Aufrufe
vor 3 Jahren

Taxi Times Berlin - 3. Quartal 2020

  • Text
  • Berlin
  • Taxigewerbe
  • Berliner
  • Mietwagen
  • Uber
  • Taxen
  • Quartal
  • Flughafen

CORONA-KRISE ßere

CORONA-KRISE ßere Betriebe wie uns nicht mehr genug zur Verfügung stand. Das unkomplizierte Verfahren wurde massenhaft zum Betrug ausgenutzt. Aufgrund des Levels an krimineller Energie in unserer Gesellschaft sind Verfahren, die einfach schnell Hilfe leisten wollen, kaum noch durchführbar. Stephan Berndt kam als „Trennschutz- Pionier“ am 20. März in die „Tagesthemen“. AUCH HILFEN FÜR GRÖSSERE BETRIEBE Es gibt aber auch Programme, die auf meine Betriebsgröße zugeschnitten sind. Den KfW-Schnellkredit bis zu 500.000 Euro mit 20 Prozent Tilgungshilfe beantragten wir natürlich als erstes. Diese „Soforthilfe V“ ist voll über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgesichert, also ein gutes Instrument, da es über zehn Jahre zurückzuzahlen ist und weil 20 Prozent der Darlehenssumme über die angebotene Tilgungshilfe letztlich eine direkte Hilfszahlung darstellen. Das Besondere: Sollte ein Betrieb das Darlehen nicht erhalten oder nachweisen können, dass es nicht ausreicht, kann er nachrangig 25.000 Euro nicht zurückzahlbare Soforthilfe abrufen. Monatelanger Stillstand und Umsatzeinbußen von nahezu 100 Prozent können nicht ausschließlich mit Darlehen finanziert werden, schon gar nicht in Branchen, die den Umsatz nicht „nachholen“ können. 22,90€ Zwei Haken hat die Sache. Der KfW- Schnellkredit ist über die Hausbank zu beantragen. Unser Konzept und unser Maßnahmenplan gefielen der Bank sehr gut, nicht aber unsere aktuellen Zahlen und die der letzten Jahre. Ich hatte die GmbH sicher nicht wegen der Zahlen gekauft, sondern wegen der Mitarbeitenden, in denen ich das Potential sah, eine Inklusionstaxi-Flotte zu entwickeln. Die Firma selbst war bis dato defizitär. Ich hatte gerade erst begonnen, das zu ändern. Ohne Corona hätte mich das nicht interessiert, für Fahrzeugfinanzierungen konnte ich notfalls selbst bürgen. Doch für den KfW-Kredit war das das K.O.- Kriterium. Das war der erste Haken. Nach der Ablehnung des Kreditantrages wollten wir schnell die nachrangige Soforthilfe von 25.000,- Euro abrufen. Doch wo war sie zu beantragen? Auf den Webseiten der Investitionsbank Berlin (IBB) war davon nichts mehr zu finden. Auf telefonische Nachfrage hieß es, diese Mittel würden nicht mehr ausgezahlt. Das hätten im Senat die Ressorts Wirtschaft und Finanzen beschlossen, da es jetzt ja die Überbrückungshilfe gäbe. Das war Haken Nummer zwei. Wir standen noch immer ohne jede Hilfe da. Also blieb nur noch die „Soforthilfe VI“. Da unser Umsatz um weit über 70 Prozent zurückging, stehen uns für Juni, Juli und August 2020 Überbrückungshilfen zu. Erstattet werden bis zu 80 Prozent der fixen Betriebskosten. Der Antrag ist gestellt, zu erwarten sind etwa 20.000 Euro. Bis heute ist noch kein Geld geflossen. Zusätzlich gibt es ein Programm, über das 50 Prozent der Mietaufwendungen für April und Mai beantragt werden