Gipfeltreffen betriebliche Vorsorge 2023
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Betriebliche <strong>Vorsorge</strong> GIPFELTREFFEN | 1<br />
Betriebliche <strong>Vorsorge</strong><br />
procontra 2 | <strong>2023</strong>
2 | GIPFELTREFFEN Betriebliche <strong>Vorsorge</strong><br />
»Am Ende landet alles<br />
beim Vermittler«<br />
Drei Vertreter von Versicherern und ein Makler leuchten alle Winkel der <strong>betriebliche</strong>n<br />
Altersversorgung aus – und siehe da: Richtig gemacht und im Kern ist sie nicht komplex.<br />
Aber in der Praxis sind Produktgeber und Vermittler nicht immer einer Meinung.<br />
Stephan Schinnenburg: Ich begrüße<br />
Sie ganz herzlich zum <strong>Gipfeltreffen</strong>.<br />
In diesem Format versuchen wir, mit<br />
steilen Thesen ausgesuchte Themen<br />
rundum auszuleuchten – diesmal geht<br />
es um <strong>betriebliche</strong> <strong>Vorsorge</strong>. Die erste<br />
These lautet: Der Staat fördert die <strong>betriebliche</strong><br />
Altersversorgung, kurz: bAV,<br />
in der Ansparphase. Aber in der Auszahlungsphase<br />
sind die Renten je nach<br />
Durchführungsweg mehr oder weniger<br />
steuer- und sozialabgabenpflichtig.<br />
Verpufft damit der finanzielle Vorteil<br />
der bAV?<br />
Michael Bastian: Das sehen wir nicht<br />
so! Auch in der Nachsteuerbetrachtung<br />
ist die bAV eine sehr attraktive<br />
Möglichkeit, fürs Alter vorzusorgen<br />
oder auch die Arbeitskraft entsprechend<br />
abzusichern. In der Erwerbsphase<br />
ist die Steuerbelastung des<br />
Einkommens in der Regel höher als in<br />
der Rentenphase die Besteuerung der<br />
Leistungen. Wenn man also Steuern<br />
in der Erwerbsphase vermeidet, lohnt<br />
sich das. Hinzu kommt oft der Arbeitgeberzuschuss<br />
zur bAV. Und nicht<br />
zuletzt erhalten Arbeitnehmer über<br />
die bAV einen Zugang zu Sonderkonditionen,<br />
was auch die Effizienz der<br />
<strong>Vorsorge</strong> im Vergleich zu der privaten<br />
<strong>Vorsorge</strong> noch mal deutlich steigert.<br />
Ruven Simon: Der Steuerprogressions-<br />
Effekt sowie die Krankenversicherungsfreibeträge<br />
in der Rentenphase<br />
allein machen die bAV schon attraktiv,<br />
ergänzt um den 15-Prozent-Pflichtzuschuss<br />
ist die bAV in jedem Rechenmodell<br />
profitabel. Es ist wissenschaftlich<br />
widerlegt, dass sich die bAV nicht<br />
rechnen würde. Wenn es dem Vermittler<br />
gelingt, dass der Arbeitgeber<br />
ordentlich etwas drauflegt, mindestens<br />
die eigene Ersparnis, dann wird<br />
die bAV noch deutlicher attraktiver. Ein<br />
Zuschuss von 20 Prozent ist für den<br />
Arbeitgeber aufwandsneutral – quasi<br />
das neue „Nichts“.<br />
»Die meisten<br />
Kunden verstehen,<br />
dass eine Garantie<br />
viel Geld kostet.«<br />
Florian Dismann<br />
Schinnenburg: Herr Dismann, damit<br />
zu Ihnen als Makler. Wie verlaufen<br />
denn Ihre Gespräche in der Frage zu<br />
der Arbeitgeberbeteiligung?<br />
Florian Dismann: Ich zitiere mal meinen<br />
Steuerberater, der mir sagte: Es<br />
kommt darauf an. Es gibt mittlerweile<br />
sehr gute Tools, die errechnen können,<br />
ob sich die bAV jetzt lohnt, je nach Einkommen,<br />
je nach Steuerklasse, je nach<br />
Familiensituation. Das muss man sich<br />
persönlich anschauen und eventuell in<br />
einem von 20 Fällen vom Abschluss einer<br />
bAV abraten. Was den 20-Prozent-<br />
Zuschuss betrifft, da gebe ich Herrn<br />
