Global Energy<br />

Supply up to 2050 – Synopsis of the Approaches<br />

and Results of Studies Published in 2023<br />

Seit 68 Jahren im Dienste der Kerntechnik


Editorial<br />

3<br />

Meilenstein für die weltweite<br />

Sichtbarkeit der Kernenergie<br />

Die am 13. Dezember 2023 zu Ende gegangene<br />

COP28 in Dubai hat einen Meilenstein für<br />

die internationale Anerkennung der Kernenergie<br />

als wesentlicher Baustein der Energie- und<br />

Klima politik gesetzt. Mit dem Bekenntnis zum massiven<br />

Ausbau der Kernenergie auf das dreifache der<br />

Kapazität von 2020 und ihrer Aufnahme als zu verfolgende<br />

Emissionsminderungstechnologie in die Abschlusserklärung<br />

der Konferenz, tritt die Kernenergie<br />

endgültig aus dem Schatten der globalen Energiepolitik<br />

– das ist die Klimapolitik nämlich eigentlich.<br />

Nach der Taxonomie-Entscheidung der EU, einer<br />

wachsenden Zahl von Kernkraft-Ausbauprogrammen<br />

und Kernkraftprojekten auch in Europa, der Schaffung<br />

einer Nuklearallianz innerhalb der EU sowie<br />

weiteren positiven Entwicklungen bildet die Initiative<br />

der 22 Staaten für die Kernkraft den positiven Abschluss<br />

eines langen Ringens der Branche und gesellschaftlicher<br />

Unterstützer um eine angemessene Rolle<br />

in der Energiepolitik der kommenden Jahrzehnte.<br />

Nun gilt es für die Unternehmen der Kerntechnik und<br />

ihre Beschäftigten alles Notwendige zu tun, um den<br />

beabsichtigten massiven Ausbau der Kernenergie zu<br />

ermöglichen. Dabei müssen Robustheit und Verlässlichkeit<br />

der kerntechnischen Lieferketten und die<br />

Lernfähigkeit aus zum Teil schwierigen Projekten der<br />

vergangenen Jahre im Mittelpunkt stehen. Der beabsichtigte<br />

Ausbau in großem Umfang schafft jedenfalls<br />

die Voraussetzungen für den Ausbau der Lieferketten<br />

und für Kostendegression durch Serialisierung auch<br />

großer Kraftwerkseinheiten. Die Branche und die<br />

Politik sind gemeinsam gefragt, mit kreativen Projektfinanzierungen<br />

und förderlichen Marktbedingungen<br />

den Nutzen der Kernenergie für das Stromsystem und<br />

die Volkswirtschaft zu verwirklichen. In den Händen<br />

der Gesetzgeber – auch des europäischen – liegt es,<br />

Geneh migungsverfahren an einen beschleunigten<br />

Ausbau der Kernenergie anzupassen. Dabei geht es<br />

nicht um Sicherheitsrabatte, sondern um rationale<br />

und effiziente Regulierung ohne nationale oder<br />

behördliche Eitelkeiten. Auch Protektionismus im<br />

Gewand regulatorischer Vorbehalte wird am Ende<br />

nur dem globalen Projekt Kernkraft schaden.<br />

Die hiesigen Unternehmen und Standorte der Kerntechnik<br />

sind bereit und willig, am globalen Kernkraftprojekt<br />

mitzuarbeiten und es mit Kompetenz und<br />

Kapazität zu unterstützen. Die Aufgabe der öffentlichen<br />

Hand in Deutschland besteht nur darin, diese<br />

Entwicklung zu akzeptieren und ihre Tätigkeit etwa<br />

in der Exportkontrolle ohne poli tische Vorbehalte und<br />

mit Blick auf das auch in der Kerntechnik vorhandene<br />

eigene wirtschaftliche Interesse auszuüben. Das ist<br />

wahrlich nicht zu viel verlangt.<br />

Zu viel verlangt war dagegen wohl die Umsetzung des<br />

Projekts eines Bereitstellungslagers, des Logis tikzentrums<br />

Konrad, in Würgassen. Im Dezember wurde<br />

das Projekt vom BMUV abgesagt. Begründet wird das<br />

damit, dass sich das Logistikzentrum bis zur Bereitstellung<br />

des Endlagers Konrad aufgrund zu vieler<br />

rechtlicher und planerischer Risiken voraussichtlich<br />

nicht rechtzeitig und auch nicht wirtschaftlich umsetzen<br />

ließe, weder in Würgassen, noch anderswo. Zur<br />

Erinnerung: es handelt sich dabei um ein staatliches<br />

Projekt mit einem gesetzlichen Mandat, ausgeführt<br />

von einem Bundesunternehmen, das 2018 so früh wie<br />

möglich begonnen wurde und dessen Realisierungszeitraum<br />

durch Verzögerungen bei der Fertigstellung<br />

von Endlager Konrad auf inzwischen 2029 zweimal<br />

verlängert wurde. Man meint hier zu erkennen, wie<br />

der Staat in Deutschland inzwischen an sich selbst<br />

erstickt. Es scheint, als führe hier nicht einmal mehr<br />

die kernkraftkritische Haltung in weiten Teilen<br />

des Geschäftsbereichs des BMUV die Feder, sondern<br />

der Geist der Resignation. Wirklich bedauerlich ist,<br />

dass mit dieser Entscheidung Lasten auf kommende<br />

Generationen verlagert werden. Man spart sich in den<br />

nächsten Jahren Geld, Mühe und Nerven bei der<br />

Realisierung des Logistikzentrums, enthält aber den<br />

späteren Betreibern des Endlagers mehrere Jahrzehnte<br />

Effizienzgewinne beim Betrieb des Endlagers<br />

vor, da dieses nun mit dem als unzureichend angesehenen<br />

Pufferlager auskommen muss.<br />

In eigener Sache sei noch eine kurze Bemerkung zum<br />

neuen Layout mit einer Neugestaltung des Titels<br />

gemacht: Nach neun Jahren relativer Kontinuität mit<br />

nur graduellen Änderungen ist es angebracht, wieder<br />

einen größeren gestalterischen Schritt zu machen.<br />

Das neue Layout und der neue Titel sollen moderner<br />

und straffer sein sowie dem Leser einen guten<br />

Wiedererkennungswert bieten. Die Redaktion hofft,<br />

dass die Leserschaft dieser Einschätzung folgt und<br />

sich rasch in einem positiven Sinne an den neuen<br />

optischen Auftritt gewöhnt.<br />

Die Redaktion der <strong>atw</strong> wünscht allen Abonnenten<br />

und Lesern ein gutes und zufriedenes Jahr 2024.<br />

Nicolas Wendler<br />

– Chefredakteur –<br />

Vol. 69 (2024)


4<br />

Contents<br />

Ausgabe 1<br />

2024<br />

Januar<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

Meilenstein für die weltweite Sichtbarkeit der Kernenergie . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Did you know?<br />

Jahresbericht 2022 der Euratom Supply Agency – nur moderate Änderungen<br />

bei der Uranversorgung in der geopolitischen Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Kalender 2024 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Feature: Decommissioning and Waste Management<br />

Decommissioning Costs of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants – an <strong>International</strong> Overview . . 7<br />

Peter Hippauf<br />

Interview mit Steffen Kanitz<br />

Innovationen sind Treiber im Rückbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Nicolas Wendler<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Forecasts and Scenarios <strong>for</strong> Global Energy Supply up to 2050 – Synopsis<br />

of the Approaches and Results of Studies Published in 2023 . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Erste Vor-Ort-Demonstration der laserbasierten Dekonta minations technologie<br />

in einem deutschen Kontrollbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Dr.-Ing. Anne-Maria Reinecke und Carsten Friedrich<br />

AWiR: Ein beteiligungsorientiertes Change-Projekt im kerntechnischen<br />

Rückbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

Ralf Schimweg und Marco Steinbusch<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

Verlängerte Zwischenlagerung: Neues Regelwerk und Nachweisführung<br />

für den „weiteren Verbleib“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Prof. Dr. Tobias Leidinger, Düsseldorf<br />

Education and Training<br />

Das neue Multilevel- Lernkonzept in der Kerntechnik: eine innovative Lösung<br />

für den Wissenstransfer in der Generation Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

Dr. Hendrik Wiesel<br />

Cover: Zerlegung des RDB im KKW Unterweser mit einem Großbandsägesystem<br />

(Bildrechte: PreussenElektra)<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Quecksilber & Kerntechnik – eine Geschichte ohne Ende? . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

Dr. Daniela Speicher<br />

Verwendung von Tc-99m zur Prozess beschreibung und Qualitätskontrolle bei<br />

materialabtragenden Oberflächen behandlungsverfahren und zur Bestimmung<br />

des Filtriervermögens von Aerosol-Rückhaltesystemen . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

Frank Klein<br />

KTG-Fachinfo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

Vor 66 Jahren<br />

Das Atomprogramm muss verwirklicht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

KTG Inside<br />

Bericht zur Nachwuchstagung 2023 der Jungen Generation . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

Report<br />

<strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong> Decommissioning 2023 – Rückblick . . . . . 78<br />

Zweites Forum Endlagersuche: Öffentlicher Austausch<br />

zum Stand der Suche nach einem Endlager in Halle an der Saale . . . . . . . . . . . 80<br />

Stärker vernetzt – Women in <strong>Nuclear</strong> Germany e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

Fachworkshop Zwischenlagerung: BGZ stellt umfangreiches<br />

Forschungsportfolio vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Ausgabe 1 › Januar


Did you know?<br />

5<br />

Did you know?<br />

Jahresbericht 2022 der Euratom Supply Agency – nur moderate<br />

Änderungen bei der Uranversorgung in der geopolitischen Krise<br />

Mit erheblicher Verspätung im Vergleich zu den Vorjahren hat die Euratom Supply Agency (ESA) ihren Jahresbericht<br />

zur Uranversorgung der EU für das Jahr 2022 veröffentlicht. Das vergangene Jahr war im Energiesektor von<br />

dramatischen Preisentwicklungen und hoher Volatilität bei den fossilen Energieträgern und in Folge auch auf<br />

dem Strommarkt geprägt. Verglichen damit sind die Änderungen bei der Uranversorgung und auf dem Uranmarkt im<br />

Krisenjahr 2022 moderat ausgefallen.<br />

Brennstoffbedarf 2022<br />

In der EU wurden 2022 1.602 tU durchschnittlich auf 3,93 %<br />

U-235 angereicherter Kernbrennstoff in Reaktoren eingesetzt,<br />

entsprechend 10.993 tU Natururan. Für die<br />

Erzeugung des Reaktorbrennstoffes einschließlich der<br />

Anreicherung von 57 tU Uran aus der Wiederaufarbeitung<br />

wurden 8.340 tUTA (Urantrennarbeit) aufgewendet. Der<br />

durchschnittliche Gehalt an U-235 in den Tails lag bei 0,2 %.<br />

Zusätzlich wurde MOX-Brennstoff eingesetzt, der 3.007 kg<br />

Plutonium enthielt. Damit wurden 277 tU und 197 tUTA<br />

eingespart. Das gesamte eingesetzte Brennstoffinventar<br />

entspricht somit einem Natururanäquivalent von 11.327 tU.<br />

Auffällig – und möglicher weise eine erste Krisenreaktion –<br />

ist, dass erstmals seit acht Jahren wieder mehr Brennstoff<br />

an die Kraftwerke geliefert als eingesetzt wurde. 98 Prozent<br />

des gelieferten Urans wurde auf Grundlage langfristiger<br />

Verträge geliefert. Die Bedarfsschätzung der Betreiber<br />

weist in diesem Jahr für den Zeitraum bis 2032 einen<br />

recht konstanten Bedarf an Uran und Trennarbeit aus im<br />

Unterschied zu den vergangenen zehn Jahren, in denen<br />

die Schätzungen häufig nach unten revidiert wurden.<br />

Herkunft des Urans und Marktanteile im Front-end<br />

Bei der Herkunft des Urans haben sich 2022 im Vergleich<br />

zum Vorjahr einige Änderungen ergeben. So hat der Bezug<br />

aus Kasachstan um rund 14 % und der aus Kanada sogar<br />

um 50 % zugenommen, wohin gegen die Einfuhr aus Russland<br />

um 16 % zurückgegangen ist, diejenige aus Australien<br />

um mehr als 80 % (siehe auch Grafik Uranlieferländer). Die<br />

Konversion von Uran in Form von U3O8 in UF6 im Umfang<br />

von 10.936 tU wurde zu rund 37 % in Frankreich von Orano,<br />

zu 22 % in Russland von Rosatom, zu 21 % von Cameco in<br />

Kanada und zu 16 % von ConverDyn in den USA durchgeführt.<br />

Hier gab es im Vergleich zu 2021 ein Wachstum<br />

von 10 % bei Orano und Rückgänge von 20 % bei Rosatom<br />

und 25 % bei Cameco. Die Gesamtmenge der Konversion<br />

für die EU-Reaktoren war 10 % niedriger als 2021. Bei der<br />

Anreicherung blieben die Marktanteile nach Staaten<br />

praktisch unverändert, mit 62 % in der EU, 30 % in Russland<br />

und 8 % in anderen Staaten. Die Betreiber von Reaktoren<br />

mit westlicher Technik haben um 16 % weniger Urantrennarbeit<br />

in Russland in Anspruch genommen. Das im Besitz<br />

von Kernkraftwerks betreibern befindliche Uran ist noch<br />

einmal etwas um 1.100 tU auf 35.710 tU gesunken. Die Preise<br />

von Uran in längerfristigen Verträgen tendierten 2022<br />

uneinheitlich, die Preise für Konversion erhöhten sich<br />

deutlich, diejenigen für Anreicherung stiegen sehr stark.<br />

Versorgungssicherheit<br />

Hinsichtlich der Versorgungssicherheit betrachtet die ESA<br />

die Abhängigkeit mittel- und osteuropäischer Betreiber<br />

von russischen Brennelementen und gekoppelten Brennstoffkreislaufdienstleistungen<br />

als bedeutendstes Risiko im<br />

EU-Kernenergiesektor. Diese Betreiber haben aber eine<br />

Diversifizierung in die Wege geleitet und haben sich mit<br />

Brennstoff bevorratet, weswegen der Erwerb von Konversions-<br />

bzw. Anreicherungsleistungen in Russland um 30 %<br />

bzw. 22 % gestiegen ist. Insgesamt wird für den „ globalen<br />

Westen“ festgestellt, dass dieser mittel- und langfristig<br />

nicht zu Selbstversorgung mit Konversion und Anreicherung<br />

in der Lage sein könnte, falls nicht einige Werke ihre<br />

Produktion erhöhen und in Kapazitätserweiterungen<br />

inves tieren. Die Versorgung der Betreiber in der EU ist für<br />

die kommenden Jahre mit Lieferverträgen abgesichert,<br />

allerdings könnte es unter Umständen nicht möglich<br />

sein, alle Optionen auszuüben, um den möglichen Ausfall<br />

von Risikolieferanten auszugleichen. Die ESA beklagt<br />

eine anhaltende Investitionsschwäche in den Brennstoffkreislauf,<br />

die langfristig die Versorgungssicherheit<br />

untergräbt.<br />

Ursprung des an EU-Kernkraftwerksbetreiber gelieferten Urans 2022 in Prozent<br />

26,82<br />

Kasachstan<br />

Quelle: Euratom Supply Agency, Annual Report 2022<br />

25,38<br />

Niger<br />

21,99<br />

Kanada<br />

16,89<br />

Russland<br />

3,76<br />

Usbekistan<br />

2,79<br />

Australien<br />

2,23<br />

Namibia<br />

0,15<br />

EU<br />

Vol. 69 (2024)


6<br />

Calendar<br />

Kalender 2024<br />

23.01. – 25.0<strong>1.2024</strong><br />

<strong>Power</strong>Gen <strong>International</strong>.<br />

New Orleans, LA, United States<br />

https://www.powergen.com/<br />

07.02. – 09.02.2024<br />

Long-Term Operation Summit.<br />

Andermatt, Switzerland<br />

https://lto-summit.org/<br />

07.03.2024<br />

Small & Advanced <strong>Nuclear</strong> Reactors NEI.<br />

Idaho Falls, Idaho, USA<br />

https://www.neimagazine.com/news/<br />

newssmall-and-advanced-reactors-<br />

2024-call-<strong>for</strong>papers-10905507<br />

10.03. – 14.03.2024<br />

WM2024.<br />

Technologies, Phoenix, AZ, USA<br />

https://www.wmsym.org/<br />

25. – 27.03.2024<br />

EPS-Forum – The European Physical<br />

Society Forum.<br />

Berlin, Germany<br />

https://eps<strong>for</strong>um.org/<br />

03. – 04.04.2024<br />

<strong>Nuclear</strong> Decommissioning & Waste<br />

Management Summit.<br />

London, UK<br />

https://www.wplgroup.com/aci/event/<br />

nuclear-decommissioning-wastemanagement-summit/<br />

10. – 18.04.2024<br />

Karlsruhe <strong>International</strong> School<br />

on Fusion Technologies.<br />

Karlsruhe, Germany<br />

https://summerschool.fusion.kit.edu/<br />

21.04. – 24.04.2024<br />

PHYSOR 2024 – <strong>International</strong><br />

Conference on Physics of Reactors.<br />

San Francisco, CA, United States<br />

https://www.ans.org/meetings/<br />

physor2024/<br />

13.05. – 16.05.2024<br />

ERMSAR 2024 – 11 th European Review<br />

Meeting on Severe Accident Research<br />

Conference.<br />

Stockholm, Sweden<br />

https://www.ermsar2024.conf.kth.se/<br />

15.05. – 17.05.2024<br />

RAMTrans 2024 – all aspects of packaging<br />

<strong>for</strong> the transport, storage and disposal of<br />

radioactive and nuclear materials.<br />

London, UK<br />

https://www.euronuclear.org/<br />

project/ramtrans-2024-15-17-may-2024-<br />

london-uk/<br />

20.05. – 24.05.2024<br />

ICONS 2024 – <strong>International</strong> Conference<br />

on <strong>Nuclear</strong> Security.<br />

Vienna, Austria<br />

https://www.iaea.org/events/icons2024<br />

21.05. – 22.05.2024<br />

Nordic <strong>Nuclear</strong> Forum 2024.<br />

Helsinki, Finland<br />

https://nordicnuclear<strong>for</strong>um.fi/<br />

25.05. – 29.05.2024<br />

NURER2020 – 7 th <strong>International</strong><br />

Conference on <strong>Nuclear</strong> and Renewable<br />

Energy Resources.<br />

Ankara, Türkiye<br />

http://www.nurer2020.org/en<br />

27.05. – 29.05.2024<br />

DEM 2024 – <strong>International</strong> Conference<br />

on Decommissioning Challenges:<br />

Role and importance of innovations.<br />

Avignon, France<br />

https://www.euronuclear.org/project/<br />

dem-2024-27-29-may-2024-avignonfrance/<br />

05.06. – 06.06.2024<br />

NIC 2024 – <strong>Nuclear</strong> Innovation<br />

Conference.<br />

Amsterdam, The Netherlands<br />

www.nuclearinnovationconference.eu/<br />

02. – 06.07.2024<br />

IYCE 2024 – <strong>International</strong> Youth<br />

Conference on Energy.<br />

Colmar, France<br />

https://www.iyce-conf.org/<br />

24. – 26.07.2024<br />

Global Forum <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong> Innovation.<br />

Eden Roc, Miami Beach, USA<br />

https://www.globalnuclearinnovation.com/<br />

04. – 08.08.2024<br />

ICONE31 – 31 st <strong>International</strong> Conference<br />

on <strong>Nuclear</strong> Engineering.<br />

Prague, Czech Republic<br />

https://event.asme.org/ICONE<br />

25. – 28.08.2024<br />

NUTOS – 14 th <strong>International</strong> Topical<br />

Meeting on <strong>Nuclear</strong> Reactor Thermal-<br />

Hydraulics, Operation, and Safety.<br />

Vancouver, BC, USA<br />

https://nuthos-14.org/<br />

09. – 11.09.2024<br />

World Utilities Congress.<br />

Abu Dhabi, UAE<br />

https://www.worldutilitiescongress.com/<br />

23. – 27.09.2024<br />

Symposium on Fusion Technology.<br />

Dublin, Ireland<br />

https://ncpst.ie/ncspt-to-host-softconference-2024-advancing-the-<br />

studyof-fusion-technology/<br />

29.09. – 03.10.2024<br />

TopFuel 2024.<br />

Grenoble, France<br />

https://www.euronuclear.org/<br />

topfuel-2024/<br />

18. – 21.1<strong>1.2024</strong><br />

ICOND 2024.<br />

Aachen, Germany.<br />

www.icond.de<br />

21.04. – 25.04.2024<br />

RRFM 2024 – European Research<br />

Reactor Conference.<br />

Warsaw, Poland<br />

https://www.euronuclear.org/project/<br />

european- research-reactor-conference-<br />

2024-21-25-april-2024-warsaw-poland/<br />

22.04. – 25.04.2024<br />

World Energy Congress.<br />

Rotterdam, The Netherlands<br />

https://worldenergycongress.org/<br />

rotterdam/<br />

10. – 14.06.2024<br />

Conference on the Management of Spent<br />

Fuel from <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Reactors 2024.<br />

Vienna, Austria<br />

https://www.iaea.org/events/sfm24<br />

17. – 20.06.2024<br />

Symposium on Plasma Physics<br />

and Technology.<br />

Prague, Czech Republic<br />

https://www.plasmaconference.cz/<br />

25. – 28.1<strong>1.2024</strong><br />

Clay Conference 2024.<br />

Hannover, Germany<br />

https://www.bge.de/de/endlagersuche/<br />

clay-conference/<br />

01. – 02.05.2024<br />

SMR & Advanced Reators 2024.<br />

Atlanta, USA<br />

https://events.reutersevents.com/nuclear/<br />

smr-usa<br />

06. – 10.05.2024<br />

NETS 2024 – <strong>Nuclear</strong> and Emerging<br />

Technologies <strong>for</strong> Space.<br />

Santa Fe, New Mexico, USA<br />

https://www.ans.org/meetings/nets2024/<br />

11.06. – 13.06.2024<br />

Leipzig, Germany<br />

https://kerntechnik.com/de/<br />

welcomes<br />

Ausgabe 1 › Januar


Feature: Decommissioning and Waste Management<br />

7<br />

Decommissioning Costs<br />

of <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Plants<br />

– an <strong>International</strong> Overview<br />

› Peter Hippauf<br />

Introduction<br />

The number of nuclear power plants (NPP) to be<br />

decommissioned and dismantled will grow within<br />

the next years. Figure 1 shows the age of the reactors<br />

worldwide in power production [1] . It indicates<br />

a coming final shut down of several units assuming<br />

operation periods between 40 and 60 years. Particularly<br />

NPP in Europe and in the United States are<br />

affected.<br />

Owners/licensees are generally responsible <strong>for</strong><br />

developing decommissioning cost estimates. A<br />

good understanding of decommissioning costs is<br />

fundamental <strong>for</strong> the development of cost esti mates<br />

based on realistic decommissioning plans. Transparent<br />

cost estimates also provide a basis <strong>for</strong><br />

reserving the necessary funds and further assessing<br />

the decommissioning process with the aim of<br />

ensuring that necessary funds are avail able when<br />

needed to cover the actual cost of decommissioning<br />

activities. [2]<br />

An important business area of NIS is the estimation<br />

of decommissioning costs <strong>for</strong> NPP and other<br />

nuclear facilities as well as the preparation of the<br />

related decommissioning plans. The following<br />

sections provide an overview of the:<br />

⁃ NIS references<br />

⁃ Methodology <strong>for</strong> calculating the<br />

decommissioning costs<br />

⁃ Main figures and results <strong>for</strong> the decommissioning<br />

of selected NIS references<br />

⁃ Conclusion.<br />

NIS references<br />

Siempelkamp NIS Ingenieurgesellschaft mbH<br />

(NIS), located in Alzenau, Germany, has worked in<br />

the field of decommissioning of nuclear facilities<br />

<strong>for</strong> more than 40 years now. NIS analyses these projects<br />

from a technical as well as from an eco nomical<br />

point of view. All gained experience is steadily<br />

included in the NIS decommissioning cost calculations<br />

to assure being up-to-date with regard to<br />

modern techniques.<br />

Today, NIS prepares annual decommissioning cost<br />

calculations <strong>for</strong> the German NPP quite recently<br />

Fig. 1.<br />

Reactor age worldwide<br />

Vol. 69 (2024)


8<br />

<br />

Feature: Decommissioning and Waste Management<br />

shut down as well as those in decommissioning.<br />

These annual expert assessments are mainly<br />

pre pared <strong>for</strong> liability purposes relevant <strong>for</strong> the<br />

operators’ annual financial accounting. Additionally,<br />

they are often considered <strong>for</strong> the planning<br />

and project management work.<br />

Since the 1990s, these experiences led to several<br />

contracts in <strong>for</strong>eign European countries. For the<br />

Belgian NPP, NIS prepares decommissioning cost<br />

calculations and preliminary decommissioning<br />

plans (PDP) every 3 years. Also decommissioning<br />

studies and cost calculations <strong>for</strong> NPP in Switzerland<br />

and in the Netherlands are updated regularly<br />

every 5 years. Further decommissioning cost<br />

calcula tions are per<strong>for</strong>med <strong>for</strong> NPP in Slovenia,<br />

Slovakia, Lithuania and France.<br />

Additionally, NIS prepares decommissioning cost<br />

calcu lation and planning <strong>for</strong> several German<br />

nuclear research facilities.<br />

Figure 2 summarizes the reference countries <strong>for</strong><br />

NIS decommissioning cost calculations. For the<br />

current projects (dark-blue), the methodology<br />

subse quently presented is applied and they are the<br />

basis <strong>for</strong> the overview in the main figures and<br />

results <strong>for</strong> NPP.<br />

Methodology<br />

In general, the per<strong>for</strong>mance of the NIS decommissioning<br />

cost estimation relies on four steps:<br />

1. Analysis of the masses to be considered<br />

(mass analysis)<br />

2. Creation of a work breakdown structure (WBS)<br />

3. Scheduling of the decommissioning project<br />

4. Per<strong>for</strong>mance of the cost calculation.<br />

At first, the inventory of the NPP is registered in the<br />

NIS database application. For each component, an<br />

adequate treatment (e.g. dismantling, cutting, decontamination,<br />

etc.) and waste disposal route (e.g.<br />

super-compaction, direct packaging, clearance<br />

measurement, etc.) is defined referring to the developed<br />

applicable waste management concept.<br />

Also, appropriate containers are chosen. At the end<br />

of the mass analysis, resulting waste amounts and<br />

disposal volumes are available. For the following<br />

planning and scheduling activities, the components<br />

are assigned to possible dis mantling steps<br />

relying on systems or rooms <strong>for</strong> example.<br />

Next, all measures and steps necessary <strong>for</strong> the<br />

decommissioning and dismantling of the NPP are<br />

identified and listed. This includes planning,<br />

licensing, preparation, nuclear dismantling, decontamination,<br />

clearance, conventional dismantling,<br />

waste processing, disposal and operation<br />

tasks. These tasks are arranged in a hierarchical<br />

WBS and customized e.g. according to the <strong>International</strong><br />

Structure <strong>for</strong> Decommissioning Costing<br />

(ISDC) [3] .<br />

For scheduling the decommissioning project,<br />

appropriate techniques and processes are selected.<br />

By means of linking measures and steps the<br />

sequence <strong>for</strong> the whole project is set. The duration<br />

of steps is determined according to personnel<br />

requirements and capacities as well as by the<br />

chosen techniques.<br />

Finally, the WBS as well as the time schedule are<br />

implemented in the NIS database application to<br />

per<strong>for</strong>m the cost calculation. Cost factors (e.g.<br />

wages per required qualification, costs of dismantling<br />

equipment, costs <strong>for</strong> consumables, container<br />

costs, etc.) are assigned to the individual<br />

steps to calculate the costs in a bottom-up prin ciple.<br />

The total costs, costs <strong>for</strong> each level of the WBS as<br />

well as yearly costs according to the project schedule<br />

are now available.<br />

As NIS is involved in several current decommis sion<br />

projects, experience accrues and is consequently<br />

considered in each of the four steps.<br />

The total decommissioning costs <strong>for</strong> the selected<br />

references presented in the following section<br />

are broken down in the same way to allow a<br />

meaningful comparison. They are split up in<br />

administra tion/operation, dismantling and waste<br />

management.<br />

Fig. 2.<br />

Reference countries NIS decommissioning cost calculations<br />

Administration/operation involves all types of<br />

activities concerned with the management of<br />

decommissioning activities, engineering, technical,<br />

safety and other relevant support, during all<br />

phases of the decommissioning project. Furthermore,<br />

the remaining site infrastructure and the<br />

Ausgabe 1 › Januar


Feature: Decommissioning and Waste Management<br />

9<br />

final radio activity survey <strong>for</strong> release of<br />

buildings. Secondly, conventional dismantling<br />

of systems in premises outside<br />

of the controlled area and demolition of<br />

structures, both <strong>for</strong> buildings originally<br />

located within the controlled area and<br />

<strong>for</strong> buildings outside the controlled area<br />

is covered. The site clean-up and landscaping<br />

as well as the final survey of the<br />

site to realize “green field” status is<br />

included.<br />

Fig. 3.<br />

Total decommissioning masses/inventory and gross capacities<br />

Waste management deals with all aspects<br />

of treating radioactive, hazardous<br />

and conventional waste generated<br />

during the removal activities. Beside<br />

the treatment itself, it considers conditioning<br />

<strong>for</strong> disposal, including container<br />

costs. Sometimes storage ef<strong>for</strong>ts<br />

are covered if regulated by law.<br />

Fig. 4.<br />

Average distribution of decommissioning masses per type<br />

operation needs to be managed. So, the necessary<br />

measures <strong>for</strong> the retention of a safe operation of<br />

the plant and the containment of the remaining<br />

radioactivity during the decommissioning work<br />

are considered. Also includes are operation and<br />

maintenance ef<strong>for</strong>ts, radiological protection and<br />

health physics, security and other operational<br />

expenditures.<br />

First of all, dismantling involves nuclear removal<br />

of the systems and structures within the controlled<br />

area, particularly procurement of equipment <strong>for</strong><br />

decontamination and dismantling, preparation<br />

and support <strong>for</strong> dismantling, pre-dismantling<br />

decontamination, removal of materials requiring<br />

specific procedures, dismantling of main process<br />

systems, structures and components, dismantling<br />

of other systems and components, removal of<br />

contamination from building structures and the<br />

Main figures and results<br />

As described previously, NIS has prepared<br />

various decommissioning cost<br />

calculations <strong>for</strong> different reactor types<br />

and nuclear facilities <strong>for</strong> decades. For a<br />

reasonable comparison, the following<br />

overview of main figures and results<br />

is evaluated from projects of PWR regarding<br />

the immediate dismantling<br />

decommissioning strategy. In total,<br />

figures and results of 21 PWR units located<br />

in 6 Euro pean countries are selected.<br />

Due to confidentiality, the plants and<br />

countries are anonymized.<br />

Figure 3 shows the masses to be removed<br />

during decommissioning of<br />

the referenced PWR units and their<br />

gross capacities. Dependent on the size,<br />

between 150.000 and 850.000 tons are<br />

registered in the NIS database application. The<br />

greatest part is non-radioactive equipment, components,<br />

concrete and building masses.<br />

Figure 4 provides particularly the distribution of<br />

the remaining (non-conventional) part. Especially<br />

<strong>for</strong> these components and masses, nuclear dismantling<br />

techniques are applied. Furthermore,<br />

site specific waste management concepts are<br />

developed considering the radiological evaluations,<br />

packaging and disposal policies.<br />

Figure 5 presents the required final disposal<br />

volumes <strong>for</strong> the remaining radioactive waste of the<br />

referenced PWR units. Between 3.200 and 9.100 m³<br />

are estimated. Obviously, there is no clear correlation<br />

between the amount of the decom missioning<br />

mass and the resulting final disposal volume as the<br />

country-specific packaging and disposal policies<br />

Vol. 69 (2024)


10<br />

<br />

Feature: Decommissioning and Waste Management<br />

are of importance in the NIS decommissioning<br />

cost calculations.<br />

Fig. 5.<br />

Final disposal volumes <strong>for</strong> radioactive waste<br />

Figure 6 shows the average of the<br />

total costs per PWR unit estimated by<br />

NIS <strong>for</strong> each reference country. The<br />

total costs are split into costs <strong>for</strong> administration/operation,<br />

dismantling<br />

and waste management. There is a<br />

range of 320 to 1.340 Million € <strong>for</strong> the<br />

average in total costs. 120 – 650 Million<br />

€ are determined <strong>for</strong> administration/operation,<br />

130 – 460 Mil lion € <strong>for</strong><br />

dismantling and 70 – 220 Mil lion € <strong>for</strong><br />

waste management. Figure 7 provides<br />

the distribution of the total<br />

decommissioning costs by percentage<br />

<strong>for</strong> each of the 6 referenced countries.<br />

There is a range of 30 % to 53 % <strong>for</strong><br />

administration/operation, 31 % –<br />

40 % <strong>for</strong> dismantling and 12 % – 38 %<br />

<strong>for</strong> waste management costs.<br />

Conclusion<br />

The total costs <strong>for</strong> the decommissioning<br />

of the selected 21 PWR units range<br />

between 320 and 1.500 Million €<br />

per unit. Due to the strong correlation<br />

between the registered decommissioning<br />

masses and the corresponding<br />

decommissioning ef<strong>for</strong>t, larger PWR<br />

units consequently cause higher decommissioning<br />

costs. Figure 6 shows<br />

the highest average costs <strong>for</strong> the country<br />

with the largest PWR units.<br />

Fig. 6.<br />

Overview decommissioning costs<br />

Fig. 7.<br />

Distribution of decommissioning costs per country<br />

Some countries show significantly<br />

lower price and wage levels, accordingly<br />

leading to lower decommissioning<br />

costs. This mainly affects administration/operation,<br />

waste management<br />

and simple dismantling tasks.<br />

In particular the dismantling of the<br />

main components (e.g. reactor pressure<br />

vessel, internals) is not affected,<br />

as this work is usually carried out<br />

by specialized world-wide service<br />

suppliers. This is one reason <strong>for</strong> different<br />

ratios between dismantling and<br />

ad ministration/operation costs as<br />

shown in Figure 7.<br />

Second, there is a sensitivity of decommissioning<br />

costs regarding the<br />

project duration. Cost reductions due<br />

to optimized scheduling of the decommissioning<br />

project are mainly<br />

driven by savings in administration/<br />

opera tion costs, par ticularly during<br />

the first years after final shut down.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Feature: Decommissioning and Waste Management<br />

11<br />

Obvi ously, it is important to avoid delays in<br />

the achievement of milestones permitting the<br />

reduc tion of operation support. This particularly<br />

applies to the removal of spent fuel as well as the<br />

granting of licenses to start dismantling as early<br />

as possible.<br />

A look at countries with multi-unit sites shows<br />

lower average decommissioning costs <strong>for</strong> each<br />

single unit. The NIS decommissioning cost calculations<br />

point out cost advantages due to economies<br />

of scale. The degression of fixed costs, learning<br />

curve effects as well as capacity optimizations are<br />

con sidered here.<br />

The regulation in some countries involves the<br />

intermediate storage and (partly) the final storage<br />

of the remaining radioactive waste in the decommissioning<br />

costs. This leads to a larger share of<br />

waste management costs in these countries, as<br />

shown in Figure 7.<br />

Figure 8 provides an international comparison of a<br />

mass-specific decommissioning cost figure in<br />

€/ton (total costs from Figure 6, per decommissioning<br />

mass from Figure 3). It illustrates countries<br />

with significantly lower price and wage levels.<br />

Furthermore, countries where large plants as well<br />

as multi-unit site are located, show lower mass-specific<br />

decommissioning costs than countries with<br />

smaller plants and single unit sites.<br />

Figure 9 completes the international overview<br />

with a decommissioning cost figure related to<br />

the gross capacities of the PWR in the different<br />

countries. The averages range between about<br />

0,60 Billion €/GW e and 1,20 Billion €/GW e or<br />

between 0,60 €/W e and 1,20 €/W e alternatively<br />

noted. In conclusion, it confirms the<br />

findings on the impact of plant size, multi-unit<br />

sites as well as price and wages<br />

levels on decommis sioning costs of nuclear<br />

power plants.<br />

References<br />

[1] IAEA (2021): <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong> Reactors in the World, IAEA<br />

reference data series No. 2, edition 2021, IAEA, Vienna.<br />

[2] NEA (2016): Costs of Decommissioning <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Plants, OECD, Paris.<br />

[3] NEA (2012): <strong>International</strong> Structure <strong>for</strong> Decommissioning<br />

Costing (ISDC) of <strong>Nuclear</strong> Installations, OECD, Paris.<br />

Author<br />

Fig. 8.<br />

Decommissioning costs per mass<br />

Peter Hippauf<br />

Project Manager<br />

Decommissioning Costs<br />

Siempelkamp NIS Ingenieurgesellschaft<br />

mbh, Alzenau, Germany<br />

peter.hippauf<br />

@siempelkamp-nis.com<br />

Peter is an expert in nuclear decom<br />

mis sioning and the corresponding<br />

costs <strong>for</strong> these projects. In<br />

2009, he started at Siempel kamp NIS located in Alzenau,<br />

Bavaria, Germany, calculating decommissioning costs <strong>for</strong><br />

nuclear power plants and facilities in Germany. Over the<br />

years, his scope expands with the preparation of decommissioning<br />

plans and cost estimates <strong>for</strong> nuclear facilities in<br />

several European countries.<br />

Fig. 9.<br />

Decommissioning costs per gross capacity<br />

Vol. 69 (2024)


12<br />

Interview<br />

Interview mit Steffen Kanitz<br />

Innovationen<br />

sind Treiber im Rückbau<br />

Interview mit Steffen Kanitz,<br />

Technischer Geschäftsführer (CTO) der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />

› Nicolas Wendler<br />

Steffen Kanitz<br />

Technischer Geschäftsführer (CTO) der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />

Mitglied des Vorstandes RWE <strong>Power</strong> AG (Ressort Kernenergie)<br />

› seit Juni 2023<br />

Technischer Geschäftsführer (CTO) der RWE <strong>Nuclear</strong> GmbH<br />

Mitglied des Vorstandes RWE <strong>Power</strong> AG (Ressort Kernenergie)<br />

› 2018 – 2023 Geschäftsführer, Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE)<br />

› 2017 – 2018 Generalbevollmächtigter, BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH<br />

› 2013 – 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU)<br />

› 2008 – 2013 Projektmanager, Gelsenwasser AG<br />

› 2004 – 2008 Universität Münster, Studium der Betriebswirtschaftslehre,<br />

Abschluss: Diplom-Kaufmann<br />

› 14.02.1984 geboren in Dortmund<br />

Mit dem Standort Emsland sind nun alle Kernkraftwerke<br />

des RWE in Nachbetrieb oder Rückbau. Gibt<br />

es für die vier Standorte eine übergreifende Rückbaustrategie<br />

oder wird eher standortspezifisch<br />

vorgegangen?<br />

Die Trans<strong>for</strong>mation vom Energie erzeuger zu einem<br />

Rückbauunternehmen ist eine ambitionierte Aufgabe,<br />

die neue Methoden und Denkmuster er<strong>for</strong>dert.<br />

Wir haben bereits vor einigen Jahren über<br />

alle Standorte hinweg alle Prozessschritte des<br />

Rückbaus unter die Lupe genommen<br />

– vom Antrag der Abbaugenehmigung<br />

bis hin zur Entlassung<br />

aus dem Atomgesetz. Entstanden<br />

ist dabei der „Integrierte<br />

Rückbauprozess“ (IRP), der die<br />

Grundlage für die opera tive Steuerung<br />

der Organisation und die<br />

neue, auf Rückbau ausgerichtete<br />

Struktur bildet. Ähnlich wie beim<br />

Bau von Autos, wird die komplexe<br />

Aufgabe in kleine Pakete aufgeteilt. Die einzelnen<br />

Abbau tätigkeiten werden aufeinander abgestimmt<br />

und greifen wie am Fließband ineinander. Dank<br />

Die einzelnen<br />

Abbau tätigkeiten<br />

werden aufeinander<br />

abgestimmt und<br />

greifen wie am<br />

Fließband ineinander.<br />

dieser Vorgehensweise ist der Rückbau gut kontrollierbar<br />

und sicher zu bewältigen.<br />

Die vier kerntechnischen Rückbaustandorte haben<br />

alle ihre Besonderheiten. Wie ist aktuell der Stand<br />

beim Rückbau und was sind die nächsten Schritte<br />

an den verschiedenen Stand orten?<br />

Mit dem Kernkraftwerk Emsland befinden wir uns<br />

im Nachbetrieb und warten noch auf die Stilllegungs-<br />

und Abbaugenehmigung. Gleichwohl laufen<br />

die rückbauvorbereitenden<br />

Maßnahmen auf Hochtouren.<br />

Die ebenfalls am Standort<br />

befind liche Altanlage, das<br />

Kernkraftwerk Lingen (KWL)<br />

ist seit Ende 2015 im Rückbau.<br />

Aktuell führen wir den Abbau<br />

des Reaktordruckgefäßes, der<br />

das ehemalige tech nische Herzstück<br />

der Anlage bildete, durch.<br />

In Gundremmingen haben wir in beiden Maschinen<br />

häusern die Generatoren und andere<br />

Komponenten ausgebaut und zerlegt. Dort werden<br />

Ausgabe 1 › Januar


Interview<br />

13<br />

wir – wie bereits in Lingen im Sommer – bald<br />

mit dem Bau eines Transportbereitstellungs- und<br />

Logistik gebäudes zum Zwischenpuffern von<br />

schwach- und mittelradioaktiven Abfällen bis zur<br />

Abgabe an den Bund beginnen.<br />

In Biblis konnte der Rückbau mehrerer Systeme<br />

sowie verschiedener Großkomponenten, etwa der<br />

Dampferzeuger, bereits erfolgreich abgeschlossen<br />

werden.<br />

In Mülheim-Kärlich sind bereits mehr als zwei<br />

Drittel des technischen Equipments ausgebaut.<br />

Aktuell werden die Einbauten des Reaktordruckbehälters<br />

zerlegt, parallel laufen erste Aktivitäten<br />

zur Freimessung der Betonstrukturen in den<br />

Ringräumen.<br />

Darüber hinaus errichten wir am Standorte<br />

Emsland innerhalb der Anlage eine moderne<br />

Rückbau fabrik mit z.B. Bandsägen und Strahl anlagen<br />

zur Behandlung abge bauter Komponenten,<br />

in Biblis ist der Fabrikaufbau schon abgeschlossen,<br />

in Gundremmingen wird die Fabrik bedarfsgerecht<br />

erweitert.<br />

Der kerntechnische Rückbau ist in Deutschland<br />

inzwischen ein eta bliertes Vorgehen, gleichwohl<br />

wird weiter aktiv in diesem Bereich ge<strong>for</strong>scht. Gibt<br />

es bei RWE <strong>Nuclear</strong> Forschungskooperationen oder<br />

-projekte hinsichtlich des Rückbaus oder<br />

verbundener Bereiche wie Freigabe oder Konditionierung<br />

und Verpackung?<br />

Unsere Forschung ist anwendungsorientiert ausgelegt.<br />

Als Ergebnis dieser Ausrichtung haben wir<br />

in Biblis gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut<br />

für Graphische Datenverarbeitung IGD das<br />

gemeinsame FORKA-Forschungsprojekt ROBBE<br />

( ROBotergestützte BEarbeitung von Baugruppen)<br />

entwickelt. Kern der Technologie<br />

ist die autonome Erfassung der<br />

3D-Geometrie be liebiger beschichteter<br />

Bauteile unterschiedlicher<br />

Form und Größe sowie deren automatisierte<br />

Ent schichtung mittels<br />

Ultra-Hochdruck-Wasserstrahltechnik.<br />

Die 3D-Technik zur Erfassung<br />

wurde bislang bei der<br />

Digitalisierung von Kulturgütern<br />

genutzt. Die nun robotergestützte<br />

Bearbeitung von Baugruppen<br />

erhöht die Arbeitssicherheit und<br />

bringt einen Effizienzschub bei<br />

der Dekontami nation und damit für den gesamten<br />

Rückbau. Dass wir für diese Innovationspartnerschaft<br />

in 2022 den Nuklearen Innovationspreis der<br />

EU erhalten haben, macht uns besonders stolz.<br />

Das Projekt wurde von der Jury mit dem dritten<br />

Preis in der Kategorie Entsorgung radioaktiver<br />

Abfälle aus gewählt. In einem Nachfolgeprojekt<br />

wird die Automatisierung ausgeweitet auf die<br />

Zur Vorbereitung<br />

des Rückbaus im<br />

Kraftwerk Emsland<br />

haben unsere<br />

Mitarbeitenden einen<br />

„digitalen Zwilling“<br />

des Kontrollbereichs<br />

erstellt.<br />

ROBBE – robotergestütze Bearbeitung von Baugruppen<br />

(Bildrechte: RWE)<br />

Entschichtung durch Laserablation und die Vormessung<br />

von Bauteilen beliebiger Geometrie.<br />

Konnten im Rahmen der Rückbauprojekte von RWE<br />

Verfahrens- oder Prozessinnovationen in die Praxis<br />

umgesetzt werden?<br />

Innovationen sind Treiber im Rückbau. Unsere<br />

motivierten und gut ausgebildeten Beschäftigten<br />

haben immer wieder neue Ideen und Gedanken,<br />

wie wir den Rückbau noch sicherer oder effizienter<br />

gestalten können.<br />

Die gerade erwähnte ROBBE bewährt sich aktuell<br />

beim Einsatz in der Fabrik in Biblis.<br />

In Mülheim Kärlich haben<br />

wir das Projekt „GAuDI“ (Gebäudefreigabe<br />

Automatisierung<br />

und Digi talisierung)<br />

entwickelt und wollen es nun<br />

an allen Standorten umsetzen.<br />

Zur Unter stützung der<br />

Gebäude freigabe haben wir<br />

zwei Roboter ent wickelt, die<br />

automatisiert Dosis leistungsmes<br />

sungen in Räumen durchführen.<br />

Hierdurch können<br />

wir nicht nur Messfehler verringern,<br />

sondern auch Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

von monotoner Arbeit im Vormessprozess<br />

von Räumen entlasten und erhalten freie Personalressourcen<br />

für an dere Aufgaben.<br />

Zur Vorbereitung des Rückbaus im Kraftwerk<br />

Emsland haben unsere Mitarbeitenden einen<br />

„ digitalen Zwilling“ des Kontrollbereichs erstellt.<br />

Vol. 69 (2024)