können. Auch das haben wir gerade getan. Drei Monate hielten uns die Stundungen über Wasser. Seit die Rückzahlungen laufen und auch die Fahrzeugfinanzierungen wieder bedient werden müssen, decken wir die Kosten durch den Verkauf von Taxen. Ein paar Fahrzeuge „Luft“ haben LERNBUCH UND APP Spezialatlas zum Taxischein für Berlin Das Standardwerk für P-Schein-Anwärter, Ausbilder und Prüfer zur Klärung von Fragen zur Ortskunde in Berlin Mehr Infos: www.spezialatlas.de Die Trainings-App (Android; iOS) zur Vorbereitung auf die P-Schein-Prüfung für Taxifahrer in Berlin. Neu: mit Prüfungssimulation wir noch. Allerdings sind die Erlöse derzeit weit unter dem eigentlichen Fahrzeugwert. Wir fressen uns zum Überleben sozusagen Stück für Stück selbst auf. Irgendwann müssen wir aber alle wieder hochfahren. Unsere Einnahmensituation normalisiert sich erst, wenn alles wieder eine Weile geöffnet hat, Großveranstaltungen stattfinden und Touristen und Geschäftsleute unterwegs sind, vielleicht im April 2021. Leider werden Uber, Free Now und andere, die uns unkontrolliert außerhalb des gesetzlichen Rahmens angreifen, immer mehr. Es wird also auch dann nicht einfach. TAXIS BESSER AUSLASTEN: KEIN NACHTEIL FÜR BESCHÄFTIGTE Die Überbrückungshilfen werden einige Kosten abdecken und müssen nicht zurückgezahlt werden. Aufgrund der endenden Stundungen können wir trotz eingeschränkter Umsatzerwartungen nicht länger warten und starten jetzt durch – mit 16 statt 30 Taxen. Die restlichen Genehmigungen bleiben reaktivierbar. Um den Umsatz pro Taxi zu erhöhen, stellen wir vom bisherigen Zweischichtsystem auf ein System mit Früh-, Spät- und Nachtschichten um. Meine Belegschaft trägt das mit. Es wurde mit allen besprochen. Es ist zum Erhalt der Arbeitsplätze alternativlos. Zudem ermöglicht dieses Arbeitszeitmodell unseren Beschäftigten, ihren Lohn mit zusätzlichem Kurzarbeitergeld (Kug) aufzustocken. Grundsätzlich ist es im Taxigewerbe etwas problematisch, mit Kurzarbeitergeld zu arbeiten. Lediglich Kug-null ist problemlos anwendbar, wenn alle komplett in Kurzarbeit sind und der Betrieb ruht. Sobald aber wieder gearbeitet wird, wird es schwierig, mit ergänzendem Kug zu arbeiten. Wenn aber den Mitarbeitenden wegen wirtschaftlich gebotener Umstrukturierungen des Betriebes, wie hier durch ein neues Arbeitszeitmodell, konkret Arbeitszeit genommen wird, ist das machbar: Alle arbeiten nachprüfbar weniger. Die Autos werden voll ausgelastet, unsere Mitarbeiter sind bestmöglich abgesichert und die Risiken der Firma werden minimiert. Sobald die Umsätze steigen, können die ersten Mitarbeiter aus der Kurzarbeit rausgenommen und wieder voll eingesetzt werden. Parallel müssen dann neue Fahrzeuge in Einsatz gebracht werden. Der Start mit einem Minimum an Kosten und mit einer preisgünstigen Flotte gibt uns die Chance, bei positiver Entwicklung des Marktes wieder zu expandieren – mit einer hundertprozentigen Förderung des Umbaus zum Inklusionstaxi durch das Land Berlin. sb FOTO: Axel Rühle / Taxi Times 18 3. QUARTAL 2020 TAXI