Simon recht, das ist ungefähr der Satz,<br />
ab dem sich die Arbeitgeber nicht<br />
mehr bereichern. Wir beraten das zum<br />
Beispiel sehr stark über das Thema<br />
Nettolohn-Optimierung, schauen uns<br />
also die komplette Entgeltstruktur an<br />
und zeigen auf, dass für einen Arbeitgeber<br />
locker mehr als 20 Prozent<br />
möglich sind.<br />
Hubertus Harenberg: Unsere Erfahrung<br />
ist, dass mittlerweile etliche<br />
Arbeitgeber deutlich mehr geben als<br />
den verpflichtenden Zuschuss von<br />
15 Prozent, weil sie attraktiv sein müssen<br />
für ihre Belegschaft. Das empfehlen<br />
wir auch. Wir sagen: Geh darüber<br />
hinaus, lieber Arbeitgeber, damit du<br />
ein attraktives Versorgungssystem<br />
bieten kannst. Je nachdem, wie die<br />
Gehaltsstruktur der Firma aussieht,<br />
kostet es dich fast nichts. Bis zu einem<br />
Zuschuss von 20 bis 25 Prozent ist<br />
bAV für dich oft kostenneutral. Und<br />
wenn du 30, 40 oder 50 Prozent selbst<br />
aufwendest, hast du einen sehr hohen<br />
Mehrwert im Bereich Personalbindung<br />
und -beschaffung.<br />
Schinnenburg: Damit komme ich zum<br />
nächsten Aspekt: Wer weniger Rentenbeiträge<br />
zahlt, sammelt auch weniger<br />
Punkte in der gesetzlichen Rentenversicherung.<br />
Konterkariert dieser Effekt<br />
die bAV?<br />
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Betriebliche <strong>Vorsorge</strong> GIPFELTREFFEN | 3<br />
Harenberg: Der Effekt muss auf<br />
jeden Fall Teil der Beratung und<br />
Dokumentation sein: Wer weniger in<br />
die gesetzliche Rente einzahlt, weil<br />
er Sozialabgaben spart, bekommt<br />
am Ende auch etwas weniger Rente.<br />
Wir berücksichtigen diesen Effekt als<br />
Beratungsbaustein systematisch. In<br />
der Regel wird der Effekt in der bAV<br />
überkompensiert.<br />
Bastian: Auch wir berücksichtigen<br />
den Effekt in unseren Beispiel- und<br />
Vergleichsrechnungen. Das gehört zu<br />
einer seriösen Beratung dazu. Und<br />
man kann sie guten Gewissens nennen,<br />
denn unterm Strich bleibt die bAV<br />
vorteilhaft. Man muss sich vor Augen<br />
halten: Selbst bei nur 15 Prozent Arbeitgeberzuschuss<br />
fließt in der bAV im<br />
Vergleich zu einer privaten <strong>Vorsorge</strong><br />
mehr als der doppelte Beitrag in die<br />
<strong>Vorsorge</strong>.<br />
Simon: Ich muss da mal einhaken.<br />
Natürlich ist es kontraproduktiv, dass<br />
durch Entgeltumwandlung gesetzliche<br />
Ansprüche reduziert werden. Das kann<br />
und muss in der Beratung berücksichtigt<br />
werden, schließlich sind neben<br />
der gesetzlichen Rente auch Arbeits-<br />
losengeld, Krankengeld und Erwerbsminderungsrente<br />
betroffen. Eine<br />
transparente Darstellung inklusive der<br />
Berücksichtigung der zusätzlichen<br />
Rente – durch die bAV – ist für jeden<br />
Kunden eine hilfreiche Entscheidungsgrundlage.<br />
Zumal in jedem Rechenmodell<br />
der Kunde Saldengewinner ist.<br />
Übrigens, nur bei Entgeltumwandlung<br />
werden die Ansprüche an die gesetzlichen<br />
Systeme reduziert. Bei einer<br />
arbeitgeberfinanzierten bAV werden<br />
diese Ansprüche nicht tangiert.<br />
Schinnenburg: Herr Dismann, am<br />
Ende sind wieder die Makler in der<br />
Pflicht. Fühlen Sie sich allein gelassen<br />
von den Versicherern oder gehören die<br />
entsprechende Beratung, Dokumentation<br />
und Transparenz zum Rüstzeug<br />
eines erfahrenen Vermittlers?<br />