14<br />

Interview<br />

Dank des nun vorliegenden digitalen detailgetreuen<br />

3D-Modells können wir viel einfacher<br />

planen und bei der Arbeits vorbereitung Mitarbeiter<br />

von Partner firmen den<br />

genauen Arbeits ort vorab vorstellen<br />

und Sicherheitshinweise<br />

geben.<br />

Darüber hinaus steigern wir<br />

in allen Prozessen Effizienz<br />

und Zuverlässigkeit mit gezielter<br />

Digi talisierung, wovon<br />

nicht nur wir profitieren. In<br />

der Ent sorgung haben wir gemeinsam<br />

mit der zu ständigen Bundes gesellschaft<br />

für Endlagerung die Digitalisierung der Produktkontrolle<br />

angestoßen. Das kommt nun allen Ablieferungspflichtigen<br />

zu Gute.<br />

Der Rückbau von kommer ziellen Kernkraftwerken<br />

findet in Deutschland an zahlreichen Standorten<br />

und in verschiedenen Unternehmen statt, teils<br />

seit Jahrzehnten. Gibt es aus Ihrer Sicht hier noch<br />

größeres Optimierungs- bzw. Kos ten senkungspotential<br />

und wenn ja, in welchen Bereichen?<br />

Ein großes Thema sind die Restbetriebskosten. Klar<br />

ist: Solange eine Anlage nicht brennelementfrei ist,<br />

sind wir verpflichtet, Sicherheitssysteme zu warten<br />

und in Betrieb zu halten. Je früher wir brennelementfrei<br />

werden, desto früher können wir auf<br />

diese redundanten Sicherheitssysteme verzichten<br />

und Kosten sparen. Darüber hinaus<br />

reichen die Maßnahmen von einfachen<br />

Dingen wie dem Einsatz<br />

mobiler Lichtquellen bis hin zum<br />

Umbau der Medienversorgung, um<br />

den Verbrauch zu senken.<br />

Branchenweit<br />

gibt es ein großes<br />

Optimierungspotential<br />

bei der Freigabe<br />

von Reststoffen<br />

aus den Anlagen.<br />

Ein zweiter großer Hebel ist die<br />

Optimierung des Material flusses.<br />

Wir müssen die Themen Genehmigungen,<br />

Organisation und Steuerung noch konsequen<br />

ter darauf ausrichten. Dabei geht es um Evolution<br />

und nicht um Revolution. Wir machen vieles<br />

sehr gut. Jetzt geht es darum, herauszu finden, was<br />

wir noch besser machen können. Branchenweit<br />

gibt es ein großes Optimierungs potential bei der<br />

Freigabe von Reststoffen aus den Anlagen. In Ermangelung<br />

eines spezifischen Regelwerkes für den<br />

Rückbau arbeiten wir immer noch mit Leistungsbetriebsstandards,<br />

die einem massen fähigen<br />

Rückbau prozess klar im Wege stehen. Hier sehe ich<br />

echten Anpassungsbedarf, ohne den wir den Rückbau<br />

nicht erfolgreich ins Ziel führen können.<br />

Für die Standortgemeinden ist die Zukunftsperspektive<br />

für die Standorte von großer Bedeutung.<br />

Gibt es schon konkrete Zukunftsprojekte,<br />

an denen RWE Anteil hat?<br />

Wir führen an den jeweiligen Standorten bereits<br />

intensive Gespräche über konkrete Projekte, auch<br />

wenn ich da heute noch nicht ins Detail gehen<br />

kann. Wir sind Eigen tümer großer Flächen mit<br />

hervorragender Infrastruktur, so dass wir parallel<br />

zum Rückbau auch Neubauprojekte<br />

realisieren können: Batteriespeicher,<br />

PV-An lagen zum<br />

Beispiel, aber auch die mög liche<br />

H2-ready­ Infra struk tur der Zukunft.<br />

Ich bin froh, dass wir an<br />

allen Standorten Projekte haben,<br />

die Anschlussperspektiven schaffen.<br />

So können unsere Standorte<br />

Teil der Energiewende bleiben.<br />

Klar ist auch: Die Dimension eines<br />

Großkraftwerks mit all seinen Effekten für Beschäftigung<br />

und Wertschöpfung in der Region<br />

werden wir nicht erreichen. Aber die Projekte<br />

können einen wichtigen Beitrag leisten.<br />

Ein interessanter Fall ist der Energiestandort<br />

Lingen, der jahrzehntelang Standort von Kernkraftwerken,<br />

anderen Kraftwerken und anderen<br />

Anlagen der Energieinfrastruktur war und ist. Was<br />

ist dort für die Zukunft geplant?<br />

Unser Gaskraftwerk Emsland am Standort Lingen<br />

entwickelt sich gerade zu einem Vorzeigestandort<br />

für die entstehende Wasserstoff-Wirtschaft. Vor<br />

wenigen Wochen haben wir im Rahmen eines<br />

Forschungsprojekts mit einer Hochtemperatur­<br />

Elektrolyse den ersten Wasserstoff erzeugt. Ak tuell<br />

laufen die Arbeiten für die Inbetrieb nahme einer<br />

14-MW-Pilotan lage, an der<br />

wir Betriebserfahrung mit<br />

Ich bin froh, dass wir<br />

an allen Standorten<br />

Projekte haben, die<br />

Anschlussperspektiven<br />

schaffen.<br />

zwei weiteren Elek tro lyse-<br />

Tech no logien sammeln.<br />

Ende 2022 haben wir die<br />

ersten zwei 100-MW-Elektrolyseure<br />

für das Projekt<br />

GET H2 Nukleus beauftragt,<br />

bei dem wir perspektivisch<br />

in industriellem<br />

Maßstab grünen Wasser stoff in Lingen erzeugen<br />

wollen. Auf lange Sicht haben wiram Standort Lingen<br />

ausge zeichnete Voraus setzungen, um Elektrolyseure<br />

mit einer Leistung von bis zu 2 Gigawatt zu<br />

errichten.<br />

Autor<br />

Nicolas Wendler<br />

Leiter Presse und Politik<br />

KernD (Kerntechnik Deutschland e. V.)<br />

nicolas.wendler@kernd.de<br />

Nicolas Wendler ist seit August 2013 Leiter Presse<br />

und Politik von Kerntechnik Deutschland e. V./<br />

Deutsches Atom<strong>for</strong>um e. V. und war davor seit März<br />

2010 als Referent Politik dort beschäftigt. Er war<br />

zuvor als <strong>International</strong>er Referent für die internationalen<br />

Beziehungen der Jungen Union Deutschlands<br />

zuständig und hat unter anderem Themen der Energie-, Klima- und<br />

Wirtschaftspolitik für die Organisation bearbeitet. Wendler hat in München<br />

und Bordeaux Politische Wissenschaft sowie Volkswirtschaftslehre und (Nord-)<br />

Amerikanische Kulturgeschichte studiert.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

15<br />

Second publication<br />

(first release VGBE Energy <strong>Journal</strong> November 2023)<br />

Forecasts and Scenarios <strong>for</strong><br />

Global Energy Supply up to 2050<br />

– Synopsis of the Approaches<br />

and Results of Studies Published<br />

in 2023<br />

› Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer<br />

Introduction<br />

The development of global energy supply in the<br />

coming decades is of outstanding interest <strong>for</strong> the<br />

strategic orientation of companies and governments<br />

as well as the positioning of international<br />

stakeholders. Accordingly, a number of institutions<br />

regularly present detailed analyzes of the prospects<br />

<strong>for</strong> energy consumption and its coverage.<br />

These include government-backed international<br />

organizations, energy companies, consulting firms<br />

and scientific institutes. The analyzes produced are<br />

characterized by differences in the methods followed<br />

and the assumptions made. A fundamental<br />

distinction must be made between <strong>for</strong>ecasts and<br />

exploratory and normative scenarios. The approaches<br />

and results of the studies will be characterized<br />

if they were published in 2023. The future<br />

paths indicated in these studies are assigned to<br />

the categories mentioned. The wide range in the<br />

results achieved on the future development of primary<br />

energy consumption and electricity generation<br />

is explained – differentiated according to energy<br />

sources. Furthermore, common messages that<br />

can be derived from the studies are identified. This<br />

is particularly true with regard to compliance with<br />

the climate targets decided by the global community.<br />

Increasing electrification and increased use<br />

of hydrogen are identified as key technological<br />

drivers. For political support, the most globally<br />

harmonized pricing of CO 2 as well as increased<br />

international cooperation are advocated.<br />

Development of global energy supply<br />

from 1985 to 2022<br />

A presentation of the methods and results of<br />

the projections and scenarios in which statements<br />

are made about the period up to the middle of<br />

the century will be preceded by the<br />

main features of the global development<br />

of energy supply and demand<br />

in the period 1985 to 2022. First of<br />

all, primary energy consumption<br />

(Figure 1).<br />

Fig. 1.<br />

Global Primary Energy Consumption 1985 to 2022<br />

in Million toe* resp. in Exajoules (EJ)<br />

* tons of oil equivalent<br />

Source: Energy Institute, 2023 Statistical Review of World Energy, June 2023 (Workbook)<br />

From 1985 to 2022, global primary<br />

energy consumption has doubled.<br />

The main drivers of this development<br />

were the increase in the population<br />

by almost two thirds and the<br />

tripling of global economic output<br />

(adjusted <strong>for</strong> inflation). The energy<br />

mix has changed as follows over these<br />

37 years:<br />

⁃ The increase in energy consumption<br />

was largely covered by fossil<br />

fuels. All fossil energies have made<br />

growing contributions to covering<br />

the increased consumption.<br />

Vol. 69 (2024)


16<br />

<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

⁃ The share of fossil fuels in primary energy<br />

consumption in 2022 was only 5.9 percentage<br />

points lower than in 1985. In 2022, 81.8 % of<br />

total energy consumption was from coal, oil<br />

and natural gas - compared to 87.7 % in 1985.<br />

⁃ The share of nuclear energy has decreased<br />

from 5.0 % to 4.0 %.<br />

⁃ The contribution of renewable energies almost<br />

doubled from 7.3 % to 14.2 %.<br />

Global electricity generation tripled from 1985 to<br />

2022 (Figure 2). Here too, a comparable development<br />

can be seen with regard to the role of fossil<br />

energies:<br />

⁃ The growth in electricity generation was<br />

primarily based on a significantly increased<br />

use of coal and natural gas.<br />

⁃ The use of fossil fuels in electricity generation<br />

has hardly decreased - from 64.1 % in 1985 to<br />

61.5 % in 2022.<br />

⁃ The relative contribution of nuclear energy fell<br />

from 15.1 % to 9.2 %.<br />

⁃ Renewable energies were able to compensate<br />

<strong>for</strong> the relative losses of nuclear energy and<br />

fossil energies with share gains of 8.5 percentage<br />

points. Hydropower, wind and solar energy<br />

as well as biomass and geothermal energy<br />

accounted <strong>for</strong> 29.3 % of global electricity generation<br />

in 2022 – compared to 20.8 % in 1985.<br />

The coming decades will be fundamentally different<br />

from the development shown in the past.<br />

Forecasts and scenarios <strong>for</strong> global energy supply<br />

until 2050<br />

In 2023, various institutions published per spectives<br />

on future global energy supplies up to 2050.<br />

These include government-sponsored international<br />

organizations, industrial groups, consulting<br />

firms and scientific research institu tions. Eleven<br />

institutions have presented updated global energy<br />

projections in 2023, covering all energy sources<br />

and technologies. From among the international<br />

organizations supported by governments, these<br />

are the <strong>International</strong> Energy Agency (IEA) 1 , the<br />

<strong>International</strong> Renewable Energy Agency (IRENA) 2<br />

and the U.S. Energy In<strong>for</strong>mation Adminis tration<br />

(EIA) 3 . Of the energy companies, BP 4 , the Norwegian<br />

Equinor 5 , ExxonMobil 6 and the international<br />

classification and certification company DNV 7<br />

based in Norway have published <strong>for</strong>ecasts and<br />

scenarios in 2023 on the prospects <strong>for</strong> global energy<br />

supply up to 2050. In addition, the management<br />

consultants McKinsey 8 , Wood Mackenzie 9 and<br />

Enerdata 10 as well as The Institute of Energy<br />

Economics, Japan (IEEJ) 11 presented corresponding<br />

studies in 2023.<br />

Categorization of <strong>for</strong>ecasts and scenarios<br />

The institutions indicated have chosen different<br />

approaches to show the prospects <strong>for</strong> future energy<br />

supply. The studies by DNV and ExxonMobil are<br />

<strong>for</strong>ecasts, while the other institutions modeled<br />

scenarios. Eight of the nine institutions that relied<br />

on scenarios calculated both exploratory scenarios<br />

and one normative scenario. The U.S. EIA, on<br />

the other hand, has limited itself to a reference<br />

scenario that is supplemented by sensitivity<br />

calculations. One of the common features of the<br />

published analyzes is that the assessments of<br />

global development are supported by data and<br />

facts differentiated by region of the world.<br />

The fundamental differences between <strong>for</strong>ecasts<br />

and scenarios can be outlined as follows:<br />

Forecasts present future developments based<br />

on parameters that are assumed to be probable,<br />

including demographic developments,<br />

economic per<strong>for</strong>mance,<br />

technological innovations, world<br />

market prices <strong>for</strong> energy and the<br />

expected political framework. Corresponding<br />

assumptions are included<br />

in the modeling as input<br />

parameters and lead to quantitative<br />

results. Institutions that create<br />

<strong>for</strong>ecasts strive to reflect what is<br />

considered likely from today‘s<br />

perspective.<br />

Fig. 2.<br />

Global <strong>Power</strong> Generation Mix 1985 to 2022<br />

in TWh<br />

* including other non-renewable energies<br />

Source: Energy Institute, 2023 Statistical Review of World Energy, June 2023 (Workbook)<br />

In contrast, scenarios are plausible<br />

and com prehensible alternative<br />

views into the future that help to<br />

understand how different factors<br />

can interact and thus shape the<br />

future. A distinction can be made<br />

between exploratory and normative<br />

scenarios.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

17<br />

⁃ In exploratory scenarios, a development path<br />

is shown that starts from the present and –<br />

depending on the input parameters chosen –<br />

charac terizes possible paths <strong>for</strong> the future.<br />

Exploratory scenarios can also be categorized<br />

according to whether they are more qualitative<br />

or whether the focus is on quantification. Even if<br />

the focus is on a narrative, this can be quantitatively<br />

supported by a model.<br />

⁃ In contrast to this “bottom-up” approach, in<br />

normative scenarios the starting point is a target<br />

state in the future. Starting from the defined<br />

target state, it is determined top-down which<br />

development path can lead to achieving the<br />

specified target state. The target state chosen in<br />

most of the scenarios examined is to maintain<br />

the goal of limiting temperature rise to 1.5 °C<br />

compared to pre-industrial levels. In some cases,<br />

however, an expanded set of goals is also specified,<br />

which can include, <strong>for</strong> example, access <strong>for</strong><br />

all people to af<strong>for</strong>dable energy or improved air<br />

quality.<br />

Both scenario types are explicitly not predictions.<br />

Probabilities of occurrence are not assigned to<br />

exploratory or normative scenarios. Both types of<br />

scenarios can serve to provide the basis <strong>for</strong> successful<br />

strategy and policy in a world characterized<br />

by uncertainty. This applies to both business and<br />

political strategies.<br />

When comparing the results of various studies<br />

on the prospects of energy supply, it is of crucial<br />

importance which approach was chosen and<br />

which input parameters were used. The <strong>for</strong>ecasts<br />

and scenarios that have recently been presented<br />

by the eleven institutions mentioned are assigned<br />

to the individual categories (Figure 3).<br />

Fig. 3.<br />

Categorization of outlooks of different organizations on global energy supply<br />

Forecasts <strong>for</strong> global energy supply until 2050<br />

Global energy supply <strong>for</strong>ecasts were presented<br />

by ExxonMobil and DNV in 2023. The results<br />

obtained differ significantly. In order to understand<br />

this, the underlying assumptions must first<br />

be explained.<br />

Characterization of ExxonMobil and DNV <strong>for</strong>ecasts<br />

ExxonMobil has published the company‘s latest<br />

view of demand and supply dynamics through<br />

2050. It <strong>for</strong>ms the basis <strong>for</strong> the company‘s business<br />

planning and is underpinned by a deep understanding<br />

of long-term market fundamentals. In<br />

addition to assessing trends in economic development,<br />

technology advances and consumer behavior,<br />

the outlook seeks to identify potential impacts<br />

of climate related government policies.<br />

The company projects demand <strong>for</strong> services across<br />

15 sectors covering needs <strong>for</strong> personal mobility,<br />

residential energy, production of steel, cement and<br />

chemicals, plus many others. Then it matches that<br />

demand across multiple energy sources, taking<br />

into account current use and potential evolution.<br />

It also projects liquid and natural gas supply and<br />

trade flows.<br />

According to ExxonMobil, an energy transition is<br />

underway, but it is not yet happening at the scale<br />

or on the timetable required to achieve society‘s<br />

net-zero ambitions. Three key drivers are available,<br />

all involving broad collaboration among governments,<br />

companies, universities, and others.<br />

⁃ First, continued public policy support. Incentives<br />

like those in the U.S. Inflation Reduction Act can<br />

provide the necessary catalyst to begin scaling up<br />

low-carbon solutions.<br />

⁃ Second, technology advances.<br />

A broad technology<br />

approach, where governments<br />

avoid picking<br />

winners and losers, will<br />

lead to the most cost-efficient<br />

solutions produced<br />

in a timely manner.<br />

⁃ And third, market-driven<br />

solutions. Governments<br />

across the world can’t af<strong>for</strong>d<br />

to pay in perpetuity<br />

to reduce the amount of<br />

emissions needed to be<br />

removed or avoided. Ultimately,<br />

to achieve global<br />

emission-reduction goals,<br />

the world will need to<br />

move to widespread adoption<br />

of markets where<br />

society as a whole incentivizes<br />

driving emissions<br />

down.<br />

Vol. 69 (2024)


18<br />

<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

DNV also presents a single <strong>for</strong>ecast <strong>for</strong> the global<br />

energy future, known as the “Best Estimate”,<br />

broken down into ten regions of the world. In<br />

addition, DNV has presented a “Pathway to Net<br />

Zero Emissions” that shows what could be possible,<br />

although the associated challenges are considered<br />

very significant. The aim of this additional<br />

“ backcasting” is to demonstrate the gap between<br />

the “Best Estimate Future” and the “Net Zero<br />

Pathway”.<br />

The <strong>for</strong>ecast, which is the focus of the DNV analysis,<br />

is based on the following parameters:<br />

⁃ Consideration of longer-term dynamics and<br />

not short-term imbalances<br />

⁃ Continued development of existing technologies,<br />

without assuming, from today‘s perspective,<br />

uncertain breakthroughs<br />

⁃ Inclusion of key policy trends, with non­ resilient<br />

commitments (NDCs) being included with<br />

caution<br />

⁃ Changes in behavior, particularly in relation to<br />

increased requirements <strong>for</strong> environmental and<br />

climate protection<br />

The model structure and the input data are shown<br />

in detail in the study.<br />

Results of ExxonMobil and DNV <strong>for</strong>ecasts<br />

ExxonMobil and DNV come to different conclusions<br />

regarding the prospects <strong>for</strong> global energy supply.<br />

This is illustrated by the <strong>for</strong>ecast development of<br />

primary energy consumption by energy technology<br />

(Figure 4).<br />

ExxonMobil assumes that global primary energy<br />

consumption in 2050 will exceed the level of 2022,<br />

given the population increase of around 2 billion<br />

and economic output more than twice as high as<br />

today. The energy mix will change significantly.<br />

Energy from solar and wind is projected to more<br />

than quintuple, from 2 % of the world‘s supply to<br />

11 % in 2050. Coal will increasingly be displaced<br />

by lower-emission sources of electricity production<br />

– not just renewables but also natural gas. Natural<br />

gas use is projected to increase by more than 20 %<br />

by 2050 given its utility as a reliable and lower<br />

emissions source of fuel <strong>for</strong> electricity generation,<br />

hydrogen production and heating <strong>for</strong> both industrial<br />

processes and buildings. Oil use is expected<br />

to decline significantly in personal transportation<br />

but will remain essential <strong>for</strong> the industrial processes<br />

and heavy-duty transport like shipping,<br />

long-haul trucking and aviation. Oil and gas are<br />

projected to still make up more than half of the<br />

world‘s energy supply in 2050. The expected decline<br />

in coal consumption will lead to losses in the<br />

share of coal in total primary energy consumption<br />

from 27 % in 2022 to 14 % in 2050.<br />

The contribution of all fossil energies to covering<br />

total primary energy consumption will decrease<br />

from 80 % in 2022 to 68 % in 2050. <strong>Nuclear</strong> energy<br />

will then amount to 7 % (compared to 5 % in 2022).<br />

The share of renewable energies in primary energy<br />

consumption will grow from 16 % in 2022 to 25 %<br />

in 2050.<br />

Global electricity consumption is increasing significantly<br />

faster than primary energy consumption.<br />

Electricity demand in 2050 is expected to exceed<br />

current levels by 80 %. According to ExxonMobil,<br />

the use of natural gas to generate electricity will<br />

swell in the future, while the use of coal in 2050<br />

will be more than a third lower than today. <strong>Nuclear</strong><br />

energy is increasing by around 50 %. The contribution<br />

of wind and solar energy to electricity<br />

generation is growing the most. By 2050, solar<br />

energy is expected to increase tenfold and wind<br />

power is expected to increase sixfold<br />

compared to 2021 levels.<br />

As a result of model calculations<br />

carried out by ExxonMobil, energyrelated<br />

CO 2 emissions will fall by<br />

25 % to 25 billion tons by 2050. This<br />

would mean that the Paris climate<br />

target would be clearly missed. In<br />

order to limit the temperature<br />

increase to less than 2 °C compared<br />

to pre-industrial levels, energyrelated<br />

CO 2 emissions would have<br />

to fall to 11 billion tons by 2050,<br />

according to the group‘s analyses.<br />

Fig. 4.<br />

Global primary energy consumption – Synopsis of EIA’s IEO 2023 Reference Case<br />

and the <strong>for</strong>ecasts from ExxonMobil and DNV in 2050<br />

in Mtoe<br />

Source: IEA, World Energy Outlook 2023; EIA, IEO 2023;<br />

DNV, Energy Transition Outlook 2023; ExxonMobil, 2023 Global Outlook<br />

In contrast to ExxonMobil, DNV<br />

comes to the conclusion that global<br />

primary energy consumption will<br />

peak at 663 exajoules in 2038,<br />

exceeding today‘s level by 9 %. As<br />

Ausgabe 1 › Januar


Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

19<br />

Fig. 5.<br />

Global power generation – Comparison of the results between<br />

the EIA Reference Case with BP‘s New Momentum Scenario and DNV‘s <strong>for</strong>ecast<br />

in TWh<br />

* Including geothermal energy<br />

Source: EIA, IEO 2023; DNV, Energy Transition Outlook 2023; BP, Energy Outlook 2023<br />

Solar energy will account <strong>for</strong> 54 % of<br />

global electri city generation capacity<br />

in 2050, according to DNV calculations.<br />

The share of the PV generation<br />

fed into the grid will be 39 %. In 2022,<br />

the global share of solar PV was just<br />

under 5 %. Electricity generation from<br />

wind power is expected to increase<br />

from 2.0 PWh in 2022 to 18.3 PWh in<br />

2050. This corresponds to a ninefold<br />

increase. This means that wind will<br />

account <strong>for</strong> 30 % of total global electricity<br />

generation in 2050, compared to<br />

7 % in 2022. Hydro power will grow by<br />

50 %. The share of hydropower will<br />

there<strong>for</strong>e decrease from 15 % in 2022<br />

to 11 % in 2050. The remaining renewable<br />

energy shares come from bioenergy<br />

and geothermal energy.<br />

a result, it is expected to decline to 655.6 exajoules<br />

or 15,656 Mtoe in 2050.<br />

The contribution of fossil energies to covering<br />

consump tion will decrease from currently around<br />

80 % to 48 % by the middle of the century. The<br />

share of coal falls from 27 % to 10 %. Oil consumption<br />

is reduced by 38 percent. This will be accompanied<br />

by a reduction in the share of oil in primary<br />

energy consumption from 30 percent in 2022 to<br />

17 % in 2050. Global gas demand will reach its<br />

highest level in 2036 and then fall to a level that is<br />

10 % below today‘s level. The share of natural gas<br />

in primary energy consumption will decrease<br />

from around a quarter to 21 % over the <strong>for</strong>ecast<br />

period.<br />

The peak of electricity generation based on nuclear<br />

energy is expected in 2047 at a level that exceeds<br />

the current level by 41 %. The share of nuclear<br />

energy in primary energy consumption will<br />

increase from 5 % in 2022 to 6 % in 2050. Renewable<br />

energies are experiencing a rapidly accelerating<br />

growth trend. Their percentage contribution<br />

to covering global primary energy consumption<br />

will triple to around 46 % by 2050.<br />

According to DNV, the trans<strong>for</strong>mation of energy<br />

supply is primarily characterized by increased use<br />

of electricity. At 61 petawatt hours (PWh), global<br />

electricity consumption in 2050 will be more than<br />

twice as high as in 2022, <strong>for</strong> which 29 PWh is<br />

reported. This means that the share of electricity<br />

in covering global final energy consumption will<br />

increase from 19.5 % in 2022 to 35 % in 2050. But<br />

electricity consumption is not only growing, it is<br />

also becoming greener. According to DNV, in 2022,<br />

31 % of net electricity generation worldwide was<br />

based on the use of renewable energies (Figure 5).<br />

By 2050, their share is expected to increase to 82 %,<br />

around half of which will come from solar energy.<br />

Hydrogen and its derivatives are seen as crucial<br />

<strong>for</strong> the decarbonization of sectors that are difficult<br />

to electrify directly, such as aviation and shipping,<br />

heavy transport and high-temperature processes<br />

in industry. According to DNV estimates, global<br />

hydrogen production will increase from just under<br />

100 million tons in 2022 to over 300 million tons in<br />

2050. However, hydrogen only accounts <strong>for</strong> 3 % of<br />

final energy consumption. In order to meet the<br />

1.5 degree target, there would have to be a much<br />

stronger ramp-up, namely to a contribution of<br />

around 15 % of final energy consumption.<br />

DNV finds that energy-related global CO 2 emissions<br />

will fall only slightly over the current decade, from<br />

33.4 billion tons in 2022 to 32.1 billion tons in 2030,<br />

and then only in the following two decades, to<br />

18.1 billion tons in 2050. This development would<br />

result in an increase in global temperatures of<br />

2.2 °C compared to pre-industrial levels.<br />

Scenarios <strong>for</strong> world energy supply until 2050<br />

Exploratory and normative scenarios <strong>for</strong> the development<br />

of global energy supply were presented<br />

in 2023 by the <strong>International</strong> Energy Agency, the U.S.<br />

Energy In<strong>for</strong>mation Adminis tration and IRENA,<br />

Equinor and BP, McKinsey, Wood Mckenzey and<br />

Enerdata as well as IEEJ. The selected scenarios<br />

differ significantly. The exploratory scenarios are<br />

characterized by the assumptions made in each<br />

case and express what can be expected if one starts<br />

from the specifications outlined differently <strong>for</strong> the<br />

scenarios. The normative scenarios explain what<br />

would have to happen in order to achieve the specified<br />

goal or set of goals.<br />

Characterization of the scenarios<br />

The <strong>International</strong> Energy Agency (IEA) examined<br />

three scenarios <strong>for</strong> global energy supply by 2050 in<br />

Vol. 69 (2024)


20<br />

<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

on current laws and regulations<br />

as of March 2023; the U.S. projections<br />

refer to laws and regulations<br />

as of November 2022.<br />

That means: The EIA represents<br />

a set of policy­ neutral baselines<br />

against which future policy<br />

action can be evaluated.<br />

the World Energy Outlook 2023. Two of these, the<br />

Stated Policy Scenario (STEPS) and the Announced<br />

Pledges Scenario (APS), belong to the group of<br />

exploratory scenarios. The third, the Net Zero by<br />

2050 Scenario (NZE), can be classified as a normative<br />

scenario (Figure 6). In addition to statements<br />

on global perspectives, the publication also contains<br />

analysis results differentiated by world<br />

regions.<br />

IRENA‘s World Energy Transitions Outlook 2023<br />

builds on two key scenarios to capture global progress<br />

toward meeting the 1.5 °C climate goal: The<br />

Planned Energy Scenario (PES) is the primary<br />

reference case <strong>for</strong> this study, providing a perspective<br />

on energy system developments based on<br />

governments‘ energy plans and other planned<br />

targets and policies in place at the time of analysis,<br />

with a focus on G20 countries. The 1.5 °C Scenario<br />

describes an energy transition pathway aligned<br />

with the 1.5 °C climate target to limit global temperature<br />

increase by the end of the present century<br />

to 1.5°C, relative to pre-industrial levels. It prioritizes<br />

readily available technology solutions, which<br />

can be scaled up to meet the 1.5 °C goal and outlines<br />

a vision <strong>for</strong> the transition of the energy landscape<br />

to reflect the goals of the Paris Agreement.<br />

The <strong>International</strong> Energy Outlook 2023 (IEO 2023)<br />

of the U.S. Energy In<strong>for</strong>mation Administration<br />

(EIA) explores long-term energy trends across the<br />

world and in 16 regions through 2050. The organization<br />

uses the World Energy Projection System<br />

(WEPS), an integrated economic model that captures<br />

long-term relationships between energy supply,<br />

demand, and prices across regional markets.<br />

Besides the Reference Scenario, the IEO 2023 includes<br />

a series of cases that reflect different<br />

assumptions related to macroeconomic growth,<br />

technology costs, and fuel prices. Neither the<br />

Reference Scenario nor the cases can be interpreted<br />

as predictions. Rather, the IEO 2023 is based<br />

Fig. 6.<br />

IEA’s World Energy Outlook 2023<br />

Equinor has presented one<br />

exploratory scenario (Walls)<br />

and one normative scenario<br />

(Bridges). The Walls scenario<br />

builds on current trends in<br />

market, technology and policy,<br />

assuming them to continue<br />

developing at a slowly accelerating<br />

pace in the future. Economic<br />

growth remains the key<br />

driver <strong>for</strong> growing energy demand, and national<br />

governments continue to prioritize short-term<br />

economic growth over long-term climate goals. The<br />

Bridges scenario is a normative back-cast aligned<br />

with the 1.5 °C global warming ambition in the<br />

Paris Agreement. This scenario requires the<br />

establishment of a benign geopolitical landscape,<br />

supporting renewed cooperation and friendly competition<br />

among nations. Energy markets become<br />

more integrated and technological advancements<br />

are shared more readily. Climate action remains<br />

the key driver, and all regions increase the expansion<br />

of renewable capacity, improve energy efficiency<br />

and make drastic behavioral changes.<br />

BP‘s report builds on two exploratory scenarios<br />

and one normative scenario. New Momentum is<br />

designed to capture the broad trajectory along<br />

which the global energy system is currently progressing.<br />

It places weight both on the marked increase<br />

in global ambition <strong>for</strong> decarbonization seen<br />

in recent years and the likelihood that those aims<br />

and ambitions will be achieved, and on the manner<br />

and speed of progress seen over the recent past.<br />

Accelerated is conditioned on the assumption that<br />

there is a significant tightening of climate policies<br />

leading to a pronounced and sustained fall in CO 2 -<br />

equivalent (CO 2e ) emissions. The fall in emissions<br />

in Net Zero is aided by a shift in societal behavior<br />

and preferences which further supports gains in<br />

energy efficiency and the adoption of low-carbon<br />

energy sources. Neither the two exploratory scenarios<br />

nor Net Zero are predictions of what is likely<br />

to happen. Rather, the three scenarios taken collectively<br />

are used to explore the range of possible outcomes<br />

over the next 27 years.<br />

McKinsey has published a range of scenarios<br />

(Figure 7). The four bottom-up scenarios are equal<br />

in granularity (i.e. 300+ million datapoints <strong>for</strong><br />

each scenario); they combine a combination of<br />

long-term fundamental economic modeling and<br />

Ausgabe 1 › Januar


Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

21<br />

Fig. 7.<br />

Description of the five McKinsey Global Energy Perspective 2023 scenarios<br />

Fig. 8.<br />

CO 2 prices <strong>for</strong> electricity, industry and energy production in selected regions by scenario<br />

USD (2022, MER) per tonne of CO 2<br />

1) includes all OECD countries except Mexico<br />

2) Includes China, India, Indonesia, Brasilia and South Africa<br />

3) without Net Zero obligations<br />

Source: <strong>International</strong> Energy Agency, World Energy Outlook 2023, Page 297<br />

technologies is assumed. Country<br />

Pledges: Aligned with net zero<br />

pledges announced in the run up<br />

to COP28. Incorporates policy response<br />

to the current energy crisis,<br />

and geopolitical challenges facing<br />

global economy. Net Zero 2050:<br />

Aligned with the most ambitious<br />

goal of the Paris Agreement. Immediate<br />

peak energy; rapid hydrogen<br />

and carbon removal deployment;<br />

consumer shift. These trajectories<br />

are consistent with 2.5 °C<br />

global warming (Base case), below<br />

2 °C warming (Country pledges)<br />

and 1.5 °C warming (Net zero 2050)<br />

respectively.<br />

Enerdata has chosen three scenarios<br />

in EnerFuture 2023 to explore<br />

possible futures to global energy<br />

systems. EnerBase: Continuation<br />

of existing policies and trends<br />

aligned with a temperature increase<br />

above 3°C. EnerBlue: Achievement<br />

of new NDC’s submitted up<br />

to the end of 2022 aligned with a<br />

temperature rise around 2.5°C.<br />

EnerGreen: Ambitious GHG emission<br />

budget in line with the Paris<br />

Agreement by limiting the temperature<br />

increase below 2°C. Ener­<br />

Future is relying on the re cognized<br />

Poles-Enerdata model, an energyeconomy-environment<br />

model of<br />

the global energy system, covering<br />

66 countries and regions, with dedicating<br />

modelling of the individual<br />

end-use sectors, energy supply,<br />

prices and GHG emissions.<br />

thinking on learning curves (quantitative) with<br />

assessment of policy (which could be quantitative<br />

as well, e.g. in case of subsidies) and ramp-up/<br />

readiness/constraints (e.g. looking at supply and<br />

potential bottlenecks) (more qualitatively). It can<br />

be argued that right now we are more on the<br />

Further Acceleration path. The fifth scenario is<br />

top-down and illustrates a pathway the world<br />

would need to follow to reach the 1.5 °C target.<br />

Wood Mackenzie has published three scenarios, a<br />

Base case, a so-called Country pledges and Net zero<br />

2050. These scenarios, two exploratory and one<br />

normative, are defined by different policy assumptions<br />

and various enablers. Base case: Evolution of<br />

current policies and aligned with the Wood<br />

Mackenzey‘s commodity outlooks released in H1<br />

2023. Steady advancement of current and nascent<br />

The Institute of Energy Economics<br />

(IEEJ), Japan, quantifies the global<br />

energy supply and demand structure up to 2050.<br />

The IEEJ Outlook 2024 contains two exploratory<br />

scenarios. In the Reference Scenario, the pre vailing<br />

changes will continue against the backdrop of<br />

current energy and environmental policies. The<br />

Advanced Technologies Scenario is a scenario in<br />

which energy and environmental technologies are<br />

introduced to the maximum extent possible to<br />

ensure a stable supply of energy and strengthen<br />

measures against climate change. According to the<br />

Reference scenario, energy­ related CO 2 emissions<br />

in 2050 will still be at the same level as today, while<br />

in the Advanced Technologies Scenario they will<br />

fall to 14.7 billion tons and thus by around half –<br />

comparable with IEA’s APS. The IEEJ Outlook 2024,<br />

using econometric models and other tools, presents<br />

results both at the global level and <strong>for</strong> different<br />

countries.<br />

Vol. 69 (2024)


22<br />

<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Fig. 9.<br />

Global primary energy consumption – Synopsis of the results<br />

of IEA, Equinor, BP, Enerdata and IEEJ exploratory scenarios by 2050<br />

in Mtoe<br />

Source: IEA, World Energy Outlook 2023; Equinor, Energy Perspectives 2023;<br />

BP, Energy Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023; IEEJ Outlook 2024<br />

Results of exploratory scenarios in comparison<br />

Most institutions whose analyzes are included here<br />

have published at least one, sometimes two or<br />

more, exploratory scenarios. Behind this are different<br />

assumptions regarding political decisions,<br />

such as at the IEA, at BP, at Wood Mackenzie,<br />

at McKinsey and at Enerdata, or technological<br />

advances, such as at IEEJ. The assumptions about<br />

CO 2 pricing entered into the modeling as input<br />

parameters also differ greatly between the scenarios.<br />

This applies, <strong>for</strong> example, to McKinsey (Fig. 7),<br />

but also to the IEA (Figure 8), among others.<br />

An example are the scenarios of the World Energy<br />

Outlook 2023, in which the <strong>International</strong> Energy<br />

Agency comes to different results based on the<br />

various assumptions (Figure 9).<br />

⁃ In the Stated Policy Scenario (STEPS), global primary<br />

energy consumption will continue to rise<br />

until 2050, but only at an annual average rate of<br />

0.5 %. Global demand <strong>for</strong> coal as well as oil and<br />

natural gas will reach its highest level be<strong>for</strong>e<br />

2030. The peak will be followed by a decline -<br />

particularly pronounced <strong>for</strong> coal. The share of<br />

coal will decrease from 27 % in 2022 to 14 % in<br />

2050. According to this scenario, all fossil energies<br />

will still cover 60 % of primary energy consumption<br />

in 2050. In 2022 it was just under 80 %.<br />

The contribution of renewable energy increases<br />

from 16 to 33 %. <strong>Nuclear</strong> energy will reach 7 % in<br />

2050 compared to 5 % in 2022<br />

⁃ In the Announced Pledges Scenario (APS), global<br />

primary energy consumption will remain largely<br />

constant in the coming decades despite an<br />

increase in population and economic output. The<br />

contribution of fossil energies to covering primary<br />

energy consumption will fall to 37 % by<br />

2050. Renewable energies then come to 53 %, and<br />

nuclear energy makes a contribution of almost<br />

10 %.<br />

Other organizations also show<br />

comparable tendencies – depending<br />

on the basic assumptions<br />

underlying the respective<br />

scena rios. This applies, <strong>for</strong> example,<br />

to Equinor‘s Walls scenario,<br />

which shows a similar<br />

energy mix to the IEA‘s STEPS<br />

scenario – although, in contrast<br />

to STEPS, Equinor expects primary<br />

energy consumption <strong>for</strong><br />

2050 to be approximately the<br />

same as in 2022. EnerBase from<br />

EnerData is based on a smaller<br />

change in global energy supply<br />

than STEPS and Walls. At Ener­<br />

Base, fossil energies will still<br />

account <strong>for</strong> two thirds of primary<br />

energy consumption in 2050.<br />

In the IEEJ Reference Scenario,<br />

fossil energies even contribute<br />

73 % to covering primary energy consumption in<br />

2050. In IEEJ’s Advanced Technology Scenario,<br />

fossil fuels account <strong>for</strong> 53 % in 2050. Even the Advanced<br />

Techlogies Scenario is far from achieving<br />

global carbon neutrality in 2050.<br />

The Enerdata scenarios also show clear differences<br />

between the results <strong>for</strong> EnerBlue and EnerBase.<br />

Due to the assumptions made by EnerBlue that<br />

differ from EnerBase, the total primary energy consumption<br />

in 2050 will be only slightly higher than<br />

the comparable number <strong>for</strong> 2022. This also applies<br />

to the Accelerated scenario compared to BP‘s<br />

New Momentum. In IEEJ‘s Advanced Technology<br />

Scenario, the total primary energy consumption<br />

in 2050 – unlike in IEEJ‘s Reference Scenario –<br />

remains below the comparable level of 2022.<br />

Above all, however, the energy mix has a completely<br />

different structure than in the scenarios<br />

that are more based on a baseline. The contribution<br />

of renewable energies to covering primary energy<br />

consumption increases significantly more in the<br />

exploratory scenarios that assume an increased<br />

focus on climate protection than in the scenarios<br />

that are more geared toward a continuation of the<br />

status quo. In the “baseline” scenarios STEPS (IEA),<br />

Walls (Equinor), New Momentum (BP), EnerBase<br />

(Enerdata) and Reference (IEEJ), renewable energies<br />

will reach shares of between 22 % and 41 % in<br />

2050. In contrast, the range <strong>for</strong> the exploratory<br />

scenarios of these institutions aligned with more<br />

ambitious climate policies or stronger en<strong>for</strong>cement<br />

of advanced technologies ranges from 36 % in<br />

IEEJ‘s ATS, over 46 % in Enerdata‘s EnerBlue, 53 %<br />

in IEA‘s APS and 66 % in Accelerated by BP.<br />

In electricity generation, the differences depending<br />

on the basic assumptions made in the exploratory<br />

scenarios become even more visible than in<br />

Ausgabe 1 › Januar


Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

23<br />

primary energy consumption. The <strong>International</strong><br />

Energy Agency assumes a significantly greater<br />

electrification of the energy supply in the APS than<br />

in the STEPS (Figure 10). The share of renewable<br />

energies in electricity generation increases from<br />

around 30 % in 2022 to 71 % in STEPS and 82 % in<br />

APS, whereby <strong>for</strong> both scenarios it applies that not<br />

only the entire increase in electricity generation is<br />

covered by renewable energies but also renewable<br />

energies partly replace fossil energies – but to a<br />

greater extent in the APS than in the STEPS. <strong>Nuclear</strong><br />

energy increases in absolute terms in both scenarios.<br />

However, their contribution remains proportionally<br />

limited to 8 %.<br />

The other institutions also come to comparable<br />

results (Fig. 9). In the scenarios Advanced Technology<br />

from IEEJ, EnerBlue from Enerdata and<br />

Further Acceleration from McKinsey, renewable<br />

energies reach shares of between 73 and 79 %<br />

of total global electricity generation in 2050. In<br />

contrast, the share of renewable energies in global<br />

electricity generation determined <strong>for</strong> the Reference<br />

scenarios by IEEJ and EnerBase by Enerdata will<br />

still remain to around 50 % in 2050. According to<br />

all explora tory scenarios, there is broad agreement<br />

that the greatest growth potential is seen <strong>for</strong> wind<br />

power and solar energy. Hydrogen is also playing<br />

an increasing role in electricity generation.<br />

The various institutions, such as the IEA or McKinsey,<br />

also make statements in the studies presented<br />

about the expected consequences <strong>for</strong> global temperature<br />

developments. The IEA comes to the conclusion<br />

that, according to STEPS, a temperature<br />

increase of 2.4 °C compared to pre-industrial levels<br />

would be expected, while in the APS a limit of 1.7 °C<br />

would be maintained (Figure 11). McKinsey, <strong>for</strong><br />

example, sees this in a similar way. For the Current<br />

trajectory scenario, a temperature increase of<br />

2.3 °C is assumed compared to 1.9 °C in Further<br />

Acceleration (Fig. 7). Wood Mackenzie‘s Base Case<br />

is broadly consistent with a 2.5 °C<br />

global warming view by 2050 and<br />

the scenario Country pledges with<br />

2°C. In both cases, the different<br />

assumptions underlying the respec<br />

tive CO 2 pricing scenarios<br />

play an important role.<br />

Fig. 10.<br />

Global power generation – Comparison of the results of different exploratory scenarios in 2050<br />

in TWh<br />

Source: IEA, World Energy Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023;<br />

McKinsey, Global Energy Perspective 2023; IEEJ Outlook 2024<br />

Fig. 11.<br />

Development of global CO 2 emissions according to the IEA‘s WEO 2023 scenarios<br />

Source: <strong>International</strong> Energy Agency, World Energy Outlook 2023<br />

Comparison of the results<br />

of normative scenarios<br />

The results obtained <strong>for</strong> the normative<br />

scenarios compared to the<br />

exploratory scenarios show the<br />

gap that would have to be closed in<br />

order to meet the 1.5 °C target.<br />

Almost all institutions that have<br />

published scenarios <strong>for</strong> future<br />

energy supply have modeled a normative<br />

scenario in addition to exploratory<br />

scenarios. The results of<br />

the normative scenarios differ<br />

from the results of the exploratory<br />

scenarios in three main points:<br />

⁃ Total global primary energy consumption<br />

will fall in the next<br />

few years and will there <strong>for</strong>e be<br />

lower in 2050 than in 2022<br />

(Figure 12).<br />

⁃ Global electricity generation will<br />

double to triple by 2050, and the<br />

share of electricity in final energy<br />

consumption will increase<br />

significantly, in Wood Mckenzie‘s<br />

scenario Net zero 2050 to<br />

50 % in 2050.<br />

⁃ The share of renewable energies<br />

in primary energy con sump tion<br />

is significantly higher. The scenarios<br />

EnerGreen from Enerdata,<br />

Vol. 69 (2024)


24<br />

<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Fig. 12.<br />

Global primary energy consumption – Synopsis of the normative Scenarios<br />

from IEA, IRENA, Equinor, BP and Enerdata by 2050<br />

in Mtoe<br />

1) Exajoule equals 23.88 million tons of oil equivalent (Mtoe)<br />

Source: IEA, World Energy Outlook 2023; BP Energy Outlook 2023 (Net Zero); Equinor, Energy<br />

Perspectives 2023; IRENA, World Energy Transitions Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023<br />

⁃ Global hydrogen production<br />

is picking up significantly. Hydrogen<br />

is increasingly being<br />

used in areas that are difficult<br />

to decarbonize using electricity.<br />

These are certain industrial<br />

processes, heavy goods traffic<br />

on the road as well as<br />

shipping and air traffic. Global<br />

production of low-emissions<br />

hydrogen will increase<br />

from 1 million tons in 2022 to<br />

420 million tons in 2050. More<br />

than three quarters of this<br />

production takes place in<br />

electrolysis plants. The remaining<br />

part is generated based<br />

on fossil energies with carbon<br />

capture and storage or usage.<br />

A key factor <strong>for</strong> these top-down<br />

results is the higher CO 2 price<br />

set in the normative scenarios<br />

compared to the exploratory<br />

scenarios.<br />

Fig. 13.<br />

Global power generation – comparison of the results<br />

of different normative scenarios (net zero by 2050)<br />

in TWh<br />

* including geothermal energy and hydrogen<br />

Source: IEA, World Energy Outlook 2023; IRENA, World Energy Transitions Outlook 2023;<br />

BP, Energy Outlook 2023; Enerdata, EnerFuture 2023<br />

The energy transition leads to a<br />

significant growth in the demand<br />

<strong>for</strong> critical minerals and<br />

materials. This increasing demand<br />

results from the lowcarbon<br />

energy system, including<br />

the construction of wind<br />

and solar plants, hydrogen and<br />

CO 2 -pipelines, new storage facilities,<br />

expansion in the power<br />

grid and distribution systems<br />

used to connect renewable assets<br />

and deliver electricity to its<br />

end use (Figure 14).<br />

Bridges from Equinor, NZE from the IEA, Net Zero<br />

from BP and 1.5 °C from IRENA <strong>for</strong> the year 2050<br />

show shares of renewable energies in primary<br />

energy consumption between 62 and 77 %. And in<br />

electricity generation, these studies even estimate<br />

contributions from renewable energies to be<br />

between 80 and 90 % by 2050 (Figure 13).<br />

⁃ <strong>Nuclear</strong> energy is also attributed a greater contribution<br />

than in the exploratory scenarios, as is the<br />

case with the IEA or Enerdata.<br />

⁃ The share of fossil energy will fall to less than a<br />

quarter by 2050, and in some of the normative<br />

scenarios even to less than a fifth of global primary<br />

energy consumption.<br />

⁃ The capture and storage or use of CO 2 in power<br />

generation and industrial processes is given<br />

greater importance than in the exploratory<br />

scenarios.<br />

As an example, the statements<br />

in the BP study on the Net Zero<br />

Scenario focussed on three critical minerals:<br />

copper, lithium, and nickel. Copper’s future growth<br />

is dominated by its use in the transition of low-carbon<br />

power and the electrification of transport. As<br />

a consequence, in Net Zero, BP expects global copper<br />

demand to triple to around 60 million tonnes<br />

by 2050. The growing demand <strong>for</strong> lithium is driven<br />

by its use in electric vehicles. In Net Zero, the total<br />

global demand <strong>for</strong> lithium is assumed to increase<br />

by a factor of approximately 20 compared to today’s<br />

level. Around 90 % of the additional demand <strong>for</strong><br />

lithium accounts <strong>for</strong> electrification of transport.<br />

The demand <strong>for</strong> nickel is also driven by its role in<br />

the electrification of transport. In Net Zero, total<br />

nickel demand in creases four times by 2050 – approximately<br />

80 % of that growth is due to the increasing<br />

use of lithium-ion batteries in electric<br />

vehicles.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

25<br />

Fig. 14.<br />

Selected energy-related technology applications of critical materials<br />

Notes: CSP = Concentrated solar power; EV = electric vehicles; PV = photovoltaic<br />

Source: IRENA (2023). Geopolitics of the Energy Transition: Critical Materials<br />

The critical minerals mining and processing<br />

landscape is geographically concentrated, with a<br />

select group of countries playing a dominant role.<br />

Australia (lithium), Chile (copper and lithium),<br />

China (graphite, rare earths), the Democratic<br />

Republic of Congo (cobalt), Indonesia (nickel) and<br />

South Africa (platinum) occupy leading positions<br />

in the mining of critical minerals. The degree of<br />

concentration in the processing phase is significantly<br />

greater than in mining – characterized by<br />

an even more pronounced market position of<br />

China. 12<br />

However, the risks associated with the supply<br />

of fossil energy and the supply of critical raw<br />

materials <strong>for</strong> the energy transition must be assessed<br />

differently. Renewable energy plants that have<br />

already been built could continue to operate even<br />

if the supply of critical raw materials was interrupted.<br />

There<strong>for</strong>e, unlike fossil fuels the risk associated<br />

with interruptions in the supply of critical minerals<br />

does not involve dis ruption to the ongoing operations<br />

of facilities that have already been constructed.<br />

However, there could be a slowdown in the pace<br />

of the implementation of the energy transition. 13<br />

Vol. 69 (2024)


26<br />

<br />

Serial: Major Trends in Energy Policy and <strong>Nuclear</strong> <strong>Power</strong><br />

Conclusion<br />

The future of energy supply looks significantly different<br />

than the past. This is shown by the <strong>for</strong>ecasts<br />

and scenarios presented by international institutions<br />

in recent months. A change is taking place from<br />

an age dominated by fossil fuels to a world in which<br />

renewable energies dominate. The decisive keys to<br />

achieving the climate goals are the accelerated improvement<br />

of energy efficiency, the massive expansion<br />

of renewable energies, the widespread implementation<br />

of the technology <strong>for</strong> the capture and use<br />

or storage of CO 2 and the reliance on hydrogen in<br />

those sectors that are difficult to develop <strong>for</strong> electrification.<br />

<strong>Nuclear</strong> energy is also seen as playing<br />

an important role in the trans<strong>for</strong>mation of the energy<br />

supply in a number of countries. How quickly<br />

and to what extent this change occurs depends on<br />

factors such as the energy and climate policy orientation<br />

of governments, technological developments<br />

and consumer behavior. In order to meet the goal<br />

of limiting the global temperature rise to well below<br />

2°C, the pricing of CO 2 , if possible at a comparable<br />

level worldwide, technology-neutral support<br />

mechanisms by governments and increased international<br />

cooperation are seen as crucial.<br />

References<br />

1 <strong>International</strong> Energy Agency (2023). World Energy Outlook 2023 (WEO<br />

2023). Paris, October 2023<br />

2 <strong>International</strong> Renewable Energy Agency (2023). World Energy Transitions<br />

