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Taxi Times Berlin - 3. Quartal 2020

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PBEFG-NOVELLE

PBEFG-NOVELLE «POOLING» ALS NEUE BEFÖRDERUNGSFORM? Neben Taxis und Mietwagen will Scheuer die Beförderungsform „Pooling“ einführen und durch eine Quote regulieren. Hier wird es besonders darauf ankommen, wie man das im Detail definiert. Wenn der Gesetzgeber unterschiedliche Arten der individuellen Personenbeförderung – der Gesetzgeber spricht kurz von Verkehrsarten – definiert, steckt als Absicht dahinter, dass Taxi und Mietwagen sowie die geplante dritte Verkehrsart „Pooling“ mit gesonderten Regelungen voneinander abgegrenzt sind – was der eine darf, darf der andere nicht. Die Pläne der Findungskommission sehen vor, dass die Pooling- Dienste einzelne Sitzplätze vermieten dürfen und grundsätzlich nach Ausführung des Beförderungsauftrags nicht zu ihrem Betriebssitz zurückkehren müssen. Der Unternehmer hätte keine Betriebs- und Beförderungspflicht und dürfte ausschließlich den Bestellmarkt bedienen, also keine Winker aufnehmen oder sich irgendwo bereitstellen. Weil sich bedarfsgesteuerte Sammelverkehre (Pooling-Dienste) außerhalb des ÖPNV weder in ein Taxi- noch in ein Mietwagenkorsett zwängen lassen, soll nun eine eigene, dritte Beförderungsform dafür geschaffen werden – ein Segment davon innerhalb des ÖPNV, eins außerhalb des ÖPNV. Letzteres ist für Anbieter wie Moia, CleverShuttle, Berlkönig und Co. gemeint, weshalb sie nachfolgend als privates Pooling bezeichnet wird. Damit Kommunen in erster Linie den meist von ihnen selbst betriebenen, klassischen ÖPNV schützen können, sollen Ihnen Möglichkeiten der Steuerung dieser Verkehrsdienste an die Hand gegeben werden. So könnten sie beispielsweise durch Festlegung im Nahverkehrsplan eine Rückkehr zu Betriebshöfen oder Abstellorten anordnen und Sozialstandards definieren. Sie sollen zudem dazu verpflichtet werden, eine Poolingquote zu definieren, die festlegt, wie viele Fahrgäste im Durchschnitt gleichzeitig zu befördern sind. Die Kontrolle wird dadurch erleichtert, dass künftig jeder Anbieter seine Mobilitätsdaten bereitstellen muss. WIRD DAS POOLING STEUERBAR SEIN? Ob sich das nun positiv oder kontraproduktiv für das Taxigewerbe erweist, wird stark davon abhängen, wie die Vorgabe der Findungskommission vom Bundesverkehrsministerium im Referentenentwurf umgesetzt wird. Für Michael Oppermann vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) ist entscheidend, dass Pooling steuerbar ist und kein Wildwuchs entsteht. Vor allem dürfe die Poolingquote keine Mogelpackung werden, mahnt Oppermann im Gespräch mit Taxi Times. „Wenn im Schnitt nicht mindestens zwei Fahrgäste mitfahren, ist es aus meiner Sicht kein Pooling.“ Entscheidend wäre darüber hinaus, dass die Kommunen die Poolingverkehre und deren vorgeschriebene Quote verlässlich kon- FOTO: Axel Rühle / Taxi Times 12 3. QUARTAL 2020 TAXI