Dismann: Ich habe kein Problem<br />
damit, einem Kunden offenzulegen,<br />
dass er bei Entgeltumwandlung weniger<br />
gesetzliche Rente bekommt, und<br />
ihm gleichzeitig auf den Cent genau<br />
mitzuteilen, dass er im Gegenzug<br />
einen höheren Ausgleich bekommt.<br />
Und ehrlich gesagt habe ich noch nie<br />
jemanden erlebt, der lieber einen Euro<br />
in die gesetzliche Rente mehr einzahlt<br />
als einen Euro in einen privaten Vertrag.<br />
Die Performance der Deutschen<br />
Rentenversicherung ist ja auch nicht<br />
so stark wie die der Produktgeber hier<br />
am Tisch. Wenn Vermittler nicht für<br />
die bAV kämpfen würden, dann würden<br />
viel weniger Menschen überhaupt<br />
Altersversorgung auf eigene Faust<br />
betreiben.<br />
Schinnenburg: Meine Herren, was halten<br />
Sie von der These, ohne 100-prozentige<br />
Beitragsgarantie funktioniere<br />
die <strong>betriebliche</strong> <strong>Vorsorge</strong> nicht?<br />
Bastian: Ich drehe die These um: Mit<br />
voller Beitragsgarantie funktioniert<br />
eine effiziente bAV nicht. Rückmeldungen<br />
von Kunden sowie Studien<br />
und Befragungen zeigen: Die Menschen<br />
in Deutschland wollen Sicherheit<br />
und Rendite passend kombinieren.<br />
Denn ein Beitragsgarantie<br />
ist nominal und wird durch Inflation<br />
immer weniger wert. Also müssen<br />
Versicherer chancenorientiert anlegen,<br />
um für ihre Kunden überhaupt eine<br />
attraktive Rendite erwirtschaften zu<br />
können. Also: Man braucht eine Garantie<br />
für den Sicherheitsaspekt. Die<br />
muss aber deutlich unter 100 Prozent<br />
liegen, um die Freiräume in der Anlage<br />
zu haben.<br />
Harenberg: Bei der 100-Prozent-Frage<br />
bekomme ich Gänsehaut. Daher<br />
möchte ich weiter ausholen. Die gesetzliche<br />
Rente hat ein dramatisches<br />
Demografieproblem und braucht eine<br />
Zusatzversorgung. Junge Menschen<br />
sind massiv betroffen. Das wird viel<br />
zu wenig diskutiert. Wir brauchen<br />
hier mehr Emotionen. Wenn wir<br />
Florian Dismann ist Geschäftsführer der Finanzmakler Bodensee<br />
Konzept. „Unsere Dienstleistung macht Unternehmen nicht<br />
nur zu Lieblingen der Fachkräfte, sondern spart durch Prozessoptimierung<br />
und Digitalisierung auch noch Ressourcen in der<br />
Personalabteilung“, beschreibt er das Geschäftsmodell. Dabei<br />
setze der Makler auf ein Netzwerk aus Spezialisten. Dismann ist<br />
überzeugt, ein Konzept zu haben, „mit dem Unternehmen Fachkräfte<br />
magnetisch anziehen“.<br />
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4 | GIPFELTREFFEN Betriebliche <strong>Vorsorge</strong><br />
Hubertus Harenberg ist nach eigenen Worten „ein Kind der<br />
<strong>betriebliche</strong>n Altersversorgung und mit MetallRente, KlinikRente<br />
sowie ChemieRente auch ein leidenschaftlicher Befürworter der<br />
Branchenversorgung“. Seine Funktionen innerhalb des Swiss-<br />
Life-Konzerns spiegeln diese Leidenschaft wider: Harenberg<br />
ist Bereichsleiter <strong>betriebliche</strong> Altersversorgung bei Swiss Life<br />
Deutschland, Geschäftsführer der Schweizer Leben Pensionsmanagement<br />
GmbH sowie jeweils Vorstand der Swiss Life Pensionsfonds<br />
AG und Swiss Life Unterstützungskasse e. V.<br />
Garantieniveau auskommt und gleichdie<br />
Menschen im Alter ausreichend<br />
versorgen wollen, dann müssen wir<br />
ganz klar sagen: Die gesetzliche Rente<br />
