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Beschaffung aktuell 04.2023

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» MANAGEMENT Bild: Ritter Sport Werden Sie Lieferbeziehungen beenden, wenn die Firmen die Transformation nicht mitgehen? Wolff: Wenn wir überhaupt nicht weiterkommen, auf jeden Fall. Und wir lassen andere Lieferanten zu, das heißt geben neue Partner für den Einkauf frei, die sehr fortgeschritten sind. Ich komme nochmal zur Milch. In Irland gibt es seit Jahren eine Gesetzgebung, die extrem fortschrittlich ist, was das Tierwohl angeht. Man kann also aus Irland mit sehr gutem Gewissen Weidemilch kaufen. Deshalb haben wir Weidemilch aus Irland im Portfolio trotz des längeren Transports. Einfach, weil wir in der konventionellen Landwirtschaft in Deutschland nicht so weit sind. Das nehmen wir als Benchmark für unsere Lieferpartner. So versuchen wir das Themen nach vorne zu bringen. »Auch unsere Lieferanten aus Afrika, Asien, Südamerika müssen ein Geschäft machen und mit ihren Familien davon leben können. Deshalb haben wir das LkSG von Anfang an unterstützt.« Gespräche mit Lieferpartnern vor Ort. Ritter Sport schließt direkt mit den Kooperativen Verträge und schult die Landwirte im nachhaltigen Kakao anbau. Gefördert werden im Rahmen der Partnerschaften auch soziale und Umweltprojekte vor Ort. Müssen Sie nah so an den Ursprung, um etwas zu bewirken? Wolff: Bei unserem größten Rohstoff, dem Kakao, ist die direkte Zusammenarbeit mit den Landwirten und ihren Erzeugerorganisationen seit Jahrzehnten vorhanden und gewünscht. Seit 2012 bauen wir unsere Plantage in Nicaragua auf. Das ist eine der größten Kakaoplantagen der Welt, die wir gegründet haben, um zu zeigen, wie man Kakao im Einklang mit Mensch und Natur anbauen kann – in einem Agroforstsystem mit Kakao- und Schattenpflanzen. Dort leben wieder Faultiere und Krokodile. Daneben haben wir ein hochmodernes Agrarsystem, mit sehr guten Leistungen der Bäume, weil wir den Bestand nicht ausbeuten, sondern im Einklang mit der Natur bewirtschaften. Der Großteil unserer Kakaolieferanten sitzt aber in Afrika. Mittlerweile können wir unseren gesamten Kakaobezug bis zur Erzeugerorganisation zurückverfolgen. Bis 2025 haben wir die volle Transparenz bis zum Bauern. Das ist uns extrem wichtig, weil wir nur so etwas verändern können. Wie ist Ihnen das gelungen? Wolff: Wir schließen Programmverträge mit den Herstellerorganisationen. Meist sind dies Kooperativen, zu denen sich mehrere 100 Landwirte zusammengeschlossen haben. Diese Kooperativen verarbeiten den Kakao weiter und verkaufen ihn an Händler. Für 85 Prozent unserer Kakaolieferungen haben wir bereits Vereinbarungen mit den liefernden Organisationen. Um die Programme aufzusetzen, haben wir über eine mehrjährige Studie mit dem Sustainable Agriculture Network für die verschiedenen Herkünfte untersucht, was die Menschen vor Ort brauchen. Für manche Kommunen sind das Schulen, in anderen spielt Kinderarbeit nach wie vor eine Rolle, für wieder andere sind es Brunnen. Basierend auf dieser Studie haben wir unsere Programme entwickelt und das in Verträgen festgehalten. Die Verträge beinhalten auch unsere Investitionen, die wir vor Ort machen. Wir bezahlen also den Bauern nicht nur den Kakaopreis, sondern unterstützen sie auch, ihre Communityprojekte zu entwickeln, also beim Bau von Brunnen oder der Schule. Und wir stellen vor Ort sicher, dass die Themen auch umgesetzt werden. Sie entwickeln Ihre Lieferanten also schon auf Rohstoffebene? Wolff: Die Anbauländer verfügen über sehr viel Kakao wissen. Über einen Austausch mit dem von uns auf unserer Plantage El Cacao Erlernten schaffen wir eine Symbiose. Wir verstehen die Bedarfe der Bäuerinnen und Bauern, können aber auch unsere Anforderungen zum Beispiel an Qualität einbringen und gemeinsam weiterentwickeln. So bekommen wir reinste Rohstoffe, frei von Kontaminanten. Und wir haben ein großes Verständnis über den Geschmack der verschiedenen Kakaosorten entwickelt. Kakao ist ein bisschen wie Wein. Es gibt unterschiedliche Bäume, Böden, Anbaubedingungen. Wir setzen für unsere Schokoladen keine Aromen ein, nicht zuletzt, weil unser Kakao ein so klares Geschmacksprofil hat. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, auf das wir sehr stolz sind. Möglich ist das, weil wir den Rohstoff und die einzelnen Verarbeitungsstufen verstehen und mitbestimmen. 16 Beschaffung aktuell » 04 | 2023

