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NEUES ESSEN No. 1

  • Text
  • Naturkost
  • Bio
  • Mischfruchtanbau
  • Lebensmittel
  • Demeter
  • Landwirtschaft
  • Gerste
In diesem Buch geht es um Wesentliches: Eine ursprüngliche, erfinderische, hochgesunde, ertragreiche und zukunftweisende Anbauweise von Agrarprodukten, die weit über Bio- und Demeter-Standards hinausgeht und zudem spannend ist wie ein Abenteuerroman, der gleichzeitig in der tiefen Vergangenheit, der prickelnden Gegenwart und dem Unbekannten künftiger Zeiten spielt. ISBN: 978-3-033-02144-0 EAN: 7640110517802 Verlag: NaturKraftWerke® Edition

aus, Steine, Dreck,

aus, Steine, Dreck, Staub usw. Da wurde intensiv gereinigt, damit auch nichts passiert. Die waren auch ziemlich genau. Wenn man eine alte Getreidereinigung nimmt, die es in Lagerhäusern gab und auch auf den Bauernhöfen, die arbeiten relativ akkurat, eigentlich besser als die modernen, weil die nicht den hohen Durchsatz 49 haben. Da ist es fast unmöglich, einen Stein durchlaufen zu lassen oder Stroh, das fliesst echt gut weg. Aber es war in der Mischkultur oder durch die Verunkrautung alles Mögliche mitgewachsen. Das war alles biologisch und je nach Bauer waren da auch immer andere Körner mit dabei, also Fremdbesatz durch anderes Getreide oder Wicken und andere Acker unkräuter. Sie konnten das nicht so leicht rausreinigen und wenn sie es so intensiv gereinigt hätten, wäre das auch immer mit Verlusten an Getreide einhergegangen. Das konnte sich niemand leisten, und da war die Toleranzgrenze noch ganz anders angelegt als heute. Wenn ein moderner Müller eine Handvoll Getreide sieht mit einem anderen Korn drin, dann bekommt es eine Aberkennung, obwohl das für das Lebensmittel eher ein Vorteil ist. Und das Zeug ist ja nicht giftig. Das spielt sich in einem Prozentbereich ab, den ich als Fremdbesatz auszähle. Das mache ich hin und wieder aus Eigeninteresse von Hand: Ich nehme von einer Charge eine Handvoll heraus in einen kleinen Eimer, nehme es mit an den Tisch und dann zählen wir aus: Grosse Körner, kleine Körner usw. Das ist von Jahr zu Jahr verschieden: Es gibt Jahre, da sind die Körner alle fast gleich gross, dann gibt es andere Jahre, da sind ganz grosse Körner dabei, aber auch ganz mickrige. Oder dann gibt es viele Kümmerkörner 50 , die fliegen bei der Reinigung eh weg. Die bläst der Wind weg. Und wenn ich den Fremdbesatz auszähle, dann komme ich nicht mal auf zwei Prozent. Normalerweise ist es sogar unter einem Prozent bis nicht mehr messbar in Prozent. Und damit kannst du keinen krank machen oder sogar umbringen. Das ist wie mit Mutterkörnern 51 : Die sind ja nicht so giftig, dass Menschen davon sterben oder krank werden würden. DA: Dieser Wirkstoff im Mutterkorn wirkt extrem gefässverengend. Deshalb ist früher das Mutterkorn medizinisch verwendet worden, zum Beispiel zum Hemmen von Blutungen nach der Geburt. Es gibt eine kritische Dosis, wo es dann gefährlich wird. Früher war ein gewisser Besatz, wenn man es mal umdreht, rein vom Gesundheitlichen her 152