ist nur eine Grundversorgung und die<br />
bAV muss obendrauf. Und natürlich<br />
brauchen wir für eine ausreichende<br />
Rendite Flexibilität in der Kapitalanlage.<br />
Nur ein Garantieniveau unter<br />
100 Prozent ermöglicht es Versicherern,<br />
in Produktivkapital wie Aktien<br />
zu investieren und so mittels Rendite<br />
Versorgungslücken zu reduzieren oder<br />
zu schließen. Zum Glück geht der<br />
Trend in Richtung Aktien, die langfristig<br />
eine sichere Anlage sind. Bei Swiss<br />
Life sehen wir eine hohe Nachfrage<br />
nach fondsgebundenen Produkten in<br />
der bAV.<br />
Schinnenburg: Die Versicherer sind<br />
auf der Produktseite ja schon sehr<br />
modern. Aber akzeptiert der Kunde<br />
das Angebot wirklich, oder nimmt er<br />
ein Produkt, weil ihm nichts anderes<br />
angeboten wird?<br />
Dismann: Gute Frage. Aspekte wie<br />
Kommunikation und Verständnis<br />
sind sehr wichtig. In den Ohren der<br />
Kunden klingt das Wort Garantie<br />
nach Herzenswärme. Es bedarf etwas<br />
Mühe, damit ein Kunde davon etwas<br />
abrückt. Dafür habe ich in meinen<br />
Beratungsunterlagen oft ein Chart. Es<br />
zeigt die Entwicklung des Deutschen<br />
Aktienindex DAX seit seiner Auflegung.<br />
Ein zweites Schaubild zeigt einen<br />
Vergleich zwischen DAX-Performance<br />
und einem Garantieprodukt mit<br />
zum Beispiel im Schnitt 2, 3 Prozent<br />
Wertentwicklung. Dann spricht man<br />
mit dem Kunden, was ihm über<br />
»Die gesetzliche<br />
Rente hat ein<br />
drama tisches Demografieproblem.«<br />
Hubertus Harenberg<br />
Jahrzehnte lieber gewesen wäre. Und<br />
fast alle sagen: Ja, ich hätte gern von<br />
der Aktienentwicklung profitiert. Die<br />
meisten Kunden verstehen, dass eine<br />
Garantie nur Sicherheit suggeriert,<br />
aber tatsächlich viel Geld kostet.<br />
Simon: In der bAV haben Garantien<br />
eine grundlegende Bedeutung. Da der<br />
Arbeitgeber ein arbeitsrechtliches Versprechen,<br />
eine Zusage erteilt. In der<br />
Beitragszusage mit Mindestleistung<br />
sind 100 Prozent Beitragsgarantie<br />
gefordert. Diese ist von der Versicherungswirtschaft<br />
durch die Absenkung<br />
des Rechnungszinses kaum noch<br />
darstellbar. Deshalb hat man sich der<br />
beitragsorientierten Leistungszusage<br />
zugewandt, die mit einem geringeren<br />
zeitig die Finanzierung des arbeitsrechtlichen<br />
Versprechens ermöglicht.<br />
Das mit Abstand meistverkaufte<br />
Produkt der WWK ist die unter dem<br />
Namen WWK IntelliProtect bekannte<br />
Fondsrente mit Garantie. Wir arbeiten<br />
mit einem hocheffizienten iCPPI-Algorithmus,<br />
der möglichst renditeschonend<br />
die Garantie herstellt. Dieser<br />
Tarif ermöglicht mit 80-prozentiger<br />
Beitragsgarantie und einem Höchstrechnungszins<br />
von 0,25 Prozent sogar<br />
höhere Investitionsquoten in freie<br />
Fonds im Vergleich zu 100 Prozent<br />
Garantie und 0,9 Prozent Rechnungszins.<br />
Also, wie ich meine, ein äußerst<br />
modernes Produkt.<br />
Bastian: Was Herr Simon über die<br />
Bedeutung von Garantien sagt, ist<br />
wichtig. Tatsächlich kommen wir in<br />
der bAV arbeitsrechtlich nicht ohne<br />
eine Garantie aus. Gleichzeitig müssen<br />
Versicherer für ihre Kunden eine Rendite<br />
erwirtschaften. Wie also verbindet<br />
ein Versicherer Garantie und Rendite?<br />
Hierauf zu achten ist für Vermittler<br />
wichtig. Eine Garantie kann auch<br />
über ein starkes Sicherungsvermögen<br />
