Dannhauer - 2013 - Deutscher Reishandel 1850 bis 1914 die zentrale R
Dannhauer - 2013 - Deutscher Reishandel 1850 bis 1914 die zentrale R
Dannhauer - 2013 - Deutscher Reishandel 1850 bis 1914 die zentrale R
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dannhauer,<br />
Jahrgang 1983, stu<strong>die</strong>rte<br />
Politikwissenschaft<br />
an der Carl-von-Ossietzky-<br />
Universität Oldenburg<br />
und Geschichte an der<br />
Universität Bremen.<br />
Stu<strong>die</strong>nschwerpunkte<br />
waren politische Soziologie<br />
sowie <strong>die</strong> Geschichte<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts<br />
mit einem Fokus auf Politik-<br />
und Schifffahrtsgeschichte.<br />
Überraschenderweise war Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts<br />
der weltweit größte Handels- und Verarbeitungsplatz für Reis.<br />
Einen entscheidenden Beitrag dazu lieferte <strong>die</strong> Bremerhavener<br />
Schiffbauer- und Reederfamilie Rickmers, <strong>die</strong> Reis erst als Transportgut<br />
für sich entdeckte, 1872 eine Reismühle kaufte und<br />
Bremen in der Folge zu einem der wichtigsten Orte der internationalen<br />
Reisindustrie machte. Obwohl der Rohstoff in Amerika<br />
und Asien bezogen werden musste, war Norddeutschland <strong>die</strong><br />
<strong>zentrale</strong> Drehscheibe <strong>die</strong>ser Industrie.<br />
In einer globalisierungsgeschichtlichen Betrachtungsweise gelingt<br />
es, ökonomische, politische, technische und soziale Entwicklungen<br />
und Zusammenhänge zwischen Reisproduzenten und Reishändlern,<br />
der entstehenden Industrie und den Konsumenten aufzuzeigen.<br />
In <strong>die</strong>sem Buch werden Strukturen auf mehr als drei Kontinen-^"<br />
ten betrachtet, <strong>die</strong> sich deutsche Kaufleute und Reeder nutzbar<br />
machten, um sich im internationalen Reisgeschäft zu etablieren.<br />
Andreas Rickmers schuf ein Firmenimperium, das im wahrsten
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Deutsches<br />
Schiffahrtsmuseum
PMS<br />
Deutsche Maritime Stu<strong>die</strong>n<br />
Schriftenreihe des<br />
Deutschen Schiffahrtsmuseums, Bremerhaven<br />
Herausgegeben von Lars U. Scholl<br />
Band 1:<br />
Band 2:<br />
Band 3;<br />
Band 4:<br />
Band 5:<br />
Band 6:<br />
Band 7<br />
Hartmut Rübner<br />
Konzentration und Krise<br />
der deutschen Schiffahrt<br />
Maritime Wirtschaft und Politik im Kaiserreich,<br />
in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus<br />
Peter Doepgen<br />
Die Washingtoner Konferenz,<br />
das Deutsche Reich und <strong>die</strong> Reichsmarine<br />
Deutsche Marinepolitik 1921 <strong>bis</strong> 1935<br />
Stephan Cramer<br />
Riskanter segeln<br />
Innovative Sicherheitssysteme im 19. Jahrhundert<br />
und ihre unbeabsichtigten Folgen am Beispiel<br />
der nordwestdeutschen Segelschifffahrt<br />
Gerd Wegner<br />
in den rauhesten nördlichen Gegenden<br />
Naturkundliche Betrachtungen zur Förderung des<br />
Seehandels und des Walfangs im 18. Jahrhundert<br />
Lars U. Scholl & David M. Williams (eds.)<br />
Crisis and Transition<br />
Maritime Sectors in the North Sea Region<br />
1790-1940<br />
8* North Sea History Conference, Bremerhaven<br />
2005<br />
David J. Starkey, Jon Th. Thor,<br />
Ingo Heidbrink (eds.)<br />
A History of the North Atlantic Fisheries<br />
Voi. 1: From Early Times to the<br />
Mid-Nineteenth Century<br />
Hajo Neumann<br />
Vom Forschungsreaktor zum „Atomschiff“<br />
Отто H ahn<br />
Die Entwicklung von Kernenergieantrieben für<br />
<strong>die</strong> Handelsmarine in Deutschland<br />
Melanie Leonhard<br />
Die Unternehmerfamilie Rickmers 1834-1918<br />
Schiffbau, Schifffahrt, Handel<br />
Jörn Lindner<br />
Schifffahrt und Schiffhau<br />
in einer Hand<br />
Die Firmen der Familie Rickmers 1918-2000<br />
: Kai Kahler<br />
Zwischen Wirtschaftsförderung und<br />
Wirtschaftsbetrieb<br />
Hamburgs öffentlicher Hafenbetrieb im Wandel<br />
1910-1970: Von staatlicher Kaiverwaltung in den<br />
freien Wettbewerb<br />
Band 11:<br />
Band 12:<br />
im Widerstreit 1933 <strong>bis</strong> 1940/41<br />
Band 13:<br />
Band 14:<br />
Band 17:<br />
Judith Kestler<br />
Kriegsgefangenschaft und Weltreise<br />
Untersuchungen zur Biographie eines unfreiwilligen<br />
Teilnehmers am Zweiten Weltkrieg<br />
Stefan Kiekel<br />
Die deutsche Handelsschifffahrt<br />
im Nationalsozialismus<br />
Unternehmerinitiative und staatliche Regulierung<br />
Andrea Mehrländer<br />
Mit Kurs auf Charleston, S.C.<br />
Kapitän Heinrich Wieting und<br />
<strong>die</strong> deutsche Auswanderung nach South Carolina<br />
im 19. Jahrhundert<br />
Teil 1<br />
Andrea Mehrländer<br />
Mit Kurs auf Charleston, S.C.<br />
Kapitän Heinrich Wieting und<br />
<strong>die</strong> deutsche Auswanderung nach South Carolina<br />
im 19. Jahrhundert<br />
Teil 2<br />
Band 15: Katharina Jantzen<br />
Cod in Crisis?<br />
Quota Management and the Sustainability<br />
of the North Atlantic Fisheries, 1977-2007<br />
Band 16: Andreas Kunz/Lars U. Scholl (Hg.)<br />
Die deutsche Seeschifffahrt 1821-1989<br />
Ein Datenhandbuch<br />
Nicole Hegener/Lars U. Scholl (Hg.)<br />
Vom Anker zum Krähennest<br />
Nautische Bildwelten von der Renaissance<br />
<strong>bis</strong> zum Zeitalter der Fotografie<br />
Band 18: Melanie Sulzer<br />
Soziale Sicherungssysteme in der<br />
Seeschifffahrt<br />
Von der berufsständischen Armenfürsorge<br />
zur See-Sozialversicherung<br />
Band 19 David J. Starkey, Ingo Heidbrink (eds.)<br />
A History of the North Atlantic Fisheries<br />
Voi. 2: From the <strong>1850</strong>s to the Early<br />
Twentieth-First Century<br />
Band 20: Patrick Salmon<br />
Deadlock and Diversion<br />
Scandinavia in British Strategy during the<br />
Twilight War 1939-1940<br />
: Günther Oestmann<br />
Auf dem Weg zum „Deutschen Chronometer“<br />
Die Einführung von Präzisionszeitmessern<br />
bei der deutschen Handels- und Kriegsmarine<br />
<strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg
Sören <strong>Dannhauer</strong><br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Reishandel</strong><br />
<strong>1850</strong> <strong>bis</strong> <strong>1914</strong><br />
Die <strong>zentrale</strong> Rolle Bremens und der Familie Rickmers<br />
auf einem weltweiten Nahrungsmittelmarkt<br />
Verlag H. M. Hauschild GmbH, Bremen
Abbildung auf dem Umschlag:<br />
Fünfmastbark M a r ia R ic k m e r s (Rickmers-Familienarchiv)<br />
Firma Gebrüder Nielsen 1837 (Staatsarchiv Bremen, 10,B-AL-186-Bd. 2)<br />
Universität Bremen unter dem Titel „<strong>Deutscher</strong> <strong>Reishandel</strong> <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong>. Die <strong>zentrale</strong> Rolle Bremens<br />
und der Familie Rickmers auf einem weltweiten Nahrungsmittelmarkt“ als Dissertation vor.<br />
Erster Gutachter; Prof. Dr. Lars U. Scholl<br />
Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Franklin Kopitzsch<br />
Das Kolloquium fand am 12. September 2012 statt.
Inhalt<br />
Vorwort des Herausgebers ............................................................................................................... 9<br />
Danksagung ...................................................................................................................................... 11<br />
Einleitung ........................................................................................................................................ 13<br />
1. Fragestellung .............................................................................................................................. 13<br />
2. Forschungsstand und Literatur ................................................................................................ 16<br />
Quellenlage ................................................................................................................................ 16<br />
3. Methodischer A n satz................................................................................................................. 17<br />
4. Statistische Grundlagen............................................................................................................. 19<br />
5. Gliederung.................................................................................................................................. 20<br />
Kapitel I - Die Ausgangslage des deutschen <strong>Reishandel</strong>s um <strong>1850</strong> ...................................... 22<br />
1. Reisanbau und <strong>Reishandel</strong> in Nordamerika............................................................................ 22<br />
Der Beginn des amerikanischen Reisanbaus........................................................................... 22<br />
Arbeitskräfte für den Reisexport - Aufschwung der Sklavenwirtschaft.............................. 23<br />
Weltmarktbedeutung: Innovative Prozesse und Marktverbreiterung.................................... 24<br />
2. Europäer in Asien - Koloniale Entwicklungen und Anfänge im <strong>Reishandel</strong> mit Asien . . . 26<br />
Erste Kontakte und frühe Handelsbeschränkungen in Birma ............................................... 26<br />
<strong>Reishandel</strong> in Birma von der frühen Neuzeit <strong>bis</strong> ins 19. Jahrhundert.................................. 27<br />
Englische Intentionen ............................................................................................................... 27<br />
Handel und erste europäische Kontakte in S ia m .................................................................... 29<br />
3. Früher Ostin<strong>die</strong>n-und Asienhandel Bremens ........................................................................ 29<br />
4. Entwicklung des Mühlenhandwerks und der Reismüllerei................................................... 31<br />
Eine dampfgetriebene Reismühle in Flensburg...................................................................... 31<br />
Die Bremer Wirtschaftslage um <strong>1850</strong> ..................................................................................... 32<br />
Bremer Reismühlen................................................................................................................... 33<br />
5. Fazit .......................................................................................................................................... 34<br />
Kapitel II - Die Entwicklung des internationalen <strong>Reishandel</strong>s (1855-1877) ..................... 36<br />
1. Die Familie Rickmers; Schiffbauer, Reeder und Reismüller................................................. 36<br />
2. Reis - Eine kleine Kulturgeschichte ....................................................................................... 40<br />
Reis in Deutschland: Herkunft, Verbreitung, Anbau und Verwendung von Reis<br />
<strong>bis</strong> Mitte des 19. Jahrhunderts.................................................................................................. 40<br />
Geschichte eines deutschen Lebensmittels ............................................................................. 43<br />
3. Die Erschließung von Reisanbauflächen und Exportindustrien ........................................... 46<br />
Die Erschließung B irm as.......................................................................................................... 46<br />
Die asiatischen Anbaugebiete außerhalb Birm as.................................................................... 57<br />
Außerasiatische Anbaugebiete.................................................................................................. 61<br />
5
4. Der Handelsablauf, Handelsklassen und Reissorten, Rohstoffpreise .................................. 62<br />
Asiatischer Handel, Zwischenhandel <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> Häfen und Vorbereitungen<br />
zur Verschiffung......................................................................................................................... 62<br />
Reissorten und Handelsklassen ................................................................................................ 67<br />
Jährlicher deutscher Reiskonsum und Rohstoffpreise........................................................... 71<br />
5. Deutsche in Asien ..................................................................................................................... 78<br />
Konsulatswesen ......................................................................................................................... 78<br />
6. Transportwesen und Kommunikation ..................................................................................... 88<br />
Abläufe und Neuerungen im Transportwesen........................................................................ 88<br />
Distanzen überbriicken - Neue Kommunikationswege......................................................... 99<br />
7. F a z it............................................................................................................................................ 102<br />
Kapitel III - Bremen als Zentrum des weltweiten Reisgeschäfts (1883-1890)................... 104<br />
1. Reismühlen und Reismüllerei ln Bremen ............................................................................... 104<br />
Andreas Rickmers’ Aufstieg als Reismüller .......................................................................... 104<br />
Die Reismühlen der Gebrüder Nielsen ................................................................................... 108<br />
Reisfuttermehl ........................................................................................................................... 109<br />
2. Die deutsche Reisstärkeindustrie.............................................................................................. 111<br />
Von der Stärkefabrik Salzuflen zu Hoffmann’s Stärkefabriken A G ...................................... 112<br />
Reisstärke: Vorteile, Herstellung und Verwendung................................................................ 115<br />
Zollbehandlung der Reisstärke ................................................................................................ 118<br />
Die Rickmers Reiswerke „Union“ Hannoversch M ünden...................................................... 121<br />
Die Reis werke O sterholz........................................................................................................... 124<br />
Marktübersättigungen und Konzentrationsbestrebungen....................................................... 127<br />
3. Transportwesen ......................................................................................................................... 134<br />
Die Weserkorrektion und der Bau eines neuen Hafens in Bremen ...................................... 134<br />
Die Gründung der DDG „Hansa“ ............................................................................................ 135<br />
4. Reismarktberichte ..................................................................................................................... 138<br />
Berichte über den weltweiten <strong>Reishandel</strong> ............................................................................... 138<br />
Bericht über den Reismarkt 1875 ............................................................................................ 139<br />
Bericht über den Reismarkt 1882 ............................................................................................ 144<br />
Bericht über den Reismarkt in London 1885 .......................................................................... 145<br />
Jahresberichte über den <strong>Reishandel</strong> 1889 und 1890 sowie <strong>die</strong> Statistik für <strong>die</strong><br />
Jahre 1891-1895 ....................................................................................................................... 150<br />
Zusammenfassende Bewertung der Statistiken über den internationalen <strong>Reishandel</strong><br />
zwischen 1870 und 1895 ........................................................................................................... 153<br />
5. Absatzgebiete.............................................................................................................................. 156<br />
Reisexporte der europäischen Reisindustrien ........................................................................ 156<br />
Neue Exportziele für asiatischen R e is ..................................................................................... 160<br />
6. Gründung der Rickmers Reismühlen, Rhederei und Schiffbau AG .................................... 161<br />
Wirtschaftliche Herausforderungen der Rickmers-Brüder ................................................... 162<br />
Die Rickmers Reismühlen, Rhederei und Schiffbau A G ....................................................... 164<br />
7. F a z it............................................................................................................................................. 166
Kapitel IV - Neue M arktstrukturen entstehen (1890-1901) ................................................. 168<br />
1. Marktverschiebungen und ein neues Investitionsverhalten in Deutschland ....................... 168<br />
Der Zollanschluss Hamburgs und Bremens mit seinen Folgen............................................. 168<br />
Die Rickmers AG und ihre Tochterunternehmen in Deutschland........................................ 171<br />
2. Neue Wege zu ausländischen Absatzmärkten ........................................................................ 173<br />
Die Zollpolitik gerät in den Fokus........................................................................................... 173<br />
Die Rickmers AG beteiligt sich an Mühlen in Österreich-Ungarn ...................................... 175<br />
Die „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft.......................................................................... 176<br />
Marktverschiebungen führen zu globalem Investitionsverhalten ........................................ 180<br />
3. Industrie-und Handelsausstellungen....................................................................................... 184<br />
Weltausstellungen seit 1851...................................................................................................... 184<br />
Die Nordwestdeutsche Gewerbe-, Industrie-, Handels-, Marine-, Hochseefischerei<br />
und Kunstausstellung 1890 in Bremen ................................................................................... 184<br />
4. Personelle Netzwerke im <strong>Reishandel</strong> ..................................................................................... 186<br />
Familientraditionen im deutschen <strong>Reishandel</strong>........................................................................ 187<br />
Persönliche Beziehungen und Netzwerke im internationalen <strong>Reishandel</strong>............................ 188<br />
Persönliche Beziehungen und Netzwerke im Umfeld der Bremer Reisindustrie ............... 190<br />
5. F a z it............................................................................................................................................ 193<br />
Kapitel V - Der deutsche <strong>Reishandel</strong> his zum Ersten Weltkrieg (1900-<strong>1914</strong>)................... 196<br />
1. Veränderung des Reismarktes in Asien ................................................................................... 196<br />
Die neue Bedeutung des innerasiatischen <strong>Reishandel</strong>s.......................................................... 196<br />
Asiatische Reismühlen konkurrieren mit europäischen Reismühlen .................................. 199<br />
Neue Konkurrenzsituationen im asiatischen Reisgeschäft ................................................... 202<br />
2. Die Reis- und Handels Aktiengesellschaft............................................................................... 205<br />
Ein neues Unternehmen der deutschen Reishändler.............................................................. 205<br />
Die Gründung der Reis- und Handels A G ............................................................................... 208<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung der Reis-und Handels AG ............................................... 212<br />
Eine Entwicklung mit Konflikten ........................................................................................... 217<br />
Konflikte im eigenen Haus und auf dem heimischen M ark t................................................. 219<br />
Die Affäre Andreas Rickmers .................................................................................................. 221<br />
3. Zolldiskussionen ....................................................................................................................... 226<br />
Anträge und Eingaben der Reis- und Handels AG ................................................................ 226<br />
Anträge und Eingaben der hamburgischen M ühlen................................................................ 229<br />
Politische Positionen im Konflikt über Veränderungen am Zollregulativ für Reismühlen<br />
und der Zollbehandlung von Reis in Deutschland.................................................................. 231<br />
4. Reisanbau als deutsche Kolonialaufgabe................................................................................. 233<br />
5. F a z it............................................................................................................................................ 235<br />
Kapitel VI - Die deutsche Reisindustrie im 20. Jahrhundert (nach <strong>1914</strong>) .......................... 238<br />
1. Die deutsche Reisindustrie während des Ersten Weltkriegs ................................................. 238<br />
Die Reis- und Handels AG verliert ihre Mühlen in Asien und E u ro p a................................ 238<br />
Die Reisindustrie in Deutschland ........................................................................................... 240
2. Der deutsche <strong>Reishandel</strong> nach 1918 ....................................................................................... 241<br />
Ein veränderter W eltmarkt........................................................................................................ 241<br />
Neue Mühlen und der <strong>Reishandel</strong> in Deutschland.................................................................. 242<br />
Schlussbetrachtung................................................................................. 245<br />
Quellenverzeichnis ........................................................................................................................... 251<br />
1. Ungedruckte Q uellen................................................................................................................... 251<br />
2. Gedruckte Q uellen..................................................................................................................... 253<br />
Tabellenverzeichnis......................................................................................................................... 254<br />
Literaturverzeichnis....................................................................................................................... 256<br />
Anmerkungen ..................................................................................................................................<br />
Personenregister............................................................................................................................... 280<br />
Summary: German Rice Trading from <strong>1850</strong> to <strong>1914</strong> ................................................................ 281
Vorwort des Herausgebers<br />
Die Anregung zu <strong>die</strong>ser Arbeit geht auf ein<br />
mehljähriges Forschungsprojekt am Deutschen<br />
Schiffahrtsmuseums (DSM) zurück, das im Hinblick<br />
auf das 175-jährige Jubiläum der Unternehmerfamilie<br />
Rickmers in den Jahren 2005 <strong>bis</strong><br />
2(Ю9 durchgeführt wurde. Zwei Dissertationen<br />
befassten sich mit der Unternehmensgeschichte<br />
von 1834 <strong>bis</strong> 1918 und von 1918 <strong>bis</strong> 2000.' Die<br />
Forschungsarbeiten von Melanie Leonhard und<br />
Jörn Lindner bildeten <strong>die</strong> Grundlage für <strong>die</strong> große<br />
Sonderausstellung im DSM, <strong>die</strong> in verkleinerter<br />
Form noch heute im Jahre <strong>2013</strong> auf dem<br />
Museumsschiff R ic k m e r R ic k m e r s in Hamburg<br />
zu sehen ist.<br />
Ein wesentlicher Aspekt, der zunächst unbearbeitet<br />
bleiben musste, betraf das Engagement<br />
von Rickmers im Reistransport von Indochina<br />
nach Bremen, <strong>die</strong> Bearbeitung von Reis in Bremen<br />
ab 1872 sowie durch den Erwerb einer<br />
Reismühle in Indochina wenige Jahre später.<br />
Reistransport und Reisveredelung waren für<br />
Deutschland <strong>bis</strong>her wissenschaftlich fast völlig<br />
unbeachtet geblieben. Für den Bremer <strong>Reishandel</strong><br />
gab es <strong>bis</strong>lang nur eine erste informative<br />
Skizze von Hartmut Roder und kleinere unternehmensgeschichtliche<br />
Beiträge.<br />
<strong>Dannhauer</strong>s Stu<strong>die</strong> ist ein Forschungsbeitrag<br />
zum weltweiten Nahrungsmittelmarkt und zur<br />
Konsumgeschichte. Die Verknüpfung nationaler<br />
und internationaler Wirtschaftsbeziehungen einerseits<br />
sowie <strong>die</strong> Vertiefung der vor allem von<br />
Hans-Jürgen Teuteberg, Günther Wiegelmann<br />
und Annerose Menninger betriebenen Analysen<br />
zur Geschichte der Ernährung und des Nahrungsmittelkonsums<br />
andererseits waren Ziele<br />
<strong>die</strong>ser Arbeit. Das Thema ist aber auch für <strong>die</strong><br />
Bremer Schifffahrts- und Wirtschaftsgeschichte<br />
von großer Bedeutung und fügt sich ein in <strong>die</strong><br />
1 Melanie Leonhard: Die Unternehmerfamilie Rickmers 1834-1918.<br />
Schiffbau, Schifffahrt, Handel. Bremen 2009 (= Deutsche Maritime<br />
Stu<strong>die</strong>n, Bd. 8), und Jöm Lindner: Schifffahrt und Schiffbau in einer<br />
Hand. Die Firmen der Familie Rickmers 1918-2000. Bremen 2009<br />
(e Deutsche Maritime Stu<strong>die</strong>n, Bd. 9).<br />
Reihe der Nahrungsmittel von Kaffee, Tee und<br />
Wein, <strong>die</strong> für Bremens Stellung als Handelsstadt<br />
wichtig waren und noch sind. Somit hat <strong>die</strong> Aufarbeitung<br />
<strong>die</strong>ses Themas durch Sören <strong>Dannhauer</strong><br />
M.A. sowohl eine lokale und regionale als<br />
auch eine nationale und internationale Komponente.<br />
Sören <strong>Dannhauer</strong> hat u.a. <strong>die</strong> Anregungen<br />
von Jürgen Osterhammel, Sebastian Conrad, Andreas<br />
Eckert und Claudius Torp aus der neueren<br />
deutschen Forschung zur Globalisierungsgeschichte<br />
aufgenommen und <strong>die</strong>se weiterführende<br />
Perspektive konsequent beibehalten. Herausgekommen<br />
ist ein überzeugendes Beispiel für<br />
<strong>die</strong> Verflochtenheit von globalen und regionallokalen<br />
Wandlungsprozessen.<br />
Reis war seit Jahrhunderten in Europa bekannt.<br />
Aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts war das<br />
Nahrungsmittel in Deutschland aus einer begehrten<br />
Kolonialware zu einem selbstverständlichen<br />
Lebensmittel geworden, weil <strong>die</strong> nach<br />
Deutschland eingeführte Menge kontinuierlich<br />
zunahm. In Bremen wurde Reis ein Stapelartikel,<br />
als <strong>die</strong> Stadt zum größten Auswandererhafen<br />
Deutschlands wurde. Viele Schiffe steuerten den<br />
Süden der Vereinigten Staaten an und setzten ihre<br />
menschliche Fracht in South Carolina oder<br />
Georgia an Land. Die dort angebauten Produkte<br />
wurden als Rückfracht für Europa geladen. Nach<br />
Tabak und Baumwolle wurde Reis zum drittgrößten<br />
Stapelartikel Bremens. Die Reisindustrie<br />
in den USA prosperierte um <strong>1850</strong>. Bewässerungssysteme<br />
auf den Feldern und Verarbeitungsmaschinen<br />
in den Mühlen wurden stetig<br />
verbessert, <strong>die</strong> Erträge stiegen und mit ihnen<br />
auch <strong>die</strong> Exportmengen. Das Fundament der<br />
amerikanischen Reisplantagen bildeten <strong>die</strong><br />
schwarzen Sklaven. Diese Situation änderte sich<br />
mit dem Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs<br />
grundlegend. Innerhalb weniger Jahre<br />
wurden <strong>die</strong> USA vom wichtigsten Reislieferanten<br />
für Europa zu einem Reisimportland. Der<br />
Aufstieg Asiens zum Reislieferanten für <strong>die</strong> Welt<br />
begann. Erstaunlich ist, dass sich in der Folge-
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zeit deutsche Unternehmer in <strong>die</strong>sem - vorerst<br />
nicht mit Deutschland verbundenen - Markt<br />
nachhaltig etablieren sollten.<br />
Obwohl es um <strong>1850</strong> in In<strong>die</strong>n und Asien noch<br />
keine großen Produktionsüberschüsse an Reis<br />
gab und <strong>die</strong> britischen Häfen für Händler anderer<br />
europäischer Nationen durch <strong>die</strong> <strong>bis</strong> 1849<br />
gültigen britischen Navigationsgesetze kaum<br />
Handel zuließen, ergänzten einzelne Reisladungen<br />
<strong>die</strong> Versorgung aus Amerika. Auch deutsche<br />
Kapitäne wie <strong>die</strong> der Bremer Reedereien Wätjen<br />
& Co. oder Gloystein sammelten in <strong>die</strong>ser Zeit,<br />
kurz vor der rasanten Beschleunigung des internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong>s, erste Erfahrungen mit<br />
dem asiatischen Handelsraum. Mit der britischen<br />
Eroberung Birmas im Jahre 1852 änderten<br />
sich <strong>die</strong> Strukturen des globalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
grundsätzlich.<br />
In Bremen gab es zur Jahrhundertmitte mehrere<br />
Reismühlen. Als sich im Jahre 1872 in der Reismühle<br />
von Louis Ichon dringender Modemisierungsbedarf<br />
ergab, für den Ichon einen Investor<br />
suchte, beteiligte sich der Bremerhavener Schiffbauer<br />
und Reeder Rickmer Ciasen Rickmers an<br />
der Reismühle. Die Rickmers-Werft hatte<br />
Schwierigkeiten, ihre Schiffe auf dem freien<br />
Markt zu verkaufen. Deshalb stellte sie <strong>die</strong><br />
Schiffe in ihren eigenen Reederei<strong>die</strong>nst ein und<br />
transportierte immer regelmäßiger Reis. Dieser<br />
bot eine sichere Fracht, ein Gewinn konnte aber<br />
erst bei einem ebenso regelmäßigen Absatz des<br />
Reises in Bremen erzielt werden. Innerhalb weniger<br />
Jahre vergrößerte Rickmers <strong>die</strong> Kapazitäten<br />
der Firma Ichon & Rickmers. Andreas Rickmers<br />
nutzte <strong>die</strong> wirtschaftlichen Möglichkeiten<br />
der globalisierten Welt des späten 19. Jahrhunderts<br />
konsequent und wurde <strong>die</strong> prägende Gestalt<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s. Die Einfuhr,<br />
Verarbeitung und Ausfuhr von Reis erreichte in<br />
Bremen industrielle Maßstäbe. Die traditionellen<br />
europäischen Reisplätze in London und Liverpool<br />
waren 1888 von Bremen und Hamburg<br />
überholt.<br />
Bis zum Ersten Weltkrieg zeichneten sich in<br />
Deutschland drei grundsätzliche Entwicklungen<br />
ab.<br />
Erstens gab es in Deutschland ständige Konflikte<br />
zwischen den zollinländischen Reismühlen, fast<br />
ausschließlich der Rickmers’sehen Reis- und<br />
Handels AG zugehörig, und den Mühlen im<br />
Hamburger Freihafengebiet über <strong>die</strong> bestmögliche<br />
deutsche Zollpolitik im Interesse des deutschen<br />
Reisgewerbes.<br />
Zweitens bestätigte <strong>die</strong> Gründung der Reis- und<br />
Handels AG durch Andreas Rickmers, dass er<br />
und das Rickmers’sche Familienimperium <strong>die</strong><br />
entscheidenden Akteure des deutschen <strong>Reishandel</strong>s<br />
zwischen <strong>1850</strong> und <strong>1914</strong> waren.<br />
Drittens aber zeigte sich auch, dass Andreas<br />
Rickmers und alle anderen Großaktionäre <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG ausnutzten. Hohe Dividenden,<br />
Tantiemen und Gehälter wurden wichtiger<br />
genommen als nachhaltiges Wirtschaften.<br />
Mit dem Ersten Weltkrieg, der Stilllegung der<br />
Fabriken in Deutschland und der Enteignung der<br />
asiatischen Reismühlen brach <strong>die</strong> deutsche Reiswirtschaft<br />
zusammen.<br />
<strong>Dannhauer</strong>s Arbeit basiert auf dem Rickmers’sehen<br />
Firmenarchiv sowie auf Materialien<br />
aus zwölf anderen Archiven, insbesondere in<br />
Bremen und Hamburg. Hinzugezogen wurde <strong>die</strong><br />
einschlägige internationale Forschungsliteratur.<br />
Die Stu<strong>die</strong> schließt ein Desiderat der Bremer<br />
und deutschen Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte.<br />
Darüber hinaus wird ein wesentlicher<br />
Beitrag zur Nahrungsmittelgeschichte in<br />
Deutschland geleistet, <strong>die</strong> auch zollpolitische<br />
Aspekte umfasst, <strong>die</strong> sich aus den zollinländischen<br />
und zollausländischen Produktionsstätten<br />
in den beiden konkurrierenden Hansestädten<br />
Bremen und Hamburg ergeben. Erstmals liegt<br />
nun für den deutschen <strong>Reishandel</strong> von <strong>1850</strong> <strong>bis</strong><br />
<strong>1914</strong> eine <strong>bis</strong>lang vermisste Gesamtdarstellung<br />
vor.<br />
Prof. Dr. Lars U. Scholl<br />
Deutsches Schiffahrtsmuseum<br />
Bremerhaven/Universität Bremen
Danksagung<br />
Die vorliegende Arbeit ist im Jahr 2012 vom<br />
Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität<br />
Bremen als Dissertation angenommen worden.<br />
Im Rahmen <strong>die</strong>ser Veröffentlichung wurden nur<br />
geringfügige Änderungen vorgenommen.<br />
Viele ungenannte Menschen haben durch kleine<br />
und große Hilfen zur Fertigstellung der Arbeit<br />
beigetragen. Ihnen allen möchte ich danken, dass<br />
sie sich Zeit für meine Fragen nahmen, Anregungen<br />
gaben, ihr Spezialwissen einbrachten<br />
oder einfach nur Motivation spendeten.<br />
Ein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater<br />
Prof. Dr. Lars U. Scholl, President of the International<br />
Maritime Economic History Association<br />
und vormaliger Direktor des Deutschen Schifffahrtsmuseums.<br />
Seine sachliche Kritik, Freiheit<br />
in der wissenschaftlichen Arbeit und seine andauernde<br />
Motivation haben mich <strong>bis</strong> zuletzt begleitet.<br />
In <strong>die</strong>sem Zusammenhang gilt mein Dank<br />
auch dem Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven,<br />
durch dessen Stipendium <strong>die</strong> Arbeit<br />
entstehen und in <strong>die</strong>ser Schriftenreihe veröffentlicht<br />
werden konnte.<br />
Mein Dank gebührt zudem den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern der Archive und Museen, <strong>die</strong><br />
zum Gelingen der Arbeit beitrugen. Besonders<br />
seien <strong>die</strong> Archive der Handelskammern in Bremen<br />
und Hamburg sowie <strong>die</strong> Staatsarchive der<br />
beiden Hansestädte genannt. Besonders bedanke<br />
ich mich bei Frau Dr. Melanie Leonhard und<br />
Herrn Dr. Jörn Lindner, <strong>die</strong> wichtige Vorarbeit<br />
für <strong>die</strong>ses Werk leisteten, den Rickmers-Nachlass<br />
in Hamburg erschlossen und mir mit ihrem großen<br />
Wissensschatz immer freundlich und hilfreich<br />
zur Verfügung standen.<br />
Meinem Freund und Kollegen Alexander Tassis<br />
danke ich herzlich für seine treue Begleitung<br />
