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Taxi Times Berlin - 3. Quartal 2020

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PBEFG-NOVELLE

PBEFG-NOVELLE TARIFPFLICHT NUR NOCH BEI WINKER-FAHRTEN? Bei Bestellfahrten soll es keine Tarifpflicht mehr geben und die Ortskundeprüfung will Scheuer durch eine „Kleine Fachkunde“ ersetzen. Für Mietwagenfahrer soll diese aber nicht gelten. Den künftigen Neuerungen für die „Verkehrsart“ Taxi sind im Eckpunkteentwurf der Findungskommission zwölf Sätze und sechs Unterpunkte gewidmet (siehe Kasten). Als wenig überraschend gilt dabei die Planung, dass Taxifahrer künftig keine Ortskunde mehr nachweisen müssen, dafür muss jedes Taxi künftig ein „dem Stand der Technik entsprechenden Navigationsgerät“ haben. Wirtschaftlich gesehen wäre der Wegfall für das Taxigewerbe und damit der Verlust eines Alleinstellungsmerkmals (kompetenter Fahrer, der seine Fahrgäste über die sinnvollste Fahrtroute beraten kann) ein geringerer Nachteil als der jetzt bestehende Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Mietwagengewerbe, denn seit 2017 die Ortskundeprüfung für Mietwagenfahrer aufgehoben wurde, leiden die Taxibetriebe unter massivem Personalmangel. Ein Bruchteil der früheren Zahl an Neueinsteigern ist heutzutage bereit, sich monatelang zum Taxifahrer zu qualifizieren, kann man doch ohne Kenntnisse und Prüfung sofort bei einem Mietwagenunternehmen einsteigen, wenn auch oft miserabel bezahlt. Diese massive Wettbewerbsverzerrung «Die Versorgung mit Taxis auf dem Land wäre damit akut gefährdet.» Michael Oppermann wäre mit dem generellen Wegfall der Ortskundeprüfung aber nicht wirklich aufgehoben, denn anstelle der Ortskundeprüfung will der Verkehrsminister eine „Kleine Fachkunde“ einführen – allerdings wieder nur für Taxifahrer und nicht für Mietwagenfahrer. Die „Kleine Fachkunde“ ist eine 15 Jahre alte Forderung des Taxigewerbes an die Politik, dass in einer schriftlichen Prüfung in deutscher Sprache bei den Genehmigungsbehörden ein Basiswissen über die Grundvorschriften zu belegen sind: Personenbeförderungsrecht, BOKraft, Quittungsausstellung, spezielles Straßenverkehrsrecht. Dass dies nun nur für Taxis, aber nicht für Mietwagen eingeführt werden soll, können im Taxigewerbe nur wenige nachvollziehen. Vielleicht stellt sich die Frage aber ohnehin nicht mehr, wenn tatsächlich die ebenfalls in der Ziffer vier der Eckpunkte geplante Aufhebung der Tarifpflicht für den Bestellmarkt umgesetzt wird. Es ist nur ein Satz, aber die Folgen wären systemzerstörend: „Auf dem Bestellmarkt darf der Unternehmer die Fahrpreise […] frei festlegen.“ Einschränkend und scheinbar regulierend soll DIE ECKPUNKTE, ZIFFER 4: TAXIVERKEHR Um das Taxigewerbe regulatorisch zu entlasten, wird den zuständigen Genehmigungsbehörden die Möglichkeit eingeräumt, die Taxitarifpflicht im Bestellmarkt zu lockern. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer wird durch die Pflicht zur Vorhaltung eines dem Stand der Technik entsprechenden Navigationsgeräts ersetzt. Die für Taxen geltende Betriebs- und Beförderungspflicht soll beibehalten werden. 4.1. Taxen dürfen weiterhin auf dem Wink-, Warte- und Bestellmarkt tätig sein. Dabei gilt auf dem Wink- und Wartemarkt der mithilfe des Fiskaltaxameters ortsübliche Taxitarif. Neben dem klassischen Fiskaltaxameter ist auch die Nutzung eines zugelassenen Appbasierten Systems zulässig. Auf dem Bestellmarkt darf der Unternehmer die Fahrpreise hingegen frei festlegen. Kommunen können für den Taxitarif im Bestellmarkt einen Tarifkorridor mit Mindest- und Höchstpreisen vorsehen; für Relationen zu häufig frequentierten Zielen (z. B. Flughafen, Bahnhof, Messegelände) können sie bei Bedarf Streckentarife festlegen. Taxen haben auch weiterhin die Möglichkeit, mehrere Personen bzw. Personengruppen zu transportieren. Lediglich die (auf Bestellung erfolgende) Einzelplatzvermietung soll der neuen Verkehrsform „Pooling“ vorbehalten bleiben. 4.4. Die Ortskundeprüfung für Taxifahrer wird durch die Pflicht zur Vorhaltung eines dem Stand der Technik entsprechenden Navigationsgeräts ersetzt. Als ein dem Stand der Technik entsprechendes Navigationsgerät gilt auch ein Software-basiertes System mit den oben genannten Funktionen auf einem Smartphone oder einem entsprechenden Endgerät. 4.5. Ferner wird ein Kleiner Fachkundenachweis eingeführt (Regelung im Fahrerlaubnisrecht). 4.6. Zur Sicherstellung eines flächendeckenden Angebots von Taxiverkehren auch in der Fläche wird im Gesetz die Möglichkeit geschaffen, dass die ÖPNV- Aufgabenträger in Räumen mit einer generellen oder tageszeitlichen Unterversorgung entsprechende Taxiverkehre aus öffentlichen Mitteln finanzieren können. 14 3. QUARTAL 2020 TAXI