abgebildet werden, was den Anteil<br />
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Betriebliche <strong>Vorsorge</strong> GIPFELTREFFEN | 5<br />
der chancenorientierten Geldanlage<br />
erhöht. Und dann akzeptieren Kunden<br />
auch abgesenkte Garantien bei der<br />
Allianz.<br />
Harenberg: Die wichtigste Zusageform<br />
ist die beitragsorientierte Leistungszusage,<br />
mit Beitragsgarantien unter<br />
100 Prozent. Das wird heute in Produkten<br />
umgesetzt, um den Kundenwunsch<br />
nach Sicherheit und Rendite<br />
zu verbinden. Bei der Beitragszusage<br />
mit Mindestleistung sollte der Gesetzgeber<br />
mehr Flexibilität hinsichtlich<br />
der Garantieerfordernis ermöglichen,<br />
damit die Versicherer auch hier attraktive<br />
Produkte anbieten können. Dann<br />
würde für Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
auch hier eine Tür aufgehen.<br />
Schinnenburg: Ich halte mal fest: Die<br />
Branche bewegt sich in einem Feld mit<br />
juristischen Leitplanken, die offenbar<br />
zu eng gesetzt sind. Ein wichtiger<br />
Appell an die Politik lautet daher:<br />
mehr Flexibilität! Ich komme jetzt zur<br />
nächsten These: In der bAV gibt es<br />
fünf Durchführungswege – zu viele,<br />
meinen Kritiker. Sie machten alles viel<br />
zu kompliziert. Herr Dismann, wie<br />
sehen Sie das?<br />
Dismann: Der Ansicht stimme ich zu.<br />
Die Komplexität schreckt ab. Unternehmer<br />
sagen mir immer wieder: Hör<br />
mir bloß auf mit dem Thema bAV! Ich<br />
will damit nichts zu tun haben. Wir<br />
schweigen das hier tot und es ist mir<br />
egal, wenn ich dafür haften muss. Ich<br />
will es in meinem Unternehmen nicht<br />
haben. Eigentlich müssten alle Beteilig<br />
ten das Thema bAV von null weg neu<br />
starten.<br />
Simon: bAV kann sehr komplex, aber<br />
auch sehr einfach sein. Es hängt im<br />
Wesentlichen von der Ausgestaltung<br />
ab. Wenn man sich auf die Direktversicherung<br />
und die (kongruent)<br />
rückgedeckte Unterstützungskasse<br />
konzentriert, kann die bAV erfolgreich<br />
einsetzt und der Großteil aller Fälle<br />
abgedeckt werden. Daher verfolgt<br />
unser Haus die konsequente Vereinfachung<br />
bei allen Themen rund um die<br />
bAV – nicht nur bei den Produkten,<br />
sondern auch in der Verwaltung sowie<br />
bei den Formularen und Prozessen.<br />
Dazu nutzt die WWK auch stark die digitale<br />
Welt. Wir sind bei nahezu jedem<br />
Portalanbieter vertreten und stellen<br />
jedem Vermittler und jeder Firma ein<br />
kostenfreies Verwaltungsportal für<br />
bAV-Verträge zur Verfügung, in dem<br />
Vorgänge angestoßen und Abschlüsse<br />
getätigt werden können. Auch andere<br />
Versicherer können miteinbezogen<br />
werden. Aus Sicht eines Arbeitgebers<br />
ist das sehr wichtig.<br />
Bastian: Die Digitalisierung der Prozesse<br />
ist ein ganz wichtiger Aspekt. Es<br />
gibt mittlerweile eine Vielfalt an Lösungen<br />
im Markt – und ein Vermittler<br />
sollte einem Arbeitgeber ein zu dessen<br />
Bedürfnissen passendes Angebot unterbreiten<br />
können. Die Allianz ist hier<br />
ebenfalls auf zwei Gleisen unterwegs:<br />
Wir bieten Arbeitgebern die Nutzung<br />
unseres Portals FirmenOnline oder die<br />
Integration in eine Marktlösung an.<br />
Letzteres ist insbesondere für unabhängige<br />
Vermittler interessant.<br />
Harenberg: Ja, neben einem leistungsstarken<br />
<strong>Vorsorge</strong>produkt braucht es<br />