Outlook: 1.5 °C Pathway. Abu Dhabi, June 2023<br />

3 U.S. Energy In<strong>for</strong>mation Administration (2023). <strong>International</strong> Energy<br />

Outlook 2023 (IEO 2023). Washington DC, October 2023<br />

4 BP (2023). Energy Outlook: 2023 edition. London, July 2023<br />

5 Equinor (2023). Energy Perspectives 2023. Oslo, June 2023<br />

6 ExxonMobil (2023). Global Outlook: Our View to 2050. Irving (Texas),<br />

August 2023<br />

7 DNV (2023). Energy Transition Outlook 2023 – A global and regional<br />

<strong>for</strong>ecast to 2050 (ETO 2023). Oslo, October 2023<br />

8 McKinsey & Company (2023). Global Energy Perspective 2023. New York,<br />

October 2023<br />

9 Wood Mackenzie (2023). 2023 Energy Transiton Outlook. London, November<br />

2023<br />

10 Enerdata (2023). EnerFuture 2023. Grenoble, August 2023<br />

11 The Institute of Energy Economics, Japan (2023). IEEJ Outlook 2024.<br />

Tokyo, October 2023 (available in English in February 2024)<br />

12 <strong>International</strong> Renewable Energy Agency (2023). Geopolitics of the Energy<br />

Transition: Critical Minerals. Abu Dhabi, July 2023<br />

13 <strong>International</strong> Energy Agency (2023). Critical Minerals. Paris, July 2023<br />

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Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer ist Mitglied im Studies<br />

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Author<br />

Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer<br />

hwschiffer@t-online.de<br />

Prof. Hans-Wilhelm Schiffer is member of the<br />

Studies Committee of the World Energy Council,<br />

London and a visiting lecturer <strong>for</strong> Energy Economics<br />

at RWTH Aachen University. Mr. Schiffer studied<br />

economics at the University of Cologne and at<br />

the Pennsylvania State University. He started his<br />

career as scientific assistant at the Institute <strong>for</strong><br />

Energy Economics of the Cologne University. He<br />

then worked as a civil servant in the Federal Economics Ministry, including a<br />

period with the British Department of Energy, and the Federal Ministry <strong>for</strong><br />

Environment in Bonn and subsequently <strong>for</strong> the RWE Group in Essen. He is the<br />

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Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

27<br />

Erste Vor-Ort-Demonstration<br />

der laserbasierten Dekontaminationstechnologie<br />

in einem<br />

deutschen Kontrollbereich<br />

› Dr.-Ing. Anne-Maria Reinecke und Carsten Friedrich<br />

1 Einleitung<br />

Der Rückbau kerntechnischer Anlagen stellt<br />

alle Beteiligten vor große technische Heraus<strong>for</strong>derungen.<br />

So müssen beispielsweise metallische<br />

Oberflächen dekontaminiert und metallische<br />

Komponenten von Lackschichten und radioaktiver<br />

Kontamination befreit werden. Übergeordnete<br />

Aufgabe bei diesen Arbeiten ist der Einschluss der<br />

freigesetzten radioaktiven Stoffe und die Begrenzung<br />

der Strahlenexposition des Einsatzpersonals<br />

sowie der Umwelt. Weiterhin soll Abfall recycelt,<br />

minimiert oder vermieden werden.<br />

Aktuell eingesetzte chemische und mechanische<br />

Verfahren stoßen dabei teilweise an Grenzen. Beim<br />

Abrasivstrahlen von metallischen Kom ponenten<br />

entstehen Sekundärabfälle, welche konditioniert<br />

und endgelagert werden müssen. Bei chemischen<br />

Dekontaminationsverfahren müssen eingesetzte<br />

Beizsäuren anschließend aufbereitet werden. Bei<br />

mechanischen Verfahren, wie „ Shaven“ oder Sandstrahlen<br />

ist das Einsatz personal hohen Arbeitsbelastungen,<br />

verursacht durch Vibrationen, Rückstellkräfte<br />

und Lärm, ausgesetzt. Chemische Verfahren<br />

können bei Hautkontakt und Einatmung<br />

gesundheitsschädlich sein.<br />

An der TU Dresden, Professur für Wasserstoff- und<br />

Kernenergietechnik, werden seit mehreren Jahren<br />

Lasertechnologien untersucht, die für den Rückbau<br />

kerntechnischer Anlagen eingesetzt werden<br />

sollen. Solche Technologien haben ein enormes<br />

Potenzial für die Reinigung von Oberflächen, insbesondere<br />

durch einen präzisen und berührungslosen<br />

Abtrag. Damit verbunden sind eine Abfallminimierung<br />

sowie die Reduktion der Exposition<br />

und Arbeitsbelastung des eingesetzten Personals.<br />

Die Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />

(KTE) ist zuständig für alle Rückbauaktivitäten an<br />

stillgelegten kerntechnischen Versuchs- und Prototypanlagen<br />

am Standort Karlsruhe KIT Campus<br />

Nord sowie für die notwendigen Entsorgungstätigkeiten<br />

der nuklearen Abfälle.<br />

Im Zeitraum 2019 bis 2023 waren beide Partner<br />

am Forschungsprojekt „Qualifizierung der laserbasierten<br />

Dekontaminationstechnologie für den<br />

Einsatz im nuklearen Rückbau (LaDECO)“ beteiligt,<br />

dessen Ziel es war, noch offene Fragen zur Sicherheit<br />

des Laserdekontaminationsprozesses zu beant<br />

worten. Unter anderem wurde untersucht, wie<br />

eine Aerosolfreisetzung in die umgebende Raumluft<br />

minimiert werden kann, um eine damit verbundene<br />

unkontrollierte Freisetzung von Radioaktivität<br />

und Toxizität zu verhindern. Dazu wurde<br />

an der TU Dresden ein Teststand zur experimentellen<br />

Bestimmung der Aerosolfreisetzung während<br />

der Laserbearbeitung errichtet. Daraus konnten<br />

geeignete Filtertechnologien abgeleitet werden,<br />

die eine unkontrollierte Freisetzung verhindern.<br />

Ende 2022 wurde das Laserdekontaminationsverfahren<br />

von TU Dresden und KTE erstmals im<br />

Strahlenschutzbereich des Prozessgebäudes der<br />

WAK erfolgreich eingesetzt.<br />

Präsentiert werden hier im Folgenden die Ergebnisse<br />

dieser Laserdekontamination von KKWtypischen<br />

metallischen Oberflächen wie Edelstahl,<br />

Baustahl, oxidierter Baustahl, verzinkter Baustahl<br />

und lackierter Baustahl, von repräsentativen γ-,<br />

β- und α-Strahlern: Co-60, Cs-137, Sr 85 und Am 241.<br />

Es wurden Dekontaminationsgrade bestimmt,<br />

die Aktivität bilanziert sowie deren Verteilung<br />

ermittelt. Als Lasersystem wurde ein mobiles Gerät<br />

mit 150 W mittlerer Leistung genutzt, mit dem gleichermaßen<br />

die Ergebnisse der Voruntersuchungen<br />

unter Laborbedingungen und an metallischen<br />

Oberflächen im Strahlenschutzbereich des WAK-<br />

Prozessgebäudes erzielt werden konnten.<br />

Die Ergebnisse des Tests unter praxisnahen Bedingungen<br />

dokumentieren das Potenzial des<br />

Vol. 69 (2024)


28<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Laserverfahrens für die Dekontamination von<br />

metallischen Oberflächen in besonderer Weise und<br />

zeigen die vielfältigen Möglichkeiten der hier<br />

unter suchten Technologie beim Rückbau kerntechnischer<br />

Anlagen.<br />

2 Stand von Wissenschaft und Technik<br />

Neben einer Vielzahl bereits etablierter mechanischer<br />

und chemischer Verfahren zur Dekontamination<br />

radioaktiv belasteter Oberflächen ist<br />

die Laserdekontamination ein vielversprechendes<br />

ther misches Verfahren [1] . Kommerziell angewendet<br />

wird es beispielsweise zum Entlacken von<br />

Flug zeugen [2] oder zum Reinigen und Entrosten<br />

von Metallen [3] . Im Vergleich zu mechanischen<br />

oder chemischen Verfahren bietet die Laserstrahlde<br />

kon tamination zahlreiche entscheidende<br />

Vorteile:<br />

⁃ die Laserstrahlung arbeitet berührungslos,<br />

⁃ jedes Material kann aufgrund der hohen Laserintensitäten<br />

direkt verdampft werden,<br />

⁃ die Abtragstiefe beträgt wenige Mikrometer,<br />

⁃ das Abtragsvolumen wird signifikant gesenkt,<br />

⁃ es entsteht nahezu keine Sekundärkontamination<br />

(Aktivität wird in Filtern aufgefangen),<br />

⁃ die Technik befindet sich im nicht kontaminierten<br />

Bereich; nur eine Lichtleitfaser mit<br />

Arbeitskopf wird eingeschleust,<br />

⁃ das Personal wird physisch deutlich weniger<br />

belastet (keine schwere Technik, keine<br />

Rückstellkräfte),<br />

⁃ das Verfahren lässt sich ideal automatisieren<br />

(Fernsteuerung von Robotertechnik)<br />

Die Laserstrahldekontamination wird seit ca.<br />

20 Jahren an der Professur für Wasserstoff- und<br />

Kernenergietechnik (TU Dresden) im Rahmen<br />

zahlreicher Projekte entwickelt und optimiert.<br />

Umfangreiche Untersuchungen zur Laserdekontamination<br />

von beispielsweise Beton bei gleichzeitiger<br />

Abprodukt-Konditionierung [4], [5], [6] , zur<br />

thermischen Zersetzung PCB-haltiger Lacke auf<br />

Betonoberflächen [7] und zur Automatisierung des<br />

Laserprozesses mittels Manipulators [8] legten die<br />

Grundlage zur Fertigung und Erprobung eines<br />

Prototypen. Zu Beginn wurde dabei ein cw-Hochleistungsdiodenlaser<br />

(continuous wave = kontinuierliche<br />

Strahlung emittierende Laser) eingesetzt.<br />

Neueste Entwicklungen konzentrieren sich jedoch<br />

auf den Einsatz von gepulsten Hochleistungslasern<br />

zur Dekontamination von Metalloberflächen [9] und<br />

die Analyse der beim Abtrag entstehenden Partikel<br />

in Größenverteilung und Konzentration [10] . Der<br />

Vorteil gepulster Laser gegenüber cw-Lasern ist die<br />

signifikant höhere Leistungsabgabe während der<br />

Pulsspitzen. Bereits bei einer mittleren Leistung<br />

von 100 W können so Leistungspeaks von mehreren<br />

MW erreicht werden. Dies führt zur direkten Verdampfung<br />

des Materials und einer Minimierung<br />

der Schmelzbildung durch einen reduzierten<br />

Wärmeeintrag gegenüber der Bestrahlung mit<br />

einem kontinuierlichen cw-Laser. Der Tiefenabtrag<br />

liegt daher im Mikrometerbereich und<br />

ermöglicht eine Minimierung struktureller<br />

Schädigungen. Auch international sind Untersuchungen<br />

und Veröffentlichungen zur Laserstrahldekontamination<br />

von Metallen mit gepulsten<br />

und cw-Lasern an inaktiven [11], [12], [13], [14] und kontaminierten<br />

Oberflächen bekannt. Es wurden<br />

beispielsweise Versuche mit Nd:YAG-Lasern zur<br />

Dekontamination von Co-60 mit fester Optik [15] vorgenommen,<br />

der Einfluss der Wellenlänge auf<br />

den Dekontaminationsgrad bestimmt [16], [17] oder<br />

spezielle Kurzpulslaser wie Excimerlaser für<br />

die Dekontamination verschiedener metallischer<br />

Nuklide eingesetzt [18] , die jedoch nicht mobil sind.<br />

3 Laserstrahldekontamination von Metallen<br />

im Labormaßstab<br />

Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes<br />

mit dem Förderkennzeichen 15S9418A wurden<br />

umfangreiche Voruntersuchungen zur Laserstrahldekontamination<br />

von Metalloberflächen im Labormaßstab<br />

[19] durchgeführt, die den Tests an der<br />

WAK vorausgingen.<br />

Der eingesetzte Laser ist ein fasergeführter Handarbeitslaser<br />

CL150 der Firma Clean-Lasersysteme<br />

GmbH mit der Optik OSH50 (Arbeitskopf). Das im<br />

System integrierte Basisgerät ist ein q-switched<br />

Nd:YAG-Laser der Wellenlänge von 1064 nm mit<br />

einer maximalen mittleren Strahlleistung von<br />

150 W. Die Pulsfolgefrequenz lässt sich im Bereich<br />

zwischen 12 kHz und 24 kHz variieren, wobei sich<br />

die Pulsspitzenleistung in diesem Bereich tendenziell<br />

verringert und die Pulsdauer tendenziell<br />

größer wird. Während des Abtrags wurde die<br />

Schmelzbildung und damit die Gefahr des Einbettens<br />

von Nukliden in die Metalloberfläche minimiert<br />

[13]. Hierzu erfolgte eine Optimierung der<br />

thermischen Diffusionslänge l th , die neben der<br />

thermischen Diffusivität k von der Pulsdauer τ Puls<br />

abhängt.<br />

(4)<br />

Die kürzeste vom Laser erreichbare Pulsdauer von<br />

105 ns ergibt sich bei einer Pulsfolgefrequenz von<br />

12 kHz und einer Pulsspitzenleistung von 112,4 kW.<br />

Die Parameter führen bei einem Fokusdurchmesser<br />

von 472 µm abzüglich aller Verluste über<br />

die Strahlführungs- und Formungskomponenten<br />

zu einer Pulsfluenz von 4,33 J‧cm2.<br />

Die Dekontamination der Metalloberflächen wurde<br />

bei konstanter Position im Winkel von 60° des<br />

Laserbearbeitungskopfes relativ zur Metalloberfläche,<br />

bei den Laserparametern (Tabelle 1)<br />

zur Erzeugung einer gewählten Abtragspurbreite<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

29<br />

Laserparameter<br />

Mittlere Leistung<br />

auf der Oberfläche<br />

P m<br />

91 W<br />

Für ein zweifaches Scannen der Oberfläche (eine<br />

Auf- und Abwärtsbewegung des gescannten Laserstrahls<br />

über ein und dieselbe Fläche) wurde die<br />

Abtragstiefe bestimmt.<br />

Pulsspitzenleistung<br />

bei 12 kHz<br />

P max<br />

110 kW<br />

Pulsfolgefrequenz f P 12 kHz<br />

Scanfrequenz f S 50 Hz<br />

Scanbreite d s 60 mm<br />

Tab. 1.<br />

Den Ergebnissen zugrunde liegende Laserparameter<br />

(30 mm) und einer Vorschubgeschwindigkeit<br />

(10 mm‧s -1 ), die eine hundertprozentige Ab deckung<br />

der Fläche mit Laserpulsen darstellt, durchgeführt.<br />

Die Bestimmung des Dekontaminationsgrads<br />

D D als Verhältnis der aufgebrachten Aktivität<br />

A b und der Aktivität nach der Bear beitung A a<br />

wurde über die Formel<br />

ermittelt.<br />

Im Unterschied zu den im Kontrollbereich stattgefundenen<br />

Arbeiten musste der Laserstrahl über<br />

ein Fenster in eine Box, in der sich die zu dekontaminierende<br />

Probe befand, eingekoppelt werden,<br />

um eine Kontamination der Umgebung zu verhindern<br />

(Abbildung 1).<br />

Abb. 2.<br />

Abtragstiefe nach zweifachem Scannen der Oberflächen mit Laserstrahlung<br />

In Abbildung 2 ist das Ergebnis als Mittelwert<br />

über 10 Versuche grafisch aufbereitet. Die Abtragstiefe<br />

beträgt bei den blanken metallischen Oberflächen<br />

zwischen 140 und 450 nm, bei Lackschichten<br />

rund 40 µm. Die Abtragstiefe bei oxidierten<br />

Oberflächen konnte messtechnisch nicht erfasst<br />

werden, da sie um Potenzen geringer als die Rauigkeit<br />

der Oberfläche war (R a ≈ 13 µm).<br />

Edelstahl<br />

Baustahl<br />

BS<br />

verzinkt<br />

BS<br />

oxidiert<br />

BS<br />

lackiert<br />

Co-60 90 68 98 93 99<br />

Cs-137 100 99 99 97 100<br />

Sr-85 90 94 94 97 100<br />

Am-241 90 93 93 99 100<br />

Tab. 2.<br />

Erreichter Dekontaminationsgrad in % im Labormaßstab nach zwei Scans<br />

In Tabelle 2 sind die im Labormaßstab mit der<br />

Arbeitsbox erreichten Dekontaminationsgrade<br />

nach zweifachem Scannen der Oberfläche dargestellt.<br />

Eine Steigerung des Dekontaminationsgrades<br />

war durch eine Wiederholung der Bearbeitung<br />

möglich. Diese Ergebnisse konnten unter<br />

realen Bedingungen, ohne Arbeitsbox, deutlich<br />

übertroffen werden (siehe 5.4).<br />

Abb. 1.<br />

Versuchsaufbau zum Abtrag von Radionukliden<br />

auf Metalloberflächen im Labormaßstab<br />

Das Absaugen der Abtragsprodukte erfolgte quer<br />

zur Probenoberfläche (80 Nl‧min -1 ); für das Auffangen<br />

stand ein Zwei-Filter-System (Vorfilter:<br />

PALL Corp., 2500 Quat Partikelgröße 300 nm,<br />

Abscheidegrad 99,98 %; Hauptfilter: FST GmbH,<br />

EFST-XXN, Partikelgröße 10 nm, Abscheidegrad<br />

99,9995 %) zur Verfügung. Die Auswahl der Filter<br />

basiert auf Analysen der Partikelgrößenverteilung<br />

der Abtragsprodukte [20] .<br />

4 Genehmigungsverfahren<br />

Infolge der hier durchgeführten Vorversuche<br />

konnte die KTE die Beantragung zur Einführung<br />

dieser Laserabtragtechnologie vornehmen. Mit<br />

dem langwierigen und teils zähen Änderungsvorhaben<br />

WAK-2021-007 konnte erstmals in<br />

Deutschland die Freigabe für die laserbasierte<br />

Dekontamination in einer kerntechnischen Anlage<br />

erzielt werden.<br />

Bei dem Vorhaben handelt es sich um ein Modellvorhaben<br />

mit begrenzter zeitlicher Dauer, beschränkter<br />

Radioaktivität sowie mit der örtlichen<br />

Vol. 69 (2024)


30<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Beschränkung auf eine Raumgruppe innerhalb<br />

der WAK. Es handelt sich bei diesem Vorhaben<br />

um eine unwesentliche Änderung der Anlage<br />

oder des Betriebes mit unerheblicher Abweichung<br />

vom genehmigten Verfahren und mit unerheblichen<br />

Auswirkungen auf den genehmigten sicherheits-<br />

oder sicherungstechnischen Zustand, die<br />

nicht genehmigungspflichtig ist. Die Einstufung<br />

des Änderungsvorhabens erfolgt daher in Kategorie<br />

B.<br />

5 Versuchsdurchführung<br />

Die Durchführung dieses Verfahrens wurde in<br />

der Raumgruppe R. 153 des Prozessgebäudes<br />

der WAK durchgeführt. Die Anlagentechnik wurde<br />

vom eigentlichen Dekontaminationsort abgetrennt.<br />

Das Laseraggregat mit Kühlmitteleinheit,<br />

die Steuerungstechnik und die Druckluftaufbereitung<br />

befinden sich in einem kontaminationsfreien<br />

Bereich. Die Medien werden mittels<br />

Lichtleitfaser bzw. Verbindungsschläuchen in<br />

die Einhausung zum Laserarbeitskopf geführt.<br />

Dieses Verfahrensschema ist in Abbildung 3<br />

dargestellt.<br />

5.1 Prozesstechnik<br />

Das mobile Lasergerät (Abbildung 4a) befand sich<br />

außerhalb der Arbeitskabine. Die Laserstrahlung<br />

wurde über eine 10 m lange mit einer Ummantelung<br />

geschützten Lichtleifaser zum Arbeitskopf<br />

geführt. Im Arbeitskopf wurde der Laserstrahl in<br />

x-Richtung mit einer Scanfrequenz von 50 Hz auf<br />

eine Breite von 60 mm abgelenkt, wodurch bei<br />

Bewegung des Arbeitskopfes eine 6 cm breite<br />

Abtragsspur auf der Oberfläche entsteht (Abbildung<br />

4b).<br />

An den am Arbeitskopf befindlichen Absauganschluss<br />

wurde ein Staubsaugerschlauch befestigt.<br />

Dieser verfügt neben einem Vorfilter über einen<br />

IFA klassifizierten HEPA-Filter der Staubklasse H,<br />

welcher bei einer kritischen Partikelgröße von<br />

0,3 μm mehr als 99,995 % der Partikel filtert. Die<br />

maximale Saugleistung beträgt 194 m³‧h -1 .<br />

Neben der Direktabsaugung wurde die Raumluft<br />

der Einhausung ebenfalls abgesaugt und gefiltert.<br />

Hier fand die Deconta green dec G 100 SE Verwendung.<br />

Die Deconta verfügt über einen Vor- (G3) und<br />

einen Zwischenfilter (G4), ergänzt mit einem<br />

Abb. 3.<br />

Verfahrensschema der Laserdekontamination<br />

Abb. 4.<br />

a Mobiles Lasergerät (Cleanlaser GmbH hier CL500) [21] , b Arbeitskopf des Lasers<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

31<br />

Gesamtaktivität gemäß<br />

DAkkS [Bq]<br />

Volumen<br />

[ml]<br />

Salzsäurekonzentration<br />

[mol∙l -1 ]<br />

Äquivalentdosis * [22] [µSv∙h -1 ]<br />

je Probenkörper je Flasche<br />

Cobalt-60 29.000 30 0,1 4,2 100,9<br />

Strontium-85 41.500 30 0,5 1,3 31,5<br />

Cäsium-137 37.500 30 0,1 1,4 34,8<br />

Americium-241 103.500 30 1 0,3 6,3<br />

Tab. 3.<br />

Übersicht der ausgewählten und verwendeten Radionuklide und relevanten Eckdaten<br />

* berücksichtigte Faktoren: 1 cm Abstand zur Strahlungsquelle mit 1 cm Luft<br />

Aktivkohlefilter AK 292. Der bauseitige HEPA-Filter<br />

wurde in diesem Modellvorhaben durch einen<br />

speziell für Partikelgrößen < 100 nm geprüften<br />

HEPA-Filter ersetzt. Hier kam der H13-Filter<br />

Absolute 1D der Fa. CAMFIL zum Einsatz. Die<br />

maximale Saugleistung der Deconta beträgt<br />

1.650 m³‧h -1 . Bei Verwendung der Aktivkohlezelle<br />

wurde die Saugleistung auf maximal 1.000 m³‧h -1<br />

reduziert. Sowohl innerhalb der Einhausung als<br />

auch im freien Bereich im Raum R.153a fanden<br />

kontinuierlich Raumluftmessungen statt. Hierfür<br />

wurden jeweils Aerosolsammler aufgestellt,<br />

welche alle 24 h ausgewertet wurden.<br />

5.2 Material und Präparation<br />

Für die Durchführung des Modellvorhabens<br />

kamen metallische Probenkörper (PK) aus austenitischen<br />

und ferritischen Stählen mit unterschiedlichen<br />

Oberflächenbeschichtungen (blank,<br />

verzinkt, oxidiert, lackiert) aus unterschiedlichen<br />

Bereichen der KTE zum Einsatz:<br />

⁃ R200-Deckel (Ferrit mit Dekontlack)<br />

⁃ DC01/ (alt St 1203) (1.0330): Gehopon-Lacke<br />

der Firma Geholit & Wiemer mit folgendem<br />

Aufbau: 1x Grundierung grün E1-613: 50 µm,<br />

1x Haftgrund weiß E1-940: 50 µm, 1x Decklack<br />

RAL 1004 E1-1248: 50 µm<br />

⁃ Einwegbox (verzinktes Blech)<br />

⁃ DC01/ (alt St 1203) (1.0330) verzinkt nach (DIN<br />

EN 10131)<br />

⁃ zugeschnittene Edelstahlbleche<br />

⁃ X2CrNi19-11 (1.4306)<br />

⁃ T170-Deckel (blanker und oxidierter Baustahl)<br />

⁃ DC01/ (alt St 1203) (1.0330)<br />

Die Oberfläche der Probenkörper betrug 100 cm²<br />

(5 cm x 20 cm); die mit radioaktiver Flüssigkeit<br />

benetzte Oberfläche wurde auf 54 cm² (3 cm x<br />

18 cm) abgegrenzt. Die Anzahl der Probenkörper<br />

betrug 80 Stück und setzte sich wie folgt zusammen:<br />

fünf verschiedene Grundsubstrate, kontaminiert<br />

mit vier verschiedenen Radionukliden für<br />

vier Laserabtragversuche. Für die Laserabtragversuche<br />

wurden mit Co-60, Cs-137, Sr-85 und<br />

Am-241 repräsentative Radionuklide ausgewählt.<br />

Mit den genannten Radionukliden ist das Spektrum<br />

von γ-, β- und α-Strahlern abgedeckt. Die Oberfläche<br />

der Probenkörper wurde tropfenweise<br />

mit radioaktiver Flüssigkeit benetzt, welche anschließend<br />

eintrocknete (drop cast method). Bei<br />

einigen ausgewählten radioaktiv-kontaminierten<br />

Probenkörpern sollte ein zusätzliches Überstreichen<br />

mit einem Dekontlack in Form einer<br />

Mischung aus einem 2K-Lack mit der jeweiligen<br />

Radionuklidlösung eine eingeschlossene Kontamination<br />

simulieren.<br />

Als Grundlage für die Bestimmung der Ausgangsaktivität<br />

diente die Nachweisgrenze der Strahlenschutz-Messgeräte<br />

bei annehmbaren Messzeiten.<br />

Mittels Hochrechnung über angenommene Dekontaminationsgrade<br />

und Sicherheitsfaktoren<br />

wurden die Ausgangsaktivitäten ermittelt, die in<br />

Tabelle 3 genannt sind. Das notwendige Volumen<br />

von 30 ml ergab sich aus der experimentell<br />

bestimmten Anzahl und Größe der mittels Pipette<br />

aufzubringenden Tropfen. Die resultierenden Gesamtaktivitäten,<br />

die Salzsäurekonzentration sowie<br />

die resultierende Äquivalentdosis der Radionuklide<br />

sind ebenfalls in Tabelle 3 zusammengefasst.<br />

5.3 Versuchsablauf<br />

Die Versuche erfolgten innerhalb des Zeitraums<br />

vom 20.10. bis zum 11.11.2022. Der Großteil der<br />

radiologischen Messungen für die Auswertung der<br />

Laserabtragversuche erfolgte im Anschluss der<br />

Versuche. Für den Laserabtrag lagen die PK einzeln<br />

fixiert auf dem Arbeitstisch. Während eines Laserabtragprozesses<br />

wurde der Laserarbeitskopf am<br />

unteren Ende des PK mit den Rollen aufgesetzt und<br />

in einer Art Pendelbewegung unidirektional über<br />

den PK gefahren. Die Verfahrgeschwindigkeit<br />

ist unbekannt und wurde vom Bearbeiter vom<br />

sichtbaren Abtragergebnis abhängig variiert.<br />

Die Laser parameter sind in Kapitel 3 aufgeführt.<br />

Abbildung 5 zeigt radioaktiv kontaminierte<br />

Deckelproben eines 200 l – Reststofffasses sowohl<br />

vor als auch nach einer erfolgten Laserdekontamination.<br />

Nach der einmaligen Überfahrt des Laserarbeitskopfes<br />

wurde die bearbeitete Oberfläche<br />

der PK mittels eines CONTAMAT Kontaminationsmonitors<br />

auf noch verbliebene Radioaktivität<br />

untersucht. Details der Messanordnung sowie der<br />

Messgerätespezifikation sind im Folgenden aufgelistet<br />

und beschrieben. Je nach Betrag der erhaltenen<br />

Messergebnisse erfolgte entweder ein<br />

Vol. 69 (2024)


32<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

erneuter Laserabtragprozess oder die Dekontamination<br />

des vorliegenden PK wurde als abgeschlossen<br />

eingestuft.<br />

Folgend sind die Messanordnungen und Messgerätespezifikationen<br />

für die jeweiligen Messverfahren<br />

beschrieben:<br />

⁃ CONTAMAT Kontaminationsmonitor<br />

⁃ Gerätespezifikation: LB 124 Scin-300 von<br />

der Firma Berthold<br />

⁃ Messverfahren und -anordnung: Es erfolgt<br />

eine Direktmessung der Probenoberfläche<br />

mit einem definierten Messabstand von<br />

1–2 mm je nach Materialstärke der PK.<br />

Ein Abstandshalter garantiert eine Kontaktvermeidung<br />

des Messgeräts mit der kontaminierten<br />

Probenoberfläche.<br />

⁃ Gammaspektrometrie<br />

⁃ Gerätespezifikation: Hochreiner, stickstoffgekühlter<br />

Germaniumdetektor der Firma<br />

Mirion (Canberra)<br />

⁃ Messverfahren: Die Messungen erfolgten<br />

in Bleiburgen bzw. mit Abschirmungen,<br />

um die natürliche Umgebungsstrahlung zu<br />

reduzieren und Einstrahlung auszuschließen.<br />

Es wurde keine Mittelungsfläche oder<br />

Mittelungsmasse verwendet.<br />

⁃ Messanordnung bei In-situ: Das Gerät wurde<br />

20 cm über den Probenkörpern zum Messen<br />

positioniert, die mit Aktivität versehene<br />

Fläche zeigte zum Detektor. Die Messungen<br />

erfolgten bei Raumtemperatur.<br />

⁃ Messanordnung „Low-Level“: Die Probenkörper<br />

wurden in Plastikfolie eingeschweißt<br />

und mit dieser Folie gemessen. Die Probenkörper<br />

wurden auf einem Probenhalter<br />

( Abstandshalter mit 8 cm Höhe) positioniert,<br />

die mit Aktivität versehene Fläche zeigte<br />

zum Detektor. Die Messungen erfolgten<br />

bei konstanter Temperatur von ca. 23 °C.<br />

5.4 Dekontaminationsgrad<br />

Zentrale Aspekte des Modellvorhabens zur laserbasierten<br />

Dekontamination von Metalloberflächen<br />

waren die Bestimmung des Dekontaminationsgrades<br />

und die Erfassung eines etwaigen nuklidspezifischen<br />

Verhaltens. Für quantitative Aussagen<br />

wurden hierfür umfangreiche Messungen<br />

mit verschiedenen Analysemethoden vollzogen.<br />

Details der Messanordnung sowie Messgerätespezifikation<br />

sind in Kapitel 5.3 beschrieben.<br />

Dabei wurden alle PK sowohl vor als auch nach<br />

dem Laser abtragprozess mittels Direktmessung<br />

(CONTAMAT) und 25 % der PK vor und 100 % nach<br />

dem Laserabtrag mittels Gammaspektrometrie<br />

(Low-Level, In-situ) vermessen. Eine Übersicht der<br />

Ergebnisse ist in Tabelle 4 wiedergegeben.<br />

Die Messergebnisse zeigen, dass im Vergleich<br />

zu den zuvor ermittelten Laborergebnissen ein<br />

Dekontaminationsgrad von mindestens 97,3 %, bei<br />

den Radionukliden Am 241, Cs-137 sowie Sr-85 von<br />

98,3 % und höher resultiert. Darüber hinaus wurde<br />

festgestellt, dass im Fall von Am-241 bei 40 % der<br />

PK ein Dekontaminationsgrad von 100 %; im Falle<br />

von Cs-137 ein Wert von 45 % der PK bestimmt wurde.<br />

Dabei handelte es sich bei Am-241 vorzugsweise<br />

um das Grundsubstrat blanker Baustahl, bei Cs-137<br />

um lackierten bzw. verzinkten Baustahl. Weiterhin<br />

hat sich gezeigt, dass bei den Radionukliden<br />

Cs-137 und Sr-85 der hohe Dekontaminationsgrad<br />

bereits nach einem einzigen Laser abtragprozess<br />

erzielt wurde.<br />

Mit der Ausnahme von verzinktem Baustahl ist<br />

dies auch bei Co-60 zu beobachten. Bei verzinktem<br />

Baustahl konnte trotz mehrmaliger Bearbeitung<br />

nur ein Dekontaminationsgrad von 89,4 % erreicht<br />

werden. Wird bei der Ermittlung des Durchschnittwerts<br />

des Dekontaminationsgrades das Grundsubstrat<br />

verzinkter Baustahl nicht miteinbezogen,<br />

resultiert für Co-60 ein Wert von 98,6 %. Eine<br />

Erklärung für diese Auffälligkeit konnte in der<br />

Nuklid<br />

Dekontaminationsvorgänge<br />

(Anzahl)<br />

Dekontaminationsgrad<br />

(Minimum)<br />

Freigabe 4)<br />

Sr-85 1 ≥ 98,5 % uneingeschränkt freigabefähig<br />

Co-60 1 1) ≥ 97,3 % 1) uneingeschränkt freigabefähig 1)<br />

Cs-137 1 ≥ 98,8 % uneingeschränkt freigabefähig<br />

Am-241 2,5 2) ≥ 98,3 % ca. 50 % uneingeschränkt<br />

freigabefähig 3)<br />

Tab. 4.<br />

Ergebnisse der Laserabtragversuche – Dekontaminationsergebnis<br />

1) ohne verzinkten Baustahl<br />

2) Effekt der Wechselwirkung zwischen Salzsäure und Oberflächen ist zu erkennen;<br />

dieser reduziert deutlich die Effektivität des Laserabtrags<br />

3) verhältnismäßig hohe Ausgangsaktivitätskonzentration (> 80 Bq•cm -2 );<br />

eine Freigabe gemäß StrlSchV nach erfolgter Deko ist hier nicht realistisch<br />

4) nuklidspezifische Freigabewerte gemäß StrlSchV, Anlage 4, Tab. 1, Sp. 5<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

33<br />

Abb. 5.<br />

Radioaktiv kontaminierte Deckelproben eines 200 l –<br />

Reststofffasses a vor dem Laserabtrag, b nach einem einmaligen Laserabtragprozess – uneingeschränkt freigabefähig.<br />

Verwendung von Salzsäure (in der die Nuklide<br />

gelöst waren) nachgewiesen werden. Die chemische<br />

Wechselwirkung vorrangig mit Zink führt<br />

zum Lösen des Zinks und damit zur Einlagerung<br />

des Nuklids in tiefere Regionen. Abgeschwächt ist<br />

dies auch bei Baustahl zu beobachten. Unter real<br />

kontaminierten Oberflächen liegt diese Situation<br />

nicht vor.<br />

Wenngleich der Dekontaminationsgrad bei Am-241<br />

mit mindestens 98,3 % grundsätzlich sehr hoch<br />

ausfällt, waren im Schnitt 2,5 Laserabtragprozesse<br />

notwendig.<br />

Weiterhin wurde die verbliebene Menge an Radioaktivität<br />

je PK mit den jeweiligen Freigabewerten<br />

gemäß Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), Anl.<br />

4, Tab. 1, Sp. 5 verglichen. Hierbei hat sich bei den<br />

verwendeten Radionukliden Cs-137, Sr-85 sowie<br />

Co-60 gezeigt, dass alle PK nach dem durchgeführten<br />

Laserabtrag mit einer Ausnahme uneingeschränkt<br />

freigabefähig sind.<br />

Abbildung 5 zeigt exemplarisch die mit Sr-85<br />

kontaminierten Deckelproben eines 200 l – Reststofffasses<br />

vor sowie nach dem Laserabtrag. Bei<br />

der Ausnahme handelt es sich um die bereits oben<br />

erwähnte Versuchsreihe von aufgetragenem Co-60<br />

auf verzinktem Baustahl. Hier lässt ein Dekontaminationsgrad<br />

von rund 89,4 % keine Freigabefähigkeit<br />

zu. Der Grund liegt im Lösungsverhalten<br />

der Salzsäure, wie oben beschrieben. Im Fall des<br />

Radionuklids Am-241 konnten gemäß Strahlenschutzverordnung<br />

die Hälfte aller PK als uneingeschränkt<br />

freigabefähig eingestuft werden.<br />

Generell muss im Fall des Am-241 festgehalten<br />

werden, dass hier eine sehr hohe Ausgangsaktivitätskonzentration<br />

(> 80 Bq‧cm -2 ) vorlag, so dass eine<br />

Dekontamination mit dem Ziel einer Freigabe<br />

nicht realistisch ist.<br />

Die Freigabemöglichkeit variiert in tatsächlich<br />

vorliegenden Fällen, da hier Nuklidgemische vorhanden<br />

sind und hierbei die abgeleiteten Freigabewerte<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

5.5 Aktivitätsbilanz<br />

Aufgrund der definierten und DAkkS-zertifizierten<br />

Menge an verwendeter Radioaktivität war es<br />

möglich, eine Aktivitätsbilanz nach Abschluss<br />

der Arbeiten aufzustellen. Hierfür wurden aufwendige<br />

Untersuchungen mittels Direktmessung<br />

( CONTAMAT) und der Gammaspektrometrie (In-situ<br />

und Low-Level) durchgeführt. Details der Messanordnung<br />

sowie Messgerätespezifikation sind in<br />

Kapitel 5.3 beschrieben. Es wurden nicht nur die<br />

Probenkörper (PK) untersucht, sondern auch die<br />

verschiedenen Komponenten des Aufbaus (u. a.<br />

Laser arbeitskopf, Absaugelemente, Einhausung).<br />

Weiterhin erfolgte die Auswertung von Wischtests<br />

und Luftmessungen innerhalb und außerhalb der<br />

Einhausung mittels Aerosolsammler. Ferner<br />

wurden alle verwendeten Hilfsmittel (u. a. Glas­<br />

Serum-Flaschen, Pipetten, Spritzen), die mit der<br />

Radionuklidlösung in Berührung gekommen sind,<br />

gammaspektrometrisch untersucht. Die Ergebnisse<br />

der Bilanzierung sind in der folgenden<br />

Abbildung 6 aufgeführt.<br />

Bei der Bilanzierung der Aktivitäten nach Abschluss<br />

der Arbeiten wurde festgestellt, dass der<br />

Hauptanteil der Aktivität im Staubsauger, konkret<br />

im Filter, angesammelt vorliegt. Der nächstgrößere<br />

Anteil beinhaltet Reste der nicht genutzten Lack-<br />

Nuklid-Mischung. Auf den Oberflächen der Probenkörper<br />

sind nur noch äußerst geringe Mengen<br />

an verbliebener Radioaktivität, siehe Kapitel 5.4.<br />

Bezogen auf die DAkkS-zertifizierten Ausgangsaktivitäten<br />

weisen die Oberflächen bei den Radionukliden<br />

Sr-85, Cs-137 sowie Am-241 eine verbliebene<br />

Restaktivität von 0,5 % oder weniger auf.<br />

Beim Radionuklid Co-60 hingegen liegt der Wert<br />

bei 2,7 % und fällt damit deutlich höher aus. Hier<br />

ist erneut die Ausnahme beim verzinkten Baustahl<br />

anzumerken, da auf den PK eine ungewöhnlich<br />

hohe Restaktivität zurückbleibt. Wird in der Bilanzierung<br />

von Co-60 der verzinkte Baustahl nicht<br />

berücksichtigt, liegt der Wert bei nur noch 1 %. Es<br />

kann somit festgehalten werden, dass nach dem<br />

Laserabtrag bei den Radionukliden Sr-85, Cs-137<br />

und Am-241 eine ähnlich geringe Restaktivität auf<br />

Vol. 69 (2024)


34<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Abb. 6.<br />

Bilanzierung der einzelnen Radionuklide nach dem Laserabtrag (Angaben in Bq)<br />

den Oberflächen verbleibt und diese bei Co-60 im<br />

Vergleich dazu deutlich höher ausfällt.<br />

Vergleicht man innerhalb der einzelnen Bilanzierungen<br />

die aufsummierte Gesamtaktivität mit den<br />

jeweiligen Gesamtausgangsaktivitäten, so erkannt<br />

man, dass sich im Fall von Cs-137 und Sr-85 eine<br />

geringe negative Abweichung von rund 2 % ergibt.<br />

In Anbetracht diverser Ungenauigkeiten und Toleranzen<br />

sind diese Ergebnisse sehr zufriedenstellend.<br />

Bei den Radionukliden Co-60 (+11,7 %) und<br />

Am-241 (+18,1 %) sind im Vergleich zu den beiden<br />

zuvor genannten Nukliden deutlich höhere Abweichungen<br />

zu beobachten. Die Gründe hierfür<br />

liegen vor allem in den radiologischen Messungen.<br />

Da diese vielfältig und komplex sind, ergibt sich<br />

ein hohes Maß an Unsicherheiten, welche messtechnisch<br />

kaum zu vermeiden sind. Dennoch<br />

befinden sich alle Ergebnisse strahlenschutztechnisch<br />

innerhalb eines zufriedenstellenden<br />

Bereichs.<br />

Die Auswertungen der Aerosolsammler, der<br />

abwisch baren Kontamination und der In-situ­<br />

Messungen zeigen sowohl innerhalb als auch<br />

außerhalb des Zeltes keine erhöhten Werte.<br />

Die mittels Laserstrahlung abgetragene Radioaktivität<br />

ist somit vollständig in den Arbeitskopf<br />

gesaugt worden und es sind nachweislich keine<br />

Partikel in die Raumluft gelangt. Die abgesaugten<br />

Partikel (auch kleiner 100 nm) werden mittels<br />

eines konventionellen H13-Filters nachweislich<br />

aufgefangen.<br />

6 Zusammenfassung<br />

Mit einem mobilen, gepulsten 150-W-Nd:YAG-Laser<br />

wurden nach erfolgten Voruntersuchungen zur<br />

Laserstrahldekontamination von Metalloberflächen<br />

im Labormaßstab Praxistests im Prozessgebäude<br />

der WAK durchgeführt. Kernkraftwerktypische<br />

Oberflächen wie Edelstahl, Baustahl,<br />

verrosteter Stahl, verzinkter Stahl und lackierter<br />

Stahl wurden mit den Radionukliden Co-60, Cs-137,<br />

Sr-85 und Am-241 präpariert und anschließend<br />

mit dem Laser dekontaminiert. Um den Erfolg<br />

der Dekontamination zu beurteilen, wurde die<br />

Radioaktivität vor und nach der Laserablation<br />

gemessen und der Dekontaminationsgrad bestimmt.<br />

Alle Laser- und Prozessparameter wurden<br />

für alle Experimente konstant eingestellt.<br />

In der Praxis wurde ein Dekontaminationsgrad<br />

von mindestens 97,3 % erreicht. Dieser Wert ist<br />

höher als der im Labormaßstab erreichte. Der<br />

Grund für den geringeren Dekontaminationsgrad<br />

im Labormaßstab wird in der Nutzung einer Box<br />

gesehen, in der die Absaugung quer zur Abtragsrichtung<br />

verlief und die über ein Einkoppelfenster<br />

verfügt, auf welchem sich während eines Versuchs<br />

Partikel ablagerten, die die Transmission des<br />

Laserstrahls deutlich verringerte.<br />

Der Dekontaminationsgrad hängt sowohl von der<br />

Art des Nuklids als auch von der Art des Substrats<br />

ab. Bei den Substraten wurde der höchste Dekontaminationsgrad<br />

bei Lacken festgestellt (nahezu<br />

100 %). Hier ist der Abtrag in die Tiefe am höchsten,<br />

und es liegen keine Wechselwirkungen mit Metall<br />

vor. Bei diesen unterliegen vorrangig Baustahl als<br />

auch Zink hohen Wechselwirkungen mit der in der<br />

Nuklidlösung befindlichen Salzsäure, die eine<br />

intensive chemische Reaktion mit der Oberfläche<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

35<br />

bewirkt, wodurch die Aktivität in die Oberfläche<br />

eingelagert wird, was unter real kontaminierten<br />

Oberflächen nicht zu erwarten ist.<br />

Die auf den Oberflächen nach dem Abtragsprozess<br />

verbliebene Aktivität wurde mit den Freigabewerten<br />

gemäß StrlSchV, Anl. 4, Tab. 1, Sp. 5 verglichen.<br />

Mit Ausnahme von verzinktem Baustahl<br />

(bei Co-60) konnte bei den Radionukliden Cs-137,<br />

Sr-85 und Co-60 auf den restlichen Substraten eine<br />

uneingeschränkte Freigabe erzielt werden. Bei<br />

Am-241 traf dies nur auf 50 % der Proben zu. Hier<br />

ist zu vermerken, dass bewusst eine hohe Ausgangsaktivitätskonzentration<br />

zum Einsatz kam,<br />

durch die eine Dekontamination mit dem Ziel einer<br />

Freigabe nicht realistisch war.<br />

Betrachtet man innerhalb der Aktivitätsbilanz nur<br />

die beim Laserabtragprozess involvierten Komponenten<br />

(Probenoberfläche, Staubsauger und Umgebung)<br />

ergibt sich gemäß den Dekontaminationsgraden,<br />

dass mindestens 97 % der Aktivität im<br />

Staubsauger nachgewiesen wurden. Hiervon verteilen<br />

sich ca. 3 % auf den Staubsaugerschlauch<br />

und ca. 97 % werden im Beutel abgeschieden. Die<br />

Auswertungen der Aerosolsammler, der abwischbaren<br />

Kontamination und der In-situ-Messungen<br />

zeigten sowohl innerhalb als auch außerhalb<br />

des Zeltes keine erhöhten Werte. Die mittels Laserstrahlung<br />

abgetragene Radioaktivität ist somit<br />

vollständig über den Arbeitskopf abgesaugt<br />

und dem konventionellen H13-Filter zugeführt<br />

worden.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das<br />

hier verwendete Sicherheitskonzept dieser Laserabtragversuche<br />

die zu besorgenden und geplanten<br />

Schutzziele vollumfänglich erfüllt hat. Mit den vorliegenden<br />

Ergebnissen konnte ein entscheidender<br />

Schritt in Richtung Einsatzfähigkeit der Laserabtragtechnologie<br />

in kerntechnischen Anlagen<br />

geleistet werden. Im Hinblick auf eine Reduktion<br />

von Sekundärwaste sowie von Expositionszeiten<br />

für das Personal bleibt abzuwarten, wann diese<br />

Technologie auch von den früheren Betreibern<br />

und heutigen Rückbauunternehmen von kerntechnischen<br />

Anlagen eingesetzt werden.<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

ÄA<br />

BS<br />

cw<br />

DAkkS<br />

LAW<br />

KIT<br />

KTE<br />

LOP<br />

PCB<br />

PK<br />

Änderungsanzeige<br />

Baustahl<br />

continous-wave (kontinuierliche Strahlung emittierende Laser)<br />

Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH<br />

low active waste<br />

Karlsruher Institut für Technologie<br />

Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />

Liste offener Punkte<br />

polychlorierte Biphenyle<br />

Probenkörper<br />

StrSchV<br />

TÜV<br />

UM<br />

WAK<br />

WKET<br />

Literatur<br />

Verordnung zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender<br />

Strahlung (Strahlenschutzverordnung)<br />

TÜV SÜD Energietechnik GmbH Baden-Württemberg<br />

(Sachverständigen gern. § 20 AtG)<br />

Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft<br />

Baden-Württemberg – Referat 35<br />

Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe<br />

Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik der TU Dresden<br />

[1] R. Versemann; F.W Bach.; G. Kremer; P. Brüggemann: Research and<br />

Development Results <strong>for</strong> Dismantling and Decontamination Application;<br />

Tucson, Arizona: WM’05 Conference, 2004<br />

[2] https://lpt.glatt.com/2021/05/07/gefahrstoffsanierung-sockelflugzeug/<br />

[3] https://www.hofeditz-baunatal.de/en/laser-reinigung<br />

[4] J. Knorr; W. Lippmann; A.-M. Reinecke; et al.: Decontamination of<br />

siliceous surfaces by laser ablation with simultaneous waste product<br />

conditioning, KONTEC 2005, 20. – 22.04.2005, Berlin<br />

[5] Herrmann, M.; Lippmann, W.; Hurtado, A.: The Release of Radionuclides<br />

in the Laser Decontamination Process; Icone 17th, Brüssel, 2009<br />

[6] A. Anthofer, W. Lippmann, A. Hurtado: Development and Testing of a<br />

Laser-Based Decontamination System, <strong>Journal</strong> of Optics & Laser Technology,<br />

