Unsere Auswahl

Aufrufe
vor 6 Monaten

LebensZeit Jahresausgabe 2023

  • Text
  • Wwwcaritasstpoeltenat
  • Begleitung
  • Trauer
  • Trauerbegleitung
  • Lebenszeit
  • Hospizdienst
  • Mobilen
  • Menschen
  • Caritas
Eine Publikation des Caritas Mobilen Hospizdienstes

Hospiz- und

Hospiz- und Trauerbegleitung Begleiten bedeutet: Den Weg des anderen mitzugehen ... VON MANUELA PECHACEK Als ich mit meiner Hospizkoordinatorin zum ersten Besuch bei Maria und ihrer Tochter Brigitte, welche schwer an Krebs erkrankt ist, eintreffe, habe ich keine annähernde Idee, wie es ist, in einem Bahnwärterhäuschen zu leben. Beide wohnen dort seit Jahrzehnten. Sofort fühle ich mich in dem sehr einfachen Haus wohl und willkommen. Brigitte ist 59 Jahre alt. Ihre Krebserkrankung ist nicht mehr operabel. Spät erkannt bereitet ihr die Krankheit große Probleme. Sie hat bereits mehrere Krankenhausaufenthalte hinter sich. Brigitte arbeitete im Landesklinikum St. Pölten. Aufgrund ihrer Erkrankung befindet sie sich im Krankenstand, welcher schließlich in die Pensionierung übergeht. Ihre Mutter, Maria, ist im 88. Lebensjahr. Sie ist rüstig und arbeitet fleißig im Garten und Haus. Das Haus heizt sie mit Kohlen. Kochen ist ihre Leidenschaft. Ihr Tagesablauf orientiert sich an den Bedürfnissen der erkrankten Tochter, um die sie sich rührend kümmert. Maria hat in jungen Jahren ihren Mann durch eine schwere Krankheit verloren – so auch Brigitte früh ihren Vater. Von da an verbindet die beiden Frauen ein starkes, unzertrennliches Band. Es gibt nur wenige Bekannte und Verwandte, die den Alltag der beiden Frauen begleiten. Bei den wöchentlichen Treffen – immer am Samstagnachmittag – erfahre ich viel über das Leben der beiden Frauen. Immer ist alles liebevoll hergerichtet, wenn ich komme. Brigitte erwähnt bei einem meiner Besuche, dass sie in ihrem Leben nur selten außer Haus kommt, um einen Ausflug zu unternehmen, da ihrer Mutter sowohl beim Autofahren als auch beim Busfahren übel wird. Brigitte hat vor langer Zeit mit einer Patin im Mariazeller Land Urlaub gemacht, wie mir alte Fotoalben zeigen. So habe ich die Idee, mit Brigitte einen Ausflug nach Mariazell zu unternehmen – mit dem PKW, ganz privat. Wir besuchen die Messe in der Basilika und gehen Mittagessen in das Brauwirtshaus. Auf der Heimfahrt besuchen wir noch Annaberg und genießen eine Tasse Kaffee. Trotz des Regenwetters ist es eine wunderbare, gemeinsame Zeit. Schön, dass wir das erleben dürfen. Ein anderes Mal besuchen wir zu dritt eine Gedenkmesse für den verstorbenen Vater und Ehemann in der Adventszeit. Ein Kaffeehausbesuch im Ort darf danach nicht fehlen. Die wahre Herzensfreude der beiden Frauen, vor allem für Brigitte, sind die zwei Hauskatzen, und für Maria die Vögel vor dem Küchenfenster, die in mehreren Vogelhäusern artgerecht gefüttert werden. Es ist für mich bewegend, die friedvollen Momente mitzuerleben, in denen die beiden Frauen in stiller Freude die Tiere beobachten. Diese Augenblicke zeigen mir immer wieder, dass die Fähigkeit, alltägliche kleine und große Wunder wahrnehmen zu können, Freude und Glück schenkt. Heuer im Jänner – kurz nach Maria's Geburtstag – passiert ein unvorhergesehener Haushaltsunfall. Sie muss mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Krankhaus St. Pölten und dort sofort operiert werden. Die Tochter bittet mich sogleich, mit ihr in das Krankenhaus zu fahren. Wir tun dies und die beiden Frauen können dort eine wertvolle Zeit miteinander verbringen. Kurz danach wird Maria in das Krankenhaus Scheibbs verlegt. Nun ist Brigitte allein im Haus. Einmal pro Tag kommt die Mobile Hauskrankenpflege, um ihr bei der Körperpflege am Morgen eine Unterstützung zu sein. Ebenso 6 LebensZeit Mobiler Hospizdienst der Caritas der Diözese St. Pölten