leistungsstarke digitale Prozesse, um<br />
Arbeitgeber und Vermittler maximal zu<br />
entlasten, die Belegschaft zu erreichen<br />
und den Mehrwert dieser Zusatzversorgung<br />
vor Augen zu halten. Swiss<br />
21 Millionen Anwartschaften<br />
Aktiv Versicherte und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit bAV<br />
5.105<br />
Angaben in Tsd.<br />
Dezember 2021 Dezember 2022<br />
Summe:<br />
14.560<br />
3.861<br />
1.389<br />
4.205<br />
6.058<br />
4.985<br />
Pensionskasse Pensionsfonds Direktversicherung<br />
Direktzusage/U-Kasse Zusatzversorgung öffentlicher Dienst<br />
Summe:<br />
21.165<br />
4.251<br />
5.289<br />
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
Life unterstützt hier diverse bAV-<br />
Plattformen und hat den Fokus auf die<br />
digitale Weiterentwicklung gerichtet.<br />
Dismann: Aus der Praxis kann ich<br />
berichten, dass uns Unternehmer<br />
gesagt haben: Hey, ihr greift nach<br />
meinem Baby, meiner Firma, die ich<br />
aufgebaut habe, und da ist in der<br />
Vergangenheit sehr viel Schindluder<br />
von anderen Kollegen getrieben<br />
worden. Deshalb setzen wir als Makler<br />
mit Unterstützung von Rechts- und<br />
Rentenberatern immer wieder ganze<br />
<strong>Vorsorge</strong>systeme neu auf, drücken<br />
582<br />
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6 | GIPFELTREFFEN Betriebliche <strong>Vorsorge</strong><br />
quasi die Reset-Tas te. Dabei merzen<br />
wir Dinge aus, die von anderen nicht<br />
richtig eingerichtet wurden. Wir bauen<br />
also zunächst ein rechtssicheres Fundament,<br />
auf das der Arbeitgeber ein<br />
passendes <strong>Vorsorge</strong>system aufbauen<br />
kann und sich nicht unnötige Risiken<br />
ins Haus holt.<br />
Schinnenburg: Gewiss hilft Kompetenz<br />
bei der Verbreitung der bAV. Aber<br />
gerade Geringverdiener schließen<br />
nicht ab. Die Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes<br />
sollte das<br />
ändern. Ist das gelungen?<br />
Bastian: Laut einer aktuellen Studie<br />
hat der Arbeitgeberzuschuss die Nutzungsquote<br />
der Entgeltumwandlung<br />
von 22 Prozent im Jahr 2019 auf jetzt<br />
47 Prozent erhöht. Ob aber im Bereich<br />
der Geringverdiener die Reichweite<br />
gestiegen ist, bezweifle ich.<br />
Simon: Mit dem Paragrafen 100 des<br />
neu gefassten Einkommenssteuergesetzes,<br />
kurz: EStG, wurde die Geringverdienerförderung<br />
von 40 auf 80<br />
Euro pro Monat erhöht. Der Paragraf<br />
ist ein Eckpfeiler des Betriebsrentenstärkungsgesetzes.<br />
Diese Förderung<br />
wird mit der Lohnsteuerabführung<br />
des Arbeitgebers verrechnet – das ist<br />
schon sehr attraktiv. Nur, das grundsätzliche<br />
Problem ist, dass leider kein<br />
Arbeitgeber anruft und die Einrichtung<br />
einer bAV wünscht; es ist immer<br />
der Vermittler, den es braucht und der<br />
das initiiert. Die Beratungsleistung<br />
dafür ist von höchster Qualität, erfordert<br />
besondere Kenntnisse und ist<br />
zeitintensiv. Und das sollte, nein, muss<br />
daher auch vernünftig vergütet werden.<br />
Die gesetzlichen Regulierungen<br />
in Sachen Vergütung bei Paragraf-<br />
100-EStG-förderfähigen Produkten<br />
macht eine Vergütung im Gleichgewicht<br />
zur Beratungsleistung bzw. zum<br />
Beratungsaufwand unmöglich.<br />
Harenberg: Gescheitert ist die<br />
Geringverdienerförderung deshalb<br />
aber nicht. Der Paragraf 100 ist ein<br />