48 (2013), pp. 589–598<br />

[7] A. Anthofer, W. Lippmann, A. Hurtado: Laser decontamination of epoxy<br />

painted concrete surfaces in nuclear plants Original Research Article;<br />

Optics & Laser Technology, Volume 57, April 2014, Pages 119-128<br />

[8] A. Hurtado, W. Lippmann, M. Herrmann, R. Littwin, S. Gentes, J.<br />

Bremmer, P. Kern, N. Gabor: Decontamination of radioactively contaminated<br />

concrete surfaces by means of a manipulator-borne laser system,<br />

Kontec, Dresden, 2009<br />

[9] G. Greifzu, T. Kahl, M. Herrmann, W. Lippmann, A. Hurtado: Laserbased<br />

decontamination of metal surfaces, Optics & Laser Technology,<br />

117 (2019), pp. 293-298<br />

[10] T. Kahl, F. Lohse, M. Herrmann, A. Hurtado: Evaluation of particle<br />

release during cleaning of coated surfaces with pulsed Nd:YAG laser,<br />

<strong>Journal</strong> of Aerosol Science, 172 (2023) 106187<br />

[11] R.L. Demmer, R.L. Ferguson: Testing and evaluation of light ablation<br />

decontamination; Idaho National Engineering Laboratory; 94/0134,<br />

1994<br />

[12] B. Baigalmaa, Won, H.J., Moon, J.K., Jung, C.H., Hyun, J.H.: A comprehensive<br />

study on the laser decontamination of surfaces contaminated with<br />

Cs(+)ion, Applied Radiation and Isotopes 67 (2009) pp. 1526-1529<br />

[13] L. Carvalho, W. Pacquentin, M. Tabarant M.; H. Maskrot; A. Semerok:<br />

Growth of micrometric oxide layers to explore laser decontamination<br />

of metallic surfaces, EPJ Nucl. Sci. Technol. 3 (2017) 30<br />

[14] K.-H. Song, J. S. Shin: Surface removal of stainless steel using a singlemode<br />

continuous wave fiber laser to decontaminate primary circuits;<br />

<strong>Nuclear</strong> Engineering and Technology 54 (2022)<br />

[15] S. Sadanori, A. Seiji, T. Inoue: Applying laser technology to decommissioning<br />

<strong>for</strong> nuclear power plant, Advanced High-<strong>Power</strong> Lasers and<br />

Applications; Osaka Japan (1999).<br />

[16] J.P. Nilaya, P. Raote, A. Kumar, D.J. Biswas: Laser-assisted decontamination<br />

– A wavelength dependent study, Appl. Surf. Sci. 254 (22) (2008)<br />

7377–7380<br />

[17] H. Won, J. Park, C. Jung, W. Choi, J. Moon: Decontamination of Radioactive<br />

Material by Nd:YAG Laser; Asain <strong>Journal</strong> of Chemistry, 10 (2013)<br />

5819-5822<br />

[18] Ph. Delaporte, M. Gastaud, W. Marine, M. Sentis et. al: Dry Excimer laser<br />

cleaning applied to nuclear decontamination; Applied Surface Science<br />

208-209 (2003)<br />

[19] A.-M. Reinecke, M. Acker, S. Taut, M. Herrmann, W. Lippmann,<br />

A. Hurtado: Laser beam decontamination of metallic surfaces with a<br />

pulsed (150 W) Nd: YAG Laser; <strong>Journal</strong> of <strong>Nuclear</strong> Engineering and<br />

Technology 55 (2023) 4159<br />

[20] T. Kahl, F. Lohse, M. Herrmann, A. Hurtado: Evaluation of particle<br />

release during cleaning of coated surfaces with pulsed Nd:YAG laser;<br />

<strong>Journal</strong> of Aerosol Sciences, 172 (2023) 106187<br />

[21] URL: https://adapt-laser.com/product/cl500/<br />

[22] Nucleonica Datenbank, URL: https://nucleonica.com/,<br />

Abrufdatum: 03.06.2022<br />

Vol. 69 (2024)


36<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Autorin und Autor<br />

Dr.-Ing. Anne-Maria Reinecke<br />

Leiterin Hochleistungslaserlabor<br />

TU Dresden, Institut für Energietechnik,<br />

Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik<br />

anne-maria.reinecke@tu-dresden.de<br />

Impressum<br />

Offizielle Mitgliederzeitschrift<br />

der Kerntechnischen Gesellschaft e. V. (KTG)<br />

Verlag<br />

INFORUM Verlags- und Verwaltungsgesellschaft mbH<br />

Berliner Straße 88A, 13467 Berlin<br />

Anne-Maria Reinecke ist seit 2003 wissenschaftliche<br />

Mitarbeite rin an der Professur für Wasserstoff- und<br />

Kernenergietechnik der TU Dresden. Hier beschäftigt<br />

sich die promovierte Maschinenbauingenieurin<br />

kontinuierlich mit der Bearbeitung von Forschungsprojekten<br />

auf dem Gebiet der Lasermaterialbearbeitung. Zudem hat sie 2008<br />

mit dem Aufbau eines Hochleistungslaserlaboratoriums an der TU Dresden<br />

begonnen und leitet eben dieses seitdem.<br />

www.nucmag.com<br />

@<strong>atw</strong>_<strong>Journal</strong><br />

@<strong>atw</strong>-international-journal-<strong>for</strong>-nuclear-power<br />

Geschäftsführer<br />

Dr. Thomas Behringer<br />

Carsten Friedrich<br />

stellv. Abteilungsleiter Rückbau<br />

der Verglasungseinrichtung Karlsruhe<br />

Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />

carsten.friedrich@kte-karlsruhe.de<br />

Chefredakteur<br />

Nicolas Wendler<br />

+49 172 2379184<br />

nicolas.wendler@nucmag.com<br />

Redakteurin<br />

Nicole Koch<br />

+49 163 7772797<br />

nicole.koch@nucmag.com<br />

Carsten Friedrich ist stellv. Abteilungsleiter Rückbau<br />

Verglasungseinrichtung Karlsruhe (VEK) bei<br />

der Kerntechnischen Entsorgung Karlsruhe GmbH<br />

(KTE) und damit (mit)verantwortlich für die<br />

Planung und Umsetzung der notwendigen Maßnahmen<br />

zum „Fernhantierten Rückbau der Prozesszellen<br />

der VEK“.<br />

Aufgrund seiner Tätigkeiten während des Maschinenbaustudiums (Diplomingenieur)<br />

an der TUD beschäftigte er sich bereits intensiv mit der Laserdekontamination<br />

und begleitet seither die diesbezüglichen Forschungsprojekte<br />

seitens der KTE.<br />

Anzeigen und Abonnements<br />

info@nucmag.com<br />

Layout<br />

zi.zero Kommunikation<br />

Berlin<br />

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inpuncto:asmuth<br />

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Gültig seit 1. Januar 2021<br />

Erscheinungsweise 6 x im Jahr (alle 2 Monate)<br />

DE:<br />

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Alle EU-Mitgliedsstaaten ohne USt-IdNr.:<br />

Pro Ausgabe (inkl. USt., exkl. Versand) 32.50 €<br />

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EU-Mitgliedsstaaten mit USt-IdNr. und alle weiteren Länder:<br />

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The journal and all papers and photos contained in it are protected by<br />

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mbH, is prohibited. This applies to repro duc tions, translations, microfilming<br />

and the input and incorpo ration into electronic systems. The<br />

individual author is held responsible <strong>for</strong> the contents of the respective<br />

paper. Please address letters and manuscripts only to the Editorial Staff<br />

and not to individual persons of the association‘s staff. We do not assume<br />

any responsibility <strong>for</strong> unrequested contributions.<br />

Signed articles do not necessarily represent the views of the editorial.<br />

ISSN 1431-5254 (Print) | eISSN 2940-6668 (Online)<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

37<br />

AWiR:<br />

Ein beteiligungsorientiertes<br />

Change-Projekt im<br />

kerntechnischen Rückbau<br />

› Ralf Schimweg und Marco Steinbusch<br />

Abb. 1.<br />

Der in Rückbau befindliche AVR-Hochtemperaturreaktor in Jülich<br />

Einführung<br />

Der Rückbau von Anlagen ist für die Beschäftigten<br />

ein ambivalentes Vorhaben: Es fällt nicht leicht<br />

jeden Tag daran zu arbeiten, den eigenen Arbeitsplatz<br />

abzubauen. Dieses Dilemma war im Rückbau<br />

des AVR-Versuchsreaktors der JEN sicht- und<br />

messbar durch ständige Projektverzögerungen<br />

und schlechte Stimmung in der Belegschaft, insbesondere<br />

zwischen Restbetrieb, Demontage und<br />

Strahlenschutz.<br />

In diesem Artikel beschreiben die Autoren, wie es<br />

in einem gut zweijährigen Change-Projekt gelungen<br />

ist, mit intensiver Beteiligung der Beschäftigten<br />

die Veränderungs bereitschaft, die Zukunftsperspek<br />

tiven, die Zusammenarbeit und letztlich<br />

auch den Verlauf des Rückbauprojektes erheblich<br />

zu verbessern.<br />

Das Projektteam – Herzstück des Change­<br />

Projektes – bestand aus Füh rungs kräften<br />

und aus der Belegschaft gewählten Mitarbeitenden<br />

sowie Vertretern des Betriebsrates.<br />

Alle Aktivi täten und Ergebnisse<br />

sind durch das Projektteam „legitimiert“<br />

worden.<br />

Zwölf Arbeitsgruppen haben zum Teil<br />

parallel an der Gestaltung der zukünftigen<br />

Organisation gearbeitet.<br />

Wesentliche Ergebnisse des Projektes<br />

sind eine zukunftsorientierte Aufbauorganisation,<br />

in der Demontage, Betrieb,<br />

Instandhaltung und Strahlenschutz<br />

Hand in Hand arbeiten, was zu er heblich<br />

verbesserten Kennzahlen im Rückbau<br />

geführt hat. Der Erfolg des „AWiR“-Projektes<br />

führte zum Start eines weiteren<br />

Change-Projekt, das die gesamte Hauptabteilung<br />

Rückbau der JEN mit derzeit<br />

vier Rückbauvorhaben umfasst.<br />

Ausgangslage<br />

Die JEN (Jülicher Entsorgungsgesellschaft für<br />

Nuklearanlagen mbH) ist ein noch sehr junges<br />

Unternehmen. Sie wurde 2015 gegründet aus<br />

dem Zusammenschluss der Arbeitsgemeinschaft<br />

Versuchsreaktor GmbH (AVR) und den Nuklearbereichen<br />

des Forschungszentrums Jülich. Die<br />

Mission der JEN ist es, kerntechnischen Einrichtungen<br />

am Standort Jülich bis zur grünen Wiese<br />

zurückzubauen.<br />

Das hier beschriebene Organisationsentwicklungs<br />

projekt bezieht sich auf den Betrieb und<br />

Rückbau des AVR, eines von aktuell vier Rückbau-<br />

Vorhaben der JEN (siehe Abbildung 1).<br />

Vol. 69 (2024)


38<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Rückbau und genehmigungskon<strong>for</strong>mer Betrieb:<br />

Beides schien nicht gleichzeitig möglich zu<br />

sein. Die Situation war durch folgende Effekte<br />

gekennzeichnet:<br />

⁃ Seit Jahren immer wieder Verlängerungen<br />

der geplanten Projektlaufzeiten<br />

⁃ Kaum Zusammenarbeit, stattdessen großes<br />

Gemecker über „die Anderen“<br />

⁃ Hohe Stillstandszeiten durch fehlende Kommunikation<br />

und Abstimmung<br />

Abb. 2.<br />

Organigramm AVR Betrieb und Projekt zu Projektbeginn<br />

Ca. 70 Mitarbeitende sind im AVR-Projekt beschäftigt.<br />

Zurzeit konzentrieren sich die Rückbau­<br />

Aktivitäten auf den Rückbau noch verbliebener<br />

Betonstrukturen innerhalb des Reaktorgebäudes,<br />

das Projektende „Grüne Wiese“ ist für 2036<br />

geplant.<br />

Mitautor Marco Steinbusch übernahm 2019 die<br />

Leitung des AVR-Rückbauprojekts. Damals gab es<br />

im Organigramm zwei AVR-Abteilungen, den<br />

Betrieb und das Projekt (Abbildung 2).<br />

Projekt und Betrieb waren organisatorisch und<br />

auch faktisch voneinander getrennt und wurden<br />

in Personalunion durch M. Steinbusch geleitet. In<br />

der Abteilung „Betrieb“ waren der Restbetrieb mit<br />

der 24/7-besetzten Warte und die Instandhaltung<br />

mit Werkstätten, Betriebsingenieuren und Elektro­<br />

Planern angesiedelt. Hauptaufgabe war es, den<br />

genehmigungskon<strong>for</strong>men Betrieb sicherzustellen,<br />

wobei es nicht viel Fantasie benötigt sich vorzustellen,<br />

was Betrieb bei einem Kraftwerk bedeutet,<br />

das seit vielen Jahren kernbrennstofffrei ist und<br />

der Rückbau fast ausschließlich aus dem Abbau<br />

von Betonstrukturen besteht: Lüftung, Abwasserauffanganlagen,<br />

Klimaanlagen, Brandmeldeanlage<br />

und Heizung wiederkehrend prüfen und instand<br />

setzen.<br />

In der anderen Abteilung war das „Projekt“ beheimatet<br />

mit den Funktionen Rückbauplanung und<br />

Demontageausführung.<br />

Manifestierte Interessensgegensätze<br />

Mit der Brille eines Organisationsentwicklers<br />

liegt es auf der Hand: Hier sind gegensätzliche<br />

Interessen und Aufgaben so durch den Aufbau der<br />

„Doppelabteilung“ manifestiert, dass eine effektive<br />

Zusammenarbeit im Sinne gemeinsamer Ziele<br />

gar nicht zu erwarten ist. Die Einen sollen das<br />

abbauen, was die Anderen sicher betreiben sollen.<br />

Mit jedem erfolgreichen Tag im Rückbau verkürzt<br />

sich die Existenz der Anlage und des eigenen<br />

Arbeitsplatzes.<br />

Zusätzlich zu den Interessensgegensätzen zwischen<br />

Rückbau und Betrieb gab es noch einen<br />

weiteren Aspekt, der die Situation noch verschlimmerte:<br />

Der Strahlenschutz gehörte zu einer anderen<br />

Hauptabteilung, und zwar sowohl der<br />

prak tische Strahlenschutz vor Ort, als auch die<br />

Strahlen schutz-Planung der Teilprojekte. So gab es<br />

gleich drei Parteien, die sich zum Teil gegenseitig<br />

im Weg standen.<br />

Die folgende Grafik (Abbildung 3) zeigt eindrucksvoll<br />

zu welchen Ergebnissen die problematische<br />

Zusammenarbeit geführt hat.<br />

Abb. 3.<br />

Typischer Verlauf Rückbau Betonstrukturen<br />

In dem abgebildeten Zeitraum von 3 Monaten, der<br />

64 Arbeitstage umfasst, wurde nur an 24 Tagen tatsächlich<br />

am Abbau der Betonstrukturen – hier als<br />

„Baggern“ bezeichnet – gearbeitet, an 40 Arbeitstagen<br />

konnte aus unterschiedlichen Gründen kein<br />

Rückbau betrieben werden. Diese Arbeiten stellten<br />

den kritischen Pfad dar und dem Projektplan lag<br />

eine Plan-Abbauleistung von 10 Mg/Woche zugrunde.<br />

Eine realistische Annahme, denn an den<br />

Tagen, an denen „gebaggert“ werden konnte, lag<br />

die durchschnittliche Tagesleistung bei 2.160 kg<br />

(graue Linie). Das Problem waren die häufigen<br />

ungeplanten Stillstände, die zu einer durchschnittlichen<br />

Abbruchleistung von nur 762 kg pro Arbeitstag<br />

geführt hat (orange Linie).<br />

Zu spät bestellte Filter, schlecht disponiertes<br />

Personal, schlecht abgesprochene Reparaturen,<br />

Meinungsverschiedenheiten über zu ergreifende<br />

Schutzmaßnahmen und viele weitere vermeidbare<br />

Ursachen wurden identifiziert. Viel Energie wurde<br />

investiert, um Schuldige zu suchen, Rechtfertigungen<br />

zu konstruieren und Frust abzuladen.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

39<br />

Fehlende Perspektiven<br />

Um es vorweg zu nehmen: Es ist nicht fehlendes<br />

Personal, mangelnde Qualifikation oder schlechtes<br />

Material, mit dem sich die beschriebene Ausgangslage<br />

erklären lässt. Vielmehr wurde mangelnde<br />

Motivation in Kombination mit fehlenden Zukunftsperspektiven<br />

nach dem rückbaubedingten<br />

Wegfall von Aufgaben und Arbeitsplätzen als<br />

Hemmschuh ausgemacht.<br />

Change-Projekt „AWiR“<br />

Im Frühjahr 2020 ist im Management der JEN der<br />

Entschluss gereift, den Wandel hin zu einer zukunftsorientierten<br />

Organisation und Kooperation<br />

im AVR durch ein umfangreiches Change-Projekt<br />

mit externer Unterstützung durchzuführen. Dabei<br />

konnte im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens<br />

die MA&T Sell & Partner GmbH als externe<br />

Unterstützung gewonnen werden. MA&T hatte mit<br />

einem interdisziplinären Team aus Ingenieuren,<br />

Arbeitspsychologinnen und Betriebspraktikern<br />

fast 30 Jahre Erfahrung in der Begleitung beteiligungsorientierter<br />

OE-Projekte, allerdings noch nie<br />

in einer kerntechnischen Anlage gearbeitet. Die<br />

beiden Autoren haben das Change-Projekt mit dem<br />

Titel „AWiR“ gemeinsam geleitet.<br />

Was Change-Projekte gelingen lässt<br />

Aus der Literatur zu Change-Projekten 1 ist bekannt,<br />

dass es für erfolgreiche Change-Projekt einige<br />

wenige notwendige Voraussetzungen gibt, davon<br />

nennen wir hier sechs:<br />

1. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit<br />

der Veränderung muss klar sein.<br />

2. Angst vor gravierenden negativen Auswirkungen<br />

des Change-Projektes darf in<br />

der Belegschaft nicht vorhanden sein.<br />

3. Es gibt eine Vision und Ziele dafür, wohin<br />

sich die Organisation entwickeln soll.<br />

4. Es gibt eine starke Führungskoalition,<br />

die die Vision auch gegen innerbetriebliche<br />

Widerstände durchsetzt.<br />

5. Es gelingt, schnell wirksame Erfolge<br />

zu generieren.<br />

6. Das Vorhaben ist medial präsent, z.B. durch<br />

Flyer, Poster, Rollups oder elektronische Medien<br />

Bereits die erste genannte Bedingung war zu<br />

Beginn des Projektes weitgehend nicht gegeben.<br />

Die Belegschaft - und in Teilen auch die Führungskräfte<br />

– waren daran gewöhnt, dass mit dem<br />

Argument der Sicherheit nahezu jede Verzögerung<br />

und Kostensteigerung zu rechtfertigen war. Auf<br />

individueller Ebene gab es auch keine starke<br />

Motivation zur Veränderung, weil durch den<br />

Tarifvertrag und diverse Betriebsvereinbarungen<br />

persönliche Nachteile weitgehend ausgeschlossen<br />

waren und sind, was wiederum den zweiten<br />

Aspekt, keine Angst haben zu müssen, sehr gut<br />

erfüllt. Die Voraussetzungen 3 bis 6 galt es, im<br />

Projekt sicherzustellen.<br />

Bedeutung von Beteiligung<br />

Es gibt in der Organisationsentwicklung einen<br />

Zusammenhang zwischen dem Grad der Beteiligung<br />

der von Veränderung betroffenen Menschen<br />

und deren Identifikation 2 mit den Lösungen (siehe<br />

Abbildung 4.)<br />

Abb. 4.<br />

Zusammenhang zwischen Beteilung und Identifikation<br />

Abbildung 4 sagt aus, dass ohne Beteiligung damit<br />

zu rechnen ist, dass eingeleitete Veränderungen<br />

tendenziell bekämpft werden. Das unterste Level<br />

von Beteiligung – die In<strong>for</strong>mation – trägt schon<br />

dazu bei, dass Neuerungen wenigstens erduldet<br />

werden, also nicht aktiv bekämpft. Infomieren<br />

kann und sollte man also immer, wie unangenehm<br />

die Nachrichten auch sein sollten.<br />

Mit Anhörung ist gemeint, dass aktiv die Haltungen<br />

und Meinungen der Betroffenen abgefragt<br />

werden, ohne eine Garantie, dass auch jede Äußerung<br />

in die Lösung einfließt. Tut man dies, so<br />

kann schon mit Unterstützung gerechnet werden.<br />

Werden die Mitarbeitenden in die Entwicklung<br />

oder sogar Entscheidung zukünftiger Lösungen<br />

einbezogen, so steigt die Chance, dass es eine ausreichende<br />

Anzahl von Betroffenen geben wird, die<br />

die Neuerungen auch gegen die Kritik anderer<br />

verfechten.<br />

Klingt einfach: Dann lassen wir doch einfach die<br />

Beschäftigten alles entscheiden, dann haben<br />

wir maximale Akzeptanz. So einfach ist es leider<br />

nicht. Wer kennt nicht das Zitat „Wer einen Teich<br />

austrocknen will, der sollte nicht die Frösche<br />

befragen“?<br />

1 Vgl. Kotter, J. P. (2011): Leading Change, München.<br />

2 Schimweg, R (2008).: Projektmanagement in der IG-Metall, 3. Auflage, Frankfurt am Main<br />

Vol. 69 (2024)


40<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Als nächstes folgten Infoveranstaltungen für alle<br />

AVR-Beschäftigte inkl. Leiharbeitnehmer, wegen<br />

Corona in kleinen Gruppen à 6 – 8 Personen.<br />

Hier gab es die erste Gelegenheit nachzufragen<br />

und zur Bekundung des Interesses, in dem Projekt<br />

mitzuwirken.<br />

Kurz nach den Infoveranstaltungen wurde ein<br />

Wettbewerb zur Findung eines Projektnamens und<br />

-Logos durchgeführt.<br />

Abb. 5.<br />

Projektphasen<br />

Die Balance zwischen maximaler Identifikation<br />

und Erreichung der beabsichtigten Veränderungen<br />

muss hergestellt werden, indem einerseits<br />

Vorgaben gemacht und klar kommuniziert<br />

werden, andererseits gezielt Gestaltungsmöglichkeiten<br />

geschaffen werden, bei denen Beteiligung<br />

bis hin zu Mitentscheidung möglich und<br />

erwünscht ist.<br />

In welchen Projektphasen das wie umgesetzt wurde,<br />

erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.<br />

Der Verlauf des AWiR-Projektes<br />

Der Verlauf des Projektes gliedert sich „klassisch“<br />

in 6 Abschnitte. Die Darstellung als „Achterbahn“<br />

deutet an: Change-Projekte haben Höhen und<br />

Tiefen. Anfängliche Euphorie wird abgelöst durch<br />

Enttäuschung und Resignation, bevor rationale<br />

Einsicht zu echten Veränderungen und akzeptierten<br />

und gut funktionierenden neuen Arbeits weisen<br />

führt. Eine ganz normale Abfolge von guten und<br />

schlechten Phasen im Projekt. Gut zu wissen, dass<br />

das in Change-Projekten immer so ist. Auch wenn<br />

zwischendurch mal Gedanken geäußert werden,<br />

ob es nicht besser wäre alles zu stoppen, ist es<br />

wichtig, weiter zu machen, positive Erlebnisse zu<br />

erzeugen, und (auch sich selbst) klar zu machen:<br />

Das ist unvermeidlich, gut, dass wir dieses Tief<br />

bald hinter uns haben.<br />

Im Folgenden wollen wir darauf eingehen, mit<br />

welchen Methoden der Beteiligungsgedanke in<br />

den unterschiedlichen Ausprägungen umgesetzt<br />

wurde.<br />

Projektstart<br />

Das Projekt begann mit der Konstituierung des Lenkungsausschusses,<br />

bestehend aus Geschäftsführung,<br />

Betriebsrat, Personalleitung, internem und<br />

externem Projektleiter. Hier wurden insbesondere<br />

die Kon kretisierung der Projektziele, die Vereinbarung<br />

der Arbeitsweise und des Projektablaufs festgelegt.<br />

Auf die gesteckten Ziele und deren Erreichung<br />

gehen wir erst am Ende dieses Beitrags ein.<br />

Das Projektteam – Herzstück des gesamten Vorhabens<br />

– wurde gegründet und die erste Sitzung<br />

durchgeführt.<br />

Im Projektteam, das die wesentlichen Entscheidungen<br />

im Projekt getroffen hat, waren neben Projektleitung,<br />

Betriebsrat und Führungskräften aus dem<br />

AVR auch (gewählte) Mitarbeitende aus Betrieb,<br />

Rückbau und Strahlenschutz vertreten. Mit 18 Mitgliedern<br />

war das Projektteam nicht als Arbeitsgremium<br />

konzipiert, sondern als so genannter<br />

„Resonanzkörper“, immerhin fast ein Fünftel der<br />

AVR-Belegschaft war im Projektteam vertreten.<br />

Im anfänglich 14-tägigen, später monatlichen<br />

Rhythmus tagte das Projektteam insgesamt 26 Mal<br />

im Projektverlauf. Hier wurde berichtet, entschieden,<br />

Arbeitsgruppen beauftragt und Ergebnisse<br />

entgegengenommen. Zur Erhöhung der Transparenz<br />

wurden die Protokolle der Projektteam­<br />

Sitzungen im Intranet veröffentlicht. Außerdem<br />

wurden zur Visualisierung des Projektes insgesamt<br />

acht Poster erstellt und in allen Gebäuden auf<br />

dem AVR-Gelände aufgehängt.<br />

Analyse<br />

Zur Erhebung des Ist-Zustands bezogen auf Motivation,<br />

Zukunftsperspektiven, Zusammenarbeit,<br />

Arbeitsabläufe, Führung, Verantwortung, In<strong>for</strong>mation<br />

und Kommunikation wurde eine elektronische,<br />

anonyme Befragung durchgeführt. Das<br />

Design der Befragung wurde vom Projektteam mit<br />

der Unterstützung durch eine Arbeitspsychologin<br />

von MA&T erarbeitet. Nach der Auswertung der<br />

Befragung im Projektteam wurden sechs Arbeitsgruppen<br />

mit der Erarbeitung von Verbesserungen<br />

beauftragt.<br />

Die Themen „Statusgespräche“, „Koordinierungsgespräche“<br />

und „Lagerentnahmen“ sind bewusst<br />

ausgewählt worden, weil hierzu sehr schnell<br />

Verbesserungen umgesetzt werden konnten. Diese<br />

so genannten „Quick Wins“ sind ein wichtiges<br />

Mittel, um auf Befragungen mit positiven Veränderungen<br />

schnell zu reagieren, bevor die ersten<br />

Stimmen sagen: „War doch klar, dass das alles<br />

nichts bringt“.<br />

Abbildung 6 zeigt ein Poster mit den nach der Befragung<br />

beauftragten Arbeitsgruppen.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

41<br />

Abb. 6.<br />

Poster zu den ersten sechs<br />

Arbeitsgruppen<br />

Konzeption und Test<br />

Diese beiden Projektphasen<br />

liefen nicht nacheinander<br />

ab, sondern zu<br />

vielen verschiedenen<br />

Themen wurden insgesamt<br />

zwölf Arbeitsgruppen<br />

vom Projektteam<br />

beauftragt, die jeweils<br />

Soll­ Konzepte erarbeitet,<br />

erprobt, manchmal verworfen<br />

oder verbessert<br />

und letztlich dem Projektteam<br />

oder – bei gravierenden<br />

Entscheidungen<br />

– dem Lenkungsausschuss<br />

zur Entscheidung<br />

vor gelegt haben.<br />

Umsetzung<br />

Viele der umgesetzten Soll-Konzepte betreffen<br />

die Kommunikation und Zusammenarbeit:<br />

Wöchentliche Koordinierungsgespräche zwischen<br />

Demontage, Betrieb und Instandhaltung, tägliche<br />

Kurzbesprechungen zwischen Demontage und<br />

Strahlenschutz und morgendliche Abstimmung<br />

des aktuellen Tages wurden beispielsweise eingeführt,<br />

um einen reibungsloseren Ablauf zu erreichen,<br />

gegenseitiges Unterstützen zu organisieren<br />

und mehr Transparenz über das Geschehen in<br />

der Anlage zu bekommen. Diese Optimierungen<br />

konnten ohne großen Aufwand etabliert werden.<br />

Eine ganz wesentliche Änderung betrifft aber die<br />

grundsätzliche Arbeitsweise: Der Rückbau des<br />

AVR, der selbstverständlich in einzelne Vorhaben<br />

gegliedert ist, wird seit dem AWiR-Projekt in Teilprojekten<br />

organsiert. Jedes Teilprojekt wird von<br />

einem Planer oder einer Planerin geleitet und von<br />

der Vorhabenanzeige bis zum Abschluss verantwortlich<br />

betreut. Zu jedem Teilprojekt sind (sofern<br />

benötigt) Mitarbeitende aus dem Betrieb, der<br />

Instandhaltung, der Demontage und dem Strahlenschutz<br />

fest zugeordnet. Diese projektorientierte<br />

Arbeitsweise ist über Monate in der Arbeitsgruppe<br />

„Zuständigkeiten“ in unterschiedlichen Varianten<br />

erprobt worden. In Kombination mit der optimierten<br />

Regelkommunikation wurde auch das<br />

Organigramm und damit auch Stellenbeschreibungen<br />

und Stellenbewertungen überarbeitet, benötigte<br />

Kapazitäten neu definiert, Qualifizierungs-Pläne<br />

erstellt und mit deren Umsetzung begonnen.<br />

Abschluss<br />

Zum Abschluss des Projektes wurde erneut eine<br />

Befragung der Belegschaft durchgeführt, insbesondere<br />

um eines der gesteckten Ziele bewerten zu<br />

können. Ein Lessons-Learned- Workshop im Projektteam,<br />

eine Abschlussveranstaltung mit allen<br />

AVR-Beschäftigten sowie eine letzte Sitzung des<br />

Lenkungsausschuss bildeten den <strong>for</strong>malen Abschluss<br />

des Projekts, gefolgt von einem gemeinsamen<br />

Grillfest für die gesamte Belegschaft des AVR.<br />

Neue Arbeitsweise und<br />

zukunftsfähiges Organigramm<br />

Neben einer <strong>for</strong>mal nicht sichtbaren Veränderung<br />

des „Mindsets“ der Mitarbeitenden, die in der<br />

täglichen Zusammenarbeit über die ehemaligen<br />

Organisationsgrenzen hinweg spürbar ist, wurde<br />

die Arbeit in Teilprojekten etabliert (siehe Abbildung<br />

7):<br />

Direkt dem Leiter „AVR-Rückbauprojekt“ zugeordnet<br />

sind die „aktiven“ Teilprojekte mit jeweils<br />

einer Teilprojektleitung. Je nach Art, Umfang und<br />

Komplexität gibt es zu jedem dieser Teilprojekte<br />

ein darauf zugeschnittenes Team, dem je nach<br />

Er<strong>for</strong>dernis, notwendigem Knowhow und freien<br />

Kapazitäten, Mitarbeitende aus den verschiedenen<br />

Gruppen und Teams zugeordnet werden.<br />

Die TP-Leitenden sind in der Regel Mitglieder des<br />

Planungsteams, die bis zum Abschluss des Teilprojektes<br />

Verantwortung für das TP übernehmen.<br />

Früher war es so, dass mit der Genehmigung der<br />

Vorhabensanzeige der Job der Planenden abgeschlossen<br />

war und die Umsetzung der Planung<br />

durch Andere erfolgte. Die daraus resultierenden<br />

Effekte haben wir in der Ausgangslage schon<br />

beschrieben.<br />

Es ist durchaus so, dass sowohl die TP-Leitenden als<br />

auch die Mitglieder im TP in der Regel in mehreren<br />

Teilprojekten arbeiten, was die Kom plexität der<br />

Steuerung erhöht. Dafür sind aber innerhalb der<br />

Teilprojekte Schnittstellen weitgehend eliminiert.<br />

Während in Abbildung 7 die Arbeitsweise dargestellt<br />

ist, zeigt Abbildung 8 das neue Organigramm,<br />

das die gewünschte Arbeitsweise möglichst<br />

gut unterstützen soll, aber nicht ohne<br />

Zuordnung von Mitarbeitenden zu Organisationseinheiten<br />

und Führungskräften auskommt.<br />

Zunächst ganz wichtig: Es gibt nur noch eine Abteilung<br />

und auch nur noch einen Abteilungsleiter.<br />

Faktisch war das wegen der Personalunion zwar<br />

schon vorher so, aber das Organigramm teilte sich<br />

eben auch darunter in zwei (mehr oder weniger<br />

stark) konkurrierende Zweige.<br />

Die Teilprojekt-Leitendenden sind disziplinarisch<br />

direkt dem Abteilungsleiter zugeordnet. Neben<br />

dem Abteilungsleiter wird wegen der eben genannten<br />

Komplexität eine weitere Instanz benötigt, die<br />

sich um TP-übergreifende Fragestellungen kümmert:<br />

Der Projektkoordinator. Insbesondere der<br />

Blick auf das gesamte Rückbauprojekt, aber auch<br />

Vol. 69 (2024)


42<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Abb. 7.<br />

neue Arbeitsweise in Teilprojekten<br />

übergeordnete Kapazitäts- und Prioritätensteuerung,<br />

technologische Fragestellungen<br />

Behörden-Kontakte zählen<br />

zu den Aufgaben der Stabstelle, deren<br />

Inhaber zugleich stellvertretender Abteilungsleiter<br />

ist.<br />

Die Gruppe Projektbüro mit dem Team<br />

Warte kümmert sich um die atomrechtlichen<br />

Aspekte der Anlagensicherheit,<br />

das interne und externe Reporting,<br />

Umsetzung der Regelwerke etc. Außerdem<br />

wurden aus dem Warten-Team für<br />

alle sicherheitsrelevanten Einrichtungen<br />

Verantwortliche benannt und qualifiziert.<br />

Damit wurde auch eine Zukunftsperspektive für<br />

die Mitarbeitenden eröffnet, weil die klassischen<br />

Tätigkeiten des Wartenpersonals bereits stark abgenommen<br />

haben und weiter abnehmen werden.<br />

In der Gruppe Ausführung sind die Demontageund<br />

Instandhaltungs-Teams (Mechanik und<br />

Elektro) angesiedelt. Während die Instandhaltung<br />

zuvor dem „Restbetrieb“ zugeordnet war, ist sie<br />

nun näher an der Demontage, weil gegenseitige<br />

Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen<br />

diesen Teams täglich notwendig ist und Instandhaltung<br />

mit <strong>for</strong>tschreitendem Rückbau immer<br />

mehr zu „Rückbauunterstützung“ wird (Bau von<br />

Vorrichtungen, Anpassung von Infrastruktur,<br />

Außer betriebnahmen etc.).<br />

Weiterhin nicht Bestandteil des AVR-Organigramms<br />

sind die praktischen Strahlenschützer,<br />

obwohl gerade in der Zusammenarbeit zwischen<br />

Demonteuren und Strahlenschützern sehr großes<br />

Optimierungspotenzial vorhanden war. Der Strahlenschutz<br />

gehört aus nachvollziehbaren Gründen<br />

zu einer anderen Hauptabteilung. Durch die<br />

fak tische Zusammenarbeit in den Teilprojekten<br />

konnte aber auch hier eine erhebliche Verbesserung<br />

erreicht werden.<br />

Zielerreichung<br />

Zu Beginn des Artikels haben wir ja bereits darauf<br />

verwiesen, dass wir uns dem Thema „Ziele“ erst<br />

am Ende widmen. Das Change-Projekt hatte<br />

zwei übergeordnete Ziele als Vorgabe, bevor es<br />

Abb. 8.<br />

Angepasstes Organigramm<br />

Abb. 9.<br />

Ziele und Zielerreichung<br />

überhaupt im Detail geplant wurde. In Worten ausgedrückt<br />

klang das so:<br />

„Wir möchten gemeinsam mit Führungskräften,<br />

Mitarbeiter*innen und Betriebsrat die Motivation<br />

und Veränderungsbereitschaft der Beschäftigten<br />

erhöhen und Zukunftsperspektiven für die Zeit<br />

nach rückbaubedingtem Wegfall der aktuellen<br />

Aufgaben erarbeiten und vermitteln“<br />

In der Startphase des Projektes wurden diese übergeordneten<br />

Ziele ergänzt durch 5 überprüfbare,<br />

operationalisierte Ziele, deren Erreichen am Projektende<br />

gemessen bzw. vom Projektteam bewertet<br />

wurde (siehe Abbildung 9).<br />

Mit der Erreichung des Ziels „Prozesse werden<br />

akzeptiert, gelebt, umgesetzt und weiterentwickelt“<br />

sind wir überwiegend zufrieden. Indikatoren<br />

sind:<br />

⁃ Es gab praktisch keine ungeplanten Stillstandszeiten<br />

mehr im 2. Halbjahr 2022<br />

⁃ Die Planung Teilprojekte hat sich verbessert<br />

durch strukturierte Teilprojekte mit etablierten<br />

Detailplänen, Zielvorgaben mit Meilensteinen<br />

und Ressourcenplanung und -auslastung<br />

für alle Bereiche<br />

⁃ Nach zum Teil erheblichen Projektverzögerungen<br />

in den Vorjahren gab es im Dezember 2022<br />

keine Verschiebung auf kritischem Pfad<br />

Das zweite Ziel, eine hohe Umsetzungsquote der erarbeiteten<br />

Maßnahmen zu erreichen, ist ebenfalls<br />

gut gelungen. Wir haben dies gemessen anhand<br />

der Handlungspläne, die in allen Arbeitsgruppen<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

43<br />

Abb. 10.<br />

Ein-Punkt-Fragen zur Akzeptanz<br />

Abb. 11.<br />

Auswirkungen auf den Rückbau<br />

und Projektgremien geführt wurden. Am Projektende<br />

gab es in diesen „To-Do-Listen“ knapp unter<br />

1.000 Einzelmaßnahmen, von denen 79% erledigt<br />

und weitere 11% begonnen waren.<br />

Auch die Akzeptanz der gefundenen Lösungen<br />

wurde als überwiegend erfüllt eingeschätzt, hierzu<br />

gab es jedoch keine messbare Kennzahl. In den<br />

Infoveranstaltungen konnten die Anwesenden<br />

aber jeweils auf einer Pinnwand mittels Klebepunkten<br />

Fragen zur Akzeptanz beantworten. Ein<br />

Beispiel für eine solche Frage ist in Abbildung 10<br />

zu sehen.<br />

Mit der Erreichung des Ziels, messbare Verbesserungen<br />

der Zufriedenheit zu erreichen, sind wir<br />

nur mittelmäßig zufrieden. In den beiden Befragungen<br />

zum Beginn und zum Ende des Projektes<br />

sollten die Beschäftigten auf einer sechsstufigen<br />

Skala u.a. die Frage beantworten, wie zufrieden sie<br />

generell mit der Arbeit bei der JEN sind. Hier konnte<br />

nur eine ganz geringe Steigerung der Zufriedenheit<br />

festgestellt werden, die nicht signifikant ist.<br />

Nun zum fünften Ziel „Betrieb, Rückbau und<br />

praktischer Strahlenschutz AVR arbeiten Hand in<br />

Hand“, auf dessen Erfüllung die gesamte AVR-Belegschaft<br />

zurecht stolz sein kann. Als Indikator<br />

haben wir die „Tagesleistung Baggern“ herangezogen,<br />

die wir schon in der Beschreibung der Ausgangslage<br />

verwendet haben, um die Notwendigkeit<br />

des Projektes zu unterstreichen.<br />

Wie in Abbildung 11 dargestellt, ist die durchschnittliche<br />

Tagesleistung von 762 auf 2.932 kg/<br />

Arbeitstag gestiegen. Das liegt auch daran, dass an<br />

einzelnen Tagen nie dagewesene Spitzenwerte<br />

erreicht wurden. Aber insbesondere ist dieser Erfolg<br />

darauf zurückzuführen, dass die geänderte<br />

Arbeits weise zu erheblich weniger Stillständen<br />

(von >60 % auf 20 %) beigetragen hat. Ungeplante<br />

Stillstände sind im 2. Halbjahr 2022 überhaupt<br />

nicht mehr vorgekommen. Damit wird die oben<br />

genannte Planungsgrundlage von 10 Mg/ Woche<br />

(entspricht 2 Mg / Arbeitstag) im betrachteten Zeitraum<br />

deutlich überschritten.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Das Change-Projekt AWiR hat gezeigt, dass mit<br />

einem planvollen Vorgehen, einer klaren Vision,<br />

angemessenen Beteiligungsmöglichkeiten und dem<br />

frühzeitigen und bewussten Erzeugen von Erfolgen<br />

in einem Zeitraum von ca. 2 Jahren eine neue, zukunftsgerichtete<br />

Organisation aufgebaut und umsetzt<br />

werden kann. Wegen der guten Erfahrungen<br />

im Rückbauprojekt AVR hat die JEN im Anschluss<br />

an das AWiR-Projekt direkt das nächste Change-<br />

Projekt gestartet, das sich auf die gesamte Hauptabteilung<br />

Rückbau bezieht und vor allem die<br />

Bündelung der Kompetenzen und Ressourcen für<br />

einen flexibleren und bedarfs gerechteren Einsatz<br />

für die heutigen und zu künftigen Rückbauaufgaben<br />

der JEN in den Blick nimmt.<br />

Autoren<br />

Ralf Schimweg<br />

Geschäftsführender Gesellschafter, MA&T Sell &<br />

Partner GmbH, Würselen<br />

ralf.schimweg@mat-gmbh.de<br />

Ralf Schimweg begann seine berufliche Laufbahn<br />

als Maschinenschlosser 1984 in einem Stahlwerk in<br />

Bremen. Nach dem Maschinenbaustudium promovierte<br />

er 1996 am Institut für In<strong>for</strong>matik im Maschinenbau<br />

der RWTH Aachen zum Dr.-Ing. mit einer<br />

Dissertation im Themenbereich Kraftwerkstechnik.<br />

Seit 1996 ist er bei der privaten Forschungs- und Beratungsfirma MA&T Sell &<br />

Partner GmbH als Geschäftsführer tätig. Dort beschäftigt er sich überwiegend<br />

mit Organisationsentwicklung im produzierenden Gewerbe. Seit 2020 bearbeitet<br />

er gemeinsam mit dem Co-Autor Marco Steinbusch Change-Projekte im<br />

Rückbau kerntechnischer Einrichtungen in Jülich.<br />

Marco Steinbusch<br />

Abteilungsleiter Rückbauprojekt AVR, JEN Jülicher<br />

Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH<br />

marco.steinbusch@jen-juelich.de<br />

Marco Steinbusch begann nach dem Maschinenbaustudium<br />

seine berufliche Laufbahn 2008 als<br />

Projektingenieur bei der Brenk Systemplanung<br />

GmbH und hat dort schwerpunktmäßig Unterlagen<br />

in Genehmigungsverfahren erstellt sowie den<br />

gesamten Prozess zur Freigabe von Gebäudestrukturen<br />

in leitender Funktion begleitet.<br />

Seit 2013 ist er bei der JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen<br />

mbH. Dort ist er seit 2019 Projektleiter und Leiter der Anlage für das AVR-<br />

Rückbauprojekt. In dieser Funktion hat er das Change-Projekt AWiR für das<br />

AVR-Rückbauprojekt initiiert.<br />

Vol. 69 (2024)


44<br />

<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

Verlängerte Zwischenlagerung:<br />

Neues Regelwerk und<br />

Nachweisführung für den<br />

„weiteren Verbleib“<br />

› Prof. Dr. Tobias Leidinger, Düsseldorf<br />

Vom BMUV ist ein „neues Regelwerk“ für eine bis zur Abgabe der Castor-Behälter an<br />

ein Endlager verlängerte Zwischenlagerung angekündigt. Erste Aussagen zu den<br />

Grundlinien dieses Regelwerks deuten darauf hin, dass die An<strong>for</strong>derungen für die<br />

Nachweisführung mit Augenmaß bestimmt werden. Wie indes der bereits – sechs oder acht<br />

Jahre – vor Ablauf der jeweiligen Aufbewahrungsgenehmigung gegenüber der jeweiligen<br />

Landesaufsichtsbehörde zu führende Nachweis für den „weiteren Verbleib“ der Castoren zu<br />

erfüllen ist, ist ungewiss.<br />

I. „Neues Regelwerk“ für eine verlängerte<br />

Zwischenlagerung<br />

Die bislang auf 40 Jahre befristet erteilten Aufbewahrungsgenehmigungen<br />

der 16 Zwischen lager<br />

in Deutschland laufen zwischen 2034 und 2047 aus.<br />

Die für eine verlängerte Zwischenlagerung er<strong>for</strong>derlichen<br />

neuen Genehmigungen nach § 6 AtG<br />

müssen anschließend den An<strong>for</strong>derungen des vom<br />

BMUV für 2025 angekündigten, neu zu erlassenden<br />

Regelwerks für die trockene Zwischenlagerung<br />

entsprechen. Erste, grundlegende Aussagen zum<br />

Inhalt dieses Regelwerks liegen seit September<br />

2023 vor (10. Symposium Lagerung und Transport<br />

radioaktiver Stoffe am 5./6. September 2023 in<br />

Hannover). Danach basiert das neue Regelwerk auf<br />

folgenden Grundannahmen:<br />

⁃ Es gibt keine sicherheitstechnischen Gründe für<br />

die Auslegung der bisherigen Nachweisführung<br />

auf 40 Jahre und die entsprechende Befristung<br />

in den Aufbewahrungsgenehmigungen;<br />

⁃ Die neuen Nachweise – für eine bis rund<br />

80 Jahre zusätzliche Aufbewahrungszeit – sind<br />

auf Basis vorhandener Daten und bereits<br />

initiierter Untersuchungen zu führen; ein<br />

Öffnen der Behälter ist nicht er<strong>for</strong>derlich;<br />

⁃ Es bestehen aus Sicht der Entsorgungskommission<br />

keine begründeten Zweifel an der<br />

Langzeiteignung der bislang verwendeten<br />

Castor­ Behälter;<br />

⁃ Die (neue) Nachweisführung hat aus Sicht der<br />

Entsorgungskommission realistische Randbedingungen<br />

zugrunde zu legen; Über-Konservativitäten<br />

sind abzubauen.<br />

Kurzum: Das neue Regelwerk er<strong>for</strong>dert – auf<br />

Basis der unverändert geltenden Schutzziele (hinsichtlich<br />

der Beschaffenheit der Lagerbehälter,<br />

zur Kritikalitätssicherheit, Wärmeabfuhr und<br />

Abschirmung radioaktiver Strahlung) keine<br />

grundlegenden Änderungen am bisher praktizierten<br />

Vorgehen: Weder bedarf es des Zubaus<br />

„Heißer Zellen“ noch eines „Austausches“ von<br />

Castor­ Behältern. Nach dem neuen Regelwerk<br />

sollen Periodische Sicherheitsüberprüfungen zur<br />

regelmäßigen Überprüfung der Sicherheit der Aufbewahrung<br />

<strong>for</strong>tlaufend durchgeführt werden.<br />

Weitergehend konkretisierte Aussagen zu den<br />

im Einzelnen zu erfüllenden Genehmigungsan<strong>for</strong>derungen<br />

im Rahmen der neuen Verfahren<br />

nach § 6 AtG liegen bislang noch nicht vor.<br />

II. An<strong>for</strong>derungen an die Führung des „Nachweises<br />

zum weiteren Verbleib“: ungewiss<br />

In den bislang befristet erteilten Aufbewahrungsge<br />

nehmigungen nach § 6 AtG ist regelmäßig<br />

durch Nebenbestimmung festgelegt, dass „spätestens“<br />

sechs (z.T. sogar acht) Jahre vor Ablauf der<br />

Ausgabe 1 › Januar


Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

45<br />

behälterbezogenen Aufbewahrungsge neh mi gung<br />

der „Nachweis“ gegenüber der atomrecht lichen<br />

Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes<br />

über den „weiteren Verbleib“ der radioaktiven Abfälle<br />

zu führen ist. Durch diese Festlegung kommt<br />

es zum einen zu einer erheblichen zeit lichen Vorverlagerung<br />

von „Nachweisan<strong>for</strong> derungen“ (1.).<br />

Zum anderen löst diese Regelung beachtliche<br />

Rechts unsicherheit aus, da nicht bestimmt ist, wie<br />

der insoweit er<strong>for</strong>derliche „Nachweis“ zu führen<br />

und wann er als erfüllt zu be werten ist (2.).<br />

1. Vorverlagerung der Nachweisführung<br />

für den „Verbleib der Abfälle“<br />

Läuft eine befristet erteilte § 6 AtG-Genehmigung<br />

z.B. bereits im Jahr 2034 aus und ist nach dem Inhalt<br />

ihrer Nebenbestimmungen mindestens sechs Jahre<br />

zuvor der „Nachweis“ über den „ weiteren Verbleib“<br />

der radioaktiven Abfälle zu führen, wäre diese<br />

Nachweis<strong>for</strong>derung damit – im gewählten Beispielsfall<br />

– schon bis 2028 zu erfüllen. Zu diesem – absehbaren<br />

– Zeitpunkt wird das bis herige Regelwerk<br />

durch das für 2025 neu ange kündigte Regelwerk für<br />

eine verlängerte trockenen Zwischen lagerung<br />

bereits ersetzt sein. Durch die Festsetzung in der<br />

Nebenbestimmung erhöht sich der Druck erheblich:<br />

Neben der Vorbereitung auf das neue Genehmigungsverfahren<br />

für eine ver längerte Zwischenlagerung<br />

i.S.v. § 6 AtG (nach Maßgabe des neuen Regelwerks),<br />

ist eine zweite „An<strong>for</strong>derung“ zu erfüllen,<br />

die dem eigentlichen Genehmigungsverfahren vorausliegt.<br />

Dabei sind die inhaltlichen An<strong>for</strong>de rungen<br />

an die Führung des Nachweises für den „weiteren<br />

Verbleib“ in mehrfacher Hinsicht ungewiss.<br />

2. An<strong>for</strong>derungen an die Nachweisführung<br />

rechtlich unbestimmt<br />

Was genau unter dem „Nachweis über den weiteren<br />

Verbleib“ radioaktiver Abfälle zu verstehen ist,<br />

wirft Fragen auf: Der Begriff „Verbleib“ ist mindestens<br />

mehrdeutig. Zum einen könnte er so verstanden<br />

werden, dass damit allein auf den Ort des<br />

weiteren Verbleibs abzustellen ist. Zum anderen<br />

könnte er so gelesen werden, dass damit eine<br />

inhaltliche An<strong>for</strong>derung hinsichtlich des weiteren<br />

Umgangs mit den Abfällen definiert wird (z.B. i.S.<br />

der Genehmigungsfähigkeit der weiteren Auf bewahrung).<br />

Im Ergebnis sprechen mehrere Gründe<br />

für ein restriktives Verständnis, das überzogene<br />

An<strong>for</strong>derungen von vornherein ausschließt:<br />

Dass es sich hier nicht um eine Nachweisführung<br />

im genehmigungsrechtlichen Sinne handeln kann,<br />

folgt schon daraus, dass dieser Nachweis nicht in<br />

einem förmlichen Genehmigungsverfahren gegenüber<br />

der Genehmigungsbehörde (BASE), sondern<br />

allein gegenüber der jeweiligen Landesaufsichtsbehörde<br />

zu führen ist. Die Aufsichtsbehörde<br />

ist in ihrem Kompetenzbereich allein auf Überwachungs<br />

aufgaben begrenzt, d.h. sie darf nicht in<br />

den Kompetenzkreis der originär für die Erteilung<br />

von § 6 AtG-Genehmigungen allein zuständigen<br />

Genehmigungsbehörde eingreifen. Aufsichts- und<br />

Genehmigungssachverhalte dürfen auch inhaltlich<br />

nicht gleichgesetzt werden: Der „Verbleibs-<br />

Nachweis“ aus einer Nebenbestimmung darf<br />

nicht in das An<strong>for</strong>derungsprofil einer § 6 AtG­<br />

Genehmigung umgedeutet werden. Die Erteilung<br />

einer § 6 AtG-Genehmigung er<strong>for</strong>dert, dass zu<br />

sämt lichen Tatbestandsvoraussetzungen Nachweise<br />

in einem <strong>for</strong>malisierten Verfahren im Einzelnen<br />

geführt und final geprüft werden. Für eine<br />

Gleichsetzung der Inhalte einer Nebenbestimmung<br />

mit einem solchen An<strong>for</strong>derungsprofil fehlt<br />

jegliche Rechtsgrundlage, insbesondere auch in<br />

Bezug auf den anzulegenden Prüfmaßstab. Denn<br />

ein festliegender Beurteilungsmaßstab oder ein<br />

„Regel werk“ in Bezug auf den „Verbleibsnachweis“<br />

existiert (bislang jedenfalls) nicht. Damit obliegt<br />

es der jeweiligen Landesaufsichtsbehörde festzustellen,<br />

ob die Nebenbestimmung als erfüllt<br />

anzusehen ist oder nicht. Dabei darf der Prüfmaßstab<br />

unter Berücksichtigung der be schränkten<br />

Bestimmtheit der Nebenbestimmung (besser:<br />

Kon turenlosigkeit) und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit<br />

keinesfalls überzogen werden. Die<br />

Kontrollmaßstäbe für die Nachweisführung in<br />

Bezug auf den „weiteren Verbleib“ und die später<br />

zu erteilende § 6 AtG-Genehmigung für eine verlängerte<br />

Zwischenlagerung sind weder identisch,<br />

noch dürfen sie miteinander verknüpft werden.<br />

Angesichts der Konturenlosigkeit des Inhalts der<br />

Nebenbestimmung löst sie beachtliche Rechtsunsicherheit<br />

aus:<br />

Zu erwarten ist, dass sich die Vollzugspraxis<br />

von sieben verschiedenen Landesbehörden kaum<br />

einheitlich darstellt, solange für die Auslegung<br />

und Anwendung dieser Nebenbestimmung ein<br />

kon kreter Maßstab fehlt. Eine rechtlich einwandfreie<br />

Verwaltungspraxis er<strong>for</strong>dert indes einen<br />

ein deutigen und einheitlichen Prüfmaßstab,<br />

der für alle Beteiligten im Vorhinein bekannt ist.<br />

Da die Aufsichtsbehörden der Länder im Atomrecht<br />

im Auftrag des Bundes handeln, unterliegen<br />

sie hinsichtlich der Gesetz- und Zweckmäßigkeit<br />

ihres Handelns seiner Aufsicht und seinen<br />

Weisungen (Art. 85 Abs 3 GG). Der Bund hätte die<br />

Vol. 69 (2024)