und seine vielfältigen Anregungen in unserer gemeinsamen<br />
Forschungszeit sowie für seine stete<br />
Bereitschaft zum Lektorat.<br />
Der letzte und wichtigste Dank gilt meinen Eltern<br />
und Geschwistern. Besonders genannt seien<br />
mein Vater, der sein Interesse an der Geschichte<br />
an mich weitergab und sein Wissen gerne teilte,<br />
sowie meine Schwester Swaantje, <strong>die</strong> während<br />
des Studiums und der Promotion durch ihre Korrekturen<br />
beharrlich an meinem Ausdruck feilte.<br />
Eure Wertschätzung war meine unermüdlichste<br />
Unterstützung!<br />
Sören <strong>Dannhauer</strong><br />
11
Einleitung<br />
Im Jahr 2009 wurden weltweit fast 640 Millionen<br />
Tonnen Reis geerntet.* Laut der Weltemährungsorganisation<br />
der Vereinten Nationen importierte<br />
<strong>die</strong> reisverarbeitende Industrie Deutschlands im<br />
selben Jahr gerade einmal 127.627 Tonnen rohen<br />
und geschälten Reis.^ In Deutschland wurde somit<br />
nur ein verschwindend kleiner Anteil von 0,0002<br />
Prozent der globalen Reisernte verarbeitet.<br />
Dies war aber nicht immer so. Ein einzelnes Unternehmen<br />
war dafür verantwortlich, dass Bremen<br />
im 19. Jahrhundert einer der bedeutendsten<br />
<strong>Reishandel</strong>splätze der Welt war. Die Rickmers-<br />
Reederei und <strong>die</strong> Familie Rickmers feierten im<br />
Jahr 2009 das 175-jährige Gründungsjubiläum<br />
der Rickmers-Werft durch Rickmer Glasen Rickmers<br />
im Jahr 1834. Aus <strong>die</strong>sem Anlass legten<br />
Melanie Leonhard und Jörn Lindner in Zusammenarbeit<br />
mit dem Deutschen Schiffahrtsmuseum<br />
Bremerhaven eine wissenschaftlich bearbeitete<br />
Firmengeschichte der Rickmers-Unternehmungen<br />
vor. Die Ergebnisse <strong>die</strong>ses Forschungsprojekts<br />
wurden im Jubiläumsjahr auch<br />
in einer großen Sonderausstellung im Deutschen<br />
Schiffahrtsmuseum präsentiert.<br />
Es stellte sich heraus, dass Reis eines der wichtigsten<br />
Handels- und Verarbeitungsgüter für <strong>die</strong><br />
im Schiffbau, der Reederei und später in der<br />
Reismüllerei sowie der Stärkefabrikation engagierte<br />
Untemehmerfamilie war. Obwohl <strong>die</strong> älteste<br />
dampfgetriebene Reismühle Deutschlands<br />
in Flensburg stand, war der massive Eintritt von<br />
Rickmer Glasen Rickmers und seines Sohnes<br />
Andreas in <strong>die</strong> Reismüllerei 1872 in Bremen der<br />
Beginn eines rasanten Wachstums des deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>s. In nur 15 Jahren machten <strong>die</strong> beiden<br />
Unternehmer Bremen zu dem weltgrößten<br />
und global vernetzten Markt- und Verarbeitungsplatz<br />
für Reis. Mit kleineren Einschränkungen<br />
konnte <strong>die</strong>se Marktstellung gehalten werden, <strong>bis</strong><br />
durch den Ersten Weltkrieg Handel und Verarbeitung<br />
aufgegeben werden mussten, weil <strong>die</strong><br />
deutsche Reisindustrie keinen Zugang mehr zu<br />
den asiatischen Erzeugerländern hatte.<br />
Trotz <strong>die</strong>ser Bedeutung des deutschen Handels<br />
für einen weltweiten Nahrungsmittelmarkt, dessen<br />
Volumen sich zudem im Untersuchungszeitraum<br />
von <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong> vervielfachte, gibt es <strong>bis</strong>her<br />
keine wissenschaftliche Betrachtung oder Untersuchung<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s. Diese<br />
Lücke soll mit der vorliegenden Arbeit gefüllt<br />
werden.<br />
1. Fragestellung<br />
Diese Arbeit wird der Frage nachgehen, wie Bremen<br />
unter der Führung eines regionalen Familienuntemehmens<br />
für etwa 15 Jahre zum weltgrößten<br />
<strong>Reishandel</strong>splatz werden konnte. Warum<br />
wurde Deutschland, das durch Weltmeere von<br />
den großen Reisanbauplätzen in Amerika und<br />
Asien getrennt war, zu einem der bedeutendsten<br />
Standorte der verarbeitenden Industrie? Und das,<br />
obwohl Deutschland keine Kolonialmacht mit<br />
direktem Einfluss in den wichtigsten Anbauoder<br />
Absatzgebieten war.<br />
Um zu einer Darstellung der Entwicklung des<br />
Handels mit Reis in Deutschland und durch<br />
Deutsche zu gelangen, werden verschiedene Prozesse<br />
analysiert, <strong>die</strong> direkt oder indirekt entscheidend<br />
zur Entstehung eines deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>s beitrugen. Dies ist zuallererst <strong>die</strong><br />
Geschichte der Rickmers-Unternehmen. Auf<br />
Grundlage der detaillierten Unternehmensgeschichte<br />
von Leonhard und Lindner werden<br />
Strukturen und Entscheidungen beleuchtet, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>zentrale</strong> Rolle des Reises für den familiären<br />
Firmenverbund begründeten, stützten und immer<br />
weiter ausbauten.<br />
Ergänzend zu den Ereignissen in Bremen ist zu<br />
beachten, welche weltwirtschaftlichen Veränderungen<br />
<strong>die</strong> Politik in England erlaubte. Reis wurde<br />
erst als Massengut gehandelt und in Deutschland<br />
verarbeitet, als er in ausreichender Menge<br />
zur Verfügung stand. Dazu trug <strong>die</strong> Liberalisierung<br />
des Welthandels durch das Ende der britischen<br />
Navigationsgesetze entscheidend bei. Zu-<br />
13
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dem muss <strong>die</strong> Kolonialpolitik Großbritanniens<br />
in den Erzeugerländern, besonders in Birma, beleuchtet<br />
werden. Erst <strong>die</strong> britische Eroberung<br />
Birmas und <strong>die</strong> nachfolgende, zielgerichtete Entwicklungspolitik<br />
schufen <strong>die</strong> politischen, wirtschaftlichen<br />
und sozialen Voraussetzungen sowie<br />
<strong>die</strong> Infrastruktur, <strong>die</strong> Birma innerhalb weniger<br />
Jahre zum weltgrößten Reisexporteur machten.<br />
Ergänzend ist zu fragen, wie sich <strong>die</strong> deutsche<br />
Reisindustrie im europäischen Konkurrenzkampf<br />
durchsetzen konnte, obwohl <strong>die</strong> englische Industrie<br />
doch den besseren Zugang zu den fernen<br />
Anbaugebieten hatte. Zugleich wurden in den<br />
Kolonien <strong>die</strong> Fundamente einer eigenen asiatischen<br />
Wirtschaft gelegt, <strong>die</strong> spätestens seit dem<br />
beginnenden 20. Jahrhundert <strong>die</strong> Vorrangstellung<br />
der deutschen Reisindustrie bedrohten.<br />
Eine wichtige Vorbedingung zur Etablierung einer<br />
im industriellen Maßstab verarbeitenden Industrie,<br />
<strong>die</strong> über <strong>die</strong> Grenzen von Kontinenten<br />
hinweg arbeitete, war eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur.<br />
Die Entwicklung der Schifffahrt<br />
spielte dabei eine taktgebende Rolle, <strong>die</strong><br />
zu analysieren ist. Erst <strong>die</strong> technischen Fortschritte<br />
vom Holz- zum Eisenschiff, vom Segler<br />
zum Dampfer, vom Raddampfer <strong>bis</strong> hin zum<br />
Doppelexpansions-Schraubendampfer ermöglichten<br />
es, Reis in angemessener Zeit aus Asien<br />
nach Bremen zu bringen, ihn dort zu veredeln<br />
und danach weiter innerhalb Europas, ln <strong>die</strong> Karibik<br />
und <strong>bis</strong> nach Südamerika zu transportieren.<br />
Der technische Fortschritt schuf Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts auch an anderer Stelle <strong>die</strong> Voraussetzungen<br />
für <strong>die</strong> Industrielle Massenverarbeitung<br />
von Reis. Die erste dampfgetriebene Reismühle<br />
entstand 1837 in Flensburg und in den<br />
folgenden Jahrzehnten nahm <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit<br />
von Mühlen zu, weil <strong>die</strong> technischen Einrichtungen<br />
verbessert wurden. Auch <strong>die</strong> Großmühlen<br />
in Asien, <strong>die</strong> zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
in den Verladehäfen entstanden,<br />
erhielten europäische - meist deutsche - Mahlwerke<br />
und wurden von Ingenieuren aus Europa<br />
gewartet. Der Übergang von Kunst- zu Industriemühlen<br />
und der Technologietransfer prägten<br />
<strong>die</strong> globale Reisindustrie im Untersuchungszeitraum.<br />
Ein <strong>zentrale</strong>s Anliegen der Arbeit bleiben neben<br />
den internationalen Entwicklungen <strong>die</strong> Prozesse<br />
in Deutschland. Die deutsche Wirtschafts- und<br />
Zollpolitik ebnete der ökonomischen Entwicklung<br />
den Boden, auf dem <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
baute. Erst mit der Gewerbefreiheit und<br />
der Durchsetzung liberaler freihändlerischer<br />
Wirtschaftspolitik waren innerhalb Deutschlands<br />
<strong>die</strong> Grundbedingungen für <strong>die</strong> industrielle Verarbeitung<br />
einer Kolonialware geschaffen. Die<br />
Gründung des Deutschen Reichs war ein wichtiger<br />
Schritt, weil sich eine neue Zollpolitik mit<br />
der Bindung des Reiszolls an den Getreidezoll<br />
abzeichnete und <strong>die</strong> Frage des Zollanschlusses<br />
zu einer Stärkung Hamburgs als Mühlenstandort<br />
führte. Ein weiterer Anknüpfungspunkt für <strong>die</strong><br />
ökonomische Einordnung des deutschen <strong>Reishandel</strong>s<br />
ist <strong>die</strong> Kartellgeschichte, da es immer !<br />
stärker Marktverflechtungen zwischen Reishan- !<br />
del, Reismüllerei und Reisstärkeproduktion gab. |<br />
Außerdem wurde 1901 durch Andreas Rickmers ,<br />
mit der Reis- und Handels Aktiengesellschaft '<br />
ein Unternehmen gegründet, das über einige Jahre<br />
eine monopolähnliche Stellung auf dem deut- ‘<br />
sehen Reismarkt einnahm. Darüber hinaus bietet<br />
der Einbezug der Geschichte des deutschen Aktienrechts<br />
weitere Erklärungsansätze zur wirtschaftlichen<br />
Entwicklung des deutschen Reisgeschäfts.<br />
Die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Ab- ;<br />
satzländem müssen mindestens ebenso sorgfältig<br />
in ihrer Bedeutung für den deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
hinterfragt werden. Durch den Zolltarif von 1879<br />
endete in Deutschland <strong>die</strong> Phase des ausgeprägten<br />
Freihandels. Die meisten europäischen Länder<br />
führten Schutzzölle ein. Gerade <strong>die</strong> deutschen<br />
Nachbarländer, <strong>die</strong> Hauptabnehmer des<br />
in Bremen und Hamburg veredelten Reises in<br />
Europa, bauten eigene Reisindustrien auf und..<br />
schützten <strong>die</strong>se durch Einfuhrzölle. Zugleich entstanden<br />
in den asiatischen Anbauländern Industrien<br />
ohne Einfluss europäischer Firmen. Daher<br />
entwickelte <strong>die</strong> Familie Rickmers neue wirtschaftliche<br />
Konzepte, arbeitete mit Marktabspra-<br />
14
eben in Europa und Asien und beteiligte sich finanziell<br />
an Mühlen, <strong>die</strong> ihren eigenen Mühlen<br />
Konkurrenz machten. Besonders <strong>die</strong>se Entwicklungen<br />
außerhalb Deutschlands nahmen bestimmenden<br />
Einfluss auf Entscheidungen der Akteure<br />
der deutschen Reisindustrie.<br />
Deshalb soll <strong>die</strong> folgende Arbeit mit ihrer Fragestellung<br />
gerade auf Grund der verschiedenen<br />
Blickwinkel, aus denen der deutsche <strong>Reishandel</strong><br />
beleuchtet werden muss, unter einem globalgeschichtlichen<br />
Ansatz bearbeitet werden. Internationaler<br />
<strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> Familie Rickmers<br />
als wichtiger Protagonist sind ein Beispiel dafür,<br />
dass Globalisierung kein Konzept des 20. Jahrhunderts<br />
ist, sondern bereits ab <strong>1850</strong> eine dynamische<br />
Entwicklung mit vielen Eigenheiten und<br />
Folgen war. Der deutsche <strong>Reishandel</strong> <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong><br />
war von politischen, wirtschaftlichen, technischen<br />
und sozialen Zuständen und Veränderungen<br />
in Europa und Asien abhängig, hat sich<br />
dennoch sehr positiv entwickelt und zeigt so<br />
stellvertretend <strong>die</strong> bereits im 19. Jahrhundert<br />
vorhandene wirtschaftliche Globalisierung auf.<br />
Die wis.senschaftliche Betrachtung des deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>s ist eine Weiterführang und Ergänzung<br />
wirtschaftsgeschichtlicher und nahrungsmittelgeschichtlicher<br />
Arbeiten mit eigenständiger<br />
Bedeutung. Bereits vor etwa 40 Jahren haben<br />
Hans-Jürgen Teuteberg und Günter Wiegelmann<br />
eine große volkskundliche Stu<strong>die</strong> zum Wandel<br />
der Nahrungsgewohnheiten während der Industrialisierung<br />
vorgelegt.^ Die Stu<strong>die</strong> nahm auch<br />
den Reiskonsum und seinen Wandel von der exquisiten<br />
Kolonialware zum günstigen Massenartikel<br />
in Deutschland in den Blick. Mit neuer<br />
Perspektive wird hier nun <strong>die</strong> ökonomische und<br />
über den deutschen Bezug weit hinausgehende<br />
Seite des damals aufgezeigten Konsumwandels<br />
beleuchtet. Des Weiteren geriet in den jüngst<br />
vergangenen Jahren <strong>die</strong> historische Entwicklung<br />
des Handels und Konsums einzelner Nahrungsmittel<br />
häufig in den Fokus von Historikern. Ob<br />
Kaffee“*, Schokolade\ Bier^ oder Coca-Cola’,<br />
alle Stu<strong>die</strong>n verwiesen auf <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />
Komplexität der Nahrungsmittelbranche, indem<br />
sie versuchten, Handel und Konsum in einem<br />
umfassenden Blickwinkel zu betrachten, der<br />
nicht durch nationale Grenzen beschränkt wird.<br />
Eine Arbeit über Reis findet sich in <strong>die</strong>ser Reihe<br />
<strong>bis</strong>her jedoch nicht.<br />
Bremen wird im 19. Jahrhundert berechtigterweise<br />
als einer der damals wichtigsten deutschen<br />
Plätze für Kolonialwaren und den internationalen<br />
Handel bezeichnet. Noch heute ruht das bremisch-hanseatische<br />
Selbstverständnis zu einem<br />
guten Teil auf <strong>die</strong>ser vormaligen ökonomischen<br />
Weltgeltung der bremischen Kaufmannschaft.<br />
Trotzdem gibt es seit der Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
nur eine erstaunlich kleine Zahl moderner<br />
wirtschaftshistoriographischer Arbeiten über<br />
Bremen im 19. Jahrhundert.® Die hier vorgelegte<br />
Arbeit ist trotz aller globalen Betrachtungsweisen<br />
auch eine Bremensie, <strong>die</strong> beiträgt, ebenjenen<br />
Missstand der hiesigen Wirtschaftsgeschichtsschreibung<br />
zu beheben. Zudem war Reis einer<br />
der bedeutendsten Bremer Stapelartikel zu Beginn<br />
des letzten Jahrhunderts. Während andere<br />
Stapelartikel wie Kaffee’ und Baumwolle“*durch<br />
einzelne Stu<strong>die</strong>n intensiv erforscht wurden, gab<br />
es über Reis allenfalls zaghafte Ansätze zu einer<br />
aktuelleren und umfassenden Bearbeitung. Trotz<br />
des nun betonten lokalen Bezugsrahmens liegen<br />
in der Bearbeitung des deutschen <strong>Reishandel</strong>s<br />
und in der zu Tage tretenden überragenden Bedeutung<br />
des Rickmers’sehen Familienimperiums<br />
auch Chancen für <strong>die</strong> gesamtdeutsche Wirtschaftsgeschichte.<br />
Ältere Firmengeschichten und<br />
Chroniken von Außenhandelsfirmen sind zwar<br />
vorhanden, bleiben aber dennoch häufig lokal<br />
orientiert und verschenken somit multinationale<br />
Analyserahmen." Dabei bietet gerade <strong>die</strong> Geschichte<br />
solcher über <strong>die</strong> Grenzen Bremens orientierten<br />
Unternehmungen <strong>die</strong> Möglichkeit, den<br />
begrenzten regionalen und nationalen Bezugsrahmen<br />
zu verlassen und auf <strong>die</strong> Füße einer modernen<br />
Wirtschaftsgeschichte zu stellen.<br />
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2. Forschungsstand und Literatur,<br />
Quellenlage<br />
Forschungsstand und Literatur<br />
Aktuelle Arbeiten über den deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
liegen nicht vor. Die einzige Ausnahme bildet<br />
ein knapper Artikel von Hartmut Roder aus dem<br />
Jahr 2001.'^ Es gibt verschiedene Festschriften<br />
der Rickmers AG und der Reis- und Handels<br />
AG. Eifrigster Verfasser <strong>die</strong>ser Werke war Friedrich<br />
Prüser, ehemahger Leiter des Bremer Staatsarchivs,<br />
der 1931 das erste Mal zur Geschichte<br />
der Reis- und Handels AG veröffentlichte und<br />
auch zu späteren Jubiläen noch über den <strong>Reishandel</strong><br />
in Bremen schrieb.'^ Die Berichte Prüsers<br />
geben zwar eine Fülle an Details über den bremischen<br />
<strong>Reishandel</strong> preis, lassen aber bei kritischer<br />
Betrachtung fast alle Brüche, Konflikte<br />
und Debatten aus, <strong>die</strong> zwischen den Akteuren<br />
oder durch <strong>die</strong> Marktentwicklung entstanden.<br />
Damit entsprechen <strong>die</strong>se Arbeiten nicht den<br />
Ansprüchen einer nicht-hagiographischen, analytischen<br />
Unternehmensgeschichte. Abgesehen<br />
davon endete eine über 40 Jahre verteilte wissenschaftliche<br />
Auseinandersetzung mit dem<br />
<strong>Reishandel</strong> in Deutschland in den 1930er Jahren.<br />
Den Anfang einer Reihe wirtschaftsgeographischer<br />
Arbeiten über Reis machte 1891 Alwin<br />
Орре!.“*Informationen über <strong>die</strong> Reisanbauländer,<br />
<strong>die</strong> Transportwege, <strong>die</strong> Nährstoffgehalte des<br />
Reises und <strong>die</strong> größten Abnehmer der verarbeiteten<br />
Ernten werden dort ebenso genannt wie<br />
bei Hermann Schuhmacher'^ 1917 und Paul<br />
Blankenburg'^ 1933. Informationen über <strong>die</strong> Geschichte<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s sind in <strong>die</strong>sen<br />
Arbeiten nur am Rande enthalten. Ihr Wert<br />
liegt in der Benennung der Zusammenhänge von<br />
geographischen und agrarischen Gegebenheiten<br />
des Reisanbaus und den daraus resultierenden<br />
Eigenschaften eines internationalen <strong>Reishandel</strong>s.<br />
In der englischsprachigen Literatur finden sich<br />
keine ausdrücklich auf den deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
Bezug nehmenden Monographien. Dennoch sind<br />
<strong>die</strong> Werke von Cheng Siok Hwa'^ und James<br />
William Grant'® von großem Wert für <strong>die</strong>se Arló<br />
beit, weil sie <strong>die</strong> Reisindustrie auf der Produktionsseite<br />
beleuchten und auf Grund des hohen<br />
Stellenwertes von Birma als Reisanbauland auch<br />
etliches über <strong>die</strong> Verbindungen zum deutschen<br />
Reismarkt beinhalten. Zudem bietet Grant viele<br />
Statistiken wie zum Beispiel <strong>die</strong> Zahl der Mühlen<br />
in Birma inklusive der Nationalitäten der Betreiber<br />
an, was trotz der noch zu problematisierenden<br />
empirischen Grundlage <strong>die</strong>ser Arbeit von<br />
nicht zu unterschätzendem Wert ist. Die Stu<strong>die</strong><br />
von Siok Hwa ist <strong>die</strong> <strong>bis</strong> heute ausführlichste<br />
Bearbeitung der überragenden Bedeutung des<br />
Reisanbaus und -exports für Birma in der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts und dadurch ein<br />
Grundlagenwerk für <strong>die</strong>se Arbeit. Aktuelle Bücher<br />
über Birma und Siam ergänzen den wirtschaftshistorischen<br />
Wissensstand über <strong>die</strong> asiatischen<br />
Reisanbauländer'®, was sich für <strong>die</strong> bremische<br />
Wirtschaftsgeschichte leider nicht<br />
konstatieren lässt. Obwohl Bremen als Hansestadt<br />
eine eng mit außenwirtschaftlichen Unternehmungen<br />
verbundene Geschichte hat, gibt es<br />
nur sehr wenige aktuelle Arbeiten über Bremens<br />
Wirtschaftsgeschichte und keine, <strong>die</strong> den <strong>Reishandel</strong><br />
streift. Georg Fuhse^" und Friedrich Rauers^'<br />
wiesen schon vor 1930 darauf hin, dass<br />
Reis der drittgrößte Stapelartikel der Handelsstadt<br />
Bremen war, behandelten ihn aber nur in<br />
wenigen Zeilen und damit keinesfalls erschöpfend.<br />
Quellenlage<br />
Da <strong>die</strong> Familie Rickmers der überragende Akteur<br />
der deutschen Reisindustrie war, sei es im Ankauf,<br />
im Reistransport, bei der Veredelung in<br />
Mühlen oder in der Stärkeproduktion, ist das<br />
Rickmers-Familienarchiv in Hamburg von besonderer<br />
Bedeutung für <strong>die</strong>se Arbeit. Von großem<br />
Wert sind dort enthaltene Briefe, <strong>die</strong> nicht<br />
selten private Motivationen für wirtschaftliche<br />
Entscheidungen aufzeigen. Des Weiteren finden<br />
sich auch in anderen Archiven immer wieder<br />
Bestände, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie hinweisen.<br />
In Berlin sind im Bundesarchiv sowie im Ge-
heimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz<br />
vereinzelt Akten zu finden, <strong>die</strong> den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> betreffen. Dabei geht es häufig um<br />
konsularische Angelegenheiten, <strong>die</strong> in einigen<br />
Fällen auch spannende Einblicke in das Auftreten<br />
der Familie Rickmers auf den asiatischen Märkten<br />
geben.<br />
ln den Archiven der Städte, in denen es eine<br />
nennenswerte Reisindustrie gab, finden sich Bestände<br />
unterschiedlicher Qualität und Menge.<br />
Das Bremer Staatsarchiv verwahrt einen größeren<br />
Bestand an Handelsregisterakten, betreffend<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG. Darin sind <strong>die</strong> jährlichen<br />
Geschäftsabschlüsse sowie Protokolle der<br />
Generalversammlungen enthalten; Informationen<br />
über interne Betriebsabläufe und Entscheidungen<br />
finden sich dort nicht. Vereinzelt jedoch lassen<br />
sich Konflikte, beispielsweise zwischen Kleinund<br />
Großaktionären, durch <strong>die</strong> Handelsregisterakten<br />
verfolgen. Leider gibt es keinen nennenswerten<br />
Bestand über <strong>die</strong> Bremer Reismühlen vor<br />
deren Zusammenschluss in der Reis- und Handels<br />
AG. Das Archiv der Handelskammer Bremen<br />
besitzt Akten, <strong>die</strong> detailliert Auskunft über<br />
<strong>die</strong> Enteignungsprozesse der asiatischen Mühlen<br />
ab <strong>1914</strong> geben und - interessant, aber nicht von<br />
Belang für <strong>die</strong>se Arbeit - über den Wiederaufbau<br />
der deutschen Reisindustrie nach 1918 berichten.<br />
In Osterholz-Scharmbeck und Flensburg finden<br />
sich in den Stadtarchiven kleinere Bestände zu<br />
den dortigen Reismühlen beziehungsweise der<br />
Reisstärkeproduktion. Ihren besonderen Wert haben<br />
<strong>die</strong>se Akten in Flensburg darin, dass sie über<br />
<strong>die</strong> nicht zögerliche Art, wie <strong>die</strong> Familie Rickmers<br />
ihren Einfluss in der Reis- und Handels<br />
AG vergrößerte, berichten. In Osterholz-Scharmbeck<br />
zeigt <strong>die</strong> Sammlung zur örtlichen Reisstärkefabrik<br />
als Besonderheit auf, dass mit unterschiedlichem<br />
Erfolg <strong>die</strong> Wertschöpfungskette<br />
des Reises wirklich weit ausgereizt wurde und<br />
für jeden im Veredelungsprozess entstehenden<br />
Abfall eine gewinnbringende Weiterverarbeitung<br />
angestrebt wurde.<br />
Die Bestände im Staatsarchiv Hamburg sowie<br />
des Archivs der Handelskammer Hamburg sind<br />
unverzichtbar. Besonders im letztgenannten Archiv<br />
finden sich viele Eingaben, Gutachten und<br />
Anträge, <strong>die</strong> sich auf Fragen der Verzollung,<br />
aber auch den Widerstreit zwischen der Reisund<br />
Handels AG einerseits und deren Konkurrenzmühlen<br />
im Hamburger Freihafen und Zollinland<br />
andererseits, beziehen. Diese Widersprüche<br />
in Fragen des Auftretens deutscher Reismüller<br />
auf dem Weltmarkt sowie in Diskussionen<br />
um <strong>die</strong> Zollbehandlung von Reis in Deutschland<br />
werden in der oben genannten, überschaubaren<br />
Literatur über den <strong>Reishandel</strong> in Deutschland<br />
allerhöchstens in Nebensätzen versteckt angedeutet.<br />
Erst <strong>die</strong> Ergänzung der Literatur durch<br />
Archivalien ermöglicht es, <strong>die</strong> Geschichte des<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong>s kritisch, und vor allem<br />
wissenschaftlicher als in den vorhandenen Festschriften,<br />
zu bearbeiten.<br />
3. Methodischer Ansatz<br />
Als Analyserahmen wird ein globalisierungsgeschichtlicher<br />
Ansatz gewählt. So können <strong>die</strong> Entwicklungen<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s ohne enge<br />
räumliche Grenzen nachgezeichnet und <strong>die</strong><br />
Grenzen des bremischen, deutschen und europäischen<br />
Fokus wenigstens ansatzweise überwunden<br />
werden. Eine solche räumliche Begrenzung<br />
würde dem Thema nicht gerecht. Dennoch<br />
soll durch <strong>die</strong> immer wiederkehrende Rückbindung<br />
des internationalen Handels an <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers und <strong>die</strong> Ereignisse in Bremen und<br />
Hamburg neben der Makroperspektive großer<br />
Entwicklungsstränge auch eine Mikroperspektive<br />
geboten werden.<br />
Durch <strong>die</strong> Darstellung vieler verschiedener Einflüsse<br />
wird gezeigt, dass sich <strong>die</strong> Geschichte des<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong>s nicht zufällig so entwickelte,<br />
wie sie von uns heute in ihrer Gesamtheit<br />
wahrgenommen wird. Vielmehr entstand <strong>die</strong> Geschichte<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s als Folge einer<br />
Vielzahl verschiedener Ereignisse. Die Protagonisten<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s und andere<br />
Akteure haben sowohl bewusst als auch unbewusst<br />
- in Deutschland sowie in Europa und der<br />
Welt - Entscheidungen getroffen, durch <strong>die</strong> sich<br />
der <strong>Reishandel</strong> in Deutschland veränderte. Der<br />
17
Bl<br />
18<br />
globalisierungsgeschichtliche Forschungsansatz<br />
soll in der Analyse möglichst viele Anknüpfungspunkte<br />
des Netzes historischer Ereignisse,<br />
<strong>die</strong> mit dem deutschen <strong>Reishandel</strong> verbunden<br />
sind, berücksichtigen. Eine einseitige Betrachtung<br />
des Themas wird so verhindert, denn <strong>die</strong><br />
Geschichte der deutschen Reisindustrie und des<br />
<strong>Reishandel</strong>s im 19. Jahrhundert erklärt sich nicht<br />
allein aus der deutschen Geschichte.<br />
Globalisierungsgeschichte ist kein stechend klar<br />
umrissener geschichtswissenschaftlicher Ansatz.<br />
Über <strong>die</strong> Frage, wann <strong>die</strong> Globalisierung einsetzte,<br />
gibt es verschiedene Meinungen.“ Diese<br />
divergieren von den klassischen Reichen in Italien<br />
und Griechenland^^, über das Hochmittelalter<br />
mit der einsetzenden europäischen Expansion<br />
um 1500 als symbolisches Anfangsdatum oder<br />
über <strong>die</strong> einsetzende Moderne um 1750^'*. Weiter<br />
werden der Beginn der Großindustrialisierung<br />
nach <strong>1850</strong>^^ und das Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
als Startpunkt einer dicht vernetzten Welt<br />
genannt. Die verschiedenen Vertreter der Globalisierungsgeschichte<br />
verbindet, dass sie nach<br />
Anzeichen von Vernetzungen suchen. Daher geht<br />
es immer um Routen, über <strong>die</strong> Menschen verschiedener<br />
Regionen in Kontakt traten, und um<br />
Interaktion. Interaktion kann dabei den Austausch<br />
von Waren, Informationen und Technologien<br />
bedeuten. Es meint weiter den Austausch<br />
von Nahrungsmitteln und Migration, <strong>die</strong> einen<br />
sozialen und kulturellen Austausch mit sich<br />
bringt. Darüber hinaus sind Konzepte kultureller<br />
Nachahmung als Folge von Interaktionen aber<br />
auch <strong>die</strong> Bildung von sozialen und materiellen<br />
Ungleichheiten wiederkehrende Anzeichen von<br />
sich verdichtenden Vernetzungen.<br />
Die Unterschiede im Verständnis von Globalisierungsgeschichte<br />
machen <strong>die</strong>se als theoretischen<br />
Ansatz für Historiker nicht unbrauchbar.<br />
Vielmehr bietet <strong>die</strong>ser Ansatz <strong>die</strong> Chance, verschiedene<br />
geschichtswissenschaftliche Traditionen<br />
miteinander zu verbinden, je nachdem, welcher<br />
Blickwinkel für das Verständnis einer in<br />
den Blick genommenen Vernetzung von Bedeutung<br />
ist. Globalisierungsgeschichte ist nach Sebastian<br />
Konrad und Andreas Eckert keine „Me<br />
1<br />
tatheorie, sondern eher eine Perspektive, <strong>die</strong> dazu<br />
beitragen kann, Prozesse in einem umfassenderen<br />
Kontext zu situieren und den methodologischen<br />
Nationalismus der Geschichtswissenschaft<br />
zu unterminieren“.^®Diese Vorzüge einer Geschichtsschreibung<br />
mit einem Bewusstsein für<br />
globale Zusammenhänge fassen sie folgendermaßen<br />
zusammen:<br />
„In der Wirtschaftsgeschichte sind neben <strong>die</strong><br />
traditionellen Fragen nach Preiskonvergenz<br />
und Arbeitsmärkten auch Untersuchungen getreten,<br />
<strong>die</strong> einzelne Waren zwischen ihren<br />
Produktions- und Konsumptionsstätten verfolgen.<br />
Auf <strong>die</strong>se Weise sind sie in der Lage,<br />
sowohl <strong>die</strong> soziale und kulturelle Einbettung<br />
ökonomischer Prozesse deutlich zu machen,<br />
als auch <strong>die</strong> häufig selektiven, netzwerkartigen<br />
Wege der Zirkulation nachzuzeichnen.“^’<br />
Gerade für den <strong>Reishandel</strong> stimmt bei <strong>die</strong>sem<br />
Ansatz <strong>die</strong> Erkenntnis, dass - unter zum Teil<br />
asymmetrischen Bedingungen - auch andere Regionen<br />
der Welt zur Vernetzung beigetragen haben.^*<br />
Denn auch wenn viele Entwicklungen in<br />
den asiatischen Anbauländem durch <strong>die</strong> Kolonialmächte<br />
angeschoben wurden, entwickelten<br />
<strong>die</strong> asiatischen Länder doch eigene Dynamiken.'<br />
<strong>die</strong> auf den deutschen <strong>Reishandel</strong> rückwirkten<br />
und ihn so beeinflussten.<br />
In der Globalisierung des 19. Jahrhunderts sieht<br />
Cornelius Torp für <strong>die</strong> deutsche Wirtschaft klare<br />
Gewinner und Verlierer. Als ökonomische Herausforderung<br />
eines weitgehend freien, weltweiten<br />
Warenverkehrs, so seine These, führte <strong>die</strong><br />
Globalisierung zu protektionistischer Wirtschaftspolitik.<br />
Während der Außenhandel und<br />
<strong>die</strong> Schifffahrt von einer weltweiten Vernetzung<br />
profitierten, gehörte <strong>die</strong> kartellierte Industrie zu<br />
den Verlierern. Nur multinationale Unternehmen<br />
konnten ihre Verluste durch Gewinne an anderen<br />
Orten ausgleichen.“ Dies ist eine spannende Erkenntnis<br />
für <strong>die</strong> vorliegende Arbeit, da der deutsche<br />
<strong>Reishandel</strong> eng mit Außenhandel, mit<br />
Schifffahrt und auch mit kartellierten Industrien<br />
verbunden war. Die Unternehmen der Familie<br />
Rickmers umfassten einerseits eine Werft und<br />
eine Reederei, <strong>die</strong> im Außenhandel und der
Schifffahrt tätig waren. Dazu kamen andererseits<br />
Reismühlen und eine Reisstärkefabrik, deren<br />
Einkaufsmärkte in Asien durch Marktabsprachen<br />
gekennzeichnet und deren europäische Märkte<br />
durch Mengen- und Preisabsprachen kontingentiert<br />
waren. Zugleich beteiligte sich <strong>die</strong> Rickmers<br />
Rhederei, Reismühlen und Schiffbau A.G.^° an<br />
Reismühlen im europäischen Ausland, in Birma<br />
und in Siam. Welches Thema würde sich also<br />
besser eignen, um <strong>die</strong> Thesen der Theoretiker<br />
der Globalisierungsgeschichte zu überprüfen, als<br />
der deutsche <strong>Reishandel</strong> <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong>?<br />
Um <strong>die</strong> Perspektivenvielfalt, <strong>die</strong> Globalisierungsgeschichte<br />
anbietet, nutzbar zu machen, wird<br />
<strong>die</strong>se Arbeit immer wieder auf Indikatoren von<br />
Globalisierung Bezug nehmen. Die wichtigsten<br />
Kategorien^' bilden dabei:<br />
- Politische Entscheidungen, <strong>die</strong> zur Erschließung<br />
der Welt führten, durch <strong>die</strong> Welt jenseits<br />
der nationalen Grenzen beeinflusst waren und<br />
auch über <strong>die</strong> eigenen Grenzen hinaus bewegten.<br />
- Gesellschaftliche Veränderungen, zu denen in<br />
erster Linie Migrationsbewegungen^^ zählen.<br />
Migration rückte Reis erst in den Fokus deutscher<br />
Kaufleute und Reeder und war Grundvoraussetzung<br />
für <strong>die</strong> Erschließung Birmas<br />
zum größten Reisproduzenten der Welt.<br />
- Technische Entwicklungen, <strong>die</strong> den Verkehr<br />
und <strong>die</strong> Industrie grandlegend veränderten und<br />
Voraussetzung für Handel und Verarbeitung<br />
von Reis in industriellen Maßstäben waren.<br />
- Kommunikation, was sowohl auf Kommunikationsmittel<br />
und Wege zielt als auch Grundlagen<br />
des Handels durch Übereinkünfte von<br />
Maßen und Gewichten darin eingeschlossen<br />
sind.<br />
- Marktverschiebungen, <strong>die</strong> anzeigen, wie sich<br />
Konsum- und Produktionsmärkte durch <strong>die</strong><br />
weltweiten Einflüsse, denen sie ausgesetzt<br />
sind, verändern und über Regionen, Länder<br />
und Kontinente hinweg verlagern.<br />
4. Statistische Grundlagen<br />
An Zahlen über <strong>die</strong> Reiseinfuhren und Reisausfuhren<br />
der anbauenden sowie der konsumierenden<br />
und verarbeitenden Länder mangelt es nicht.<br />
Den Statistischen Jahrbüchern für das Deutsche<br />
Reich, <strong>die</strong> seit 1880 veröffentlicht wurden, sind<br />
beispielsweise Großhandelspreise für Reis zu<br />
entnehmen. Ebenso enthalten sie Zahlen über<br />
Ein- und Ausfuhrmengen seit 1859. Für Bremen<br />
gibt es örtliche Statistiken über den Reisumschlag,<br />
<strong>die</strong> 1848 einsetzen. In vielen Veröffentlichungen<br />
sind weitere Zahlen zu finden. In der<br />
Literatur bei Oppel, Schuhmacher und Blankenburg<br />
ebenso wie in den Quellen des Staatsarchivs<br />
Hamburg und der Handelskammer Hamburg, an<br />
Hand derer sich <strong>die</strong> Konflikte ab 1890 zwischen<br />
den zollinländischen und zollausländischen<br />
Mühlen beziehungsweise den zur Reis- und Handels<br />
AG gehörenden Mühlen einerseits und den<br />
unabhängigen Mühlen andererseits nachverfolgen<br />
lassen.<br />
Aus den Quellen und der Literatur ergibt sich<br />
eine Flut an Daten. Dadurch wird <strong>die</strong>s aber keine<br />
statistische Arbeit und fragt daher umso mehr<br />
nach Zusammenhängen. Denn alle genannten<br />
Zahlen müssen mit Vorsicht behandelt werden.<br />
Reis wurde in einer Vielzahl von Gewichtsmaßen<br />
und Bearbeitungszuständen erfasst. Dazu kamen<br />
verschiedene Hohlmaße, <strong>die</strong> alle in Gewichtsmaße<br />
umzurechnen sind, je nach Station der<br />
Handelskette aber trotz gleicher Bezeichnung<br />
verschiedene Mengen bedeuteten. Daraus ergibt<br />
sich, dass Zahlen über Reisproduktionen, -preise<br />
und -handel oft problematisch sind. Preise wurden<br />
zudem in den unterschiedlichsten Währungen<br />
erfasst und Vergleiche werden nicht nur<br />
durch Umrechnungsprobleme, sondern auch<br />
durch <strong>die</strong> Dauer des Untersuchungszeitraums<br />
erschwert.<br />
Die Zusammenfassung der unterschiedlichsten<br />
Gewichts- und Preisangaben war oft „nur durch<br />
schwieriges Vergleichen, durch zurückgehen auf<br />
Bevölkerungszahl, Lebensstandard, Ertrag, Import<br />
und Export möglich. Es ist ganz selbstverständlich,<br />
daß manche Zahl nur Annäherangs-<br />
19
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'ÇS'i<br />
Bi<br />
wert haben kann“, stellte Blankenburg schon<br />
1933 zu Recht fest.^^ Selbst für Bremen gilt,<br />
dass ein Pfund erst ab 1857 ganz genau einem<br />
Gewicht von 500 Gramm entsprach.^<br />
Vergleiche oder Aneinanderreihungen verschiedener<br />
Statistiken sind kaum möglich, da bei Angaben<br />
über Im- oder Exporte oft nicht zwischen<br />
