Unsere Auswahl

Aufrufe
vor 4 Jahren

100 Jahre Caritas der Diözese St. Pölten

  • Text
  • Hilfe
  • Caritas
  • Menschen
Solidarisch denken leben handeln

Reportage:

Reportage: Wohnungssicherung Gemeinsam Lösungen finden Für viele ist der Weg in Ulrich Scharners Büro der letzte Ausweg. Manche kommen von selbst, andere lädt er aktiv zur Beratung ein. Die Gemeinde informiert über beginnende Räumungsverfahren, aufgrund deren Scharner versucht, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen. Gemeinsam in der Beratung suchen sie nach den Ursachen für nicht bezahlte Mieten und entwickeln Lösungen, die das Behalten der Wohnung möglich machen. Dafür bleibe meist genug Zeit. Vom Einbringen der Klage bis zur Delogierung seien es circa fünf Monate. Scharner prüft, ob alle gesetzlichen Ansprüche geltend gemacht wurden und ob Ausgaben gesenkt werden können. Je weiter das Verfahren ist, umso teurer wird es. Vorrangig wird daran gearbeitet, dass die Menschen selbst ihre Mietrückstände begleichen können, zum Beispiel durch Ratenzahlungen. Leider ist dies oftmals nicht möglich, weil einfach zu wenig Geld vorhanden ist, um den Rückstand aus eigener Kraft zurückzuzahlen. „Man könnte die beste Beratung machen, aber wenn kein Geld da ist, nützt das alles nichts“, weiß Scharner. Kernelement der Wohnungssicherung sind daher Geldaushilfeanträge an die Bezirksverwaltungsbehörden und das Land Niederösterreich. „Ich bin demütig und dankbar geworden für die Hilfsmöglichkeiten, die Österreich anbietet“, sagt Scharner, denn durch diese Gelder werden Menschen vor der drohenden Obdachlosigkeit bewahrt und können in ihrer Wohnung bleiben. Autorin Marietta Trendl im Gespräch mit Ulrich Scharner 18

Die Schattenseiten der Gesellschaft Menschen, die in der Beratung landen, haben es oft schwer im Leben: keine gute Ausbildung, kaum Menschen im sozialen Umfeld, körperliche Beeinträchtigungen oder chronische Erkrankungen. „Wenn die Situation so prekär ist, braucht es nicht viel, dass man sofort ein Problem hat“, sagt Scharner. Er habe großen Respekt vor den Menschen, die sich trotzdem durchkämpfen. Seine Aufgabe sehe er darin, den Menschen einen Weg aufzuzeigen. Gehen müssten sie diesen allerdings selbstständig. Bei den meisten klappe das, sagt Scharner – aber nicht bei allen. „Man sieht hier auch die Schattenseiten der Gesellschaft“, berichtet er. Das Gefühl, nicht mehr weiterzuwissen, komme oft. Deshalb sei es wichtig, ein Netzwerk zu haben, das hilft, die Herausforderungen zu bewältigen. In seiner Arbeit ist Ulrich Scharner in ständigem Kontakt mit Bezirksverwaltungsbehörden und verschiedensten sozialen Einrichtungen – wie der Sozialberatung oder dem Psychosozialen Dienst der Caritas. Die Zusammenarbeit sei essenziell und funktioniere sehr gut. Dennoch trete manchmal auch das Schlimmste ein und eine Klientin/ein Klient lande auf der Straße. „Das Recht auf Wohnen gibt es in Österreich leider nicht“, bedauert Scharner. Die Hoffnung bleibt Trotzdem ruhig schlafen lässt ihn die Gewissheit, dass Menschen auch nach einer Delogierung in Noteinrichtungen versorgt sind: in einer Notwohnung des Frauenhauses zum Beispiel oder in einer Notschlafstelle. Und dass es die Chance gibt, wieder eine eigene Wohnung zu bekommen. „Das ist ganz wichtig, dass es Hilfe gibt, um wieder von vorne beginnen zu können“, betont Scharner. Für die Zukunft sei es wichtig, mehr Wohnraum zu schaffen, wo Miete und Kaution leistbar seien, meint Ulrich Scharner. Gerade für Menschen mit einem ganz geringen Einkommen brauche es zusätzliche Angebote. „Die Hoffnung bleibt – und es gibt genug zu tun.“ Marietta Trendl 19

© 2020 by Yumpu