FLUGHAFEN TEGEL WEHMUT UM TXL Am 8. November soll der Flughafen Tegel für immer geschlossen werden. Damit fällt – neben einem liebgewonnenen Stück Berlin – eine wichtige Einnahmequelle für Tausende Berliner Taxifahrer weg. FOTOS: Axel Rühle / Taxi Times, Simi (3) Im Zuge der bevorstehenden Fertigstellung des Ausbaus des Flughafens Schönefeld zum Flughafen Berlin Brandenburg (BER) sollte der Flughafen Tegel als letzter Berliner Verkehrsflughafen ursprünglich am Abend des 2. Juni 2012 geschlossen werden. Nach zahlreichen Verschiebungen des Eröffnungstermins des BER musste er jedoch bis heute in Betrieb bleiben, und speziell die TXL-Kutscher sind über das Hinauszögern der Schließung alles andere als unglücklich, denn noch immer ist die Frage offen, ob es am zukünftigen Flughafen ein Laderecht für das Berliner Taxigewerbe geben wird oder nicht. Günter Clüver Taxi Times sprach mit „eingefleischten Tegel-Kutschern“ darüber, wie sie nach der Schließung ihre Brötchen weiter verdienen werden. Taxiunternehmer Günter Clüver (63) hat als betroffener „TXL-Kutscher“ kaum noch Hoffnung, dass es wieder eine Verschiebung des BER-Termins geben wird. Vor der Corona-Krise konnte er in seiner Schicht bis zu acht Touren am Flughafen starten. Durch die Pandemie stürzte das Geschäft auf maximal vier Touren ab. „Wartezeiten bis zu fünf Stunden blieben unvermeidlich“, sagt er und spricht davon, neuerdings „auf die Heimspiele verzichten“ und auswärts, also in der Stadt, sein Glück versuchen zu müssen. „Leicht ist mir das Arbeiten in der Stadt nicht gefallen, und das hat mir wieder gezeigt, dass das Stehen an den Taxihalteplätzen ungewohnt und langweiliger ist als auf der Palette“, also im Nachrückebereich am Flughafen Tegel. Er fürchtet die Zukunft nicht und hofft, dass schnell noch eine faire Lösung am „neuen Arbeitsplatz“ BER gefunden wird. BERLIN OHNE TXL – FÜR VIELE UNVORSTELLBAR So ähnlich ergeht es dem Kollegen Mehmet Demir (49), der bereits über zwanzig Jahre fast nur am Flughafen seinen Dienst anbietet. Er will sich ein Berlin ohne TXL gar nicht vorstellen. „Viele Hauptstädte wären froh über einen innerstädtischen Flughafen, nur in Berlin machen die Politiker beide zu. Und von der Bürgerwahl spricht auch keiner mehr.“ Mehmet Demir Die Berliner hatten am 24. September 2017 per Volksentscheid die Möglichkeit, ihren Wunsch über den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel kundzutun. Nach dem offiziellen Ergebnis sprachen sich 56,1 Prozent der Teilnehmer für den Weiterbetrieb aus, 41,7 Prozent dagegen. Der Haken ist: Das Abstimmungsergebnis ist rechtlich nicht bindend. Deshalb entschied das Abgeordnetenhaus von Berlin im Juni 2018, dass „der mit dem Volksentscheid ,Berlin braucht Tegel‘ gefasste Beschluss vom Senat nicht umsetzbar ist.“ Süleyman Atalay Die Meinungen der TXL-Kutscher sind eindeutig: Berlin braucht Tegel „Wo sollen bitteschön die Berliner Taxen hin, wenn jetzt schon die Kapazität der Taxihalteplätze in Berlin ausgeschöpft ist?“, fragt Taxifahrer Süleyman Atalay (40). Noch ist kein Ende des Corona-Tunnels abzusehen, und mit der Schließung kommt eine weitere Umgewöhnung auf die Berliner zu – ebenso wie auf die Fahrer aus dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS), die künftig neben dem bisherigen Terminal auch das neue, viel größere bedienen dürfen – alleine oder doch mit den Berliner Kutschern gemeinsam. hs TAXI 3. QUARTAL 2020 19

TaxiTimes Berlin