Rohreis, geschältem Reis oder Cargoreis, eine<br />
Mischung aus beidem, unterschieden wurde.<br />
Beim Schälen von Reis konnte <strong>bis</strong> zu einem<br />
Viertel an Gewichtsabnahme durch den Verlust<br />
von Hülle und Spelze sowie der Politur der Reiskörner<br />
entstehen. Des Weiteren entstanden bei<br />
dem Transport von Reis durch Feuchtigkeitsverlust<br />
Gewichtsschwankungen, <strong>die</strong> schon zu Unterschieden<br />
der Ein- und Ausfuhrmengen führten.<br />
Verdorbene Ladungen ließen <strong>die</strong> Einfuhr in<br />
Europa im Vergleich zur asiatischen Ausfuhr<br />
weiter schrumpfen. Allein der Befall des geernteten<br />
Reises soll zu Verlusten <strong>bis</strong> zu 8,5 Prozent<br />
der Exporte geführt haben. Das führte zu Verlusten<br />
von <strong>bis</strong> zu 1 Million Pfund Sterling jährlich.^*<br />
Des Weiteren ist in der deutschsprachigen<br />
Literatur oft nicht sicher, ob bei tons von englischen<br />
Tonnen zu 1.016 Kilogramm oder von<br />
metrischen Tonnen gesprochen wurde.<br />
Valide Erkenntnisse können trotz der gebotenen<br />
statistischen Grundlagen gewonnen werden.<br />
Denn auch ohne den Anspruch einer umfassenden<br />
statistischen Erfassung des gesamten weltweiten<br />
<strong>Reishandel</strong>s zwischen <strong>1850</strong> und <strong>1914</strong><br />
sind genügend verlässliche Zahlen vorhanden,<br />
um Tendenzen und Entwicklungen zu erkennen<br />
und zu belegen. Da Birma das bedeutendste Anbauland<br />
für den international gehandelten Reis<br />
war, kommt wiederum der Veröffentlichung<br />
Grants von 1932 ein besonderer Stellenwert zu.<br />
Darin werden Zahlen veröffentlicht, <strong>die</strong> <strong>bis</strong> in<br />
das Jahr 1840 und damit in <strong>die</strong> vorkoloniale Zeit<br />
zurückreichen.*®<br />
5. Gliederung<br />
In sechs Abschnitte gegliedert wird <strong>die</strong> Geschichte<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s dargestellt.<br />
Jedem Abschnitt ist grundsätzlich eine bestimmte<br />
1<br />
Zeitspanne zugeordnet. Die Auswahl der Zeiträume<br />
bezieht sich auf inhaltliche Brüche, nach<br />
denen neue Entwicklungen für den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> bestimmend wurden. Innerhalb der<br />
Kapitel gibt es eine thematische Gliederung. Einzelne<br />
Themenblöcke verlassen <strong>die</strong> Chronologie<br />
ihres Kapitels. Rückgriffe und Ausblicke zu einem<br />
Thema sollen in solchen Fällen eine Redundanz<br />
von Inhalten über mehrere Kapitel hinweg<br />
vermeiden.<br />
Das erste Kapitel nimmt <strong>die</strong> Voraussetzungen<br />
zur rasanten Entwicklung der deutschen Reisindustrie<br />
nach <strong>1850</strong> in den Blick. Reis war als<br />
Handelsgut und Nahrungsmittel bereits bekannt.<br />
Handelsrouten, wirtschaftliche und politische<br />
Bedingungen des deutschen <strong>Reishandel</strong>s zur<br />
Mitte des 20. Jahrhunderts werden betrachtet<br />
und es wird aufgezeigt, dass Bremer Kapitäne<br />
erste Erfahrung im asiatischen <strong>Reishandel</strong> sammelten.<br />
Im zweiten Kapitel werden <strong>die</strong> Jahre von <strong>1850</strong><br />
<strong>bis</strong> 1870 analysiert. In <strong>die</strong>sem Zeitraum machte<br />
<strong>die</strong> Familie Rickmers <strong>die</strong> Reisfahrt zum hauptsächlichen<br />
Geschäft ihrer Reederei und etablierte<br />
sich in der deutschen Reismüllerei. Zugleich begann<br />
<strong>die</strong> Ära der Dampfschifffahrt auch in<br />
Deutschland und der internationale Seeverkehr<br />
wandelte sich. Mittelfristig stellte <strong>die</strong>se Entwicklung<br />
auch <strong>die</strong> Rickmers’sche Segelschiffreederei<br />
vor große Herausforderungen. Neben der Gründung<br />
des Deutschen Reichs 1871 ist <strong>die</strong> Eröffnung<br />
des Suezkanals 1869 ein Signum für <strong>die</strong><br />
Zäsur um 1870.<br />
Der Zollanschluss Bremens 1888 markiert das<br />
Ende des dritten Kapitels. Einerseits gelang Bremen<br />
von 1885 <strong>bis</strong> 1888 der Aufstieg zum weltweit<br />
größten <strong>Reishandel</strong>splatz. Als <strong>die</strong>s soeben<br />
erreicht war, zeichnete sich <strong>die</strong> Ablösung Bremens<br />
als größter Umschlagplatz durch Hamburg<br />
bereits ab. Die Reismüllerei wurde professionalisiert<br />
und industrialisiert und mit der Reisstärkefabrikation<br />
entstand ein neuer Industriezweig,<br />
der eng mit dem deutschen <strong>Reishandel</strong> verbunden<br />
war.<br />
Das vierte Kapitel zeigt auf, wie sich der europäische<br />
und der internationale Reismarkt <strong>bis</strong><br />
20
1900 merklich veränderten. In Europa entstanden<br />
auch außerhalb Englands und Deutschlands<br />
Reisindustrien, <strong>die</strong> teilweise durch nationale<br />
Schutzzölle geschützt wurden. Marktabsprachen<br />
gab es zwischen den deutschen Käufern und den<br />
englischen Verladern in Birma ebenso, wie in<br />
Europa unter den Reisstärkeproduzenten Absprachen<br />
getroffen wurden. Trotz großer Konkurrenz<br />
und eines Überangebots an Reisstärke<br />
versuchten <strong>die</strong> Stärkefabrikanten auf <strong>die</strong>sem Weg<br />
ihre Gewinne zu sichern. Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund<br />
mehrten sich <strong>die</strong> Klagen der Reismüller über <strong>die</strong><br />
deutsche Zollpolitik und heftige Konflikte zwischen<br />
zollinländischen und zollausländischen<br />
Mühlen entstanden. Die Eamilie Rickmers diversifizierte<br />
das Familienunternehmen weiter.<br />
Mit dem Kauf einer Mühle in Bangkok begann<br />
sie damit, direkt in den Anbauländem Reis zu<br />
veredeln. Damit gelang zwar ein Ausbau der<br />
Marktposition, zugleich wurde <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />
des Werft- und Reedereigeschäfts vom Reis zementiert<br />
und Konflikte mit den englischen Verladern,<br />
<strong>die</strong> in der Folge auch <strong>die</strong> deutsche Reismüllerei<br />
beeinflussen sollten, nahmen ihren Anfang.<br />
Die Gründung der Reis- und Handels AG durch<br />
Andreas Rickmers 1901 leitet das fünfte Kapitel<br />
ein. Die Reis- und Handels AG erreichte in<br />
Deutschland eine monopolartige Stellung auf<br />
dem Reismarkt und entwickelte sich trotz Überkapazitäten<br />
und Betriebsstilllegungen so gut,<br />
dass jährlich Dividenden <strong>bis</strong> zu zehn Prozent<br />
ausgezahlt wurden. Den Einfluss auf den europäischen<br />
Markt sicherte sich Andreas Rickmers<br />
durch <strong>die</strong> Beteiligungen an Reismühlen in Österreich-Ungarn.<br />
Zudem wurden mehrere Reismühlen<br />
in Birma gekauft und durch eine Tochtergesellschaft<br />
betrieben. Die Abhängigkeiten zwischen<br />
der Rickmers AG und der Reis- und<br />
Handels AG waren so groß, dass Letztere in einer<br />
Affäre um Andreas Rickmers fast in den Konkurs<br />
ging. Die Konflikte der deutschen Mühlen bei<br />
den Versuchen, <strong>die</strong> künftige Zollpolitik des Deutschen<br />
Reichs bezüglich Reis zu beeinflussen,<br />
waren prägender Bestandteil der deutschen Reisindustrie<br />
von der Jahrhundertwende <strong>bis</strong> zum Ersten<br />
Weltkrieg. Neben all den Entwicklungen in<br />
Europa veränderte sich der Markt in Asien erheblich.<br />
In den Reishäfen entstanden eigene Industrien,<br />
Singapur und Hongkong wurden zu<br />
wichtigen Umschlagplätzen für Reis. Der europäische<br />
Markt für Reis wurde vom asiatischen<br />
Markt überflügelt.<br />
Im sechsten und letzten Kapitel wird ein Ausblick<br />
auf den völligen Stillstand des deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>s mit Beginn des Ersten Weltkrieges<br />
gegeben. Die wichtigen asiatischen Besitzungen<br />
gingen verloren und in den europäischen Betrieben<br />
wurden entweder andere Güter als Reis verarbeitet<br />
oder sie wurden stillgelegt. Abschließend<br />
wird in einem knappen Ausblick der Neuaufbau<br />
einer deutschen Reisindustrie nach 1918 beleuchtet.<br />
21
Kapitel I<br />
Die Ausgangslage des deutschen <strong>Reishandel</strong>s um <strong>1850</strong><br />
1. Reisanbau und <strong>Reishandel</strong><br />
in Nordamerika<br />
“Planting, milling, and marketing were the major<br />
functional components of the American rice industry<br />
[...]. The interrelationship between these<br />
components defines the dynamics of the rice industry.”^^<br />
Wann genau in Nordamerika mit dem Anbau<br />
von Reis begonnen wurde, lässt sich nicht mehr<br />
exakt feststellen. Manche Historiker sprechen<br />
davon, dass seit dem frühen 17. Jahrhundert Reis<br />
in Amerika angebaut wurde, andere wiederum<br />
legen den Beginn auf das Jahr 1694.^* Sicher<br />
wurde Reis aber erst durch europäische Siedler<br />
angebaut und vor allem durch <strong>die</strong> Arbeit afrikanischer<br />
Sklaven ermöglicht.^* Die Küstengebiete<br />
South Carolinas und Georgias wurden urbar gemacht<br />
und Felder eingedeicht. Dort eignete sich<br />
einerseits das Klima gut zum Reisbau, andererseits<br />
musste verhindert werden, dass <strong>die</strong> Felder<br />
vom Salzwasser überspült und somit unfruchtbar<br />
wurden.<br />
Der Beginn des amerikanischen Reisanbaus<br />
Die schlüssigsten Angaben zu der Frage, seit<br />
wann in South Carolina Reis gepflanzt wurde,<br />
macht Henry Dethloff, indem er direkt auf verschiedene<br />
Quellen verweist. Ein Flugblatt von<br />
1666 wies künftige Siedler daraufhin, dass sich<br />
South Carolina gut zum Anbau von Reis eigne.<br />
Ein weiteres Dokument von 1677 belegt, dass<br />
<strong>die</strong> Großgrundbesitzer in Charleston nach geeigneten<br />
Reissamen suchten. Nach einem Bericht<br />
aus dem 18. sowie zwei weiteren aus dem frühen<br />
19. Jahrhundert wurde zwischen 1688 und 1693<br />
mit dem Reisanbau begonnen. Die Einführung<br />
eines geeigneten und ertragreichen Reissamens<br />
aus Madagaskar war zu Beginn des 18. Jahrhunderts<br />
offensichtlich erfolgreich umgesetzt. Ob<br />
der Reis nun gezielt eingeführt wurde oder das<br />
Schiff mit den Reissamen zufällig durch einen<br />
Sturm in den Hafen von Charleston getrieben<br />
wurde, ist nicht mehr eindeutig zu klären.“*®Das<br />
öffentliche Interesse am Reisanbau dokumentiert<br />
aber nicht nur <strong>die</strong> Quelle von 1677, sondern<br />
auch eine Urkunde von 1715. Nach <strong>die</strong>ser bekam<br />
der Kapitän John Thurber durch das Abgeordnetenhaus<br />
von South Carolina einen Betrag von<br />
100 £ als Anerkennung dafür zugesprochen, dass<br />
er den ersten Reis aus Madagaskar nach South<br />
Carolina eingeführt hatte. Ein weiterer Beleg dafür,<br />
dass im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert<br />
in South Carolina der Grundstein für eine<br />
Reisindustrie gelegt war, ist ein Patent von<br />
1691, das eine innovative Reisschälvorrichtung<br />
schützen sollte.“"<br />
In den folgenden Jahrzehnten wuchs der amerikanische<br />
<strong>Reishandel</strong> rasant. 1709 wurden 1,5<br />
Millionen Pfund, 1726 bereits 10 Millionen-<br />
Pfund und kurz vor der amerikanischen Unabhängigkeit<br />
1770 über 83 Millionen Pfund Reis<br />
exportiert.“*^ Nach der britischen Navigationsakte<br />
von 1660 war der Export bestimmter Artikel verboten<br />
und in einem Gesetzeszusatz von 1704<br />
wurde ein Exportverbot für Reis ausdrücklich<br />
genannt. Trotzdem gab es direkte Exporte zu<br />
den Kari<strong>bis</strong>chen Inseln, nach Portugal und sogar<br />
nach Bremen. 1755 liefen sieben Schiffe aus<br />
South Carolina Bremen direkt an, im Jahr darauf<br />
sogar acht Schiffe. Zu den Ladungen dürfte sicher<br />
auch Reis gehört haben.^^-“*“*Erst 1731 hob<br />
das Parlament den <strong>die</strong> Reisausfuhr verbietenden<br />
Gesetzeszusatz wieder auf und der bestehende<br />
Handel wurde legalisiert. Die Schifffahrtsgesetze<br />
beschränkten den Handel nicht nur, sondern stimulierten<br />
und kanalisierten ihn zugleich auch.<br />
Die Vorgabe, dass nur auf Schiffen, <strong>die</strong> in Großbritannien<br />
gebaut und bereedert waren, Handel<br />
mit den Kolonien stattfinden durfte, wurde in<br />
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der Praxis weit ausgelegt. Oft wurden <strong>die</strong> Schiffe<br />
von amerikanischen Händlern mit eigenem Kapital<br />
auf heimischen Werften geordert und von<br />
<strong>die</strong>sen auch bereedert. Einzig ein Geschäftspartner<br />
in England gab dann der Form halber seinen<br />
Namen, damit der Handel den Gesetzen entsprach.<br />
Der britische und der amerikanische<br />
Schiffbau wurden gefördert und <strong>die</strong> britische<br />
Seemacht durch <strong>die</strong> Navigationsgesetze gestärkt.<br />
Zugleich löste sich mit der militärischen Durchsetzung<br />
der britischen Interessen am Handel<br />
langfristig auch das Problem der Piraterie, welche<br />
<strong>die</strong> Geschäfte der für den Reisexport wichtigsten<br />
Hafenstadt Charleston bedrohte.<br />
Da nur mit England direkt gehandelt werden<br />
durfte, entstand dort, besonders in London und<br />
LiveipooP’, eine erste europäische Reisindustrie.<br />
Die beiden Städte wurden zur Drehscheibe für<br />
den europäischen <strong>Reishandel</strong> und reexportierten<br />
den amerikanischen Reis nach Skandinavien,<br />
Holland und Deutschland.'*^<br />
Der Transport auf den Segelschiffen war alternativlos.<br />
Trotzdem waren <strong>die</strong> Schiffstransporte<br />
immer wieder mit wirtschaftlichen Risiken verbunden.<br />
Über 80 Jahre nach der amerikanischen<br />
Unabhängigkeit und dem bereits fest etablierten<br />
Direkthandel zwischen Charleston und dem europäischen<br />
Festland musste beispielsweise der<br />
Bremer Kapitän Heinrich Wieting seinem Reeder<br />
noch Mitte des 19. Jahrhunderts berichten, dass<br />
<strong>die</strong> Reise zwar gut verlaufen sei, <strong>die</strong> Reisladung<br />
aber mit so vielen Käfern und Würmern durchsetzt<br />
sei, dass ein reibungsloser Verkauf in Frage<br />
stünde.“’ Wirtschaftlich fiel es nicht ins Gewicht,<br />
doch für <strong>die</strong> Besatzungen der Segelschiffe war<br />
Reis nicht nur Transportgut, sondern auch oft<br />
Verpflegung.'*®<br />
Arbeitskräfte für den Reisexport -<br />
Aufschwung der Sklavenwirtschaft<br />
Damit große Mengen Reis exportiert werden<br />
konnten, musste vor allem in den Anbaugebieten<br />
South Carolina und Georgia erst einmal der wirtschaftlich<br />
lohnende Reisanbau auf großen Plantagen<br />
eingeführt werden. Land wurde gezielt urbar<br />
gemacht und für <strong>die</strong> Kultivierung der neuen<br />
Nutzflächen mussten Arbeitskräfte gefunden<br />
werden.<br />
Belegt ist, dass ein Einwanderungsagent aus der<br />
Schweiz in seiner alten Heimat damit warb, dass<br />
jede Familie kostenlos 50 Morgen'*^ Land zum<br />
Reisanbau erhielt und für jedes Kind eine zusätzliche<br />
Prämie von 20 £ bekam.’®Das an South<br />
Carolina grenzende Georgia wurde ebenfalls zu<br />
einem Anbaugebiet für Reis. Georgia sollte ursprünglich<br />
eine weiße Siedlerkolonie werden<br />
und verbot durch ein Gesetz von 1735 Sklaverei<br />
und Sklavenarbeit. Stattdessen sollten weiße Vertragsarbeiter<br />
<strong>die</strong> Arbeiten übernehmen, <strong>die</strong> in<br />
South Carolina von Sklaven ausgeführt wurden.<br />
Dieses Vorhaben scheiterte: “Many of those indentured<br />
fled into South Carolina and further<br />
northward to escape the laborious work of clearing<br />
and cultivating land for production.”’* Das<br />
Sklavereiverbot wurde umgangen, indem vorgegeben<br />
wurde, dass <strong>die</strong> aus South Carolina kommenden<br />
Sklaven Vertragsarbeiter seien. Eine von<br />
117 Landbesitzern in Georgia Unterzeichnete Petition<br />
machte 1738 ausdrücklich das Verbot der<br />
Sklaverei für <strong>die</strong> ungenügende Entwicklung der<br />
Kolonie verantwortlich. 1750 wurde der Negro<br />
Act schließlich außer Kraft gesetzt.”<br />
Bis 1700 bestand <strong>die</strong> Bevölkerung in South Carolina<br />
mehrheitlich aus weißen Siedlern. In den<br />
folgenden Jahren änderte sich <strong>die</strong>s aber rasant.<br />
In Georgia verzögerte sich <strong>die</strong>selbe Entwicklung<br />
durch den Negro Act von 1735, nahm dann aber<br />
<strong>die</strong> gleiche Richtung: 1750 lebten dort noch etwa<br />
viermal so viele Weiße wie Sklaven, um 1776<br />
hatten sich <strong>die</strong> Bevölkerungsgruppen zahlenmäßig<br />
angeglichen.” Vor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung<br />
waren damit alle Voraussetzungen<br />
für eine erfolgreiche Reisindustrie geschaffen:<br />
“Whatever their origins, the basic<br />
structures and system of labor for producing and<br />
marketing rice were in place by the close of the<br />
colonial era.”’'*<br />
Nach der gewonnenen Unabhängigkeit der ehemaligen<br />
englischen Kolonie wurde durch zwei<br />
Gesetze von 1778 und 1780 eine große Fläche<br />
Reisland in Georgia beschlagnahmt. Die Ent-<br />
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Wicklung der Reisplantagen in den nachfolgenden<br />
Jahren hing vor allem davon ab, wie fähig<br />
<strong>die</strong> Besitzer Sklavenarbeit einsetzten. 1820 bestand<br />
<strong>die</strong> Bevölkerung in den reisanbauenden<br />
Regionen Georgias zu 70 Prozent aus Sklaven.”<br />
Eine Stu<strong>die</strong> von 1974 sieht den Erfolg des Reisanbaus<br />
durch Sklaven aber nicht nur durch <strong>die</strong><br />
Ausbeutung der Arbeitskraft, sondern auch durch<br />
einen Kulturtransfer von Afrika nach Amerika.<br />
“Africans brought to America much of the technology<br />
for cultivating and milling rice, as well<br />
as the familiarity with rice as food.”” Der Einsatz<br />
von Sklaven war für <strong>die</strong> Reisbauem zudem günstig,<br />
weil der Reis zugleich als äußerst preiswertes<br />
Nahrungsmittel für <strong>die</strong> große Zahl der Sklaven<br />
<strong>die</strong>nen konnte. Um <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit weiter<br />
zu erhöhen, wurden <strong>die</strong> Arbeiter nicht in Arbeitskolonnen<br />
aufgeteilt, <strong>die</strong> von morgens <strong>bis</strong><br />
abends arbeiteten, sondern einzelnen Aufgabenbereichen<br />
zugewiesen. So entstand eine Spezialisierung.<br />
Die Arbeit wurde schneller von befähigten<br />
Sklaven erledigt und <strong>die</strong>se konnten <strong>die</strong><br />
freie Tageszeit nutzen, um sich durch handwerkliche<br />
Arbeiten finanziellen Zuver<strong>die</strong>nst und damit<br />
einen etwas angenehmeren Lebensstandard<br />
zu schaffen.”<br />
Neben der Ausbeutung von Sklaven waren <strong>die</strong><br />
technischen Entwicklungen beim Anbau und der<br />
Verarbeitung entscheidend für <strong>die</strong> überragende<br />
wirtschaftliche Bedeutung des Reises in Amerika.<br />
Eine der wichtigsten Innovationen war um<br />
1750 <strong>die</strong> Einführung einer von der Tide regulierten<br />
Bewässerungsmethode der Reisfelder. Ein<br />
Pflanzer machte es sich zu Nutze, dass <strong>die</strong> Pegel<br />
der Flüsse mit steigender Flut angehoben wurden,<br />
und ließ durch entsprechende Tore Süßwasser<br />
in angelegte Bewässerungskanäle drücken.<br />
Durch ein System von Kanälen und Schleusen<br />
wurde das Süßwasser anschließend zu den Feldern<br />
gelenkt und dort gehalten, sobald der Wasserspiegel<br />
der Flüsse wieder sank. Zugleich hielten<br />
Gatter das schädliche Salzwasser von den<br />
Feldern fern.^*<br />
Weltmarktbedeutung:<br />
Innovative Prozesse und Marktverbreiterung<br />
Da Reisanbau arbeits- und kapitalintensiver war<br />
als der Anbau der örtlichen Konkurrenzgüter Zucker<br />
und Baumwolle, waren <strong>die</strong> technischen Innovationen<br />
entscheidend. Im Vergleich mit Zucker-<br />
und Baumwollplantagen waren Reisplantagen<br />
besser gemanagt, <strong>die</strong> Arbeitsprozesse<br />
spezialisierter und erbrachten insgesamt höhere<br />
Gewinne. Zudem fing <strong>die</strong> Technisierung der Arbeitsabläufe<br />
das Importverbot von Sklaven seit<br />
1808 auf. Die Fortpflanzung der Sklaven reichte<br />
den weißen Farmern, um ihren Bedarf an Arbeitskräften<br />
decken zu kötmen.” Die technischen<br />
Fortschritte in der Bearbeitung des geernteten<br />
Reises zeigen eine Reihe von Patenten, <strong>die</strong> zwischen<br />
1808 und 1830 angemeldet wurden, wie<br />
beispielsweise ein Patent über eine dampfgetriebene<br />
Reisschäleinrichtung. Die technischen Innovationen<br />
in der Reismüllerei waren weltweit<br />
führend und machten den Reisexport zu einem<br />
der wichtigsten amerikanischen Geschäftsfelder.“<br />
Der Bremer Kapitän Heinrich Wieting fasste<br />
<strong>die</strong> überragende wirtschaftliche Stellung von<br />
amerikanischem Reis 1851 treffend zusammen,'<br />
als er seinem Reeder davon berichtete, dass noch<br />
nie zuvor so viel Reis in Charleston verschilft<br />
worden sei und <strong>die</strong>s sicher auch in Zukunft ein<br />
gutes Geschäft abgebe.*'<br />
Der Weltmarkt für Reis wurde auf mehreren Wegen<br />
erschlossen. Einerseits durch den Verkauf<br />
von Reis in den örtlichen Häfen. Andererseits<br />
wurde der Reis aber meist in den Anbaugebieten<br />
von Kommissionären aufgekauft, <strong>die</strong> für Handelshäuser<br />
in Boston, Philadelphia oder New<br />
York arbeiteten. Von dort wurde dann ganz<br />
Europa als Absatzmarkt erschlossen.*^ Somit<br />
brachten nicht nur Kapitäne wie Wieting Reis<br />
als Rückfracht in den Auswandererschiffen nach<br />
Charleston, sondern auch viele andere Nordamerikafahrer<br />
Reis in <strong>die</strong> Hansestadt. Allein der direkte<br />
Reisimport von Charleston nach Bremen<br />
übertraf schon 1851 2.000 Tonnen.“<br />
Zur Stärkung der eigenen Marktposition versuchten<br />
<strong>die</strong> amerikanischen Bauern und Reis-
handler, sich von den engen wirtschaftlichen Beziehungen<br />
mit der englischen Reisindustrie zu<br />
lösen und unabhängiger zu werden. Belegt wird<br />
<strong>die</strong>s durch ein Schreiben der „Agricultural Society<br />
of South Carolina“, also einer landwirtschaftlichen<br />
Vereinigung. Dieses Schreiben erreichte<br />
durch <strong>die</strong> Vermittlung des „Comittee on<br />
Foreign Rice Mills“ im Januar 1828 das Bremer<br />
Kollegium der Äldermänner, das Vorgängergremium<br />
der Handelskammer. Der Brief warb um<br />
neue Akteure im <strong>Reishandel</strong> mit Europa, weil<br />
<strong>die</strong> englischen Reismüller eine zu große Konkurrenz<br />
für <strong>die</strong> amerikanischen Händler waren:<br />
“As the trade is now carried on by the proprietors<br />
of the Englisch Mills, they can afford to sell<br />
fresh beat Rice at 25 to 30 per cent under that<br />
beat in Carolina.” ^ Des Weiteren heißt es dort,<br />
dass der in Amerika geschälte Reis nach dem<br />
Transport nach Europa unvorteilhaft aussehe und<br />
mit dem in England geschälten Reis nicht konkurrieren<br />
könne. Daher widmet sich das Schreiben<br />
auf den folgenden zwei Seiten den Möglichkeiten<br />
der Reismüllerei auf dem europäischen<br />
Kontinent und wirbt darum, sich der<br />
Einfuhr von Rohreis zu widmen und der Reismüllerei<br />
zuzuwenden: “[...] but as the Rough<br />
grain at one fourth part of the price of Market<br />
Rice, affords to those who beat it out, a profit of<br />
25 to 30 per cent.”“<br />
Urn Kaufleute zu gewinnen, <strong>die</strong> keine Erfahrungen<br />
im Reisgeschäft haben, wurde im Eolgenden<br />
Reis in seinen Eigenschaften und Handelskomponenten<br />
vorgestellt. „Rough Rice“ oder ungeschälter<br />
Rohreis war das Ausgangsprodukt. Der<br />
an den Endkunden zu verkaufende Reis wurde<br />
als „Market Rice“ oder „Rice of Commerce“<br />
vorgestellt und „Small Rice“ meinte den ebenfalls<br />
noch absetzbaren Bruchreis. Außerdem wurden<br />
noch „Rice Flour“, das als Futtermittel verwendbare<br />
Reismehl, und zuletzt <strong>die</strong> für Verpackungszwecke<br />
nutzbare Spreu „Chaff* erläutert.<br />
Des Weiteren stellten <strong>die</strong> Verfasser eine Profitrechnung<br />
auf und unterstrichen <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
eines Gewinns von 30 Prozent bei eigener Verarbeitung<br />
von Rohreis.“<br />
Anschließend gab es eine kurze Einführung in<br />
<strong>die</strong> Techniken und teehnischen Anforderungen<br />
der Reismüllerei. Dass es für einen Laien gar<br />
nicht so einfach war, ohne Vorkenntnisse eine<br />
Reismühle zu betreiben, wurde dabei nicht außer<br />
Acht gelassen:<br />
“The Society are aware that no foreigner or<br />
stranger, who at present is ignorant of the<br />
process of preparing Rice for market, can undertake<br />
to eonduct it, until he has acquired,<br />
by inspection, and some experience, the necessary<br />
knowledge, as well of the machinery<br />
as of the grain itself. [...] In these [more than<br />
60 private Rice Mills of South Carolina], information<br />
can readily be procured, by bringing<br />
suitable certificates of good character.<br />
And, as the Society believes, that to some<br />
who might wish to acquire a knowledge of<br />
this art, in order to carry it into other States<br />
and Countries, it may be an object of consideration<br />
to lessen their expenses while here<br />
[...] it would state, that intelligent practical<br />
farmers or mechanics [...] will be well treated,<br />
and [...] acquire all the necessary knowledge<br />
of the machinery to enable them to erect Rice<br />
Mills, on the most perfeet and economical<br />
principles.”“<br />
Die landwirtschaftliehe Vereinigung in South<br />
Carolina mühte sich aktiv um neue europäische<br />
Reismüller, <strong>die</strong> das Monopol der Engländer im<br />
Handel nach Europa brechen sollten. Dafür waren<br />
<strong>die</strong> amerikanischen Reismüller bereit, ihr<br />
technisches Wissen zu teilen und willigen Kaufleuten<br />
und Unternehmern aus Bremen sogar <strong>die</strong><br />
notwendige Lehrzeit in amerikanischen Reismühlen<br />
finanziell zu erleichtern. Der amerikanische<br />
Reisabsatz hatte also bereits 1828 einen<br />
so großen Umfang angenommen, dass mehr als<br />
60 private Reismüller sich einig waren und zu<br />
ihrem geschäftlichen Vorteil aktiv naeh neuen<br />
europäischen Abnehmern und Wettbewerbern<br />
suchten.<br />
Die Aufforderung zur Gründung einer Reismühle<br />
fand 1828 noch kein Gehör in Bremen. Wie später<br />
gezeigt wird, waren <strong>die</strong> wirtschaftliehen und<br />
technischen Vorbedingungen an der Weser wohl<br />
noch nicht weit genug fortgeschritten. Aber 60<br />
25
Ш<br />
m<br />
Jahre später überflügelte <strong>die</strong> Bremer Industrie<br />
eindrucksvoll <strong>die</strong> englische Reismüllerei auf dem<br />
europäischen Markt und sollte zu einem Weltmarktführer<br />
werden.<br />
2. Europäer in Asien - Koloniale Entwicklungen<br />
und Anfänge im <strong>Reishandel</strong> mit Asien<br />
Birma war für Europa in der zweiten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts das wichtigste Reisanbaugebiet,<br />
weil von dort der größte Teil des in den Mühlen<br />
Londons, Liverpools und Bremens verarbeiteten<br />
Reises stammte. Doch <strong>die</strong> ersten Kontakte von<br />
Europäern mit Birma gab es deutlich früher.<br />
Stück für Stück wurden Entwicklungen angestoßen<br />
und Voraussetzungen geschaffen, <strong>die</strong> Birma<br />
nach der schrittweisen britischen Annektion<br />
zwischen 1826 und 1886 <strong>bis</strong> zum Beginn des<br />
20. Jahrhunderts eine überragende Bedeutung<br />
im internationalen <strong>Reishandel</strong> einbrachte. Siam<br />
war für Europa der zweitgrößte Markt für den<br />
Einkauf asiatischen Reises. Dass Siam für <strong>die</strong><br />
europäische Industrie nie <strong>die</strong> Bedeutung Birmas<br />
erreichen konnte, zeichnete sich bereits früh ab.<br />
In vielen weiteren Gebieten Asiens wurde Reis<br />
angebaut, da sie für den europäischen <strong>Reishandel</strong><br />
jedoch keine besondere Bedeutung erlangten,<br />
werden sie hier außen vor gelassen.®*<br />
Erste Kontakte und frühe<br />
Handelsbeschränkungen in Birma<br />
Wie <strong>die</strong>se frühen europäischen Annäherungen<br />
aussahen, zeigt der Bericht des Engländers William<br />
Hunter, nach eigenem Bekunden Doktor<br />
und Wundarzt, der 1782 das Königreich Pegu<br />
im Auftrag der East India Company, der englischen<br />
Ostin<strong>die</strong>n-Gesellschaft, bereiste. Das Königreich<br />
Pegu - genau genommen bereits Mitte<br />
des 18. Jahrhunderts durch Eroberung zum Königreich<br />
Ava geworden - war ein Teil des späteren<br />
Birmas und bezeichnete Gebiete um dessen<br />
Hauptstadt Rangun. Hunter fasste in seinem<br />
1785 in England und zwei Jahre später in Hamburg<br />
auf Deutsch veröffentlichten Reisebericht<br />
Informationen über <strong>die</strong> Kultur, <strong>die</strong> Regierungs<br />
26<br />
1<br />
form, <strong>die</strong> Einwohner und <strong>die</strong> Wirtschaft zusammen.®^<br />
Im Vorbericht wird vom Übersetzer darauf<br />
hingewiesen, dass es <strong>bis</strong> zu Hunters Reise nur<br />
wenige Berichte aus der Region gegeben habe.<br />
Neben der Anpreisung des Buches wird damit<br />
besonders das Ansinnen Hunters selber unterstrichen;<br />
„Daß der Handel nach Pegu <strong>bis</strong>her noch kein<br />
Gegenstand größerer Aufmerksamkeit geworden<br />
ist rühret nicht sowohl von seiner Unbeträchtlichkeit<br />
her, sondern ist vielmehr [...]<br />
verschiednen zufälligen Umständen zuzuschreiben.<br />
Ich hoffe den unparteiischen Leser<br />
zu überzeugen, daß es nicht nur der Mühe<br />
wert, sondern auch sehr thunlich ist, <strong>die</strong>se<br />
Hindernisse aus dem Weg zu räumen und unsre<br />
Handelsgeschäfte mit Pegu auf einen festen<br />
Fuß zu setzen [...] um große Nazionalvortheile<br />
daraus zu ziehen.“’'<br />
Wie klein der europäische Einfluss <strong>bis</strong> dahin<br />
war, zeigt eine Anekdote Hunters über <strong>die</strong> Eroberung<br />
Pegus durch das Königreich Ava. Eine<br />
französische Fregatte habe im Hafen der Hauptstadt<br />
gelegen und sich den Eroberern widersetzt.<br />
Daraufhin seien alle Offiziere hingerichtet und<br />
<strong>die</strong> übrige Besatzung versklavt worden.” Europäer<br />
waren Mitte des 18. Jahrhunderts in Birma<br />
schon präsent, einen Einfluss, wie sie ihn 75 <strong>bis</strong><br />
100 Jahre später erreichten, hatten sie aber noch<br />
lange nicht. Unter dem Herrscher Badon Min<br />
(1782-1819) öffnete sich Birma trotzdem Fremden<br />
und vor allem dem Handel. Armenier, Perser<br />
und Muslime waren anfangs allerdings eher Handelspartner<br />
als Europäer.<br />
Der Ablauf des Handels war streng vorgegeben.<br />
Der Fluss zum Hafen von Rangun durfte nur mit<br />
einem Lotsen befahren werden. Sobald der Ankerplatz<br />
erreicht war, mussten <strong>die</strong> Kanonen.<br />
Musketen und das Steuerruder an Land gebracht<br />
werden. Der Kapitän hatte sich mit einer Liste<br />
der gesamten Fracht beim Gouverneur zu melden,<br />
um den Einfuhrzoll von 12,5 Prozent abzuführen.<br />
Zehn Prozent Einfuhrzoll erhielt der König,<br />
<strong>die</strong> anderen 2,5 Prozent gingen an den Gouverneur<br />
und seine Verwaltungsbeamten.” Der<br />
für den Handel zuständige Beamte war sogar oft
selber ein Ausländer - laut Hunter 1782 ein Armenier.<br />
Ebenso strikt waren <strong>die</strong> Vorgaben beim<br />
Verlassen des Hafens. Beamte des Gouverneurs<br />
gingen an Bord, um jeglichen Schleichhandel<br />
zu unterbinden, und ein Lotse musste <strong>die</strong> Flussfahrt<br />
begleiten. „Wer aber ohne [des zuständigen<br />
Beamten] Befehl sich unterstünde, ein Schiff<br />
auszulootsen, würde hart bestraft werden.<br />
Wichtigstes Exportgut <strong>bis</strong> Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
war Teakholz, das sich hervorragend<br />
zum Schiffbau eignete.<br />
<strong>Reishandel</strong> in Birma von der frühen Neuzeit<br />
<strong>bis</strong> ins 19. Jahrhundert<br />
Reis wurde bereits Anfang des 16. Jahrhunderts<br />
von Pegu exportiert und laut eines portugiesischen<br />
Berichts nach Sumatra und Malakka verschifft.’’<br />
Zudem handelten in der ersten Hälfte<br />
des 17. Jahrhunderts Portugiesen mit Reis und<br />
Sklaven in der Hafenstadt Arakan. Diese war <strong>bis</strong><br />
1785 unabhängig und verschiffte, ausgenommen<br />
<strong>die</strong> Zeit von Missernten, Reis. Mit der Eroberung<br />
Arakans durch Birma 1785 galten für <strong>die</strong> Hafenstadt<br />
jedoch <strong>die</strong> gleichen Handelsbeschränkungen,<br />
wie sie für das Gebiet des ehemaligen<br />
Königreichs Pegu um <strong>die</strong> Hafenstadt Rangun<br />
bestanden. Um den Reichtum des Landes zu<br />
schützen, wurden mit einer restriktiven Handelspolitik<br />
unter anderem Gummi, kostbare Metalle<br />
und Reis vom Export ausgeschlossen. Einzig<br />
mit Oberbirma wurde je nach Menge der Ernte<br />
unregelmäßig Reis gehandelt. In Jahren mit guten<br />
Ernten ließ man den überschüssigen Reis<br />
auf den Feldern verrotten statt ihn zu exportieren.<br />
Die Handelsbeschränkungen sowie <strong>die</strong> beschriebene<br />
Behandlung der europäischen Überseekaufleute<br />
führten dazu, dass nur wenige europäische<br />
Schiffe Birma anliefen und asiatischer Reis kaum<br />
nach Europa kommen konnte.’*<br />
Diese Verhältnis.se änderten sich erst zu Gunsten<br />
der europäischen Händler, als Birma schrittweise<br />
zu einer Kolonie wurde. 1826 eroberten Engländer<br />
<strong>die</strong> birmanischen Küstengebiete Arakan<br />
und Tenasserim, <strong>die</strong> nordöstlich und südwestlich<br />
des Gebiets um <strong>die</strong> Stadt Rangun liegen. Sehr<br />
bald, um 1830, begann <strong>die</strong> Geschichte Arakans<br />
als Anbaugebiet für Exportreis. Wenige Jahre<br />
später begann auch <strong>die</strong> deutsch-birmanische Geschichte.<br />
Aus Kalkutta kommend traf der deutsche<br />
Naturforscher Johann Wilhelm Helfer im<br />
Februar 1837 zusammen mit seiner Frau Pauline<br />
in Moulmein, das im Gebiet von Tenasserim<br />
liegt, ein.” Helfers Frau, in zweiter Ehe zur Gräfin<br />
Nostitz-Rieneck geworden, veröffentlichte<br />
ihre Erinnerungen an <strong>die</strong> Reise in Birma allerdings<br />
erst 1873. Trotzdem dürften Berichte über<br />
Birma durch <strong>die</strong> britische Erobemng gepaart mit<br />
der Anwesenheit <strong>Deutscher</strong> sowie deren Berichte<br />
in <strong>die</strong> Heimat dazu geführt haben, dass Birma<br />
in Deutschland nicht länger den exotischen Status<br />
hatte, der sich noch in der Beschreibung Hunters<br />
von 1785 ausdrückte. In der Folge waren<br />
Deutsche <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg nach Engländern<br />
sogar <strong>die</strong> zweitgrößte europäische Bevölkerungsgruppe<br />
in Birma.”<br />
Der zweite Britisch-Birmanische Krieg 1852<br />
schaffte <strong>die</strong> endgültigen Voraussetzungen für einen<br />
geregelten Handel mit Birma. Durch <strong>die</strong><br />
Eingliederung des Gebiets um <strong>die</strong> Stadt Rangun<br />
wurden <strong>die</strong> gesamten Küstengebiete Birmas von<br />
Engländern beherrscht und verwaltet. Passend<br />
hierzu berichtete der schon im Zusammenhang<br />
mit dem amerikanischen <strong>Reishandel</strong> genannte<br />
Bremer Kapitän Wieting in einem Brief beiläufig<br />
davon, dass bereits 1852 ein Bremer Schiff Reis<br />
aus Akyab” , einer im Norden Birmas liegenden<br />
Küstenstadt, nach Bremen gebracht hatte.*“<br />
Englische Intentionen<br />
1862 wurden <strong>die</strong> von Engländern beherrschten<br />
