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2007-2 REISE und PREISE

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INTERVIEW Ein Leben aus

INTERVIEW Ein Leben aus dem Rucksack REISE & PREISE-Mitarbeiter Volker Klinkmüller traf Renate und Stefan Loose auf der thailändischen Ferieninsel Phuket. Es ist genau 30 Jahre her, dass Stefan Loose von einer langen Reise durch das tropische Asien zurückkehrte und seinen ersten Reiseführer schrieb. Damals noch auf einer geliehenen Schreibmaschine,mit Blick in einen tristen Berliner Hinterhof. Als Schöpfer der »Südostasien-Bibel« sind Renate (53) und Stefan Loose (60) nun selbst zu Traveller-Legenden geworden. Nach dem Verkauf seines Verlages an DuMont frönt das Berliner Autoren- Ehepaar wieder seiner Reiseleidenschaft. Immer unterwegs: Stefan und Renate Loose Zur Überraschung vieler haben Sie Ihren erfolgreichen Verlag verkauft. War es schon lange geplant, wieder als freie Autoren durch die Welt zu ziehen? Renate: Schon von Anfang an stand das Reisen im Mittelpunkt unseres Lebens.Mit zunehmender Größe des Verlages wurde es aber immer schwieriger, sich für längere Zeit zurückzuziehen. Wenn man Zeit auch für andere Dinge haben möchte, muss man eben die Konsequenzen ziehen. Recherchieren Sie weiterhin für die Loose-Buchreihe? Stefan: Gerade sind wir von einer halbjährigen Reise zurückgekehrt, während der wir drei Monate in Thailand recherchiert haben. Im Berliner Frühling werden nun alle neuen Infos in die bisherigen Thailand-Texte eingearbeitet.Im kommenden Jahr werden wir für eine Neuauflage mehrere Monate in Malaysia sein. Sicher ist Ihr Erscheinen in Restaurants oder Hotels gefürchtet. Reisen Sie anonym oder melden Sie Ihren Besuch an? Renate: Es gab da mal einen englischen Autoren, dessen Recherche-Besuch in einem indischen Touristenort bekannt wurde. Als er dann Die Reiseführer der Looses zählen seit Jahrzehnten zur Pflichtlektüre für Asien-Traveller mit dem Zug eintraf, stand ein Begrüßungskomitee mit Blaskapelle am Bahnsteig. Stefan: Wir tauchen am liebsten spontan auf. Welches asiatische Land ist Ihrer Meinung nach das beste Einstiegsziel für Individualreisende? Renate: Thailand – als Tor nach Südostasien. Es bietet eine angenehme Mischung aus Bekanntem und Exotik sowie eine gewachsene und hervorragende touristische Infrastruktur. Stefan: Ich finde, dass Singapur interessanter geworden ist – seit es seine historischen Wurzeln wieder entdeckt hat. Zudem sind selbst für Backpacker bezahlbare Unterkünfte entstanden. Haben Sie einen persönlichen Routentipp für junge Traveller, die mal für ein paar Monate raus möchten? Stefan: Generell empfehle ich, mit leichtem Gepäck zu reisen und erst am Ende der Reise einzukaufen. Sich Zeit zu lassen, auch mal das Internetcafé und Altbekanntes links liegen zu lassen und herauszufinden, was das Land für einen persönlich bereithält.Denn wer seine eigene Route findet, wird viel Neues entdecken – auch über sich selbst.Wer über Asien nach Australien weiterreist, kann dort mit einem Working Holiday Visum reisen und arbeiten. Trifft man eigentlich noch klassische Backpacker-Typen, die wie in den Siebzigern und Achtzigern mit Rucksack und wenig Geld durch die Welt tingeln? Stefan:Ja,es gibt sie noch.Junge wie ältere Menschen, die sich eine Auszeit genommen haben und Asien erkunden. Man trifft sie in vor allem in Indien, aber auch in den Nachbarländern. Im Gegensatz zu früher ist diese Community internationaler geworden.Es sind weniger Westeuropäer,Australier und US-Amerikaner,dafür mehr Osteuropäer, Südamerikaner und Asiaten,darunter viele Japaner.Letztes Jahr in Pakistan haben wir sogar Backpacker aus China und junge Frauen aus dem Iran getroffen, die mehrere Monate mit dem Rucksack und Lonely Planet unterm Arm durch Asien gereist sind. Haben Sie einen Insidertipp für Leute, die schon zigmal in Asien gewesen sind und eine echte Herausforderung (in Asien) suchen? Stefan: Indien natürlich! Dieses anstrengende Reiseziel steckt voller Überraschungen, vor allem in Hinblick auf seine tief verwurzelte lebendige Kultur und Spiritualität. Eine Überlandreise von Indien nach Pakistan und über den Karakorum-Highway bis nach Kashgar und weiter durch Tibet über Land nach Yunnan – das ist eine echte Herausforderung. Welche asiatischen Länder sind für alleinreisende Frauen besonders geeignet und welche sollten besser gemieden werden? Renate: In den Touristenzentren gibt es kaum Probleme, Myanmar, Vietnam oder Thailand sind für Frauen auch abseits der gängigen Reiserouten problemlos zu bereisen. In muslimischen Ländern wissen Männer oft nicht, wie sie mit einer Frau allein umgehen soll. Ich habe einmal in einem kleinen Restaurant auf Sumatra vergeblich versucht etwas zu bestellen, bis mir klar wurde, dass es die Kellner nicht wagen würden, eine fremde Frau anzusprechen, und dachten, ich warte auf meinen Mann. Viele Backpacker sind der Ansicht, dass der Pauschaltourismus Kulturen und Traditionen zerstört. Stimmt das? Renate: Ob es nun Pauschalos oder Individualos sind – es ist letztlich vor allem eine Frage des Feingefühls. Wer wie ein Elefant im Porzellanladen auftritt und die Einheimischen wie Tiere im Zoo bestaunt, der wird in jeder Kultur zerstörerische Einflüsse hinterlassen. Andererseits kann der Tourismus auch zur Belebung von im Aussterben begriffenen Traditionen beitragen, wie wir es schon in mehreren Ländern erlebt haben. 94 REISE & PREISE 2/2007

