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Häusliche Gewalt - Leseprobe

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Kaum eine Woche vergeht, in der nicht tödlich verlaufende Gewalttaten zwischen Beziehungspartnern Schlagzeilen machen. In vielen Fällen haben diese Taten eine gewaltbelastete Vorgeschichte – häusliche Gewalt. Aus dem Arbeitsalltag der Polizei ist das Thema nicht wegzudenken. Es stellt gerade im Zusammenhang der Handlungsmaxime „Wer schlägt, der geht“ an das polizeiliche Handeln in Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hohe Anforderungen. Der vorliegende Lehr- und Studienbrief vermittelt komprimiert das erforderliche Grundlagenwissen für das polizeiliche Handeln in Fällen häuslicher Gewalt. Im ersten Teil beschreibt er unter Berücksichtigung europäischer, nationaler und länderspezifischer Studien, Statistiken und Daten den aktuellen Wissensstand zum Thema. Er vermittelt kompakt die für die Beurteilung der polizeilichen Lage bedeutsamen Kenntnisse über Art und Ausmaß von häuslicher Gewalt, Schweregrade und Muster, typische Entwicklungsverläufe sowie besondere Risikofaktoren. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der spezifischen Lebens- und rechtlichen Situation der von häuslicher Gewalt Betroffenen vermittelt der zweite Teil das erforderliche Grundlagenwissen für die Anwendung des gesetzlichen Handlungsrepertoires. Einen Schwerpunkt der Darstellung bilden Aspekte der Gefahrenprognose sowie die Behandlung der zentralen Vorschriften von Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot. Ergänzt werden die Ausführungen mit Hinweisen auf vertiefende Literatur sowie im Anhang durch klausurtypische Fragestellungen mit Lösungsbemerkungen und Fallvarianten.

Begriffsbestimmungen der

Begriffsbestimmungen der Länder oder entsprechend, „wenn 1. eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat oder 2. eine Person widerrechtlich und vorsätzlich a) in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder b) eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.“ 43) Diese Vorschrift schafft einen allgemeinen Rechtsrahmen. Die Ausfüllung dieses Rahmens ist Sache der Länder. 3.2 Begriffsbestimmungen der Länder Mit dem Fehlen einer bundeseinheitlichen verbindlichen Definition des Begriffs der häuslichen Gewalt war den Ländern Raum für jeweils eigene Begriffsbestimmungen gegeben. Die in Aktionsplänen, Handlungskonzepten, Fortbildungs- oder sonstigen Unterlagen der Länder zugrunde gelegten Begriffsbestimmungen orientieren sich weitgehend an der Definition der Istanbul-Konvention. Doch gibt es auch Unterschiede, z.B. in dem Umfang der Einbindung psychischer oder ökonomischer Gewalt, in der Beschränkung auf Partnergewalt in ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die Einbeziehung von Kindern als Opfer von häuslicher Gewalt, oder in dem regelmäßig nicht abschließenden Kanon der subsumierten strafrechtlichen Delikte. Exemplarisch werden nachfolgend einige Definitionen aus den Ländern unter Hinweis auf jeweilige Unterschiede dargestellt. Nordrhein-Westfalen Eine weit gefasste Definition enthält die Begriffsbestimmung der durch das Innenministerium NRW herausgegebenen Broschüre „Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln“ 44) . „Häusliche Gewalt wird angenommen, wenn es in einer häuslichen Gemeinschaft −− ehelicher oder – unabhängig von der sexuellen Orientierung – nicht ehelicher Art oder −− sonstiger Art (z.B. Mutter/Sohn; Seniorenwohngemeinschaft) die entweder −− noch besteht (z.B. Täter und Opfer leben in einer gemeinsamen Wohnung oder verfügen bei bestehender Lebensgemeinschaft über unterschiedliche Meldeanschriften) −− oder in Auflösung befindlich ist (z.B. Beginn eines Trennungsjahres mit oder ohne Auszug aus der gemeinsamen Wohnung; auch bei nichtehelicher Beziehung mit oder ohne Auszug aus der gemeinsamen Wohnung) oder Leseprobe 43) § 1 Abs. 2 Satz 1 Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513). 44) Innenministerium NRW, 2007. 17

Definition häusliche Gewalt −− seit einiger Zeit aufgelöst ist (z.B. laufendes Trennungsjahr mit getrennten Wohnungen, wobei gewisse Gemeinsamkeiten oder Kontakte noch fortbestehen; gemeinsames Sorgerecht für Kinder, geschäftliche Abwicklungen bereits geschiedener Eheleute, die vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens noch Kontakte unterhalten, ohne in einer gemeinsamen Wohnung zu leben) zur Gewaltanwendung kommt. Häusliche Gewalt setzt nicht die Tatbegehung in der gemeinsamen Wohnung voraus. Tatorte können auch Geschäftsräume oder der öffentliche Raum sein. In Zweifelsfällen wird die Polizei häusliche Gewalt annehmen.“ Ausführungen zur Art der Gewaltanwendung enthält die Broschüre nicht. So bleibt unerörtert, in welcher Form bzw. in welchem Umfang auch psychische Gewalt einbezogen ist. Baden-Württemberg Der Landesaktionsplan Baden-Württemberg gegen Gewalt an Frauen vom 24.11.2014 45) definiert häusliche Gewalt als − − „physische, sexuelle und psychische Gewalt in aktuellen oder ehemaligen Ehen und Lebenspartnerschaften bzw. nichtehelichen Lebensgemeinschaften, unabhängig vom Tatort. Ein gemeinsamer Wohnsitz ist nicht Voraussetzung für das Vorliegen von häuslicher Gewalt“ und schließt damit generationenübergreifende Gewalt ausdrücklich aus. Noch enger gefasst ist die in Baden-Württemberg geltende Definition der Polizei. Sie erfasst die Gewalt durch ehemalige Ehe- und Lebenspartner bzw. -partnerinnen ausdrücklich nicht unter dem Begriff der häuslichen Gewalt. Durch diese verübte Gewalttaten werden polizeilich in der allgemeinen Statistik ausgewiesen. Bayern Die bayerische Polizei beschränkt den Begriff in ähnlicher Weise auf Partnergewalt und versteht unter häuslicher Gewalt 46) − − „alle Fälle von physischer und psychischer Gewalt innerhalb von ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften, auch wenn sie sich nach einer Trennung ereignen, aber noch im direkten Bezug zur früheren Lebensgemeinschaft stehen. Dies bedeutet, dass häusliche Gewalt gemäß dieser Definition nicht unmittelbar alle Fälle von Gewalt in der Familie, sondern ausschließlich Partner- und Ex-Partnergewalt umfasst.“ Berlin Wiederum weiter gefasst ist die Definition häuslicher Gewalt der Polizei in Berlin 47) − − „Häusliche Gewalt bezeichnet (unabhängig vom Tatort/auch ohne gemeinsamen Wohnsitz) Gewaltstraftaten zwischen 18 1. Personen in einer partnerschaftlichen Beziehung, die derzeit besteht, die sich in Auflösung befindet oder die aufgelöst ist oder Leseprobe 45) Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg, 2014, S. 7. 46) Bayerischer Landtag, 2014. 47) Karadag/Winkler, 2012, S. 8.