Gebiete offiziell als Lower Burma bezeichnet,<br />
ein eigenes Verwaltungsgebiet am Rand vom indischen<br />
Teil des britischen Weltreichs. Ob in der<br />
Reis- oder in der Holzindustrie, es verwundert<br />
kaum, dass englische Firmen eine beherrschende<br />
Stellung in der Wirtschaft Birmas erlangten. Dass<br />
Birma im Interesse des englischen <strong>Reishandel</strong>s<br />
und der Veredelungsindustrie gezielt zu einer<br />
großen britischen Reisplantage ausgebaut werden<br />
sollte, lässt sich aus den Anfängen der Er-<br />
27
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oberung und politischen Eingliederang aber nicht<br />
erkennen.<br />
Für <strong>die</strong> Reismühlen in London und Liverpool<br />
zeigt sich vielmehr deutlich, dass sie auf den<br />
amerikanischen Rohstoffmarkt abgestimmt waren.<br />
1840 gab es je eine Reismühle in London<br />
und in Liverpool. Da schon 1812 ein Zoll von<br />
vier Dollar je Fass auf in Amerika gemahlenem<br />
Reis abzugeben, roher und ungeschälter Reis<br />
hingegen abgabenfrei war, kann von einer bereits<br />
bestehenden und auf den prosperierenden amerikanischen<br />
Reismarkt ausgerichteten englischen<br />
Reisindustrie ausgegangen werden. Der Reis aus<br />
den Vereinigten Staaten war erwünscht und zugleich<br />
sollten <strong>die</strong> englischen Mühlen vor der<br />
Konkurrenz in Amerika geschützt werden. Zudem<br />
eignete sich Birma Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
noch nicht sonderlich für Getreideanbau,<br />
wie eine Beschreibung Siok-Flwas des Zustands<br />
der 1852 eroberten Gebiete zeigt:<br />
“There were only a few scattered hamlets<br />
practicing shifting paddy cultivation in small<br />
clearings in the jungle and agriculture was<br />
mainly for subsistence purposes. Along the<br />
coast, salt-boiling, fishing and pottery-making<br />
were important occupations and there was a<br />
thriving export trade in dried and salted fish.”®'<br />
Der zweite Britisch-Birmanische Krieg 1852<br />
fällt in einen Zeitraum mit der Aufhebung der<br />
englischen Komzölle 1846 und der daraus resultierenden<br />
Aufhebung der Navigationsakte<br />
1849. Zwei Impulse, <strong>die</strong> in Europa den Beginn<br />
einer Epoche des Freihandels markierten.®^ Der<br />
nun für alle Europäer freie Handel mit britischen<br />
Kolonien und der allgemeine Anstieg des internationalen<br />
Handelsvolumens begünstigten auch<br />
den Handel mit Birma. Ein Gesamtkonzept für<br />
den Umfang der britischen Eroberungen spricht<br />
Wende der Kolonialisierung dennoch ab.®®<br />
Andererseits stand das Fehlen enger staatlicher<br />
Vorgaben einer guten wirtschaftlichen Entwicklung<br />
der Kolonien nicht entgegen.®“ Für Birma<br />
sei es Hauptziel der Kolonialherren gewesen,<br />
möglichst genügend Staatseinnahmen zur Finanzierung<br />
der Verwaltungskosten zu generieren.<br />
Dafür musste es erst einmal genügend landbe<br />
sitzende Bauern geben.®® Entsprechende Bemühungen<br />
zur Ansiedlung von Bauern und der Urbarmachung<br />
und Kultivierung von Ackerland<br />
wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
unternommen.<br />
Dem leicht widersprechend argumentierte Glade,<br />
dass mit der Aufhebung der Navigationsakte <strong>die</strong><br />
amerikanische Wirtschaft dem Einfluss Englands<br />
immer weiter entglitten sei und sie deswegen<br />
beim Anbau von Reis, Kaffee und Zucker von<br />
der ostindischen beziehungsweise asiatischen<br />
Produktion überholt werden sollte.®® Nach dem<br />
Verlust der amerikanischen Kolonien suchte sich<br />
<strong>die</strong> englische Wirtschaft also neue Einfluss- und<br />
Absatzgebiete - auch um bestehende Industrien<br />
wie <strong>die</strong> Reismühlen in London und Liverpool<br />
nicht zu gefährden. Die Aussage Glades ist jedoch<br />
nicht so überzeugend, dass sie <strong>die</strong> Argu<br />
mentation von Wende, nach der es kein Gesamtkonzept<br />
für <strong>die</strong> Entwicklung der englischen Kolonialwelt<br />
gegeben habe, widerlegt. Es lassen<br />
sich auch keine Beweise für einen Generalplan<br />
zur Schaffung einer neuen kolonialen reisanbauenden<br />
Landwirtschaft in Birma finden.<br />
Zudem muss besonders hervorgehoben werden,<br />
dass <strong>die</strong> Erschließung eines britischen Weltreichs’<br />
nicht auf <strong>die</strong> Einflüsse und Verbindungen aus<br />
London zu reduzieren ist. Vielmehr haben viele<br />
verschiedene, auch nicht-britische Einflüsse <strong>die</strong><br />
britische Kolonialwelt geprägt und sind daher<br />
ein wichtiger Bestandteil zum Verständnis ihrer<br />
selbst.<br />
“Nor was the British World sealed off from<br />
the rest of the globe. Far from being exclusively<br />
British, many of the networks we study<br />
overlapped and intersected with other types<br />
of network, including those embedded in a<br />
wider ‘Atlantic World’, as well as in other<br />
western European (the French especially) and<br />
extra-European (Ottoman, Chinese and Russian)<br />
empires. If we are to understand how<br />
consumer, investor and merchant networks<br />
functioned in the colonies, they need to be<br />
placed in this wider international context.”®’<br />
Insgesamt war <strong>die</strong> britische Politik in den großen<br />
Reisanbaugebieten des späten 19. Jahrhunderts<br />
28
und besonders in Birma - seien es Infrastrukturmaßnahmen,<br />
Migration und Ansiedlung von<br />
Bauern oder Bemühungen gegen <strong>die</strong> Verarmung<br />
der Reisbauem - aber ein sehr wichtiger Bestandteil<br />
zur Entstehung des deutschen <strong>Reishandel</strong>s.<br />
Handel und erste europäische Kontakte<br />
in Siam<br />
Siam, das den heutigen Staaten Thailand, Kambtxlscha<br />
und Laos sowie Teilen von Malaysia,<br />
Birma und Vietnam entsprach, öffnete sich Europäern<br />
im 18. und 19. Jahrhundert weit weniger<br />
als Birma. Stattdessen orientierte sich der siamesische<br />
Handel nach Osten. Aus China gab es<br />
eine starke Reisnachfrage und da der Handel mit<br />
Reis im Gegensatz zum benachbarten Birma nur<br />
in Zeiten von Missernten verboten war, entstand<br />
ein reger Handel. Zudem gab es eine chinesische<br />
Gemeinde in Siam, <strong>die</strong> 1735 bereits 20.000 Menschen<br />
zählte. Chinesen verheirateten sich mit<br />
den lokalen Eliten und zwei von ihnen gelangten<br />
sogar <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> Position des Phrakhlang, was<br />
etwa mit einem Außen- und Finanzminister<br />
gleichzusetzen war.*® 1782 wurde Bangkok am<br />
Chao Phraya-Fluss, der neben dem Mekong und<br />
dem Saluen der wichtigste Fluss Thailands ist,<br />
gegründet, ln <strong>die</strong>ser Zeit reichte der siamesische<br />
Einflussbereich so weit nach Norden, Süden und<br />
Osten wie nie zuvor und der Außenhandel stieg<br />
stark an. Enge Kontakte nach China gab es bereits<br />
im 18. Jahrhundert und Siam wurde ein bevorzugter<br />
Reislieferant für China. Motor des<br />
Wachstums war <strong>die</strong> chinesische Immigration.<br />
Von jährlich 7.000 Immigranten in den 1820er<br />
Jahren stiegen <strong>die</strong> Einwanderungszahlen auf<br />
Jährlich 14.000 um 1870. Trotz der Rückkehr<br />
vieler Arbeitsmigranten lebten um <strong>1850</strong> circa<br />
300.000 Chinesen dauerhaft in Siam und waren<br />
<strong>die</strong> Hauptträger einer modernen Marktwirtschaft<br />
geworden.*’ Schon als 1820 <strong>die</strong> ersten Europäer<br />
nach Bangkok kamen, war der Einfluss der Chinesen<br />
nicht zu übersehen:<br />
"By the time Europeans visited the new capital<br />
in the 1820s, they found the river crammed with<br />
junks. They estimated that the Chinese formed<br />
the majority of the city population, which may<br />
have reflected their prominence if not their true<br />
proportion.”’“<br />
Von 1760 <strong>bis</strong> 1860 kam es zu einer gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen Transformation. Siam<br />
wurde zu einem Vielvölkerstaat, in dem Chinesen<br />
gesellschaftlich bedeutende Positionen erlangten.<br />
Die Gesellschaft lebte nicht länger von<br />
Sklavenarbeit, sondern es entwickelte sich eine<br />
Wirtschaftsgesellschaft. Bauern in der Region<br />
des Chao Phraya-Deltas versorgten <strong>die</strong> wachsende<br />
nicht-agrarische Bevölkerung und bauten<br />
Reis für den Export nach China an.<br />
Eine Zäsur des chinesischen Einflusses auf den<br />
Handel Siams gab es 1842 mit dem englischen<br />
Sieg im Ersten Opiumkrieg. Als Folge brach der<br />
chinesisch-siamesische Handel zusammen. 1855<br />
lud der König von Siam den Gouverneur der<br />
britischen Kronkolonie Hongkong zu Vertragsverhandlungen<br />
ein. Der daraus entstandene Bowring-Vertrag<br />
schaffte <strong>die</strong> letzten Reste königlicher<br />
Monopole ab, garantierte exterritoriale<br />
Rechte für britische Bürger, verschaffte den Briten<br />
ein Regierungsmonopol für den Import und<br />
Verkauf von Opium und setzte <strong>die</strong> Abgaben<br />
westlicher Schiffe mit denen chinesischer Schiffe<br />
gleich.’' Um <strong>die</strong> staatliche Souveränität zu bewahren,<br />
öffnete Siam sich vollständig dem Westen.<br />
Die Ende des 18. Jahrhunderts einsetzende<br />
Modernisierung des Landes sowie der Bowring-<br />
Vertrag beförderten den Handel mit Europa -<br />
dass China der wichtigste Handelspartner war,<br />
änderte sich jedoch nicht. Erst 1858 erreichte<br />
das erste direkt aus Siam kommende Schiff Bremen.<br />
Mit Siam als Ziel verließ sogar erst 1871<br />
ein Segler Bremen.’^<br />
3. Früher Ostin<strong>die</strong>n- und Asienhandel<br />
Bremens<br />
Direkte Handelskontakte zwischen Bremen und<br />
den ostindischen sowie asiatischen Ländern gab<br />
es vor 1780 nicht. Wirtschaftliche, geografische<br />
und kulturelle Erfahrungen aus Übersee gelangten<br />
trotzdem seit der Neuzeit aus erster Hand<br />
29
nach Bremen. In Diensten der europäischen Handelskompanien,<br />
besonders der Vereinigten Ostindischen<br />
Kompanie der Niederlande, erreichte<br />
eine ganze Zahl an Deutschen - unter ihnen auch<br />
Bremer Bürger- Südafrika, In<strong>die</strong>n und Asien.^^<br />
Der Bremer Kaufmann Carl Philipp Cassel war<br />
der Erste, der seine im holländischen Dienst gewonnenen<br />
Erfahrungen für eigenes Unternehmertum<br />
nutzbar machte. Cassel, 1744 in Magdeburg<br />
geboren, fuhr bereits mit nur elf Jahren<br />
zur See und war schon im Alter von 25 Jahren<br />
Kapitän der niederländischen Ostin<strong>die</strong>nkompanie.<br />
Bereits vier Jahre später ließ er sich in Bremen<br />
nieder und erwarb 1774 als reicher Mann<br />
das Bürgerrecht und <strong>die</strong> Handlungsfreiheit. Bald<br />
darauf verwirklichte er seine Pläne, eigene Schiffe<br />
nach In<strong>die</strong>n und China zu schicken. 1781 erhielt<br />
Cassel zusätzlich das Emdener Bürgerrecht<br />
und gründete dort eine Aktiengesellschaft, <strong>die</strong><br />
vom preußischen Freihafen aus einen neuen<br />
Markt erschloss. Im Februar wurde D er Präsident<br />
VON Bremen oder in Kurzform Der Präsident<br />
nach Ostin<strong>die</strong>n geschickt. Es folgte <strong>die</strong><br />
Asia im November desselben Jahres und im Dezember<br />
1783 mit der Prinz Friedrich W ilhelm<br />
VON PREUSSEN ein letztes Schiff der Aktiengesellschaft.<br />
Obwohl es keine großen Verluste und<br />
umfangreiche Ladungen gab, blieben <strong>die</strong> erhofften<br />
wirtschaftlichen Erfolge der Reisen aus. Nach<br />
einer zweiten Reise der Prinz Friedrich Wilhelm<br />
VON PREUSSEN wurde das erste Kapitel<br />
Bremer Kaufmannschaft in Ostin<strong>die</strong>n beendet.®'*<br />
Ob Reis schon zu den gehandelten Waren gehörte,<br />
ist nicht mehr nachzuvollziehen, möglich<br />
ist es aber.®^ Entscheidend ist, dass Carl Philipp<br />
Cassel der erste Bremer Kaufmann war, der in<br />
Ostin<strong>die</strong>n und Asien Geschäfte machte, und damit<br />
den Grundstein für einen Handel legte, dessen<br />
wichtigstes Gut ab der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
der Reis wurde.<br />
Für einen dauerhaften Handel fehlte es jedoch<br />
an Infrastruktur in Ostin<strong>die</strong>n und Asien. Weder<br />
konnten Bremer Kaufleute ohne andere europäische<br />
Zwischenhändler Ladung einkaufen<br />
noch konnten sie - und das war das viel gravierendere<br />
Problem - dort Exportgüter absetzen.<br />
Für <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit waren Hinfrachten<br />
aber dringend notwendig. Es fehlte an Handelsniederlassungen<br />
Bremer Kaufleute, <strong>die</strong> Einkauf<br />
und Verkauf der Frachten regelten, und tatsächlich<br />
löste sich <strong>die</strong>se Schwierigkeit erst mit den<br />
ersten hanseatischen Handelsniederlassungen.*<br />
Wie dünn <strong>die</strong>se aber noch Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
gesät waren, zeigt eine Statistik der<br />
Bremer Weser-Zeitung, nach der es 1846 227<br />
hanseatische Handelsniederlassungen weltweit<br />
gab, von denen aber nur sieben in Ostin<strong>die</strong>n und<br />
Asien angesiedelt waren.®® Ein weiteres Problem<br />
waren <strong>die</strong> politischen Handelsbeschränkungen<br />
wie <strong>die</strong> schon angesprochene Navigationsakte.<br />
Nach einem Vertrag der Hansestädte Hamburg.<br />
Lübeck und Bremen mit England von 1827 durften<br />
hanseatische Schiffe Waren in englische<br />
Überseehäfen einführen und waren bei der Bemessung<br />
von Zöllen anderen Nationen gleichgestellt.<br />
Gegenüber englischen Schiffen waren<br />
sie aber durch Differentialzölle benachteiligt und<br />
der englische Handel entsprechend bevorteilt.*<br />
Erst 1841 wurde mit einem Zusatzvertrag <strong>die</strong><br />
britische Navigationsakte weiter zurückgedrängt<br />
und <strong>die</strong>se Benachteiligung aufgehoben. Alle Waren,<br />
<strong>die</strong> englische Schiffe in <strong>die</strong> Kolonien einführten,<br />
durften nun auch hanseatische Schiffe<br />
ohne höhere Abgaben einführen. Zudem wurden<br />
alle Kolonialwaren auf hanseatischen Schiffen<br />
für nicht-englische Häfen genauso besteuert wie<br />
<strong>die</strong> Waren englischer Exporteure auf Schiffen<br />
unter englischer Flagge.®®<br />
Mit dem Zusatzvertrag von 1841 kam es zu einem<br />
leichten Handelsaufschwung mit Ostin<strong>die</strong>n<br />
und Asien. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde<br />
immer offensichtlicher, dass <strong>die</strong> englische Navigationsakte<br />
so weit korrigiert und auch vom<br />
Handel ignoriert war, dass sie freien Handel<br />
kaum noch beschränkte. Schon 1845 wurden<br />
nach Lührs bereits 80 Prozent des bremischen<br />
Reises direkt aus Übersee importiert."® Der größte<br />
Teil davon dürfte noch aus Nordamerika gekommen<br />
sein. Die Entwicklung, <strong>die</strong> wenige Jahre<br />
später Birma zum größten Reisexporteur der<br />
Welt machte, war aber unaufhaltsam angestoßen.<br />
T"<br />
30
Der Wert des in Bremen eingeführten Reises<br />
schwankte zwischen 1824 und 1838 beträchtlich<br />
von etwa 125.000 <strong>bis</strong> über 220.000 Reichstalem.'®'<br />
Die Einfuhr aus Ostin<strong>die</strong>n hatte 1848<br />
auch nur einen Wert von knapp 110.000 Reichslalem,<br />
sechs Jahre später lag er schon bei etwa<br />
400.000 Reichstalem und 1856 war er auf<br />
1.860.513 Reichstaler geschnellt.'“ Ebenso lässt<br />
sich <strong>die</strong>.se Entwicklung an Schifffahrtszahlen<br />
deutlich machen: Noch 1836 gab es von der Weser<br />
keinen direkten Verkehr zu den ostindischen<br />
Reishäfen. 1846 kamen zwei Schiffe an, aber<br />
keines wurde direkt zu den Reishäfen expe<strong>die</strong>rt.<br />
1856 kamen 39 Schiffe an und 13 gingen ab.<br />
1866 waren es dann bei zehn abgehenden Schiffen<br />
schon 69 Schiffe, <strong>die</strong> Bremen direkt<br />
anliefen.'“ Zudem weist Glade darauf hin, dass<br />
viele bremische Reisschiffe in der Statistik nicht<br />
auftauchen, weil sie <strong>die</strong> Verladehäfen in Ostin<strong>die</strong>n<br />
mit dem Ziel Englischer Kanal verließen.<br />
So konnten <strong>die</strong> Kaufleute besser auf <strong>die</strong> europäische<br />
Nachfrage reagieren und legten den Zielhafen<br />
erst fest, wenn das Schiff den Kanal erreicht<br />
hatte.<br />
4. Entwicklung des Mühlenhandwerks und<br />
der Reismüllerei<br />
Zur Verarbeitung des in Europa ankommenden<br />
Reises bedurfte es spezieller Mühlen. Das Mühlenhandwerk<br />
entwickelte sich über einen Zeitraum<br />
von 100 Jahren so, dass zur Mitte des 18.<br />
Jahrhunderts in Europa und Amerika von einer<br />
Mühlenindustrie gesprochen werden kann. Der<br />
erste Schritt war <strong>die</strong> Entwicklung von Kunstmühlen.<br />
Diese hatten einen mehrgeschossigen<br />
Aufbau und nutzten Wasserkraft zur Bewegung<br />
der Mühleinrichtungen. Der entscheidende Unterschied<br />
zu älteren Mühlen war der Grad der<br />
Automatisiening. Es wurde wenig Handarbeit<br />
benötigt und durch <strong>die</strong> Nutzung von Förderwerken<br />
war ein fast unterbrechungsloser Mahlvorgang<br />
möglich. Die Verarbeitungsmengen einer<br />
einzelnen Mühle stiegen rapide an. In Amerika<br />
w urde <strong>die</strong> Entwicklung von Kunstmühlen angestoßen<br />
und in England perfektioniert. Dabei führte<br />
<strong>die</strong> industrielle Revolution auch in der Müllerei<br />
zu einschneidenden Veränderungen. Eiserne<br />
Mahlgestänge und Zahnkränze ermöglichten<br />
bessere Übersetzungen und damit höhere Drehzahlen<br />
der Mahlsteine, was wiederum eine Produktivitätssteigerung<br />
brachte. Die wichtigste<br />
Neuerung aber war <strong>die</strong> Nutzung von Dampfkraft.<br />
Die erste dampfgetriebene Mühle wurde<br />
1784 in London gebaut. Durch Dampfmaschinen<br />
stand den Mühlen eine sehr starke, vor allem<br />
aber gleichmäßige und von Wind und Wasser<br />
unabhängige Antriebskraft zur Verfügung. Damit<br />
waren Mühlen nicht mehr an bestimmte<br />
Standorte gebunden, sondern wurden zu Fabriken,<br />
deren Standorte nach logistischen und anderen<br />
wirtschaftlichen Aspekten ausgesucht wurden.<br />
In der deutschen Müllerei wurden erst knapp 40<br />
Jahre später, um 1820, <strong>die</strong> ersten Großmühlen<br />
in Berlin und Magdeburg gebaut.'“ Die erste<br />
dampfgetriebene Mühle in Bremen gründete<br />
1826 Johann Henrich Buschmann, allerdings<br />
blieb ihm ein langfristiger Erfolg noch verwehrt<br />
und er stellte <strong>die</strong> Müllerei wieder ein. 1837 folgte<br />
in Bremen durch Christoph Poppe, einem Zimmermeister,<br />
<strong>die</strong> Einrichtung der zweiten Bremer<br />
Dampfmühle und 1839 errichtete Carl Ferdinand<br />
Nielsen <strong>die</strong> dritte dampfgetriebene Mühle in Bremen.'®^<br />
Mit der Etablierung von Dampfkraft zum<br />
Betrieb der Industriemühlen wurde eine wichtige<br />
Voraussetzung zur Entstehung der deutschen<br />
Reismüllerei geschaffen.<br />
Eine dampfgetriebene Reismühle<br />
in Flensburg<br />
Die älteste deutsche Reismühle gründete 1833<br />
der Flensburger Bürgermeister Hans Thomsen<br />
Fries.'®* Über <strong>die</strong> dort verarbeiteten Reissorten,<br />
Bezugshäfen, Quantitäten und Absatzgebiete ist<br />
nicht viel bekannt. Gut dokumentiert ist aber <strong>die</strong><br />
Entwicklung des 1809 gegründeten Handelshauses<br />
H. C. Kallsen, deren Familiengeschichte hier<br />
kurz aufgerollt wird, um zu zeigen, dass der Einstieg<br />
in <strong>die</strong> Reismüllerei nicht zufällig ist, sondern<br />
einem Ereignismuster folgt, wie es auch<br />
31
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bei den später gegründeten Bremer Reismühlen<br />
zu sehen sein wird.<br />
1720 ließ sich <strong>die</strong> erste Generation der Familie<br />
Kallsen in Flensburg nieder und betrieb eine<br />
Schnapsbrennerei. In der zweiten Generation begann<br />
mit Jürgen Kallsen ein sozialer und wirtschaftlicher<br />
Aufstieg. Aus der Schnapsdestille<br />
wurde eine Branntweinbrennerei und Jürgen<br />
Kallsen war zugleich Reeder. Eine Branntweinbrennerei<br />
und eine Reederei scheinen als gemeinsames<br />
Geschäftsfeld sehr sinnvoll, denn<br />
Kallsen konnte so im Küstenverkehr Rohrzucker<br />
aus Dänisch-Westin<strong>die</strong>n von den nahen dänischen<br />
Häfen zur weiteren Verarbeitung in <strong>die</strong><br />
familieneigene Brennerei transportieren. In der<br />
dritten Generation wurde <strong>die</strong> Alkoholherstellung<br />
aufgegeben. Lorentz Kallsen war Weißbrotbäcker<br />
und Obermeister der Bäckerinnung Flensburg.<br />
Er war zwar nicht mehr alleiniger Reeder,<br />
war als Partenreeder aber immer noch in der<br />
Schifffahrt engagiert. In der vierten Generation<br />
wandten sich <strong>die</strong> Kallsens dann der Müllerei zu.<br />
Hinrich Christian Kallsen, 1787 geboren, übernahm<br />
als Bäcker 1805 mit nur 18 Jahren den<br />
Betrieb seines Vaters. Ebenso wie <strong>die</strong>ser war er<br />
auch als Partenreeder aktiv. Und das nicht nur<br />
in Küstenfahrt, sondern im transatlantischen Verkehr.<br />
Er erkannte, dass Rum und Zucker aus<br />
Westin<strong>die</strong>n nicht länger als alleinige Ladung<br />
ausreichten, um <strong>die</strong> Reederei gewinnbringend<br />
zu betreiben. Daher ließ er in South Carolina<br />
Reis laden. Mit der Frage des Absatzes konfrontiert,<br />
kaufte Hinrich Christian Kallsen am 1. Oktober<br />
1858 <strong>die</strong> von Hans Thomsen Fries 25 Jahre<br />
zuvor gegründete Reismühle, erwarb weitere<br />
Grundstücke, vergrößerte <strong>die</strong> Mühle und modernisierte<br />
<strong>die</strong> technischen Einrichtungen. Wirtschaftliche<br />
Überlegungen eines Reeders zur Sicherung<br />
der Verarbeitung und des Absatzes von<br />
Ladungsgut waren der Auslöser, dass <strong>die</strong> Flensburger<br />
Reismühle so instand gesetzt wurde, dass<br />
sie größere Reislieferungen verarbeiten konnte.<br />
Neben dem Reis aus Amerika ließ Kallsen bald<br />
auch Reis aus Ostin<strong>die</strong>n kommen und folgte so<br />
der Verschiebung der bedeutsamsten Anbaugebiete<br />
von Amerika nach Asien.“®<br />
32<br />
Die Bremer Wirtschaftslage um <strong>1850</strong><br />
1<br />
Die Wirtschaft in Bremen befand sich Mitte des<br />
19. Jahrhunderts in einem Spannungsfeld zwischen<br />
noch bestehenden alten Zunftordnungen,<br />
wirtschaftsliberalen Ideen, <strong>die</strong> sich seit der napoleonischen<br />
Zeit Bremens immer stärker entwickelt<br />
hatten, und der Tatsache, dass Bremen<br />
seit 1854 komplett von Zollvereinsländern umschlossen<br />
war. Gerade <strong>die</strong>s erschwerte den Absatz<br />
Bremer Fabrikerzeugnisse erheblich, obwohl<br />
in Bremen wenigstens bei allen Schifffahrtsabgaben<br />
<strong>die</strong> Schiffe aus Zollvereinsländern den<br />
heimatlichen Schiffen gleichgestellt wurden.<br />
Auch Arbeitskräfte, für eine große Industrie unabkömmlich,<br />
waren in Bremen nicht unbegrenzt<br />
vorhanden. Zudem war das Lohnniveau von Arbeitern<br />
in Bremen recht hoch, was Bremen zu<br />
einem unattraktiven Standort für Industrielle<br />
machte. Außenhandel und Schifffahrt hatten<br />
sich seit dem beginnenden Jahrhundert denncKh<br />
prächtig entwickelt. Während der Kontinentalsperre<br />
hatte von 1807-1811 kein einziges Schiff<br />
aus Amerika, Ost- oder Westin<strong>die</strong>n Bremen erreicht<br />
und <strong>die</strong> Bremer Handelsflotte war praktisch<br />
beschäftigungslos.'" Mit dem Ende def<br />
Kontinentalsperre änderte sich <strong>die</strong>s jedoch rasch.<br />
Der Handel mit Nordamerika stieg rasant an und<br />
wuchs, unterstützt durch einen Handelsvertrag<br />
1827, nicht nur im Volumen, sondern wurde immer<br />
mehr durch bremische Schiffe abgewickelt.<br />
Im Schatten <strong>die</strong>ses wirtschaftlichen Aufschwungs<br />
entwickelte sich auch das verarbeitende<br />
Gewerbe in Bremen.<br />
Die Entwicklungsmöglichkeiten für Industriebetriebe<br />
waren auf den ersten Blick schlecht.<br />
Entscheidend war aber, dass <strong>die</strong> restriktive Gewerbeordnung<br />
hinterfragt wurde und <strong>die</strong> Einführung<br />
der Gewerbefreiheit in Bremen ab <strong>1850</strong><br />
eines der wichtigsten politischen Themen war.<br />
Die Bürgerschaftsdeputation, <strong>die</strong> 1858 eingerichtet<br />
wurde, um eine Empfehlung in der Frage<br />
der Gewerbefreiheit zu erarbeiten, war mit zwölf<br />
Mitgliedern eine sehr große und unterstreicht<br />
damit <strong>die</strong> Bedeutung, <strong>die</strong> dem Thema zugemessen<br />
wurde."^ Die Deputation sprach sich letztlich
für <strong>die</strong> Gewerbefreiheit aus und nachdem der<br />
Senat <strong>die</strong> alte Gewerbeordnung in den vorangegangenen<br />
Jahren bereits regelmäßig durch Ausnahmegenehmigungen<br />
außer Kraft gesetzt hatte,<br />
wurde <strong>die</strong> Gewerbefreiheit 1861 gesetzlich eingeführt.<br />
Damit hatten sich in Bremen liberale<br />
Wirt.schaftsinteressen durchgesetzt und eine entsprechend<br />
liberale Wirtschaftspolitik war für <strong>die</strong><br />
kommenden Jahre zu erwarten."'' Daher war in<br />
naher Zukunft nicht mit dem Anschluss Bremens<br />
an den Zollverein zu rechnen. Dies begründet,<br />
warum <strong>die</strong> Veredelung von Reis in Bremen ein<br />
lohnendes Geschäft zu werden versprach und<br />
Bremen sich neben Liverpool zu dem europäischen<br />
Platz für Reisimporte, -Veredelung und<br />
-exporte entwickeln konnte: Der aus Übersee<br />
eingeführte Reis konnte in Bremen veredelt werden<br />
und <strong>die</strong> Reismüller mussten sich kaum mit<br />
den Nachteilen des Absatzes der Bremer Industrie<br />
in den Zollvereinsländem auseinandersetzen,<br />
weil ein großer Teil der Ware nach der Bearbeitung<br />
wieder exportiert wurde und somit gar nicht<br />
von den Zollbehörden erfasst wurde.<br />
Bremer Reismühlen<br />
ln ein Klima zunehmend liberaler Wirtschaftspolitik<br />
fallen <strong>die</strong> Anfänge der bremischen Reisindustrie.<br />
Die Ersten, <strong>die</strong> sich in Bremen der<br />
Reismüllerei zuwandten, waren <strong>die</strong> Brüder Anton<br />
und Carl Friedrich Nielsen. Der ältere Carl<br />
Friedrich übernahm sehr jung das Versandgeschäft<br />
und den Tabakhandel seines Vaters, wech-<br />
.selte jedoch bald das Geschäftsfeld und kaufte<br />
eine Kalkbrennerei. 1837 schloss er der Kalkbrennerei<br />
eine Zementmühle an, <strong>die</strong> zwei Jahre<br />
später nicht länger mit einem Mühlenpferd, sondern<br />
mit Dampfkraft angetrieben wurde. Zugleich<br />
richtete er eine Getreidemühle ein, auch<br />
wenn <strong>die</strong> Erzeugnisse - aus dem Mehl wurde<br />
vor allem Schiffsbrot gebacken - auf Grand der<br />
noch bestehenden Gewerbeordnung nur für den<br />
Export verkauft werden durften. Gemeinsam mit<br />
dem inzwischen in das Geschäft eingetretenen<br />
Bmder Anton begann Nielsen 1841 als weiteres,<br />
später jedoch wieder aufgegebenes Geschäftsfeld,<br />
Bretter für Zigarrenkisten zuzuschneiden.<br />
Das wichtigere Ereignis des Jahres 1841 waren<br />
aber <strong>die</strong> ersten Versuche der Brüder Nielsen,<br />
Reis zu schälen und zu polieren."* Vorerst wurde<br />
<strong>die</strong> Reisveredelung von der Firma Gebrüder<br />
Nielsen nicht betrieben, weil sie sich ab 1845<br />
erfolgreich auf <strong>die</strong> Herstellung von Zucker konzentrierte.<br />
Anton Nielsen aber Heß sich 1855<br />
vom Senat eine dampfgetriebene Reismühle genehmigen<br />
und machte sich in der Neustadt, gegenüber<br />
dem am Bremer Stephani-Ufer liegenden<br />
Stammhaus, alleine in der Reismüllerei selbständig.<br />
Doch nur sieben Jahre später, 1862,<br />
widmete sich das Stammhaus der Brüder Nielsen<br />
auch der Reisverarbeitung und gemeinsam waren<br />
<strong>die</strong> beiden Nielsen-Mühlen <strong>die</strong> vorerst wichtigsten<br />
Wettbewerber der jungen Bremer Reisindustrie."’'<br />
Eine weitere Bremer Reismühle, <strong>die</strong> ihre große<br />
Bedeutung aber erst nach einigen Besitzerwechseln<br />
Anfang der 1870er Jahre erhalten sollte,<br />
geht ebenfalls auf das Jahr 1837 zurück. Dort<br />
wurde eine Mühle im nordwestlich von Bremen<br />
gelegenen St. Magnus an der Lesum gegründet,<br />
<strong>die</strong> ihr Weizenmehl erfolgreich in Bremen absetzte.<br />
Das führte dazu, dass sich ihr Besitzer,<br />
der bereits genannte Bremer Dampfmühlenpionier<br />
Johann Henrich Buschmann, nach Bremen<br />
orientierte und in der Neustadt ein Grundstück<br />
erwarb, um direkt am bekannten Absatzmarkt<br />
zusätzlich in <strong>die</strong> Reismüllerei einzusteigen."**<br />
Aber statt <strong>die</strong>se Pläne zu verwirklichen, verkaufte<br />
er das Grundstück an Friedrich Konitzky. Dieser<br />
mühte sich um eine Senatsgenehmigung zum<br />
Mahlen von Reis und begann nach erfolgter Erlaubnis<br />
im Dezember 1858 mit der Reisveredelung.<br />
Weniger als zwei Jahre später wechselte<br />
<strong>die</strong> Mühle wiederum den Besitzer. Der Franzose<br />
Louis Eduard Ichon, der seit 1843 das Bremer<br />
Bürgerrecht besaß und als Unternehmer sowie<br />
zeitweise als Schiffsmakler in der Dampfschifffahrt<br />
und im Auswandererverkehr aktiv war, wurde<br />
auch noch zum Getreide- und Reismüller.<br />
Seit 1858 gab es in Bremen also zwei und ab<br />
1862 sogar drei Reismühlen, <strong>die</strong> erfolgreich den<br />
Aufschwung des internationalen <strong>Reishandel</strong>s für<br />
33
ihre Zwecke nutzten. Zugleich aber stieg <strong>die</strong><br />
Nachfrage nach Reis aus Bremen und <strong>die</strong> Hansestadt<br />
wurde zu einem wichtigen europäischen<br />
Handelsplatz für das Korn aus Amerika und<br />
Asien. Obwohl es für den Handel von Reis in<br />
das Bremer Umland keine verlässlichen Zahlen<br />
gibt, lässt sich bereits für <strong>die</strong> Jahre 1836 <strong>bis</strong><br />
1842 festhalten, dass <strong>die</strong> Reisexporte ins direkte<br />
Umland nach Hannover, Osnabrück und Wildeshausen<br />
weniger als 14 Prozent ausmachten.<br />
Der Export des veredelten Reises war das größere<br />
Geschäftsfeld des entstehenden Bremer<br />
<strong>Reishandel</strong>s. „Das abwechselnde Hervortreten<br />
von Kleinkaufleuten und Handwerkern, also in<br />
keinem Fall ursprünglichen Großunternehmern“<br />
machte <strong>die</strong> aus der Dampfmüllerei hervorgehende<br />
Reisverarbeitung zu einem wichtigen Industriezweig<br />
in Bremen.Den nächsten wichtigen<br />
Entwicklungsschritt mit bedeutender Dynamik<br />
erfuhr <strong>die</strong>se Industrie, als sich am 1. Juli 1872<br />
Rickmer Glasen Rickmers (1807-1886) mit einer<br />
Einlage von 112.000 Mark an der Firma Ichon<br />
& Co. beteiligte.<br />
5. Fazit<br />
Auf vielfältige Weise wurden <strong>bis</strong> Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts <strong>die</strong> Voraussetzungen für <strong>die</strong> europäische<br />
und besonders <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
geschaffen. Die deutsche und <strong>die</strong> englische Reismüllerei<br />
verband <strong>die</strong> Tatsache, dass sie sich in<br />
keinem rein regionalen oder nur nationalen Rahmen<br />
entwickelten, sondern verschiedene Ereignisse<br />
auf vier Kontinenten <strong>die</strong> Ausgangslage<br />
schufen, auf der sich der deutsche <strong>Reishandel</strong><br />
entwickeln konnte.<br />
Besondere Bedeutung erlangten politische Entscheidungen.<br />
In London und Liverpool entstanden<br />
<strong>die</strong> ersten großen Reismühlen in Europa,<br />
weil <strong>die</strong> englischen Navigationsgesetze den<br />
Großteil der amerikanischen Reisexporte nach<br />
England kanalisierten. Mit der Abschaffung der<br />
Navigationsgesetze wurde 1849 der Beginn einer<br />
Freihandelsära eingeläutet, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Benachteiligung<br />
Bremer Schiffe in den britischen Häfen in<br />
Asien beendete und damit wirtschaftlichen Wettbewerb<br />
in den sich gerade entwickelnden Reishäfen<br />
ermöglichte. Gleichzeitig setzen sich in<br />
Bremen wirtschaftsliberale Vorstellungen durch<br />
und boten bremischen Unternehmern <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
<strong>die</strong> Chancen der veränderten englischen<br />
Handelspolitik zu nutzen. In Bremen ebnete <strong>die</strong><br />
endgültige Einführung der Gewerbefreiheit den<br />
Weg für ein industrialisiertes Reisverarbeitungsgewerbe.<br />
Die Eroberung der Küstengebiete Birmas war<br />
für den dort entstehenden Reisanbau ebenso bedeutsam<br />
wie <strong>die</strong> zwangsweise Öffnung Siam^<br />
für europäische Händler. In Asien eröffneten sich<br />
neue Handelsmöglichkeiten und <strong>die</strong> dort entstehende<br />
Landwirtschaft wurde binnen kurzer Zeit<br />
der wichtigste Lieferant der deutschen Reismiülerei.<br />
Migrationsströme waren ein weiterer bedeutsamer<br />
Punkt für den entstehenden Welthandel mit<br />
Reis. Nachdem der Reisanbau mit weißen Vertragsarbeitern<br />
gescheitert war, konnte Reisanbau<br />
nur durch <strong>die</strong> Arbeit afrikanischer Sklaven wirtschaftlich<br />
umgesetzt werden. Diese erzwungene<br />
Arbeitsmigration profitierte zudem vom kulturellen<br />
Wissen der Sklaven, <strong>die</strong> Fähigkeiten im<br />
Reisanbau aus Afrika in <strong>die</strong> Plantagen-Wirtschaft<br />
einbrachten. Nach der britischen Eroberung Birmas<br />
waren Migranten aus In<strong>die</strong>n und China<br />
Hauptträger der Kultivierung von Reisfeldern,<br />
ln Siam gab es ebenfalls eine nennenswerte Zahl<br />
von Einwanderern, <strong>die</strong> besonders im asiatischen<br />
Handel wichtige Stellungen erlangten. Zudem<br />
ist <strong>die</strong> Situation Siams um <strong>1850</strong> ein wichtiger<br />
Hinweis darauf, dass sich der Handel mit Reis<br />
nicht nur auf einen europäischen Fokus konzentrierte,<br />
sondern tatsächlich auch im asiatischen<br />
Umfeld von Bedeutung war. Die Geschichte des<br />
<strong>Reishandel</strong>s ist eine globalisierte Geschichte,<br />
<strong>die</strong> nicht auf eine eurozentristische Sichtweise<br />
verengt werden kann - auch wenn <strong>die</strong> für den<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong> natürlich im Vordergrund<br />
stehen muss.<br />
Wurde der Reis mit Schiffen von Asien oder<br />
Amerika nach Europa transportiert, kam es<br />
durchaus noch vor, dass <strong>die</strong> Ladung auf der Reise<br />
verdarb, und trotzdem wurde Reis immer mehr<br />
34
als lohnende Rückfracht der Auswandererschiffe<br />
nach Amerika wahrgenommen. Des Weiteren<br />
nickten <strong>die</strong> asiatischen Reishäfen gleichsam näher<br />
an Europa, weil sie regelmäßiger angelaufen<br />
^surden und wirtschaftliches Engagement dort<br />
besser umgesetzt werden konnte.<br />
Zuletzt waren Mitte des 19. Jahrhunderts wichtige<br />
technologische Voraussetzungen für den<br />
deut.schen <strong>Reishandel</strong> geschaffen. Die Nutzung<br />
der Dampfkraft in der Müllerei hatte den Kanal<br />
übersprungen und wurde auch in Deutschland<br />
llächendeckend eingesetzt. Erst jetzt konnte Reis<br />
im industriellen Stil verarbeitet werden. Darüber<br />
hinaus zeichnete sich <strong>die</strong> Durchsetzung von<br />
Dampfern in der Schifffahrt ab, was Transportzciten<br />
kürzer und verlässlicher machte. Zudem<br />
zeigen verschiedene Patente, wie in der Reis-<br />
\erarbeitung und durch Bewässerungsmethoden<br />
im Anbau <strong>die</strong> Emteerträge und <strong>die</strong> verwertbaren<br />
.Mengen nach der Veredelung anstiegen. Reisanbau<br />
und -Verarbeitung wurden immer mehr<br />
zu einem lohnenden Geschäft.