PBEFG-NOVELLE FOTO: Axel Rühle / Taxi Times Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen e. V. den Kommunen noch die Möglichkeit gegeben werden, für den Taxitarif im Bestellmarkt einen Tarifkorridor mit Mindest- und Höchstpreisen und für Relationen zu häufig frequentierten Zielen (z. B. Flughafen, Bahnhof, Messegelände) Streckentarife festzulegen. „Das bedeutet: Nur wenn die Kommune will, kann sie den Tarifkorridor mit Mindest- und Höchstpreisen versehen“, erläutert Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi- und Mietwagen e. V. (BVTM), gegenüber Taxi Times. „Der Tarifkorridor ist somit eine Kann-Lösung, falls eine Kommune davon abweicht, dass sie gar keine Tarifvorgabe gibt. Gar keine Tarifvorgabe zu machen, dürfte dann die Regel werden.“ Das dürfe nicht passieren, warnt Oppermann, denn das löse das Taxi als Teil der Daseinsvorsorge zu einem verlässlichen Preisangebot auf. „Uns wäre ein anderes Modell deutlich lieber. Wir hätten gerne einen im Taxameter definierten Tarif, hätten aber gerne die Möglichkeit, abweichend davon schon vorher auf Basis der Entfernung Festpreise anbieten zu können. Aber nicht nur zu bestimmten Strecken, sondern auch von A nach B auf Basis von Kilometern und einer gemittelten Wartezeit. Wenn der Tarifkorridor so gestaltet wäre, dass sowas möglich wäre, wäre das ein sinnvolles Modell und was völlig anderes als das, was derzeit im Papier steht.“ OMA ZUM ARZT: NUR BEI HOHEM FAHRPREIS LUKRATIV Jenes Papier sieht übrigens vor, dass für Taxifahrten im so genannten „Winke- und Wartemarkt“ weiterhin der kommunal festgelegte Taxitarif gelten soll. Dies macht laut Berechnungen von Taxi Deutschland etwa 30 Prozent aller Taxifahrten aus. Somit ist der Bestellmarkt, also das Rufen eines Taxis über Telefon, App oder Internet mit den verbliebenen 70 Prozent der wichtigste Bereich des Taxigewerbes. Wären die Kommunen künftig nicht mehr verpflichtet, verbindliche Beförderungstarife festzulegen, träten in Deutschland ähnliche Regelungen in Kraft wie in Finnland und den Niederlanden. Dies habe dazu geführt, „dass es außerhalb der Großstädte kaum noch Taxiunternehmen gibt. Die Versorgung auf dem Land ist damit akut gefährdet“, warnt Taxi Deutschland. Fazit: Über das Für und Wider einer Ortskundeprüfung darf man weiterhin ausgewogen diskutieren. Die Aufhebung der Tarifpflicht für Bestellfahrten ist dagegen ein absolutes No-Go. Die parallele Absichtserklärung aus den elf Eckpunkten, dass die für Taxis geltende Betriebs- und Beförderungspflicht beibehalten werden soll, ist dann nur noch Wunschtraum. Wer zur Beförderung verpflichtet wird, dabei aber den Preis frei bestimmen darf, wird jenen Preis bei unbeliebten Fahrten (z. B. Kurzstrecken zur Arztpraxis) entsprechend hoch ansetzen. Den Tarif für den Bestellmarkt unreguliert freizugeben, wäre deshalb ein fataler Fehler der Politik – nicht nur am Taxiunternehmer, sondern vor allem an den Fahrgästen. jh NEUE WEBSITE + PREMIUM-PLUS-BEREICH Entdecken Sie unseren neuen Webauftritt und zahlreiche Features: • Optimierte Darstellung auf mobilen Geräten • Strukturierte Themenbereichsübersicht • Eigenständige Regionalseiten für Berlin und München * • Ausgewählte Beiträge in türkischer Sprache • Einfaches Teilen von Beiträgen auf UNTER STÜTZER DES TAXI GEWERBES Nutzen Sie jetzt die Vorteile des Premium-Plus-Bereiches: • Voller Zugriff auf alle Online-Inhalte unter www.taxi-times.com • Inkl. Jahresabonnement für eine Taxi-Times-Printausgabe • Kostenloser Kennenlern-Zugang für die ersten 30 Tage www.taxi-times.com * www.taxi-times.com/berlin * www.taxi-times.com/muenchen TAXI 3. QUARTAL 2020 15

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