völlig akzeptabel. Gar keine Frage. UW: Das ist wie der Floh auf dem Hund, die Maus auf dem Feld oder der Kartoffelkäfer in den Kartoffeln: Bis zu einem erträglichen Grad ist das normal und gehört dazu. Irgendwann wird es lästig bis unerträglich. So gab es früher und gibt es heute noch Bestände, die einen starken Mutterkornbesatz haben oder Brandbefall. Steinbrand 52 ist ein Pilz, der giftig ist. Das geht bis zum Totalausfall, wo man dann alles wegschmeissen muss, man kann das nicht mal mehr als Viehfutter verwenden. 51 Mutterkorn. Mutterkorn (Claviceps purpurea) ist ein Schadpilz vor allem fremdbestäubender Getreidearten (Roggen). Die Sporen dringen in die Blüte ein, die statt dem Samenkorn einen Pilzkörper ausbildet. Deshalb sind fremdbestäubende Arten gefährdeter als selbstbestäubende; auch eine lange Blühperiode, die meist mit Regen verbunden ist, begünstigt eine Infektion, schnelle Blüte mit viel Pollen vermindert die Infektionsrate. Deshalb werden in Hybridroggen gerne spezielle, pollenreiche Vaterlinien eingekreuzt. Die Alkaloide des Mutterkorns sind vielfältig und von komplexer Wirkung. Dosen von 5–10 g können für Erwachsene bereits tödlich sein. Insbesondere das Ergometrin fördert Wehen und wurde als Mittel zum Schwangerschaftsabbruch oder zum Einleiten der Geburt eingesetzt. Andere Inhaltsstoffe stoppen Blutungen nach der Geburt. Wahrscheinlich leitet sich daher auch der Name «Mutterkorn» ab. Die gefässverengende Wirkung führt zu Durchblutungsstörungen der Gliedmassen, die sich dann dunkel verfärben und sogar absterben können, was im Mittelalter häufig mit dem Aussatz verwechselt wurde. Ausserdem enthält Mutterkorn psychoaktive und halluzinogene Substanzen wie die Lysergsäure, die ebenso Bestandteil der synthetischen Droge LSD ist. Mutterkorn ist seit Jahrtausenden als Rauschmittel bekannt. 52 Steinbrand, Brandbefall. Steinbrand (Tilletia caries), auch Schmier- oder Stinkbrand, ist eine Pilzerkrankung, die hauptsächlich bei Weizen und bei Dinkel auftritt. Die Körner verfärben sich dunkel und werden zu so genannten Brandbutten, die auf Druck zerfallen und ihre Sporen entlassen. Die Ernte hat deutlichen Fischgeruch, wird ungeniessbar und sogar gefährlich. Die Übertragung erfolgt über infiziertes Saatgut und Pilzdruck durch die Vorfrucht. Weitere Branderkrankungen am Getreide sind Flugbrand, der auch vom Wind übertragen wird: beim Weizen (Ustilago tritici), bei der Gerste (U. nuda) und beim Hafer (U. avene); Flugbrandbefall ist nicht ganz so dramatisch wie Steinbrand. Vorbeugemassnahmen sind chemisches Beizen in der konventionellen Landwirtschaft und Heisswasser- oder Senfmehlbeizen im Ökolandbau. 53 den «Acker verhageln». Ein Aphorismus für unvorhersehbare Ereignisse, die eine Ernte beeinträchtigen oder ganz vernichten. Dazu gehören beispielsweise Unwetter, Überschwemmungen, Krankheiten, Schädlinge; diese Ereignisse – und überhaupt der ganze Vegetationsverlauf eines Jahres – bestimmen die Ertragslage wie Düngung oder Pflanzenschutz. Vor allem bei älteren Landwirten gibt es noch diesen Respekt vor diesen «anderen» Kräften. 54 Feldbeerdigung. Fantasiebegriff. Es soll darauf angespielt werden, dass ein Acker in der konventionellen Landwirtschaft als reiner Substratträger aufgefasst wird, der den synthetischen Mineraldünger für «Pflanzenapparate» zur Verfügung stellen muss (bei der Treibhauskultur auf Steinwolle-Substrat ist dieses Prinzip auf die Spitze getrieben). Der Boden verliert sowohl in der Anschauung des Landwirts als auch konkret allmählich jede Lebendigkeit. Der konkrete Verlust äussert sich z.B. darin, dass ein Regenwurmbesatz von 0 (in Worten: Null) bis 30 Individuen pro Quadratmeter Ackerboden konventionell als tragbar gelten. Es rückt erst ganz langsam ins Bewusstsein der Akteure, dass damit Erosion und Versteppung einhergehen. Die Agrar-Industrie hat kein Interesse an gesunden Böden, da sie – wie auch die Pharma- Indus trie – an der Krankheit und am Mangel verdient bzw. daraus ihre Existenzberechtigung schöpft. Es ist leicht einzusehen, dass ein so getöteter Acker nicht über Nacht in die Lebendigkeit zurückgeführt werden kann – wenn es überhaupt in menschlich überblickbaren Zeiträumen möglich ist. Manche Landwirte verlieren ja schon bei «halb- oder vierteltoten» Äckern in der Umstellung nach wenigen Jahren die Nerven und fangen wieder an zu pflügen, zu düngen und zu spritzen, ungeachtet nachfolgender Generationen, nur mit Blick auf kurzfristigen Erfolg. 153