Kapitel II<br />
Die Entwicklung des internationalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
(1855-1877)<br />
1. Die Familie Rickmers: Schiffbauer, Reeder<br />
und Reismiiller<br />
Die englische Kontinentalsperre im Konflikt mit<br />
Napoleon führte dazu, dass Helgoland im September<br />
1807 durch <strong>die</strong> britische Besetzung zur<br />
Kolonie des Vereinigten Königreichs von Großbritannien<br />
und Irland wurde. Das brachte es mit<br />
sich, dass <strong>die</strong> Bewohner Helgolands zu englischen<br />
Staatsbürgern wurden. Da der Schiffsverkehr<br />
fast vollständig zum Erliegen kam, wurde<br />
der Lotse und Fischer Peter Andreas Rickmers<br />
(1782-1873) im Nebenerwerb zum Schmuggler.<br />
Der Schmuggel auf der Route von Helgoland<br />
nach Bremen gehörte zu den einträglichsten Geschäften<br />
jener Zeit, und soweit es Bremen noch<br />
möglich war, das Hinterland mit Kolonialwaren<br />
zu versorgen, hatten <strong>die</strong>se zuvor <strong>die</strong> Hansestadt<br />
über den Schleichhandel mit Helgoland erreicht.Als<br />
Kolonialwaren bezeichnete man<br />
Tabak, Baumwolle, Zucker und auch Reis. Obwohl<br />
<strong>die</strong>se Tatsache keinen Zusammenhang mit<br />
dem späteren Einstieg der Familie in <strong>die</strong> Reismüllerei<br />
hat, hing an <strong>die</strong>ser Stelle der wirtschaftliche<br />
Erfolg der Familie Rickmers erstmals mit<br />
Reis als einer der möglichen geschmuggelten<br />
Kolonialwaren zusammen. Im verbotenen Küstenhandel<br />
mit englischen Kolonialwaren von<br />
Helgoland nach Bremen war Peter Andreas Rickmers<br />
so erfolgreich, dass er <strong>die</strong> Mittel hatte, seinen<br />
am 6. Januar 1807 geborenen Sohn Rickmer<br />
Glasen Rickmers 1815 auf dem Festland zur<br />
Schule zu schicken. In Hooksiel, einem Sielhafen<br />
im Jeverland, begann Rickmer Glasen Rickmers<br />
seine Schulausbildung, <strong>die</strong> er später dann doch<br />
auf der Helgoländer Dorfschule beendete. 1824<br />
begann er eine dreijährige Ausbildung zum<br />
Schiffbauer bei einem Helgoländer Schiffbaumeister.<br />
Zur Vertiefung seiner Kenntnisse heuerte<br />
Rickmer Glasen Rickmers als Schiffszimmermann<br />
an und fuhr <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> Karibik und nach<br />
Rio de Janeiro, wo er mehrere Monate auf einer<br />
Werft seine Fähigkeiten erweiterte. Nach seiner<br />
Rückkehr 1828 überbrückte er den Winter bei<br />
einem Schiffbauer auf St. Pauli nahe Hamburg,<br />
bevor er zu einer zweiten Reise aufbrach, <strong>die</strong><br />
erst 1830 wieder auf Helgoland endete.<br />
Nach seiner Rückkehr wollte sich Rickmer Glasen<br />
Rickmers mit Margaretha Reimers, kurz Etha<br />
gerufen, vermählen. Beide Familien lehnten <strong>die</strong>s<br />
jedoch ab. Die Eltern waren zerstritten, weil der<br />
Vater der Braut als Rechtsberater der Besatzer<br />
aus England arbeitete, Peter Andreas Rickmers<br />
<strong>die</strong> britische Besatzung aber ablehnte. Um <strong>die</strong>sen<br />
Konflikt zu umgehen, heirateten <strong>die</strong> Brautleute<br />
am 14. August 1831 heimlich und ohne den Segen<br />
der Eltern auf dem Festland in Esens. Nach<br />
einer kurzzeitigen Rückkehr nach Helgoland siedelte<br />
das Paar 1832 endgültig in das kurz zuvor<br />
gegründete Bremerhaven über.*^^<br />
Im frühen 19. Jahrhundert wurde es Schiffen zunehmend<br />
unmöglich, den Hafen von Bremen zu<br />
erreichen. Die Weser war versandet und Handelsschiffe<br />
mussten ihre Waren im zu Oldenburg<br />
gehörenden Hafen von Brake oder noch weiter<br />
weseraufwärts ln kleinere Kähne oder auf Karren<br />
umladen. Dies schwächte <strong>die</strong> Position Bremens<br />
als Handelsstadt beträchtlich. Zudem wurde der<br />
Handel durch <strong>die</strong> oldenburgischen Weserzölle<br />
erschwert. Ein erster Schritt zur Lösung <strong>die</strong>ser<br />
Missstände aus Bremer Sicht war, dass Johann<br />
Smidt im Mai 1820 auf dem Verhandlungsweg<br />
<strong>die</strong> Aufhebung der Oldenburger Zölle erreichte.<br />
Das war den Bremern aber nicht genug. Um Anschluss<br />
an den Welthandel zu erlangen, der mit<br />
der wirtschaftlichen Erschließung Mittel- und<br />
Südamerikas sowie Asiens deutlich dynamischer<br />
wurde, wurde über einen eigenen Hafen an der<br />
Wesermündung nachgedacht. Daher wurde in<br />
der Folge mit England und Hannover über <strong>die</strong><br />
36
Abtretung eines Gebiets an der Geestemündung<br />
verhandelt. Im April 1827 schließlich gelang<br />
<strong>die</strong>ses Ansinnen mit der Unterzeichnung eines<br />
Staatsvertrages. Durch einen Flächentausch an<br />
anderer Stelle wurde eine 25 ha große Fläche an<br />
Bremen übertragen, das <strong>bis</strong> auf <strong>die</strong> militärische<br />
Oberhoheit volle Hoheitsrechte für das Gebiet<br />
von Hannover erhielt. Der Bau eines Hafens begann<br />
umgehend und selbiger konnte im September<br />
1830 eröffnet werden. Im selben Jahr erst<br />
stimmten Senat und Bürgerschaft in Bremen für<br />
einen detaillierten Plan zur Wohnbebauung und<br />
.Ansiedlung in Bremerhaven. Somit gehörte<br />
Rickmer Glasen Rickmers zu den ersten Bürgern<br />
Bremerhavens und zählte zu einer Reihe von<br />
.Abenteurern“, weil sich dort niederzulassen bedeutete,<br />
..ein Risiko einzugehen und <strong>die</strong> eigene Existenz<br />
aufs Spiel zu setzen, denn der junge Hafenort<br />
hatte zu <strong>die</strong>ser Zeit das Stadium eines<br />
Experiments noch nicht durchlaufen. Gerade<br />
in den ersten Jahren nach Eröffnung des Hafens<br />
bestand angesichts der massiven Kritik<br />
an der neuen Anlage keine zwingende Notwendigkeit,<br />
<strong>die</strong> Zukunft des Ortes optimistisch<br />
zu beurteilen.“'“<br />
Bei der Schiffswerft von Cornelius Jantzen Cornelius.<br />
der ersten Bremerhavener Werft, fand<br />
Rickmer Cla.sen Rickmers eine Anstellung als<br />
Meisterknecht und konnte dort mit seiner Frau<br />
wohnen. Neben dem Bau von Weserkähnen für<br />
Cornelius durfte er, wenn <strong>die</strong> Werft nicht voll<br />
ausgelastet war, auf eigene Rechnung Schiffe<br />
bauen. Noch 1832 legte er den ersten eigenen<br />
Bau, eine 18 Fuß'^^ lange Schaluppe, auf Kiel.<br />
Sein erstes .selbst gebautes Schiff war also ein<br />
etwa fünfeinhalb Meter langes, einmastiges Segelboot.<br />
Neben der Arbeit bei Cornelius und den<br />
eigenen ersten Bauten ver<strong>die</strong>nte sich Rickmer<br />
Cla.sen Rickmers sein Geld mit Lotsenfahrten<br />
im Weserraum und der gesamten Deutschen<br />
Bucht <strong>bis</strong> Helgoland und unregelmäßig, aber ertragreich,<br />
mit der Bergung von Strandgut havarierter<br />
Schiffe. Dabei war er so erfolgreich, dass<br />
er 18.34 ein eigenes Grundstück pachten, darauf<br />
ein Haus bauen und bei Cornelius kündigen<br />
konnte. Zugleich gründete Rickmer Ciasen Rickmers<br />
seine eigene Werft, was recht einfach war,<br />
da der Schiffbau nicht zunftständisch beschränkt<br />
war. Dabei fiel seine Betriebsgründung in eine<br />
Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs der gesamten<br />
Weserregion, <strong>die</strong> besonders von der zunehmenden<br />
Auswanderung über Bremen profitierte.<br />
Entsprechend schnell bekam er Aufträge<br />
und baute Segelschiffe um, so dass <strong>die</strong> Reeder<br />
Zwischendeckspassagiere nach Übersee, vor allem<br />
Nordamerika bringen konnten. Im folgenden<br />
Jahr, 1835, wurde Rickmer Ciasen Rickmers<br />
zum Bremer Bürger, indem er vor einer Kommission<br />
des Bremer Senats den Bürgereid ablegte.<br />
Im selben Jahr wurde als zweites Kind<br />
und erster Sohn Andreas Ciasen Rickmers geboren.<br />
Gemeinsam machten Vater und Sohn<br />
Rickmers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
Bremen in nur wenigen Jahren zu einem<br />
der wichtigsten Handelsplätze für Reis weltweit.<br />
Um 1840 war Rickmer Ciasen Rickmers im<br />
Schiffbau so etabliert, dass er sich hauptsächlich<br />
auf Schiffsneubauten konzentrieren konnte und<br />
das Reparaturgeschäft nebensächlich wurde. Des<br />
Weiteren wurde auf dem Werftgelände eine<br />
Schmiede eingerichtet, in der <strong>die</strong> benötigten Eisenteile<br />
der Schiffe selbst hergestellt wurden.<br />
Außerdem errichtete Rickmer Clasen Rickmers<br />
zeitgleich zwei Dampfkessel, so dass ein weiterer<br />
Schritt zu einer modernen, technisierten Werft<br />
gemacht wurde. Folgerichtig lieferte <strong>die</strong> Rickmers-Werft<br />
1843 ihr erstes Vollschiff, ein 520<br />
BRT großes, rahgetakeltes Dreimast-Schiff an<br />
<strong>die</strong> Bremer Südsee-Compagnie ab. An der Südsee-Compagnie,<br />
<strong>die</strong> Walfang betrieb, hielt Rickmer<br />
Clasen Rickmers einige Anteile. Daneben<br />
beteiligte er sich wirtschaftlich außerhalb des<br />
Schiffbaus seit 1842 am Reedereigeschäft, indem<br />
er gemeinsam mit dem Kaufmann Jacob Heinrich<br />
Christian Winkler sowie dem Handelshaus<br />
Blasius & Imhoff zwei Schiffe erwarb, <strong>die</strong> im<br />
Auswandererverkehr nach Amerika, besonders<br />
nach Texas eingesetzt wurden. Bis <strong>1850</strong> beteiligte<br />
er sich an sechs verschiedenen Schiffen,<br />
<strong>bis</strong> er mit dem 1847 gebauten und im Folgejahr<br />
in Dienst gestellten Zweimast-Segler B a s s e r -
І Ш<br />
MANN erstmals ein Schiff ohne Geschäftspartner<br />
besaß und bereederte.'^® An einem Schiff nur<br />
Anteile, sogenannte Parten zu halten, war ein<br />
übliches Verfahren. So konnte das wirtschaftliche<br />
Risiko, das trotz guter Entwicklung der Schifffahrt<br />
durch Havarien und Untergänge immer bestand,<br />
geteilt werden. Noch 1881, als in Bremen<br />
mit der Deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft<br />
„Hansa“‘^®<strong>die</strong> zweite große Dampfergesellschaft<br />
nach dem Norddeutschen Lloyd’^’' gegründet<br />
wurde, gab es in Bremen 233 Segelschiffe,<br />
<strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> große Zahl von 157<br />
Reedereien aufteilten. Diese Reedereien waren<br />
oft Ein-Schiff-Unternehmen, deren Segler als<br />
Parten-Schiff mit mehreren Eignem betrieben<br />
wurde.<br />
Die große Bereitschaft Rickmer Glasen Rickmers’,<br />
sich auf verschiedenen Geschäftsfeldern<br />
zu betätigen, war wohl mehr ein Produkt wirtschaftlicher<br />
Zwänge als ein eigentliches Ziel.<br />
Um seine Schiffe wirtschaftlich betreiben zu<br />
können, kaufte er teilweise auch Ladung auf eigene<br />
Rechnung und natürlich zugleich auf eigenes<br />
Risiko. Während viele Partenreeder nur Anteile<br />
an einem Schiff besaßen und sich nicht selber<br />
als Reeder betätigten, war Rickmer Glasen<br />
Rickmers echter Kaufmannsreeder, der sowohl<br />
als Schiffseigner und -betreiber wie auch als<br />
Kaufmann auftrat.<br />
Eines der kaufmännischen Betätigungsfelder war<br />
dabei der Transport und Handel mit Eisenwaren<br />
für den Schiffs- und Schiffbaubedarf. Einerseits<br />
war <strong>die</strong> Rickmers-Werft durch eine größere Menge<br />
an vorrätigen Ankern und Ketten weniger konjunkturell<br />
schwankenden Preisen und Lieferzeiten<br />
ausgesetzt, und da es keine Zwischenhändler<br />
mehr gab, sanken <strong>die</strong> Einkaufspreise der Werft<br />
insgesamt. Andererseits waren <strong>die</strong> eigenen Schilfe<br />
durch den Transport der zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
meist noch aus England importierten<br />
Eisenwaren für den Schiffbau so gleich mit Fracht<br />
versehen und ausgelastet. Dieses Geschäftsfeld<br />
baute Rickmer Glasen Rickmers so weit aus, dass<br />
ihm 1863 <strong>die</strong> Generalvertretung der Birminghamer<br />
Firma „Elliots patent Sheating and Metal<br />
Gompany, Birmingham“ übertragen wurde.<br />
38<br />
Ein weiteres seiner diversen Betätigungsfelder<br />
fand Rickmer Glasen Rickmers als Gutachter<br />
von Schäden nach Havarien. Des Weiteren versuchte<br />
er sich, wenn auch ohne Erfolg, an Hafenbauprojekten,<br />
Ein Plan zum Bau eines Hafens<br />
auf Helgoland scheiterte ebenso wie eine Teilhabe<br />
an den Hafenerweiterungen in Bremerhaven.<br />
Die Rickmers-Werft wuchs in den <strong>1850</strong>er Jahren<br />
beständig, und <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> wirtschaftliche Diversifizierung<br />
erreichten Gewinne investierte<br />
Rickmer Glasen Rickmers in <strong>die</strong> Werft. Der<br />
Schiffbau blieb weiterhin sein Hauptanliegen<br />
und entwickelte sich nach dem Ende des Schleswig-Holsteinischen<br />
Kriegs 1848-1851 sehr gut.<br />
Der hervorragende Ruf der Rickmers-Werft zeigt<br />
sich daran, dass sie 1855 auf der Weltausstellung<br />
in Paris ein Modell der I d a Z ie g l e r ausstellen<br />
durfte, denn auf <strong>die</strong> Weltausstellungen wurden<br />
von den Handwerkskammern nur solvente Unternehmen<br />
mit einem sehr guten Ruf geschickt.'^<br />
Der deutsche Schiffbau war im Vergleich zum<br />
englischen sehr rückständig. Schon 1816 befuhr<br />
mit der D e f ia n c e ein englischer Dampfer den<br />
Rhein bei Köln und ebenso verkehrte ein britisches<br />
Dampfschiff zwischen Hamburg und Cuxhaven.<br />
Bei der Werft Johann Lange in Vegesack<br />
wurde zwar bereits 1833 ein Dampfschiff gebaut,<br />
das war aber <strong>die</strong> absolute Ausnahme. Erst Mitte<br />
des Jahrhunderts war für <strong>die</strong> Binnenschifffahrt<br />
der Schritt zur Dampfschifffahrt gelungen. Im<br />
Bau von seegängigen Schiffen waren <strong>die</strong> deutschen<br />
Werften weiterhin rückständig. Selbst als<br />
um 1860 gutes Schiffsholz knapper wurde, Eisenverstrebungen<br />
für Holzdampfer bereits üblich<br />
waren und in England der Übergang zum Eisen- ;<br />
Schiffbau längst abgeschlossen war, wurde im<br />
Weserraum noch größtenteils am Bau von hölzernen<br />
Segelschiffen festgehalten.<br />
Die I d a Z ie g l e r bekam auf der Pariser Weltausstellung<br />
besondere Beachtung, weil sie einen j<br />
neuen Schiffstyp darstellte.Mit ihrer neuartigen<br />
Rumpfform galt sie als der erste deutsche<br />
Klipper. Das Exponat der Rickmers-Werft erhielt<br />
als einziges deutsches Schiffsmodell <strong>die</strong> Auszeichnung<br />
einer Bronze-Medaille II. Klasse und
ein von Napoleon III. unterzeichnetes Diplom.<br />
..Durch <strong>die</strong> Verleihung des Preises wurde [Rickmer<br />
Cla.sen Rickmers’] persönliche Innovationsfáhigkeit<br />
belohnt und damit indirekt auch sein<br />
Schiffbaubetrieb für seine Leistungsfähigkeit<br />
ausgezeichnet.“'^^ Diese Leistungsfähigkeit zeigte<br />
sich auch in den Fahrten der I d a Z ffiG LER , <strong>die</strong><br />
1854 für kurze Zeit für Rickmer Ciasen Rickmers<br />
fuhr, bevor sie von ihren englischen und<br />
schweizerischen Auftraggebern übernommen<br />
wurde. Die ersten Reisen des Schiffs gingen<br />
nach In<strong>die</strong>n und es könnte durchaus sein, dass<br />
dabei auch Reis einmal zu ihren Ladungen gehörte.<br />
Später verkehrte <strong>die</strong> I d a Z ie g l e r regelmäßig<br />
zwischen England und Neuseeland. 1869<br />
wurde sie auf der Reede von Auckland bei einem<br />
Sturm zerstört. Bis dahin war das Schiff auf<br />
Grund seiner sehr schnellen Reisezeiten beliebt<br />
und gerühmt.'”<br />
Der Erfolg der Rickmers-Werft wurde aber nur<br />
zwei Jahre später durch <strong>die</strong> erste Weltwirtschaftskrise<br />
gebremst.'^ In deren Folge ging <strong>die</strong> Kaufkraft<br />
zurück und das Investitionsverhalten wurde<br />
vorsichtiger. Rickmer Ciasen Rickmers konnte<br />
keine Schiffe mehr verkaufen. Als Schiffbauer<br />
war ihm einerseits der Bau von Schiffen wichtig,<br />
und andererseits war sein Reedereigeschäft so<br />
erfolgreich, dass er weiterhin <strong>die</strong> Bauten, <strong>die</strong><br />
nicht verkauft werden konnten, in den eigenen<br />
Reedereibetrieb einstellte. Gab es eine spätere<br />
Möglichkeit, wurden <strong>die</strong> Schiffe, auch nachdem<br />
ме einige Zeit für <strong>die</strong> eigene Reederei in Fahrt<br />
waren, verkauft. So wuchs <strong>die</strong> Flotte der Rickmers-Schiffe<br />
<strong>bis</strong> 1864 immerhin auf sechs eigene<br />
.Schiffe mit zusammen 3.046 Bruttoregistertonnen.<br />
An weiteren sechs Schiffen war Rickmer<br />
Ciasen Rickmers als Partenreeder mit unterschiedlichen<br />
Parten von einem Sechstel <strong>bis</strong> hin<br />
zu 50 Prozent beteiligt. Obwohl nicht inten<strong>die</strong>rt,<br />
nahm das Reedereigeschäft des vielseitigen<br />
Rickmers-Untemehmens immer weiter zu.<br />
Der älteste Sohn Andreas Ciasen Rickmers trat<br />
nach nur kurzer Schulzeit schon früh in das väterliche<br />
Unternehmen ein und lernte wie der Vater<br />
<strong>die</strong> Schiffszimmerei. Im Gegensatz zu Rickmer<br />
Ciasen Rickmers kam er aber schon in frühen<br />
Jahren mit Dampfschiffen und aus Eisen gebauten<br />
Schiffen in Berührung. 1854 hielt sich<br />
Andreas Ciasen Rickmers zur Vertiefung seiner<br />
Kenntnisse im Schiffbau auf Werften in England<br />
und den Vereinigten Staaten auf Seine kaufmännischen<br />
Fähigkeiten, <strong>die</strong> wenige Jahre später<br />
entscheidenden Einfluss auf das Bremer Reismüllereigeschäft<br />
nehmen sollten, lernte er nur<br />
durch <strong>die</strong> eigenen Erfahrangen im väterlichen<br />
Geschäft. Doch obwohl er der Sohn des Besitzers<br />
und Firmengründers war, erhielt Andreas Ciasen<br />
Rickmers vorerst keinen eigenen Verantwortungsbereich<br />
oder Entscheidungsfreiheiten im<br />
patriarchalisch geführten Betrieb.<br />
Das änderte sich jedoch mit dem Einstieg in das<br />
Reisgeschäft. Von 1865 an konnte <strong>die</strong> Rickmers-<br />
Werft kein einziges Schiff mehr verkaufen. Rickmer<br />
Ciasen Rickmers lehnte Eisen als Baumaterial<br />
im Schiffbau vehement ab. So baute <strong>die</strong><br />
Rickmers-Werft weiterhin Segler mit Holzrümpfen<br />
und verlor damit auf dem zunehmend stärker<br />
umkämpften Markt für Schiffsneubauten deutlich<br />
an Wettbewerbsfähigkeit. Allein in der Größe<br />
der Schiffe war Holz ein limitierender Faktor,<br />
weil <strong>die</strong> Holzrümpfe nur knapp unter 100 Meter<br />
Länge gebaut werden konnten, um noch ausreichend<br />
stabil zu sein.'^* 1869 wurde in ganz<br />
Geestemünde kein einziges Schiff vom Stapel<br />
gelassen. Daraus resultierend stieg <strong>die</strong> Bedeutung<br />
des Reedereigeschäfts seit 1865 immer stärker<br />
an, da <strong>die</strong> Werft ohne <strong>die</strong> erfolgreiche Reederei<br />
nicht überlebt hätte.<br />
Der Einstieg in das Reisgeschäft entwickelte sich<br />
für <strong>die</strong> Rickmers-Reederei innerhalb weniger<br />
Jahre zu einem hochprofitablen Geschäft. Bereits<br />
1864 machte Reis aus Ostin<strong>die</strong>n 21 Prozent der<br />
Gesamteinfuhr Geestemündes aus.'"^ Nach Asien<br />
hingegen gab es kaum Ausfrachten. Damit <strong>die</strong><br />
Schiffe nicht nur in Ballast fuhren, <strong>die</strong> Fahrt also<br />
nur kostete und nichts einbrachte, wurde hauptsächlich<br />
Kohle für <strong>die</strong> Versorgung von Dampfschiffen<br />
zu Bunkerstationen gebracht. Darüber<br />
hinaus war <strong>die</strong> erste Bearbeitung des Reises in<br />
den asiatischen Verschiffungshäfen kostspielig,<br />
weil für den Betrieb der Reismühlen europäische<br />
Kohle mangels einheimischer eingeführt werden<br />
39
tímusste.'^*<br />
Daher waren <strong>die</strong> Reismühlen für <strong>die</strong><br />
Rickmers-Schiffe ein doppeltes Ziel: Einerseits<br />
wurde Kohle zu deren Betrieb dorthin ausgeführt,<br />
andererseits wurde dort Reis für den europäischen<br />
Import geladen. Gab es gerade keine<br />
Frachten, fuhren <strong>die</strong> Schiffe unter einem recht<br />
großen Maß an Eigenverantwortung der Kapitäne<br />
in der Trampschifffahrt an den indischen und<br />
asiatischen Küsten. Solange <strong>die</strong> Segler nicht in<br />
einem Hafen lagen oder nur in Ballast fuhren,<br />
konnte das Reedereigeschäft durch <strong>die</strong> geringen<br />
Unterhaltskosten der Segler genügend Gewinne<br />
einfahren. Die Koordination der im Reistransport<br />
eingesetzten Kapitäne und Schiffe oblag zunehmend<br />
Andreas Glasen Rickmers, der sich zu der<br />
entscheidenden Persönlichkeit im deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> entwickelte. Mit dem Einstieg der<br />
Familie Rickmers bei der Bremer Reismühle<br />
Ichon 1872 und dem gemeinsamen Betrieb der<br />
Reismühle unter der Geschäftsführung von Andreas<br />
Rickmers (1835-1924) begann der Aufstieg<br />
Bremens zu einem der bedeutendsten Plätze<br />
für den Handel und <strong>die</strong> Verarbeitung von Reis<br />
weltweit.<br />
2. Reis - Eine kleine Kulturgeschichte<br />
Reis, lateinisch oriza, ist biologisch betrachtet<br />
ein Süßgras, von dem es etwa 25 verschiedene<br />
Arten gibt. Die einzige Ausnahme davon bildet<br />
der Wildreis, auf den hier nicht näher eingegangen<br />
werden muss, da er für den deutschen sowie<br />
für den internationalen <strong>Reishandel</strong> keine Rolle<br />
spielte. Es gibt verschiedene Reissorten, insgesamt<br />
über 5.000, von denen heute mit etwa 1.400<br />
immer noch eine unüberschaubare Zahl kultiviert<br />
wird. Die wissenschaftliche Suche nach optimalen<br />
Züchtungen von Reis durch das International<br />
Rice Research Institute'“*®und vergleichbarer<br />
Einrichtungen mit dem Ziel, möglichst hohe Emteerträge<br />
zu erwirtschaften, erhöhte <strong>die</strong> Zahl der<br />
bekannten Berg-, Wasser- und Landreissorten<br />
und deren Unterarten sowie Reiszüchtungen auf<br />
über 80.000.'“" Neben Mais und Hirse ist Reis<br />
<strong>die</strong> wichtigste Getreidepflanze der Tropen und<br />
Subtropen und damit, sowohl heute als auch im<br />
40<br />
Untersuchungszeitraum <strong>die</strong>ser Arbeit, eines der<br />
wichtigsten Nahrungsmittel der Welt. Etwa ein<br />
Drittel der Menschheit ernährt sich von Reis.<br />
Reis in Deutschland: Herkunft, Verbreitung,<br />
Anbau und Verwendung von Reis <strong>bis</strong> Mitte<br />
des 19. Jahrhunderts<br />
Heute wird davon ausgegangen, dass Reis als<br />
Nahrungsmittel bereits im 4. Jahrtausend v. Chr.<br />
in Thailand und im 3. Jahrtausend v. Chr. im<br />
Süden Chinas angebaut wurde.Nach Schuhmacher<br />
habe es 1917, also zum Ende des hier<br />
betrachteten Zeitraums, in der Wissenschaft <strong>die</strong><br />
ungelöste Frage gegeben, ob Reis aus In<strong>die</strong>n<br />
oder China stamme. Denn in In<strong>die</strong>n seien Vorkommen<br />
von wildem Reis ein Indiz, dass erdort<br />
als Erstes angebaut worden sei, in China habe<br />
es andererseits <strong>die</strong> ältesten Monokulturen gegeben.<br />
Unzweifelhaft ist Reis eine nicht nur sehr<br />
wichtige, sondern auch eine sehr alte Kulturpflanze.'“'^<br />
Die weitere Verbreitung als Nahrungsmittel<br />
nahm dann über Persien im frühen 1. Jahrtausend<br />
V. Chr. ihren Lauf. Über <strong>die</strong> Feldzüge<br />
Alexanders des Großen wurde er im 4. Jahrhundert<br />
V. Chr. in Griechenland bekannt und mit der'<br />
Ausdehnung des ara<strong>bis</strong>chen Herrschaftssystems<br />
in Nordafrika und Spanien im 8. Jahrhundert<br />
auch über <strong>die</strong> Iberische Halbinsel in Europa eingeführt.<br />
Im 17. Jahrhundert begann der Reisanbau<br />
in Nordamerika, und Reis war spätestens<br />
damit ein globales Nahrungsmittel geworden."*<br />
Ein Blick in Johann Heinrich Zedlers Universallexikon<br />
von 1742 zeigt, dass vieles vom heutigen<br />
Wissen über Reis vor über 250 Jahren -<br />
und damit auch schon lange vor Beginn des Untersuchungszeitraums<br />
um <strong>1850</strong>, dem Beginn des<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong>s in industriellen und globalen<br />
Maßstäben - bereits bekannt war. Europäische<br />
Anbauorte waren im 18. Jahrhundert<br />
demnach im deutschsprachigen Raum <strong>die</strong><br />
Schweiz und Franken im Gebiet um Bamberg<br />
sowie vor allem <strong>die</strong> Gegend um Mailand. Weiter<br />
wird darauf verwiesen, dass Reis vor allem außerhalb<br />
Europas angebaut wurde: „Der Reis ist<br />
heutiges Tages männiglich bekannt, wächset aber
ey uns nicht sonderlich, sondern wird meistens<br />
aus der Fremde gebracht [.. Direkt danach<br />
werden mit China, Japan, Sumatra, Ostin<strong>die</strong>n<br />
und Tonquin (Tonking, Nordvietnam) auch <strong>die</strong><br />
w ichtigsten Anbaugebiete genannt. In Hamburg,<br />
das spätestens mit dem Zollanschluss Bremens<br />
1888 zu einem der wichtigsten deutschen Umschlagplätze<br />
wurde, war neben italienischem,<br />
russischem und türkischem Reis auch schon Carolina-Reis<br />
bekannt.In der Verwendung<br />
war Reis nicht nur als menschliche Nahrung,<br />
sondern auch als Grundstoff für Tierfutter und<br />
vor allem als Grundlage alkoholischer Getränke<br />
bekannt:<br />
..In China bereiten sie davon einen Tranck,<br />
welchen man in Peru nachmachet und Acua<br />
nennt; in Japan einen Wein, Aracle genannt;<br />
und in Pegu ein starckes Wasser, welches unserem<br />
Aquavite kaum nachgiebet. Die Türcken<br />
haben einen Tranck, den sie Boza nennen,<br />
derselbe ist von Reis oder Hirse zubereitet,<br />
und hat einen Geschmack wie unser<br />
Bier, aber nicht so annehmlich.<br />
КЮJahre vor der Entstehung einer deutschen<br />
Reisindustrie gab es nur einen großen Unterschied<br />
in der deutschen Wahrnehmung von Reis.<br />
Dieser lag im medizinischen Nutzen. Mit der<br />
Verarbeitung im industriellen Maßstab Mitte des<br />
19. Jahrhunderts wurde Reis einzig als Nahrungsmittel<br />
mit verschiedenen Verarbeitungsmöglichkeiten<br />
wahrgenommen. Im 18. Jahrhundert<br />
wurden dem Reis noch medizinischer<br />
Nutzen und zugleich trotzdem auch gesundheitsschädigende<br />
Eigenschaften zugesprochen. Ohne<br />
den Widerspruch aufzulösen heißt es dort einerseits,<br />
dass Reis Verstopfung verursacht, dem Gesicht<br />
schade und Kopf, Magen sowie Nerven be-<br />
4'hwere. Des Weiteren verschlimmere Reis Augenleiden<br />
bei häufigem Genuß von „Sacqui“,<br />
also von Reiswein. Daher „treffe man ganz Japan<br />
voller Blinde an“.'^’ Andererseits wurden mit<br />
dem Verzehr von Reis auch viele gesundheitsfördernde<br />
Aspekte verbunden. So helfe Reis gegen<br />
Erbrechen, Blutspeien, Blutharnen, stärke<br />
<strong>die</strong> Konstitution ausgezehrter Menschen und sei<br />
ein gutes Abführmittel, wenn Kinder Knöpfe<br />
verschluckt hätten. Darüber hinaus könne Reis<br />
in Klistieren verabreicht als Arznei gegen <strong>die</strong><br />
Rote Ruhr eingesetzt werden und trage zur Genesung<br />
Lungensüchtiger bei. Frauen könnten<br />
das Getreide zudem nutzen, um Schrunden der<br />
Gebärmutter zu heilen, den Milchfluss zu stärken<br />
und des Weiteren um „Nasenbluten, und <strong>die</strong> goldenen<br />
Ader, und den überflüßigen Monatsfluß<br />
der Weiber“ zu stoppen.<br />
Im 19. Jahrhundert gab es dann aber ein deutlich<br />
seriöseres Wissen über den Reis, das gerade in<br />
der Frage seines Nutzens auf modernen naturwissenschaftlichen<br />
Analysen beruhte. Bereits in<br />
Krünitz’s ökonomisch-technologischer Encyklopä<strong>die</strong><br />
von 1813 gab der Autor des Artikels Reiß<br />
[siclj nicht nur in weniger barocker und sachlicherer<br />
Sprache das Wissen wieder, welches bereits<br />
in Zedlers Universallexikon den Deutschen<br />
zugänglich war, sondern diskutierte auch ausführlich<br />
<strong>die</strong> Vor- und Nachteile eines größeren<br />
europäischen Reisanbaus.'^' Ein Nachteil des<br />
europäischen Reisbaus und als Hauptgrund, warum<br />
Reisanbau nicht intensiviert wurde, war das<br />
Auftreten von Malaria in den Reisbaugebieten.<br />
Im Mittelalter wurde dem Reis daher einfach<br />
noch ein schlechtes Miasma, eine ungesunde<br />
Ausdünstung zugesprochen. Im 19. Jahrhundert<br />
erkannte man <strong>die</strong> Gründe aber bereits: „Die auf<br />
den Reißfeldern [sic!] stehenden Wasser werden<br />
in der Hitze schnell faulend, zahllose Insekten<br />
sammeln sich daselbst, pflanzen sich fort und<br />
sterben u.s.w., und es kann nicht fehlen, daß <strong>die</strong><br />
Luft verpestet werde [...] und Krankheiten erzeugt.“'^^<br />
Dass beispielsweise in China Karpfen<br />
in <strong>die</strong> Reisfelder gesetzt wurden, um <strong>die</strong> Verbreitung<br />
der Malaria durch Mücken zu reduzieren'*^,<br />
war anscheinend unbekannt. Mit verschiedenen<br />
Anbaumethoden sollte das Malaria-Problem<br />
in Europa gelöst werden. Sogar der<br />
maurische Landwirt Ebn-el-Awam, der im 12.<br />
Jahrhundert über erfolgreichen Reisanbau in<br />
Spanien schrieb und dessen Werk im 19. Jahrhundert<br />
ins Spanische übersetzt wurde, wird im<br />
Artikel in Krünitz’s Lexikon angeführt, um <strong>die</strong><br />
Ausbreitung des europäischen Reisbaus zu fordern<br />
und zu fördern.'*^<br />
41
es«» •- '<br />
m--<br />
Das große Interesse an Reis und Reisbau in<br />
Europa erklärt sich daraus, dass das Wissen über<br />
den Nährwert von Reis schon vorhanden war.<br />
Mit der beginnenden Industrialisierung, zunehmender<br />
Verstädterung und Bevölkerungswachstum<br />
sowie dem Rückgang der Subsistenzwirtschaft<br />
waren nahrhafte Lebensmittel im 19. Jahrhundert<br />
von immer größerer Bedeutung für <strong>die</strong><br />
Ernährung der Bevölkerung. Auch wenn <strong>die</strong><br />
nachfolgenden Nährwertangaben aus dem Jahr<br />
1933 stammen, sind sie nach den Erkenntnissen<br />
der heutigen Wissenschaft noch aktuell. Dass<br />
<strong>die</strong> Angaben der Nährwerte von Reis bereits im<br />
19. Jahrhundert von Belang waren, zeigt sich<br />
zudem an der Werbung, mit der Rickmers für<br />
sein Reisfuttermehl warb. In einer Werbebroschüre<br />
berichtete ein Milchbauer, dass er mit der<br />
„Fütterung von Reismehl an Milchkühe durchaus<br />
zufrieden“ sei und dass sich das Futtermehl „entschieden<br />
günstig auf <strong>die</strong> Milchproduktion“ auswirke.Während<br />
<strong>die</strong> einheimischen Getreide<br />
Weizen, Roggen und Gerste zu 63-67 Prozent<br />
aus Kohlehydraten bestehen, Hafer sogar nur zu<br />
56 Prozent, enthält Reis etwa zu 75 Prozent Kohlehydrate.<br />
Zugleich hat er mit 7,7 Prozent nur<br />
etwa zwei Drittel des Proteingehalts der deutschen<br />
Getreidesorten. Geschälter Reis enthält<br />
nur noch 0,4 Prozent rohe Fette, während ungeschälter<br />
Reis mit zwei Prozent einen Fettanteil<br />
wie Roggen und sogar etwas mehr als Weizen<br />
hat.'^® Neben dem Verzehr wurde Reis auf vielfältige<br />
andere Weisen genutzt. Die in Asien übliche<br />
Herstellung alkoholischer Getränke war<br />
bereits im 18. Jahrhundert gebräuchlich. Auch<br />
in Deutschland wurde Reisgrieß vor der gesetzlichen<br />
Verankerung des deutschen Reinheitsgebots<br />
1906 seit der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
vereinzelt zum Brauen von Bier verwendet oder<br />
zu <strong>die</strong>sem Zweck aus Deutschland exportiert.<br />
Zudem wurde aus dem Bruchreis, also aus Körnern,<br />
<strong>die</strong> im Schäl- und Polierprozess auseinanderbrechen,<br />
Reisstärke gewonnen, da Reis eine<br />
hohe Stärkeausbeute von 85-90 Prozent ermöglicht.<br />
Die bei der Stärkeproduktion anfallenden<br />
Abfälle wurden als konzentriertes Kraftfutter für<br />
<strong>die</strong> Viehzucht verwendet. Auch <strong>die</strong> Ernteabfälle<br />
konnten in den Anbaugebieten vielfach weiterverarbeitet<br />
werden. Reisstroh nutzte man zum<br />
Decken von Dächern oder indem man Körbe.<br />
Hüte, Sandalen und Matten daraus flocht, ln<br />
China wurde daraus auch Papier hergestellt. Zigarettenpapier<br />
aus Reisstroh hergestellt soll eine<br />
besondere Güte gehabt haben. Weiterhin wurden<br />
<strong>die</strong> beim Schälen anfallenden Spelzen zu Isolationszwecken,<br />
als Packmaterial und zum Heizen<br />
verwendet.Als Tierfutter konnten sie wegen<br />
ihres geringen Nährstoffgehalts nicht verwendet<br />
werden. Außerdem sind Reisspelzen für Tiere<br />
schwer verdaulich, weshalb der Gehalt von Spelzen<br />
in Tierfutter nicht zu hoch werden durfte.<br />
Die Asche der Spelzen hatte aber einen sehr hohen<br />
Siliziumgehalt und eignete sich daher für<br />
<strong>die</strong> Glasherstellung, bei der sie zum Säubern.<br />
Brennen und Polieren von Glas Verwendung<br />
fand.'^* Der Gewichtsverlust durch das Schälen<br />
der Spelzen betrug <strong>bis</strong> zu 25 Prozent.*®* Dieser<br />
Anteil spielte bei der Festlegung der deutschen<br />
Zölle beziehungsweise der Zollregulative eine<br />
wichtige Rolle und soll daher später noch näher<br />
betrachtet werden.<br />
Die <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg in Asien üblichen<br />
Anbaumethoden gibt Schuhmacher nach dem ’<br />
gleichsam aktuellsten Wissensstand wieder, da<br />
seine Angaben aus dem Jahr 1917 stammen: Innerhalb<br />
der vielfältigen Reissorten muss grandsätzlich<br />
zwischen Bergreis und Sumpfreis unterschieden<br />
werden. Ersterer benötigt vergleichsweise<br />
wenig Bewässerung und Wärme und auch<br />
nur vier Monate, <strong>bis</strong> er erntereif ist. Dafür sind<br />
<strong>die</strong> Erträge je Fläche aber deutlich geringer, weshalb<br />
Bergreis für den internationalen Handel und<br />
<strong>die</strong> deutsche Reisindustrie keine Bedeutung erlangte.<br />
Sumpfreis wird vor allem in tropischen<br />
und subtropischen Gebieten, besonders in feuchten<br />
Flussgebieten angebaut. Wie es sich bereits<br />
für den amerikanischen Reisanbau im 18. Jahrhundert<br />
zeigte, ist eine ausreichende Bewässerung<br />
für gute Ernteerträge von Sumpfreis von<br />
besonderer Bedeutung. Bewässerungssysteme<br />
sind in asiatischen Anbaugebieten aber nicht <strong>die</strong><br />
Regel gewesen. Dies gilt besonders für das exportstarke<br />
Birma. Daher sind Missernten infolge<br />
42
ausbleibender Monsunregenfälle oder zu starker<br />
Regenfälle wiederholt vorgekommen. Bei einem<br />
ungeregelten Bewässerungssystem, das vor allem<br />
von Überschwemmungen der Reisfelder durch<br />
Flüsse profitiert, tragen Letztere immer neue<br />
Nährstoffe auf <strong>die</strong> Felder. Auf <strong>die</strong>sen als Alluvialböden<br />
bezeichneten Anbauflächen finden wenige<br />
oder gar keine Fruchtwechsel statt und Reis<br />
wurde in ständiger Folge angebaut. Teilweise<br />
konnten so zwei Ernten in einem Jahr erreicht<br />
werden, ln der chinesischen Provinz Hunan am<br />
Jangtsekiang sollen sogar drei Ernten in einem<br />
Jahr möglich gewe.sen sein.‘^<br />
Je besser <strong>die</strong> Wasserversorgung der Felder war,<br />
desto höhere Ernten wurden erzielt, weshalb sich<br />
beispielsweise in Birma <strong>die</strong> Erträge pro Hektar<br />
je nach Qualität des Ackerlands in der weiten<br />
Spanne von etwa 1.000 <strong>bis</strong> über 2.250 Pfund,<br />
also zwischen 454 Kilogramm und über einer<br />
Tonne, bewegten.'*' Aber trotz „einer wenig intensiven.<br />
teilweise noch sehr primitiven Bewirtschaftung<br />
der Felder“ sind <strong>die</strong> Ernten von Reis<br />
..ganz bedeutend höher als <strong>die</strong> aller anderen Körnerfrüchte<br />
Die Erträge lagen bei circa<br />
30 Hektoliter Je Hektar. Bei intensiver Düngung<br />
waren schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in<br />
Italien <strong>bis</strong> zu 50 Hektoliter Korn je Hektar möglich.'*’<br />
Für Birma als wichtigstes Anbauland für<br />
den europäischen <strong>Reishandel</strong> ist sogar festzustellen,<br />
dass <strong>die</strong> durchschnittlichen Erträge zwi-<br />
4’hen 1880 und 1930 von 1.600 auf 1.500 Pfund,<br />
also von etwa 726 auf 680 Kilogramm, leicht<br />
rückgängig waren. '*^ Der Aufwand für den asiatischen<br />
Reisbau ist dem ungeachtet auch ohne<br />
Verwendung künstlicher Dünger sehr hoch. Reiskörner<br />
wurden nicht nur wie Weizen oder andere<br />
Brotgetreide als Wurfsaat auf <strong>die</strong> Felder gebracht,<br />
sondern zumeist wurden Reispflanzen<br />
erst in Zuchtbeeten gezogen und anschließend<br />
verpflanzt. Hieraus leitet sich auch der Name<br />
Gartenreis ab, der so vom teilweise aus Siam<br />