Hat man Sie schon einmal mitverantwortlich dafür gemacht, dass aus ehemaligen Hippie-Zielen Massendestinationen geworden sind? Stefan: Sicher – das kommt vor. Doch touristischer Boom oder Wildwuchs haben nicht unbedingt etwas mit einer Erwähnung in Reiseführern zu tun. Als Autoren können wir die Entwicklung zwar in gewisser Weise mit beeinflussen, aber letzten Endes nicht steuern. Wir haben nie explizite Geheimtipps publiziert und uns immer wieder bewusst verkniffen, über bestimmte Dinge zu schreiben, wenn es die lokalen Verhältnisse nicht vertragen hätten. Aber obwohl wir zum Beispiel die Umweltzerstörung auf Koh Phi Phi in unseren Büchern immer drastischer beschrieben haben, sind unsere Leser trotzdem dorthin gefahren. Gibt es Länder, die Sie aufgrund von Sicherheitsrisiken oder aus gesellschaftspolitischen Gründen nicht bereisen würden? Stefan:Ich finde es erfreulich,dass sich die Touristen von der Bedrohung durch Terroristen letztendlich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Und zur Politik: Als alter 68er habe ich mich damals lange gesträubt, einen Reiseführer für Myanmar zu produzieren.Später haben wir uns doch dazu durchgerungen,weil westliche Besucher für viele Einheimische eine Einnahmequelle oder auch die einzige Verbindung zur Außenwelt darstellen.Es gibt auch andere Länder, deren politische Systeme nicht den humanistischen Idealen entsprechen.Trotzdem werde ich weiterhin nach China, in die zentralasiatischen Republiken oder in den Iran fahren, um mir selbst eine Meinung zu bilden. Wenn Sie monatelang durch Asien traveln, sehen Sie sich dann eigentlich als Touristen? Renate: Wenn wir für unsere Reiseführer recherchieren, entspricht unser Tagesablauf in keiner Weise dem eines normalen Touristen – auch wenn wir uns im gleichen Umfeld bewegen.Aber was sind wir eigentlich? Wahrscheinlich ist das passende Wort »Reisende«,denn das Unterwegssein unterscheidet uns am ehesten von Einheimischen wie von Urlaubern.Zudem bezeichnet es am ehesten auch das, was uns unterwegs viel bedeutet: auf Reisen zu sein, wobei das Ziel nur die Richtung vorgibt. Stefan: Ich bin ein Nomade und könnte nur reisen. Sie gelten als Eltern des klassischen, deutschen Traveller-Handbuchs. Aber Hand aufs Herz: Haben Sie schon einmal eine Pauschalreise gemacht? Stefan:Nach dem Verkauf unseres Verlags wurden wir von einem Freund zu einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau eingeladen. Das war unsere einzige Pauschalreise. Gibt es ein Reiserlebnis, an das Sie sich besonders gern erinnern? Renate:Wo beginnen? Im Grunde ist vieles von bleibender Erinnerung in Südostasien passiert: Wir haben in Penang (Malaysia) geheiratet und gemeinsam mit unseren chinesischen Freunden in Singapur beschlossen,Eltern zu werden. Die ersten Monate der Schwangerschaft sind wir auf abgelegenen indonesischen Inseln gereist, und die Kinder sind mit einem Tag Unterschied auf die Welt gekommen. Stefan:Einmalig war auch unsere erste gemeinsame Bootsreise mit einer travelling dispensary ins Innere von Borneo, wo wir Menschen getroffen haben,die noch nie zuvor Weiße gesehen haben und dachten,wir seien Geister.Auch das große Sufi-Fest bei Lahore war einfach unglaublich, da müssen wir nochmal hin. Verraten Sie uns zum Schluss noch Ihren gemeinsamen Lieblings-Urlaubsort? Richtigen Strandurlaub haben wir zum ersten Mal erst vor wenigen Monaten in Goa gemacht, weil wir uns nach einigen Reisewochen durch Indien etwas erholen wollten.Doch nach einer Woche sind wir krank geworden und haben beschlossen,dass wir uns nicht für einen Urlaub eignen. Urlaub, das sind für uns auch Radtouren durch Brandenburg und Spaziergänge an der Ostsee – meist in Warnemünde, denn dort gibt es abends in der Gartenlaube ein fantastisches Essen. Fotos: Stefan und Renate Loose, Volker Klinkmüller Einheimische Frauen posieren mit Renate Loose im indischen Rishikesh vor der Kamera (links). Stefan Loose an einem Bücherstand in Bangkok beim Studium von »Konkurrenzprodukten« (rechts) REISE & PREISE 2/2007 95

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