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Beschaffung aktuell 03.2023

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» MANAGEMENT Kartelle

» MANAGEMENT Kartelle im Fokus, Teil 1: Was, wie viel und wer? Die Oligarchen der Industrie Kartelle schaden der Wirtschaft, indem sie den Wettbewerb durch Absprachen schwächen. Deshalb sind Kartelle de jure verboten, de facto aber weit verbreitet . Die Bandbreite reicht von Abgassystemen, Erdöl über Leberwurst und Software bis hin zu Zucker. Aktuell auch mit der Kontrolle der Gaspreisbremse beschäftigt: das Bundeskartellamt in Bonn. Bild: nmann77/stock.adobe.com Michael Grupp Journalist, Stuttgart Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB definiert im Absatz 2 ein Kartell als „eine Absprache oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern zwecks Abstimmung ihres Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt oder Beeinflussung der relevanten Wettbewerbsparameter.“ Dabei geht es nicht nur um Konditionen (Preiskartelle), sondern beispielsweise auch um die Aufteilung von Märkten (Gebietskartelle), um Ausschreibungen (Submissionskartelle) oder um konsolidierte Maßnahmen gegen Wettbewerber. Auch Fusionen unterliegen einer Kontrolle durch das Bundeskartellamt und dürfen erst nach einer Prüfung vollzogen werden. Das Bundeskartellamt bewertet dabei die Auswirkungen auf den Wettbewerb. Überwiegen die wettbewerblichen Nachteile, kann eine Fusion verboten oder nur unter bestimmten Bedingungen freigegeben werden. So hat das Bundeskartellamt 2022 rund 800 Kooperationsprojekte geprüft. Eines wurde verboten (in der Wasserwirtschaft), zwei weitere (die teilweise Übernahme von OMV-Tankstellen durch Esso sowie der Zusammenschluss von Rheinenergie und E.ON) unter Auflagen genehmigt. Insgesamt war 2022 ein ruhiges Jahr für die Wettbewerbshüter: Unter dem Strich wurden „nur“ rund 24 Mio. Euro Bußgeld gegen 20 Unternehmen und sieben Manager verhängt. In Spitzenjahren kann diese Summe locker die Milliardengrenze überschreiten. Schweigen ist Gold Seit Juni 2022 arbeitet das Bundeskartellamt mit dem sogenannten Wettbewerbsregister, in dem Kartellverstöße dokumentiert und archiviert werden. Diese Datenbank informiert öffentliche Auftraggeber über eventuelle Wirtschaftsdelikte potenzieller Marktpartner, die bei negativer Auskunft von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können. Das kann die Existenzfähigkeit eines Unter- 18 Beschaffung aktuell » 03 | 2023

nehmens bedrohen. Betroffene Firmen können eine Löschung beantragen – allerdings erst, nachdem sie Vorkehrungen zur Vermeidung zukünftiger Rechtsverstöße getroffen haben. Einsame Kartelle In manchen Kartell-Fällen bedarf es noch nicht einmal externer Absprachen: Dann nämlich, wenn ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erreicht hat – also keinem wesentlichen Wettbewerb mehr ausgesetzt ist. Nutzt das Unternehmen diese Position „marktmissbräuchlich“, liegt ebenfalls ein kartellrechtlicher Verstoß vor. Maßstab ist dabei, wie sich der Markt bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit entwickeln würde (§ 19 GWB). Hier sehen sich vor allem die Big Five in der Kritik und oft genug auch vor Gericht: Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms (ehem. Facebook) und Microsoft. Die Strafen können beträchtlich ausfallen: So hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) im September 2022 eine Geldbuße in Höhe von 4,1 Mrd. Euro gegen Google verhängt. Die Begründung: Google habe seine beherrschende Marktstellung dazu ausgenutzt, Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen aufzuerlegen. Auch Apple steht regelmäßig vor dem Kadi: zum Beispiel wegen illegaler Preisabsprachen im Großhandel (Strafmaß 370 Mio. Euro) oder wegen unerlaubter personalisierter Werbung (bspw. in Frankreich und in den Niederlanden). Es geht um die Wurst Insgesamt drohen hohe Strafen: Bis zu zehn Prozent des Konzernumsatzes kann das Bundeskartellamt bzw. die EU-Kommission verhängen. So hat das Libor- Kartell die beteiligten Großbanken 1,7 Milliarden gekostet, das Autoglas-Kartell die entsprechenden Zulieferer über eine Milliarde. Legendär ist das Wurstkartell, in dessen Rahmen sich 21 deutsche Wursthersteller zusammengeschlossen haben, um gemeinsam höhere Preisforderungen gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel durchzusetzen. Infolgedessen wurden rund 340 Mio. Euro an Bußgeldern verhängt, unter anderem gegen die Böklunder Fleischwarenfabrik, die Zur-Mühlen-Gruppe und die Tönnies-Gruppe. Ein Großteil der Bußgelder wurde aller- Das Wurstkartell hielt von 1982 bis mindestens 2011 die Fleischpreise zum Schaden der Verbraucher künstlich hoch. Bild: Krakenimages.com/stock.adobe.com Beschaffung aktuell » 03 | 2023 19

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