e.xportierten Feldreis unterschieden wurde.'**<br />
Erst seit 1906 wurde schrittweise in den niederländischen<br />
und französischen Kolonien sowie in<br />
Siam und Japan damit begonnen, in landwirtschaftlichen<br />
Versuchsanstalten <strong>die</strong> Ernteerträge<br />
zu steigern.'** 1959 wurden <strong>die</strong>se Schritte mit<br />
der Gründung des nicht-staatlichen International<br />
Rice Research Institute auf den Philippinen gebündelt.<br />
Auf China und In<strong>die</strong>n entfielen zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts etwa zwei Drittel der weltweiten<br />
Reisernte. Bei einer Jahresproduktion von<br />
circa 102 Millionen Tonnen Reis wurden gerade<br />
einmal 2 Millionen Tonnen außerhalb Asiens angebaut.<br />
Geschichte eines deutschen Lebensmittels<br />
Reis als Lebensmittel in Deutschland kann unter<br />
verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden.<br />
Die Volkskunde verbindet <strong>die</strong> historische<br />
Untersuchung von Lebensmitteln mit kulturellen<br />
und räumlichen Fragestellungen. Weitere Ansatzpunkte<br />
der historiographischen Betrachtung<br />
von Reis können aber auch medizinische, ernährungswissenschaftliche<br />
beziehungsweise ernährungskulturelle<br />
oder soziokulturelle Aspekte<br />
mit einbeziehen.<br />
Mit der Frage, wie es im 19. Jahrhundert gelang,<br />
aus den davor immer wiederkehrenden Hungerkrisen<br />
auszubrechen, waren Teuteberg und Wiegelmann<br />
1971 <strong>die</strong> Vorreiter einer Nahrungsmittel-Geschichte<br />
als neue geschichtswissenschaftliche<br />
Teildisziplin.'*’ Zwischen 1680 und <strong>1850</strong><br />
gab es in Deutschland zwei Phasen, in denen<br />
sich neue Nahnings- und Genussmittel im Konsumverhalten<br />
der Bevölkerung etablierten. Neben<br />
dem Reis waren <strong>die</strong>se neuen Konsumprodukte<br />
vor allem Kartoffeln, Kaffee, Zucker und<br />
Tee. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges<br />
<strong>bis</strong> etwa 1770 kam es zu einer wirtschaftlichen<br />
Konsoli<strong>die</strong>rung und einem Aufschwung,<br />
in dessen Folge der Konsum der neuen Genussmittel<br />
zunehmend für mehr Menschen erschwinglich<br />
wurde. Die im Mittelalter eher in<br />
den Süden gehenden wichtigen deutschen Fernhandelsverbindungen<br />
hatten sich gelockert. Stattdessen<br />
entwickelten sich eher über <strong>die</strong> Nordsee<br />
und den Atlantik <strong>die</strong> deutschen Anbindungen an<br />
den Weltmarkt. Begünstigt durch eher geringe<br />
Zerstörungen des nordwestdeutschen Raums in<br />
43
den Kriegsdekaden wurden <strong>die</strong> Küstenstädte an<br />
der Nordsee <strong>die</strong> bevorzugten Importorte für Kaffee,<br />
Tee, Zucker und Reis.'^* Die Unversehrtheit<br />
Hamburgs sowohl im Dreißigjährigen als auch<br />
im Siebenjährigen Krieg führte dazu, dass <strong>die</strong><br />
Handelsverbindungen der Stadt ohne große Beeinträchtigungen<br />
wachsen konnten und <strong>die</strong> Elbestadt<br />
sich zu einem Zwischenhandelsplatz für<br />
Norddeutschland, Ostdeutschland und <strong>bis</strong> nach<br />
Osteuropa etablieren konnte. Ein weiterer wichtiger<br />
Vorteil für <strong>die</strong> Einführung von Reis und<br />
den anderen Produkten nach Hamburg war aber<br />
auch <strong>die</strong> räumliche Nähe zu den Niederlanden<br />
und England, <strong>die</strong> als Kolonial- beziehungsweise<br />
Handelsmächte in Asien in Norddeutschland einen<br />
nahen Absatzmarkt für ihre dort erworbenen<br />
Güter hatten. Die nachhaltigste Entwicklung <strong>bis</strong><br />
<strong>1850</strong> war <strong>die</strong> Übernahme des neuen Konsumverhaltens<br />
auf Grund eines neuen Nahrungsmittelangebots<br />
in breite, auch bäuerliche Bevölkerungsschichten.<br />
Die Nachahmung des adeligen<br />
Konsumverhaltens, erst in bürgerlichen und später<br />
in bäuerlichen Bevölkerungsgruppen, führte<br />
zur Etablierung des Reises in den Speiseplänen<br />
aller sozialen Klassen.*® Im ausgehenden Mittelalter<br />
war Reis eine beliebte Speise auf Banketten<br />
adeliger Höfe;<br />
„Mit der Ausprägung der Ständegesellschaft,<br />
<strong>die</strong> im Barock ihren Höhepunkt erreichte,<br />
wurde importierter Reis zur Herrenspeise.<br />
Weiße Speisen galten als vornehm, und weil<br />
<strong>die</strong>ser Reis schneeweiß war, gehörte er von<br />
Natur aus zu den Herrenspeisen. Weil sich<br />
ein fester Reisbrei zudem leicht in bestimmte<br />
Formen modellieren ließ, <strong>die</strong>nte er auch dazu,<br />
gewisse verbotene Speisen nachzuahmen, das<br />
weiße Fleisch der Hühner zum Beispiel.“'<br />
In Europa wurde an den Fürstenhöfen gekochter<br />
Reis zermust, durch ein Sieb gestrichen und in<br />
Formen gefüllt. Sobald er erstarrt war, nutzten<br />
<strong>die</strong> Köche den Reis auch als Fundament für<br />
prunkvolle Tafelspeisen und Dekorationen. Im<br />
bürgerlichen Reisring, einem festen Ring aus<br />
Reis, der im Inneren Gemüse oder Fleisch enthielt,<br />
zeigte sich das Nachahmungsverhalten der<br />
adeligen Küche ganz konkret.'’'<br />
Entsprechend <strong>die</strong>ser Eigenschaft als Speise der<br />
sozialen Oberschicht wurde Reis im 18. Jahrhundert<br />
ein wichtiger Bestandteil von bäuerlichen<br />
Hochzeitsmahlen. Bei Hochzeiten wurde<br />
nicht gespart und mit der Bewirtung der Gä.ste<br />
mit Reis Wohlstand angezeigt. In der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Reis als Bestandteil<br />
von Hochzeitsspeisen hingegen immer<br />
unwichtiger, und ab 1875 war er nicht mehr auf<br />
allen Hochzeitstafeln zu finden. Im 19. Jahrhundert<br />
wurde Reis immer öfter Teil des bürgerlichen<br />
Sonntagsessens. Als Reis als Massenware<br />
schließlich Eingang in <strong>die</strong> Arbeiterküche und in<br />
<strong>die</strong> Arbeitersuppen fand, konnte von der Bewermng<br />
einer Schüssel Reisbrei als Kostbarkeit nicht<br />
mehr gesprochen werden.'<br />
Der Eingang von Reis in deutsche Küchen und<br />
<strong>die</strong> Bestätigung der gerade genannten wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Veränderungen, <strong>die</strong> dazu<br />
führten, ließe sich ebenfalls durch eine ausführliche<br />
Analyse deutscher Kochbücher seit dem<br />
Mittelalter <strong>bis</strong> zum Ende des 19. Jahrhundens<br />
nachzeichnen. Das wäre jedoch eine umfangreiche<br />
Arbeit, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Rahmen nicht geleistet<br />
werden kann. Dennoch soll ein kurzer Blick auf<br />
<strong>die</strong> beiden bereits genannten zeitgenössischen<br />
Lexika von 1742 und von 1813, Zedlers Universal-Lexikon<br />
und Krünitz’s ökonomisch-technologische<br />
Encyklopä<strong>die</strong>, aufzeigen, wie im<br />
deutschsprachigen Kulturraum vor dem Beginn<br />
des Massenimports auf Reis als Speise eingegangen<br />
wurde. In Zedlers Universal-Lexikon<br />
heißt es, dass der Reis „mehr zur Nahrung als<br />
zur Arzney“ <strong>die</strong>nte, dann jedoch wird ausführlich<br />
über seine scheinbaren medizinischen Zwecke<br />
berichtet. Erst einen Absatz später heißt es, dass<br />
Reis ,,[i]n Deutschland [...] entweder mit guter<br />
Fleischbrühe zu einer Suppe, oder mit süsser<br />
Milch zu einem Breye gekocht“ wird. Anschließend<br />
verliert sich der Artikel wieder in medizinischen<br />
Angaben.'<br />
Siebzig Jahre später war in Krünitz’s Lexikon<br />
im Anschluss an den Artikel mit allgemeinen<br />
Informationen über den Reis eine diätische Betrachtung<br />
des Reises zu lesen. Darin wird beschrieben,<br />
in welcher Gegend der Welt Reis für<br />
44
<strong>die</strong> Emährang bedeutend ist - „durch ganz Ostin<strong>die</strong>n,<br />
vorzüglich in China, Persien und Japan<br />
macht der Reiß das hauptsächliche Nahrungsmittel<br />
aus“. - und welche Kocheigenschaften er<br />
hat ] der Teig geht nicht gehörig auf, wenn<br />
ihm auch gleich ein Ferment hinzugesetzt wird<br />
An <strong>die</strong> diätischen Betrachtungen schließen<br />
sich Rezepte für Reisgerichte an. Selbst<br />
wenn <strong>die</strong> Frage des Adressatenkreises einer großen<br />
Enzyklopä<strong>die</strong> im Jahr 1813 außer Acht gelassen<br />
wird, zeigt sich daran einerseits, dass Rezepte<br />
für Reisspeisen im frühen 19. Jahrhundert<br />
noch kein selbstverständlicher Teil der Küchenkultur<br />
waren. In Krünitz’s Universal-Lexikon<br />
stehen auf einer Länge von 20 Seiten von „Reißmehlflambri“<br />
über „Reißmus“ und „Reißpanade“<br />
<strong>bis</strong> zu „Reißwaffeln“ immerhin 48 Rezepte für<br />
Reisspeisen!'” Andererseits ist <strong>die</strong>se Fülle an<br />
Rezepten jedoch ein Hinweis darauf, dass Reis<br />
keine exotische Nahrung mehr war, sondern als<br />
ungewohnte, aber in vielfältigen Zubereitungsarten<br />
durchaus bekannte Nahrung akzeptiert war.<br />
Reis wird als wertvolles Nahrungsmittel<br />
erkannt<br />
Das Jahr <strong>1850</strong> nutzte Wiegelmann, ebenso wie<br />
es in <strong>die</strong>ser Arbeit als Zäsur zur Moderne verwendet<br />
wird, um den Wandel vom vorindustriellen<br />
Ernährungsverhalten zu den Konsumgewohnheiten<br />
einer Industriegesellschaft anzuzeigen.<br />
Nachdem Reis als eines der neuen<br />
Kolonialprodukte in den vorangegangen zwei<br />
Jahrhunderten nach und nach in <strong>die</strong> deutsche<br />
Küche aller sozialen Klassen aufgenommen wurde.<br />
hatte er nun eine Aufgabe unter veränderten<br />
Vorzeichen. Denn „nach 1840 begann in<br />
Deutschland <strong>die</strong> Entwicklung vom Agrarstaat,<br />
der Agrarprodukte exportierte und Fertigfabrikate<br />
einführte, zu einem immer mehr verstädternden<br />
Industriestaat, der sehr bald zahlreiche<br />
Nahrungsmittel importieren mußte“.'”<br />
Die sich nicht selbst versorgenden Bevölkerungsteile<br />
wuchsen, und Reis wurde zunehmend in<br />
Bezug auf seinen Nährwert begutachtet. Mitte<br />
des 19. Jahrhunderts hatte Justus von Liebig mit<br />
der Erklärung des Energiestoffwechsels und wissenschaftlichen<br />
Überlegungen zur Verhinderung<br />
neuer Hungersnöte eine moderne wissenschaftliche<br />
Auseinandersetzung mit Emährungsfragen<br />
begründet. Liebig wurde als Pionier der organischen<br />
Chemie zwar noch mehrfach korrigiert,<br />
aber seit etwa 160 Jahren hat sich das stoffliche<br />
Grundkonzept von Eiweißen, Kohlenhydraten<br />
und Fetten nicht gmndlegend geändert. Der Chemiker<br />
und Emährungsforscher Carl von Voit veröffentlichte<br />
1881 mit seinem Kostmaß erstmals<br />
eine Umsatzstu<strong>die</strong> der täglich benötigten Energie<br />
eines mittelschweren Arbeiters beziehungsweise<br />
gab er damit <strong>die</strong> erste Ernährungsempfehlung,<br />
<strong>die</strong> sich auf einen ermittelten täglichen Kalorienbedarf<br />
stützte. Die Empfehlung über <strong>die</strong> Zusammensetzung<br />
der Energiemenge veränderte<br />
sich <strong>bis</strong> heute mehrfach, der gesamte tägliche<br />
Energiebedarf eines Arbeiters wurde aber <strong>bis</strong><br />
1985 noch immer wie von von Voit 1881 mit<br />
3.000 Kilokalorien angegeben. Die Deutsche<br />
Gesellschaft für Ernährung gab in den Jahren<br />
1991 und 2000 <strong>die</strong> Empfehlung zu einer täglichen<br />
Energieaufnahme von 2.900 Kilokalorien.<br />
Nach 120 Jahren wurde das Kostmaß Carl von<br />
Voits nur um 3,3 Prozent verändert und hat praktisch<br />
nicht an Aktualität eingebüßt.'’'’<br />
Aus <strong>die</strong>ser neuen wissenschaftlichen Betrachtung<br />
der Ernährung für <strong>die</strong> Bevölkerung des entstehenden<br />
Industriestaats erklären sich dann auch<br />
Handlungsweisen und Veröffentlichungen der<br />
sich ebenfalls seit etwa <strong>1850</strong> industrialisierenden<br />
Reismüllerei in Deutschland. Auf <strong>die</strong> Werbeschrift<br />
der Rickmers Reismühlen zu Reisfuttermehl<br />
wurde bereits hingewiesen.'’®In ähnlicher<br />
Form warb <strong>die</strong> Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
für den menschlichen Verzehr von Reis.<br />
Statt positiver Erfahrungsberichte wurde eine<br />
Schrift in Auftrag gegeben, in der ein Mediziner<br />
in einer wissenschaftlichen Argumentation für<br />
den Verzehr von Reis warb. Drei Gründe für den<br />
Reisverzehr führte Dr. med. Eduard Büsing 1911<br />
in einer anlässlich der Internationalen Hygieneausstellung<br />
in Dresden verölfentlichten Schrift<br />
an. Zum einen erklärte er, dass der Resorptionsgehalt<br />
von Reis besonders hoch sei. Das bedeu-<br />
45
tet, dass <strong>die</strong> menschliche Aufnahmekapazität<br />
und Verwertbarkeit des Eiweißgehaltes bei Reis,<br />
zumindest im Vergleich mit anderen Hülsenfrüchten<br />
und nicht-tierischen Lebensmitteln,<br />
deutlich höher ist als beispielsweise bei Schwarzbrot,<br />
Kartoffeln oder Rüben. Während Eiweiß<br />
von Fleisch zu 97 Prozent aufgenommen werden<br />
kann, werden vom Reis 80 Prozent resorbiert,<br />
von Kartoffeln und Schwarzbrot nur 68 Prozent<br />
und von Rüben sogar nur 61 Prozent. Zudem,<br />
so Büsing weiter, werden von den Fetten im Reis<br />
93 Prozent resorbiert, und von den Salzen können<br />
immerhin 85 Prozent verwertet werden. Der<br />
menschliche Stoffwechsel kann aus Reis also<br />
besonders viel Energie gewinnen, da 96 Prozent<br />
der Trockensubstanz verwertet werden. Zweitens<br />
spricht der geringe Wassergehalt für den Verzehr<br />
von Reis. Da das Korn nur 13 Prozent Wassergehalt<br />
hat, können bei der genannten Resorptionsquote<br />
von 96 Prozent der Trockensubstanz<br />
insgesamt 83,5 Prozent des gesamten Korns verwertet<br />
werden. Das führt dazu, dass aus 100 g<br />
Reis mit 350 Wärmeeinheiten so viel Energie<br />
resorbiert werden kann wie aus keinem anderen<br />
pflanzlichen Nahrungsmittel. Der Nährwert der<br />
gleichen Menge an Kartoffeln beträgt nur ein<br />
Viertel. Zum dritten ist der Gehalt an Kalisalzen<br />
im Reis recht niedrig, was nach Büsing für <strong>die</strong><br />
menschliche Ernährung besonders wichtig ist<br />
und damit den Reisverzehr aus gesundheitlichem<br />
Aspekt empfiehlt.Dass ein „weiterer Vorzug<br />
des Reises [...] seine leichte Verdaulichkeit“ ist,<br />
muss da kaum noch erwähnt werden.<br />
3. Die Erschließung von Reisanbauflächen<br />
und Exportindustrien<br />
Die Erschließung Birmas<br />
Arakan im Nordwesten Birmas war <strong>bis</strong> 1785 ein<br />
eigenständiges Königreich. Mit der Eroberung<br />
durch das Nachbarland Pegu wurde der <strong>Reishandel</strong><br />
im dortigen Hafen Akyab eingestellt. Dabei<br />
ging es nicht darum, im Fall einer Hungersnot<br />
<strong>die</strong> Ernährung der Bevölkerung zu schützen. Bei<br />
guten Ernten ließ man den überflüssigen Reis<br />
auf den Feldern verrotten, statt ihn zu exportieren.<br />
Zugleich war Arakan aber gemeinsam mit<br />
der Provinz Tenasserim, dem Küstengebiet im<br />
Süden Birmas, 1832 das erste von den Engländern<br />
eroberte Gebiet. Akyab wurde so zum ersten<br />
der später vier birmanischen Häfen, über <strong>die</strong> der<br />
gesamte Reisexport des Landes verschifft wurde.<br />
1840 wurden 74.500 t Reis im Wert von 1,257<br />
Millionen Rupien'*’ exportiert, 1855 waren es<br />
bereits 162.000 t mit einem Wert von 3,051 Millionen<br />
Rupien. Dieses ökonomische Wachstum<br />
war der Beginn einer Entwicklung, <strong>die</strong> mit der<br />
vollständigen Eroberung Birmas 1852 stark an<br />
Fahrt aufnahm und sich <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
fast ungebremst fortsetzte. Dabei mussten <strong>die</strong><br />
verschiedensten Hindernisse überwunden werden:<br />
Wildschweine, Schlangen, Elefanten und<br />
Tiger bedrohten Felder und Bauern, für <strong>die</strong><br />
schwere landwirtschaftliche Arbeit geeignete<br />
Siedler mussten erst einmal gefunden werden<br />
und korrupte Behörden hatten nicht immer das<br />
Wohl des Landes im Auge.'*^ Dennoch führte<br />
intensive englische Entwicklungspolitik dazu,<br />
dass das Delta der beiden Flüsse Irrawaddy und<br />
Sittang sich zur Kornkammer Birmas entwickelte<br />
und Birma zum wichtigsten Reisproduzenten '<br />
der damaligen Welt wurde.<br />
Migration<br />
Die Aufhebung des Exportverbots für Reis war<br />
<strong>die</strong> Voraussetzung für <strong>die</strong> ökonomische Entwicklung<br />
Birmas. Birma sollte möglichst schnell zu<br />
einem Wirtschaftsfaktor im britischen Kolonialreich<br />
werden. Nicht nur, um ein Rohstofflieferant<br />
zu werden, sondern auch, um <strong>die</strong> hohen Ausgaben<br />
für Militär und Verwaltung mit zu erbringen.'*‘*<br />
Für eine wirtschaftliche Entwicklung<br />
mussten aber erst einmal <strong>die</strong> Träger eines wirtschaftlichen<br />
Aufschwungs gefunden werden:<br />
“As Lower Burma was sparsley populated, the<br />
Government realized that development would<br />
be slow unless immigrants could be attracted."'*^<br />
Immigration wurde als unerlässliche Bedingung<br />
für <strong>die</strong> Entwicklung einer Reisindustrie erkannt,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> vorherrschende Subsistenzwirtschaft er-<br />
46
setzen sollte, indem <strong>die</strong> großen Dschungelflächen<br />
als Reisanbauland kultiviert werden. Oberbirma.<br />
das Königreich Ava, wurde wegen seiner<br />
geographischen und kulturellen Nähe zu Birma<br />
der erste Ansprechpartner. 1862 wurde daher ein<br />
offizieller Vertrag geschlossen, der den Einwohnern<br />
Oberbirmas <strong>die</strong> unbeschränkte Passage zwischen<br />
beiden Territorien ermöglichte. Zugleich<br />
war <strong>die</strong> Besitzergreifung und Kultivierung von<br />
ungenutztem Land ausdrücklich erwünscht.<br />
Zudem schloss <strong>die</strong> Regierung 1871 einen Vertrag<br />
mit den zwei bestehenden Dampfergesellschaften<br />
für <strong>die</strong> Binnenschifffahrt, der Irrawaddy Flotilla<br />
Company und der Burmese Steam Navigation<br />
Company, dass sie auf jeder ihrer Dampferfahrten<br />
von Bhamo nach Rangun <strong>bis</strong> zu 25<br />
Passagiere, <strong>die</strong> aus Oberbirma emigrierten, kostenlos<br />
in den Süden brachten. Die Zahl der Haushalte<br />
eines Dorfes war in Oberbirma aber Maßstab<br />
für das Steueraufkommen. Das führte dazu,<br />
dass <strong>die</strong> Ortsvorsteher den migrationswilligen<br />
Bauern Restriktionen auferlegten, um zu verhindern.<br />
dass ganze Familien in den Süden auswanderten<br />
und sich das Steueraufkommen schmälerte.<br />
Dadurch waren viele Bauern aus Oberbirma<br />
nur Saisonarbeiter im Süden und kehrten<br />
immer wieder zu ihren in der Heimat festgehaltenen<br />
Familien zurück. Dennoch waren 1881<br />
immerhin achteinhalb Prozent der in Birma lebenden<br />
Menschen Immigranten aus Oberbirma<br />
und .stellten somit 58% der ausländischen Bevölkerung<br />
dar.'** Chamey verweist zwar darauf,<br />
dass Zensuserhebungen und deren Ergebnisse<br />
in Birma problematisch waren, weil sich <strong>die</strong><br />
Menschen je nach Fragestellung zu Religion,<br />
Ethnie oder Kultur gleichzeitig in mehrere Kategorien<br />
einordneten. Dennoch bestehen keine<br />
Zweifel, dass Immigranten aus Oberbirma zum<br />
Zeitpunkt der Datenerhebung <strong>die</strong> größte Minderheit<br />
in Birma waren.'*’<br />
Die /.ahi der Immigranten war jedoch nicht ausreichend,<br />
weshalb In<strong>die</strong>n von der britischen Verwaltung<br />
in den Blick genommen und gefördert<br />
wurde. Einerseits sollte der Bedarf an Arbeitskräften<br />
in Birma gedeckt werden, andererseits<br />
sollte eine Entlastung Bengalens, in dem <strong>die</strong> Bevölkerung<br />
unter Armut und Ernährungskrisen<br />
litt, geschaffen werden. Mit der Hungersnot von<br />
1874 wurde ein Programm geschaffen, das den<br />
Migranten in Birma Arbeit und später auch<br />
Ackerland versprach. Innerhalb von zwei Jahren<br />
wandelten so 7.396 Inder in Birma ein. Das erstrebte<br />
Ziel der weiteren landwirtschaftlichen<br />
Erschließung wurde trotzdem verfehlt. Es zeigte<br />
sich, dass 1.541 Einwanderer aus dem Gebiet<br />
der Hungersnot stammten, während der weitaus<br />
größere Teil von über 5.000 Arbeitswilligen aus<br />
Kalkutta und Umgebung kam. Diese Stadtbewohner<br />
waren wenig <strong>bis</strong> gar nicht für <strong>die</strong> Landwirtschaft<br />
und besonders <strong>die</strong> körperlich sehr fordernde<br />
Landkultivierung befähigt. Zudem waren<br />
sie zu einem noch größeren Teil als <strong>die</strong> Bewohner<br />
Oberbirmas nur Saisonarbeiter, <strong>die</strong> mit möglichst<br />
hohen Gewinnen wieder in <strong>die</strong> Heimat<br />
strebten.'** 1877 folgte daher das sogenannte<br />
Madras-Modell. Erstmals wurde in Birma ein<br />
Arbeitsgesetz erlassen, das sich mit der Anwerbung,<br />
der Arbeitsbeschaffung sowie der Sicherheit<br />
und Gesundheit der Migranten befasste. Ein<br />
Auswanderungsagent und ein medizinischer Inspekteur<br />
wurden auf Grund <strong>die</strong>ses Gesetzes in<br />
<strong>die</strong> Hafenstadt Cocanada, dem heutigen Kakinada,<br />
in Madras gesandt. Aber zwischen Dezember<br />
1877 und März 1878 erreichten nur 758<br />
Einwanderer aus dem Madras-Gebiet Birma.<br />
Auch für sie galt, dass indische Immigranten<br />
gerne als Kulis in den Mühlen und Häfen arbeiteten<br />
und nicht wie gewünscht in <strong>die</strong> Landwirtschaft<br />
gingen. Zudem konnten sich <strong>die</strong> über <strong>die</strong><br />
staatlichen Programme eingewanderten Inder auf<br />
dem Arbeitsmarkt für Häfen und Mühlen kaum<br />
gegen <strong>die</strong> organisiert arbeitenden privat eingewanderten<br />
Inder durchsetzen. Denn <strong>die</strong>se arbeiteten<br />
unter noch schlechteren Bedingungen und<br />
waren für <strong>die</strong> Manager der Reismühlen einfacher<br />
zu steuern und auszubeuten. Daher wurde <strong>die</strong>ses<br />
gesetzlich verankerte Programm zur Beschaffung<br />
indischer Arbeitskräfte nach nur vier Monaten<br />
ausgesetzt.'*®<br />
Die Regierung brachte zusammen also etwa<br />
8.000 Inder in den 1870er Jahren nach Birma.<br />
Ohne Regierungshilfe kamen aber Jahr für Jahr<br />
47
1<br />
mit 15.000 Indern fast doppelt so viele Immigranten<br />
aus In<strong>die</strong>n. Rangun, das 1862 zum offiziellen<br />
Verwaltungszentrum von Birma wurde,<br />
erlebte durch <strong>die</strong>se Migration eine rasante Entwicklung,<br />
<strong>die</strong> Rangun zum weltgrößten Einwanderungshafen<br />
machte.Im Hafen von Rangun<br />
landeten mehr Einwanderer als in New York<br />
City: “The diverse origins of the immigration<br />
that consumed Rangoon produced a social and<br />
cultural milieu comparable to other British colonial<br />
port towns such as Singapore and Penang.”<br />
Die meisten der Einwanderer kamen aus den<br />
von Armut geprägten Gegenden um Madras und<br />
aus Bengalen. 1880 wurde das Dampfermonopol<br />
der British Indian Steam Navigation Company<br />
auf der Strecke zwischen In<strong>die</strong>n und Birma durch<br />
<strong>die</strong> Asiatic Steam Navigation Company gebrochen.<br />
Dabei setzte eine Rabattschlacht in den<br />
Transportpreisen ein und <strong>die</strong> private Emigration<br />
aus In<strong>die</strong>n nahm sprunghaft zu. Paul Rickmers<br />
beschrieb 1899 in seinem Reisetagebuch <strong>die</strong><br />
Umstände der Schiffspassagen von Arbeitsmigranten:<br />
„Schließlich gings dann los, das Schiff mit<br />
Schlagseite u. <strong>die</strong> Coolies wie <strong>die</strong> Heringe<br />
über, unter, neben u. durcheinander gepackt.<br />
Kein Regen ging mehr, weil <strong>die</strong>se Menschen<br />
auf einer Fläche sich zusammenkauern können,<br />
der nicht mehr wie 12 Quadrat“ einnimmt,<br />
als aber der Abd. kam u. sie sich ausstrecken<br />
wollten zu schlafen war es hier nach<br />
ein wimmelndes Meer von Beinen und Armen.<br />
-A lle <strong>die</strong>se Menschen gehen nach Akyab<br />
um <strong>die</strong> zweifache Reisemte zu schneiden<br />
u. weiterhin in der Saison in A. bei den Mühlen<br />
und Schiffen zu arbeiten um sich, wenn<br />
das vorbei mit ihren Schätzen wieder nach<br />
Hause zurückzukehren u. <strong>bis</strong> zur nächsten<br />
Saison von ihrem Ersparten zu leben.<br />
Nachdem <strong>die</strong> staatlich gelenkte Immigration<br />
nach Birma gescheitert war, wurde sie in <strong>die</strong>ser<br />
Situation indirekt staatlich gefördert. Die Regierung<br />
schloss mit beiden Dampfergesellschaften<br />
ein Abkommen, nach dem sie den Gesellschaften<br />
Zuschüsse zu den Tarifen im Auswandererverkehr<br />
zahlte, <strong>die</strong> beiden Reedereien aber ihrerseits<br />
einen Teil der Einnahmen in Form von Tarifsenkungen<br />
an <strong>die</strong> Auswanderungswilligen weitergab.<br />
Das war so erfolgreich, dass <strong>die</strong> Zahlungen<br />
1884 eingestellt wurden.<br />
Die nicht staatlich gelenkte Einwanderung hatte<br />
zwei typische Formen. Einerseits gab es <strong>die</strong><br />
wirklich freien Immigranten, <strong>die</strong> ihre Passage<br />
selbst bezahlt hatten und selbstbestimmt in der<br />
Wahl des Arbeitsplatzes waren. Andererseits waren<br />
<strong>die</strong> meisten Immigranten so arm, dass sie<br />
als Vertragsarbeiter kamen. Die „maistry“ genannten<br />
Vertrags-Unternehmer zahlten neben der<br />
Reise oft noch einen Kredit für den Unterhalt<br />
der in In<strong>die</strong>n bleibenden Familien der Arbeiter.<br />
Die Vertragsarbeiter waren überwiegend Analphabeten<br />
und der Ausbeutung durch ihre Vertragspartner<br />
hilflos ausgeliefert.Das Arbeitsgesetz<br />
von 1876 sollte durch <strong>die</strong> staatlich gesteuerte<br />
Arbeitsimmigration <strong>die</strong> Ausnutzung der<br />
Kulis begrenzen. Mit dessen Scheitern 1878 ging<br />
<strong>die</strong> Entwicklung Birmas zum weltgrößten Reislieferanten<br />
auf Kosten der Kulis, <strong>die</strong> unter sehr<br />
harten Bedingungen ohne große Rechte oder<br />
Menschenwürde lebten, aber ungebremst weiter.<br />
Nach der britischen Eroberung Oberbirmas 1885<br />
kehrte zudem noch eine größere Zahl Kulis, dir<br />
von dort stammten, in <strong>die</strong> Heimat zurück. Es<br />
entstand ein Arbeitskräftemangel und Kulis und<br />
ihre Arbeitskraft wurden regelrecht versteigert.<br />
Ein Arbeitsmarkt für Migranten entstand, der<br />
„virtually a slave trade“ war.'®'' Die Kulis lebten<br />
„in insanatary overcrowed barracks“ auf dem<br />
Gelände der Mühle, in der sie arbeiteten oder in<br />
billigsten Unterkünften außerhalb „with twenty-five<br />
to thirty fellow coolies to a room“.'®* Für<br />
den Lebensstandard der in der Landwirtschaft<br />
als Erntehelfer tätigen Inder ist anzunehinen.<br />
dass er auch nicht höher lag.'®^ Dabei legten <strong>die</strong><br />
indischen Immigranten trotz <strong>die</strong>ser schwierigen<br />
Voraussetzungen den Grundstein dafür, dass es<br />
ihnen mit der Wende zum 20. Jahrhundert zunehmend<br />
besser als der einheimischen Bevölkerung<br />
gelang, <strong>die</strong> unteren und mittleren Führungsetagen<br />
in der Wirtschaft und Verwaltung<br />
Birmas zu besetzen.<br />
Neben Südostin<strong>die</strong>n war Südostchina das zweite<br />
48
Gebiet, von dem es bedeutende Auswanderung<br />
mit dem Ziel Birma gab. Charney verweist darauf.<br />
dass Chinesen nicht nur eine große Gruppe<br />
der Immigranten stellten, sondern auch für <strong>die</strong><br />
wirtschaftliche Entwicklung eine bedeutende<br />
Rolle übernahmen. Die britische Verwaltung<br />
hielt <strong>die</strong> Bevölkerung Birmas für zu faul und<br />
handwerklich zu unbegabt, um mit den indischen<br />
Arbeitskräften konkurrieren zu können, und wirtschaftlich<br />
zu plump, um es mit den chinesischen<br />
Kaufleuten aufzunehmen.Eine der größten<br />
chinesischen Erfolgsgeschichten schrieb beispielsweise<br />
<strong>die</strong> Familie des Einwanderers Chan<br />
.Ma Phee. Chan Ma Phee verließ Xiamen in Südostchina<br />
1862 und war zwei Jahre Händler in<br />
den Straits Settlements, den britischen Besitzungen<br />
an der Meeresstraße von Malakka. Zwei<br />
Jahre später ließ er sich in Birma nieder und betrieb<br />
dort wiederum Handel. 1883 gründete er<br />
<strong>die</strong> Firma Taik Leong in Rangun, <strong>die</strong> mit Öl,<br />
Reis und Tabak handelte. Er expan<strong>die</strong>rte, kaufte<br />
Land in der Stadt, baute Häuser und Geschäfte,<br />
vermietete <strong>die</strong>se und wurde der größte Landbesitzer<br />
der chinesischen Gemeinde in Birma. In<br />
den späten 189üer Jahren wurde er der wichtigste<br />
chinesische Reishändler in Birma. Er sprach<br />
zwar kein Englisch, heiratete aber <strong>die</strong> Tochter<br />
eines birmanischen Bauern und schuf Verbindungen,<br />
<strong>die</strong> über <strong>die</strong> chinesische Gemeinde hinausreichten.<br />
Sein Sohn, Chan der Jüngere, bekam<br />
eine englische und eine chinesische Ausbildung<br />
und baute <strong>die</strong> wirtschaftliche und vor<br />
allem soziale Führungsposition der Familie in<br />
Rangun aus. Er stand mehreren Vereinen vor<br />
und w urde ehrenamtlicher Magistrat sowie Ratsmitglied<br />
in Ranguns Wirtschaftsausschuss.<br />
Diese Familiengeschichte zeigt, in welch starkem<br />
Maß auch chinesische Immigranten dazu beitrugen.<br />
dass in Birma aus einem großen Dschungel-<br />
und Sumpfgebiet ein Industrie- und Handelsstandort<br />
nach europäischem Maßstab wurde.<br />
Denn erst so konnte es wichtigster Zulieferer<br />
für <strong>die</strong> zeitgleich in Deutschland entstehende<br />
Reismühlenindustrie werden.<br />
Die einheimische Bevölkerung ergänzte sich eher<br />
mit den Arbeitsmigranten aus China und In<strong>die</strong>n,<br />
als sie mit <strong>die</strong>sen konkurrierte. In den Mühlen<br />
arbeiteten kaum in Birma geborene Arbeitskräfte.<br />
Einerseits waren Birmaner nicht bereit, den<br />
niedrigen Lebensstandard der indischen Kulis<br />
hinzunehmen, andererseits sprach ihre familiäre<br />
Bindung gegen <strong>die</strong>se Arbeit. Die Unterkünfte in<br />
den Mühlen waren nicht für Familien gedacht<br />
und ordentliche Familienwohnungen in der Stadt<br />
waren für Mühlenarbeiter unerschwinglich. Zudem<br />
fehlte es an einheimischen Arbeitsvermittlem,<br />
<strong>die</strong> den europäischen Mühlenbesitzern einen<br />
so reibungslosen Produktionsablauf garantierten,<br />
wie es <strong>die</strong> indischen Vertragspartner mit<br />
ihren Arbeitskolonnen konnten. Nicht zuletzt<br />
vertrauten viele Europäer lieber Indern, weil sie<br />
oft im Vorfeld schon in In<strong>die</strong>n wirtschaftlich aktiv<br />
gewesen waren und daher <strong>die</strong> indische Kultur<br />
und Arbeitsmentalität besser einschätzen konnten.<br />
Den Indern hingegen fehlte das landwirtschaftliche<br />
Wissen, um erfolgreich Reisanbau<br />
zu betreiben. So waren <strong>die</strong> Produzenten des<br />
größtenteils in Europa veredelten und gehandelten<br />
Reises Birmaner, während indische Migranten<br />
als Ernte- und Industriehelfer arbeiteten. Chinesische<br />
Migranten trugen zur gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen Entwicklung Birmas nach<br />
der Kolonialisierung bei. Für den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> spielen sie mit ihren Kontakten nach<br />
Asien aber eine negative Rolle, als sich mit der<br />
Wende zum 20. Jahrhundert der Weltmarkt für<br />
Reis immer mehr von Europa ab- und nach Asien<br />
hinwandte.<br />
Pachlgesetzgehung<br />
Der Wunsch, Birma von Immigranten zu einem<br />
Reisanbaugebiet erschließen zu lassen, drückte<br />
sich auch in verschiedenen Systemen der Landverteilung<br />
aus. Als Birma noch unabhängig war,<br />
gab es neben dem Land, das dem König und<br />
seinen Beamten zustand, auch Privatbesitz. Jeder<br />
Bauer, der Land kultivierte, seine Abgaben zahlte<br />
und das Land nicht länger als zwölf Jahre brach<br />
liegen ließ, besaß sein Ackerland.^“' Nach britischem<br />
Recht gab es vier verschiedene Modelle<br />
bei der Landvergabe. Diese existierten zum Teil<br />
49
іт ><br />
т<br />
auch gleichzeitig und hatten jeweils Vor- und<br />
Nachteile. Aber trotz der Unterschiede waren<br />
<strong>die</strong> verschiedenen Wege dem vordringlichen Ziel<br />
der britischen Verwaltung untergeordnet, Birma<br />
möglichst schnell zu einem großen Agrarproduzenten<br />
zu machen.<br />
Als erstes Landvergabe-Modell gab es weiterhin<br />
das alte Besitzrecht. Jeder Bauer, der Land kultivierte<br />
und seine Steuern zahlte, durfte das Land<br />
besitzen. Ein Gesetz von 1876, der Lower Burma<br />
Land and Revenue Act, sprach allen Bauern, <strong>die</strong><br />
über 12 Jahre das gleiche Land bewirtschafteten,<br />
ein Besitzrecht zu. Damit wurde den landerschließenden<br />
Bauern gesetzliche Sicherheit gewährt.<br />
Allerdings gab es auch Missbrauch durch<br />
Spekulanten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schaffung von Ackerland<br />
verzögerten, indem sie für große Gebiete Steuern<br />
zahlten und das Land dann mit Gewinn verkauften,<br />
wenn es durch <strong>die</strong> Erschließung der umgebenden<br />
Gebiete und den Bau von Siedlungen<br />
und Straßen an Wert gewonnen hatte.Zum<br />
anderen gab es das Patta-System.^“ Danach wurde<br />
den Immigranten und Bauern ein Stück Land<br />
zugewiesen und je nach dem Schwierigkeitsgrad<br />
der Kultivierung und der Dauer der Jahre, <strong>bis</strong><br />
profitabel Reis angebaut werden konnte, wurden<br />
den Bauern für einige Jahre <strong>die</strong> Steuern erlassen.<br />
Zugleich durfte das überlassene Land in <strong>die</strong>ser<br />
Zeit der Steuererleichterungen nicht mit Krediten<br />
belastet werden. Die Eingangshürde für <strong>die</strong>ses<br />
System war somit relativ hoch. Der Bauer musste<br />
nachweisen, dass er finanziell so solide ausgestattet<br />
war, dass er einige Jahre ohne einen Kredit<br />
Land erschließen und bebauen konnte. Brauchte<br />
der Bauer doch einen Kredit, bekam er ihn von<br />
Geldverleihern nur mit besonders hohen Zinsen<br />
verliehen. Schließlich trug der Kreditgeber ein<br />
höheres Risiko. Dem Bauern konnte im Falle<br />
der Kreditnahme sein Land wieder genommen<br />
werden, weil er gegen <strong>die</strong> Auflage, kreditfrei zu<br />
wirtschaften, verstoßen hatte. Daher verbrannten<br />
viele Bauern ihre Patta-Urkunde und behaupteten<br />
gegenüber Geldverleihern, Ackerland nach dem<br />
alten Recht des besetzenden Besitzers zu haben.<br />
Ein solches Land galt als sicherer und <strong>die</strong> Zinsen<br />
der Geldverleiher waren entsprechend niedriger.<br />
1<br />
Neben der staatlich gelenkten Immigration war<br />
also auch <strong>die</strong> staatliche Landzuweisung recht<br />
erfolglos und das Patta-System wurde 19(X) abgeschafft.Die<br />
dritte Art der Landvergabe war<br />
ein wirkliches Pachtsystem. Es wurde eingefühn.<br />
um einerseits <strong>die</strong> Landsteuem einfacher eintreiben<br />
zu können, und andererseits, um <strong>die</strong> Bauern<br />
zu motivieren, ihre Ackerflächen zu vergrößern<br />
und mehr Reis anzubauen. Dabei wurde <strong>die</strong><br />
Pacht für ein bestimmtes Gebiet auf fünf oder<br />
zehn Jahre festgelegt und den Pächtern erlaubt,<br />
<strong>die</strong>ses Gebiet zu vergrößern, ohne dass mehr<br />
Pacht zu entrichten war. In den 1870er Jahren<br />
war <strong>die</strong> Erschließung Birmas jedoch schon so<br />
weit fortgeschritten, dass <strong>die</strong>ses System abgeschafft<br />
wurde, weil <strong>die</strong> Verwaltung nicht länger<br />
auf potentielle Pachteinnahmen verzichten wollte.^“<br />
Aufgrund des guten Zugangs zu freiem<br />
Land, das nur kultiviert zu werden brauchte,<br />
machte Pachtland viele Jahre nur einen kleinen<br />
Teil der Ackerflächen Birmas aus. Für das Jahrfünft<br />
1901-1905 waren es in Niederbirma nur<br />
27,6 Prozent und auch 1910-1915 nur 32 Prozent.<br />
Für Gesamtbirma betrugen <strong>die</strong> Anteile von<br />
Pachtland an der gesamten Anbaufläche sogar<br />
nur 19,9 beziehungsweise 18,2 Prozent.^ Des<br />
Weiteren wurden große Landflächen kurz nach<br />
