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medizin&technik 02.2021

TITELTHEMA war, sieht,

TITELTHEMA war, sieht, dass das Land in den letzten Jahrzehnten einen entscheidenden Sprung nach vorn gemacht und die westlichen Industrienationen in manchen Bereichen längst überrundet hat“, sagt China-Expertin Strödel von Sinalingua. Und: „China ist sicher kein Markt für frugale, auf das Minimum beschränkte Medizinprodukte, sondern im Gegenteil ein sehr anspruchsvoller Markt“, bestätigt Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbandes Elektromedizinische Tech nik. Global orientierte Unternehmen seien dort daher seit Jahrzehnten sehr aktiv, hätten eigene Fertigungsstandorte und zum Teil Abteilungen für Forschung und Entwicklung aufgebaut, um ihre Produkte an lokale Anforderungen anzupassen. Ein starkes Engagement kann sich in China lohnen, wenn man sich mit ein paar Zahlen die Größe des Gesundheitsmarktes vor Augen führt: Nach Angaben der GTAI zählte das Reich der Mitte im Jahr 2018 rund 1,39 Milliarden Einwohner. Der Anteil der über 65-Jährigen lag bei knapp 12 %. Und auch wenn in den USA Der chinesische Markt für Medizintechnik ist anspruchsvoll: Hightech ist gefragt, frugale Produkte eher nicht und Europa der Anteil der Über-65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung höher ist, verschiebt sich in China die Alters - pyramide ebenfalls. Mehr als 24 000 Krankenhäuser und über fünf Millionen Betten Nach Berechnungen des Landesamtes Baden-Württemberg wird Chinas Einwohnerzahl bis zum Jahr 2030 auf 1,46 Milliarden Menschen anwachsen. Da eigene Arztpraxen in China nicht üblich sind, arbeiten die meisten Ärzte in den mehr als 24 000 Krankenhäusern mit etwa fünf Millionen Krankenhausbetten. Dreiviertel der Krankenhäuser sind in staatlicher Hand, nur rund ein Drittel wird privat betrieben. Zudem stehen der Bevölkerung rund 910 000 kommunale medizinische Einrichtungen sowie etwa 12 000 spezialisierte staatliche Institutionen zur Verfügung, hat das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit der Initiative Mittelstand Global in einer Zielmarktanalyse zur Volksrepublik China ermittelt. Die steigende Einwohnerzahl und die immer älter werdende Bevölkerung sind (Bild: Gorodenkoff/stock.adobe.com) natürlich ein Treiber des Programms Healthy China: Mit einem präventiven und langfristigen Gesundheitsmanagement soll durch Unterstützung der Regierung auch die Gesundheitsbranche eine prominentere Rolle in China einnehmen. Dazu gehört beispielsweise der Ausbau städtischer Krankenhäuser sowie der ländlichen Gesundheitsinstitutionen. Nach Angaben von Jennifer Goldenstede, die den Bereich Außenwirtschaft beim Industrieverband Spectaris leitet, ist der chinesische Markt für Medizintechnik in den letzten fünf Jahren konstant schnell gewachsen und erreichte 2019 ein Volumen von umgerechnet rund 1,1 Billionen US-Dollar, was einer Steigerung von 10 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Aktuell liegt der Weltmarktanteil Chinas im Medizintechniksektor bei rund 13 % (laut China Medical Device Blue Book 2019). Bis 2030 soll er voraussichtlich einen Marktanteil von über 25 % mit einem Wert von 200 Mrd. US-$ erreichen. Damit sei China, so Goldenstede, nach wie vor einer der wichtigsten und am schnellsten wachsenden Medizintechnikmärkte der Welt und nach den USA der zweitwichtigste Absatzmarkt auch für deutsche Medizinprodukte. Hoher Bedarf an diagnostischen Geräten und Verbrauchsmitteln Nach aktuellen Zahlen von Spectaris lagen die Exporte aus Deutschland 2019 bei rund 2,24 Mrd. Euro – ein Plus von 13,63 % zu 2018. „In 2020 waren die ersten drei Quartale aufgrund der Corona- Pandemie nicht ganz so erfolgreich im Vergleich zum Vorjahr“, erklärt Golden - stede. Vor allem bildgebende diagnostische Geräte, Rehabilitationsgeräte, In-vitro Dia gnostik, Orthopädietechnik und Prothesen, aber auch Verbrauchsmaterial wie Spritzen, Nadeln, Katheter und Kanülen kauft China im Ausland. Hinter den USA zählt Deutschland neben Japan weiterhin zu den wichtigsten Lieferanten. Doch die chinesischen Hersteller werden durch die Unterstützung und Förderung der Regierung – aber auch durch erschwerte Zulassungsbedingungen für ausländische Produkte – immer stärker. Der Verband der chinesischen Medizinproduktehersteller, die China Association for Medical Devices Industry (Cam- 32 medizin&technik 02/2021