arbeitgeberfinanzierter Beitrag, der<br />
Arbeitgeber verursacht also zunächst<br />
Kosten bei sich im Haus. Er bekommt<br />
zwar 30 Prozent Förderung auf seinen<br />
Beitrag, hat aber immer noch 70 Prozent<br />
Kosten. Ohnehin ist der Ausdruck<br />
Geringverdiener falsch, schließlich<br />
»Ein Zuschuss<br />
von 20 Prozent ist<br />
für den Arbeitgeber<br />
aufwandsneutral –<br />
quasi das<br />
neue ›Nichts‹.«<br />
Ruven Simon<br />
umfasst der förderfähige Personenkreis<br />
Einkommen bis zu rund 2.600<br />
Euro im Monat. Nur wenn ein Arbeitgeber<br />
diesen Personenkreis halten,<br />
motivieren und anwerben möchte,<br />
wird er diese Kosten in seinem Unternehmen<br />
auslösen und die Förderung<br />
nutzen. Die entsprechenden Unternehmen<br />
befinden sich in Branchen<br />
mit vielen Teilzeitkräften, zum Beispiel<br />
Pflegeeinrichtungen, Kliniken und<br />
Krankenhäuser. Hier wird der Paragraf<br />
100 durchaus genutzt. Er dient dem<br />
Arbeitgeber als personalpolitisches Instrument<br />
und wird mit der Förderung<br />
nach Paragraf 3.63 in Bausteinmodellen<br />
kombiniert.<br />
Schinnenburg: Personalpolitik ist für<br />
Arbeitgeber heute auch deshalb wichtig,<br />
weil es deutlich mehr gebrochene<br />
Erwerbsbiografien gibt. Kaum jemand<br />
arbeitet noch sein ganzes Berufsleben<br />
im selben Unternehmen. Die Notwendigkeit,<br />
aber auch die Bereitschaft<br />
zum Arbeitgeberwechsel sind hoch.<br />
Ein vertriebserschwerendes Thema?<br />
Simon: Da sehe ich keine Probleme. Es<br />
gibt das Portabilitätsabkommen unter<br />
den Versicherungsgesellschaften. Bei<br />
Ruven Simon ist Leiter bAV-Vertrieb der WWK Lebensversicherung.<br />
Er verantwortet die entsprechenden Vertriebsbelange<br />
aller Vertriebswege der gesamten WWK. Seine Aufgabe<br />
sieht er darin, das Kauferlebnis in der <strong>betriebliche</strong>n Altersversorgung<br />
durch prozessuale Erleichterungen, Serviceerhöhungen<br />
und eine massive Unterstützung vor Ort für Vermittler,<br />
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verbessern.<br />
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Betriebliche <strong>Vorsorge</strong> GIPFELTREFFEN | 7<br />
einem Wechsel des Arbeitgebers können<br />
die <strong>Vorsorge</strong>verträge mitgenommen<br />
werden. Das Thema Portabilität<br />
erfordert allerdings wieder Unterstützung<br />
durch einen Vermittler – Vermittler<br />
sind in der bAV sehr wichtig.<br />
Bastian: Ich sehe das genauso. Die<br />
Portabilität ist gesetzlich verankert.<br />
Dadurch erhalten Arbeitnehmer die<br />
notwendige Sicherheit und Flexibilität,<br />
den Arbeitgeber zu wechseln. Zudem<br />
gibt es ja noch andere Möglichkeiten,<br />
auf die individuelle Situation zu<br />
reagieren, zum Beispiel einen Wechsel<br />
des Versicherungsnehmers. Auch eine<br />
private Fortführung kann in Einzelfällen<br />
eine Option sein.<br />
Harenberg: Bei der Fortführung<br />
der bAV im Zuge eines Arbeitgeberwechsels<br />
reden wir in der Regel über<br />
Entgeltumwandlung, also mitarbeiterfinanzierte<br />
bAV. Der etablierte Durchführungsweg<br />
ist hier die Direktversicherung.<br />
Der Tipp lautet also: Mache<br />
Entgeltumwandlung im Rahmen einer<br />
Direktversicherung und du kannst den<br />
Vertrag meist problemlos zum nächsten<br />
Arbeitgeber per VN-Wechsel oder<br />
Übertragungsabkommen mitnehmen.<br />
Schinnenburg: Herr Dismann, wir<br />
