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Quality Engineering 04.2002

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SPECIAL » Fertigungsmesstechnik Hoher Nutzen in der Qualitätssicherung, aber: Mehr Realität bei Künstlicher Intelligenz Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz (KI) sind groß. Dies führt in der Realität oft zu Frustration. Daher gehören einige Mythen auf den Prüfstand. In der Praxis gibt es Stolpersteine, wie das Beispiel der digitalen Radiographie in der industriellen Qualitätskontrolle zeigt. Doch diese lassen sich umgehen. Bild: Sentin Verschieden genaue Annotationen von Poren in Schweißnähten: Ziel sollte es sein, die Annotationen wie in der Mitte zu erhalten. Durch Korrekturen von zu großen oder zu kleinen Vorhersagen eines KI-Modells kann iterativ eine Verbesserung erzielt werden. Dies ist aber mit einem erneuten KI-Training verbunden. Christian Els Geschäftsführer Maximilian Topp Chief Marketing Officer Sentin www.sentin.ai Mythos 1 lautet: Je mehr Daten desto besser. Jeder der sich schon einmal mit dem Thema KI beschäftigt hat, weiß, dass digitale Daten der Schlüssel zum Erfolg sind. Eine KI lernt in den häufigsten Fällen, was man ihr zeigt. Dabei gilt: je mehr desto besser. Die bildbasierte Fehlererkennung ist dabei ein typisches Einsatzgebiet in der Qualitätssicherung. Das Problem: Man braucht einen möglichst diversen Datensatz – sonst lernt die KI nur, was sie sowieso schon kann. Wenn Anbieter von KI-Lösungen von vielen Daten sprechen, meinen sie meist nicht 100 Bilder sondern eher x0.000 oder mehr. Wenn man etwa ein KI-System zur Beurteilung der Qualität von Schweißnähten anhand von Röntgenfilmaterial aufbauen und dabei auftretende Fehlerbilder automatisch erkennen möchte, findet sich Bilddatenmaterial mit dem Fehlertyp Poren meist zur Genüge. Kritische Fehlertypen wie Risse sind deutlich seltener zu finden. Ein weiterer Fallstrick liegt im Aufnahmezeitraum. Angenommen, man trainieret eine KI auf den Daten von Januar bis Juni. Dann wechselt die Aufnahme- Hardware zum Beispiel Licht oder Kamera. Die Wahrscheinlichkeit, dass die KI jetzt nicht mehr funktioniert, ist hoch, obwohl sie vielleicht schon tausende Bilder zum Training genutzt haben. Ähnlich verhält es sich beim Wechsel zwischen Anlagen. Man hat die Bilder einer einzelnen Anlage zum Training verwendet und will nun auf 30 weitere, leicht unterschiedliche ausrollen. Die KI – oder besser gesagt Deep Learning – kann indes lernen, diese Einflüsse zu minimieren, wenn sie verschiedene Daten zum Training erhält und man diese Problematik vorher antizipiert. Was außerdem häufig nicht berücksichtigt wird, ist die Güte des aktuellen Qualitätskontrollprozesses. Häufig hört man, die KI sollte mindestens so gut sein, wie das aktuelle System oder der Mensch, der derzeit prüft. Häufig wird dann der Fehler gemacht, dass diese als 100 % genau angenommen werden – man also eigentlich keine statistische Aussage darüber hat, wie gut ein aktuelles System oder der Mensch arbeitet. Wenn die KI dann etwa gelabelte Daten von einem strengen Prüfer als Trainingsgrundlage verwendet, aber ein zweiter Prüfer vielleicht hier und da noch „ein Auge zudrückt“, kann man sich vorstellen, dass bei Einsatz der von der KI ermittelte Ausschuss ansteigt, obwohl sie eigentlich nichts falsch erkennt. 38 Quality Engineering » 04 | 2022

KI-Modelle reagieren in solchen Fällen genau wie Menschen mit „Verwirrung“. Daher sollte man versuchen, eine Balance zwischen den Fehlerklassen und möglichen Variationen bei der Erstellung des Datensatzes zu finden und sich vorher über die Güte des aktuellen Prozesses Gedanken machen. Nicht jeder Anwendungsfall benötigt Künstliche Intelligenz Mythos 2 lautet: Schneller, besser, weiter. „Geben Sie uns 100 Bilder und sie erreichen 99 % Genauigkeit.“ Solche Sätze führen zu falschen Erwartungen. Neben der Datenproblematik gilt auch, dass nicht jeder Anwendungsfall eine Künstliche Intelligenz braucht. Wozu sollte man eine KI mit viel Aufwand trainieren, wenn eine simple Lichtschranke schon ausreicht? Manchmal sind auch einfache regelbasierte Algorithmen ausreichend und sogar schneller. Ein KI kann mit viel Grafikkartenpower sehr schnell werden. Aber je komplexer die Aufgabe, desto länger dauert die Berechnung. Eine einfache Fehlerklassifizierung IO- NIO kann schnell gehen, während eine pixelgenaue Fehlersegmentierung viel länger braucht. KI sollte ins Spiel kommen, wenn andere Lösungen an ihre Grenzen kommen. Oft ist auch ein Zusammenspiel aus regelbasiertem und KI-Algorithmus die optimale Lösung für ein Problem. In der industriellen Radiographie werden zum Beispiel Bildgüteprüfkörper verwendet, um eine ausreichende Bildqualität festzustellen. Dazu werden sogenannte Doppeldrähte neben das kontrollierte Bauteil gelegt. Eine KI könnte dann zum Beispiel die Position dieser Doppeldrähte feststellen und ein regelbasierter Algorithmus eine Kontrastbewertung nach Norm vornehmen. So kann man das Beste aus beiden Welten kombinieren. Die KI kann längst nicht alles automatisieren Mythos 3 heißt: Die KI kann alles automatisieren. Ja, es gibt viele Arbeitsschritte, die verhältnismäßig leicht mit KI gelöst werden können und schon einen Großteil an Arbeitszeit einsparen. Bei anderen Arbeitsschritten ist aber viel Detailarbeit notwendig, um jede Eventualität abzudecken, sodass es sich unter Umständen nicht rentiert. Eventuell läuft die Qualitätssicherung bereits im aktuellen Betrieb auf gutem Niveau, das heißt, es gibt nur einen Drang zur Optimierung, wenn Reklamationen oder Pseudoausschuss ein Thema sind. Häufig bietet sich daher eine Effizienzsteigerung durch KI an statt einer Vollautomatisierung. Man kann anhand von Wahrscheinlichkeiten, die das KI-Modell ausgibt, feststellen, wie sicher sich das Modell ist. Vielleicht reicht es, wenn ein Mensch dadurch nur noch jedes 100. Teil prüfen Trusted Innovation von Alicona. Das ist Messtechnik! Form und Rauheit in einem System. Das ist die neue Generation! InfiniteFocusG6 steht für: • Einzigartige Messperformance • Richtungsweisende User Experience • Zukunftsfähigen Technologiemix • Smartes Design Halle 7, Stand B46 www.alicona.com Quality Engineering » 04 | 2022 39

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