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Quality Engineering 02.2020

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Hier ist eine CT-Anlage

Hier ist eine CT-Anlage zur Prüfung von Automobilbauteilen direkt in die Produktionslinie integriert. Ein Roboter fördert immer zwei Bauteile in die Prüfkammer. Dort werden dann mittels CT umfangreiche Analysen durchgeführt. So hilft die Technology dabei, E-Mobility sicherer zu gestalten Bild: Visiconsult Industrie 4.0 eröffnet der zerstörungsfreien Prüfung neue Chancen Computertomografie wird zum Sensor in der digitalen Fabrik Die Digitalisierung der Produktion hat Auswirkungen auf die zerstörungsfreie Prüfung mittels Computertomografie (CT): Inline-Systeme sind gefragt, gepaart mit Robotik, Simulation, künstlicher Intelligenz (KI), Big Data und Cloud-Computing. Doch das große Potenzial für den Produktionsprozess wird man nur heben, wenn man CT als Sensor zur Prozessüberwachung betrachtet. Der Autor Lennart Schulenburg Commercial Director Visiconsult www.visiconsult.de Industrie 4.0 bedeutet in der Welt der zerstörungsfreien Prüfung, dass Röntgen und CT-Systeme direkt in die Fertigungslinie integriert werden. Diese Inline-Systeme sind anpassungsfähig und ermöglichen den Einsatz schon bei kleinen Losgrößen. Defekte werden automatisch erkannt und mit den Prüfkriterien verglichen. Die CT wird zudem zur dreidimensionalen Rekonstruktion von Objekten und zur Durchführung komplexer Analysen eingesetzt. Zusammen mit der Inline-Qualitätssicherung kann Robotik und der Einsatz von Simulationen unterstützen, um sich wiederholende Handhabungsaufgaben zu automatisieren. Dies ermöglicht einen höheren Durchsatz, geringere Inspektionskosten und eine höhere Prozesssicherheit. Dabei können auch mehrere Roboter zusammen arbeiten und sich die Aufgaben der Teilehandhabung und -prüfung teilen. So wird die Zykluszeit von mehreren Stunden auf wenige Minuten reduziert. Für die Inspektion eines Teils scannt der Bediener nur einen Barcode und das System lädt automatisch die entsprechenden Parameter und Teilehalter. Alle Bilder werden unter der Seriennummer archiviert und die vollständige Rückverfolgbarkeit ist gegeben. Die Bildqualität wird immer überwacht, da das System automatische Langzeit-Leistungsbewertungen gemäß anerkannter Prüfnormen durchführt. Neue Programme können offline programmiert werden – einschließlich der Option, ein CAD/CAM-Simulationswerkzeug zu verwenden, sodass das System zu 100 % für die Produktion genutzt werden kann und nicht für technische Zwecke abgeschaltet werden muss, wodurch die Systemauslastung und der Durchsatz deutlich steigen. Um den Prozess weiter zu optimieren, können Techniker die Röntgenbilder digital simulieren, bevor das Teil überhaupt in das System geladen wird. Dies ermöglicht eine einfache Überprüfung der Prüfbarkeit des Teils und der Bediener kann die richtigen Röntgenparameter sehr früh im Prozess festlegen. Weitere Schwerpunkte von Industrie 4.0 sind KI und Big Data. Diese Konzepte werden zum Beispiel als Automatisierte Fehlererkennung (ADR) in der Radiographie realisiert. Defekte wie Porositäten, Risse oder Einschlüsse werden automatisch erkannt, gemessen und anhand der Prüfkriterien bewertet. Hier ist es oft sinnvoll – bevor ein Prozess vollständig automatisiert wird – zuerst eine Strategie der assistierenden Fehlererkennung anzuwenden, bei der eine KI-Implementierung den menschlichen Bediener durch Gegenprüfung oder Unterstützung des Entscheidungsprozesses unterstützt. Dieser Ansatz wird in der IT als Supervised Learning bezeichnet und ermöglicht ein schnelles Training des zu- 30 Quality Engineering 02.2020