der britischen Eroberung Birmas günstig an Investoren<br />
offeriert. Die Verwaltung hoffte, dass<br />
<strong>die</strong>se es wiederum an Bauern verpachteten. So<br />
sollten <strong>die</strong> Investoren ihr Geschäft machen und<br />
zugleich <strong>die</strong> Verwaltung durch <strong>die</strong> Steuern und<br />
<strong>die</strong> Landerschließung profitieren.“ ’'<br />
Siedlungsgeographie<br />
Im Delta der beiden Flüsse Irrawaddy und Siitang<br />
begann <strong>die</strong> Entwicklung Birmas zu einem<br />
globalen Agrarproduzenten und damit zum wichtigsten<br />
Lieferanten der deutschen Reisindusmc<br />
Dabei ist <strong>die</strong> Art der Landzuweisung zweitrangig<br />
gewesen, ebenso wie <strong>die</strong> Herkunft der eingewanderten<br />
Neubauern. Für <strong>die</strong> Reis anbauenden<br />
Länder konstatierte Blankenburg einen Zusammenhang<br />
zwischen der Bevölkerungsdichte in<br />
Britisch-In<strong>die</strong>n und dem Anteil der Reisfläche<br />
50
am gesamten Ackerbauland.^®® Leider bietet er<br />
keine Zahlen speziell für Birma. Auf Grund der<br />
Tatsache, dass <strong>die</strong> überwiegende Zahl der Immigranten<br />
Birma über Rangun oder in kleineren<br />
.Maß.stäben über <strong>die</strong> Hafenstädte Akyab, Moulmein<br />
und Bassein erreichte, waren in Birma das<br />
genannte Delta-Gebiet und <strong>die</strong> Flüsse <strong>die</strong> Kristallisationspunkte<br />
des Bevölkerungswachstums.<br />
Die Bevölkerungsdichte stieg in Birma kontinuierlich<br />
an. Die Gesamtbevölkerung Birmas umfasste<br />
1881 3,7 Millionen und 1911 12,1 Millionen<br />
Einwohner.^®® Zahlen liegen zwar erst ab<br />
1881vor. zeigen aber, dass im Delta-Gebiet <strong>die</strong><br />
Bevölkerungsdichte am höchsten war und weit<br />
über dem 1.andesschnitt lag. Einerseits, weil in<br />
Jen urbanen Hafenzentren viele Leute lebten,<br />
zum anderen aber, weil dort am frühesten und<br />
intensivsten Ackerbau betrieben wurde. Innerhalb<br />
von 30 Jahren, zwischen 1881 und 1911,<br />
verdoppelte sich <strong>die</strong> Bevölkerungsdichte des<br />
Delta-Gebiets beinahe und stieg von 65 auf 122<br />
Einwohner je Quadratmeile an. Landesweit betrug<br />
<strong>die</strong> Bevölkerangsdichte 1911 gerade einmal<br />
53 Einwohner je Quadratmeile.Dies unterstreicht<br />
<strong>die</strong> Bedeutung der Flussmündungsgebiete<br />
als Siedlungs- und Reisanbaugebiet. Dort<br />
sicherten der ständige Wasserzugang und eine<br />
damit einhergehende relative Sicherheit der Ernte<br />
<strong>die</strong> Lebensgrundlage der Bauern. Hatten Immigranten<br />
erst einmal <strong>die</strong> Mühen der Landkultivierung<br />
hinter sich gebracht, blieben sie gewöhnlich<br />
in Birma und waren ein stabiler Faktor im Wirtschaftsleben<br />
Birmas. Denn es gilt:<br />
"Where cultivation involves accumulated investment<br />
of labor or capital in the land, a<br />
sminger sedentary tradition may appear, and<br />
üie society may be organized on that premise.<br />
For those who do not necessarily cultivate<br />
rice in the same fields every year, and fields<br />
can be opened without much labor, there<br />
would be no reason to stick to a particular<br />
piece of land.”^"<br />
Da der Kultivierungsaufwand in Birma aber hoch<br />
war, bestätigt sich der erste Teil der Aussage.<br />
Die anderen Landstriche in Birma wurden entsprechend<br />
erst mit Verbesserungen in der Infrastruktur<br />
zum wirtschaftlich lohnenden Reisbauund<br />
damit auch Siedlungsgebiet. Dabei bestand<br />
<strong>die</strong> bereits angesprochene Arbeitsteilung; Landwirtschaft<br />
wurde von den Einwohnern Birmas<br />
und den Einwanderern aus Oberbirma betrieben<br />
und als Ernte- und Industriehelfer waren vor allem<br />
indi.sche Immigranten beschäftigt. Zudem<br />
galt für Letztere, dass sie nicht dauerhaft siedelten,<br />
denn der typische Inder “came alone [...]<br />
and stayed for about two to four years, sending<br />
remittances home to help support his family and<br />
finally [...] would return to India either for a<br />
short visit of about six months before coming<br />
back to Burma for another spell of work, or for<br />
good.”^'^<br />
Zuwachs an Ackerflächen und Bevölkerung<br />
Der Zuwachs an Ackerflächen ist vor dem Hintergrund<br />
der britischen Bemühungen im Aufbau<br />
der Landwirtschaft Birmas nicht überraschend.<br />
Erstaunlich ist dennoch der Faktor der Vervielfachung<br />
des Ackerlandes, der ein möglicher<br />
Gradmesser für den Erfolg der britischen Landerschließungspolitik<br />
ist.<br />
Parallelen zur Veränderung der Bevölkerungsdichte<br />
im Gebiete der Mündungsdeltas von Sittang<br />
und Irrawaddy dürfen dabei nicht gezogen<br />
werden. Sehr wohl ist aber ein ähnlich verlaufender<br />
Anstieg beim Wachstum von Gesamtbevölkerung<br />
und gesamter Reisanbaufläche zu erkennen.<br />
Für Ersteres liegen nur <strong>die</strong> von Blankenburg<br />
oben genannten Zahlen vor, <strong>die</strong><br />
zwischen 1881 und 1911 etwas mehr als eine<br />
Verdreifachung der Einwohnerzahl Birmas auf<br />
12,1 Millionen 1911 aufzeigen. Für <strong>die</strong> Größe<br />
der Anbauflächen bieten Siok-Hwa und Grant<br />
Statistiken an. Diese unterscheiden sich zwar<br />
leicht, zeigen in der Tendenz aber ebenso eine<br />
knappe Verdreifachung in den 30 Jahren zwischen<br />
1881 und 1911 auf. Aus 3,4 Millionen<br />
Hektar Reisanbaufläche wurden fast 10,2 Millionen<br />
Hektar.^'^ Diese parallele Entwicklung<br />
zeigt, dass nach 1880 das Verhältnis von der Bevölkerung<br />
zur Reisanbaufläche in etwa gleich<br />
blieb. Somit kann der Schluss gezogen werden.<br />
51
dass sich der Aufwand zur Schaffung neuer Anbauflächen<br />
durch <strong>die</strong> Rodung und Landkultivierung<br />
sowie <strong>die</strong> Schaffung von Infrastruktur und<br />
das Ertragsverhalten je Bauer und Fläche in <strong>die</strong>ser<br />
Zeit nicht veränderten. Wäre der Arbeitsaufwand<br />
des Reisbauern beziehungsweise sein Gewinn<br />
je Fläche gestiegen oder andererseits <strong>die</strong><br />
Neuschaffung von Reisfeldern durch <strong>die</strong> Kultivierung<br />
von Dschungel und Sumpf weniger<br />
mühsam gewesen, wären <strong>die</strong> Ackerflächen im<br />
Verhältnis zur Bevölkerungszahl sicher schneller<br />
gewachsen. Es ist aber ebenso möglich, dass ein<br />
Gleichgewicht entstand zwischen den Vorteilen<br />
der besseren Infrastruktur Birmas und der Tatsache,<br />
dass mit fortschreitender landwirtschaftlicher<br />
Erschließung Birmas zunehmend Reisfelder<br />
geschaffen wurden, <strong>die</strong> auf Grund ihrer Lage<br />
keine optimalen Ernten erbrachten. Sinkende<br />
Kosten für <strong>die</strong> Landkultivierung und bessere Anschlüsse<br />
der Anbaugebiete an <strong>die</strong> Exporthäfen<br />
hätten in <strong>die</strong>sem Fall geringeren Erträgen je Fläche<br />
gegenübergestanden. Tatsächlich sanken <strong>die</strong><br />
Erträge je Hektar Anbaufläche. Da es in Birma<br />
keine Fruchtwechsel und keine Düngung auf den<br />
Feldern gab, fehlte es langfristig an Nährstoffen.^'“<br />
1880 lag der Ernteertrag je Hektar bei etwa<br />
1.600 Pfund Reis, 1930 erbrachte <strong>die</strong>selbe<br />
Fläche nur noch 1.500 Pfund Reis.^'^<br />
Grant stellte 1932 eine Kostenrechnung für einen<br />
Reisbauern auf, der auf 25 Morgen Land gemeinsam<br />
mit seiner Familie Reis anbaut und <strong>die</strong><br />
Ernte dann zu einem Preis von 100 Rupien je<br />
Korb verkaufen kann. Dabei beliefen sich <strong>die</strong><br />
Ausgaben für <strong>die</strong> Reiskultivierung auf 381 Rupien<br />
beziehungsweise auf 14 Rupien und 4 Annas<br />
je Morgen. Darin enthalten waren <strong>die</strong> Kosten<br />
für einen Saisonarbeiter und dessen Verpflegung,<br />
für Saatgut, Feldbearbeitung und <strong>die</strong> dafür nötige<br />
Ochsenleihe sowie <strong>die</strong> entsprechenden Kosten<br />
für Arbeitskräfte und Ochsen während der Erntesaison.<br />
Zusätzlich fielen 250 Rupien Pacht auf<br />
der Ausgabenseite an. Den Gesamtausgaben von<br />
631 Rupien und der Arbeitskraft einer vierköpfigen<br />
Familie stand ein Erlös durch den Reisverkauf<br />
von 750 Rupien gegenüber. Der Gewinn<br />
Betrug also gerade einmal 119 Rupien oder etwa<br />
ein Sechstel des Ernteertrags. Besaß der Bauer<br />
seinen eigenen Ochsen, sparte er <strong>die</strong> Leihkosten<br />
dafür und ver<strong>die</strong>nte 179 Rupien - musste allerdings<br />
auch den Ochsen ganzjährig füttern. Als<br />
Land besitzender Bauer musste er statt Pacht<br />
nur eine deutlich niedrigere Steuer zahlen und<br />
erwirtschaftete immerhin 354 Rupien.^“ Da<br />
Letzteres aber sowohl im 20. als auch im 19.<br />
Jahrhundert nur bei einer kleinen Bevölkemngsgruppe<br />
der Fall war und <strong>die</strong> Bauern oft ihren<br />
Besitz und ihre Eigenständigkeit an Geldverleiher<br />
verloren, weil sie Kredite nicht fristgerecht<br />
zurückzahlen konnten, bleibt <strong>die</strong> Erkenntnis,<br />
dass ein Reisbauer trotz eines sehr arbeitsintensiven<br />
Lebens keine großen Gewinne erzielen<br />
konnte. Auch das dürfte für <strong>die</strong> Bevölkerungsentwicklung,<br />
besonders für das Wachstum der<br />
Anbauflächen, eine Rolle gespielt haben. Der<br />
Reisanbau, der über den Eigenbedarf hinau.sging.<br />
war zwar im Wirtschaftsleben Birmas nahezu<br />
altemativlos, aber dennoch nur bedingt lohnend<br />
für <strong>die</strong> Bauern.<br />
Es ist zu bedenken, dass <strong>die</strong> Entwicklung der<br />
Ackerfläche im Verhältnis zur Bevölkerungs/ahl<br />
1886 eine Zäsur aufweist. Mit der Eroberung<br />
Oberbirmas wurde Birma deutlich größer. Da'<br />
Oberbirma aber weder Exportreis anbaute - im<br />
Gegenteil sogar Reiseinfuhrgebiet war^'^ - noch<br />
dicht besiedelt war, wird der Gleichschritt der<br />
Bevölkerungs- und des Reisflächenwachstums<br />
nicht aufgehoben. Der früheste Zensus datiert<br />
auf 1872 und gibt 2,75 Millionen Einwohner<br />
an.^'* Nach den oben genannten Zahlen wuchs<br />
<strong>die</strong> Bevölkerung in neun Jahren also etwa um<br />
ein Drittel auf 3,74 Millionen, während <strong>die</strong> Anbauflächen<br />
um etwa 73% von 1,9 Millionen Hektar<br />
auf 3,4 Millionen Hektar vergrößert wurden.<br />
Für <strong>die</strong>sen Zeitraum stieg <strong>die</strong> Zahl der Reisfelder<br />
deutlich schneller als <strong>die</strong> Einwohnerzahl Birmas.<br />
Zwischen 1830 und 1870 wurden <strong>die</strong> Reisanbauflächen<br />
um einen deutlich höheren Faktor<br />
vermehrt als in den folgenden 30 Jahren. Leider<br />
gibt es für <strong>die</strong>sen Zeitraum keine Zahlen über<br />
<strong>die</strong> Bevölkerungsentwicklung und es bleibt im<br />
Spekulativen, ob in allen Jahren der britischen<br />
52
Verwaltung Birmas <strong>die</strong> Reisflächen schneller als<br />
<strong>die</strong> Bevölkerung wuchsen und sich erst ab 1880<br />
ein Gleichgewicht einstellte. Ein erster sprunghafter<br />
Anstieg der Ackerflächen ist durch <strong>die</strong><br />
Besetzung der Küstengebiete Tenasserims und<br />
Arakans 1832 zu beobachten. Zu anfangs 66.000<br />
Hektar Reisfeldern kamen <strong>bis</strong> 1835 weitere<br />
169.000 Hektar dazu. Durch <strong>die</strong> Eroberung der<br />
Gebiete 1852 gab es innerhalb von zehn Jahren<br />
zwischen 1845 und 1855 eine weitere Flächenverdreifachung.<br />
Aus 354.000 Hektar Reisanbauland<br />
wurden fast 1 Million Hektar. In den folgenden<br />
zehn Jahren <strong>bis</strong> 1865 wurden <strong>die</strong> Reisanbauflächen<br />
um ungefthr 60 Prozent auf 1,6<br />
.Millionen Hektar vergrößert und im darauffolgenden<br />
Jahrzehnt wiederum um 69 Prozent auf<br />
2.7 .Millionen Hektar. Von 1875 <strong>bis</strong> 1885 betrug<br />
das Wachstum noch einmal 48 Prozent, so dass<br />
<strong>die</strong> Anbauflächen auf 4 Millionen Hektar vergrößert<br />
wurden. Aus den genannten Zahlen^'*<br />
lässt sich also ableiten, dass der Anstieg der<br />
Reisanbauflächen besonders in den frühen Jahren<br />
der britischen Besetzung und Verwaltung Birmas<br />
rasant war. Mit der zunehmenden Erschließung<br />
von Reisfeldern .stiegen <strong>die</strong> Exporte an. 1872/73<br />
wurden mit 720.000 Tonnen erstmals mehr als<br />
500.000 Tonnen Reis exportiert. Umschlag, Veredelung<br />
und Verbrauch in Europa sowie <strong>die</strong> ab<br />
1870 stark steigende Nachfrage nach billigen<br />
Nahmngsmitteln für „the labourers in the plantations<br />
of Ceylon, Malaya, Dutch East In<strong>die</strong>s as<br />
well as in the West In<strong>die</strong>s“^^®garantierten den<br />
Absatz der immer größer werdenden Reisproduktion<br />
Birmas.<br />
Arbeitstiere in der Landwirtschafi<br />
Außer ausreichend Kulturland und genügend<br />
Bauern, <strong>die</strong> dort Reis anbauten, gab es noch einen<br />
weiteren wichtigen Faktor, der entscheidend<br />
zur Entwicklung Birmas zu einem wichtigen<br />
Reisexportland beitrug. Erst wenn „a regular<br />
monsoon, good health among the cultivators and<br />
an adequate supply of healthy plough cattle“<br />
zusammenkamen, gab es gute Reisemten.^^' Der<br />
Einsatz von Arbeitstieren war in ganz Birma gebräuchlich<br />
und von Bedeutung. Sie wurden zum<br />
Austreten von Zuckerrohr und Öl verwendet und<br />
als Zugtiere im Transportwesen oder als Wasserträger<br />
genutzt. Des Weiteren wurden sie zum<br />
Holzziehen in der Holzfällerei, dem zweitwichtigsten<br />
Wirtschaftszweig Birmas in der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts, eingesetzt. Darüber<br />
hinaus waren Nutztiere für <strong>die</strong> Versorgung der<br />
Menschen mit Milch und Fleisch wichtig. Die<br />
größte Bedeutung hatten sie jedoch als Pflugtiere<br />
im Reisanbau.<br />
Als Nutztiere wurden in Birma Rinder und Büffel<br />
eingesetzt. Beide hatten für ihren landwirtschaftlichen<br />
Nutzen Vor- und Nachteile. Büffel<br />
waren <strong>die</strong> teureren und stärkeren Tiere, <strong>die</strong> eher<br />
in den schlammigen überschwemmten Feldern<br />
zu Hause waren. Dafür ließen sie sich schlechter<br />
lenken, konnten weniger lang in der heißen Sonne<br />
arbeiten und waren schwerfälliger als <strong>die</strong><br />
schwächeren Rinder. Zudem waren Büffel nicht<br />
als Zugtiere für Karren zu gebrauchen und anfälliger<br />
für Krankheiten. Die Rinder hingegen,<br />
unter denen Ochsen <strong>die</strong> gebräuchlichsten Nutztiere<br />
waren, galten als gutmütig und fleißig. Die<br />
einheimischen Züchtungen gaben wenig Milch<br />
und schlechtes Fleisch, weshalb sie vollständig<br />
in der Landwirtschaft eingesetzt wurden.<br />
Ganz Niederbirma <strong>bis</strong> auf <strong>die</strong> Region Arakan<br />
war Importgebiet für Rinder. Das Klima erschwerte<br />
<strong>die</strong> Zucht, weshalb der Bedarf zu jährlichen<br />
Importen aus Oberbirma und Siam führte.<br />
Trotzdem gab es auch in Oberbirma keine großen<br />
Zuchtfarmen, sondern <strong>die</strong> Zucht wurde von Bauern<br />
als Geschäft für einen kleinen Zuver<strong>die</strong>nst<br />
betrieben. Der Verlust der Nutztiere konnte für<br />
<strong>die</strong> Bauern jedoch zu einem großen Problem<br />
werden. Im Regelfall konnten neue Tiere nur<br />
durch einen zusätzlichen Kredit gekauft werden,<br />
was <strong>die</strong> Bauern bei einer schlechten Ernte immer<br />
wieder der Gefahr der Rückzahlungsunfähigkeit<br />
aussetzte. Daher wurde 1876 ein ziviles Veterinäramt<br />
geschaffen, das einer falschen Behandlung<br />
der Tiere durch ihre Halter und der Ausbreitung<br />
von Krankheiten wie der Rinderpest<br />
Vorbeugen sollte.<br />
53
Reisfirmen aus Europa<br />
Die Nachfrage nach Birma-Reis war <strong>die</strong> notwendige<br />
Ergänzung zu den britischen Bemühungen,<br />
Birma zu einem bedeutenden Reiserzeuger<br />
zu entwickeln. Europäische Reisfirmen<br />
etablierten sich praktisch umgehend mit den ersten<br />
britischen Eroberungen 1832. Die meisten<br />
<strong>die</strong>ser Firmen waren bereits auf dem europäischen<br />
Markt verankert und daher nicht neu im<br />
Reisgeschäft. Reismüllerei wurde in der ersten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts in Birma selbst aber<br />
eher selten betrieben. Stattdessen wurde mit Rohreis<br />
gehandelt und nur in sehr kleinen Quantitäten<br />
von einheimischen Reisbauern handgemahlener<br />
Reis gekauft. Die Handelswege waren in<br />
den Anfängen mehr regional als global und In<strong>die</strong>n<br />
war das vorrangige Absatzziel für zumeist<br />
ungeschälten Reis.^^^ Sinkende Reispreise und<br />
eine einhergehende vermehrte Nachfrage von<br />
Reis in den einkommensschwächeren, aber größeren<br />
Bevölkerungsschichten Europas schufen<br />
einen neuen und wachsenden Absatzmarkt.<br />
Über den üblichen Weg, sich in Birma als Reisfirma<br />
zu etablieren, schreibt Siok-Hwa:<br />
“Mohr Brothers & Co., Ltd., one of the oldest<br />
rice firms in Burma, may be taken as an example.<br />
The firm was established in Akyab in<br />
1837 and branches were opened in Bassein<br />
in 1858, and in Moulmein and Rangoon in<br />
1859. Rangoon, however, soon became the<br />
headquarters.’’^^“*<br />
Der übliche Weg dabei war, dass ein Schiff nach<br />
Birma gesandt wurde, um Reis aufzukaufen, um<br />
<strong>die</strong>sen anschließend gewinnbringend in In<strong>die</strong>n<br />
oder Europa zu vermahlen oder zu verkaufen.<br />
Dass Akyab bald von Rangun als wichtigster<br />
Exporthafen abgelöst wurde, zeigt sich nicht nur<br />
an den Ausfuhrzahlen, sondern exemplarisch<br />
auch an der Firma Messrs. Joseph Heap and<br />
Sons, Limited. Die Reismüller aus Liverpool<br />
sandten 1864 Segelschiffe nach Birma, um Reis<br />
aufzukaufen und setzten dort einen Agenten für<br />
ihre Geschäfte ein. Ihre asiatische Niederlassung<br />
gründeten sie in Rangun. Die Liverpooler gehörten<br />
1864 immer noch zu den frühesten europäischen<br />
Reisfirmen, <strong>die</strong> in Birma aktiv wurden.<br />
Ihrem Beispiel folgten eine ganze Reihe anderer<br />
europäischer Reisfirmen, <strong>die</strong> erst Handelsniederlassungen<br />
und bald darauf Mühlen in den<br />
vier wichtigen Exporthäfen, Rangun, Akyab,<br />
Moulmein und Bassein, gründeten.Bis 1866<br />
wurde aus Akyab <strong>die</strong> größte Menge Reis exportiert.<br />
1867 übernahm Rangun <strong>die</strong> Führung im<br />
Reisexport und 1877 schob sich Bassein in den<br />
Ausfuhrzahlen vorbei an Akyab auf den zweiten<br />
Rang.^^* Der Verkehr von Reisschiffen nach<br />
Europa wuchs schnell an. Eine Vorstellung davon<br />
vermittelt ein Eingangsbuch des Hafens von<br />
Liverpool, wo <strong>bis</strong> Mitte der 1880er Jahre so viel<br />
Reis verarbeitet wurde, wie sonst nirgendwo auf<br />
der Welt.^^^ Dort kamen zwischen 1876 und 1898<br />
1.622 Schiffe mit Reisladungen an, von denen<br />
1.478 Schiffe Birma-Reis geladen hatten. 1876<br />
<strong>bis</strong> 1883 erreichten im Durchschnitt 108 Refstransporte<br />
aus Birma den Hafen von Liverpool.^<br />
Einer der in <strong>die</strong>sen Ankunftslisten häufiger aufgeführten<br />
Broker, also der Reisimporteure, ist<br />
<strong>die</strong> Firma Joseph Heap and Sons.<br />
1861 begann in Birma das Zeitalter der industriellen<br />
Reismüllerei. Die erste mit Dampfkraft<br />
betriebene Reismühle wurde in Rangun gegründet.<br />
1870 gab es bereits 20 Großmühlen in den<br />
vier wichtigsten Exporthäfen, von denen alleine<br />
17 in Rangun den Reis zum Export vorbereiteten.<br />
Nur zehn Jahre später, 1880, waren es dort bereits<br />
28 Reismühlen und in ganz Birma schon<br />
49 Mühlen.Verglichen mit dem Zeitraum ab<br />
1900 war <strong>die</strong>ses Wachstum zwar niedrig, aber<br />
<strong>die</strong> Mühlen konnten einerseits sehr große Mengen<br />
von 100 <strong>bis</strong> zu 250 Tonnen Rohreis an einem<br />
zwölfstündigen Arbeitstag verarbeiten, und andererseits<br />
wurden im 19. Jahrhundert besonders<br />
in den Exporthäfen <strong>die</strong> Kapazitäten der Großmühlen<br />
eher erweitert, als neue kleinere Mühlen<br />
zusätzlich errichtet wurden. Des Weiteren wurden<br />
vermutlich mehr Mühlen errichtet, als <strong>die</strong><br />
Gesamtzahl der Mühlen zeigt, denn der Verlust<br />
von Anlagen durch Brände war nicht ungewöhnlich.^^“<br />
Brandgefahr bestand in Fabriken, <strong>die</strong> mit<br />
Dampfmaschinen arbeiteten, immer, wie ein Artikel<br />
aus dem zeitgenössischen Fachmagazin für<br />
54
das Mühlenhandwerk „Die Mühle“ aufzeigt. Unter<br />
den dort genannten, der Magdeburger Feuerversicherungs-Gesellschaft<br />
im Monat Oktober<br />
1880 bekannt gewordenen Mühlenschäden<br />
wird auch ein Brand in einer Londoner Reismühle<br />
der Firma Woodbridg & Smiths [!] mit<br />
einem Schaden von 140 Pfund Sterling aufgezählt.“<br />
'<br />
London und Liverpool hatten sich im 18. Jahrhundert<br />
zu den Zentren der europäischen Reismüllerei<br />
entwickelt. Mit dem Wachstum einer<br />
selbstständigen amerikanischen Reisindustrie<br />
waren <strong>die</strong> Geschäftsaussichten englischer Mühlen<br />
schlechter geworden. Nun bot sich den englischen<br />
Reismüllem in Birma wieder ein Markt,<br />
der als englische Kolonie einen einfachen Zugang<br />
verhieß. Die ersten in Birma aktiven Reisfirmen<br />
führten auch alle einen englischen Namen,<br />
aber wie sich noch zeigen wird, waren früh<br />
auch schon Deutsche im englisch dominierten<br />
Geschäft der Reismüllerei erfolgreich.<br />
Produktionsbedingungen in der Reismüllerei<br />
Die von Europäern betriebenen Großmühlen in<br />
den Exporthäfen Birmas waren trotz ihrer großen<br />
Leistungsfähigkeit keine Beispiele für Arbeitsästhetik<br />
oder Industrie-Architektur. Singer<br />
beschreibt <strong>die</strong> äußeren Zustände folgendermaßen:<br />
“One of the more prominent testimonies<br />
which indicated that Burma was fast becoming<br />
the ‘Rice bowl of Asia’ was the increase<br />
in the number of rice-mills on both sides of<br />
the Rangoon River. Indeed, in some publications<br />
of the period, Rangoon was referred to<br />
as the ‘Rice City’. These depressing signs of<br />
this lucrative industry, with their corrugated<br />
iron roofs and tall smoking chimneys were in<br />
squalid contrast to the impressive buildings<br />
along the strand, and the great olden pagoda<br />
was floating above the haze.’’^^^<br />
Diese äußere Tristesse wurde negativ ergänzt<br />
durch <strong>die</strong> inneren Zustände und Arbeitsbedingungen.<br />
Die schlechten Unterkünfte auf den Fabrikgeländen<br />
beziehungsweise an deren Rändern<br />
wurden bereits im Zusammenhang mit der Migration<br />
indischer Arbeitskräfte genannt.<br />
In den ersten Jahren waren auch <strong>die</strong> europäischen<br />
Reismühlen nur einfache Hütten mit Wellblechdächern,<br />
in denen der Reis in handgetriebenen<br />
zylindrischen Mahlwerken geschält wurde. Die<br />
wichtigste technische Neuerung in der Reismüllerei<br />
Birmas war natürlich der Einsatz von<br />
Dampfkraft ab 1861. Die Brennstoffkosten waren<br />
jedoch sehr hoch, da alle Kohle per Schiff<br />
nach Birma gebracht werden musste. Tatsächlich<br />
war <strong>die</strong>s einer der ersten Kontakte der Firma<br />
Rickmers mit dem asiatischen Reismarkt. Rickmer<br />
Glasen Rickmers hatte seine Flotte von Segelschiffen<br />
unter anderem mit dem Transport<br />
von Kohle nach Birma in Fahrt gehalten. Diese<br />
Situation der schwierigen und teuren Rohstoffbeschaffung<br />
beendete 1880 <strong>die</strong> Entwicklung eines<br />
Brennofens, in dem <strong>die</strong> <strong>bis</strong> dahin als wertloser<br />
Abfall anfallenden Reisspelzen zur Energiegewinnung<br />
verbrannt werden konnten. Der<br />
daraus entstehende Kostenvorteil führte „to the<br />
immediate installation of the husk furnace in<br />
every mill within the next few years“.“ ^ Außerdem<br />
sank damit <strong>die</strong> Verschmutzung und Versandung<br />
der Kanäle und Flüsse, in <strong>die</strong> <strong>die</strong> Reisspelzen<br />
einfach geworfen worden waren - auch wenn<br />
nur etwa <strong>die</strong> Hälfte der anfallenden Spelzen zum<br />
Befeuern der Öfen gebraucht wurde.<br />
Die Maschinenanlagen wurden in den allermeisten<br />
Fällen von deutschen oder englischen Ingenieuren<br />
gewartet und wurden stetig verbessert.<br />
Da <strong>bis</strong> etwa 1890 der Export hauptsächlich nach<br />
Europa ging und dort <strong>die</strong> technisch anspruchsvollere<br />
Feinbearbeitung der Reiskörner vorgenommen<br />
wurde, ist davon auszugehen, dass erst<br />
mit der Entstehung vieler kleiner Reismühlen in<br />
Birma um <strong>die</strong> Jahrhundertwende dort der technische<br />
Rückstand in der Reismüllerei aufgeholt<br />
wurde. Dennoch soll der nachfolgende Artikel<br />
aus der Zeitschrift „Die Mühle“ ein Beispiel geben,<br />
wie versucht wurde, <strong>die</strong> Effizienz der Reismüllerei<br />
durch technische Verbesserungen zu erhöhen:<br />
55
'у . ■<br />
ш<br />
„Maschine zum enthüllen von Reis, Hirse<br />
usw.<br />
von Eugen Reverdy in Bremen. Mit 2 Bildern<br />
Enthülsungsmaschinen haben <strong>bis</strong>her stets in<br />
der Weise gewirkt, dass <strong>die</strong> zu enthülsenden<br />
Körner zwischen Reibflächen <strong>die</strong> parweise<br />
[!] angeordnet sind, gerieben, gequetscht und<br />
zerissen, oder auch dass sie gegen eine umgebende<br />
fest Haube oder gegen eine fest Fläche<br />
angeschleudert werden. Alle <strong>die</strong>se seither<br />
bekanntgewordenen Vorrichtungen haben den<br />
Nachteil, dass bei Reis und Hirse zu viel minderwertiger<br />
Bruch entsteht, oder das namentlich<br />
bei Reis <strong>die</strong> Körner ihrer Länge nach gespalten<br />
werden. Bei zwei Reibflächen besteht<br />
auch durch <strong>die</strong> notwendige Einstellung des<br />
Abstandes der genannten Flächen der Nachteil,<br />
dass von den stets gemischt vorkommenden<br />
Körnern entweder nur <strong>die</strong> dicken Körner<br />
enthülst werden und <strong>die</strong> mittleren und kleineren<br />
unberührt bleiben, oder das <strong>die</strong> letzteren<br />
enthülst, <strong>die</strong> dicken dann aber gespalten, oder<br />
zerbrochen werden. Alle <strong>die</strong>se besagten Nachteile<br />
sollen durch <strong>die</strong> neue Einrichtung beseitigt<br />
werden.<br />
Die Erfindung besteht darin, dass <strong>die</strong> Enthülsung<br />
auf nur einer Arbeitsfläche und zwar auf<br />
einer rotirenden Schale mit ausstehendem<br />
Rand, Bild 70 u. 71, vor sich geht, auf welche<br />
<strong>die</strong> zu behandelnden Körner gebracht werden.<br />
Die Schale s welche eine Umfangsgeschwindigkeit<br />
von mindestens 2000 m minütlich am<br />
ausstehenden Rand haben muss, hat einen<br />
wagrechten [!] metallenen Boden von einem<br />
Durchmesser, der je nach der gewählten Umdrehungszahl<br />
0,3 <strong>bis</strong> etwa 1 m betragen mag.<br />
Bringt man <strong>die</strong> Körner auf <strong>die</strong>se vorher in<br />
volle Umdrehungsgeschwindigkeit versetzte<br />
Schale, so werden sie durch <strong>die</strong> Schleuderkraft<br />
gegen den inneren Schalenrand geführt<br />
und gezwungen, plötzlich <strong>die</strong> nach außen gerichtete<br />
Bewegung zu verlassen und eine<br />
kreisförmige Bewegung anzunehmen. Hierbei<br />
entsteht ein Stoß der Körner, entweder an den<br />
Schalenrand selbst oder an anderen bereits<br />
am Schalenrande anliegenden mitrotirenden<br />
Körnern. Diese plötzliche Erschütterung genügt<br />
bei Reis und Hirse zum Absprengen der<br />
Schale. Die enthülsten Körner fliegen mit den<br />
Hülsen am ganzen Umfang der Schale über<br />
den Rand, wodurch ein ununterbrochener Betrieb<br />
ermöglicht ist.<br />
Das Korn bleibt nach Angabe des Erfinders<br />
bei der Bearbeitung kühl und ist, soweit es '<br />
nicht schon in der Hülse beschädigt war, wenig<br />
dem Bruch ausgesetzt.“^^"*<br />
Neben den technischen Anlagen sowie der Aus- '<br />
beutung der Arbeitskräfte haben <strong>die</strong> europäischen<br />
Reismüller besonders mit eigenen Markt- •<br />
Strategien für ausreichende Gewinne gesorgt.<br />
Europäische Mühlen:<br />
Preisabsprachen und Gewinne<br />
Mit der stetigen Erschließung Birmas als Reisanbauland<br />
wuchsen auch <strong>die</strong> wirtschaftlichen ;<br />
Möglichkeiten und Begehrlichkeiten der Akteure.<br />
Um das Jahr 1870 herum nahm mit dem Anstieg<br />
des Handelsvolumens auch <strong>die</strong> Zahl der<br />
beteiligten Händler und Müller weiter zu. Die<br />
europäischen Reisfirmen mit ihren Großmühlen<br />
einigten sich früh darauf, dass auf Preisverfälle ,<br />
in Europa und auf den zunehmenden Wettbewerb<br />
in Birma am besten mit Preisabsprachen zu rea- ■<br />
gieren war. Ruinösen Wettbewerb wollten sie<br />
verhindern. Diese Absprachen waren um 1870<br />
noch fragile Konstrukte, <strong>die</strong> schnell auseinanderbrachen,<br />
wenn ein neuer Händler den Markt<br />
betrat oder ein findiger Müller einen Weg fand, ,<br />
<strong>die</strong> Abkommen zu seinen Gunsten zu unterlaufen.<br />
Sir James Scott, ein Publizist, der über das<br />
Leben in Birma unter dem Pseudonym Shway<br />
Yoe schrieb, schilderte <strong>die</strong>s folgendermaßen:<br />
“The English merchants held a meeting and<br />
all pledged themselves not to give more than<br />
the current rate for paddy. This seemed a fair<br />
enough agreement; but after a while it was<br />
found that the boats all gravitated towards<br />
one or two firms. A little investigation showed<br />
that this was due to the fact that though they<br />
paid the ordinary rate, according to the com-<br />
56
pact, they had a smaller measuring basket<br />
than their neighbours. Accordingly every one<br />
went on reducing the size of his basket until<br />
the system became as ruinously absurd as it<br />
ever had been before.”^^^<br />
Waren <strong>die</strong> Verkäufer, <strong>die</strong> den Reis mit den Großmühlen<br />
handelten, mit den Preisabsprachen nicht<br />
zufrieden, blieb ihnen nur <strong>die</strong> Möglichkeit, in<br />
einen der anderen Exporthäfen auszuweichen,<br />
wenn dort <strong>die</strong> Preise höher waren. Dabei kam<br />
es zu regelrechten Preiskämpfen mit unterschiedlichem<br />
Ausgang. Akzeptierten <strong>die</strong> Verkäufer,<br />
Spekulanten und Zwischenhändler <strong>die</strong> niedrigen<br />
Preise der Verschiffer nicht und hielten den Reis<br />
zurück, hatten sie Erfolg, wenn <strong>die</strong> Verschiffer<br />
entweder wegen der Charter und der Liegegelder<br />
von Schiffen oder durch Terminkontrakte unter<br />
finanziellem Druck standen. Wurde jedoch früh<br />
geerntet, liefen Schiffe verspätet Birma an und<br />
fanden sich keine anderen Käufer, verschlechterte<br />
sich <strong>die</strong> finanzielle Situation der Reisverkäufer,<br />
und sie mussten auch auf schlechte Angebote<br />
von Mühlen und Verschiffern eingehen.^^®<br />
Zudem hatten <strong>die</strong> Großmühlen eine doppelt gute<br />
Ausgangslage in <strong>die</strong>sen Preiskämpfen. Erstens<br />
erzeugten sie <strong>die</strong> größte Nachfrage nach Reis.<br />
Denn auf <strong>die</strong> Großmühlen konnten <strong>die</strong> Reishändler<br />
nicht verzichten, weil sie ihre Ware sonst<br />
nicht hätten verkaufen können. Zweitens beruhte<br />
<strong>die</strong> Handelskette vom Reisbauern über <strong>die</strong><br />
Zwischenhändler <strong>bis</strong> zu den Mühlen auf Krediten,<br />
und durch <strong>die</strong> Abwesenheit eines guten<br />
Lagersystems in Birma waren <strong>die</strong> Preise stark<br />
durch den jeweiligen Zeitpunkt in der Saison<br />
gebunden.^^^ Für einen Preiskampf brauchten <strong>die</strong><br />
Reisverkäufer also ausreichend finanzielle Polster.<br />
Trotz solcher Preiskämpfe war der <strong>Reishandel</strong><br />
ein höchst lukratives Geschäft. Unter den Händlern<br />
Birmas erzielten <strong>die</strong> Reishändler <strong>die</strong> größten<br />
Gewinne - auf Kosten der beschriebenen Ausbeutung<br />
der Arbeitskräfte in den Mühlen. Einer<br />
der prominentesten Händler soll der Engländer<br />
James Leishman gewesen sein. Er erwarb seinen<br />
Reichtum während der indischen Hungersnöte<br />
in den 1870er Jahren und tat sich mit seinem<br />
Reichtum durch besonders extravagante Soireen<br />
in der Ranguner Gesellschaft unter dem Spitznamen<br />
„Paddy King“ hervor. Reishändler und<br />
Reismüller gehörten finanziell und gesellschaftlich<br />
zur absoluten Oberschicht. Als sich Birma<br />
um 1880 nach einer rasanten Entwicklung als<br />
wichtigstes Reisanbauland im Welthandel etabliert<br />
hatte, waren <strong>die</strong> Gewinne der Händler so<br />
groß, dass sie sich einen Lebensstandard - „surrounded<br />
by obsequious Indian servants“ - leisten<br />
konnten, der für sie in Europa unerschwinglich<br />
gewesen wäre.^^*<br />
Die asiatischen Anbaugebiete außerhalb<br />
Birmas<br />
Die asiatischen Reisanbaugebiete außerhalb Birmas<br />
haben ebenfalls Ernteerträge von bedeutenden<br />
Ausmaßen. Trotzdem sollen sie hier aus<br />
mehreren Gründen nur kurz erwähnt werden.<br />
Denn ihnen allen ist gemeinsam, dass sie kaum<br />
Einfluss auf den deutschen <strong>Reishandel</strong> hatten.<br />
Entweder waren sie keine Überschussgebiete<br />
und hatten daher gar keine Ware, <strong>die</strong> auf den<br />
Exportmarkt kam, oder es wurde Reis erzeugt,<br />
der auf Grund seiner Eigenschaften für den deutschen<br />
Handel und den deutschen Konsum nicht<br />
relevant war.<br />
Britisch-In<strong>die</strong>n<br />
Nach Blankenburg ist In<strong>die</strong>n überall dort ein<br />
Reisbauland, wo mindestens 1.000 mm Regen<br />
im Jahr fallen. Örtlich grenzt er <strong>die</strong>se Gebiete<br />
ungefähr östlich des 80. Längengrades und südlich<br />
des 20. Breitengrades ein. Eine der ertragreichsten<br />
Provinzen war Bengalen, das durch<br />
das Delta des Ganges eine gute Wasserversorgung<br />
der Reisfelder hatte, ohne dass künstliche<br />
Bewässerungsmechanismen angelegt werden<br />
mussten. Weitere gute Anbaugebiete waren <strong>die</strong><br />
Provinzen Madras und Bombay. Obwohl in In<strong>die</strong>n,<br />
beispielsweise entlang des Flusses Indus,<br />
spätestens seit dem beginnenden 20. Jahrhundert<br />
Reisbau mit intensiver Bewässerung betrieben<br />
wurde, erreichte es nie den Status eines Export-<br />
57
landes. Dafür war der Bedarf an Reis, obwohl<br />
In<strong>die</strong>n auch ein klassisches Weizenverbrauchsland<br />
war, wegen der hohen Bevölkerungsdichte<br />
zu umfangreich. Oft musste sogar Reis eingeführt<br />
werden, wenn sich der Südwest-Monsun<br />
verzögerte und <strong>die</strong> Böden nicht genügend Wasser<br />
bekamen oder es aus anderen Gründen schlechte<br />
Ernten gab.^^^<br />
Die Tatsache, dass in In<strong>die</strong>n sowohl Reis als<br />
auch Weizen für <strong>die</strong> Ernährung der Bevölkerung<br />
eine sehr wichtige Rolle spielten, haben Latham<br />
und Neal als Ausgangspunkt für eine Stu<strong>die</strong> über<br />
<strong>die</strong> Vernetzung der internationalen Märkte von<br />
Reis und Weizen zwischen 1868 und <strong>1914</strong> genutzt.<br />
Für <strong>die</strong> Vernetzung des globalen Marktes<br />
eines Gutes, beispielsweise Reis, berechneten<br />
sie einen Regressionskoeffizienten für <strong>die</strong> Preise<br />
der Ware in zwei Märkten: “Correlation coefficients<br />
of the two price series should then be<br />
higher, the better integrated the two markets are.”<br />
Sind beide Märkte der Ware gut integriert, liegt<br />
der Regressionskoeffizient nahezu bei eins.^''®<br />
Für den gesamten Untersuchungszeitraum war<br />
das Ergebnis <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong>, dass Birma mit den<br />
Hauptkonkurrenten im asiatischen Reismarkt auf<br />
einem hohen Niveau integriert war. Die Vernetzung<br />
der asiatischen Reismärkte untereinander<br />
wurde dabei sicher durch <strong>die</strong> <strong>bis</strong>her noch nicht<br />
