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medizin&technik 02.2021

■ [ MEDIZIN IM DIALOG

■ [ MEDIZIN IM DIALOG ] Digitalisierte Krankenhäuser und offene Standards Eine Einschätzung dazu, wie weit die Digitalisierung von Krankenhäusern vorangeschritten ist, bietet die Übersicht von Himss Analytics. Das Unternehmen, hat sich auf Informationstechnik, Forschung und Standards spezialisiert und spricht das Gesundheitswesen wie auch die Medizintechnik an. Die Healthcare Information and Management Systems Society (Himss), zu der Himss Analytics gehört, hat das Electronic Medical Report Adoption Model (Emram) definiert, weiterentwickelt und auditiert. Krankenhäuser können damit ihre Digitalisierung gemäß sieben Leveln bewerten lassen. Der aktuelle Stand wird online auf einer Karte dargestellt. Demnach gab es zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses im März zum Beispiel in Australien ein Krankenhaus auf Level 7, für Saudi-Arabien waren vier Häuser auf dem höchsten Level. www.himssanalytics.org/stage- 6-7-achievement Führend hingegen sind nach rasanten Entwicklungen der vergangenen Jahre die USA mit 2000 Häusern auf Level 6 und 150 auf Level 7. China kommt da noch nicht heran, dort werden 43 Krankenhäuser in Level 6 und sechs auf der höchsten Ebene eingestuft. ■ China arbeitet an Digital-Health-Themen und nutzt Big Data. Hat das Land damit einen riesigen Vorsprung? In China wird tatsächlich intensiv daran gearbeitet, es gibt dazu auch Partnerschaften mit deutschen Einrichtungen. Einen riesigen Vorsprung sehe ich aber nicht. Für uns hier in Europa würde ich eher Dänemark als Vorbild sehen. Was dort bisher umgesetzt wurde, hat das Gesundheitssystem nicht revolutioniert. Aber die Daten helfen sehr, wenn Fragen auftauchen. Funktioniert eine bestimmte Behandlung im Krankenhaus genauso gut wie in einer Arztpraxis? Darauf geben die dänischen Daten Antworten. Und die passen auch zur klinischen Realität, denn da haben Patienten Vorerkrankungen, mehrere Erkrankungen oder sind unterschiedlich alt. In Informationen über den Standard Fast Healthcare Interoperability Resources (Fhir), der eine Vernetzung von Medizingeräten untereinander und mit dem Krankenhausinformationssystem ermöglicht, bietet HL7 auf seiner Website: http://hier.pro/asqDE Für das Jahr 2021 sind Treffen des Interoperabilitätsforums vorgesehen. Das Forum wird gemeinsam von den Initiatoren HL7 Deutschland, IHE Deutschland sowie der AG Interoperabilität des Bvitg und dem Fachbereich Medizinische Informatik des DIN sowie weiteren Mitwirkenden veranstaltet. Hochschulen und Organisationen des E-Health-Sektors unterstützen das Forum. Als Zeitraum für den Deutschen Interoperabilitätstag wird der Oktober anvisiert. www.interop-tag.de/ klassischen Studien wird die Patientengruppe sehr eng definiert, um eine Aussage zu einer Behandlung machen zu können. Aber im Alltag helfen eher Daten aus dem echten Leben weiter. ■ Was kann die Medizin von China in Sachen Big Data lernen? Am Beispiel China finde ich interessant, wie Technik dort eingesetzt wird. Bei uns gibt es verbreitete Apps, aber keine, die so gut wie jeder nutzt. Das ist in China anders. Und wenn alle die gleiche App nutzen, schafft das eine Struktur, auf die man aufsetzen kann, wenn ein Health-Modul integriert werden soll. ■ Wie sinnvoll sind Big-Data-Analysen auf globaler Ebene? Wir können nur dann medizinische Daten sinnvoll analysieren, wenn sie aus einem vergleichbaren Gesundheitssystem stammen. Innerhalb von Europa kann ich mir einen Datenaustausch gut vorstellen. Aber Informationen über die Verweildauer von Patienten auf Intensivstationen aus den USA oder China helfen mir wenig. Das System ist anders, daher sind auch die Zusammenhänge anders. ■ Welche gesetzlichen Regelungen stecken den Rahmen ab, in dem Analysen medizinischer Daten erlaubt sind? Die Datenschutzgrundverordnung, die DSGVO, gibt vor, wie Daten gespeichert und erhoben werden dürfen. Die medizinischen Daten, von denen hier die Rede ist, liegen in Krankenhäusern. Wie diese damit umzugehen haben, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Wenn wir also in größerem Maß etwas analysieren und die Möglichkeiten der medizinischen Informatik nutzen wollen, muss die Politik neue Regelungen schaffen, die den nationalen oder europaweiten Austausch von Daten ermöglicht. Hierzu brauchen wir unbedingt Rechtssicherheit. ■ Welchen Vorteil hat der einzelne Patient durch Big-Data-Analysen? Wir sind auf dem Weg zur Präzisionsmedizin, zur individuellen Anpassung von Therapien. Dafür werden Sammlungen an Daten gebraucht, sowohl zum einzelnen Menschen als auch zur Population. Das geht über Blutdruck und Herzfrequenz hinaus und schließt Eiweißanalysen – Proteomics – oder Informationen zu den Erbanlagen – Genomics – ein. Die großen Datenmengen zu analysieren, klappt technisch schon recht gut. Den nächsten Schritt müssen wir noch tun: die Ergebnisse in die medizinische Anwendung zu übertragen. Das kann zum Beispiel heißen, dass wir neue Kennzahlen einsetzen, um die Ergebnisse einer Behandlung zu bewerten. Wenn der Patient heute nach einer großen Operation schnell aus dem Krankenhaus entlassen wird und seine Erkrankung für lange Zeit überlebt, gilt das als Erfolg. Wir sollten aber genauer nachschauen können, wie es ihm im Detail geht. Wenn er sich nach einer frühen Entlassung nicht mehr aus dem Haus traut oder eine Depression entwickelt, wäre die Behandlung optimierbar. Langfristig werden die Datenanalysen also dazu führen, dass wir besser auf den Patienten eingehen können. Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de 16 medizin&technik 02/2021

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