Lohnt es sich wirtschaftlich, so tief in die Lieferkette einzusteigen? Wolff: Wir sind profitabel und sind sicher, dass wir durch diese Arbeit eine Top-Qualität erzeugen und Verbraucherinnen und Verbraucher das honorieren – vielleicht nicht durch einen gewaltig höheren, aber doch einen höheren Preis. Wir glauben, dass sich Schokolade weiter differenzieren wird und dass wir das über unsere Produktrange wunderbar abdecken können. Qualitätsaspekte sind für uns extrem wichtig. Diese Investitionen lohnen sich vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber sie lohnen sich. In unsere Plantage in Nicaragua investieren wir mit Hunderten Mitarbeitern vor Ort seit 2012. Die erste kleine Ernte war 2018. Das sind diese langen Linien, in denen wir als Familienunternehmen denken und handeln. Welche Rolle spielt in dieser Transformation der Einkauf? Wolff: Innerhalb der Geschäftsführung ist Nachhaltigkeit für alles, was die Wertschöpfungskette betrifft, in meinem Geschäftsressort verankert. Bei der Umsetzung betreffen 70 bis 80 Prozent der Themen den Einkauf. Nachhaltigkeit war bei uns noch nie eine Stabsfunktion, sondern wurde von Anfang an in die Funktionsbereiche implementiert. Die dominante Rolle spielt der Einkauf. Bis in den zentralen Steuerungskreis hinein. Der Einkauf ist ja aber auch kostengetrieben. Wolff: Ja das stimmt. Aber weil der Einkauf so überwältigend wichtig ist, ist er selbst in der Führung, leitet die Themen und bringt sie in die Umsetzung. Und zu diesen Entscheidungen gehört unter anderem auch jene, dass wir auch bei weiteren Kernrohstoffen in die Agrarproduktion einsteigen. Wird Ritter Sport auch zum Verpackungsproduzenten? Wolff: Das nicht (lacht), aber auch die Verpackung unserer Schokolade ist für uns extrem wichtig. Sie ist nicht nur quadratisch und enganliegend am Produkt, optimal für den Transport, die Einstofffolie ist auch seit Jahrzehnten bereits komplett recyclingfähig. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass nicht alle Kunststoffe im Kreislauf und zu viele in der Natur landen. Deshalb haben wir gemeinsam mit unserem Papierlieferanten der Köhler Group ein Entwicklungsprojekt initiiert, um eine für uns brauchbare Papierverpackung zu entwickeln. Für Papier gibt es in den meisten Ländern etabliertere Recyclingkreisläufe als für Kunststoff. Die Primärverpackung ist für uns entscheidend, sie ist direkt an der Schokolade, schützt sie z. B. vor Verunreinigung, Beschädigungen beim Transport und muss haptisch schön sein. Bislang gab es mehrere Markttests mit Papierverpackung, aber wir sind noch nicht am Ziel. Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten wird auch hier enger? Wolff: Solche großen Innovationen kann ein Unternehmen alleine gar nicht entwickeln. Man braucht die vorgelagerten oder nachgelagerten Ketten. Und man braucht Kunden, die das akzeptieren. Deshalb ist es wichtig, dass man mit dem Mindset anfängt. Und hier nehme ich ganz eindeutig einen Wandel wahr. In unserer Industrie, vom Handel bis zum Landwirt, haben alle verstanden, dass sich etwas ändern muss. Auch die Logistik muss grün werden, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Wolff: Die Logistik ist in unserer Überzeugung ein Schlüssel in Richtung CO 2 -Neutralität. Anfang des Jahres haben wir hierzu einen tollen Schritt gemacht und unsere Kurzstreckenlogistik komplett elektrisch umgestellt. Für den Pendelverkehr zwischen Lager und Werk haben wir in Kooperation mit der Nagel-Group nicht nur zwei Elektro-Lkw gekauft. Wir stellen über eine PV-Anlage auch den Strom für die Lagerkühlung und den Pendelverkehr her. Außerdem versorgen wir über Solarthermie auf dem Lager auch noch 3000 umliegende Haushalte mit Fernwärme. Solche Zukunftsmodelle rechnen sich vom ersten Tag. Unser Ziel ist es, unsere Energie selbst zu erzeugen, daher gehen wir auch hier an den Ursprung. Das erste Windrad geht am 1. April ans Netz. Das Gespräch führte Annette Mühlberger. Kakao weltweit nachhaltig zu produzieren ist ein zentrales Ziel von Ritter Sport. Asmus Wolff: „Wir wollen, dass all unsere Lieferpartner verstehen , für welche Werte wir stehen und was wir auf gar keinen Fall wollen.“ »Die Logistik ist in unserer Überzeugung ein entscheidender Schlüssel in Richtung CO 2 -Neutralität.« Bild: Ritter Sport Beschaffung aktuell » 04 | 2023 17

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