46<br />

<br />

Spotlight on <strong>Nuclear</strong> Law<br />

Möglichkeit, einen einheitlichen Prüfmaßstab für<br />

den „Verbleibs­ Nachweis“ von sich aus zu definieren<br />

(z.B. in Form von Verwaltungsvorschriften).<br />

Ergo: Angesichts der Bedeutung der Thematik sollten<br />

die An<strong>for</strong>derungen an den „Verbleibsnachweis“<br />

und die damit verbundene Rechtsunsicherheit<br />

nicht einfach sich selbst überlassen bleiben, sondern<br />

im Interesse einer vorhersehbaren Vollzugspraxis<br />

– das heißt alsbald – klar geregelt sein.<br />

Autor<br />

Prof. Dr. Tobias Leidinger<br />

Rechtsanwalt und Fachanwalt<br />

für Verwaltungsrecht<br />

Partner<br />

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft<br />

Graf-Adolf-Platz 15<br />

40213 Düsseldorf<br />

tobias.leidinger@luther-lawfirm.com<br />

III. Fazit<br />

Die jüngst erfolgte Ankündigung zum baldigen<br />

Erlass des für eine verlängerte Zwischenlagerung<br />

er<strong>for</strong>derlichen „Neuen Regelwerks“ lässt inhaltlich<br />

keine grundlegenden Änderungen erwarten. Denn<br />

das Konzept der „trockenen Zwischenlagerung“ in<br />

Deutschland hat sich bewährt. Zu begrüßen ist<br />

auch, dass neue Regelungen mit Augenmaß getroffen<br />

werden.<br />

Prof. Dr. Tobias Leidinger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht,<br />

ist Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Vor dem Hintergrund<br />

seiner langjährigen Beratungstätigkeit in der Industrie und besonderen<br />

Projekt- und Rechtsexpertise berät er private und öffentliche Unternehmen im<br />

Öffentlichen Wirtschaftsrecht (einschl. Projektsteuerung), insbes. im Atomund<br />

Strahlenschutzrecht sowie im Anlagen-, Umwelt-, Bau- und Planungsrecht<br />

(Rückbau von Nuklearanlagen, Errichtung und Genehmigung von nuklearen<br />

Lagereinrichtungen, komplexe Infrastrukturvorhaben, etc.). Er ist zugleich<br />

Direktor am Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum<br />

und als Fachbuchautor ausgewiesen (u.a. Buch-Veröffentlichungen zum Atomrecht,<br />

Energieanlagenrecht, Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung, etc.).<br />

In Bezug auf die aus den Nebenbestimmungen der<br />

bislang bestehenden § 6 AtG-Genehmigungen<br />

resultierenden An<strong>for</strong>derungen für den „Nachweis“<br />

des „weiteren Verbleibs“ der Abfälle nach<br />

Auslaufen der jeweiligen Genehmigung, besteht<br />

indes – mangels hinreichender Bestimmtheit<br />

dieser Regelung – Rechtsunsicherheit. Eine Gleichsetzung<br />

oder „Vermischung“ der zu erfüllenden<br />

„Nachweise“ zum „weiteren Verbleib“ im Verhältnis<br />

zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach<br />

§ 6 AtG (nach Maßgabe des neuen Regelwerks) ist<br />

unzulässig. Die Landesaufsichtsbehörden sind<br />

weder zuständig noch befugt, Genehmigungsvoraussetzungen<br />

i.S.v. § 6 AtG zu prüfen, noch<br />

kann ihre „Prüfung zum Verbleib“ Rechtswirkungen<br />

einer späteren Neugenehmigung ersetzen<br />

oder vorwegnehmen. Im Interesse aller<br />

Beteiligten läge es, wenn für den „Verbleibsnachweis“<br />

i.S. der Nebenbestimmungen ein klarer<br />

Prüfmaßstab transparent im Vorhinein bestimmt<br />

wäre: Das beseitigt die Rechtsunsicherheit und<br />

gewährleistet eine einheitliche Verwaltungspraxis<br />

der Länderaufsichtsbehörden im Vollzug.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Education and Training<br />

47<br />

Das neue Multilevel- Lernkonzept<br />

in der Kerntechnik: eine innovative<br />

Lösung für den Wissenstransfer<br />

in der Generation Z<br />

› Dr. Hendrik Wiesel<br />

Der Einstieg von immer mehr Neuankömmlingen in die Kerntechnik stellt Unternehmen<br />

vor die Heraus<strong>for</strong>derung, diese Mitarbeitenden schnell und sicher einzuarbeiten.<br />

Von besonderer Relevanz ist dies bei der heutigen Generation Z (Abbildung 1), die<br />

mit anderen Lernpräferenzen und Erwartungen an Lernmethoden in die Arbeitswelt eintritt.<br />

Traditionelle Lehrmethoden erfüllen nicht mehr ihre Bedürfnisse, was durch wissenschaftliche<br />

(Cilliers 2017)<br />

Erkenntnisse belegt ist.<br />

Ein speziell auf die An<strong>for</strong>derungen der Gene ration Z zugeschnittenes Lernkonzept, der<br />

Competence.hub für Neulinge in der Kerntechnik, wurde von der Advanced <strong>Nuclear</strong> Fuels<br />

entwickelt und wird im Folgenden vorgestellt.<br />

Abb. 1.<br />

Generationsübersicht unserer Gesellschaft.<br />

Vol. 69 (2024)


48<br />

<br />

Education and Training<br />

Die Heraus<strong>for</strong>derung des Wissenstransfers<br />

in der Kerntechnik<br />

Mit der steigenden Anzahl an neuen Mitarbeitenden<br />

in der Kerntechnik wird gleichzeitig in<br />

wenigen Jahren ein Großteil der Kompetenzträger<br />

in den Ruhestand treten. Dieser gegenläufige Effekt<br />

macht deutlich, wie wichtig es ist, eine gute Strategie<br />

im Hinblick auf den Wissenstransfer zu haben,<br />

da die Zeit für den Transfer endlich und irreversible<br />

ist. Die Not ist also groß, den Übergang so<br />

zu gestalten, dass er nachhaltig und effizient ist,<br />

damit die Kernkompetenzen (Company Value) bestmöglich<br />

erhalten und weitergegeben werden.<br />

Folgende Trans<strong>for</strong>mationsaspekte erschienen uns<br />

wichtig und wurden näher betrachtet:<br />

Generation Z: Die Bedürfnisse, hinsichtlich der<br />

Art der Lernumgebung, unterscheidet sich heute<br />

grundlegend von den bisherigen Lernmethoden<br />

vorheriger Generationen (X & Y). Wo große Seminarräume<br />

in noblen Hotels unterschwellig noch als<br />

Statussymbol galten und ein 8-stündiges Seminar<br />

mit Frontalunterricht und unzähligen Folien alternativlos<br />

waren, sind heute digitale On-Demand<br />

Medien, interaktive Methoden und soziale Elemente<br />

angesagt. Dabei haben zweifelsfrei die sozialen<br />

Medien wie Facebook, Instagram und TikTok Einfluss<br />

auf die Aufmerksamkeitspanne genommen<br />

(Nicholas 2020). Waren es früher noch lange Vorträge<br />

oder Seminarreihen, Spielfilme in Überlänge<br />

oder Romane mit mehreren hundert Seiten, so sind<br />

es heute Mini-Serien, YouTube-Tutorials und digitale<br />

Master-Classes – online versteht sich. Schon<br />

hier sieht man die Diskrepanz zwischen den Generationen<br />

bzw. den Methoden wie Wissen vermittelt<br />

wurde bzw. wird. Unternehmen tun gut daran<br />

eine Methode zu entwickeln, die die Empfänger<br />

(GenZ) akzeptieren und konsumieren möchten.<br />

Eine „ unattraktive“ Methode Wissen zu transferieren,<br />

führt bei der Generation Z häufig nicht zum<br />

gewünschten Erfolg. Selbstverständlich sind nicht<br />

alle Mitglieder der Generation Z gleich und es gibt<br />

individuelle Unterschiede in der Nutzung digitaler<br />

Medien. Dennoch ist die grundsätzliche Affinität<br />

zu digitalen Medien bei der Generation Z deutlich<br />

erkennbar. Ein akzeptierter Trend zurück zum<br />

analogen Frontalunterricht mit monologen Vortragstechniken<br />

ist daher nicht zu erwarten.<br />

Die folgende Abbildung (Ab bildung 2) zeigt Unterschiede<br />

beider Generationen (X, Z) hinsichtlich der<br />

gewohnten Lernmethoden. Diese Unterschiede machen<br />

schnell deutlich, welche Veränderungen in<br />

der Lernumgebung in den letzten Jahrzehnten eingetreten<br />

sind.<br />

Digitalisierung: Die Generation Z ist mit digitalen<br />

Technologien aufgewachsen und nutzt diese intensiv<br />

für das Lernen. Spätestens Corona hat der analogen<br />

Wissensvermittlung in Sachen digitaler<br />

Kommunikation, Kollaboration und Vermittlung<br />

von Wissen an Rang abgelaufen. Die heutige Generation<br />

bevorzugt den Zugriff auf In<strong>for</strong>mationen<br />

über Online-Platt<strong>for</strong>men, Websites, E-Books/<br />

(Grous 2022)<br />

Videos und andere digitale Ressourcen.<br />

Da kerntechnisches Wissen komplex und vielfältig<br />

ist, werden aufgrund der Fülle an In<strong>for</strong>mationen<br />

kurze und prägnante Lerninhalte bevorzugt. Die<br />

Tendenz geht dahin, dass In<strong>for</strong>mationen in kurzen<br />

Lerneinheiten aufgenommen werden, zum Beispiel<br />

in Form von E-Learning Videos, Podcasts,<br />

Infografiken oder zusammengefassten Kurztexten;<br />

neudeutsch: Nugget-Learning.<br />

Flexibilität und On-Demand-Zugang: Flexibilität<br />

und die Möglichkeit, jederzeit und überall zu<br />

Arbeiten und dabei auf Lerninhalte zurückgreifen<br />

zu können, hat einen hohen Wert. (Grous 2022) Wa r u m?<br />

Weil bei On-Demand-Lernangeboten jeder sein<br />

eigenes Tempo und Intensität bestimmen und<br />

Inhalte wiederholen kann. Diese Form erhöht die<br />

Aufnahme von Wissen und schafft gleichzeitig ein<br />

tieferes Verständnis für die Materie. Gerade in der<br />

Abb. 2.<br />

Unterschiedliche Lernmethoden der Generationen X & Z.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Education and Training<br />

49<br />

Kerntechnik mit Blick auf nukleare Sicherheit kein<br />

zu unterschätzender Punkt. Aber nicht nur die<br />

Teilnehmenden schätzen dieses Format, auch für<br />

Unternehmen hat sie große Vorteile: Wissen kann<br />

zu geringen Kosten beliebig skaliert und verbreitet<br />

werden, da die aufgenommenen Inhalte immer<br />

wieder abrufbar sind. Wir befinden uns derzeit in<br />

einer Trans<strong>for</strong>mationsphase weg vom synchronen<br />

Lernen (alle Teilnehmenden sind physisch zur<br />

selben Zeit am selben Ort) hin zum asynchronen<br />

Lernen, in dem jeder individuell das Wissen konsumiert,<br />

unabhängig von Ort und Zeit.<br />

Wissenstransfer: Die ältere Generation in der<br />

Kerntechnik verfügt über wertvolle Erfahrungen,<br />

welche in vielen Fällen nicht <strong>for</strong>mal dokumentiert<br />

werden können. Idealerweise sind Kollegen bereit,<br />

ihren Fundus weiterzugeben. Das Verschriftlichen<br />

oder Festhalten gestaltet sich jedoch häufig als<br />

schwierig, da Zeit, Wille oder Standards ( Templates)<br />

fehlen. Häufig findet man ein Sammelsurium aus<br />

Dokumenten, Notizen, Tabellen und <strong>Power</strong>Point<br />

Folien vor. Für den Kompetenzträger ist das Puzzle<br />

glockenklar, für den Nachfolger eine Heraus<strong>for</strong>derung<br />

– mit unterschiedlich ausgeprägter<br />

Motivation das Puzzle auch lösen zu wollen. Aus<br />

psychologischer Sicht gibt es sogar Gründe, warum<br />

Menschen dazu neigen, das Wissen für sich zu<br />

behalten. Das reicht von Machtgedanken über<br />

Statuserhalt bis hin zur fehlenden Anerkennung.<br />

Der Wissenstransfer sollte so<br />

(Garfield 2006)<br />

gestaltet sein, dass dieses implizite Wissen erfasst<br />

und in einer für die jüngere Generation zugänglichen<br />

Form vermittelt wird. Hier zeigt sich das<br />

Format der Podcasts als wertvolle Methode, da<br />

in diesem Format eine Art Bühne geschaffen wird,<br />

in der die Person wertschätzend als Experte<br />

befragt und gezeigt wird. Der Kompetenzträger<br />

zeigt sein ganzes Können in einer lockeren<br />

Atmosphäre und wird nachhaltig als Experte in<br />

Erinnerung bleiben.<br />

Gamification: Jeder Mensch wächst im Kindesalter<br />

mit Spielen auf. Erziehung und Systeme verdrängen<br />

diese Anfangserfahrung (leider) mit der<br />

Zeit. Nichtsdestotrotz ist der Wunsch zu Spielen<br />

intrinsisch manifestiert. Wissen spielerisch zu<br />

vermitteln ist also eine bekannte und gleichzeitig<br />

wirkungsvolle Methode, weil sie den Lernprozess<br />

motivierender, unterhaltsamer und effektiver gestalten<br />

kann. (Saxena et al. 2021) Durch den Einsatz von<br />

spielerischen Elementen wie z. B. Punkten, Levels,<br />

Belohnungen und Heraus<strong>for</strong>derungen wird die<br />

Motivation - bedingt durch eine wiederkehrende<br />

Dopamin-Ausschüttung – der Lernenden signifikant<br />

gesteigert. Spielelemente können zudem<br />

einen Wettbewerbsgedanken wecken und Anreize<br />

schaffen, Fortschritte zu machen und Ziele zu<br />

erreichen. Dies erhöht das Engagement und die<br />

Ausdauer der Lernenden wie Studien zeigen.<br />

Gruppenlernen: Gemeinschaftliches problemlösendes<br />

Lernen vermittelt Zugehörigkeit und<br />

Sicher heit. Die Generation Z ist sehr gut sozial vernetzt<br />

und legt großen Wert auf Zusammenarbeit<br />

(Nicholas 2020)<br />

und Austausch. Sie bevorzugen Lernumgebungen,<br />

die es ihnen ermöglichen, mit<br />

anderen zu interagieren; sei es durch Online­<br />

Diskus sions<strong>for</strong>en, Gruppenprojekte oder gemeinsames<br />

Lernen in virtuellen Räumen. (Ulrich 2020) Nicht<br />

umsonst haben alle großen Marken wie Apple,<br />

Nike, Fender oder Peleton große Abonnement­<br />

Angebote für digitale Kursräume, in welchen<br />

gemeinsam trainiert wird – online versteht sich.<br />

Ein erfolgreicher Wissenstransfer in der Kerntechnik<br />

er<strong>for</strong>dert also eine strategische Herangehensweise,<br />

die die Bedürfnisse und Präferenzen<br />

der jüngeren Generation berücksichtigt, während<br />

sie gleichzeitig von der Erfahrung und dem Wissen<br />

der älteren Generation profitiert. Durch den<br />

Einsatz moderner digitaler Technologien und die<br />

Förderung von Kooperationen haben wir festgestellt,<br />

dass auch der Wissenstransfer in der<br />

Nukleartechnik erfolgreich und nachhaltig sein<br />

kann.<br />

Wie wird das Wissen an die Generation Z<br />

vermittelt?<br />

Auf einer modernen digitalen Lernplatt<strong>for</strong>m<br />

vermitteln Experten aus den Fachabteilungen und<br />

aus unterschiedlichen Unternehmen ihr Wissen<br />

in Form von E-Learning Videos, Podcasts und Animationsfilmen<br />

(#Digitalisierung). Dabei wurde<br />

die Aufmerksamkeitsspanne je nach Medienart<br />

( Videos kürzer, Podcasts länger) berücksichtigt<br />

und angepasst (#GenerationZ).<br />

Durch den Mix der verschiedenen Medienarten<br />

wie Video, Podcast etc. stellen wir sicher, dass<br />

genügend Abwechslung in der Digitalisierung<br />

vorhanden ist, und die Teilnehmenden unterhalten<br />

werden (#Entertainment). Des Weiteren haben<br />

wir mehrere Wissensquizze eingebaut, um das<br />

Erlernte auch abzurufen. Teilnehmende können<br />

zusätzlich während des Kurses Punkte sammeln<br />

und gegen andere Teilnehmende antreten. Der<br />

Sieger bekommt am Endes des Kurses einen Preis<br />

verliehen (#Gamification).<br />

Alle Inhalte auf der digitalen Lernplatt<strong>for</strong>m sind<br />

On-Demand; sprich jederzeit, von überall und von<br />

jedem Endgerät aus abrufbar (#Flexibilität). Des<br />

Vol. 69 (2024)


50<br />

<br />

Education and Training<br />

Weiteren bleiben alle Inhalte für weitere 6 Monate<br />

abrufbar, was dem Reverse-Learning Anspruch<br />

der Generation Z nachkommt, Probleme erst dann<br />

verstehen und lösen zu wollen, wenn Sie tatsächlich<br />

auftreten.<br />

Zusätzlich werden wöchentlich Online-Treffen<br />

angeboten, in dem die Teilnehmenden ihre individuellen<br />

und persönlichen Fragen an Experten<br />

aus der Branche stellen können (#Gruppen lernen).<br />

Sie lernen Branchenexperten, deren Erlebnisse und<br />

Erfahrungen direkt kennen (#Wissenstransfer).<br />

Die Summe der Einzelkomponenten machen die<br />

Trainings attraktiv und gleichzeitig effektiv, so das<br />

Feedback der teilnehmenden Unternehmen. Für<br />

sie ist das Training deshalb interessant, weil jeder<br />

neue Mitarbeitende einfach und kostengünstig in<br />

die Kerntechnik eingeführt wird, ohne das der<br />

Arbeitsplatz verlassen werden muss. Von Anfang<br />

an wird dabei auch ein Fokus auf die nukleare<br />

Sicherheit gelegt, was das Unfallrisiko reduziert<br />

und die Effizienz erhöht. Es ist ein Weg, Wissen<br />

sicher und attraktiv zu transportieren, ohne<br />

großen Aufwand für die Führungskräfte. Das<br />

Unter nehmen präsentiert sich zudem als modern<br />

und kann das Onboarding guten Gewissens in<br />

kompetente Hände geben.<br />

Quellen<br />

Cilliers 2017: Cilliers, E., J. (2017). “The Challenge of Teaching Generation Z”.<br />

PEOPLE: <strong>International</strong> <strong>Journal</strong> of Social Sciences, 3(1), 188 –198.<br />

Garfield 2006: Garfield, S. (2006); “10 reasons why people don’t share their<br />

knowledge”; Knowledge Management Review, Page 10 –11.<br />

Grous 2022: Grous, Alexander (2022); “Digitalisation in the new normal:<br />

Empowering Generation Z and Millennials to Deliver Change”, <strong>Journal</strong> of<br />

London School of Economics and Political Science, Pape 70.<br />

Nicholas 2020: Nicholas, Arlene J. (2020), „Preferred Learning Methods of<br />

Generation Z“, Faculty and Staff – Articles & Papers. 74.<br />

Saxena et al. 2021: Saxena, M., Dharmesh K. M. (2021); „Gamification and<br />

Gen Z in Higher Education: A Systematic Review of Literature.“ <strong>International</strong><br />

<strong>Journal</strong> of In<strong>for</strong>mation and Communication Technology Education; Vol.17,<br />

No.4.<br />

Ulrich 2020: Ulrich, I. (2020); „Gute Lehre in der Hochschule“, 2. Auflage,<br />

Springer Verlag.<br />

Autor<br />

Dr. Hendrik Wiesel<br />

Leiter Competence.hub<br />

Advanced <strong>Nuclear</strong> Fuels GmbH, Lingen<br />

hendrik.wiesel@framatome.com<br />

Dr. Hendrik Wiesel studierte an der Universität zu<br />

Köln Chemie und promovierte anschließend im<br />

Fachbereich Nuklearchemie. Seit 2013 ist er bei<br />

der Advanced <strong>Nuclear</strong> Fuels GmbH und leitet heute<br />

das Competence.hub – für nukleare Trainings. Der<br />

Fokus des Competence.hubs liegt auf der Wissensund<br />

Kompetenzvermittlung nach modernsten<br />

Lehrmethoden.<br />

Auf der anderen Seite können sich die Teilnehmenden<br />

über einen schnellen und digitalen<br />

Onboarding kurs namens „Neu in der Kern technik“<br />

freuen, erlangen Selbstsicherheit und verstehen<br />

Zusammenhänge und erlernen die Fachsprache.<br />

Sie bleiben motiviert und mit Spaß bei der Sache.<br />

In Zeiten von Fachkräftemangel, ein durchaus<br />

wichtiger Faktor für Unternehmen.<br />

Wir glauben, dass sich die Zukunft des Lernens<br />

innerhalb der Kerntechnik verändern wird und<br />

muss. Lernen macht Spaß, wenn der Rahmen<br />

stimmt.<br />

Der competence.hub<br />

Nukleare Exzellenz aus Deutschland.<br />

competencehub.de<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

51<br />

Quecksilber & Kerntechnik<br />

– eine Geschichte ohne Ende?<br />

› Dr. Daniela Speicher<br />

Aufgrund seiner faszinierenden Eigenschaften ist das Element Quecksilber schon seit<br />

der Antike bekannt. Es findet bereits in den frühen Werken von Aristoteles oder<br />

Paracelsus als „Wassersilber“ Erwähnung und wurde, mit Beginn des 16. Jahrhunderts,<br />

wirtschaftlich zunehmend bedeutsamer. Neben seiner Verwendung als „Heilmittel“, gewann<br />

es seit der Industrialisierung zunehmend an Bedeutung, z. B. im Amalgamverfahren zur<br />

Herstellung von Natriumhydroxid und Chlorgas. <br />

Mit der Verwendung in Thermometern oder Dampflampen erweiterte sich später das<br />

Anwendungsspektrum des Elements, Damit fand es Einzug in viele Industrie- und<br />

Lebensbereiche bis hin zur kerntechnischen Branche. Dort verweilt es nun bis – nun ja, bis<br />

wann eigentlich und warum?<br />

Den Lehren aus dem „Clementine“-Experiment<br />

können wir heute wohl verdanken, dass die kerntechnische<br />

Branche sich im Rahmen des Rückbaus<br />

mit nur verhältnismäßig geringen Mengen des<br />

Quecksilbers konfrontiert sieht, welcher zunehmend<br />

als „Problemreststoff“ klassifiziert wird.<br />

Doch woher kommt der schlechte Ruf des Quecksilbers,<br />

vor allem in der Kerntechnik?<br />

Abb. 1.<br />

Quecksilber<br />

Quecksilber in Los Alamos<br />

Der experimentelle Schnelle Brüter in Los Alamos,<br />

New Mexico, wurde unter dem Namen „ Clementine“<br />

bekannt. Gebaut 1946, mit einer Auslegung für<br />

25 kW, wurde der Reaktor noch im selben Jahr erstmals<br />

kritisch und gilt als einer der ersten stromerzeugenden<br />

Reaktoren der Welt. 1952 folgte die<br />

Stilllegung, da Brüche in den Brennstabhüllen zu<br />

einer Kontamination des Primärkreislaufes mit<br />

Plutonium führten. Als seine, retrospektive Besonderheit<br />

galt die Verwendung von Quecksilber<br />

als Kühlmittel mit einer Flussrate von 9 l/min.<br />

Über den Rückbau des Reaktors und vor allem über<br />

den Umgang mit dem Plutonium-kontaminierten<br />

Quecksilber ist nichts bekannt. Wohl aber war die<br />

Quintessenz des Experiments, dass Quecksilber<br />

sich aufgrund seiner schlechten Wärmeleitfähigkeit<br />

nicht als Kühlmittel für Kernreaktoren eignet.<br />

Hier stellten sich im Laufe der Zeit andere Metalle<br />

wie z. B. Natrium als geeigneter heraus.<br />

Der Wandel zum Problemreststoff<br />

Wie bereits erwähnt, wurde Quecksilber früher in<br />

vielen Bereichen genutzt, wobei die Verwendungszwecke<br />

immer auf die besonderen Eigenschaften<br />

des Quecksilbers zurückzuführen sind. Als Nebengruppenelement<br />

gehört es zu den Metallen und<br />

liegt aufgrund seiner speziellen Elektronenkonfiguration<br />

bei Raumtemperatur als Flüssigkeit vor.<br />

Manch einer beschreibt es in der Handhabung als<br />

„Flüssiger als Wasser“, was zusätzliche An<strong>for</strong>derungen<br />

an den arbeitstäglichen Umgang stellt, z. B.<br />

die Nutzung von Auffangwannen und die so<strong>for</strong>tige<br />

Aufnahme verschütteter Mengen. Obwohl es<br />

metallisch ist, ist es ein vergleichsweise schlechter<br />

Wärmeleiter. Eine sehr hohe Dichte (13,5 g/cm³)<br />

und ein relativ temperaturunabhängiger Wärmeausdehnungskoeffizient<br />

komplettieren die außergewöhnlichen<br />

physikalischen Eigenschaften des<br />

Quecksilbers. Im Umgang mit dem Element kommen<br />

vor allem seine hohe Oberflächenspannung,<br />

der sehr geringe Dampfdruck und seine Toxizität<br />

(CMR Kategorie IB) zum Tragen (Abbildung 2).<br />

Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften<br />

wird Quecksilber auf vielfältige Weise in der<br />

Vol. 69 (2024)


52<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Abb. 2.<br />

Gefahrstoff Quecksilber<br />

Kerntechnik eingesetzt: zahlreiche Quecksilberschalter,<br />

Quecksilber-gefüllte Manometer, mit<br />

Quecksilber ausgegossene Manipulatordichtungen<br />

oder Quecksilber-gefüllte Abschirmungen für<br />

Gammadetektoren oder Spallationstargets.<br />

Mehrere Umweltkatastrophen des 20. Jahrhunderts<br />

rüttelten jedoch am Image des Quecksilbers und<br />

mündeten in der Minamata-Konvention von 2013,<br />

welches von 135 Staaten ratifiziert wurde. Bedingt<br />

durch das übergeordnete Ziel, der Verringerung<br />

der Quecksilber-Emissionen und dem Schutz<br />

von Mensch und Umwelt, galt dieses Übereinkommen<br />

auch als das Aus für die weitere Produktion,<br />

Verwendung und unspezifische Lagerung<br />

dieses Stoffes. Die Konvention legte quasi den<br />

Grundstein für die Klassifizierung des Quecksilbers<br />

als Problemreststoff. Die Entsorgung<br />

war somit beschlossene Sache, unabhängig des<br />

Anwendungsbereichs.<br />

Sackgasse Entsorgung<br />

Die Entsorgung von Gefahrstoffen ist in Deutschland<br />

vielfältig geregelt: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />

(KrWG), die Abfallverzeichnis-Verordnung<br />

(AVV) und die Gewerbeabfallverordnung<br />

( GewAbfV) um nur einige der Texte zu nennen. Für<br />

Quecksilber finden sich vor allem in der Deponieverordnung<br />

(DepV) eindeutige Vorgaben.<br />

Da kerntechnische Anlagen allerdings im Aufsichtsbereich<br />

des Atom- bzw. Strahlenschutz rechts<br />

liegen, sind die zuvor genannten Gesetze und<br />

Verordnungen nur bedingt relevant. Zwar muss<br />

auch hier prinzipiell jede Gefährdung von Mensch<br />

und Umwelt ausgeschlossen werden, doch stehen<br />

zunächst einmal nur zwei Entsorgungswege zur<br />

Wahl: Die Endlagerung als radioaktiver Abfall<br />

oder die Entlassung aus der atom- oder strahlenschutzrechtlichen<br />

Aufsicht, die Freigabe.<br />

Betrachten wir zunächst die Endlagerung als<br />

radioaktiver Abfall. Da Quecksilberabfälle aufgrund<br />

ihrer ehemaligen Anwendungsbereiche<br />

glücklicherweise nicht zu den hochradioaktiven<br />

Abfällen (HAW) zählen, würde deren Entsorgung<br />

über die (zukünftigen) LAW-/MAW-Endlager<br />

laufen. Im Grunde stellen diese Langzeitlager für<br />

radioaktive Abfälle ebenfalls Deponien dar. Die<br />

gesonderten Vorgaben, die Endlagerbedingungen,<br />

hier vollständig aufzuzählen, würde an dieser<br />

Stelle zu weit führen. Zwei Grundan<strong>for</strong>derungen<br />

sollten dennoch genannt werden: Abfallprodukte<br />

müssen in fester Form vorliegen. Sie dürfen keine<br />

Flüssigkeiten oder Gase enthalten, abgesehen von<br />

nicht vermeidbaren Restgehalten. Wie bereits<br />

oben erwähnt, ist Quecksilber bei Normalbedingungen<br />

flüssig und weist darüber hinaus<br />

einen niedrigen Dampfdruck auf. Es bildet bei<br />

Raumtemperatur Quecksilberdämpfe. Gemäß CLP-<br />

Verordnung (EG 1272/2008) wurde es nicht nur als<br />

reproduktionstoxisch, sondern auch als stark<br />

wassergefährdend eingestuft, was sich nicht mit<br />

der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis z. B.<br />

des Endlager Konrads in Einklang bringen lässt.<br />

Folglich wurde die Gesamtmenge für flüssiges<br />

Quecksilber für Salzgitter auf nur 43,7 kg (3,2 Liter)<br />

reglementiert. Zum Vergleich: Das entspricht<br />

nicht einmal der einfachen Kühlmittelmenge des<br />

„Clementine“-Reaktors.<br />

Allerdings könnte Quecksilber in einer chemisch<br />

stabilen und relativ ungefährlichen Form endgelagert<br />

werden. Zinnober(rot) ist manchen<br />

möglicherweise aus dem Wasserfarbkasten im<br />

Schulunterricht bekannt. Doch die Farbe des<br />

Zinnobers, welches korrekterweise als Cinnabarit<br />

(Abbildung 3) bezeichnet wird, rührt von der<br />

chemischen Verbindung aus Quecksilber und<br />

Schwefel, dem Quecksilbersulfid HgS, her. Die<br />

Umwandlung elementaren Quecksilbers in Quecksilbersulfid<br />

ist eine seit dem Altertum bekannte<br />

Reaktion, bei Quecksilber mit Schwefelblüten in<br />

Anwesenheit von verschiedenen Laugen unter<br />

stetiger Wärmezufuhr umgesetzt wird. Verschiedene<br />

Firmen haben in den 2000er Jahren<br />

moderne Varianten dieses altertümlichen Verfahrens<br />

zum Patent anmelden lassen und somit<br />

erkannt, dass die Umsetzung zum Zinnober eine<br />

Möglichkeit zur Entsorgung von elementarem<br />

Quecksilber darstellt. Wohl aber fand dieses<br />

Verfahren bislang noch keine Anwendung in<br />

der kerntechnischen Branche und wird eher für<br />

konven tionelle Quecksilberbestände angewandt.<br />

Getrieben durch den Rückbau unserer deutschen<br />

Reaktoren ist die großtechnische Umsetzung<br />

de Verfahrens alles andere als trivial und genehmigungsbedürftig,<br />

sofern es direkt vor Ort<br />

durch geführt werden soll. Ein Transport des<br />

elemen taren Quecksilbers zu einem externen<br />

Dienstleister zwecks chemischer Umsetzung zu<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

53<br />

Quecksilber sulfid stellt enorme An<strong>for</strong>derungen<br />

an beteiligte Parteien wie z. B. Transport selbst<br />

und den Strahlenschutz. Während der Transport<br />

von Reaktordruckbehältern ins Ausland zwecks<br />

Ein schmelzung inzwischen mehrfach erprobt<br />

ist, wäre der Transport von elementarem Quecksilber<br />

zu einer fiktiven Verarbeitungsanlage unter<br />

Berücksichtigung der Strahlenschutzgesetzgebung<br />

absolutes Neuland.<br />

Des Weiteren gilt im Rückbau die Prämisse<br />

der Mengenreduktion der Endlagerabfälle. Der<br />

Platz unter Tage ist begrenzt und teuer. Bei der<br />

Umsetzung von 1 kg elementaren Quecksilbers<br />

mit Schwefel entstünden rechnerisch 1,16 kg<br />

Quecksilbersulfid. Auch wenn das Umsetzungsprodukt<br />

mit Hochdruckpressen kompaktiert<br />

werden könnte, so würde es auf dem Papier ca. das<br />

doppelte Stoffvolumen einnehmen wie das<br />

ursprüng liche Quecksilber. Außerdem ist die<br />

Endlagerung von radioaktiv-kontaminiertem<br />

Quecksilbersulfid bisher nicht vorgesehen und<br />

würde ein erweitertes Genehmigungsverfahren<br />

nach sich ziehen, vor allem da zur Langzeitstabilität<br />

von „Labor­ Zinnober“ im Vergleich zum<br />

mineralischen Zinnober wenig bekannt ist.<br />

Demnach ist eine Endlagerung in Form von Quecksilbersulfid,<br />

auch aus Kostengründen, nicht unbedingt<br />

die Lösung der Wahl. Somit könnte man<br />

die Option der Entsorgung durch Endlagerung als<br />

Sackgasse bezeichnen, da sie in vielen Punkten<br />

nicht umsetzbar ist oder zum gewünschten Ergebnis<br />

führen würde.<br />

Freigabe – Wenn es denn so einfach wäre<br />

Als letzter, möglicher Entsorgungsweg bleibt folglich<br />

nur die Freigabe. Und es könnte so einfach<br />

sein: Entscheidungsmessungen zum Nachweis der<br />

Unterschreitung der Freigabewerte nach Anlage 4<br />

Tabelle 1 StrlSchV, das Zusammentragen der<br />

notwendigen Dokumentation und abschließend<br />

der schriftliche Freigabeantrag bei der Behörde.<br />

Abb. 3.<br />

Zinnober (hier mineralische Darstellung).<br />

Was sich in der Theorie so einfach liest, ist in<br />

Wirklichkeit eine wahre Heraus<strong>for</strong>derung für alle<br />

Beteiligten. Doch wo liegt genau das Problem?<br />

Grundlage für die Freigabe ist zunächst einmal<br />

das 10 µSv-Dosiskriterium (§ 31 StrlSchV), dessen<br />

Einhaltung es im Rahmen des Freigabeverfahrens<br />

nachzuweisen gilt. Hierfür sind Entscheidungsmessungen<br />

der radionuklid-spezifischen Aktivitäten<br />

durchzuführen und zu dokumentieren (§ 42<br />

StrlSchV). Man würde wohl die uneingeschränkte<br />

Freigabe nach § 35 StrlSchV bevorzugen und demnach<br />

die Unterschreitung der Werte aus Anlage 4<br />

Tabelle 1 Spalte 3 StrlSchV nachweisen wollen. Ein<br />

gängiges Verfahren, welches täglich vielerorts für<br />

zahlreiche Materialien angewandt wird. Ein Blick<br />

in Anlage 8 Teil B StrlSchV verrät jedoch, dass die<br />

uneingeschränkte Freigabe für Quecksilber nicht<br />

vorgesehen ist, da es weder zur Kategorie „Öle“<br />

noch „organische Lösungs- und Kühlmittel“ zählt.<br />

Arbeitet man sich nun weiter durch die StrlSchV,<br />

so stößt man in Anlage 8 auf den Teil G, welcher<br />

die spezifische Freigabe von Metallschrott zum<br />

Recycling beschreibt. Hier wird eindeutig die<br />

Einschränkung getroffen, dass die Freigabe von<br />

Metallschrott eine Einschmelzung er<strong>for</strong>dert. Also<br />

ist auch die spezifische Freigabe nach Anlage<br />

4 Tabelle 1 Spalte 14 StrlSchV nicht umsetzbar.<br />

Folglich bleibt nur noch eine potentielle Freigabe<br />

nach § 37 StrlSchV, der sogenannten Einzelfallbetrachtung.<br />

Die Freigabe im Einzelfall nach § 37 StrlSchV könnte<br />

demnach immer dann angewandt werden, wenn<br />

es sich um andere als in Anlage 8 Teil B StrlSchV<br />

bezeichnete Flüssigkeiten handelt. Üblicherweise<br />

gilt dies z. B. für wässrige Abfälle.<br />

Zur Erlangung der uneingeschränkten Freigabe<br />

im Einzelfall werden gemäß § 32 StrlSchV „alle<br />

möglichen künftigen Nutzungen, Verwendungen<br />

(…), Beseitigungen, Innehaben der freizugebenden<br />

Stoffe und Gegenstände oder deren Weitergabe<br />

an Dritte beachtet (wurden).“ Alle prinzipiell zu<br />

berücksichtigenden Expositionsszenarien<br />

sind in Anlage 11 StrlSchV beschrieben,<br />

welche sich jedoch glücklicherweise für<br />

das Quecksilber dank der Minamata-<br />

Konvention (und darauf aufbauende,<br />

spezifische Gesetze und Verordnungen<br />

auf Bundesebene), dem<br />

Immissionsschutz und dem<br />

Gefahrstoffrecht auf einige<br />

wenige einschränken lassen.<br />

Da der Umgang für die Bevölkerung<br />

untersagt wird<br />

sowie die berufliche Handhabung<br />

von Quecksilber nur<br />

noch auf ein absolut notwendiges<br />

Maß unter ausschließlich<br />

hohen Auflagen reglementiert<br />

Vol. 69 (2024)


54<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

ist, greifen die konventionellen Vorschriften dem<br />

Strahlenschutzrecht deutlich vor und sind als<br />

restriktiver und abdeckend zu betrachten. Letztlich<br />

sind die zu berück sich tigenden Expositionsszenarien<br />

aber immer abhängig vom weiteren Weg<br />

des Quecksilbers nach der Freigabe: Soll es deponiert<br />

werden? Soll eine Umsetzung zum Zinnober<br />

erfolgen oder ist gar eine Wiederverwendung/<br />

Rezyklierung, z. B. in Forschungseinrichtungen<br />

angedacht?<br />

Heraus<strong>for</strong>derungen im Labor<br />

Nachdem alle möglichen Expositionsszenarien<br />

und die weitere Verwendung des Quecksilbers<br />

betrachtet wurden, gilt es nun, die Unterschreitung<br />

der Freigabewerte analytisch nachzuweisen.<br />

Typischerweise werden u. a. Nuklide wie Cs-137,<br />

Co-60, Am-241, Sr-90, H-3 und/oder C-14 betrachtet.<br />

Hierfür finden zumeist die Gammaspektrometrie<br />

oder Flüssigszintillationsspektrometrie (LSC) Anwendung.<br />

Doch elementares Quecksilber hingegen<br />

ist gänzlich ungeeignet zur direkten Messung mit<br />

diesen Methoden. Aufgrund seiner enormen Dichte<br />

ist eine direkte Gammamessung z. B. in einer<br />

Flasche praktisch nicht möglich. Erst in ultradünnen<br />

Quecksilberschichten wäre es einem Gammadetektor<br />

möglich, hinreichende Nachweisgrenzen<br />

zu erreichen. Die Mischung eines organischen<br />

Szintillatorcocktails für die LSC-Vorbereitung<br />

wäre grob fahrlässig, da Quecksilber und organische<br />

Verbindungen u. U. zu hoch toxischen Mischungen<br />

reagieren können. Und letztlich wäre<br />

auch hier kein Lichtblitz innerhalb des hoch dichten<br />

Quecksilbers detektierbar. Somit kommen weder<br />

eine direkte Messung mittels Gammaspektrometrie<br />

noch LSC zur Analyse des elementaren<br />

Queck silbers infrage.<br />

Es muss also zwingend eine geeignete Probenaufarbeitungsmethode<br />

angewandt werden, um<br />

repräsentativen Aliquote in eine messbare Form zu<br />

überführen. Möglich wäre das Auflösen des Quecksilbers,<br />

z. B. in konzentrierten Säuren. Hierbei wäre<br />

allerdings darauf zu achten, dass etwaige Analyten<br />

wie z. B. Tritium nicht ausgetrieben werden. Die<br />

dabei resultierenden, wässrigen Lösungen wären<br />

einfach per Gammaspektrometrie analysierbar,<br />

eignen sich aber unter Umständen nicht zur Direktmessung<br />

durch Flüssigszintilla tionsspektrometrie,<br />

da verschiedene Anionen hier störend wirken können.<br />

Die analytische Lücke in der Bestimmung von<br />

Alpha- bzw. Betastrahlern könnte anstatt durch<br />

LSC jedoch auch durch Messung mit Proportionalitätszählern<br />

geschlossen werden. Die analytischen<br />

Möglichkeiten für eine wässrige Probe sind vielfältig,<br />

müssen jedoch zur Messaufgabe, nämlich<br />

den zu betrachtenden und Freigaberelevanten<br />

Nukliden passen. Und auch hier ist Pionierarbeit<br />

gefragt, denn die radiolo gische Untersuchung von<br />

Quecksilber ist Neuland.<br />

Vorausgesetzt die Probenvorbereitung sowie<br />

Laboranalytik waren erfolgreich, so wäre nun der<br />

erste Schritt zur Freigabe in greifbarer Nähe. Nur<br />

was tun, wenn die Ergebnisse keine Unterschreitung<br />

der anvisierten Freigabewerte, sondern offenkundig<br />

eine Kontamination des Quecksilbers<br />

offen baren? Dann sind geeignete Dekontaminationsmaßnahmen<br />

notwendig. Wann und aus<br />

welchem Grund diese durchgeführt werden ist für<br />

die Freigabe zunächst irrelevant. Die Dekontamination<br />

kann im Vorfeld erfolgen, sozusagen „auf<br />

Verdacht“, z. B. aufgrund der Betriebshistorie oder<br />

erst nach der Sichtung der ersten Analyseergebnisse.<br />

In diesem Fall wären Dekontaminationsmaßnahmen<br />

Mittel zum Zweck zur Herstellung<br />

einer Freigabefähigkeit des Quecksilbers.<br />

Wie bereits erwähnt, besticht elementares Quecksilber<br />

durch seine außergewöhnlichen che mischen<br />

und physikalischen Eigenschaften. Zur Planung<br />

von Dekontaminationsmaßnahmen sind hier vor<br />

allem drei Eigenschaften hervorzuheben: Seine<br />

besonders hohe Oberflächenspannung, die Hydrophobie<br />

und die Affinität zur Amalgambildung mit<br />

anderen Metallen.<br />

Noch vor Entwicklung moderner Analysetechniken<br />

beurteilte man die Reinheit von Quecksilber<br />

anhand seines Glanzes und Fließverhaltens. Verblasste<br />

der Glanz, wirkte es matt und haftete<br />

an Glasoberflächen, so war die Probe nicht rein<br />

(Abbildung 4).<br />

Die hohe Oberflächenspannung bewirkt, dass<br />

Kontamination praktisch nicht in ein Quecksilbervolumen<br />

eindringen kann. Sie schwimmt förmlich<br />

oben auf und lässt sich auch nicht durch Schütteln<br />

Abb. 4.<br />

Verunreinigtes, matt aussehendes Quecksilber.<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

