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Beschaffung aktuell 04.2023

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» MANAGEMENT Digitales Kartell-Screening bei der Deutschen Bahn Wie Algorithmen den Heuhaufen durchdringen Mit Hilfe eines intelligenten Tools screent die Deutsche Bahn AG seit Anfang 2022 sämtliche Vergaben. Ziel ist, schwarze Schafe auf der Angebotsseite zu detektieren und fairen Wettbewerb für alle Bieter zu gewährleisten. Über 2500 dieser Online- Aktionen wurden seither untersucht. 158 Vergaben wiesen im Jahr 2022 Auffälligkeiten auf, eine davon wurde dem Bundeskartellamt gemeldet. Im Interview ziehen CPO Jan Grothe und Dr. Alexander Gommlich, Leiter Recht bei der Deutschen Bahn, Bilanz. Beschaffung aktuell: Ihre Spezialisten haben viele Jahre lang manuell nach kritischen Nadeln im Heuhaufen gesucht. Das war eine komplett andere Welt. Alexander Gommlich: Ja. Wir haben eine hochspezialisierte interdisziplinäre Einheit, die bei Kartellen zu Lasten der DB seit Jahren erfolgreich Schadensersatzansprüche durchsetzt. Hierbei setzen wir regelmäßig auf Entscheidungen der Kartellbehörden auf. Zusätzlich haben wir seit längerem manuell nach Auffälligkeiten bei Vergaben gesucht. Im Zuge der Digitalisierungsprozesse in den Abteilungen Einkauf und Recht haben wir überlegt, wie wir gemeinsam effizienter vorgehen können. Die Vision war, sämtliche Vergaben systematisch zu screenen. Auffälligkeiten sollten bei Juristen, Wettbewerbsökonomen und Einkäufern automatisch auflaufen. Wir haben dann ein bereichsübergreifendes Projektteam gegründet, Algorithmen identifiziert, die Technik entwickelt und einen Piloten gestartet. Die Bahn setzt auf eine digitale Lösung, die illegale Absprachen enttarnen soll. Im Bild: ICE auf der neu gebauten Strecke Stuttgart-Ulm. Bild: DB AG/Volker Emersleben 24 Beschaffung aktuell » 04 | 2023

Wie lief der Entwicklungsprozess? Gommlich: Das Tool ist inhouse entstanden, und darauf sind wir stolz. Das Kernteam kam aus dem Rechts- und Einkaufsbereich. Nur für das Data-Engineering und einige Data-Science-Aufgaben haben wir weitere Spezialisten hinzugezogen. Innerhalb eines Jahres hat es große Entwicklungssprünge gegeben, und Anfang 2022 haben wir das Tool dann in Betrieb genommen. Seitdem lassen wir alle Vergaben screenen und bekommen Ergebnisse, mit denen wir sehr gut arbeiten können. Um wie viele Vergaben handelt es sich – und was sind aus Ihrer Sicht gute Ergebnisse? Gommlich: Bis Ende 2022 wurden etwa 2500 weltweite Vergaben gescreent. Die Tool-Algorithmen haben in 158 Vergaben Auffälligkeiten angezeigt. In diesen Fällen analysieren wir in einem Zweitprozess gemeinsam mit dem Einkauf, warum der Wettbewerb nicht funktioniert haben könnte. In einem Fall hat sich der Verdacht erhärtet und den haben wir dem Bundeskartellamt gemeldet. Wir haben nicht erwartet, dass sich das nach so kurzer Zeit schon ergeben würde. Hätten Sie diesen ersten konkreten Fall auch vor Einführung des Tools entdeckt? Gommlich: Das wäre angesichts der großen Menge an Datensätzen und eingebundenen Mitarbeitenden ein sehr großer Zufall gewesen. Eine automatisierte Mustererkennung war ja vorher nicht möglich. Jan Grothe: Daran sieht man, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist. Die Frage nach der Zahl der identifizierten Fälle wird uns immer wieder gestellt. Aber man sollte eine hohe Zahl nicht als „Erfolg“ bezeichnen. Wir haben rund 20.000 Lieferanten und managen rund 10.000 Vergaben. Beispiel: Bei einer Vergabe für Winterdienstleistungen bekommen wir bei 70 Raumlosen schon mal zehn Angebote pro Los. Das sind dann 700 auszuwertende Angebote. Es gilt über alle Vergaben hinweg diejenigen zu finden, die den Wettbewerb durch illegale Absprachen einschränken. Das geht nur durch Digitalisierung. Wir setzen ja insbesondere bei Infrastrukturprojekten Bundesmittel ein und haben eine große Verantwortung für die Verwendung der Gelder. Das ist sehr wichtig zu erwähnen. Am Ende möchte ich am liebsten gar keine konkreten Fälle haben. Dann hätten wir durch Präventionsmaßnahmen erreicht, dass Kartelle, die letztlich Steuerzahler schädigen, nicht mehr möglich sind. Der Wunsch ist also ganz klar, auf immer weniger Treffer zu stoßen. Wir justieren die Algorithmen laufend nach und werden alle Fälle konsequent verfolgen, um so auf den Märkten eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Wie haben Sie „Auffälligkeiten“ im Angebotsverhalten definiert? Grothe: Wir haben die Algorithmen zum Beispiel darauf trainiert, bei Geboten auf bestimmte Abstände und andere Muster im Angebotsverhalten auch über mehrere Verhandlungsrunden hinweg zu achten. Auffälligkeiten bzw. gewichtete Warnungen poppen dann bei unseren zwei Wettbewerbsspezialisten im Einkaufsteam auf. Das größere und wichtigere Team sitzt in der Rechtsabteilung, das dann die atypischen Merkmale tiefer analysiert. Alle Beteiligten arbeiten mit dem gleichen Dashboard. Wir betrachten im Zweitprüfungsprozess die Dokumentation, den Markt und welche Wettbewerber wie agiert haben. Aus manchen Fällen ergeben sich auch Erkenntnisse zum Vergabemodell, so dass wir bei weiteren Vergaben das Vergabedesign so ändern, dass wir zu mehr Wettbewerb und besseren Ergebnissen kommen. Auch das ist ein Vorteil. Wellenfedern & Sicherungsringe Kleiner, leichter und kompakter bauen Innovative Design Lösungen für Ihre Anwendung Spirolox® Sicherungsringe • 360° geschlossene Anlagefläche • Keine störenden Ösen • Einfache Montage & Demontage +49 (0) 234 923610 www.tfc.eu.com SalesDE@tfc.eu.com CAD Downloads Beratung bei Designauswahl Kostenlose Muster Wellenfedern • Bis zu 50% Bauraumeinsparung • Exakte Vorspannkraft • Keine Werkzeugkosten für Sonderanfertigung Beschaffung aktuell » 04 | 2023 25

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