Für Jennifer Goldenstede, die beim Berliner Industrieverband Spectaris den Bereich Außenwirtschaft leitet, ist China einer der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Medizinprodukte (Bild: Spectaris) di), betont in seinen Mitteilungen immer wieder die positive Entwicklung der Branche. Über 4000 chinesische Unternehmen, die auf 40 Segmente verteilt sind, sind in Camdi repräsentiert. Das Spektrum deckt 3D-Druck von Medizinprodukten ebenso ab wie Endoskope, Chirurgieinstrumente, Implantate, In-Vitro-Dia - gnostik, regenerative Medizin oder die Analyse medizinischer Daten. Bereits heute sollen denn auch nach GTAI-Angaben chinesische Krankenhäuser mindestens die Hälfte ihrer medizinischen Geräte im gehobenen und High- End-Segment von inländischen Herstellern beschaffen. Bis 2025 soll der Anteil auf 70 % und bis 2030 sogar auf 95 % steigen. „Im aktuellen Fünfjahresplan ist die Gesundheit ganz stark im Innovationsbereich verankert“, erklärt die Spectaris-Außenwirtschaftsexpertin. „Das heißt, man setzt gezielt auf Innovationen in der Medizintechnik und im Gesundheitsbereich, verstärkt die eigene Produktion und baut die Expertise im eigenen Land auf, um sich unabhängiger von Importen machen.“ Für europäische Medizintechnik-Hersteller bedeute dies, dass sie sich den Lokalisierungsanforderungen anpassen müssen, wenn sie im chinesischen Markt erfolgreich sein wollen. „Dies kann entweder über einen Distributionspartner, über eine eigene Produktion vor Ort oder auch über ein Joint Venture geschehen“, so Goldenstede. Generell sei es jedoch wichtig, sich im Vorfeld eine Strategie für den Markteintritt zu überlegen und sich Unterstützung zu holen bei Jemandem, der den Markt kennt. Distributionspartner hilft beim Markteinstieg Den Weg über einen Distributor wählte 2016 die Raumedic AG aus Helmbrechts. „Wir haben seinerzeit nach Distributionswegen für unsere Medizinprodukte in China gesucht. Wichtig war uns, einen soliden und erfahrenen Handelspartner zu Sonderregeln für Medizintourismus Auf der Suche nach der besten Behandlung reisen Medizintouristen um den halben Globus. China hat den nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor erkannt und investiert in fachärztliche Kompetenz und modernste Medizintechnik. Ein Beispiel ist die Sonderwirtschaftszone Hainan: Die chinesische Regierung gab im vergangenen Jahr einen Masterplan für den Freihandels - hafen von Hainan bekannt, mit dem die Inselprovinz im südchinesischen Meer bis 2035 zu einem einflussreichen internationalen Freihafen und zu einer Sonderwirtschaftszone werden soll. Dabei wurde eine Pilotzone für den internationalen Medizintourismus durch den „Aufbau einer klinischen Versorgung auf weltbestem Niveau“ geschaffen. Ziel: Den medizinischen haben, mit Erfahrung sowohl in der Zusammenarbeit mit Neurochirurgen als auch mit der Zulassung von Medizinprodukten“, erklärt Matthias Schubert, Head of Sales Germany & Senior Manager International Sales bei Raumedic. „Mit Woke Medical aus Hang zhou haben wir diesen Partner gefunden. Gemeinsam stecken wir viel Energie in die Erfüllung der behördlichen Anforderungen.“ Denn, so Schubert: „Die Zusammenarbeit mit den Zulassungsbehörden ist kompliziert und langwierig. Es kommt vor, dass Richt - linien kurzfristig geändert werden, so dass der Prozess neu aufgesetzt werden muss.“ Zum Teil würden Unterlagen verlangt, die für eine Zulassung in Europa oder den USA nicht mehr erforderlich sind, oder bestehende Tests würden nicht Tourismus der Chinesen ins Ausland zu unterbinden sowie weitere zahlungskräftige Patienten anzulocken und auch große internationale Krankenhausketten. Eine Besonderheit der Pilotzone auf der Tropeninsel ist, dass im Ausland zugelassene Medizinprodukte nach einer Einfuhrgenehmigung durch die Provinzregierung auch ohne NMPA-Zulassung in bestimmten Kliniken angewendet werden dürfen. Dafür werden in Hainan die gesamten Krankenhäuser zertifiziert – und somit auch alles, was zur Behandlung gehört, inklusive der dort eingesetzten Medizinprodukte. Vorteile für die Hersteller sind ein schnellerer Markteintritt in China und das Sammeln klinischer Daten zum Medizinprodukt – im Hinblick auf ein späteres Zulassungsverfahren. Die Kliniken in Boao Lecheng gehören zu Hainans Medizintourismus-Pilotzone (Bild: www.gov.cn)

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