55<br />

oder Druck in das Volumeninnere bewegen. Eher<br />

würde das Volumen zu zahlreichen, kugelartigen<br />

Tropfen zerplatzen. Aus dieser Eigenschaft resultiert<br />

die Möglichkeit, dass oberflächliche Kontamination,<br />

z. B. durch Staub, Textilfaser, Glaspartikel<br />

sehr einfach mechanisch, z. B. durch Filtration<br />

abgetrennt werden können. Häufig haftet an diesen<br />

Partikeln schon ein Großteil der radiologischen<br />

Kontamination und ist somit ebenso einfach<br />

abzutrennen.<br />

Aufgrund seiner ausgeprägten Hydrophobie lässt<br />

sich elementares Quecksilber auch gut mit wässrigen<br />

Lösungen waschen. Hierbei können hydrophile<br />

Radionuklide wie z. B. Tritium gezielt entfernt<br />

werden, welche schnell mit Komponenten der<br />

wässrigen Phase austauschen. H-1 stellt im Gegensatz<br />

zu H-3 kein Freigabehindernis dar.<br />

Quecksilber bildet mit einigen Metallen stabile<br />

Amalgamverbindungen. Zu den bekanntesten<br />

gehört die Verbindung mit Silber und Zinn, besser<br />

bekannt als „Zahn-Amalgam“. Mit anderen<br />

Metallen bzw. deren Radionuklide, wie z. B. Na-22,<br />

Sr-90 bildet es einfach Amalgame, welche sich<br />

durch sehr hohe Schmelztemperaturen im Gegensatz<br />

zu elementarem Quecksilber auszeichnen.<br />

Somit wäre eine Abtrennung der (Radionuklid)-<br />

kontaminierten Amalgamverbindungen eine<br />

mögliche Dekontaminationsmaßnahme. Hierfür<br />

eignen sich z. B. destillative Verfahren und werden<br />

so auch bereits in der konventionellen Quecksilberaufreinigung<br />

großtechnisch angewandt<br />

(z. B. Firma Batrec, Schweiz).<br />

Vorteilhaft ist, dass Quecksilber mit einigen<br />

Metallen, z. B. Cäsium, nur unter außergewöhnlichen<br />

Reaktionsbedingungen (sehr hohe Temperaturen,<br />

Druck, Katalyse) Amalgame bildet und<br />

mit z. B. Eisen oder Kobalt gar nicht zur Amalgambildung<br />

neigt. Eine Amalgambildung mit Cs-137<br />

wäre z. B. für Quecksilber aus geschlossenen,<br />

elektrischen Schaltern in der Theorie äußerst<br />

unwahrscheinlich, falls doch wohl aber per<br />

Destillation abtrennbar. Kontaminationen ohne<br />

Amalgambildung, z. B. mit Co-60, wären durch<br />

die vorherigen Dekontaminationsmethoden zu<br />

eliminieren.<br />

Aufbauend auf diesen wichtigen Erkenntnissen<br />

entwickelte die Safetec GmbH (Heidelberg,<br />

Deutschland) ein Verfahren zur Aufreinigung und<br />

Freimessung von elementarem Quecksilber im<br />

Aufsichtsbereich des Strahlenschutzrechts. 2020<br />

konnte somit die erste Freigabe von ursprünglich<br />

Tritiumkontaminierten Quecksilber erwirkt, das<br />

Verfahren 2021 zum Patent angemeldet und 2023<br />

erteilt werden.<br />

Fazit<br />

Quecksilber aus kerntechnischen Anlagen kann,<br />

aufgrund möglicher Kontaminationen, nicht<br />

ohne Weiteres aus dem Aufsichtsbereich des<br />

Atom- bzw. Strahlenschutzrechts entlassen werden.<br />

Die Entsorgung als elementares Quecksilber<br />

über die zukünftigen Endlager für radioaktive<br />

Abfälle scheitert an zahlreichen Punkten, nicht<br />

zuletzt auch am flüssigen Aggregatszustand.<br />

Bleibt zwangsläufig also nur noch die Freigabe,<br />

welche heraus<strong>for</strong>dernd, aber nicht unmöglich ist.<br />

Die ersten Schritte sind gemacht und Erfahrungen<br />

werden gesammelt. Jetzt gilt es an diesem Thema<br />

dranzubleiben, damit am Ende keine grünen<br />

Wiesen mit einzelnen Quecksilber-Gebinden<br />

übrigbleiben.<br />

Autorin<br />

Dr. Daniela Speicher<br />

Leitung Strahlenschutz, Projektberaterin &<br />

Patentkoordinatorin<br />

Safetec GmbH<br />

Daniela.Speicher@safetec-hd.de<br />

Dr. Daniela Speicher ist promovierte Chemikerin<br />

und seit 2017 in der kerntechnischen Branche tätig.<br />

Während ihrer Einsätze an verschiedenen, kerntechnischen<br />

Anlagen sowie auch außerhalb dieser<br />

im Rahmen von Sonderprojekten konnte sie vielfältige<br />

Erfahrungen auf den Gebieten der Freigabe, Entsorgung, Beförderungen<br />

und Strahlenschutz sammeln und sich so immer wieder heraus<strong>for</strong>dernden<br />

Aufgabenstellungen annehmen: Angefangen beim Rückbau von Radiochemielaboren<br />

über die Suche nach möglicherweise vergrabenen Radiumquellen bis<br />

hin zur hier thematisierten Quecksilberproblematik.<br />

Als Bestandteil des FORKA-Programmes wurde<br />

unter dem Projekttitel „Prometeus“ erstmals die<br />

Dekontamination und Freigabe von Radioaktivkontaminierten<br />

Quecksilberabfällen im Rahmen<br />

des Rückbaus betrachtet. Die wesentliche Erkenntnis<br />

des Projekts lautete, dass die Lösung der Quecksilberproblematik<br />

große Heraus<strong>for</strong>derungen an<br />

alle beteiligten Parteien sowie an die Mess- und<br />

Verfahrenstechnik stellt, v. a. unter Berücksichtigungen<br />

des sogenannten „Scale-ups“, also dem<br />

Schritt raus aus dem Labor hin zu Kraftwerksdimensionen.<br />

Vol. 69 (2024)


56<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Verwendung von Tc-99m zur Prozessbeschreibung<br />

und Qualitätskontrolle<br />

bei materialabtragenden Oberflächenbehandlungsverfahren<br />

und<br />

zur Bestimmung des Filtriervermögens<br />

von Aerosol-Rückhaltesystemen<br />

› Frank Klein<br />

1 Zusammenfassung<br />

1.1 Stand der Technik<br />

Bei der Reinigung von kontaminierten Oberflächen<br />

werden Abrasiv-Verfahren eingesetzt. Als Maß für<br />

die Reinigungsqualität wird als Vergleich der Quotient<br />

Kontamination VORHER K v zu Rest-Kontamination<br />

NACHHER K n herangezogen, der Dekontfaktor<br />

K v /K n . In der Kern-/Nukleartechnik werden<br />

dazu typische Nuklide benutzt, welche radioaktive<br />

Reststoffe und Abfälle verursachen (hohe Halbwertzeiten,<br />

wie z. B. Co-60: 5,3 a, Cs-137: 30,2 a).<br />

Diese Nuklide werden für Kontrolle und Beschreibung<br />

der Aerosol-Rückhaltung (= Filterwirksamkeit)<br />

benutzt. Die betroffenen Komponenten und<br />

Systeme sind dadurch hinterher radioaktiv kontaminiert.<br />

Sie müssen aufwändig dekonta miniert<br />

werden – was radioaktive Abfälle verursacht – oder<br />

werden selbst als radioaktive Abfälle entsorgt.<br />

1.2 Verbesserung durch dieses Verfahren<br />

Anstelle der o. a. Nuklide wird Tc-99m eingesetzt.<br />

Durch seine kurze Halbwertszeit (6,01 h) ist es<br />

einerseits möglich, die Reinigungseffektivität<br />

der Dekont- bzw. Reinigungsverfahren und die<br />

Aerosol­ Rückhaltung der Filtersysteme sehr genau<br />

zu bestimmen. Andererseits klingt die Tc-99m­<br />

Aktivität schnell ab, das heißt: das Tc-99m verschwindet.<br />

Die benutzten Komponenten und<br />

benutzten Begleitmaterialien können i. A. problemlos<br />

freigemessen werden. Die messbare Restaktivität<br />

aller an dem Prozess und den Überprüfungen<br />

beteiligten Materialien, Komponenten liegt<br />

unterhalb der Freigrenzen der Strahlenschutzverordnung.<br />

Der Einsatz von Tc-99m ist seit Jahrzehnten in der<br />

Nuklearmedizin Standard, die Anwendung ist<br />

hoch qualitätsgesichert. Genauso gut kann Tc-99m<br />

in der technischen und Nukleartechnischen<br />

Anwendung eingesetzt werden.<br />

2 Hintergrund<br />

Während des langjährigen Betriebs kern technischer<br />

Anlagen werden Materialoberflächen<br />

radioaktiv kontaminiert. Bei diesen Kontaminationen<br />

handelt es sich um radioaktive Ablagerungen,<br />

die sich auf den Oberflächen der Komponenten und<br />

Systeme ablagern. Es sind Innenoberflächen und<br />

Außenoberflächen betroffen:<br />

⁃ Innenoberflächen: Rohrleitungen und Behälterinnenflächen,<br />

Lüftungsschächte, die von Radioaktivität-führenden<br />

Medien durchströmt<br />

wurden,<br />

⁃ Außenoberflächen: durch freigesetzte Radioaktivität<br />

kontaminierte Außenflächen.<br />

Die betroffenen Komponenten und Systeme befinden<br />

sich in den Kontrollbereichen der Kernkraftwerke<br />

bzw. kerntechnischen Anlagen.<br />

Beim Rückbau dieser Kernkraftwerke bzw. kerntechnischen<br />

Anlagen müssen diese Komponenten<br />

und Systeme gereinigt werden. Dabei werden die<br />

Kontaminanten von den Oberflächen entfernt;<br />

die Oberflächen werden dekontaminiert.<br />

Die Güte der Oberflächenreinigung/Dekontamination<br />

entscheidet darüber, ob die behandelten<br />

Materialien als Wertstoffe rezykliert werden<br />

können, oder ob sie als radioaktive Abfälle separiert<br />

und entsorgt werden müssen. Die Klassifizierungen<br />

sind in gesetzlichen Regelwerken wie<br />

der Strahlenschutzverordnung beschrieben.<br />

Bei der mechanischen Reinigung frei zugänglicher<br />

Oberflächen werden standardmäßig abrasive<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

57<br />

Abb. 1.<br />

Tc-99m-Zerfall und Tc-99-Bildung über die Zeit; Anfangsaktivität: 10 +08 Bq, Aktivität nach 7 Tagen: Tc-99m


58<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Tc-99m hat eine Halbwertzeit von 6,01 Stunden. Es<br />

geht unter Aussendung eines sehr gut messbaren<br />

Gamma-Signals bei 141 keV in das Tochternuklid<br />

Tc-99 über (Halbwertzeit Tc-99: 210000 Jahre) 3 . In<br />

der Diagnostik wird das Tc-99m über das Gamma-<br />

Signal im behandelten Patienten gemessen, und es<br />

klingt mit der Halbwertzeit von 6,01 Stunden sehr<br />

schnell ab. In Abbildung 1 ist dargestellt, wie aus<br />

anfänglich eingesetzten 10 Millionen Bq Tc-99m<br />

nach sieben Tagen 0,3 Bq des Tochternuklids Tc-99<br />

entstanden sind.<br />

5 Technische Anwendung<br />

Zu Beginn der Prozesskontrolle wird die Aerosolquelle<br />

mit Tc-99m dotiert/markiert. Im skizzierten<br />

Beispiel in Abbildung 3 sind es Probenober flächen,<br />

die abrasiv behandelt werden. Zur Dotierung/<br />

Tracerung werden 10 +08 Bq Tc-99m eingesetzt.<br />

Die einzelnen Vorbereitungsschritte sind in Abbildung<br />

2 skizziert. Zu Beginn, während der Durchführung<br />

und nach deren Abschluss werden die<br />

relevanten Systeme beprobt, die Tc-99m-Aktivitäten<br />

werden bestimmt. Die Bestimmung der Tc-99m-<br />

Konzentrationen erfolgt typischerweise mit entsprechenden<br />

Gamma-sensitiven Messsystemen<br />

(Spektrometern, Zählern), welche die 141-keV-Linie<br />

des Tc-99m empfindlich genug erfassen können.<br />

Die Messergebnisse werden zur Auswertung<br />

Zerfallszeit-korrigiert (Bezugsdatum und -zeit).<br />

Diese messtechnische Verfolgung findet in einem<br />

Kontrollbereich statt. Sieben Tage nach Beginn<br />

der Untersuchungen ist das eingesetzte Tc-99m<br />

„zerfallen“ zu Tc-99; alle Komponenten, Anlagenteile,<br />

Materialien und Räumlichkeiten, die zu<br />

Beginn mit Tc-99m in Kontakt kamen, zeigen keine<br />

Aktivitätskontaminationen mehr, und die verbleibenden<br />

0,3 Bq Tc99 liegen von Aktivitätsniveau<br />

her unterhalb der Freigrenzen für die uneingeschränkte<br />

Freigabe von festen und flüssigen<br />

Stoffen 4 .<br />

Nach einer entsprechenden Wartezeit (Tc-99m­<br />

Abkling-Fenster) ist das Tc-99m vollständig zerfallen.<br />

Die zuvor mit Tc-99m beaufschlagten Systeme,<br />

Komponenten, Räumlichkeiten (= Kontrollbereich)<br />

und auch die bei der Durchführung<br />

entstandenen Abfälle (Putztücher, -papiere, Schutzanzüge,<br />

-masken) sind dann wieder Tc-99m-frei.<br />

Sie können entsprechend unter Berücksichtigung<br />

der geltenden Regelwerke (StrlSchV) freigegeben<br />

werden.<br />

Abb. 2.<br />

In dieser Abbildung beschreibt eine prinzipielle Vorgehensweise. Die vorbereitenden Schritte (1) können<br />

vor Tc-99m-Zugabe inaktiv spezifiziert werden. Die Überprüfung der Tc-99m-Verteilung ist optional.<br />

3 Karlsruher Nuklidkarte, 7. Auflage 2006<br />

4 StrlSchV, Anlage 4, Tabelle 1 „Freigrenzen, Freigabewerte für verschiedene Freigabearten, Werte für hochradioaktive Strahlenquellen,<br />

Werte der Oberflächenkontamination“<br />

Ausgabe 1 › Januar


Decommissioning and Waste Management<br />

59<br />

Abb. 3.<br />

Typische Skizze eines mit Tc-99m zu kontrollierenden bzw. überprüfenden Prozesses. Aerosol-Rückhaltevermögen = Filtersystem-<br />

Rückhaltung. Aktivitätsangaben oben links, Mitte, rechts: Aktivitätsinventar zum jeweiligen Prozesszeitpunkt; es ändert sich durch Zerfall<br />

des Tc-99m. Der Dekont-Erfolg wird durch Vergleichsmessung der Tc-99m-Aktivität vor der Abrasiv-/LASER-Behandlung und<br />

nach der Behandlung ermittelt (Bestimmung des Dekontfaktors = Quotient von Tc-99m VOR- zu Tc-99m NACH-Aktivität)<br />

6 Verbesserungspotential<br />

6.1 Grundprinzip<br />

Die Qualität des abrasiven Abtragsverhaltens wie<br />

auch die Überprüfung und Beschreibung des Filtrationsverhaltens/-prozesses<br />

geschieht durch<br />

Gamma-Messung des Tc-99m-Tracers, der nach Abschluss<br />

der Versuchsreihen zerfallen ist. Die Untersuchungen<br />

können prinzipiell in temporären Kontrollbereichen<br />

und unter Strahlenschutz-Kontrolle<br />

durchgeführt werden. Nach Abklingen der Tc-99m-<br />

Aktivität können die Komponenten wieder inaktiv<br />

freigegeben werden, die entstandenen Abfälle<br />

ebenfalls. Der temporäre Kontrollbereich kann<br />

wieder aufgelöst werden. Radioaktive Abfälle aus<br />

den Versuchsreihen fallen nicht an.<br />

6.2 Konventionelle Technik<br />

Für die nicht-nukleare, nicht kerntechnische<br />

Technik ist die Verwendung der Tc-99m-Traceroder<br />

-Dotierungs-Technik gerade dann bei der<br />

Auslegung oder Spezifizierung von Aerosol-Rückhaltesystemen<br />

technisch vorteilhaft, wenn die<br />

genaue Beschaffenheit der Aerosole nicht bekannt<br />

oder nicht stabil ist (Aerosol-Größenverteilung,<br />

Trocken- zu Feucht-Aerosolverhältnisse).<br />

6.3 Nuklear-, Kerntechnik<br />

Zur Beschreibung des Aerosol-Rückhaltevermögens<br />

von Filtersystemen werden vielfältig<br />

„ reale“ Nuklide eingesetzt, wie sie auch im Anlagenbetrieb<br />

und Rückbau vorkommen (z. B. Co-60,<br />

Mn-54, Cs-137, Ag-110m, andere); diese Nuklide<br />

haben alle lange Halbwertszeiten, die weit oberhalb<br />

der 6,01 Stunden des Tc-99m liegen (mehrere-<br />

100-Tage- bis Jahrzehnte-Bereiche). Dadurch sind<br />

alle untersuchten Komponenten dauerhaft kontaminiert.<br />

Sie müssen entweder aufwändig dekontaminiert<br />

werden, oder als radioaktive Abfälle in die<br />

Zwischenlager aufgenommen werden 5 — was dem<br />

Grundziel der nuklearen Entsorgung widerspricht.<br />

Endlager für radioaktive Reststoffe und Abfälle<br />

sind nicht vorhanden.<br />

7 Fazit<br />

Mit dem hier beschriebenen Verfahren steht<br />

im Bereich der Nuklear-Technik ein Tool zur<br />

Ve rf ü g u n g , u m<br />

⁃ neue Verfahren<br />

⁃ schneller,<br />

⁃ wirtschaftlicher und<br />

⁃ kostengünstiger konzipieren, verifizieren zu<br />

können und<br />

⁃ schneller zum Einsatz zu bringen,<br />

⁃ wird dem vom Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Energie (jetzt: BMWK) gesetzten Ziel<br />

der Minimierung radioaktiven Abfalls für die<br />

Verlängerung der Zwischenlagerung Rechnung<br />

getragen (Reduzierung der Auslastung des<br />

Zwischenlagers, siehe Fußnote 5),<br />

⁃ Die Personendosisbelastung bei der Durchführung<br />

der Messungen mit Tc-99m durch die<br />

kurze Halbwertszeit minimiert.<br />

Im Bereich der konventionellen Technik kann das<br />

Verfahren ebenfalls angewendet werden.<br />

5 Aktuell: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (jetzt: BMWK) – „Bekanntmachung der Forschungsförderung zur nuklearen Sicherheit“<br />

vom 14. Oktober 2021<br />

Vol. 69 (2024)


60<br />

<br />

Decommissioning and Waste Management<br />

Nach der Einrichtung temporärer Kontroll bereiche<br />

können die Messungen<br />

⁃ hochgenau, einfach und sauber, und ebenfalls<br />

mit<br />

⁃ realen Aerosolen durchgeführt werden.<br />

Das Verfahren kann eingesetzt werden in<br />

Kerntechnik, Rückbau<br />

Einrichtung, Dimensionierung von Dekontanlagen<br />

und -Verfahren, Qualitätsicherung mittels wiederkehrender<br />

Prüfungen (WKP). Überprüfung der<br />

Wirksamkeit und Dimensionierung der Fortluft-<br />

Systeme, Aerosol-Rückhaltung der Filter.<br />

Sonstige Anlagentechnik<br />

Auch außerhalb der Kerntechnik kann dieses Verfahren<br />

eingesetzt werden, mit dem geringste Austragsmengen<br />

hochempfindlich gamma­ spektroskopisch<br />

nachgewiesen werden können. Oberflächenbearbeitungsprozesse<br />

(Lackent fernung,<br />

Chromschichten (Chromat), Korrosionsschichten)<br />

können auf ihre Effektivität hin überprüft<br />

werden.<br />

Autor<br />

Frank Klein<br />

Freier Sachverständiger für Chemie und<br />

Radiochemie in Nukleartechnik<br />

www.klein-enterprises.com<br />

frank@klein-enterprises.com<br />

Frank Klein ist seit Januar 2022 als freier Sachverständiger<br />

für Chemie und Radiochemie in<br />

Nukleartechnik tätig. In dieser Funktion gibt er<br />

seine Expertise aus mehr als 37 Jahren Berufserfahrung<br />

als Radiochemiker weiter:<br />

Seit 2011 und bis Laufzeitende Dezember 2021 war Herr Klein fachlich und in<br />

der leitenden Position des Kraftwerkschemikers im Kernkraftwerk Gundremmingen<br />

tätig. In seinem Zuständigkeitsbereich lag unter anderem die Minimierung<br />

der radiologischen Aktivitätsmobilisierung – die Verbesserung der Personaldosis-Exposition<br />

bei Betrieb und Revisionen war das Ziel. Dies wurde<br />

erreicht durch wirkungsvolle Reduktion von Aktivitäts aufbau und Mobilisierung.<br />

Dieses Ziel wurde durch den 2011 beschlossenen nationalen Ausstieg aus<br />

der Kerntechnik zusätzlich dringlicher.<br />

Davor war Frank Klein über zwei Dekaden hinweg bei dem Institut für Radiochemie<br />

der TUM tätig. Seine Tätigkeitsfelder umfassten u. a. die Konditionierung<br />

und Entsorgung des SUR 100-Kernbrennstoffs aller in Deutschland außer<br />

Betrieb genommenen Siemens-Unterrichtsreaktoren. Herr Klein vertrat auch<br />

das Institut auf nationalen und internationalen Workshops.<br />

Sein Chemie-Ingenieurstudium an der Naturwissenschaftlich-Technischen<br />

Akademie Prof. Dr. Grübler schloss Herr Klein 1985 ab.<br />

Die Überprüfung der Wirksamkeit und Dimen sionierung<br />

vorhandener Fortluft-Systeme, Aerosol-<br />

Rückhaltung der Filter ist möglich.<br />

Anzeige<br />

Ausgabe 1 › Januar


KTG-Fachinfo<br />

61<br />

KTG-Fachinfo 19/2023 vom 05.12.2023:<br />

Bekenntnis zur Kernenergie auf der<br />

Weltklimakonferenz – Neupositionierung<br />

der Unionsparteien?<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />

der KTG, am vergangenen Samstag haben die Vertreter<br />

von 22 Staaten, darunter 13 aus Europa auf der<br />

Weltklimakonferenz (COP28) eine Erklärung zur<br />

Kernenergie (Declaration to Triple <strong>Nuclear</strong> Energy)<br />

vorgestellt, die auch als <strong>Nuclear</strong> Pledge – Nukleares<br />

Versprechen bezeichnet wurde. Die Unterzeichner<br />

bekennen sich dabei zur Schlüsselrolle der Kernenergie<br />

zur Erreichung so genannter Netto-Null-<br />

Ziele bei Treibhausgasemissionen und bei der<br />

Aufgabe, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens<br />

in Reichweite zu halten. Ausgehend von<br />

der Tatsache, dass die Kernkraft heute weltweit die<br />

zweitgrößte CO 2 -arme Stromerzeugungstechnik ist<br />

und Bezug nehmend auf Analysen der <strong>Nuclear</strong><br />

Energy Agency der OECD (NEA), der <strong>International</strong>en<br />

Energieagentur (IEA) sowie der World <strong>Nuclear</strong><br />

Association (WNA) erklären die Unterzeichner, dass<br />

sie zur Erreichung des Ziels einer Verdreifachung<br />

der installierten nuklearen Kapazität bis 2050 im<br />

Vergleich zum Jahr 2020 zusammenarbeiten wollen.<br />

Die Erklärung folgt der Einschätzung der IEA,<br />

dass eine Verkleinerung der Kernkraftkapazität<br />

das Erreichen eines Netto-Null-Zieles schwieriger<br />

und teuer machen würde. Hinsichtlich neuer Kerntechnik<br />

wird in der Erklärung festgestellt, dass<br />

diese wenig Fläche verbraucht, in der Standortauswahl<br />

flexibel und bedarfsgerecht geplant werden<br />

und die Dekarbonisierung auch jenseits der Stromerzeugung<br />

unterstützen kann, einschließlich der<br />

Industriesektoren, in denen die Emissionen nur<br />

schwer gemindert werden können. Daraus folgt<br />

das Bekenntnis, die Entwicklung und den Bau auch<br />

von kleinen oder <strong>for</strong>tgeschrittenen Reaktortypen<br />

sowohl für die Stromerzeugung als auch für andere<br />

Anwendungen wie Wasserstofferzeugung oder<br />

die Herstellung von synthetischen Treibstoffen zu<br />

unterstützen.<br />

Die Unterzeichner bekennen sich dazu, in ihren<br />

Ländern dafür zu sorgen, dass Kernkraftwerke<br />

verantwortungsbewusst und in Übereinstimmung<br />

mit den höchsten Standards bei Sicherheit, Nachhaltigkeit,<br />

Sicherung und Non-Proliferation betrieben<br />

werden und dass mit radioaktiven Abfällen<br />

lang fristig verantwortlich umgegangen wird, so<br />

wie es auch die <strong>International</strong>e Atomenergieorganisation<br />

(IAEA) in ihrer “Atoms4NetZero”-Initiative<br />

<strong>for</strong>dert. Unter Berücksichtigung der vorgenannten<br />

Grundsätze sollen auch die Laufzeiten bestehender<br />

Kernkraftwerke verlängert werden, wo dies technisch<br />

möglich und wirtschaftlich ist.<br />

Ein besonderes Augenmerk der Erklärung gilt der<br />

Finanzierungsmöglichkeit für neue Kernkraftwerke,<br />

hinsichtlich der sich die Unterzeichner auch zu<br />

innovativen Finanzierungsmechanismen bekennen.<br />

Die Erklärung ruft die Anteilseigner der Weltbank,<br />

regionaler Entwicklungsbanken und internationaler<br />

Finanzinstitutionen dazu auf, Kernenergie be darfsgerecht<br />

in ihre Kreditvergaberichtlinien aufzunehmen<br />

und die Kernenergie, falls diese Möglichkeit<br />

bereits besteht, aktiv zu unterstützen. In der<br />

Er klärung wird auch die Bedeutung robuster Lieferketten<br />

für sichere Technologien zur Nutzung in<br />

Kernkraftwerken einschließlich Kernbrennstoffe und<br />

deren Förderung über den gesamten Lebenszyklus<br />

anerkannt.<br />

Die Unterzeichner erklären ihre Unterstützung für<br />

verantwortungsvolle Nationen, die eine neue zivile<br />

Entwicklung der Kerntechnik ins Auge fassen unter<br />

Berücksichtigung höchster Standards bei Sicherheit,<br />

Nachhaltigkeit, Sicherung und Non-Proliferation.<br />

Auch entsprechende Beiträge des Privatsektors,<br />

von Nicht-Regierungsorganisationen, Entwicklungsbanken<br />

und Finanzinstitutionen werden ermutigt<br />

und begrüßt.<br />

Der Fortschritt hinsichtlich der Versprechen in der<br />

Erklärung soll jährlich am Rande der Weltklimakonferenzen<br />

bewertet werden.<br />

Vorgestellt wurde die von den Vereinigten Staaten<br />

initiierte Erklärung auf einer gesonderten Veranstaltung<br />

durch den Klimabeauftragten der US-<br />

Regierung, John Kerry, an der u. a. der französische<br />

Präsident Emanuel Macron, der tschechische Ministerpräsident<br />

Petr Fiala, der polnische Präsident<br />

Andrzej Duda, der belgische Premierminister<br />

Alexander De Croo und IAEA-Generalsekretär Rafael<br />

Mariano Grossi teilgenommen haben, wie u. a. Daniel<br />

Wetzel in der Welt und das Handelsblatt berichten.<br />

Kerry erklärte dabei, „man kann das Ziel von Netto-<br />

Null Treibhausgas-Emissionen bis 2050 ohne Atomkraft<br />

nicht erreichen“ und stellte fest, dass dies nichts<br />

mit Politik oder Ideologie zu tun habe, sondern reine<br />

Wissenschaft sei, Mathematik und Physik. Präsident<br />

Macron ergänzte: „Von diesem Treffen geht ein<br />

extrem machtvolles Signal in die Welt hinaus“ und<br />

stellte fest, dass es „die vielen Länder ermutige,<br />

die in die Kernenergie und besonders in die neue<br />

Generation von modularen Kleinstreaktoren investieren<br />

wollen“. Ministerpräsident Fiala bezeichnete<br />

die Kernkraft als eine sichere, verlässliche, saubere<br />

und effiziente Energiequelle und kündigte deren<br />

Vol. 69 (2024)


62<br />

KTG-Fachinfo<br />

Ausbau in Tschechien auf einen Anteil von 50 Prozent<br />

der Stromerzeugung bis 2050 an. Präsident Duda<br />

erklärte, den Ausbau der Kernenergie zum Schwerpunktthema<br />

der polnischen EU-Ratspräsidentschaft<br />

im ersten Halbjahr 2025 machen zu wollen und De<br />

Croo lud gemeinsam mit IAEA-Generalsekretär<br />

Grossi für den 22. März 2024 zum „Welt-Nuklear-<br />

Gipfel“ nach Brüssel ein.<br />

Die Unterzeichner der Erklärung sind neben den Vereinigten<br />

Staaten Kanada, Japan, Korea, die Gastgeber<br />

der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate<br />

sowie aus Europa Frankreich, das Vereinigte Königreich,<br />

Polen, die Niederlande, Tschechien, Belgien,<br />

Schweden, Finnland, Slowenien, die Slowakei,<br />

Rumänien, Ungarn, Bulgarien, die Ukraine und<br />

Moldau. Auch andere Länder, die neu in die Kernenergie<br />

einsteigen möchten, haben unterschrieben:<br />

Marokko, Ghana und die Mongolei. Deutschland hat<br />

sich der Erklärung erwartungsgemäß nicht angeschlossen,<br />

sondern wie insgesamt 120 Staaten,<br />

darunter auch viele Zeichner der Kernenergie-<br />

Erklärung eine Erklärung mit dem Ziel einer Verdreifachung<br />

der Kapazität erneuerbarer Energie bis<br />

2030 unterzeichnet. Bundeskanzler Scholz er wähnte<br />

in seiner Rede, in der er zum Ausstieg aus den fossilen<br />

Energieträgern aufrief, nur Windkraft, Photovoltaik,<br />

elektrische Antriebe und Wasserstoff als Technologien,<br />

die dies ermöglichen sollen.<br />

Am 5. Dezember 2023 folgte eine von der WNA<br />

organisierte Net Zero <strong>Nuclear</strong> Industry Pledge durch<br />

zahlreiche internationale Unternehmen der Kerntechnik.<br />

Unter besonderer Betonung der Rolle der<br />

Kernenergie als größte saubere, CO 2 -arme Stromquelle<br />

in den OECD-Staaten, des gleichrangigen<br />

Zugangs zu Klimafinanzierungsmitteln mit anderen<br />

CO 2 -armen Technologien, der Notwendigkeit, Kernenergie<br />

schneller als das globale Wachstum des<br />

Stromverbrauchs auszubauen sowie unter Hinweis<br />

auf die Vorzüge geringer Materialintensität und niedrigen<br />

Flächenbedarfs sagten die unterzeichnenden<br />

Unternehmen zu, die Regierungen bei ihren Kernenergieausbauzielen<br />

zu unterstützen, Investments<br />

in Kernkraftprojekte auch durch innovative Finanzierungsinstrumente<br />

zu mobilisieren und in Kooperation<br />

mit Regierungen und Aufsichtsbehörden Neubauten<br />

und die bessere Ausnutzung bestehender<br />

Anlagen in sicherer und verantwortlicher Weise zu<br />

verwirklichen sowie das Ziel einer Verdreifachung<br />

der Kapazität bis 2050 zu erreichen.<br />

Die finnische Außenministerin Elina Valtonen stellte<br />

im Interview mit der Bild-Zeitung, über das am<br />

04.12.2023 dort berichtet wurde, mit Blick auf die<br />

deutsche Energiepolitik fest, dass es in Zukunft eine<br />

Heraus<strong>for</strong>derung würde, dass manche europäische<br />

Partner im Gegensatz zu Finnland ihr Energieangebot<br />

verknappt hätten. Sie erklärte, dass Finnland<br />

ab 2035 klimaneutral sein werde und dass die Kernenergie<br />

dort die Basis für den Klimaschutz darstelle.<br />

In den Unionsparteien zeichnet sich unterdessen ein<br />

Paradigmenwechsel in der Kernenergiepolitik ab,<br />

über den Morton Freidel und Konrad Schuller in der<br />

FAS berichteten. Während im vergangenen Jahr<br />

weitgehend nur ein krisenbedingter Weiterbetrieb<br />

möglichst vieler deutscher Kernkraftwerke für einen<br />

kürzeren Übergangszeitraum befürwortet wurde,<br />

mehren sich nun die Stimmen für einen Wiedereinstieg<br />

in die Kernenergie auf längere Sicht, einschließlich<br />

des Neubaus. Dahingehend äußerten<br />

sich die Ministerpräsidenten Markus Söder und<br />

Michael Kretschmer, CDU-Generalsekretär Carsten<br />

Linnemann, der stellvertretende Vorsitzende der<br />

Unionsfraktion, Jens Spahn, die Präsidentin des CDU-<br />

Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, sowie die Chefin<br />

der Mittelstandsunion, Gitta Connemann. Söder<br />

erklärte, dass jetzt grundlegende politische Veränderungen<br />

gerade im Energiebereich notwendig<br />

seien und stellte fest, dass die von den Grünen<br />

geprägte Energiepolitik mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

an der Realität zerschellt sei.<br />

Er <strong>for</strong>derte, dass die verbliebenen Reaktoren in<br />

Deutschland für die Zeit der Krise „umgehend“<br />

reaktiviert werden müssten und dass zur Erhaltung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit und im Sinne der Klimaziele<br />

eine Umstellung auf modernere, kleinere,<br />

sicherere und effizientere Reaktoren vorangetrieben<br />

werden müsse. Auch Jens Spahn <strong>for</strong>derte Atomkraftwerke<br />

der neuesten Generation zu bauen,<br />

sobald sie entwickelt sind sowie eine deutsche<br />

Beteiligung an dieser Entwicklung. CDU-Generalsekretär<br />

Carsten Linnemann bekannte sich für die<br />

Union zur Forschung und Entwicklung der Kernenergie<br />

der nächsten Generation einschließlich<br />

größerer Reaktorkonzepte, die weniger Atommüll<br />

hinterlassen sollen. Auch der Vorsitzende der FDP-<br />

Bundestagsfraktion Christian Dürr unterstützte<br />

die Nutzung neuartiger Reaktorkonzepte und sein<br />

parlamentarischer Geschäftsführer, Torsten Herbst,<br />

<strong>for</strong>derte „einen generellen Wiedereinstieg in die<br />

Kernkraft“ bei dem Deutschland dem Beispiel<br />

unserer europäischen Nachbarn folgen solle.<br />

Für die Welt kann man mit der nun auf der COP28<br />

vorgestellten Erklärung zur Verdreifachung der<br />

Kernenergie durchaus von einem Umbruch zu<br />

Gunsten der Kernenergie sprechen. Denn noch vor<br />

zwei Jahren war die Kernkraft praktisch kein Thema,<br />

im vergangenen Jahr nur ein Randthema auf der<br />

Weltklimakonferenz und generell ein politischer<br />

Sachverhalt, der selbst von den Staaten, die einen<br />

Ausbau der Kernenergie verfolgt haben, nur<br />

Ausgabe 1 › Januar


KTG-Fachinfo<br />

63<br />

verschämt, wenn überhaupt angesprochen wurde.<br />

Das offene Bekenntnis zum massiven Ausbau<br />

der Kernenergie durch zahlreiche Staaten, darunter<br />

wichtige Handelspartner und Konkurrenten<br />

Deutschlands stellt die Diskussion über die künftige<br />

Energiepolitik und die Kernenergie auf eine neue<br />

Grundlage. In der Opposition scheint die globale<br />

Neubewertung der Kernenergie in Teilen angekommen<br />

zu sein, wie Äußerungen der vergangenen<br />

Wochen zunehmend zeigen. Taten können diesen<br />

Worten allerdings so bald nicht folgen, denn seitens<br />

der Bundesregierung ist keinerlei Veränderung der<br />

Position zu erwarten, was sich auch an Kleinigkeiten<br />

zeigt: so hatte die Staatssekretärin im Auswärtigen<br />

Amt, die Ex-Greenpeace-Funktionärin Jennifer<br />

Morgan, die die COP28 begleitet und jeden Tag ihre<br />

drei Highlights der Tagung präsentiert, am Samstag<br />

die Kernenergie-Erklärung nicht erwähnt, sondern<br />

als dritten Punkt ihrer Aufzählung nach der Rede<br />

von Bundeskanzler Scholz und der Erklärung zu<br />

erneuerbaren Energien dem Hinweis auf eine neue<br />

Kooperation mit Kenia den Vorzug gegeben.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 18/2023 vom 17.11.2023:<br />

Fahrplan für die Kernenergie<br />

in Schweden<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />

der KTG, die schwedische Regierung hat am<br />

16. November 2023 einen Fahrplan für neue Kernenergie<br />

vorgestellt. Zielsetzung ist es, einen stabilen<br />

und wettbewerbsfähigen Zugang zu fossilfreiem<br />

Strom zu ermöglichen, um die wirtschaftliche<br />

Wettbewerbsfähigkeit Schwedens zu sichern und<br />

eine industrielle Renaissance zu ermöglichen.<br />

Zugleich soll mit dem Ausbau der Kernenergie den<br />

An<strong>for</strong>derungen der – klimapolitisch bedingten –<br />

Elektrifizierung entsprochen werden, die nach Einschätzung<br />

der Regierung zu einer Verdoppelung des<br />

Strom verbrauchs bis 2045 führen wird. Schweden<br />

möchte mit der Erneuerung der Kernenergie so viel<br />

sauberen Strom wie möglich erzeugen, wieder zu<br />

einer führenden Kernkraftnation werden und ein<br />

Treiber des grünen Wandels im Westen sein,<br />

wie Energie- und Industrieministerin Ebba Busch<br />

erklärte.<br />

Als konkrete Maßnahme zur Beschleunigung des<br />

neuen Kernenergieprogramms wird ein Kernenergiekoordinator<br />

benannt werden, der die Beseitigung<br />

von Hindernissen unterstützen wird und die Realisierung<br />

neuer Kernenergie erleichtern soll. Da zur<br />

Umsetzung der Kernenergie-Roadmap eine Zusammenarbeit<br />

aller Beteiligten er<strong>for</strong>derlich ist, wird der<br />

Koordinator alle relevanten Parteien in die Arbeit<br />

einbeziehen. Darüber hinaus soll der Koordinator<br />

den Bedarf für zusätzliche Maßnahmen ermitteln.<br />

Weitere Maßnahmen in der Kernkraft-Roadmap sind<br />

Investitionen in die Kernenergie<strong>for</strong>schung und<br />

Kompetenzentwicklung bei den Behörden sowie<br />

verstärkte internationale Zusammenarbeit und<br />

Untersuchungen über Möglichkeiten der Genehmigungsvereinfachung.<br />

Die Arbeit an der künftigen<br />

Gestaltung des Strommarktes soll mit der Arbeit am<br />

Ausbau der Kernenergie koordiniert werden.<br />

Zur Unterstützung der Finanzierung neuer Kernkraftprojekte<br />

soll eine staatliche Kreditgarantie in<br />

Höhe von 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden.<br />

Da die Regierung dies allein als nicht ausreichend für<br />

den Anschub von Kernkraftinvestitionen betrachtet,<br />

soll ein Risikoteilungsmodell entwickelt werden, bei<br />

dem sich der Staat am finanziellen Projektrisiko<br />

beteiligt. Finanzministerin Elisabeth Svantesson<br />

begründete das finanzielle Engagement des Staates<br />

mit dem Hinweis darauf, dass die vergangenen Jahre<br />

gezeigt hätten, wie teuer es sei, auf Kernkraft zu verzichten.<br />

Schweden hatte 2016 und 2017 die Kernkraftwerke<br />

Oskarshamn-2 bzw. Oskarshamn-1<br />

sowie Ende 2019 bzw. Ende 2020 die Kernkraftwerke<br />

Ringhals-2 und Ringhals-1 abgeschaltet.<br />

Insbesondere die letzten beiden Abschaltungen<br />

hatten zu einer signifikanten Angebotsverknappung<br />

auf dem (süd-)schwedischen Strommarkt und<br />

infolgedessen zu häufigen Situationen mit hohen<br />

Strompreisen geführt.<br />

Das konkrete Ziel soll die Errichtung von Kernkraftkapazität<br />

im Umfang von zwei Großreaktoren oder<br />

mindestens 2.500 MW bis 2035 sein. Bis 2025 soll es<br />

einen entsprechenden Genehmigungsantrag geben,<br />

über den möglichst in 2026 entschieden werden soll.<br />

Dies deckt sich mit den aktuellen Aktivitäten um den<br />

Standort Ringhals, wo Vorbereitungen für den Neubau<br />

von zwei Kraftwerksblöcken mit rund 2.800 MW<br />

Leistung getroffen werden, wie in der KTG-Fachinfo<br />

16/2023 berichtet. In längerfristiger Perspektive<br />

fossilfreier Stromerzeugung und Energieversorgung<br />

durch Elektrifizierung soll bis 2045 ein Ausbau<br />

realisiert werden, der dem Äquivalent von 10 großen<br />

Kernkraftwerksblöcken entspricht. Die tatsächliche<br />

Menge und Art benötigter Reaktoren hängt dabei<br />

vom Ausbau des Elektrizitätssystems, der technologischen<br />

Entwicklung und der künftigen Verteilung<br />

von neuen Verbrauchs- und Produktionsstandorten<br />

im Land ab.<br />

Vol. 69 (2024)


64<br />

KTG-Fachinfo<br />

Die schwedische Regierung weist der Kernenergie<br />

eine zentrale Rolle nicht nur für die Klimapolitik,<br />

sondern generell für die zukünftige erfolgreiche<br />

Entwicklung des Landes mit einem stabilen und<br />

verlässlichen Elektrizitätssystem sowie einer wettbewerbsfähigen<br />

industriellen Wirtschaft zu. Man<br />

darf dabei daran erinnern, dass Schweden in den<br />

siebziger und achtziger Jahren die schnellste<br />

Ausbaurate der Kernenergiestromerzeugung pro<br />

Kopf in der Welt realisieren konnte, noch vor<br />

Frankreich.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 17/2023 vom 09.11.2023:<br />

Europäische SMR-Industrieallianz<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />

der KTG, im Rahmen des European <strong>Nuclear</strong> Energy<br />

Forum am 6. und 7. November 2023 in Bratislava<br />

hat die Europäische Kommission auf der Veranstaltung<br />

„European SMR Partnership – the Way<br />

<strong>for</strong>ward“ und vertreten durch die Energiekommissarin<br />

Kadri Simson die Schaffung einer EU SMR-<br />

Industrieallianz angekündigt, die sich auf den Einsatz<br />

der SMR- Technologie sowie den Aufbau der Lieferkette<br />

und eines kompetenten Arbeitskräftepotentials<br />

konzentrieren soll. Die SMR-Industrieallianz<br />

steht dabei im Zusammenhang mit dem<br />

generellen Beitrag der Kernenergie zur Energiesicherheit<br />

und Wettbewerbsfähigkeit sowie zu<br />

ambitionierten Klimazielen und soll insbesondere<br />

zum Ziel euro päischer Führerschaft in Technologie<br />

und Industrie und damit auch zur strategischen<br />

Unabhängigkeit Europas beitragen. Die Industrieallianz<br />

soll Anfang kommenden Jahres eingerichtet<br />

werden.<br />

Die SMR-Industrieallianz gründet dabei auf die<br />

Vorarbeit einer europäischen SMR-Vorpartnerschaft,<br />

die mit einem EU SMR-Workshop im Juni<br />

2021 angestoßen wurde und an der insbesondere<br />

die Vereinigung SNETP (Sustainable <strong>Nuclear</strong> Energy<br />

Technology Plat<strong>for</strong>m) beteiligt war. Bei den Vorarbeiten<br />

zur EU SMR-Partnerschaft wurde im<br />

Januar 2022 ein Steuerungskomitee eingerichtet, das<br />

im Juli fünf Berichte zu den Themen Marktintegration<br />

und Errichtung, Genehmigung, Finanzierung<br />

und Partnerschaften, Entwicklung der Lieferketten<br />

sowie Innovation, Forschung und Entwicklung<br />

vorgelegt hat. Darin wird davon ausgegangen, dass<br />

bis 2035 2 bis 5 GW und bis 2040 rund 20 GW SMR-<br />

Kapazität in der EU installiert sein werden.<br />

Die SMR-Industrieallianz soll sich auf vier Schlüsselbereiche<br />

konzentrieren:<br />

⁃ Marktanreize: die Bedürfnisse der energieintensiven<br />

Industrien angehen und die Lösungsmöglichkeiten<br />

durch SMR aufzeigen.<br />

⁃ SMR Finanzierung: Kostenteilungsmöglichkeiten<br />

und finanzielle Unterstützung für einzelne<br />

Projekte ermitteln.<br />

⁃ Sicherstellen, dass die Nuklearindustrie gut<br />

gerüstet ist: dazu gehören die Stärkung von<br />

Aus- und Weiterbildung, um ein kompetentes<br />

Arbeitskräftepotential bereit zu stellen und die<br />

Erhöhung der Beteiligung von EU-Lieferketten<br />

in der Entwicklung von SMR.<br />

⁃ Unterstützung für Innovation, Forschung und<br />

Entwicklung (I, F+E): Identifizierung der Bedürfnisse<br />

um relevante I, F+E Programme und<br />

Einrichtungen bereit zu stellen.<br />

Am 26. Oktober fand ein Stakeholder<strong>for</strong>um zur<br />

EU-SMR-Vorpartnerschaft statt, in dem neben dem<br />

Bericht über den Stand der Aktivitäten und einem<br />

Einblick in die Arbeit der Finanzierungs-AG über<br />

folgende Themen diskutiert wurde:<br />

⁃ Entwicklung von Vorlagen für die Ausarbeitung<br />

von Kosten- und Risikoteilungsmechanismen<br />

bis zur erfolgreichen Errichtung der ersten Einheiten.<br />

⁃ Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden<br />

derjenigen Länder, die eine Serie<br />

identischer SMR installieren wollen sowie<br />

Möglichkeiten zur Ausführung von Sicherheitsbewertungen<br />

durch verstärkten Austausch<br />

zwischen den Aufsichtsbehörden unter Beibehaltung<br />

ihrer souveränen Verantwortlichkeit.<br />

⁃ Fähigkeit der Lieferkette zur Bewältigung der<br />

erhöhten Arbeitsbelastung bei Fertigung und<br />

Errichtung unter Einbeziehung verschiedener<br />

europäischer Anbieter mit vergleichbarer industrieller<br />

Vorgehensweise und Praxis.<br />

⁃ Befähigung der F+E Kapazitäten zum Füllen der<br />

technologieabhängigen Wissenslücken und zur<br />

Bereitstellung von Bausteinen für Sicherheitsnachweise<br />

und der Leistungsfähigkeit von SMR.<br />

EU-Energiekommissarin Kadri Simson bekräftigte<br />

bei ihrer Rede auf dem ENEF (European <strong>Nuclear</strong><br />

Energy Forum) die Einrichtung der SMR-Industrieallianz<br />

in den kommenden Monaten mit Beteiligung<br />

der Europäischen Kommission, der Industrie,<br />

der Forschung und der Aufsichtsbehörden. Sie<br />

berichtete von Fortschritten bei einer von Russland<br />

unabhängigen Beschaffung von Brennstoff für<br />

Reaktoren sowjetischen/russischen Typs, sah aber<br />

noch Heraus<strong>for</strong>derungen in den Bereichen Service,<br />

Instandhaltung, Komponenten und Systeme. Simson<br />

erklärte, dass zur Aufrechterhaltung der installierten<br />

Ausgabe 1 › Januar


KTG-Fachinfo<br />

65<br />

Kapazität an Kernenergie bis 2050 in der EU Investitionen<br />

in Höhe von 350 bis 450 Milliarden Euro<br />

notwendig seien.<br />

Der Verband der europäischen Elektrizitätswirtschaft,<br />

eurelectric, hat am 8. November ein Positionspapier<br />

zur Rolle von SMR zur Erreichung klimapolitischer<br />

Ziele veröffentlicht. Darin werden SMR<br />

als Ergänzung zu großen Kernkraftwerken insbesondere<br />

vor dem Hintergrund der Steigerung der<br />

Stromerzeugung in der EU von 3.064 TWh in 2020<br />

auf 5.791 TWh in 2040 als Bestandteil eines Net-<br />

Zero-Ansatzes hervorgehoben.<br />

Eurelectric geht davon aus, dass künftige SMR<br />

mit einer hohen Flexibilität gut für die Integration<br />

erneuerbarer Energien und die Bereitstellung von<br />

Netzdienstleistungen geeignet sein werden. Auch<br />

die Möglichkeit einer Umrüstung bestehender<br />

Standorte thermischer Kraftwerke, insbesondere<br />

von Kohlekraftwerken, wird – auch mit Blick auf die<br />

bestehende Netztopographie – als ein Vorteil und<br />

möglicher Einsatzbereich von SMR angesprochen.<br />

SMR werden wegen ihrer geringen marginalen<br />

Erzeugungskosten auch als Stütze der Elektrifizierung<br />

bei Raumwärme und im Verkehr betrachtet.<br />

Dazu treten Anwendungsmöglichkeiten jenseits der<br />

Erzeugung von Strom für das Versorgungsnetz etwa<br />

in der Fernwärmeerzeugung und in der Bereitstellung<br />

von Wärme und Strom zur Dekarboni sierung<br />

industrieller Prozesse an deren Standorten.<br />

Eurelectric <strong>for</strong>dert die Schaffung eines wettbewerbsfähigen<br />

europäischen SMR-Marktes mit europäisch<br />

integrierten Lieferketten, standardisierten nuklearen<br />

und nicht-nuklearen Komponenten sowie harmonisierten<br />

Genehmigungen durch Kooperation der<br />

Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden.<br />

Eurelectric spricht sich für die technologieneutrale<br />

Gleichbehandlung aller Netto-Null-Technologien in<br />

der EU aus und begrüßt die Aufnahme von Nukleartechnologien<br />

in den Net-Zero Industry Act (NZIA)<br />

durch das Europäische Parlament. Diese Technologieneutralität<br />

soll sich auch auf die Finanzierung und<br />

Marktregulierung erstrecken. Der Verband <strong>for</strong>dert<br />

die EU-Kommission auf, eine EU-Kommunikationsstrategie<br />

für die Umwandlung von Kohlestandorten<br />

in SMR-Standorte zu entwickeln, um eine breite<br />

öffentliche Akzeptanz zu erreichen.<br />

Bei Entwicklung und Bewertung von SMR-Technologie<br />

können deutsche Forschungseinrichtungen<br />

sowie hiesige Unternehmen bzw. Standorte wertvolle<br />

Beiträge leisten, nicht nur im Sinne der quantitativen<br />

Verstärkung der Kapazitäten, sondern wegen<br />

des hohen Kompetenzniveaus und der vorhandenen<br />

Infrastruktur auch im Sinne eines qualitativen<br />

Beitrags zu einer industriellen und technologischen<br />

Führungsposition der EU. Mutatis mutandis gilt das<br />

auch für die Realisierung von Projekten und die<br />

Bereitstellung von Kapazität für Fertigung und<br />

Errichtung von SMR im kommenden Jahrzehnt.<br />

Wenn man annimmt, dass bei 60 Kalenderjahren<br />

Betrieb bis 2050 rund 85 GW von 100 GW heute<br />

in der EU installierter Kernkraftkapazität ersetzt<br />

werden muss und der Kernenergieanteil bei<br />

durch Elektrifizierung/Dekarbonisierung um 55 bis<br />

95 Prozent steigendem Strombedarf (IEA, eurelectric<br />

2023) gleichbleibt, dann dürften die Gesamtinvestitionen<br />

im Kernenergiesektor der EU noch<br />

deutlich über der Schätzung der EU-Kommission<br />

liegen und einen erhebliches Wachstum des Sektors<br />

auch in Deutschland er<strong>for</strong>dern.<br />

Zugleich muss man festhalten, dass die Markteinführung<br />

von SMR neben den weiterhin sinnvollen<br />

und auch wettbewerbsfähigen großen Kernkraftwerkseinheiten<br />

kein Selbstläufer sein wird. Gerade<br />

wurde in den Vereinigten Staaten ein wichtiges<br />

Pilotprojekt, die Errichtung einer SMR-Anlage mit<br />

sechs modularen Einheiten von NuScale <strong>Power</strong><br />

durch den kommunalen Versorgerzusammenschluss<br />

Utah Associated Municipal <strong>Power</strong> Systems<br />

(UAMPS) beendet, weil nach Kostensteigerungen<br />

von 53 Prozent die Schwelle von 80 Prozent teilnehmender<br />

UAMPS-Partner nicht erreicht werden<br />

konnte. Dies könnte auch auf ein geplantes rumänisches<br />

sowie mögliche polnische Projekte Auswirkungen<br />

haben.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

KTG-Fachinfo 16/2023 vom 02.11.2023:<br />

Jüngste Entwicklungen<br />

im europäischen Neubaumarkt<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder<br />

der KTG, in den vergangenen Tagen hat es einige<br />

weitere Entwicklungen im europäischen Kernkraft-<br />

Neubaumarkt gegeben, nachdem es bereits in<br />

den Wochen zuvor eine Vertragsunterzeichnung<br />

über das standortspezifische Design des ersten<br />

polnischen Kernkraftwerks, weitere Bewerbungen<br />

für ein von den Vereinigten Staaten gefördertes<br />

nukleares Konversionsprogramm für Kohlekraftwerksstandorte<br />

in Mittel- und Osteuropa sowie eine<br />

Entscheidung über die finale Auswahlrunde für SMR-<br />

Projekte im Vereinigten Königreich gegeben hat.<br />

Vol. 69 (2024)