sehen, irgendwann landet immer alles<br />
auf dem Schreibtisch des Vertrieblers.<br />
Dismann: Ich muss leider deutlich<br />
sagen, ich teile keine der von Vertretern<br />
der Versicherungsunternehmen in<br />
diesem Zusammenhang vorgetragenen<br />
Meinungen. Ich finde, in der Praxis ist<br />
es immer noch viel zu kompliziert und<br />
viel zu schwer. Auch wenn Arbeitnehmer<br />
ein Recht auf Portabilität haben,<br />
gibt es immer noch Betriebe, gerade in<br />
kleineren Dimensionen, die lehnen bei<br />
neuen Mitarbeitern die Übernahme<br />
eines bestehenden Vertrages ab. Und<br />
die möchten auch nicht unbedingt<br />
Verträge mit weiteren Versicherern im<br />
Portfolio haben und möchten generell<br />
nichts überführen. Und auch neue<br />
Mitarbeiter pochen nicht so gerne auf<br />
Michael Bastian ist Bereichsleiter<br />
im Vertrieb bei der Allianz<br />
Lebensversicherung und der<br />
Allianz Private Krankenversicherung.<br />
Er als Person steht quasi<br />
sinnbildlich für die Verbindung<br />
der <strong>betriebliche</strong>n <strong>Vorsorge</strong> dieser<br />
beiden Sparten. In Gesprächen<br />
und Interviews wird immer<br />
wieder seine Motivation sichtbar:<br />
Er will Firmenkunden von der<br />
Kombination von bAV und bKV<br />
überzeugen, denn im Kampf<br />
um Fachkräfte hätten sie damit<br />
Wettbewerbsvorteile.<br />
»Eine Garantie<br />
muss deutlich unter<br />
100 Prozent liegen,<br />
um Freiräume<br />
in der Anlage<br />
zu haben.«<br />
Michael Bastian<br />
einen Rechtsanspruch und machen<br />
sich damit gleich zu Beginn bei ihrem<br />
neuen Chef unbeliebt. Im Ergebnis<br />
liegen dann schnell zwei, drei angefangene<br />
bAV-Verträge herum. Das ist<br />
in der Praxis eben noch nicht elegant<br />
gelöst. Es ist zwar in den vergangenen<br />
Jahren besser geworden, aber es muss<br />
auch an dieser Stelle alles deutlich<br />
einfacher funktionieren.<br />
Schinnenburg: Ganz, ganz herzlichen<br />
Dank! Wir sind am Ende unserer Zeit<br />
angekommen und es war für mich eine<br />
spannende Diskussion. Ich habe ein<br />
paar Dinge mitgenommen. Das eine<br />
ist: 20 Prozent ist das neue Nichts.<br />
Also: In der bAV-Beratung sollten<br />
20 Prozent Arbeitgeberzuschuss das<br />
Minimum sein. Ich nehme mit, dass<br />
eine 100-prozentige Beitragsgarantie<br />
bei vielen Menschen immer noch<br />
Herzenswärme auslöst. Aber neben<br />
allen rechtlichen Komponenten, die<br />
Versicherer beachten müssen, ist auch<br />
die Rendite für Arbeitnehmer ein<br />
wichtiger Aspekt. Zwei weitere Dinge<br />
sind am Ende noch mal wichtig: Die<br />
bAV ist auch eine Antwort auf den<br />
demografischen Wandel, der ja die<br />
gesetzlichen Sozialsysteme bedroht.<br />
Und wir brauchen Vermittler. Insofern<br />
hat Herr Dismann Ihnen als Vertreter<br />
von Versicherungsgesellschaften einen<br />
Ansporn gegeben hat, Produkte und<br />
Prozesse einfach zu gestalten, wo<br />
immer es möglich ist.<br />
Am Ende landet doch alles auf dem<br />
Schreibtisch eines Vermittlers. Je<br />
besser die Versicherer bAV organisieren,<br />
desto besser kriegen die Vermittler<br />
das hin. Die Digitalisierung kann<br />
hier allen Beteiligten helfen.<br />
procontra 2 | <strong>2023</strong>
8 | GIPFELTREFFEN Betriebliche <strong>Vorsorge</strong><br />
Betriebliche <strong>Vorsorge</strong><br />
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