PBEFG-NOVELLE Dieter Schlenker, Vorsitzender der Taxi Deutschland eG trollieren. Daran zweifeln viele aus der Taxibranche. Sie fürchten, dass die Kommunen damit ebenso überfordert sind, wie das aktuell auch bei der Kontrolle der Rückkehrpflicht für Mietwagen der Fall ist. Oppermann hofft hier auf die vorgesehene Pflicht zur Bereitstellung der Mobilitätsdaten. Damit würde das PBefG als Bundesgesetz den Kommunen eine einfache Methode für wirkungsvolle Kontrollen an die Hand geben. Deutlich kritischer sieht die neue Beförderungsform Dieter Schlenker von Taxi Deutschland. „Warum soll für das Pooling eine neue, zusätzliche Fahrzeugflotte aufgebaut werden, wenn es bereits 55.000 Fahrzeuge auf deutschen Straßen gibt, die diese Beförderungsleistung erbringen können?“ Schlenker meint damit die Taxis, doch diese sind im Eckpunkte-Entwurf explizit ausgenommen, was Schlenker als unsinnig bezeichnet. Oppermann verweist bei diesem Punkt auf die Kehrseite der Medaille. „Man kann das durchaus als interessantes Marktsegment [für das Taxi] sehen, wir wollen aber unbedingt erreichen, dass Pooling-Anbieter auf keinen Fall Einzelbeförderung machen. Wenn Taxis allerdings das Recht erhalten sollen, zwischen ihrer klassischen Einzelbeförderung auch mal poolen zu dürfen, dann ist das regulatorisch nicht ganz einfach.“ Würde man es beispielsweise als Mischkonzession genehmigen, bestünde die Gefahr, dass Wettbewerber wie Moia ihre Fahrzeuge als Taxis zulassen könnten und damit irgendwelche Pooling-Quoten umgingen. „Das wollen wir natürlich auch nicht haben.“ An dieser Stelle stellt sich die grundsätzliche Frage, ob seitens des Gesetzgebers eine Kontingentierung vorgesehen ist. Die Eckpunkte lassen das offen. Aus vielerlei Aspekten wäre es allerdings sinnvoll, wenn Kommunen eine Höchstgrenze an Pooling- Fahrzeugen definieren dürften. Steuern ließe es sich beispielsweise über die Poolingquote: Wer diese nicht erreicht, verliert die Genehmigung. KOMMUNEN MÜSSTEN HÖCHSTGRENZE FESTSETZEN Bleibt zu guter Letzt noch die Frage, ob Pooling die Hintertür für Anbieter wie Uber und Free Now ist, ihr bisheriges Geschäftsmodell zu legalisieren. Sollten die oben genannten Punkte tatsächlich so umgesetzt werden, wäre ein stark reglementiertes privates Pooling für Uber und Free Now nicht so attraktiv. Das bestätigt auch Alexander Mönch von Free Now, der gegenüber den Medien dafür plädiert, dass Pooling auch mit Mischkonzessionen betrieben werden kann. Fazit: Ob privates Pooling dem Taxi tatsächlich schadet, hängt von der konkreten Ausgestaltung im späteren Gesetzestext ab – und davon, ob die Einhaltung der Regeln von den Kommunen kontrolliert wird (in Berlin mit dem derzeitigen Senat wohl kaum). „Alles ist ein Einfallstor für Uber und Free Now, wenn nicht kontrolliert wird“, sagt Oppermann. jh DIE ECKPUNKTE, ZIFFER 3: GENEHMIGUNGSFÄHIGKEIT VON POOLING-DIENSTEN AUSSERHALB DES ÖPNV FOTO: Taxi Deutschland eG Bedarfsgesteuerte Pooling-Dienste brauchen als neue Form des Gelegenheitsverkehrs auch außerhalb des ÖPNV eine rechtssichere Grundlage für ihre Zulassung. Diese Pooling-Dienste sollen einzelne Sitzplätze vermieten dürfen und grundsätzlich nach Ausführung des Beförderungsauftrags nicht zu ihrem Betriebssitz zurückkehren müssen. Kommunen müssen, insbesondere auch zum Schutz des ÖPNV, die Möglichkeit der Steuerung dieser Verkehrsdienste erhalten. Um auch außerhalb des ÖPNV eine reguläre Genehmigungsfähigkeit neuartiger Pooling-Konzepte sicherzustellen, wird eine neue Gelegenheitsverkehrsform „Pooling“ eingeführt. Dieser neuen Verkehrsform wird die Einzelsitzplatzvermietung ermöglicht. Der Unternehmer darf ausschließlich den Bestellmarkt bedienen, er unterliegt nicht der Betriebs- und Beförderungspflicht. Für die neue Verkehrsform „Pooling“ gilt grundsätzlich keine Rückkehrpflicht. Die Kommunen erhalten jedoch die Möglichkeit, für auftragslose Pooling-Fahrzeuge eine Rückkehrpflicht und deren Ausgestaltung (etwa Rückkehr zu eigens eingerichteten Betriebshöfen, Abstellorten o. ä.) durch kommunale Satzung oder im Nahverkehrsplan zu regeln. Die Geltung dieser Regelungen beschränkt sich auf das Gebiet des jeweiligen Aufgabenträgers, in dem die Poolingverkehre durchgeführt werden sollen. Eine genehmigungsbehördenübergreifende Bedienung ist nur mit Genehmigung der angrenzenden Genehmigungsbehörde gestattet. Die Kommunen müssen eine zu erreichende Poolingquote festlegen, um die Verkehrseffizienz dieser Systeme für den städtischen Verkehrsraum sicherzustellen. Die für die Berechnung der Quote zu verwendende Methodik (Personenkilometer/Fahrzeugkilometer) gilt bundesweit, die Festsetzung der konkreten Höhe erfolgt durch die Kommune. Ein Monitoring erfolgt durch die jeweils zuständige Stelle. 3.4. Den Kommunen werden abschließend folgende weitere Steuerungsmöglichkeiten eingeräumt: Festlegung eines Tarifkorridors, in dessen Rahmen der Unternehmer die Fahrpreise frei festlegen darf. Dabei muss die zuständige Genehmigungsbehörde nach Anhörung des kommunalen Aufgabenträgers verpflichtend einen Mindestpreis festlegen, der einen hinreichenden Abstand zu den ÖPNV-Tarifen sicherstellt / den jeweils geltenden ÖPNV-Tarif nicht unterschreiten darf. Darüber hinaus soll die Genehmigungsbehörde auch einen Höchstpreis für Poolingverkehre festlegen können. Möglichkeit einer Kontingentierung sowie zeitlicher/räumlicher Beschränkungen der neuen Poolingverkehre, um die notwendige Steuerung der neuen Verkehrsart zu erlauben. Die Kommunen können Vorgaben von Sozialstandards machen. Die Sozialstandards werden in der Liste der Steuerungsinstrumente aber nicht konkret benannt. TAXI 3. QUARTAL 2020 13

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