66<br />

KTG-Fachinfo<br />

In Bulgarien hat die Regierung am 25. Oktober<br />

beschlossen, einen weiteren Block am Standort<br />

Kozloduy mit einem AP1000 von Westinghouse zu<br />

errichten sowie den Energieminister zu beauftragen,<br />

einen Vertrag zum Bau des ersten AP1000 am Standort<br />

auszuhandeln. Am Standort Kozloduy befinden<br />

sich vier abgeschaltete Blöcke sowjetischer Bauart<br />

mit zusammen 1.760 MW Bruttoleistung sowie<br />

zwei Blöcke VVER-320 mit je 1.040 MW Bruttoleistung,<br />

die 1989 bzw. 1993 in Betrieb gegangenen<br />

sind. Die beiden neuen Blöcke mit rund 2.200 MW<br />

Leistung sollen die in den Nuller-Jahren abgeschalteten<br />

440-MW-Blöcke ersetzen und mit ihrer<br />

besseren Lastfolgefähigkeit zu einer verbesserten<br />

Netz regelung beitragen, wie sie durch den Ausbau<br />

volatiler erneuerbarer Energien er<strong>for</strong>derlich ist.<br />

Am 31. Oktober hat Elektrárna Dukovany II (EDU II),<br />

eine Tochter des tschechischen Energieversorgers<br />

CEZ, die endgültigen Bewerbungen auf die Ausschreibung<br />

des Kernkraftwerksprojektes Dukovany<br />

II erhalten.<br />

Als Bewerber im Verfahren verblieben sind EDF mit<br />

einem modifizierten EPR mit 1.200 MW Leistung,<br />

KHNP mit einem APR1000, eine mit Technologie<br />

des aus dem Projekt Barakah bekannten APR1400<br />

weiter entwickelte Version des in Südkorea betriebenen<br />

OPR1000 mit rund 1.000 MW Leistung<br />

sowie Westinghouse mit dem AP1000. Für das Projekt<br />

eines neuen Kernkraftwerksblocks in dieser Leistungsklasse<br />

liegt bereits eine positiv abgeschlossene<br />

Umweltverträglichkeitsprüfung sowie<br />

eine Standortgenehmigung vor. Derzeit läuft eine<br />

nach tsche chischem Baurecht er<strong>for</strong>derliche so<br />

genannte Zoning Procedure für u. a. Abwasserleitungen,<br />

Stromleitungen und Zubringerstraßen. Die<br />

Entscheidung über den Lieferanten in der seit<br />

März 2022 laufenden Ausschreibung wird für<br />

Februar 2024 erwartet, der Bau soll 2029 und die<br />

Inbetriebsetzung 2036 beginnen. Am Standort<br />

Dukovany laufen derzeit vier VVER V-213 mit<br />

zusammen 2.000 MW Bruttoleistung, die zwischen<br />

1985 und 1987 in Betrieb gegangen sind.<br />

bevorstehende Genehmigungsanträge bei der<br />

Strahlenschutzbehörde und dem Land- und Umweltgericht<br />

dienen.<br />

Vattenfall strebt eine Netzsynchronisation für 2032<br />

an. Am Standort Ringhals befinden sich derzeit zwei<br />

Reaktorblöcke mit zusammen 2.288 MW Bruttoleistung<br />

in Betrieb, die 1981 bzw. 1983 in Betrieb<br />

gegangen sind. Zwei weitere Blöcke mit zusammen<br />

1.873 MW Bruttoleistung wurden Ende 2019 bzw.<br />

Ende 2020 abgeschaltet.<br />

Diese Entwicklungen der vergangenen Tage und<br />

Wochen in verschiedenen Ländern West-, Nord-,<br />

Mittel- und Osteuropas zeigen eindrücklich, dass die<br />

Rückbesinnung auf die Kernenergie im Spannungsfeld<br />

von Klimapolitik, Energieunabhängigkeit und<br />

wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit deutlich<br />

Fahrt aufnimmt und Kernkraftwerke auch in entwickelten<br />

Volkswirtschaften ihren langfristigen<br />

Platz im Energiemix haben. Damit einher geht eine<br />

positive Perspektive für die kerntechnische Wirtschaft<br />

in ganz Europa und natürlich auch in Deutschland.<br />

Das ist eine schöne Botschaft, die möglichst<br />

weite Verbreitung verdient, gerade auch für junge<br />

Menschen, die überlegen, welche Wege in Bildung<br />

und Beruf für sie die richtigen sein könnten.<br />

Ihre KTG-Geschäftsstelle<br />

Nicolas Wendler<br />

In Schweden hat Vattenfall am 1. November einen<br />

Planungsbescheid zur Ausarbeitung eines geänderten<br />

Detailplanes für den Standort Ringhals<br />

beantragt, um dort den Bau neuer Kernkraftwerksblöcke<br />

zu ermöglichen. Seit dem Frühjahr wird an<br />

einer Umweltverträglichkeitserklärung gearbeitet,<br />

und seit dem Sommer läuft ein Anfrageprozess an<br />

Reaktorlieferanten. Die Vorstudie für die Neubauten<br />

mit einer Leistung von 2.800 MW soll bis Jahresende<br />

abgeschlossen sein und dann als Grundlage für<br />

Ausgabe 1 › Januar


Vor 66 Jahren<br />

67<br />

Das Atomprogramm muss verwirklicht<br />

werden<br />

Vol. 69 (2024)


68<br />

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Vor 66 Jahren<br />

Ausgabe 1 › Januar


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Ausgabe 1 › Januar


KTG Inside<br />

73<br />

Nachwuchstagung 2023<br />

Bericht zur Nachwuchstagung 2023<br />

der Jungen Generation<br />

Am 14. und 15. November<br />

fand die diesjährige Nachwuchstagung<br />

der Jungen<br />

Generation der KTG bei der<br />

Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit<br />

(GRS) in Garching<br />

bei München statt. Der Fokus der<br />

Nachwuchstagung lag dieses Jahr<br />

auf den Themen Kernfusion und<br />

Forschungsreaktoren in Deutschland.<br />

Das Ziel der Tagung war es,<br />

jungen Interessenten aus ganz<br />

Deutschland die Perspektiven<br />

aufzuzeigen, die es trotz des<br />

Abschaltens der letzten Leistungsreaktoren<br />

im April sowohl<br />

in der Forschung als auch in<br />

der Industrie noch gibt. In diesem<br />

Zusammenhang war es besonders<br />

erfreulich, zahlreiche Referenten aus unterschiedlichsten<br />

Bereichen der Kerntechnik willkommen<br />

zu heißen.<br />

Als erste Referenten hielten Joachim Herb und<br />

Jan Soedingrekso (beide GRS) Fachvorträge zu<br />

den Themen Lizensierung von Fusionskraftwerken<br />

sowie <strong>for</strong>tschrittliche Sicherheitsanalysen. Dabei<br />

wurden zum einen die unterschiedlichen Fusionskonzepte<br />

vorgestellt, die sowohl in Deutschland als<br />

auch im Ausland entwickelt und umgesetzt werden.<br />

Zum anderen wurden tagesaktuelle Themen wie<br />

die Nutzung von künstlichen Intelligenzen (KI) für<br />

Sicherheitsanalysen diskutiert, die auch im kerntechnischen<br />

Bereich an Bedeutung gewinnen. Eine<br />

anschließende Führung in Kleingruppen durch das<br />

Centre <strong>for</strong> Advanced Laser Applications (CALA), wo<br />

mithilfe von Lasertechnologie in Bereichen wie<br />

Medizin und Kernfusion ge<strong>for</strong>scht wird, brachte<br />

spannende Einblicke in einen Teilbereich der Fusions<strong>for</strong>schung.<br />

Im Anschluss stellte Heike Freund,<br />

COO von Marvel Fusion, zukünftige Pläne und Herangehensweisen<br />

vor, die Nutzung der Kernfusion zur<br />

Stromerzeugung zu realisieren. Erfolge und er reichte<br />

Meilensteine zeigten, dass man sich auf einem<br />

vielversprechenden Weg befände, den es durchaus<br />

weiterzuverfolgen lohnt. Dass die Fusions<strong>for</strong>schung<br />

Gruppenfoto am FRMII (© FRM II TUM)<br />

gerade in Deutschland sehr ernst genommen wird,<br />

zeigte auch die letzte Exkursion des ersten Tages<br />

zum Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in<br />

Garching. Dort konnten die Teilnehmer der Tagung<br />

mit der Fusionsanlage ASDEX Upgrade vom Typ<br />

Tokamak eine der größten in Betrieb befindlichen<br />

deutschen Versuchsanlagen zur Entwicklung von<br />

Fusionsreaktoren besichtigen.<br />

Den zweiten Tagungstag eröffnete Herr Vitaly Ivenin<br />

(GRS) mit dem aktuellen Thema Sicherheit ukrainischer<br />

Kernkraftwerke während des Krieges und<br />

ging damit auch auf aktuelle Gefährdungen und<br />

Probleme ein, die die Kampfhandlungen für die<br />

nukleare Sicherheit in der Ukraine mit sich bringen.<br />

In diesem Kontext thematisierte er auch den Beitrag<br />

der GRS auf diesem Gebiet hinsichtlich der Kommunikation<br />

von In<strong>for</strong>mationen gegenüber einer breiten<br />

Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Kriegsgeschehens<br />

auf die Sicherheit der nuklearen Einrichtungen.<br />

Herr Jie Liu präsentierte im Anschluss das<br />

Thema seiner Promotionsarbeit, die der Fehlerdiagnose<br />

basierend auf Methoden des maschinellen<br />

Lernens für Kernkraftwerke gewidmet ist. Passend<br />

zur dritten Exkursion der Nachwuchstagung, die die<br />

Teilnehmer zum Forschungsreaktor FRM II führte,<br />

referierte Florian Jeschke (TUM) über die besonderen<br />

Vol. 69 (2024)


74<br />

<br />

KTG Inside<br />

Brennelemente des FRM II und deren fachgerechte<br />

Entsorgung. Dafür stellte er den dafür vorgesehenen<br />

Transport- und Lagerbehälter CASTOR® MTR3 vor,<br />

der später auch bei der Exkursion zu sehen war.<br />

Weiterhin stellte Lars Rinn mit eindrücklichen Videoaufnahmen<br />

die Arbeit der Siempelkamp NIS beim<br />

Rückbau von Reaktordruckbehältern vor. Einen<br />

weiteren Weg, im Bereich der Kerntechnik tätig zu<br />

werden, zeigte Cord Lehmann von der Friotherm-<br />

Gruppe. Dabei wurde der Einsatz von Kältemaschinen<br />

vorgestellt, die für den Einsatz in<br />

Kernkraftwerken besonders hohe An<strong>for</strong>derungen<br />

erfüllen müssen.<br />

sich alle Beteiligten für eine zusammenfassende<br />

Diskussion zusammen, wobei verbliebene offene<br />

Fragen beantwortet wurden. Unser Dank gilt allen<br />

Teilnehmern, Referenten sowie der TUM, dem IPP<br />

und CALA für die großartigen Führungen durch ihre<br />

Anlagen. Ein besonderer Dank gilt außerdem der GRS<br />

als Gastgeber der Tagung. Nach vielen positiven<br />

Rückmeldungen freuen wir uns bereits auf eine rege<br />

Teilnahme an der nächsten Nachwuchstagung 2024.<br />

Elvira Martynov<br />

Vorstandsmitglied der Jungen Generation der KTG e.V.<br />

Einen weiteren Höhepunkt der Nachwuchstagung<br />

stellte die Führung durch den Kontrollbereich des<br />

FRM II dar, bei der die Experimentier- und Neutronenleiterhalle<br />

sowie das Brennelementlagerbecken<br />

besichtigt werden konnten. Zum Abschluss fanden<br />

Liebe KTG-Mitglieder,<br />

ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende zu. Vielen von<br />

uns wird es ähnlich gehen: alles scheint sich ständig<br />

„schneller zu drehen“ und man hat kaum mehr Zeit<br />

zum Innehalten.<br />

Mit der Kerntechnik in Deutschland ist es leider<br />

genau andersherum. Wir haben in Deutschland –<br />

politisch motiviert – nunmehr auch die letzten<br />

Kernkraftwerke abgeschaltet. Zugleich können wir<br />

feststellen, dass der internationale und europäische<br />

Trend in eine ganz andere Richtung geht: Zusätzlich<br />

zu zahlreichen Neubauinitiativen und Projekten, die<br />

in Europa angeschoben werden, hat sich in der EU<br />

eine „Nuklearallianz“ zur Stärkung der Kernenergie<br />

gebildet und findet die Kernenergie nach der wegweisenden<br />

Taxonomie-Entscheidung von 2022 auch<br />

in immer mehr anderen europäischen Gesetzgebungs<br />

verfahren positive Anerkennung. Zuletzt hat<br />

sich auf der Weltklimakonferenz in Dubai eine<br />

Gruppe von 22 Staaten klar zu einem massiven<br />

weltweiten Ausbau der Kernkraft als unerlässlichem<br />

Beitrag zur Klimapolitik bekannt.<br />

deutsche Weg schwer nachzuvollziehen. Die internationale<br />

Entwicklung dagegen gibt uns Anlass<br />

zu Optimismus und Kraft, zu einem neuen Aufbruch<br />

in der Kerntechnik auch aus Deutschland heraus<br />

beizutragen.<br />

Wir werden uns weiterhin für die Kerntechnik in<br />

Deutschland einsetzen, sachliche In<strong>for</strong>mationen<br />

bereitstellen, Diskussions<strong>for</strong>en und Veranstaltungen<br />

anbieten und jungen Menschen die Attraktivität der<br />

Branche darlegen.<br />

Wir danken Ihnen für die Mitgliedschaft<br />

und Unterstützung der KTG und<br />

wünschen Ihnen besinnliche Feiertage<br />

und einen guten Start ins neue Jahr.<br />

Ihr KTG-Vorstand<br />

Für uns als KTG‘ler, die die „Faszination Kerntechnik“<br />

verbindet, die in allen Bereichen der kerntechnischen<br />

Branche tätig sind oder waren und die um die<br />

Leistungsfähigkeit der Kerntechnik wissen, ist der<br />

Ausgabe 1 › Januar


KTG Inside<br />

75<br />

Die KTG gratuliert an dieser Stelle unseren besonderen Jubilaren ab und<br />

in ihren „ Neunzigern“. Wir danken für die lange und treue Mitgliedschaft<br />

in der KTG und wünschen noch viele glückliche Lebensjahre.<br />

Inside<br />

Februar 2024<br />

90 Jahre | 1934<br />

9. Dr. Horst Keese<br />

Rodenbach<br />

12. Dipl.-Ing. Horst Krause<br />

Radebeul<br />

März 2024<br />

93 Jahre | 1934<br />

25. Dr. Hans-Ulrich Borgstedt,<br />

Karlsruhe<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

Die KTG gratuliert ihren Mitgliedern sehr herzlich zum Geburtstag<br />

und wünscht ihnen weiterhin alles Gute!<br />

Februar 2024<br />

35 | 1989<br />

19. Brauer Christian, Radbruch<br />

45 | 1979<br />

2. Dipl.-Ing. Giulio Malinverno, Como/IT<br />

12. Stephanie Gottstein, Crinitzberg<br />

60 | 1964<br />

5. Dipl.-Ing. Lutz Föllner, Altdorf<br />

71 | 1953<br />

3. Dr. Reinhard Knappik, Dresden<br />

72 | 1952<br />

22. Dr. Paul David Bottomley,<br />

Pfinztal-Kleinsteinbach<br />

74 | 1950<br />

12. Karl-Heinz Durst, Hessdorf<br />

75 | 1949<br />

4. Gerhard Gradel, Forchheim<br />

10. Siegfried-P. Kaufmann, Linnich<br />

76 | 1948<br />

7. Dr. Hans-Hermann Remagen, Brühl<br />

14. Reinhold Rothenbücher, Erlangen<br />

23. Dr. Rudolf Görtz, Salzgitter<br />

29. Dr. Anton von Gunten,<br />

Oberdiessbach/CH<br />

79 | 1945<br />

1. Prof. Alfred Voß, Stuttgart<br />

23. Dipl.-Ing. Victor Teschendorff, München<br />

28. Dr. Günther Dietrich, Holzwickede<br />

80 | 1944<br />

26. Dr. Ivar Kalinowski, Ohrum<br />

81 | 1943<br />

5. Dr. Joachim Banck, Heusenstamm<br />

20. Ing. Leonhard Irion, Rückersdorf<br />

28. Dr. Klaus Tägder, Sankt Augustin<br />

82 | 1942<br />

22. Dr. Cornelis Broeders, Linkenheim<br />

84 | 1940<br />

9. Dr. Gerhard Preusche, Herzogenaurach<br />

13. Dr. Hans-Ulrich Fabian, Gehrden<br />

85 | 1939<br />

8. Dr. Herbert Spierling, Dietzenbach<br />

22. Dr. Manfred Schwarz, Dresden<br />

86 | 1938<br />

15. Dr. Hans-Heinrich Krug, Saarbrücken<br />

87 | 1937<br />

6. Dipl.-Ing. Heinrich Moers,<br />

Winter Park/USA<br />

11. Dr.-Ing. Günter Keil, Sankt Augustin<br />

18. Dipl.-Ing. Hans Wölfel, Heidelberg<br />

88 | 1936<br />

6. Dr. Ashu-Tosh Bhattacharyya, Erkelenz<br />

März 2024<br />

45 | 1978<br />

10. Sven Nothvogel, Bad Vilbel<br />

55 | 1968<br />

20. Thomas Wiese, Ebermannstadt<br />

30. Dr. Heiko Ringel, Gundremmingen<br />

72 | 1951<br />

3. Dipl.-Ing. Günter Müller, Mühlheim<br />

30. Dipl.-Ing. (FH) Adelbert Geßler,<br />

Zusmarshausen<br />

73 | 1950<br />

23. Hans-Dieter Schmidt, Dortmund<br />

74 | 1949<br />

5. Dipl.-Ing. Hans Gawor, Bad Honnef<br />

27. Walter Defren, Heddesheim<br />

75 | 1948<br />

13. Dipl.-Kfm. Jochen Bläsing, Mörlenbach<br />

76 | 1947<br />

6. Dr. Michael Weis, Rödermark<br />

78 | 1945<br />

4. Dr. Bernd Hofmann,<br />

Eggenstein-Leopoldsh.<br />

11. Dr. Ulrich Krugmann, Erlangen<br />

11. Joachim Lange, Burgdorf<br />

20. Dipl.-Ing. mult. Herbert Niederhausen,<br />

Gebhardshain<br />

79 | 1944<br />

2. Dr. Peter Schnur, Hannover<br />

10. Prof. Dr. Reinhard Odoj, Hürtgenwald<br />

80 | 1943<br />

16. Dipl.-Ing. Jochen Heinecke, Kürten<br />

20. Dipl.-Ing. Jörg Brauns, Hanau<br />

81 | 1942<br />

10. Dipl.-Phys. Alfons Scholz, Brühl<br />

83 | 1940<br />

1. Dipl.-Ing. Wolfgang Stumpf, Moers<br />

3. Dipl.-Ing. Eberhard Schomer, Erlangen<br />

7. Dr. Volker Klix, Gehrden<br />

18. Dipl.-Ing. Friedhelm Hülsmann, Garbsen<br />

84 | 1939<br />

1. Prof. Dr. Günter Höhlein, Unterhaching<br />

85 | 1938<br />

4. Dr. Rainer Göhring, Nieblum/Föhr<br />

88 | 1935<br />

2. Dipl.-Ing. Joachim Hospe, München<br />

20. Dr. Jürgen Ahlf, Neustadt in Holstein<br />

Wenn Sie künftig eine Erwähnung Ihres<br />

Geburtstages in der <strong>atw</strong> wünschen, teilen<br />

Sie dies bitte der KTG- Geschäftsstelle mit.<br />

KTG Inside<br />

Lektorat: Kerntechnische Gesellschaft e. V. (KTG), Berliner Straße 88A, 13467 Berlin | E-Mail: info@ktg.org | www.ktg.org<br />

Vol. 69 (2024)


76<br />

<br />

KTG Inside<br />

† Nachruf<br />

Wir haben die traurige Nachricht erhalten, dass<br />

Prof. Dr. Jae-Il Kim<br />

† 3.12.2023<br />

am 03.12.2023 im Alter von 87 Jahren verstorben ist.<br />

Er war von 1991 bis 2002 Direktor des Instituts für Nukleare Entsorgung (INE) am<br />

damaligen Forschungszentrum Karlsruhe (heute KIT). Zuvor bekleidete er<br />

Professuren für Radio- und Nuklearchemie an der TU München und an der KTH<br />

in Stockholm. Lange Zeit war er Mitglied der Kerntechnischen Gesellschaft e.V.<br />

(KTG) und dort Vorstandsmitglied der Sektion „Chemie und Entsorgung“. Seine<br />

Arbeiten zu Themen der Actinidenchemie und des Radionuklidverhaltens unter<br />

den Bedingungen eines Endlagers für radioaktive Abfälle mit Hilfe innovativer<br />

Methoden genießen bis heute große internationale Anerkennung. Bereits 1990<br />

wurde ihm für seine hervorragende wissenschaftliche Arbeit der Karl-Wirtz-Preis<br />

der KTG verliehen.<br />

Prof. Kim war darüber hinaus im In- und Ausland für eine Reihe wissenschaftlicher<br />

Organisationen beratend tätig. Beispielhaft seien seine Mitgliedschaft in der<br />

Reaktorsicherheitskommission (RSK) und seine Beratertätigkeit für den deutschen<br />

Wissenschaftsrat genannt. Seinem Heimatland Südkorea blieb er durch wissenschaftliche<br />

Kooperationen und Beratertätigkeiten immer eng verbunden. Dafür<br />

wurden ihm mehrere Preise, u. a. 1986 der Ehrenpreis des koreanischen Premierministers<br />

und 1995 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Seoul verliehen.<br />

Seine wegweisenden wissenschaftlichen Leistungen und sein stetes<br />

Engagement bei der Förderung junger Wissenschaftler/innen<br />

werden wir nicht vergessen und ihm ein ehrendes Andenken bewahren.<br />

Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.<br />

Im Namen des Karlsruher Institut für Technologie<br />

Prof. Dr. Horst Geckeis und Prof. Dr. Walter Tromm<br />

Ausgabe 1 › Januar


KTG Inside<br />

77<br />

† Nachruf<br />

Dr. Günter Kussmaul<br />

* 26.5.1934<br />

† 13.10.2023<br />

Nach dem Vordiplom an der Universität Karlsruhe, wo er auch ein<br />

erfolgreicher Leichtathlet war, wechselte er zur TU München, um am<br />

Reaktor Garching zu <strong>for</strong>schen. Dort wurde seine Leidenschaft für die<br />

Kernenergie geweckt.<br />

Als Diplom Physiker begann er 1963 seine Arbeit am Institut für Neutronenphysik<br />

und Reaktortechnik im Kern<strong>for</strong>schungszentrum Karlsruhe auf dem Gebiet der<br />

Reaktorsicherheit und der schnellen Brüter. Nach der Promotion ermutigte ihn<br />

das Institut an internationalen Kooperationen teilzunehmen. So kam er mit seiner<br />

jungen Familie für 2 Jahre nach Kali<strong>for</strong>nien, um bei General Electric am SEFOR<br />

Reaktor mitzuarbeiten.<br />

1974 kam er nach Südfrankreich zum Kern<strong>for</strong>schungszentrum Cadarache. Dort<br />

leitete er bis 1988 die deutsche Delegation des internationalen Projekts CABRI.<br />

Diese Zeit war für ihn nicht nur wissenschaftlich prägend, sondern auch durch die<br />

enge Zusammenarbeit mit deutschen, französischen und internationalen Kollegen<br />

bereichernd.<br />

Die Jahre nach der Pensionierung 1996 verbrachte er mit seiner Frau in Manosque,<br />

Südfrankreich. Dort genossen sie das schöne Klima der Provence und die Nähe<br />

zu ihrem Sohn und dessen Familie in Marseille. Sein lebenslanges Interesse an<br />

Naturwissenschaften, Geschichte und Kunst füllte seine Tage. Er unternahm auch<br />

zahlreiche Reisen, insbesondere in die USA, wo er neben Nationalparks den<br />

zweiten Sohn und dessen Familie in Boston besuchen konnte.<br />

Der plötzliche Tod seiner Frau im Jahr 2018 stellte für ihn einen schweren<br />

Verlust dar. Dennoch lebte er bis zuletzt mit Freude und Engagement.<br />

Regelmäßige Treffen mit seiner Familie boten ihm Trost und Erfüllung.<br />

In liebevollem Gedenken<br />

Andreas mit Familie in Boston<br />

Thomas mit Familie in Marseille.<br />

Vol. 69 (2024)


78<br />

Report<br />

<strong>International</strong> Conference on<br />

<strong>Nuclear</strong> Decommissioning 2023<br />

– Rückblick<br />

Wie schon in den vergangenen Jahren veranstaltete das Aachen Institute <strong>for</strong> <strong>Nuclear</strong><br />

Training GmbH (AiNT) auch 2023 wieder die <strong>International</strong> Conference on <strong>Nuclear</strong><br />

Decommissioning (ICOND); eine der wichtigsten Branchentreffs im Bereich des<br />

nuklearen Rückbaus und der Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Zum nunmehr zwölften<br />

Mal wurden auch in diesem Jahr bedeutende Innovationen und aktuelle Entwicklungen von<br />

33 Vortragenden den mehr als 280 Teilnehmenden aus 16 Ländern vorgestellt und gemeinsam<br />

diskutiert. Im Fokus standen dabei nicht nur fachlich/technische, sondern auch gesellschaftlich<br />

und politische Aspekte. An der ICOND 2023 haben sich darüber hinaus zahlreiche<br />

bedeutende Fachunternehmen beteiligt, die ihre Produkte und Dienstleistungen in der<br />

begleitenden Ausstellung präsentierten.<br />

In dem Pre-Conference Workshop am 13. November<br />

2023 präsentierten die Vortragenden ihre aktuellen<br />

Produkte und Dienstleistungen für den nuklearen<br />

Rückbau. Den TeilnehmerInnen wurden dabei<br />

sowohl innovative und hoch anspruchsvolle<br />

Messtechniken als auch Rückbau, Dekontaminations-<br />

sowie Behandlungsverfahren anschaulich<br />

vorgestellt.<br />

Die ICOND wurde fachlich am 14. November 2023<br />

mit dem Themenschwerpunkt Strategien und<br />

Marktentwicklung eröffnet. Als erster Redner<br />

diskutierte Herr Oehr, Geschäftsführer der GNS<br />

Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, die<br />

spannende Frage, ob Deutschland auf dem Weg der<br />

Trans<strong>for</strong>mation vom Erzeugungs- zum Rückbauweltmeister<br />

sei? Seitens der Betreiber stellten<br />

Herr Weiß, Leiter Nukleare Abfallentsorgung bei<br />

PreussenElektra GmbH, und Herr Berben, Leiter<br />

Stilllegung und Management radioaktiver Abfälle<br />

bei ENGIE Electrabel, die Fortschritte in ausgewählten<br />

Rückbauvorhaben vor. Über die aktuellen<br />

Stände der Errichtung und der Abrufvorbereitung<br />

des Endlagers Konrad wurde von Herrn<br />

Dr. Samwer, Leiter Genehmigungen für das Endlager<br />

Konrad der BGE Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />

mbH, referiert. Vor allem bei den deutschen<br />

Betreibern waren die Erwartungen und das<br />

Interesse an diesem Vortrag besonders groß und<br />

die Umsetzung der Festlegungen aus der gehobenen<br />

wasserrechtlichen Erlaubnis führte zu intensiven<br />

Diskussionen. Thematisch wurde der erste<br />

ICOND-Tag von den internationalen Beratern Herr<br />

König von Jacobs Ltd. und Herrn Austin von EnergySolutions<br />

LLC abgerundet, welche die Stilllegung<br />

von kerntechnischen Anlagen in den globalen<br />

Kontext der Energiewende sowie der UN-Nachhaltigkeitsziele<br />

setzten.<br />

Der effektive Austausch und die intensiven Gespräche<br />

wurden beim Conference Dinner im Aachener<br />

Fußballstadion TIVOLI weiter <strong>for</strong>tgesetzt. Bei belgischem<br />

Bier und reichlichen weiteren Delikatessen<br />

klang damit der erste ICOND-Tag in der beeindruckenden<br />

Aachener Stadionatmosphäre erfolgreich<br />

aus.<br />

Der zweite ICOND-Tag gliederte sich in die Themenschwerpunkte<br />

Projektstatus & bewährte Verfahren,<br />

Rückbautechnologien, Innovation & Digitalisierung<br />

und Charakterisierung & Abfallmanagement. Herr<br />

Ausgabe 1 › Januar


Report<br />

79<br />

Kaisanlahti von Fortum <strong>Power</strong> and Heat Oy, Frau<br />

Kallenbach-Herbert von JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft<br />

für Nuklearanlagen mbH sowie Frau<br />

Dr. Pudollek von Nagra fokussierten sich in Ihren<br />

Vorträgen auf die radioaktiven Abfälle sowie auch<br />

auf deren Behandlungs- und Entsorgungsmöglichkeiten.<br />

Herr Kerr von Jacobs Ltd. widmete sich in<br />

seinem Vortrag der Möglichkeit die Stilllegung von<br />

ganzen kerntechnischen Anlagenflotten in einer<br />

Management-Toolbox zu erfassen und zu steuern.<br />

Im zweiten Themenblock an diesem ICOND-Tag<br />

ließen Herr Lerche von Fortum <strong>Power</strong> and Heat Oy<br />

und Herr Delavalle von Veolia <strong>Nuclear</strong> Solutions<br />

die ZuhörerInnen an Ihren Erfahrungen von dem<br />

Einsatz einer Behandlungsanlage für radioaktiv<br />

kontaminierte Flüssigkeiten in Grafenrheinfeld<br />

sowie von Untersuchung, die im Inneren des<br />

primären Sicherheitsbehälters des havarierten<br />

Kernkraftwerks Fukushima Daiichi geplant sind,<br />

teilhaben. Begeisterte für den Einsatz von künstlicher<br />

Intelligenz, state of the art Robotertechniken<br />

zur radiologischen Bewertung und von<br />

D i g it a l i s i e r u n g spr o z e s s e n v on ho c h - k omp l i z i e r te n<br />

nuklearen Stilllegungsvorhaben kamen bei den<br />

Vorträgen von Herrn Gottschalk von Arthur D.<br />

Little Schweiz AG, Herrn Querfurth von Framatome<br />

GmbH und Herrn Owen von Createc Ltd voll auf<br />

ihre Kosten. Spannende Diskussionen ergaben<br />

sich im Anschluss an die Vorträge von Herrn Dr.<br />

Carasco von CEA aus Frankreich, Herrn Dr.<br />

Anthofer von DORNIER <strong>Nuclear</strong> Services GmbH,<br />

Herrn Segurado von EQUANS und Herrn Dr. Keller<br />

von WTI GmbH, welche die Charakterisierung und<br />

das Abfallmanagement thematisierten. Diese und<br />

auch andere Diskussionen wurden bei einem<br />

gemütlichen Get-Together in dem Aussteller bereich<br />

im Anschluss an die Vorträge <strong>for</strong>tgeführt.<br />

Besonders zu erwähnen ist das an diesem Tag stattgefundene<br />

Business-Speed-Networking, bei dem<br />

alle angemeldeten TeilnehmerInnen in kürzester<br />

Zeit sich und seine/ihre Organisation vorstellen<br />

und damit eine Vielzahl von neuen Kontakten<br />

knüpfen konnten.<br />

Am letzten ICOND-Tag wurden die Themenschwerpunkte<br />

Kompetenz & Weiterbildung sowie Reststoffmanagement<br />

& Freigabe behandelt. Herr Dr.<br />

Ungelenk von der GRS gGmbH legte die aktuellen<br />

Möglichkeiten der öffentlichen Förderung von<br />

nuklearen Sicherheits- und Rückbau<strong>for</strong>schungen<br />

anschaulich dar und motivierte diese zu nutzen.<br />

Herr Prof. Dr. Langer von der Fachhochschule<br />

Aachen bewarb in seiner sehr sympathischen Art<br />

das bereits etablierte Studienprogramm der FH<br />

Aachen und offerierte die Möglichkeiten sich hier<br />

bei der Inhaltsfindung und als Dozent einzubringen.<br />

Herr Turpin von HRForecast gab hinsichtlich<br />

neuer Studieninhalte erste Ideen, indem er den<br />

Bedarf an neuen Fähigkeiten für eine erfolgreiche<br />

Stilllegung skizzierte und wie sein Unternehmen<br />

in Kooperation mit AiNT diese umsetzt. Den<br />

Schlusspunkt der Vortragsthemen setzen Frau Dr.<br />

Sliz vom Paul Scherrer Institut, Herr Dr. Brückner<br />

von Safetec GmbH, Herr Dr. van Dillen von RIVM<br />

und Herr Dr. Nitzsche von Brenk Systemplanung<br />

GmbH. Sie alle arbeiteten mit ihren Vorträgen<br />

verständlich heraus, welche Heraus<strong>for</strong>derungen<br />

bestehen, einen radioaktiven Stoff als nichtradioaktiven<br />

Stoff verwenden zu dürfen.<br />

Herr Prof. Dr. Thomauske vom AiNT leitete die<br />

ICOND 2023 ein, regte während der ICOND zu<br />

kontroversen Diskussionen an und verabschiedete<br />

die TeilnehmerInnen am letzten Tag. Dabei<br />

bedankte er sich sehr herzlich bei allen, die den<br />

Weg nach Aachen zur diesjährigen ICOND gefunden<br />

hatten, und wünschte, trotz kurzfristig angesetzten<br />

Bahnstreiks, eine gute und vor allem<br />

sichere Heimfahrt. Er und das gesamte Team des<br />

AiNT freuen sich auf ein Wiedersehen bei der<br />

nächsten ICOND, welche vom 18. bis 21. November<br />

2024 dann zum 13. Mal stattfinden wird.<br />

+ Weiter In<strong>for</strong>mationen zur ICOND sind abrufbar<br />

unter www.icond.de<br />

Vol. 69 (2024)


80<br />

Report<br />

Pressein<strong>for</strong>mation des Planungsteams Forum Endlagersuche – bestehend aus Vertreter:innen<br />

der Institutionen BASE, BGE mbH und NBG sowie aus Kommunen, Wissenschaft, der jungen Generation,<br />

Bürgerschaft und gesellschaftlichen Organisationen<br />

Zweites Forum Endlagersuche:<br />

Öffentlicher Austausch<br />

zum Stand der Suche nach einem<br />

Endlager in Halle an der Saale<br />

Großes Interesse am zweiten Forum Endlagersuche in Halle an der Saale: Am Freitag,<br />

den 17.11.2023, waren 530 Teilnehmer:innen dabei, am Folgetag 296 – je die Hälfte<br />

nahm am Tagungsort in der Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaften<br />

beziehungsweise digital an der zweitägigen Veranstaltung teil. Schwerpunkte des Forums<br />

waren die nächsten Schritte zur Eingrenzung der Teilgebiete und die Möglichkeiten der<br />

Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren. Vieldiskutiert wurde auch der Zeithorizont bei der<br />

Suche nach einem Endlagerstandort. Auch die Wahl der Mitglieder des Planungsteams Forum<br />

Endlagersuche stand auf dem Programm.<br />

Das Forum ist ein zentrales Beteiligungs<strong>for</strong>mat zur<br />

Standortauswahl für das Endlager für hochradioaktive<br />

Abfälle in Deutschland und bestand aus<br />

Diskussionen im Plenum und verschiedenen<br />

Arbeitsgruppen. Zusätzlich gab es zwischen dem<br />

6. und 14. November 2023 zur Vorbereitung und<br />

Vertiefung bestimmter Themen mit Blick auf<br />

das Forum zehn digitale Veranstaltungen zur<br />

Endlagersuche.<br />

In einem Grußwort sagte Bundesumwelt ministerin<br />

Steffi Lemke am 17. November zur Eröffnung<br />

des Forums Endlagersuche in Halle: „Wir dürfen<br />

die langen – zu langen – Zeiträume, bis die hochgefährlichen<br />

Abfälle so sicher wie möglich<br />

verwahrt sind, nicht einfach hinnehmen. Denn<br />

letztlich ist der Zeitfaktor auch ein Sicherheitsfaktor.“<br />

Für das BASE, Veranstalter des Forums in<br />

Zusammen arbeit mit der Bundesgesellschaft für<br />

Endlagerung (BGE) mbH und dem Planungsteam<br />

Forum Endlagersuche, sagte Präsident Wolfram<br />

König: „Das Forum Endlagersuche hat allen<br />

Interessierten eine Platt<strong>for</strong>m geboten, sich offen<br />

über den derzeitigen Stand der Endlagersuche auszutauschen.<br />

Die Randbedingungen haben sich in<br />

den vergangenen Monaten drastisch verändert.<br />

Die Glaubwürdigkeit des Suchverfahrens hängt<br />

maßgeblich davon ab, dass alles getan wird, die<br />

Risiken der radioaktiven Hinterlassenschaften<br />

konsequent zu verringern und möglichst zügig<br />

ein sicheres Endlager zu finden. Dazu braucht<br />

es belastbare Zeitpläne und Meilensteine, die<br />

regelmäßig überprüft und öffentlich diskutiert<br />

werden.“<br />

Der Minister für Wissenschaft und Umwelt von<br />

Sachsen-Anhalt, Professor Armin Willingmann,<br />

eröffnete den zweiten Tag mit einem Video­<br />

Grußwort: „Das notwendige Vertrauen in diesen<br />

Prozess, dann in eine in vielen Jahrzehnten anstehende<br />

Entscheidung, wird man nur erzeugen<br />

können, wenn das Verfahren tatsächlich wissenschaftsbasiert<br />

und fair abläuft.“<br />

Johannes Hunger, der im Planungsteam Forum<br />

Endlagersuche die junge Generation vertritt,<br />

sagte: „Im Gespräch mit Bundesumweltministerin<br />

Steffi Lemke wurde ganz deutlich, wie wichtig<br />

die Beteiligung junger Menschen an der Endlagersuche<br />

ist. Wie mit der Erblast der Atomkraft<br />

umgegangen wird, entscheidet sich in den nächsten<br />

Jahren. Die Konsequenzen daraus betreffen<br />

nicht nur meine, sondern auch kommende<br />

Generationen.“<br />

Ausgabe 1 › Januar


Report<br />

81<br />

Bettina Gaebel, als Bürgerin gewählt in das<br />

Planungsteam Forum Endlagersuche sagt: „Das<br />

Bundesumweltministerium hat das Forum Endlagersuche<br />

als zentrales Beteiligungselement in<br />

der Endlagersuche bis zur Einsetzung von<br />

Regional konferenzen bestätigt – und dem neu<br />

gewählten Planungsteam Forum Endlagersuche<br />

mehr Freiheit in seiner Arbeit in Aussicht gestellt.<br />

Die fachlichen Impulse zu dringenden Fragen<br />

der Entsorgung des hochradioaktiven Mülls<br />

werden sowohl im politischen Raum als auch von<br />

Seiten der Akteur:innen Resonanz finden. Ein<br />

zentrales Thema waren der verlängerte Zeitbedarf<br />

für die Endlagersuche und die Eingrenzungsschritte<br />

zu Standortregionen. Vorsichtig optimistisch<br />

stimmen uns die offenen Gespräche,<br />

die zum Thema ,Lernendes Verfahren‘ und Veränderungen<br />

in der Zusammenarbeit geführt<br />

wurden.“<br />

Dr. Thomas Lautsch, Geschäftsführer der<br />

Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)<br />

mbH, würdigte das Engagement insbesondere der<br />

Ehrenamtlichen im Planungsteam Forum Endlagersuche.<br />

Er sagte: „Für die BGE ist der direkte<br />

Austausch mit Wissenschaft und kritischer Öffentlichkeit<br />

enorm wichtig. In den Forumstagen und<br />

dann in Halle sind viele Themen diskutiert worden,<br />

die die kritische Öffentlichkeit auf die Tagesordnung<br />

gesetzt hat. Die BGE braucht den Dialog.<br />

Dadurch werden unsere Arbeitsergebnisse besser.<br />

Ich freue mich sehr darüber, dass das Forum Endlagersuche<br />

so erfolgreich verlaufen ist.“<br />

⁃ Beim Forum Endlagersuche sind folgende Personen<br />

in das PFE gewählt worden, die das dritte<br />

Forum Endlagersuche vorbereiten werden.<br />

⁃ Für die Gruppe der Bürger*innen sind Bettina<br />

Gaebel und Heiko Schaak gewählt.<br />

⁃ Für die Gruppe der Wissenschaft sind Janine<br />

Hauer und Daniel Lübbert gewählt.<br />

⁃ Für die Gruppe der Kommunalen Gebietskörperschaften<br />

sind Eva Bayreuther und Asta<br />

von Oppen gewählt.<br />

⁃ Für die Gruppe der organisierten Zivilgesellschaft<br />

sind Jörg Hacker und Andreas Fox<br />

gewählt.<br />

⁃ Für die Gruppe der Unter-35-Jährigen sind Asta<br />

Haberbosch, Elisa Akansu, Johannes Hunger,<br />

Farras Fathi, Anton Koeller und Maximilian<br />

Hipp gewählt. Damit ist die Gruppe der jungen<br />

Generation deutlich größer als bei der vorhergehenden<br />

Wahl.<br />

Zum Hintergrund<br />

Das Forum Endlagersuche wird vom Planungsteam<br />

Forum Endlagersuche (PFE) gestaltet, in dem<br />

gewählte Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft<br />

mit entsandten Vertreterinnen des Bundesamts für<br />

die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE),<br />

der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und<br />

des Nationalen Begleitgremiums (NBG) zusammenarbeiten.<br />

Im Frühjahr hatte das PFE einen Aufruf<br />

zur Mitgestaltung veröffentlicht, aus dem<br />

83 Programm vorschläge vom Plakat bis zur kompletten<br />

Veranstaltung als Beitrag zu den Forumstagen<br />

und dem Forum Endlagersuche hervorgegangen<br />

sind. Aus diesen Beiträgen hat das PFE<br />

das Forum Endlagersuche und die zugehörige<br />

digitale Veranstaltungsreihe erarbeitet.<br />

Vol. 69 (2024)


82<br />

<br />

WiN Germany<br />

Stärker vernetzt<br />

– Women in <strong>Nuclear</strong> Germany e.V.<br />

Wer kennt Sie nicht, die Situationen im Berufsalltag, in denen in die Runde geschaut<br />

wird bei der Frage: „Hat bei der Firma jemand einen Ansprechpartner?“. Nicht<br />

umsonst sind ebenjene häufig erfolgreicher, die über ein großes Netzwerk<br />

verfügen und sich bei der Frage nach dem Ansprechpartner nicht nur räuspern – genügend<br />

Studien haben dies belegt.<br />

So viel als Einleitung, warum Netzwerken gerade<br />

im beruflichen Kontext kein Selbstzweck ist. Das<br />

eigene Netzwerk geht häufig genug auf etliche<br />

Berufsjahre, Konferenzteilnahmen und Projekttreffen<br />

zurück, und nicht selten ist es gar nicht so<br />

einfach, das eigene Netzwerk mit den jüngeren<br />

Kolleginnen und Kollegen zu teilen, welche eben<br />

noch nicht so viele Begegnungen mit Geschäftspartnern,<br />

Behördenvertretern, Wissenschaftlern<br />

etc. in die Waagschale werfen können. Der Verein<br />

Women in <strong>Nuclear</strong> bietet nicht nur die fachliche<br />

Expertise zum Rückbau oder der Entsorgung<br />

radioaktiver Abfälle, zu EVU’s oder Dienstleistern<br />

(Kommentar: sind die größten Tätigkeitsbereiche<br />

unserer Mitglieder), sondern in alle Bereiche<br />

der kerntechnischen Forschung/ Dienstleistung<br />

aber auch der Weltraum<strong>for</strong>schung oder Nuklearmedizin.<br />

Und für die stetige Entwicklung des Netzwerks<br />

wird einiges geboten: Die digitalen Formate<br />

„ WiNeXpresso“ und „Wissen mit WiN“ bieten Fachvorträge<br />

und Diskussionen in komprimierter Form<br />

für Mitglieder und Gäste. Sie geben einen Überblick<br />

über spezielle Aktivitäten der Branche oder aber<br />

einen detaillierten Blick in sehr spezifische Fachthemen.<br />

Auch der berufliche Lebensweg einer erfolgreichen<br />

Branchenvertreterin oder allgemeine<br />

Entwicklungstipps können auf der Tagesordnung<br />

stehen. Ziel ist stets der Austausch zwischen den<br />

Mitgliedern – im Übrigen nicht ausschließlich,<br />

aber erwartungsgemäß überwiegend Frauen –<br />

und selbstverständlich wird auch die Förderung<br />

des fachlichen Nachwuchses nicht vergessen.<br />

Durch die jährliche Verleihung des WiN Germany<br />

Preises werden Qualifikationsarbeiten an Hochschulen<br />

und Forschungseinrichtungen geehrt,<br />

welche sich mit Themen aus dem gesamten<br />

nuklearen Spektrum befassen.<br />

Die jährliche Mitgliederversammlung (MV) findet<br />

meist an einem kerntechnischen Standort mit<br />

Möglichkeit zur Besichtigung einer kerntechnischen<br />

Einrichtung statt. So war WiN Germany<br />

z.B. in Garching (Atom-Ei), in Lingen (ANF) und in<br />

unterschiedlichen Kraftwerken der Preussen­<br />

Elektra und RWE. Dabei kommt der Austausch im<br />

internationalen Umfeld auch nicht zu kurz. Als Teil<br />

des internationales Netzwerkes Women in <strong>Nuclear</strong><br />

Global (mit knapp 35.000 Mitglieder) veranstaltet<br />

WiN Germany e.V. regelmäßige Meetings mit Vertreterinnen<br />

von WiN Schweiz, WiN Schweden und<br />

WiN Finnland.<br />

WiN Germany ist als gemeinnütziger Verein anerkannt.<br />

Bei Interesse an der kostenlosen Mitgliedschaft<br />

können sich Frauen und Männer gerne an<br />

info@win-germany.org wenden. Wir freuen uns<br />

auf Euch!<br />

Dr. Marie Charlotte Bornhöft<br />

Martina Etzmuß<br />

Chantal Wadewitz<br />

Ausgabe 1 › Januar


Report<br />

83<br />

Fachworkshop Zwischenlagerung:<br />

BGZ stellt umfangreiches<br />

Forschungsportfolio vor<br />

Am 21. und 22. November fand in Berlin der dritte Fachworkshop Zwischenlagerung der<br />

BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung des Bundes statt. Bei diesem dritten Workshop<br />

zeigte sich eine sehr dynamische Entwicklung in der Forschung der BGZ. Beim<br />

ersten Workshop 2019 wurden Forschungsbedarf und -themen, Absichten und erste<br />

Konzepte sowie die Vorschläge und Forschung anderer Einrichtungen vorgestellt und die<br />

Grundlagen eines Netzwerks für interdisziplinäre und internationale Forschungszusammenarbeit<br />

gelegt. Beim zweiten Workshop 2021 konnten Überblicksvorträge über die angeschobene<br />

BGZ-Forschung und Fachvorträge von Forschungspartnern über grundsätzliche<br />

Parameter und Fragestellungen bei Themen wie Brennstabintegrität, Hüllrohrverhalten und<br />

Transport nach langer Zwischenlagerungsdauer präsentiert werden.<br />

Beim jüngsten Workshop nun wurde<br />

über mehrere eigene Forschungsprojekte<br />

sowohl durch eigene <strong>for</strong>schende<br />

Mitarbeiter als auch durch<br />

wissenschaftliche Kooperationspartner<br />

berichtet, Zwischen stände<br />

und auch erste Ergebnisse vorgestellt.<br />

Die Themenpalette umfasste<br />

das Verhalten von Transport- und<br />

Lagerbehältern, insbesondere der<br />

Dichtsysteme, den Sachstand hinsichtlich<br />

der häufig diskutierten<br />

Frage einer Behälteröffnung bzw.<br />

eines solchen Programms, die Inventaranalyse<br />

mittels Myonenradiographie,<br />

Wasserstoff diffusion in<br />

Brennstab-Hüllrohren, jüngste Entwicklungen<br />

bei Brennstab-Rechencodes<br />

sowie die Rolle von Benchmarks<br />

bei der Bewertung der<br />

einschlägigen Sachverhalte. Auch<br />

externe Perspektiven wie die des<br />

„Schwesterunternehmens“ in Sachen<br />

Zwischenlagerung, der EWN Entsorgungswerke<br />

Nord und die Behälter<strong>for</strong>schung für die<br />

Endlagerung der Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />

(BGE) wurden einbezogen.<br />

Das Forschungsprogramm der BGZ, ein Update<br />

In seinem Einführungsvortrag „Das Forschungsprogramm<br />

der BGZ, ein Update“ ordnet Dr. Jörn<br />

Becker, Leiter der BGZ-Forschungsabteilung, die<br />

Forschungsaktivitäten der BGZ in den Rahmen<br />

Rund 130 Teilnehmer tauschten sich beim Fachworkshop Zwischenlagerung auf Einladung<br />

der BGZ in Berlin über die Heraus<strong>for</strong>derungen der verlängerten Zwischenlagerung aus.<br />

Foto: BGZ<br />

ihres Auftrages gegenüber der Öffentlichkeit ein.<br />

Becker hält fest, dass Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

auch für die Forschungsabteilung<br />

wichtig seien, und daher auch Mitarbeiter gezielt<br />

für diese Aufgabe eingestellt worden sein. Die Entwicklung<br />

der Forschung zeige, dass der Bedarf<br />

an Forschung und wissenschaftlicher Diskussion<br />

auch in internationaler Kooperation steige. Becker<br />

berichtet, dass die BGZ bei der Arbeit zu Inventarfragen<br />

stärker mit der universitären Forschung<br />

zusammenarbeite und benennt die Kooperation<br />

Vol. 69 (2024)


84<br />

Report<br />

mit der Kerntechnik und der Radiochemie der TU<br />

München als Beispiel. In der Forschung zur<br />

Zwischenlagerung sei zu berücksichtigen, dass<br />

sich der Zeithorizont der Endlagerung verschoben<br />

habe. Allerdings gebe es bei den Arbeiten zum<br />

Alterungsmanagement von Lagerbehältern, die<br />

heute durchgeführt würden, keine grundsätzlichen<br />

Unterschiede zwischen Lagerzeiten von 80,<br />

100 oder 120 Jahren. Becker berichtet, die <strong>International</strong>e<br />

Atomenergie-Organisation habe ein BGZ-<br />

Forschungsprojekt als „area of good per<strong>for</strong>mance“<br />

eingestuft.<br />

Becker beschreibt den sicherheitsorientierten<br />

Forschungsprozess in der Zwischenlagerungs<strong>for</strong>schung<br />

so, dass ausgehend vom Stand von<br />

Wissenschaft und Technik, der Betriebserfahrung,<br />

den Regelwerken und den Genehmigungen, die<br />

Einhaltung der Schutzziele bei Inventar, Behältern<br />

und Gebäuden unter den Bedingungen verlängerter<br />

Zwischenlagerung untersucht und bewertet<br />

werde. Eine herausgehobene Rolle spielten dabei<br />

Forschungen zu wasserstoffbezogenen Prozessen<br />

in Hüllrohrmaterialien. Forschungsprojekte dabei<br />

seien SpizWurZ (Spannungsinduzierte Wasserstoffumlagerung<br />

in Brennstabhüllrohren während der<br />

längerfristigen Zwischenlagerung, Verbundvorhaben<br />

von GRS und KIT), HYDAX (Hydrogen and<br />

Hydrides Distribution in Axial Cladding Direction)<br />

und LEDA (Long-Term Experimental Dry Storage<br />

Analysis). Bei diesem Projekt sei auch die<br />

Kooperation mit dem Paul Scherrer Institut (PSI)<br />

in der Schweiz wichtig.<br />

Als neuer Forschungsbereich sei das Monitoring<br />

und die Bewertung der technischen Nutzungsdauer<br />

von Gebäuden hinzugetreten. Hier habe ein<br />

dreijähriges Verbundvorhaben von TU Braunschweig,<br />

Bundesanstalt für Materialprüfung<br />

(BAM) und GRS zur Bewertung der Zwischenlagergebäude<br />

begonnen. Die Gebäude seien auch in<br />

der Öffentlichkeit oft ein Diskussionsgegenstand,<br />

obwohl diese nicht zur Erfüllung der Schutzziele<br />

beitrügen. Insgesamt hätten sich die Forschungsvorhaben,<br />

an denen die BGZ in der einen oder<br />

anderen Form beteiligt sei, beinahe verdoppelt,<br />

was zeige, dass das BGZ-Forschungsprogramm<br />

sehr vital sei. Dabei sei die fachliche Kooperation<br />

mit der TU München ausgeweitet worden.<br />

Verlängerte Zwischenlagerung bei der EWN<br />

Über „Verlängerte Zwischenlagerung bei der EWN“<br />

berichtet Sebastian Helm von der EWN Entsorgungswerke<br />

Nord. Helm erläutert, dass aus<br />

Sicht des Zwischenlagerbetreibers vor allem das<br />

Er<strong>for</strong>dernis der Genehmigungsverlängerung im<br />

Mittelpunkt stehe, nachdem bei der Endlagerung<br />

ein erheblicher zeitlicher Verzug absehbar<br />

geworden sei. Helm stellt fest, dass bei den Themen<br />

Behälterdichtungen und Schrauben, Moderatormaterial<br />

und Druckschalter keine größeren<br />

Probleme bekannt seien. Die Rückstellkraft der<br />

Metalldichtungen nehme zwar ab, dies habe aber<br />

keine Auswirkungen auf die Dichtigkeit. Die Inventaraktivität<br />

und damit die Bean spruchung des Moderatormaterials<br />

nehme kontinuierlich ab und<br />

könne gut extrapoliert werden. Bei den Druckschaltern<br />

gebe es eine geringe Ausfallrate – seit<br />

2012 kein Defekt mehr bei 114 Behältern – und die<br />

Schalter könnten problemlos im Wartungsbereich<br />

ausgetauscht werden. Es gebe drei Forschungs projekte<br />

in diesen Bereichen: DPOPT zur Ent wicklung<br />

eines neuen Druckschalters für den Austausch<br />

nach Ausfall, MSTOR zum Langzeitverhalten<br />

von Metalldichtungen,<br />

wobei man von der Untersuchung<br />

von hohen Temperaturen über kurze<br />

Zeiträume zur Untersuchung bei<br />

realistischen Temperaturen aber<br />

über lange Zeit räume übergehe sowie<br />

OBSERVE, ein Temperatur- und<br />

Dosisleistungsmessprogramm zum<br />

Vergleich von Messwerte mit errechneten<br />

Werten und zur Überprüfung<br />

der Abschirm- und Wärmeabfuhreigenschaften,<br />

also der Erreichung<br />

der Schutzziele der Behälter.<br />

Dr. Jörn Becker, Leiter der BGZ-Forschungsabteilung, gab beim Fachworkshop Zwischenlagerung<br />

einen Überblick über den aktuellen Stand des BGZ-Forschungsprogramms.<br />

Foto: BGZ<br />

Helm berichtet, dass ein wesentlicher<br />

Aspekt der Langzeitbetrachtung<br />

die Sicherheit des Inventars sei.<br />

Einflussgröße hier seien korrosive<br />

Änderungen am Hüllrohr des Brennstabs.<br />

Die Ausdehnung der Hüllrohre<br />

durch Temperatur und Gasdruck<br />

sei nur minimal, die Auslegung für<br />

die wesentlich anspruchsvolleren<br />

Ausgabe 1 › Januar


Report<br />

85<br />

Integritätskriterien im Reaktorbetrieb machten<br />

eine sichere Lagerung der Brennelemente in den<br />

Behältern auch für sehr lange Zeiträume möglich,<br />

zumal Strahlung und Temperatur kontinuierlich<br />

abnähmen. Bei den sonstigen Inventaren, Plutonium-Beryllium­<br />

Quellen, Brennstabbüchsen der<br />

Otto-Hahn und des KNK, Core-Bauteile der VVER-<br />

Anlagen sowie HAW-Glaskokillen sei keine Radionuklidmobi<br />

lisierung zu erwarten. EWN beteilige<br />

sich am Forschungsprojekt LEDA zum Hüllrohrverhalten<br />

bei verlängerter Zwischenlagerung. Bei<br />

dem voraussichtlich von 2024 bis 2028 laufenden<br />

Projekt soll die vorhandene experimentelle Basis<br />

zum Hüllrohrverhalten unter Bedingungen der<br />

ver längerten Zwischenlagerung erweitert werden<br />

und Modelle zur Vorhersage des Hüllrohrver halten<br />

abgeleitet werden. Experimentelle Kampagnen<br />

seien bei Studsvik in Schweden geplant. Ein<br />

weiteres Projekt sei DCS-Monitor II bei dem Verfahren<br />

zur nicht invasiven Analyse des Inventarzustands<br />

für Transport- und Lagerbehälter bei<br />

verlängerter Zwischenlagerung erprobt und entwickelt<br />

werden. In dem Verbundprojekt mit der<br />

Hochschule Görlitz/Zittau, der TU Dresden und<br />

dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf<br />

(HZDR) werde das äußere Strahlungsfeld gemessen<br />

und simuliert, um ein validiertes Monitoring­<br />

Verfahren für die Behälter zu entwickeln. Dazu<br />

gehöre auch ein Projekt zur Myonentomographie,<br />

ebenfalls mit TU Dresden und HZDR, bei dem<br />

mit einem Detektor der kosmische Myonenfluss<br />

nach Durchdringung des Behälters vermessen<br />

werde.<br />

In der Diskussion erläutert Helm, dass bei<br />

einem 2011 mit heterogenem Inventar beladenen<br />

Behälter die Bestrahlungshistorie/Abbrände sowie<br />

Lagerung und Entnahme aus dem Nasslager<br />

dokumentiert seien. Hinsichtlich der bildgebenden<br />

Verfahren erklärt er, dass Bildgebung auch mit<br />

Gamma- und Neutronensignaturen möglich, aber<br />

die Myonentomographie präziser sei. Weiter wird<br />

in der Diskussion erläutert, dass die Forschung<br />

an Brennelementen aus Druckwasserreaktoren<br />

Priorität habe und dass die Temperaturüberwachung<br />

dazu diene, nachzuweisen, dass die<br />

Inventar- und Behältertemperaturen sich so verhielten<br />

wie erwartet. Es werde an einer Verbesserung<br />

des Verfahrens durch Wärmebildkameras<br />

gearbeitet. Insgesamt dienten die<br />

Untersuchungen dem Ziel, zu zeigen, dass die<br />

Schutz ziele eingehalten würden, der Validierung<br />

von Simulationsprogrammen und dem Nachweis<br />

der Behälterintegrität. Auch der Abbau von<br />

Konservativitäten durch Ermittlung realer Beanspruchungen<br />

sei ein Ziel. Oda Becker nahm dies in<br />

der Diskussion zum Anlass vor dem Abbau von<br />

Konservativitäten zu warnen. Ein Vertreter der<br />

BGZ erklärt in diesem Zusammenhang, dass sich<br />

die Sicherheitsbetrachtungen zur verlängerten<br />

Zwischenlagerung noch ändern würden und ein<br />

Vertreter von WTI erklärt, dass zur Codevalidierung<br />

auch Realdaten und nicht nur maximal<br />

konservative Annahmen benötigt würden. Es<br />

seien viele Messwerte er<strong>for</strong>derlich, um die genauen<br />

Verläufe und die zugrunde liegenden physikalischen<br />

Prozesse zu verstehen und richtig<br />

abzubilden. Hinsichtlich der Frage einer Identifizierungsmöglichkeit<br />

für einzelne Defekte durch<br />

die bildgebenden Verfahren erklärte Helm, dass<br />

theoretisch mit der Myonentomographie auch<br />

einzelne Brennstäbe aufgelöst werden könnten,<br />

dafür aber sehr gute Daten und Statistik benötigt<br />

würden. Helm erklärte zur praktischen Umsetzung,<br />

dass Messaufbauten in Zwischenlagern<br />

realisierbar sein müssten und ggf. Genehmigungen<br />

von Behörden er<strong>for</strong>derlich seien.<br />

Heraus<strong>for</strong>derungen auf dem Weg<br />

zum Endlagerbehälter<br />

Lisa Seidl, Bereichsleiterin Standortauswahl<br />

von der BGE Bundesgesellschaft für Endlagerung<br />

hielt den Vortrag „Heraus<strong>for</strong>derungen auf dem<br />

Weg zum Endlagerbehälter“. Seidl berichtet, dass<br />

die BGE seit 2019 auch die Aufgabe der Ent wicklung<br />

von Endlagerbehältern habe. Sie erklärt, das Prinzip<br />

der bestmöglichen Sicherheit gebe die Möglichkeit,<br />

im Verfahren die Messlatte immer höher zu<br />

legen. Es gebe in dem Verfahren zwei unterschiedliche<br />

Endlagertypen, denjenigen in Salz und Tongestein<br />

mit einschlusswirksamem Gebirgsbereich<br />

(ewG) und einen Typen in Kristallin gestein ohne<br />

einschlusswirksamen Gebirgsbereich. Beim Endlagertypus<br />

ohne ewG würden sehr hohe Langzeitsicherheitsan<strong>for</strong>de<br />

rungen an Behälter und Versatz<br />

gestellt. Auf dem aktuellen Stand des Verfahrens<br />

werde stark mit generischen Konzepten<br />

gearbeitet, ab der Phase zwei des Auswahlverfahrens<br />

werde es konkreter auch hinsichtlich der<br />

Behälter und ihrer Wechselwirkung mit dem<br />

Endlagersystem einschließlich der geotechnischen<br />

Barrieren. Aktuell werde Endlagerbehälter entwicklung<br />

für Kristallin mit GNS und BGE Technology,<br />

für Tongestein mit DMT betrieben.<br />

Seidl erläutert, dass das Thema der Grenztemperatur<br />

zwischen Behälteraußenwand und Gestein<br />

bzw. Buffer die Behälterentwicklung beeinflusse.<br />

Diese Grenztemperaturen sollten wirtsgesteinsspezifisch<br />

ermittelt werden, wofür Ergebnisse im<br />

Frühjahr 2024 erwartet würden. Benötigt würden<br />

auch umfassende und detaillierte Inventardaten.<br />

Hier bestehe eine hohe Kooperationsbereitschaft<br />

bei BGZ und den EVU sowie den Betreibern von<br />

Forschungsanlagen, aber anders als bei Geodaten<br />

fehle eine gesetzliche Grundlage. Die An<strong>for</strong>derungen<br />

an das konditionierte Produkt müssten<br />

noch entwickelt werden. Die Arbeit an der Behälterentwicklung<br />

sei gestartet worden, die Arbeit<br />

am Thema Konditionierung werde folgen. Ein<br />

Vertreter des bayerischen Umweltministeriums<br />

Vol. 69 (2024)


86<br />

Report<br />

fragt unter Verweis darauf, dass das ALARA­<br />

Prinzip im Strahlenschutz im Zusammenhang mit<br />

dem Bestreben nach einem bestmöglichen Endlager<br />

auch in Bezug auf Endlagerbetrieb, Behälterhandhabung<br />

und Konditionierung berücksichtigt<br />

werden solle danach, ob auch das Konzept der<br />

direkten Endlagerung der Transport- und Lagerbehälter<br />

verfolgt werde. Seidl antwortet, dass diese<br />

Möglichkeit mitbetrachtet werde, es aber kein<br />

eigenes Programm dafür gebe. Seidl erklärt<br />

auf eine Nachfrage zu einem möglichen internationalen<br />

Regelwerk, dass die An<strong>for</strong>derungen an<br />

Endlager international unterschiedlich seien und<br />

BGE die Arbeiten und Lösungen in anderen Staaten<br />

mitbetrachte, aber dass die Verordnung über<br />

Sicherheitsan<strong>for</strong>derungen an die Endlagerung<br />

spezifische nationale An<strong>for</strong>derungen stelle. Zur<br />

zeitlichen An<strong>for</strong>derung an die Behälterintegrität<br />

im Endlager erklärt sie, dass sich die Barrierefunktion<br />

im Lauf der Zeit vom Behälter auf den<br />

einschlusswirksamen Gebirgsbereich verschieben<br />

werde. Salz werde bei der Entwicklung der<br />

Behälteran<strong>for</strong>derungen nach hinten geschoben<br />

und erst nach dem Erkenntnisrückfluss zu Tongestein<br />

und Kristallin behandelt.<br />

Stand der Forschungsvorhaben auf dem Gebiet<br />

der Transport- und Lagerbehälter<br />

In seinem Vortrag „Stand der Forschungsvorhaben<br />

auf dem Gebiet der Transport- und Lagerbehälter“<br />

stellt Ralf Schneider-Eickhoff von der BGZ verschiedene<br />

behälterbezogene Forschungsprojekte<br />

vor. Das Projekt MSTOR, (Metal Seals during longterm<br />

STORage), an dem die BGZ Forschungsgruppe<br />

Transportbehälter beteiligt sei, beinhalte getrennt<br />

Forschungsprogramme für Großdeckel- und Kleindeckeldichtungen.<br />

Die damit verbun denen Messprogramme<br />

liefen oder hätten 2023 begonnen. Im<br />

Projekt würden die am höchsten verpressten Dichtungen<br />

herangezogen und einige Unter suchungen<br />

seien bereits abgeschlossen. Das zusammengefasste<br />

Ergebnis sei, dass die Rückstellkraft der Dichtungen<br />

über die Zeit und den Temperaturverlauf<br />

im erwarteten Bereich liege. Dies gelte für<br />

Aluminium- und Silberdichtungen. Die nutzbare<br />

elastische Rückfederkraft gelte als Be wertungsparameter<br />

ähnlich für Dichtungen in Guss­<br />

Flanschen wie in Edelstahl. Bei hohen Temperaturen<br />

liefe die Alterung schneller ab und<br />

reduziere sich mit sinkenden Temperaturen möglicherweise<br />

auf ein Niveau, dass sie in überschaubaren<br />

Zeiträumen keine Rolle mehr spiele.<br />

Für das Verhalten bei niedrigen Temperaturen<br />

würden noch Jahre an Messungen benötigt.<br />

Das Verlassen des Arbeitsbereichs der Dichtungen<br />

unter Störfallbedingungen müsse experimentell<br />

ermittelt werden. Man verwende dafür im Ofen<br />

vorgealterte Dichtungen. Die Projektpartner<br />

dabei seien der Dichtungshersteller Technetics,<br />

GNS und EWN.<br />

Schneider-Eickhoff berichtet, dass beim Projekt<br />

MShift, Leckagerate gealterter Metalldichtungen<br />

bei einer Deckelquerverschiebung, eine Deckelquerverschiebung<br />

an Flanschen durch Aufprall<br />

einer geführten Fallmasse auf einer Flanschhälfte<br />

simuliert werde, mit der Folge einer dynamischen<br />

Querverschiebung. Diese Versuche dienten der Ableitung<br />

von Auslegungs-Leckageraten nach einem<br />

generischen Störfall und die Versuche würden an<br />

vorgealterten Metalldichtungen durchgeführt.<br />

Beim Projekt MLift, Leckagerate nach dem Wiederverpressen<br />

gealterter Metalldichtungen, sollen<br />

durch Versuche an gealterten Dichtungen Auslegungs-Leckageraten<br />

nach einem generischen<br />

Störfall mit Anheben des Deckels und Wiederverpressen<br />

abgeleitet werden.<br />

Über das Dosisleistungs- und Temperaturmessprogramm<br />

OBSERVE berichtet Schneider-Eickhoff,<br />

dass durch Messungen an beladenen Behältern<br />

rechnerische Erwartungswerte mit Messwerten an<br />

ausgewählten Behältern zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

während der Lagerung verglichen werden<br />

sollen. Man habe dabei im Rahmen der numerischen<br />

Untersuchungen festgestellt, dass sich eine<br />

Tragkorbverdrehung von 5 Grad auf die Gamma-<br />

Dosisleitung an der Behälteroberfläche auswirke.<br />

Die Oberflächendosisleistung sei auch sensitiv auf<br />

Moderatorveränderungen wie eine Lücke oder<br />

Zersetzungen. Eine Umlagerung von Brennstoff –<br />

beispielsweise 50 Kilogramm aus einem äußeren<br />

Brennelement – zeichne sich in der Gamma- und<br />

Neutronen-Messung ab. Auch bei inneren MOX-<br />

Brennelementen sei eine Umlagerung bei der<br />

Neutronendosisleistungs verteilung erkennbar, bei<br />

der Gammadosis leistung nicht. Temperaturmessungen<br />

seien allerdings zu ungenau zum Erkennen<br />

von Brennelement- oder Inventarveränderungen.<br />

Die Behälter müssten für Messungen vereinzelt<br />

werden und es dürften auch keine Wände in der<br />

Nähe sein, da sonst Streu effekte die Messergebnisse<br />

überlagerten. Weitere Schritte seien die Umsetzung<br />

der Erkenntnisse in ein konkretes Messprogramm<br />

einschließlich der Auswahl von Standorten und<br />

Behältern, die Einbindung der betroffenen atomrechtlichen<br />

Aufsichtsbehörden und die Einbindung<br />

von OBSERVE in die Alterungsbewertung.<br />

In der Diskussion erläutert Schneider-Eickhoff,<br />

dass bei den vorliegenden metallischen Dichtungen<br />

die vorhandene Strahlung um Größenordnungen<br />

unterhalb der Schwelle zu relevanten Effekten<br />

im Material liege. Darüber hinaus lägen die Dichtungen<br />

außerhalb des Hauptstrahlungsfeldes.<br />

Warum ist im Forschungsprogramm<br />

keine Behälteröffnung vorgesehen?<br />

Dr. Maik Stuke, Leiter der BGZ-Forschungsgruppe<br />

Garching widmet sich in seinem Vortrag<br />

„Warum ist im Forschungsprogramm keine<br />

Ausgabe 1 › Januar


Report<br />

87<br />

Behälter öffnung vorgesehen?“ einem Thema, das<br />

in der Öffentlichkeit, auch der Fachöffentlichkeit<br />

häufig im Zusammenhang mit der verlängerten<br />

Zwischen lagerung angesprochen wird.<br />

Stuke berichtet zunächst, dass es in der Vergangenheit<br />

bereits Öffnungen von Behältern<br />

für bestrahlte Brenn elemente gegeben habe, in<br />

Deutschland, den Vereinigten Staaten und Japan<br />

zur Demonstration der Trockenlagerung. In<br />

Deutschland habe dies von 1982 bis 1984, in den<br />

USA von 1985 bis 1999 stattgefunden. Es seien<br />

verschiedene Behälter typen geöffnet worden und<br />

man habe keine Gasfreisetzung sowie eine<br />

einwandfreie Behälter- und Dichtungsintegrität<br />

feststellen können. Ein aktuelles Forschungsprogramm<br />

mit Behälter öffnung werde in den USA<br />

vom Department of Energy und dem Electric<br />

<strong>Power</strong> Research Institute (EPRI) durchgeführt,<br />

mit Einlagerung 2017 und vorgesehener Öffnung<br />

2027. Es sollen dabei einzelne Stäbe gezogen<br />

und zerstörenden Prüfungen der Hüllrohre und<br />

der Brennstoff tabletten unterzogen werden. In<br />

Japan seien Versuche am Standort Fukushima<br />

Daiichi mit Beladung im Becken 1995 und Inspektionen<br />

2000, 2005 und 2011 nach dem Tsunami<br />

durchgeführt worden. Auch hier habe es –<br />

einschließlich nach Flutung des Zwischenlagergebäudes<br />

durch den Tsunami – keine Auffälligkeiten<br />

gegeben.<br />

Stuke hält fest, dass es in Deutschland ver schiedene<br />

Inventare, DWR- und SWR-Brennelemente, unterschiedliche<br />

Hüllrohrmaterialien und Abbrandhistorien<br />

gebe, so dass bei einem Prüfprogramm<br />

eine große Zahl von Behältern geöffnet werden<br />

müsse. Kein Behälter sei älter als 40 Jahre, so dass<br />

mit einer Öffnung nur die aktuellen Nachweise<br />

bestätigt werden könnten. Darüber hinaus seien<br />

bloße Sichtkontrollen nicht ausreichend, um das<br />

Materialverhalten zu kontrollieren. Es wäre also<br />

eine kerntechnische Groß<strong>for</strong>schungseinrichtung<br />

notwendig, um Behälter zu öffnen und zerstörende<br />

Untersuchungen am Inventar durchführen zu<br />

können sowie die Abfallkonditionierung zu<br />

gewährleisten. Diese müsste erst errichtet werden.<br />

Die Hochabbrand-Brennelemente würden zudem<br />

erst seit ca. 20 Jahren in Behälter eingelagert.<br />

Daher seien andere Forschungsvorhaben zur<br />

Untersuchung der Einhaltung der Schutzziele<br />

effizienter.<br />

Stuke nennt hier als Beispiel das Programm LEDA<br />

(Long-Term Experimental Dry Storage Analysis),<br />

bei dem Experimente zum Hüllrohrverhalten<br />

unter Bedingungen der verlängerten Zwischenlagerung<br />

durchgeführt und Modelle zu seiner<br />

Vorhersage abgeleitet werden, wie bereits von<br />

einem Vorredner erwähnt. Dabei stünden insbesondere<br />

hohe Abbrände über 55 GWd/tSW und<br />

Anzeige<br />

Vol. 69 (2024)


88<br />

Report<br />

unterschiedliche Hüllrohrmaterialien (Zry-4, M5,<br />

Opt.ZIRLO, Duplex Zry-2 mit/ohne Liner) sowie<br />

UO2- und MOX-Brennstoff im Mittelpunkt. Es<br />

würden dabei an den bestrahlten Brennstäben<br />

typische Innendrücke, axiale Temperaturverteilungen<br />

und Temperaturverläufe bei Trocknungsprozess<br />

und Abkühlung nachgebildet. Stuke<br />

teilt mit, dass insgesamt 22 Brennstabsemente<br />

unterschiedlicher Art hinsichtlich Material,<br />

Abbrand und Brennstoff untersucht würden. Die<br />

Versuchsanlage sei 2023 in eine Heiße Zelle bei<br />

Studsvik in Schweden integriert worden. Aktuell<br />

seien Vorversuche an unbestrahlten Hüllrohren<br />

und die Vorcharakterisierung der ersten sechs<br />

Brennstabsegmente sowie die Vorbereitung der<br />

ersten sechs Brennstabsegmente für die erste Kampagne<br />

fast abgeschlossen. Der voraussichtliche<br />

Start der ersten Langzeitmessung in der Heißen<br />

Zelle werde im ersten Quartal 2024 liegen. Darüber<br />

hinaus gebe es weitere Programme mit bildgebenden<br />

Verfahren zur Untersuchung der Behälter und<br />

des Inventars sowie zum Hüllrohrverhalten, die<br />

teils schon vorgestellt worden seien. Dr. Stuke<br />

schließt seinen Vortrag mit der Folgerung, dass ein<br />

Behälteröffnungsprogramm in Deutschland aus<br />

technisch-wissenschaftlicher Sicht zur Zeit nicht<br />

angemessen und sinnvoll wäre. Deutsche Forscher<br />

beteiligten sich an internationalen Beobachtungsprogrammen<br />

und der Aufwand für ein eigenes<br />

Programm wäre enorm hoch.<br />

In der Diskussion wird die Frage nach der Nutzung<br />

der Pilotkonditionierungsanlage (PKA) in Gorleben<br />

für die Öffnung von Behältern und Unter suchungen<br />

des Inventars aufgeworfen. Dr. Stuke erläutert<br />

dazu, dass die PKA alleine nicht ausreichend<br />

sei und dort nur Sichtprüfungen durchgeführt<br />

werden könnten. Im weiteren Verlauf der Diskussion<br />

erklärt Stuke, dass es das Ziel sei, mit den verschiedenen<br />

Forschungsprogrammen eine Voraussicht<br />

von rund 20 Jahren hinsichtlich der Behälter<br />

und des Inventars zu erlangen. Im Programm<br />

LEDA seien drei Kampagnen vorgesehen und diese<br />

hätten unterschiedliche Charakteristiken hinsichtlich<br />

des Wasserstoffverhaltens.<br />

Myonenradiographie von Transport- und<br />

Lagerbehältern<br />

Julia Niedermeier von der TU München hält mit<br />

„Myonenradiographie von Transport- und Lagerbehältern“<br />

den Eröffnungsvortrag des zweiten<br />

Tages des Fachworkshops Zwischenlagerung.<br />

Sie erklärt, dass die TU München eine theoretische<br />

Machbarkeitsstudie zur Nutzung der Myonenradiographie<br />

in der Zwischenlagerung abgebrannter<br />

Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle<br />

durchführe. Langfristiges Ziel sei es dabei,<br />

einzelne Brennstäbe visuell auflösen zu können.<br />

Neben der erreichbaren Auflösung sei auch die<br />

Dauer des Untersuchungsprozesses am einzelnen<br />

Behälter eine wichtige Forschungsfrage, da die<br />

Zahl der nutzbaren Myonen begrenzt sei. Niedermeier<br />

berichtet, dass ein zweites Forschungsprojekt<br />

zur praktischen Umsetzung im Zwischenlager<br />

Grafenrheinfeld laufe.<br />

Zum Hintergrund des Forschungsvorhabens<br />

erläutert Niedermeier, dass pro Minute rund<br />

600 Myonen infolge kosmischer Strahlung den<br />

Körper durchdringen, eines pro Minute pro<br />

„ Daumennagel“. Dies entspreche rund 10.000 Myonen<br />

pro Minute und Quadratmeter. Aktuell befasse<br />

man sich mit der Entwicklung eines sehr genauen<br />

Behältermodells um die Auflösung zu verbessern<br />

und untersuche, welcher Grad an Vereinfachung<br />

zur Veränderung der Simulation des Streuverhaltens<br />

führe. Die Myonenenergie werde mit<br />

4 GeV, der Eintrittswinkel mit 0 Grad angenommen.<br />

Die Myonenzahl variiere zwischen<br />

4,5 und 15 Millionen, entsprechend Bestrahlungszeiten<br />

von 100 Stunden bis zwei Wochen.<br />

Niedermeier berichtet, dass das Forschungsprojekt<br />

MUTOMCA (MUon TOMography <strong>for</strong><br />

shielding CAsks) in Grafenrheinfeld in Zusammenarbeit<br />

mit dem Forschungszentrum Jülich, dem<br />

Istituto Nazionale di Fisica <strong>Nuclear</strong>e (INFN)<br />

und der Euratom DG ENER­ E der Re-Verifikation<br />

von Brennelementbehältern mit Unterscheidung<br />

zwischen Brennelementen und Dummy<br />

Elementen diene. Die bisherigen praktischen Tests<br />

seien vielversprechend und die Arbeiten würden<br />

zur weiteren Verbesserung der Ergebnisse <strong>for</strong>tgesetzt.<br />

In der Diskussion erklärt Niedermeier,<br />

dass das Thema Myonenradiographie eine Forschung<br />

in wenigen, kleinen Gruppen sei und<br />

daher ein tendenziell eher isoliertes Forschen die<br />

Regel sei.<br />

Wasserstoffdiffusion in zirkoniumbasierten<br />

Hüllrohrmaterialien<br />

Dr. Peter Kaufholz, von der BGZ trägt zu „Wasserstoffdiffusion<br />

in zirkoniumbasierten Hüllrohrmaterialien“<br />

vor. Er erläutert, dass im Betrieb im<br />

Reaktor eine Wasserstoffaufnahme vor allem<br />

durch wasserseitige Oxidation und die Bildung von<br />

Zirkonhydriden erfolge, woraus sich nur eine<br />

geringfügige Beeinflussung der mechanischen<br />

Struktur ergebe. Die relevanten Einflussgrößen<br />

seien Spannungszustand, Temperaturhistorie und<br />

Wasserstoffkonzentration. Der Spannungszustand<br />

werde vom Innendruck und dem Pellet-Cladding-<br />

Bonding, Brücken zwischen Brennstoffpellet und<br />

Hüllrohr bestimmt, wobei diese das Hüllrohr<br />

auch stabilisieren. Die Temperaturhistorie werde<br />

von der Nachzerfallswärme und der Wärmeabfuhr<br />

bestimmt. Sie sei gekennzeichnet durch<br />

den Wechsel von hohen Betriebstemperaturen von<br />

350 °C zu niedrigen Temperaturen in der Nasslagerung<br />

von rund 40°C sowie dem wechselhaften<br />

Ausgabe 1 › Januar


Report<br />

89<br />

Brennelemente-Zwischenlager Gorleben<br />

Foto: BGZ<br />

Temperaturverlauf während der Behältertrocknung<br />

und dem langsamen Abklingen von<br />

zunächst recht hohen Temperaturen der Brennelemente<br />

in der Trockenlagerung, die anfangs<br />

denen im Reaktorbetrieb ähnelten. Die Wasserstoffkonzentration<br />

und -verteilung wiederum<br />

werde von einer geometrischen Umorientierung<br />

eines Teils der Zirkonhydride während der<br />

Temperaturwechsel des Trocknungsprozesses<br />

beeinflusst.<br />

Kaufholz berichtet, dass klassische Modelle<br />

zum Wasserstoffverhalten für lange Zeiträume<br />

ungeeignet seien. Daher solle ein kinetisches<br />

Modell des Wasserstoffverhaltens entwickelt<br />

werden. Dabei solle besser berücksichtigt werden,<br />

dass die Hydridbildung und die Wasserstoffverteilung<br />

von Verlauf und Geschwindigkeit der<br />

Temperaturveränderungen abhingen. Er führt<br />

aus, dass mit der Hydrid-Reorientierung ein<br />

potentieller Schädigungsmechanismus existiere,<br />

der allerdings für den größten Teil des Inventars<br />

nicht relevant sei. So könnten für Linerund<br />

Duplex-Brennstoffe Hydrid-Reorientierungen<br />

bereits jetzt ausgeschlossen werden. Kaufholz<br />

benennt als Forschungsprojekte in diesem<br />

Zusammenhang das Verbundvorhaben mit KIT<br />

und GRS, SpizWurZ (Spannungsinduzierte Wasserstoffumlagerung<br />

in Brennstabhüllrohren während<br />

der längerfristigen Zwischenlagerung), HYDAX<br />

(Hydrogen and Hydrides Distribution in Axial<br />

Cladding Direction) in Zusammenarbeit mit dem<br />

PSI und SCIP IV/V (Studsvik Cladding Integrity Project)<br />

als internationales Projekt der OECD/NEA, bei<br />

dem es um Untersuchungen zum Kriech verhalten<br />

von Hüll rohrwerkstoffen und zur Hydrid­ Reorientierung<br />

unter den Bedingungen der trockenen<br />

Zwischenlagerung gehe. Kaufholz teilt mit, das<br />

SCIP IV bis Juni 2024 laufe und SCIP V im Anschluss<br />

bis 2029 geplant sei. Bei letzterem habe die BGZ das<br />

experimentelle Programm aktiv mitgestalten können.<br />

Auch das Projekt LEDA gemeinsam mit u.a.<br />

Studsvik, Framatome und EDF habe eine Laufzeit<br />

bis 2029. Kaufholz macht auf den Studierendentag<br />

der BGZ am 18. und 19. April 2024 in Garching<br />

aufmerksam, bei dem die Möglichkeit zur Vorstellung<br />

und Diskussion von Forschungs- und Abschlussarbeiten<br />

mit Bezug zur Zwischenlagerung<br />

bestehe.<br />

Neuste Entwicklungen auf dem Gebiet<br />

der Brennstabcodes<br />

Vom Paul Scherrer Institut in der Schweiz<br />

zum Fachworkshop gereist, ist Dr. Piotr Konarski<br />

für den Vortrag „Neuste Entwicklungen auf dem<br />

Gebiet der Brennstabcodes“. Er stellt das Konzept<br />

der Schweizer Entsorgungspolitik mit Nasslagerung<br />

an den Standorten der Kernkraftwerke,<br />

zentraler trockener Zwischenlagerung und einer<br />

Entsorgungsperspektive nach Standortaus wahlverfahren<br />

nach 2050 vor. Konarski erläutert, dass<br />

sich der Forschungsansatz des PSI zur Zwischenlagerung<br />

aus dem Projekt STARS (Steady-state<br />

and Transient Analysis Research <strong>for</strong> the Swiss<br />

reactors) ergebe, einer Schweizer Multiphysikplatt<strong>for</strong>m,<br />

mit der das Verhalten des Kraftwerks,<br />

die Reaktorphysik und die Brennstoffmodellierung<br />

untersucht werden könnten. Aus dieser<br />

inte grierten Sicherheitsanalyse von der Turbine<br />

bis zum Pellet sei das Projekt DRYstars (DRY Storage<br />

Analyses <strong>for</strong> the Reactors in Switzerland) entwickelt<br />

worden, das 2019 begonnen worden sei.<br />

Konarski erläutert, dass DRYstars auf einer<br />

Bestandsaufnahme hinsichtlich der zu behandelnden<br />

Phänomene und Sicherheitskriterien, der<br />

vorhandenen Experimente und Codes sowie der<br />

Berücksichtigung spezifisch Schweizer Aspekte<br />

beruhe. Davon ausgehend und unter Einsatz<br />

Vol. 69 (2024)


90<br />

Report<br />

der vorhandenen Kompetenzen in Multiphysik­<br />

Modellen wie der Schweizer Brennstoffanalyse<br />

und entsprechender Sensitivitätsstudien sollen<br />

Modelle zum Verhalten der Pellets, der Hüllrohre<br />

und des Wasserstoffs entwickelt werden. Ein<br />

fachlicher Ausgangspunkt sei Falcon (Fuel Analysis<br />

and Licensing Code – New) des US-amerikanischen<br />

EPRI, ein 2D-Brennstab-Code, bei dem das PSI zum<br />

Entwicklungsteam gehöre. Falcon sei allerdings<br />

nicht für die Analyse in der Trockenlagerung<br />

entwickelt worden und habe daher modifiziert<br />

werden müssen. Gegenstände dieser Modifikationen<br />

seien das Fuel-Cladding Bonding, das<br />

Kriechverhalten des Hüllrohrs bei Trockenlagerung,<br />

Wasserstoffdiffusion, Hydrid-Bildung<br />

und -Auflösung sowie Hydrid-Reorien tierung.<br />

Konarski berichtet, dass im Rahmen dieser<br />

Forschung Modellierungen für das Kriechverhalten<br />

für Druck- und Siedewasserreaktoren, für<br />

das Heliumverhalten und das Anschwellen des<br />

Brennstoffs sowie die Heliumfreisetzung und<br />

das Wasserstoffverhalten angewandt bzw.<br />

integriert und entwickelt worden seien. Dabei<br />

hätten sich teils Abweichungen von den Ergebnissen<br />

von Experimenten mit bestrahlten Proben<br />

ergeben, so dass die Modelle weiterentwickelt<br />

werden müssten.<br />

Warum Benchmarks immer wichtig sind<br />

Den abschließenden Fachvortrag „Warum Benchmarks<br />

immer wichtig sind“ hält Sven Tittelbach<br />

von der WTI Wissenschaftlich Tech nische Ingenieurberatung.<br />

Tittelbach beginnt mit einer ausführlichen<br />

Begriffsbestimmung von „Benchmark“<br />

auf Grundlage verschiedener Regelwerke und beschließt<br />

dies mit der Feststellung, dass ein Benchmark<br />

ein zur Validation eines Be rechnungssystems<br />

für einen Anwendungsfall verwendetes Experiment<br />

oder eine verwen dete Messung an einer<br />

Referenzanordnung sei. Tittelbach beschreibt die<br />

Bedingungen und An<strong>for</strong>derungen an einen guten<br />

experimentellen Benchmark und stellt internationale<br />

Benchmarksammlungen vor. Er beschreibt<br />

die Anpassung der Nachweißführung, die bislang<br />

von der sicheren Einhaltung von Grenzwerten im<br />

Fall der frischen Behälterbeladung geprägt gewesen<br />

sei, an die An<strong>for</strong>derungen der verlängerten<br />

Zwischenlagerung und des anschließenden Transports.<br />

So sei eine Kom pensation der zusätzlichen<br />

Unsicherheiten und geänderten Randbedingungen<br />

bei gleichbleibenden Grenzwerten durch die<br />

Berücksichtigung der Ist­ Inventare anstelle der<br />

Auslegungsinventare, die Verbesserung der<br />

Vorhersagegenauigkeit der Berechnungen und<br />

die Berücksichtigung der Ist-Daten der Behälter<br />

herbeizuführen.<br />

Tittelbach führt aus, dass sich in diesem Sinne<br />

folgender Benchmarkbedarf für die verlängerte<br />

Zwischenlagerung ergäbe: Berücksichtigung<br />

der Ist-Inventare durch Absicherung der Quellterme<br />

der Ist-Inventare und Validation neuer<br />

Berechnungsprogramme; Hüllrohr- und Behälterkomponententemperaturen<br />

als Eingangswerte<br />

für die Alterungsbewertung mit Validation der<br />

berechneten Temperaturen bei der Abfertigung<br />

und trockenen Zwischenlagerung sowie einer<br />

Absicherung der Nachzerfallsleistung der Ist­<br />

Inventare; Dosisleistung mit Verbesserung der<br />

Vorhersagegenauigkeit der Abschirmberechnungen<br />

und ebenfalls Absicherung der Quellterme<br />

der Ist-Inventare.<br />

Tittelbach erklärt, dass ein wichtiges internationales<br />

Benchmark-Vorhaben in diesem Zusammenhang<br />

das von EPRI koordinierte Extended<br />

Storage Collaboration Program (ESCP) im Rahmen<br />

der OECD/NEA sei. Im Fokus bei dem Projekt, an<br />

dessen erstem Workshop 2009 40 überwiegend<br />

US-amerikanische Teilnehmer mitwirkten, beim<br />

letzten Winter-Meeting aber 300 Teilnehmer aus<br />

15 Staaten, stehe die thermische Modellierung der<br />

Behälter und damit die Möglichkeit, Aussagen über<br />

Nachzerfallswärme und Dosisleistung. Er weist<br />

darauf hin, dass die Alterung loga rithmisch durch<br />

die Temperatur bestimmt werde und kleine Temperaturunterschied<br />

zu großen Alterungsunterschieden<br />

führen könnten. Tittelbach erklärte, dass<br />

die Teilnahme an internatio nalen Benchmarkprogrammen<br />

auch der Kom petenzerhaltung und<br />

dem Kompetenzerwerb bei Nachwuchskräften<br />

diene, da es in Deutschland kaum mehr Anwendungsfälle<br />

gebe.<br />

Fazit<br />

Der dritte Fachworkshop Zwischenlagerung zu<br />

Forschung und Entwicklung im Bereich der<br />

Zwischenlagerung zeigte eindrucksvoll, dass die<br />

Forschungstätigkeit der BGZ inzwischen eine<br />

große Breite sowie nationale und internationale<br />

Vernetzung erreicht hat, die die BGZ zu einem<br />

auch im internationalen Vergleich relevanten<br />

Forschungsakteur im Bereich der Zwischenlagerung<br />

macht. National wird die BGZ zu einem<br />

Kompetenzhub für das Thema Zwischenlagerung,<br />

wie es Ihrer zentralen Funktion und ihren Verpflichtungen<br />

gegenüber der Öffentlichkeit entspricht.<br />

Die Forschung an der durch die neue<br />

Standortauswahl unvermeidlichen verlängerten<br />

Zwischenlagerung hat in Deutschland durch<br />

die BGZ einen entscheidenden Schub erfahren<br />

und dies in einem kontinuierlichen Dialog mit<br />

der Fachöffentlichkeit und der allgemeinen<br />

Öffentlichkeit insbesondere an den betroffenen<br />

Zwischenlagerstandorten.<br />

Nicolas Wendler<br />

Leiter Politik und Presse, KernD e.V.<br />

Ausgabe 1 › Januar


SEMINARPROGRAMM 2024<br />

Dual-Use-Re<strong>for</strong>m<br />

TERMIN 12. März 2024 PREIS 548,— €<br />

Referent Kai Höft Rechtsanwalt, M. A. (BWL), Rechtsanwalt der Kanzlei für Außenwirtschaftsrecht, Hamburg<br />

Atomrecht – Ihr Weg durch Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren<br />

TERMIN 14. März 2024 PREIS 1.049,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Atomrecht - Das Recht der radioaktiven Reststoffe und Abfälle<br />

TERMIN 18. April 2024 PREIS 1.049,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

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WEBINAR<br />

Grundlagenschulung Kerntechnik (im Preis inbegriffen ist pro Teilnehmer ein Exemplar des Softcover-Fachbuches Kernenergie Basiswissen)<br />

TERMIN 06.–07. Mai 2024 (Präsenzseminar) PREIS 1.498,— € ORT Kaiserin-Friedrich-Stiftung<br />

Referent Dr.-Ing. Thomas Behringer Geschäftsführer Kerntechnik Deutschland e. V. Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin<br />

Grundzüge des Strahlenschutzrechts<br />

TERMIN 14. Mai 2024 PREIS 1.049,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Dual-Use-Re<strong>for</strong>m<br />

TERMIN 24. September 2024 PREIS 548,— €<br />

Referent Kai Höft Rechtsanwalt, M. A. (BWL), Rechtsanwalt der Kanzlei für Außenwirtschaftsrecht, Hamburg<br />

Atomrecht – Ihr Weg durch Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren<br />

TERMIN 26. September 2024 PREIS 1.049,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Atomrecht – Das Recht der radioaktiven Reststoffe und Abfälle<br />

TERMIN 07. November 2024 PREIS 1.049,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Grundzüge des Strahlenschutzrechts<br />

TERMIN 14. November2024 PREIS 1.049,— €<br />

Referent Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Öffentliche Anhörungen erfolgreich meistern<br />

TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />

Referent Dr. Nikolai A. Behr DIKT Deutsches Institut für Kommunikations- und MedienTraining, München<br />

„Stilllegung und Rückbau in Recht und Praxis“<br />

TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />

Referenten Dr. Matthias Bauerfeind TÜV SÜD Energietechnik, Filderstadt<br />

Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Das Strahlenschutzrecht und seine praktische Umsetzung<br />

TERMIN nach Vereinbarung PREIS auf Anfrage ORT Inhouse-Seminar<br />

Referenten Dr. Maria Poetsch TÜV SÜD Energietechnik, Filderstadt<br />

Dr. Christian Raetzke Rechtsanwalt, Leipzig<br />

Alle Preise zzgl. gesetzl. USt.<br />

Für weitere In<strong>for</strong>mationen besuchen Sie unsere Website<br />

https://kernd.de/seminarprogramm/<br />

Anfragen und Anmeldungen: seminare@kernd.de<br />

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größten Teil auch als Inhouse-<br />

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Präsenz-Seminar buchbar.<br />

Preise und Termine auf Anfrage.<br />

Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Stand: 30. November 2023

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