Hospiz- und Trauerbegleitung bezieht sie Essen auf Rädern. Zunehmend geht es Brigitte schlechter, bis ein Krankenhausaufenthalt im UK St. Pölten unausweichlich wird. Bis zu diesem Tag hat Brigitte viel durchmachen müssen. Nachdem eine Harnleiterschiene nicht mehr die gewünschte Besserung erwirkt, wird ein Nierenkatheter gesetzt. Dieser muss stets gereinigt bzw. im Krankenhaus gewechselt werden. Das ist für Brigitte eine Mühsal und Tortur. Als sie den Katheter bekommt, sehe ich sie zum ersten Mal verzweifelt. Sie weint am Küchentisch mit den Worten: „Kann denn nicht endlich mal Ruhe sein? Was muss denn noch alles kommen?“ Im Krankenhaus verschlechtert sich ihr Zustand täglich. Es wird eine Rettungsfahrt für die Mutter vom Krankenhaus Scheibbs nach St. Pölten organisiert, damit Maria ihre Tochter Brigitte noch einmal sehen und sich von ihr verabschieden kann. Danach besuche ich Brigitte regelmäßig im Krankenhaus. Als ich am Faschingsdienstag komme, finde ich das Bett leer vor. Da weiß ich: Brigitte hat ihre letzte Reise angetreten. Nach diesem Besuch rufe ich sofort Maria an, um ihr mitzuteilen, was geschehen ist. Sie hat die Nachricht, dass ihre Tochter verstorben ist, jedoch bereits von den Mitarbeiter*innen des Krankenhauses Scheibbs erhalten. Es folgt ein sehr würdiges und liebevoll gestaltetes Begräbnis. Die alte, aber noch rüstige Mutter am Grab ihres Kindes so voller Schmerz zu sehen, ist unendlich traurig. Viel Schwereres gibt es kaum. Nun lebt Maria allein in ihrem Haus. Sie ist froh ihre beiden Katzen zu haben. Ihre Tochter fehlt ihr so sehr, aber sie meint: „Man muss sich dem stellen, weil es ist, wie es ist!“ Ich kann viel lernen von diesem Selbstverständnis mit Leid und Schmerz umzugehen. Diese Frau hat Resilienz, wie sie im Buche steht. Dankbar bin ich, die beiden Frauen kennengelernt zu haben und sie ein Stück ihres Weges begleitet zu haben. Ich werde dich immer in liebevoller Erinnerung behalten, liebe Brigitte. Manuela Pechacek ist seit 2003 als ehrenamtliche Hospiz- und Trauerbegleiterin für den Mobilen Hospizdienst der Caritas tätig. Danke für deine Zeit und dein Mitgefühl, dass du schon vielen Menschen auf ihrem letzten Weg geschenkt hast. Ihr Spendenauftrag für die Begleitung schwerkranker Menschen und ihrer Angehörigen. Die Nachricht, schwer krank zu sein, verändert vieles im Alltag von Betroffenen und nahestehenden Menschen. Sie ist verbunden mit Gefühlen der Angst und Unsicherheit, Gedanken über die Zukunft, Fragen nach dem Sinn und Fragen nach dem Tod. In dieser schwierigen Lebensphase ist der Mobile Hospizdienst der Caritas da und begleitet jene Menschen – ob zu Hause, im Krankenhaus oder im Heim. Dieses Angebot ist für die Betroffenen kostenlos und wird auch durch Spenden finanziert. Daher brauchen wir Ihre Hilfe! Mit einem monatlichen Dauerauftrag finanzieren Sie die Begleitung schwerkranker Menschen und ihrer Angehören. Danke für Ihre Unterstützung! Statt eines Dauerauftrags helfen Sie uns auch sehr mit einer einmaligen Spende auf unser Konto AT28 3258 5000 0007 6000 (Kennwort: Mobiler Hospizdienst) oder online auf www.caritas-stpoelten.at/hospizpatenschaft Fotos: Caritas Dezember 2023 LebensZeit 7

© 2020 by Yumpu