Im Fokus: CT :: grunde liegenden KI-Algorithmus. Sobald genügend Daten gesammelt sind, die mit den Entscheidungen des Bedieners korreliert werden können, kann die KI-Software den erforderlichen Nachweis für die Qualifizierung des ADR-Systems mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsermittlungsmethoden erstellen. Mit zunehmender Rechenleistung zeigt die KI ihre Leistungsfähigkeit. Durch das Erfassen großer Mengen an digitalen Röntgenaufnahmen und deren Berechnung in 3D-Modellen können wir Informationen über Teile gewinnen, wie noch nie zuvor. Auch ist es möglich, fortgeschrittene Analysen durchzuführen, wie zum Beispiel Soll-Ist-Vergleiche, Porositätsanalysen und Messaufgaben. Bei der Produktion dreht sich derzeit alles um den digitalen Zwilling. Dabei wird oft verkannt, dass die CT den perfekten digitalen Zwilling liefern kann. Man stelle sich die Möglichkeiten vor, wenn man die Ist-Daten statt nur die CAD Daten eine Bauteils mit den heutzutage umfangreichen Simulationsmöglichkeiten (z.B. FEM) kombinieren kann. Dies ist ein Paradigmenwechsel für die Industrie: Die zerstörungsfreie Prüfung wandelt sich von einem reinen Qualitätssicherungsschritt zu einem vollwertigen industriellen Sensor im Fertigungsprozess. Ein CT-System ist der Sensor mit hohem Potenzial, Informationen über ein Produkt und die Prozesse im Unternehmen zu liefern. Sobald wir aufhören, Röntgenbilder nur als Input für die Qualitätssicherung zu betrachten, beginnen wir, die nächste Ebene des Werts dieser Daten zu sehen. Dies gilt sowohl für zwei- als auch für dreidimensionale Bilder. Wir müssen uns also fragen, was wir noch von den Hunderten und Tausenden von Bildern lernen können, die wir mittels CT erzeugen. Man stelle sich vor, was ein Produktionsprozess von subtilen Veränderungen in diesen Bildern lernen kann, die bei Qualitätsprüfungen meist unbemerkt bleiben. Die Aussagekraft dieser Information lässt sich verstärken, indem man die kleinen Abweichungen mit den Daten korreliert, die aus anderen Prozessparametern gewonnen werden, die zur Herstellung desselben Teils verwendet werden. Die Möglichkeiten sind enorm – nicht nur in Bezug auf die Qualität, sondern auch auf Prozessverbesserung und -kontrolle. Diese Entwicklung wird die Bedeutung der zerstörungsfreien Prüfung noch weiter erhöhen. Es ist wichtig, die Qualität zu bewerten und Informationen darüber zu liefern, ob ein Teil akzeptabel ist oder nicht. Noch wertvoller wäre es, auch Informationen darüber zu liefern, wie sich Ausschuss in Zukunft vermeiden lässt. Dies ist ein Mehrwert, der die zerstörungsfreie Prüfung künftig auf die Landkarte der wichtigsten Prozesse eines Unternehmens setzt. Weitere wichtige Punkte im Kontext von Industrie 4.0 sind Cloud Computing und Systemintegration. Damit ist es möglich, fast alles miteinander zu verbinden – Systeme zu Remote-Viewern, Systeme zu anderen angeschlossenen Systemen, Systeme in verschiedenen Fabriken und sogar komplette angeschlossene Fabriken rund um den Globus. Standardisierte Schnittstellen zur Maschinenkommunikation wie OPC UA ermöglichen die Interaktion von Systemen. Wenn das CT mit der Gussmaschine kommuniziert Ein Beispiel, wie Industrie 4.0 mit CT funktionieren kann, ist eine Gießerei, die alle 20 s ein Aluminiumgussteil herstellt. Manchmal geraten die Prozessparameter außer Kontrolle und es werden Teile mit Fehlern wie etwa Porositäten hergestellt. Das Unternehmen führt digitale CT durch, um zu verhindern, dass diese Teile ausgeliefert werden. In der Vergangenheit war die Röntgenprüfung am Ende der Linie mit einer erheblichen Verzögerung von Stunden und manchmal sogar Tagen zwischen Guss und Prüfung. Indem der Hersteller diese beiden Aufgaben viel näher zusammenrücken lässt, hat er zwei Vorteile: Es werden weniger Wertschöpfungsschritte an fehlerhaften Teilen durchgeführt, und – was noch wichtiger ist – das Röntgensystem kann mit der Gussmaschine kommunizieren, um vor steigenden Ausschussraten zu „warnen“ oder besser noch direkt mit dem entsprechenden Prozess kommunizieren, um eine automatische Korrektur zu ermöglichen. Auf diese Weise kann der Gießprozess korrigiert werden, um wieder die gewünschte Qualität zu erreichen. Alle Maßnahmen versprechen Effizienzsteigerungen, aber der Effekt wird noch verstärkt, wenn sie zusammen durchgeführt werden. Nehmen wir an, dass das erwähnte Robotersystem in den Fabriken A und B installiert ist und dass dort ein Mangel an qualifiziertem QS- Personal besteht. Daher beschließt die Firma, alle Bilder in die Fabrik C, ihr Kompetenzzentrum für zerstörungsfreie Prüfung, zu übertragen. Die Bildinterpretation wird zentral für alle Standorte durchgeführt. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass es eine Grundlinie für die Inspektionsqualität gibt. Alle Daten werden in einem lokalen Rechenzentrum archiviert und im Hintergrund wird ständig eine KI geschult. Je intelligenter das System ist, desto mehr Hilfe erhalten die Inspektoren, was die Qualität der Bildauswertung weiter verbessert. ■ Informationen, wie sich Ausschuss vermeiden lässt Quality Engineering 02.2020 31

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