diskutierte Verlagerung des weltweiten <strong>Reishandel</strong>s<br />
von Europa zurück nach Asien, <strong>die</strong> sich ab<br />
1900 abzeicbnete, mitbestimmt.^'“ Trotzdem gilt<br />
aber, dass <strong>die</strong> Vernetzung des asiatischen Reismarktes<br />
mit dem europäischen Markt und den<br />
weiteren Märkten weltweit durch <strong>die</strong> Reisfirmen<br />
aus London, Liverpool, Hamburg und Bremen<br />
vorgenommen wurde.Da <strong>die</strong> deutschen Reisfirmen<br />
ihre englischen Konkurrenten Mitte der<br />
1880er Jahre in ihrer Bedeutung marginalisierten^''^,<br />
kann dem deutschen <strong>Reishandel</strong> somit eine<br />
globale Bedeutung zugesprochen werden.<br />
Des Weiteren ist der indische Weizenmarkt für<br />
den internationalen und den deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
erwähnenswert, weil es einen engen Zusammenhang<br />
zwischen Weizen- und Reispreisen gab.<br />
In In<strong>die</strong>n waren Reis und Weizen Substitute in<br />
der Grundversorgung der Bevölkerung. Nach<br />
den weiteren Berechnungen von Latham und<br />
Neal hingen <strong>die</strong> Londoner Preise für Reis aus<br />
Rangun enger mit den indischen Preisen für Weizenexporte<br />
zusammen als mit den Reispreisen<br />
in Rangun. Für den ersten Zusammenhang betrug<br />
der Regressionskoeffizient 0,77, für Letzteren<br />
mit 0,76 etwas weniger. Für <strong>die</strong> Preise von<br />
Reis und Weizen in In<strong>die</strong>n betmg der Koeffizient<br />
0,91. Die Marktintegration war also sehr hoch.<br />
Daraus folgern sie, dass in In<strong>die</strong>n „the wheat<br />
world and the rice world met to form a single<br />
international market“.^'*^ Für den deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
hatte <strong>die</strong>ser Zusammenhang Bedeutung,<br />
weil In<strong>die</strong>n, obwohl es ein großer Reisproduzent<br />
war, eine große Nachfrage nach Reis erzeugen<br />
konnte. Das wiederum hatte konkrete Auswirkung<br />
auf <strong>die</strong> in Birma zur Verfügung stehende<br />
Menge an Reis und besonders auf <strong>die</strong> Preise und<br />
<strong>die</strong> zu erzielenden Gewinne für <strong>die</strong> deutsche<br />
Reisindustrie.<br />
Französisch-Indochina<br />
Französisch-Indochina entwickelte sich in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwar ebenfalls<br />
zu einem Reisanbauland, erreichte dabei<br />
für den weltweiten <strong>Reishandel</strong> aber nicht annähernd<br />
<strong>die</strong> Bedeutung, <strong>die</strong> Birma zukam. Der<br />
Reisexport entfaltete sich mit der schrittweisen<br />
französischen Eroberung. Der Kaiser Vietnams<br />
hatte sich ersten französischen Versuchen, Handelsbeziehungen<br />
zu knüpfen, vehement widersetzt.<br />
Infolge des Konflikts kam es 1859 zur Eroberung<br />
Saigons sowie des Mekong-Deltas und<br />
1863 musste Vietnam schließlich den gesamten<br />
südlichen Küstenbereich abtreten. 1887 wurde<br />
dann <strong>die</strong> Union Indochinoise gegründet, der auch<br />
<strong>die</strong> Gebiete von Anam und Tonking, heute Teile<br />
von Vietnam, und das heutige Kambodscha angehörten.Eine<br />
europäische Entwicklungspolitik<br />
ähnlich der britischen in Birma gab es allerdings<br />
nicht.<br />
Der Reisexport begann mit der Abtretung der<br />
Küstenflächen 1863, also fast 30 Jahre später<br />
als in Birma. Zudem hatte der Reis eine sehr<br />
schlechte Qualität und wurde daher überwiegend
in Asien konsumiert und nur in kleinen Mengen<br />
nach Portugal und Frankreich exportiert.^''® Die<br />
meisten Reisfelder gab es im Mündungsgebiet<br />
des Mekong, <strong>die</strong> sich zwischen 1860 und<br />
1903/04 von 2.500 Quadratkilometer auf fast<br />
12.000 Quadratkilometer mehr als vervierfachten.<br />
Dabei zeigte sich wie in Birma, dass <strong>die</strong><br />
Bevölkerungsdichte in den Reisbaugebieten besonders<br />
hoch war. Auch in Indochina war der<br />
Reisanbau der Kristallisationspunkt der Bevölkerungsentwicklung.Die<br />
gesellschaftliche<br />
Entwicklung Indochinas ist ebenfalls durch Migration<br />
geprägt. Die chinesische Minderheit erlangte<br />
dabei eine wirtschaftlich sehr bedeutende<br />
Stellung. Chinesen fungierten als Kreditgeber<br />
für <strong>die</strong> Reisbauern und <strong>die</strong> Mühlen waren vorwiegend<br />
in chinesischem Besitz. Damit lag <strong>die</strong><br />
gesamte Produktions- und Exportkette in chinesischer<br />
Hand.<br />
Da bereits im Landesinneren häufig verschiedene<br />
Reissorten und -qualitäten gemischt wurden und<br />
<strong>die</strong>se Vermischung in den Mühlen fortgesetzt<br />
wurde, sank <strong>die</strong> Attraktivität der Ware für den<br />
europäischen Markt weiter. Denn je gemischter<br />
der Reis war, desto mehr Bruch entstand bei der<br />
Bearbeitung in Europa. Obwohl Indochina mehr<br />
Reis exportierte als Siam, erreichte es daher keine<br />
Bedeutung im globalen <strong>Reishandel</strong> und blieb<br />
größtenteils auf den asiatischen Markt beschränkt.^''*<br />
Entsprechend <strong>die</strong>ser untergeordneten<br />
Stellung als Produzent für <strong>die</strong> benötigten Importe<br />
der deutschen Reisindustrie wurde Französischindochina<br />
nur bedingt Aufmerksamkeit gewidmet.<br />
Bezeichnenderweise wurde 1911 in einem<br />
Konsulatsbericht aus Saigon davon gesprochen,<br />
dass ein gerade in Saigon erteiltes Reisausfuhrverbot<br />
wegen hoher Preise und der Gefahr einer<br />
Hungersnot das erste Mal vorgekommen sei. Da<br />
noch alle Lieferverträge erfüllt werden konnten,<br />
ist es für den deutschen <strong>Reishandel</strong> kaum von<br />
Bedeutung gewesen.Ähnlich geringe Bedeutung<br />
der Reisernten Indochinas für <strong>die</strong> europäische<br />
Reisindustrie vermittelt ein englischer Reismarktbericht<br />
schon einige Jahre früher. 1886<br />
hieß es dort: “From Saigon [...] the export to<br />
Europe is, however, not expected to be large.”<br />
Außerdem gab es 1886 in Siam eine schlechte<br />
Ernte und durch den chinesischen Importbedarf<br />
sank <strong>die</strong> Exportkapazität Saigons nach Europa<br />
„in consequence of the demands which China is<br />
likely to make to replace the supplies usually<br />
available from Siam“ weiter.^®" Nicht zuletzt<br />
zeigt sich <strong>die</strong> geringe Bedeutung des Reises aus<br />
Französisch-Indochina für <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
in der Art der Berichterstattung im Fachmagazin<br />
„Die Mühle“. Während im Jahr 1891<br />
einem Marktbericht über Birma-Reis zwei ganze<br />
Seiten eingeräumt und der Lage des <strong>Reishandel</strong>s<br />
in Antwerpen immerhin zehn Sätze zugestanden<br />
wurden^*', ist <strong>die</strong> Nachricht über eine Missernte<br />
in der Provinz Tonking mit nur einem Satz ohne<br />
weitere Erläuterung erwähnt worden.Marktveränderungen<br />
in Französisch-Indochina wurden<br />
in Deutschland registriert, da sie kurzfristige<br />
Preisschwankungen des internationalen Marktes<br />
durch gute oder besonders schlechte Ernten verursachen<br />
konnten. Nachhaltigen Einfluss auf den<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong> hatten <strong>die</strong> Reisernten Französisch-Indochinas<br />
nicht.<br />
Siam<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts waren Zucker und<br />
Reis <strong>die</strong> Hauptexportartikel Siams. Ähnlich wie<br />
im westlichen Nachbarland Birma gab es Ende<br />
der <strong>1850</strong>er Jahre noch keine industriellen Verarbeitungsprozesse<br />
in Siam. Die Beschreibung der<br />
Zuckerherstellung und der Reisverarbeitung<br />
durch den deutschen Kaufmann Adolph Markwald<br />
von 1859 gibt <strong>die</strong>s eindrucksvoll wieder:<br />
„Die Qualität <strong>die</strong> größtentheils von hier exportiert<br />
wird, ist der sogenannte Cargoreis<br />
welches eine Mittelsorte ist, zwischen ungeschälten<br />
Reis [...] und weißen Reis.<br />
Bis jetzt wird der Reis noch auf <strong>die</strong> uralte<br />
Weise durch einfaches Stampfen gereinigt, es<br />
sind jedoch Aufträge nach Europa und Nord<br />
Amerika gesandt, um Reis Reinigungs Maschinen<br />
<strong>die</strong> mit Dampf Kraft betrieben werden<br />
hierherzusenden.“<br />
Über <strong>die</strong> Zuckerherstellung schrieb Markwald<br />
Vergleichbares:<br />
59
„Bis jetzt sind noch fast alle Zuckerfabriken<br />
auf <strong>die</strong> uralte Methode eingerichtet, und ich<br />
habe während meiner Reise ins Innere um<br />
<strong>die</strong> Zuckerfabriken zu besuchen, keine einzige<br />
mit einem hohen Schornstein gefunden und<br />
irgend eine Verbesserung bemerkt, wie sie<br />
hundertfach in anderen Ländern bestehen und<br />
obgleich hier in den meisten Fabriken zweimal<br />
durch <strong>die</strong> Cylinder geht, so ist der Verlust<br />
an Zuckerstoff dennoch sehr bedeutend.<br />
Zuckerraffmerien existieren noch nicht in Siam.<br />
Es sind jedoch auch in <strong>die</strong>ser branche [!]<br />
große baldige Verbesserungen zu erwarten,<br />
da bereits Orders auf Dampfmaschinen zum<br />
Zucker raffinieren nach Europa und Amerika<br />
gegangen sind.“^^^<br />
Mit dem bald folgenden Einsatz von Dampfmaschinen<br />
etablierte sich in Siam eine industriell<br />
arbeitende Exportwirtschaft. 1858 - also im Widerspruch<br />
zu den Aussagen Markwalds vom Mai<br />
1859 - baute eine amerikanische Eirma <strong>die</strong> erste<br />
dampfgetriebene Reismühle, 1862 errichtete eine<br />
britische Firma <strong>die</strong> erste Zuckerfabrik mit<br />
Dampfkraft.^^“' Auf Grund des kosteneffizienteren<br />
Anbaus von Zuckerrüben in Europa und von<br />
Rohrzucker auf Java brach in den 1870er Jahren<br />
der Zuckerexport Siams zusammen. Damit<br />
wurde in Siam der Reisanbau und -export zum<br />
wichtigsten Wirtschaftszweig. Bei einem Betrachtungszeitraum<br />
von 100 Jahren wuchsen <strong>die</strong><br />
Reisanbauflächen in Siam pro Jahr um durchschnittlich<br />
7.000 Hektar. Von durchschnittlichen<br />
100.000 Tonnen exportiertem Reis pro Jahr in<br />
den 1860er Jahren gab es eine Steigerung im<br />
Reisexport auf etwa 500.000 Tonnen jährlich<br />
um 1900.^”<br />
Die Entwicklung der Landwirtschaft und einhergehende<br />
Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur<br />
weisen weitere Parallelen zur ausführlich<br />
besprochenen Entwicklung Birmas auf. In Siam<br />
wurde kein Fruchtwechsel betrieben und <strong>die</strong><br />
Fruchtbarkeit der Alluvialböden wurde durch<br />
<strong>die</strong> regelmäßigen Überschwemmungen erhalten.<br />
Entsprechend <strong>die</strong>ser Anbauweise kristallisierte<br />
sich das Bevölkerungswachstum und <strong>die</strong> zunehmende<br />
Landerschließung entlang der Hüsse und<br />
der ertragreichen Reisfelder. Als Landarbeiter<br />
und Tagelöhner spielten Chinesen eine nennenswerte<br />
Rolle und siedelten auch dauerhaft in Siam.^^*<br />
Bauern, <strong>die</strong> unerschlossenes Land kultivierten,<br />
durften es besetzen, es für sich reklamieren<br />
und bekamen ebenso wie Bauern in<br />
Birma einen Besitztitel zugesprochen. Nach<br />
1880 flüchteten zunehmend Zwangsarbeiter aus<br />
ihren Arbeitsverhältnissen und ließen sich mit<br />
<strong>die</strong>ser Art der Landnahme als Kleinbauern nieder.<br />
Eine staatUch gelenkte Landkultivierung gab<br />
es in Siam erst nach 1902, als ein Holländer für<br />
ein groß angelegtes Drainageprojekt und den<br />
Bau von Bewässerungskanälen engagiert wurde.<br />
Im 19. Jahrhundert wurde <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />
Entwicklung Siams vor allem von Arbeitskräften,<br />
<strong>die</strong> aus der Zwangsarbeit freigesetzt wurden, getragen.<br />
Der Effekt <strong>die</strong>ser Entwicklung „was to<br />
turn the new Citizens of the Siamese nation into<br />
peasant smallholders“.^^^ Die Erschließung Siams<br />
zum zweitgrößten asiatischen Reisexporteur<br />
hatte im Inneren einen <strong>die</strong> Gesellschaft entwickelnden<br />
und strukturierenden Effekt. Die Kultivierung<br />
von Reisanbauland wurde zum prägenden<br />
Topos einer sich neu bildenden Gesellschaft.<br />
Die Erträge je Fläche waren in Siam relativ klein.<br />
Da <strong>die</strong> Bevölkerungsdichte aber auch in den<br />
Reisbaugebieten sehr gering war und <strong>die</strong> Böden<br />
sehr nahrhaft waren, gab es dort den höchsten<br />
Emteertrag je Kopf in ganz Asien. Dass Siam<br />
trotz <strong>die</strong>ser guten Voraussetzungen nicht <strong>die</strong><br />
überragende Stellung Birmas auf dem internationalen<br />
Reismarkt einnahm, lag an der grundsätzlichen<br />
Ausrichtung der Wirtschaft. Wenn <strong>die</strong><br />
Reisbauern nicht in unmittelbarer Nähe der größeren<br />
Märkte produzierten, betrieben sie meist<br />
extensive statt intensiver Landwirtschaft. In erster<br />
Linie waren sie Selbstversorger und “the<br />
household waited until it saw the yield of the<br />
current harvest before selling off the surplus of<br />
the previous one. Food security was priority.”<br />
Erst wenn <strong>die</strong> Eigenversorgung gesichert war,<br />
meldeten <strong>die</strong> Bauern den chinesischen Zwischenhändlern<br />
ihre Überschüsse für den Export.^^*<br />
60
Der Export der Reisüberschüsse aus Siam war<br />
ein wichtiges Geschäftsfeld für Deutsche, obwohl<br />
der Reis nur in kleinen Mengen nach<br />
Deutschland gebracht wurde. Um 1880 bestanden<br />
drei Viertel der Gesamtexporte Bangkoks<br />
aus Reis, der in 12 Mühlen für den Export vorbereitet<br />
wurde. Wiederum drei Viertel <strong>die</strong>ser<br />
Menge wurden auf britischen oder deutschen<br />
Schiffen nach Singapur oder Hongkong gebracht.<br />
Zusätzlich waren deutsche Ingenieure bei den<br />
Betreibern der Reismühlen gefragt. Zwar stieg<br />
nach 1880 der Anteil der chinesischen Mühlenbesitzer<br />
beträchtlich, während <strong>bis</strong> dahin vornehmlich<br />
europäische Unternehmer <strong>die</strong> Mühlen<br />
betrieben hatten. Chinesische Unternehmer be<strong>die</strong>nten<br />
sich aber weiterhin schottischer und<br />
deutscher Ingenieure zur Wartung der technischen<br />
Anlagen.<br />
Die bedeutende wirtschaftliche Stellung der chinesischen<br />
Minderheit Siams sorgte dafür, dass<br />
<strong>die</strong> Reisexporte vermehrt nach Asien, vor allem<br />
China, gingen und verhinderten so, dass Siam<br />
eine noch wichtigere Rolle im deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
einnahm. Von 1908-<strong>1914</strong> gingen gerade<br />
einmal 20% der Reisausfuhren Siams nach<br />
Europa.^“ Außerdem kam es trotz der gleichzeitigen<br />
Entwicklung der Reisindustrien in Birma<br />
und Siam zu keinem größeren Wettbewerb<br />
beider Länder, weil sie unterschiedliche Reissorten<br />
produzierten. Siam-Reis war ein weicherer<br />
Reis, der sich schlechter für lange Transporte<br />
eignete und in den Mühlen bei der Verarbeitung<br />
viel Reisbruch erzeugte. Für <strong>die</strong> Stärkeherstellung<br />
war Siam-Reis zwar durchaus gewollt, insgesamt<br />
konnte er aber nicht sehr erfolgreich mit<br />
den Exporten Birmas um den europäischen<br />
Markt konkurrieren.^®'<br />
Außerasiatische Anbaugebiete<br />
Asien war nicht der einzige Kontinent, auf dem<br />
Reis angebaut wurde.Reisanbau in Amerika<br />
wurde bereits besprochen, darüber hinaus wurde<br />
auch schon im 19. Jahrhundert Reis in Südamerika,<br />
im Nahen Osten, in Afrika und in Europa<br />
angebaut.<br />
Südamerika war <strong>bis</strong> zum Ende des 19. Jahrhunderts<br />
ein Kontinent, der Reis importierte. Alleine<br />
Bremen exportierte zwischen 1896 und 1906<br />
jährlich zwischen 6.000 und fast 15.000 Tonnen<br />
Reis nach Brasilien, Uruguay und Argentinien.^®^<br />
Dabei wurde in Brasilien bereits 1750 mit dem<br />
Anbau von Reis begonnen. Doch erst 1910 wurden<br />
<strong>die</strong> ersten 50 Tonnen Reis aus Brasilien exportiert<br />
und 1918 war der Reisimport vollständig<br />
zum Erliegen gekommen.^®^ In Persien wurde<br />
Reis angebaut, der auf Grund der geringen Menge<br />
und der schlechten Qualität keine bedeutende<br />
Rolle im deutschen <strong>Reishandel</strong> einnahm. Dennoch<br />
gab es vereinzelte Lieferungen, <strong>die</strong> „allein<br />
zu Hühnerfutter sich“ eigneten.^®® Bremen führte<br />
beispielsweise 1892 4.300 Tonnen oder 1913<br />
1.900 Tonnen persischen Reis ein.^®® Entlang des<br />
Nils und besonders an dessen Delta wurde in<br />
Ägypten Reis angebaut. Je nach Höhe der Überschwemmungen<br />
schwankte <strong>die</strong> jährliche Anbaufläche<br />
allerdings stark. Zwischen 1900 und <strong>1914</strong><br />
wurden zwischen 18.000 Hektar (<strong>1914</strong>) und<br />
113.000 Hektar (1910) Fläche mit Reis bepflanzt.<br />
Trotz kleiner jährlicher Exporte von<br />
8.000 Tonnen <strong>bis</strong> 30.000 Tonnen zwischen der<br />
Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg<br />
nach Syrien, Palästina und Griechenland blieb<br />
Ägypten auch als Reis anbauendes Land ein<br />
Reisimporteur und deckte seinen Bedarf aus Britisch-In<strong>die</strong>n<br />
und Siam.^®’<br />
Italien und Spanien waren <strong>die</strong> einzigen europäischen<br />
Länder, in denen es für den Untersuchungszeitraum<br />
zwischen <strong>1850</strong> und <strong>1914</strong> einen<br />
bedeutenden Anbau von Reis gab. Für beide Länder<br />
gilt jedoch, dass der Anbau von Reis erst im<br />
20. Jahrhundert nennenswerte Umfänge erreichte.<br />
In Italien wurden jährlich <strong>bis</strong> zu 500.000 Tonnen<br />
Reis geerntet, von denen <strong>bis</strong> zu 16 Prozent<br />
exportiert wurden. Die Hälfte der Exporte ging<br />
nach Argentinien und erreichte <strong>die</strong> dort lebende<br />
italienische Minderheit. Bei einer Gesamtexportmenge<br />
von 88.000 Tonnen 1911/12 wären das<br />
über 40.000 Tonnen Export nach Argentinien<br />
gewesen. Vergleicht man <strong>die</strong>ses Volumen mit<br />
den genannten Zahlen der bremischen Exporte<br />
nach Argentinien von 1896-1906 und mit der<br />
61
./* - J<br />
Tatsache, dass 1911 aus Bremen gerade noch<br />
600 Tonnen nach ganz Südamerika gingen, ist<br />
festzustellen, dass <strong>die</strong> italienischen Reisexporte<br />
<strong>die</strong> deutschen Exporte dorthin vollständig ersetzt<br />
haben.^** In Spanien wurde 1860 mit dem Anbau<br />
von Reis begonnen. Bis <strong>1914</strong> gab es aber keine<br />
Reisexporte in größeren Mengen. Allerdings lag<br />
der Ertrag je Hektar mit etwa 2.500 Kilogramm<br />
so hoch wie sonst nur in Italien und bald dreimal<br />
so hoch wie in Birma.^®^<br />
Bachmann stellte 1912 einen Vergleich aller Anbauflächen<br />
und Ernteerträge von Reis weltweit<br />
auf. Alleine für Birma nennt er 3.600.000 Tonnen<br />
Reis als Ernteergebnis. Ganz Asien produzierte<br />
Jahr für Jahr etwa 100 Millionen Tonnen Reis.<br />
Europa zusammen produzierte gerade 620.000<br />
Tonnen Reis und erzeugte damit nur 0,6 Prozent<br />
der Reisernte der Welt.^ Diese Zahlen belegen<br />
eindrucksvoll <strong>die</strong> Bedeutung des asiatischen<br />
Reisanbaus und verdeutlichen, warum eine deutsche<br />
Reisindustrie nur im Zusammenhang mit<br />
globalisierten Handelsströmen entstehen konnte.<br />
4. Der Handelsablauf, Handelsklassen und<br />
Reissorten, Rohstoffpreise<br />
Die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen<br />
in Europa, Amerika und Asien zur Zeit der<br />
Entstehung der deutschen Reisindustrie sind bereits<br />
benannt worden. Wie sich Birma zum wichtigsten<br />
deutschen Reislieferanten entwickeln<br />
konnte, wurde ebenso betrachtet und dass Reis<br />
ein schon lange in Europa bekanntes Nahrungsmittel<br />
war, ist ausführlich dargelegt worden.<br />
Dennoch bleibt der Frage nachzugehen, wie der<br />
globale deutsche <strong>Reishandel</strong> im Einzelnen ablief;<br />
Vom Verkauf der Bauern Asiens an Reismakler<br />
<strong>bis</strong> zu den asiatischen Mühlen einerseits und<br />
von dort über englische und deutsche Verschiffer<br />
an <strong>die</strong> euopäischen Mühlen andererseits. Wer<br />
verkaufte den Reis in den Anbaugebieten, wer<br />
nahm ihn ab und wie fand er seinen Weg in <strong>die</strong><br />
deutschen Fabriken? Dabei wurde schon in Asien<br />
zwischen verschiedenen Reissorten unterschieden<br />
und nach der finalen Verarbeitung wurden<br />
verschiedene Handelsklassen in den Verkauf,<br />
den sogenannten oberländischen Verkehr, und<br />
zum Export gebracht.<br />
Asiatischer Handel, Zwischenhandel<br />
<strong>bis</strong> in <strong>die</strong> Häfen und Vorbereitungen zur<br />
Verschiffung<br />
Der Anbau und Export von Reis bestimmte <strong>die</strong><br />
Kaufkraft der großen Erzeugerländer. Je besser<br />
<strong>die</strong> Ernten ausfielen, desto mehr Waren konnten<br />
aus Europa importiert werden. Zugleich stieg<br />
der private Konsum und erhöhte damit das Steueraufkommen,<br />
also <strong>die</strong> Staatseinnahmen. Für <strong>die</strong><br />
Länder, <strong>die</strong> Reis für den internationalen Handel<br />
produzierten, galt daher, dass der Reisanbau und<br />
-handel der wichtigste Teil der Wirtschaft war.^'<br />
Birma als bedeutendstes asiatisches Exportland<br />
führte 1883/84 nach Bachmann 850.000 Tonnen<br />
Reis im Wert von etwa 105 Millionen Mark aus.<br />
Das machte 80 Prozent des gesamten Exports<br />
Birmas aus.^''^ Trotz <strong>die</strong>ser überragenden wirtschaftlichen<br />
Bedeutung waren <strong>die</strong> Reisverarbeitung,<br />
der Handel und <strong>die</strong> Exportvorbereitungen<br />
nicht staatlich reglementiert. Es gab <strong>die</strong> bereits<br />
beschriebenen staatlichen Anreize, Land zu kultivieren<br />
und Reis anzubauen, <strong>die</strong> internen Warenströme<br />
waren hingegen durch den freien<br />
Markt organisiert.<br />
Vom Bauern <strong>bis</strong> zur Exportmühle<br />
Der <strong>Reishandel</strong> begann in den Dörfern der Bauern<br />
eigentlich schon mit dem Dreschen direkt<br />
nach der Ernte. Die Art des Dreschens war das<br />
erste Mosaiksteinchen, aus dem sich im Laufe<br />
der Handelskette <strong>bis</strong> zu den Großmühlen im Hafen<br />
<strong>die</strong> Qualität und damit der Wert des Reises<br />
zusammensetzte. Der Wert des Rohreises wurde<br />
durch den Anteil an Bruch, also an kaputten Körnern,<br />
sowie durch <strong>die</strong> Sortenreinheit einer Reisladung<br />
bestimmt. Die Trennung der Reiskörner<br />
von den Rispen war im 19. Jahrhundert, auch<br />
nachdem in der Reismüllerei bereits Dampfkraft<br />
und Schäl-Maschinen eingesetzt wurden, noch<br />
ländliche Handwerksarbeit ohne große techni-<br />
62
sche Neuerangen. In Birma war es ein übliches<br />
Verfahren, <strong>die</strong> Reisernte auf Tennen, einer Art<br />
Dreschboden, auszubreiten und <strong>die</strong> Reiskörner<br />
durch Ausstampfen zu lösen. Oft wurden dazu<br />
Ochsen im Kreis über <strong>die</strong> Ernte getrieben, aber<br />
auch Menschen übernahmen <strong>die</strong>se Aufgabe, indem<br />
sie über den Reis stampften. Obwohl <strong>die</strong><br />
Hülsen des Reises relativ hart sind, führten <strong>die</strong>se<br />
Methoden zu einer Menge Reisbrach.<br />
Direkt an den Dreschplätzen kauften sogenannte<br />
..jungle broker“ den Bauern den Reis ab, indem<br />
sie von Dorf zu Dorf zogen. Diese Händler waren<br />
zumeist Mittelsmänner größerer Händler, <strong>die</strong><br />
wiederum den Kontakt zu den Exportmühlen<br />
herstellten und <strong>die</strong>sen den von ihren Zwischenhändlern<br />
bei den Bauern aufgekauften Reis vermittelten.<br />
Mit Ochsenkarren wurde der Reis dann<br />
zur nächsten Verladestation gebracht. Eür <strong>die</strong><br />
1920er Jahre ist bekannt, dass <strong>die</strong> Transportgebühr<br />
auf den Ochsenkarren bei etwa einer Rupie<br />
pro Tonne je Meile lag. Für das 19. Jahrhundert<br />
liegen leider keine Zahlen vor. Diese Gebühr<br />
wurde gewöhnlich vom Reiskäufer bezahlt. An<br />
den Verlade- oder Sammelpunkten der Ernten<br />
wurde der Reis auf großen Halden von 1.000-<br />
2.000 Tonnen ohne Schutz vor dem Wetter gelagert.<br />
Verunreinigungen und der Befall des Reises<br />
von Käfern und anderen Insekten wurden<br />
somit in Kauf genommen. Kamen dabei mehrere<br />
Reissorten in einem auf <strong>die</strong> Verschickung wartenden<br />
Berg von Reiskörnern durcheinander, verlor<br />
<strong>die</strong> Ware weiter an Wert. Je verschiedener<br />
<strong>die</strong> Körner einer Ladung Reis waren, desto<br />
schlechter ließen sich <strong>die</strong> Mahlvorrichtungen darauf<br />
einstellen beziehungsweise desto mehr<br />
Bruch entstand bei der Vermahlung. In den<br />
1860er und 1870er Jahren waren Verladestationen<br />
hauptsächlich Anlegestellen an Flüssen, <strong>die</strong><br />
das wichtigste Verkehrsnetz darstellten. Als 1877<br />
<strong>die</strong> erste Eisenbahnlinie von Rangun nach Pronte,<br />
dem heutigen Pyay, eröffnete, wurde der<br />
Rohreis mit dem wachsenden Streckennetz auch<br />
zunehmend per Bahn transportiert. Trotzdem<br />
konnte <strong>die</strong> Eisenbahn <strong>die</strong> als „paddy gigs“ oder<br />
„tonkins“ bezeichneten flachen Reisschuten<br />
nicht verdrängen. Zudem galt im Allgemeinen,<br />
dass per Eisenbahn transportierter Reis schlechtere<br />
Qualität hatte, weil mehr kleinere Ladungen<br />
gemischt werden mussten, <strong>bis</strong> eine Eisenbahnladung<br />
vollständig war.^’'*Wenn der Reis in Säcken<br />
transportiert wurde, war <strong>die</strong> Gefahr der Mischung<br />
verschiedener Sorten geringer. Allerdings<br />
war <strong>die</strong> Abfüllung der Ernten in Säcke mit Arbeitskraft<br />
und Zeitaufwand der Abfüllung sowie<br />
der Bereitstellung von Säcken mit Kosten verbunden.<br />
Durch das System der Zwischenhändler kamen<br />
<strong>die</strong> Bauern nie in direkten Kontakt mit den europäischen<br />
Müllem der Exporthäfen. Daher waren<br />
<strong>die</strong> Bauern in den angesprochenen Preiskämpfen<br />
das schwächste Glied der Kette. Denn<br />
ihr Interesse stand nicht nur gegen das der Mühlen,<br />
den Rohreis möglichst günstig zu beziehen,<br />
sondern auch gegen das der Zwischenhändler,<br />
<strong>die</strong> gerade in Konflikten mit den Großmühlen<br />
besonders schlecht an <strong>die</strong> Reisbauem zahlten,<br />
um selber noch Gewinne realisieren zu können.<br />
So wie <strong>die</strong> Zwischenhändler ein finanzielles<br />
Polster benötigten, um für einen Preiskampf Reis<br />
zurückhalten zu können, hätten <strong>die</strong>s auch <strong>die</strong><br />
Bauern gebraucht. Reisbauem waren aber fast<br />
immer auf Kredite angewiesen, um Arbeitsmittel<br />
wie Ochsen und Werkzeuge zu kaufen und <strong>die</strong><br />
Familie zu versorgen, egal, ob sie Pachtbauem<br />
waren oder landbesitzende Kleinbauern. Die<br />
Kredite vergaben entweder ihre Landbesitzer<br />
oder private Geldverleiher, <strong>die</strong> in Birma zumeist<br />
aus der indischen Bevölkerangsgrappe der Chettiar<br />
kamen. Die Kredite liefen vorwiegend über<br />
sieben <strong>bis</strong> acht Monate und wurden monatlich<br />
mit 1,25 <strong>bis</strong> 1,75 Prozent verzinst. Kamen <strong>die</strong><br />
Kredite von den verpachtenden Landbesitzern,<br />
waren <strong>die</strong> Zinsen noch höher, weil <strong>die</strong>se wiederum<br />
das Geld liehen und <strong>die</strong> Zinsen an ihre<br />
Bauern auf <strong>bis</strong> zu 2,5 Prozent erhöhten.^’^<br />
Der finanzielle Zwang <strong>die</strong>ser Kredite veranlasste<br />
<strong>die</strong> Bauern, den Reis direkt nach der Ernte zu<br />
verkaufen, um ihre Kredite abzulösen. Da aber<br />
innerhalb von vier Monaten <strong>die</strong> gesamte Ernte<br />
auf den Markt kam, waren in der Erntezeit <strong>die</strong><br />
Preise besonders niedrig und <strong>die</strong> Gewinne der<br />
Bauern nicht so hoch, wie sie hätten sein können.<br />
63
is :<br />
;<br />
Die Zwischenhändler, Großhändler und Exportmühlen<br />
waren zwar auf den Reis von den Bauern<br />
angewiesen. Doch Letztere hatten auf Grund der<br />
Eigenheit, dass <strong>die</strong> Landwirtschaft überwiegend<br />
kreditfinanziert war und dem Zwang, <strong>die</strong> Darlehen<br />
zurückzuzahlen, keine Möglichkeit, auf den<br />
innerasiatischen <strong>Reishandel</strong> Einfluss zu nehmen.<br />
Abmessung im Hohlmaß —basket, pecul, coyan<br />
64<br />
Im inländischen <strong>Reishandel</strong> Birmas wurden Preise<br />
für Rohreis gewöhnlich per 100 baskets (Körbe)<br />
festgesetzt. An <strong>die</strong>ser Art der Abmessung<br />
machen sich aber <strong>die</strong> Besonderheiten des <strong>Reishandel</strong>s<br />
fest. Denn ein Korb war ein Hohlmaß,<br />
dessen Inhalt und Größe weder offlziell definiert<br />
war noch allgemeingültig und standardisiert genutzt<br />
wurde. Hergestellt wurden <strong>die</strong> Körbe aus<br />
geflochtenem Bambus, der zur Stabilität mit<br />
Schilf oder Draht umwunden wurde. Die Art der<br />
Befüllung, <strong>die</strong> Festigkeit des Materials des Korbes<br />
und damit <strong>die</strong> Formstabilität bestimmten seine<br />
Füllmenge. Die Gewichtsschwankung je Korb<br />
betrug so bei ein und demselben Korb <strong>bis</strong> zu<br />
vier englische Pfund. Die Verkäufer waren natürlich<br />
daran interessiert, sehr kleine Körbe zu<br />
nutzen, <strong>die</strong> Käufer hingegen wollten möglichst<br />
große Körbe, um für <strong>die</strong> Gesamtmenge des erworbenen<br />
Reises nicht zu viel zahlen zu müssen.<br />
Daher war es durchaus gängig, dass ein Händler<br />
für den Ankauf bei den Bauern größere Körbe<br />
benutzte als beim Weiterverkauf an den nächstgrößeren<br />
Händler oder an eine Mühle.<br />
Ein Korb fasste je nach Ausführung zwischen<br />
SYz und über 9 Gallonen, was einem Gewicht<br />
von 44 <strong>bis</strong> 54 Pfund Rohreis entsprach. Ein lokales<br />
Maß war ein la-me und das durchschnittliche<br />
Fassungsvermögen eines Korbes in Birma<br />
waren 128 la-me. Obwohl es keine definierten<br />
Größenstandards gab, wurde über verschiedene<br />
Umwege auch <strong>die</strong> Differenz der verschieden ausfallenden<br />
Körbe berechnet. Gebräuchlicher war<br />
dabei <strong>die</strong> Volumenmessung über <strong>die</strong> Einheit nozibu.<br />
Ein nozibu entsprach der Menge, <strong>die</strong> in<br />
eine 14 Flüssig-Unzen fassende Dose Kondensmilch<br />
passte. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
waren <strong>die</strong>se Konservendosen der Marke<br />
milkmaid zur Abmessung sehr gebräuchlich,<br />
nachdem Markt Verkäufer festgestellt hatten, dass<br />
ihr Fassungsvermögen einem birmanischen lame<br />
entsprach.^’®Wörtlich bedeutet nozi kondensierte<br />
Milch und bu bezeichnete etwas wie eine<br />
Dose oder eine Kanne.<br />
Die Unsicherheit in der exakten Bestimmung<br />
der Größe eines Korbes war per se kein Nachteil<br />
für <strong>die</strong> Reis verkaufenden Bauern. Grundsätzlich<br />
gehörte <strong>die</strong> Einigung über <strong>die</strong> Körbe, mit denen<br />
das Geschäft abgewickelt wurde, zum Verkaufsabkommen.<br />
So konnten sich alle Beteiligten ein<br />
Bild über <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit des Geschäfts<br />
machen, bevor ein Abschluss getätigt wurde. Eine<br />
kleine Benachteiligung der Reisbauem bestand<br />
aber darin, dass sie durch den Verkauf an<br />
<strong>die</strong> kleineren Zwischenhändler keinen direkten<br />
Kontakt zu den größeren Marktplätzen hatten.<br />
Informationen über aktuelle Marktpreise fehlten<br />
durch <strong>die</strong> Marktentfernung und das Unwissen<br />
über <strong>die</strong> dort gehandelten Maße. Durch <strong>die</strong>se<br />
zweifache Trennung von den größeren Märkten<br />
dauerte es länger, <strong>bis</strong> <strong>die</strong> Marktpreise und damit<br />
<strong>die</strong> für <strong>die</strong> Bauern möglichen Maximalforderungen<br />
an <strong>die</strong> Händler in den Dörfern ankamen.^”<br />
Die Unterschiede der örtlich genutzten Hohlmaße<br />
betrugen in Birma <strong>bis</strong> zu 23 nozibu, was bei<br />
einer Durchschnittsgröße von 128 la-me beziehungsweise<br />
nozibu je Korb eine Abweichung<br />
von fast einem Fünftel von dem durchschnittlichen<br />
Fassungsvermögen ausmachte;<br />
“ln the neighbourhood of Kayan in the Hanthawaddy<br />
District the village basket held 120<br />
nozibu, at Daunggyi in the Bassein District it<br />
held 128. Around Letpadan in the Tharrawaddy<br />
District it was the equivalent of 136 nozibu;<br />
30 miles further north around Gyobingauk in<br />
the same district [!] it was equivalent to 143<br />
nozibu.”^’*<br />
Verfolgt man <strong>die</strong>se Angaben über Volumen und<br />
Gewicht und rechnet <strong>die</strong>se in Kubikzentimeter<br />
und Kilogramm um, zeigt sich <strong>die</strong> statistische<br />
Schwierigkeit in der Berechnung von Reismengen.<br />
Nach Gallonen berechnet mit einer Entsprechung<br />
von 4546,1 cm^ je Gallone fasste ein
durchschnittlicher Korb von neun Gallonen<br />
40.914,9 cm^. Vergleicht man mit <strong>die</strong>sem Wert<br />
nun <strong>die</strong> Angabe, dass ein durchschnittlicher Korb<br />
von 128 la-me ein Volumen von 128 nozibu zu<br />
14 Flüssig-Unzen hatte, ergibt sich ein abweichendes<br />
Ergebnis. Eine Flüssig-Unze nach englischen<br />
Volumen fasste 28,41 cm^, ein nozibu<br />
entsprechend 397,74 cm^ und daher ein Korb in<br />
nozibu gerechnet 50.910,72 cm^. Berechnet man<br />
also das Volumen eines durchschnittlichen für<br />
den <strong>Reishandel</strong> Birmas genutzten Korbes nach<br />
nozibu, ist es um etwa ein Fünftel höher als das<br />
Volumen, das sich aus den Angaben seines Fassungsvermögens<br />
in Gallonen ergibt.<br />
Die Berechnung von Reismengen über das Gewicht<br />
ist ebenso problematisch. Da Reis nicht<br />
<strong>die</strong> Dichte von Wasser oder Kondensmilch aufweist,<br />
ist eine Gleichsetzung der Angaben in Kubikzentimetern<br />
mit Gramm nicht möglich. Die<br />
Gewichtsangabe eines Korbes von 44 <strong>bis</strong> 54 englischen<br />
Pfund, in Kilogramm also zwischen<br />
19,96 und 24,49 Kilogramm, weist wiederum<br />
Unterschiede im Gewicht der mit Reis gefüllten<br />
Körbe von etwa einem Fünftel auf. Es zeigt sich,<br />
dass <strong>die</strong> Berechnung und statistische Erfassung<br />
von gehandeltem Reis in Gewichten ebenso<br />
schwierig ist wie in Volumen. Zugleich aber<br />
zeigt das Ergebnis <strong>die</strong>ser Überlegungen <strong>die</strong> Tatsache,<br />
dass Volumen und Gewicht gemeinsam<br />
entscheidende Faktoren für den innerasiatischen,<br />
aber auch den globalen <strong>Reishandel</strong> waren. Denn<br />
bei einem Volumen von 40-50 Litern wog unenthülster<br />
Rohreis nur 19-25 Kilogramm. Spätestens<br />
bei der Verschiffung nach Europa wurde<br />
der benötigte Schiffsraum zu einem wichtigen<br />
Kostenfaktor.<br />
Ähnlich unpräzise war <strong>die</strong> Mengenerfassung im<br />
inländischen Handel Siams. In seinem Bewerbungsschreiben<br />
für den preußischen Konsulatsposten<br />
in Siam berichtete Adolph Markwald über<br />
<strong>die</strong> Situation des Handels in Siam. Über den<br />
<strong>Reishandel</strong> berichtete er, dass <strong>die</strong>ser nicht wie<br />
üblich in Pecul gemessen würde, sondern in Coyan.<br />
Ein Coyan „ist ein Maaß welches 100 Eimer<br />
enthält, und wiegt ein Coyan Reis circa 20 peculs“.<br />
Ein Pecul wiederum, berichtete Markwald<br />
des Weiteren, wog 133 englische Pfund.^’’ Berechnet<br />
man ein Coyan nach <strong>die</strong>sen Angaben<br />
Markwalds, so ergibt sich für ein Pecul ein Gewicht<br />
von 60,48 Kilogramm, was exakt der chinesischen<br />
Definition <strong>die</strong>ses durchaus unterschiedlichen<br />
Gewichtsmaßes entsprach. In Java<br />
beispielsweise wog ein Pecul 61,74 Kilogramm,<br />
also über ein Kilogramm mehr als in China.^*°<br />
Dass <strong>die</strong> Definition eines dortigen Peculs nach<br />
Markwald genau dem chinesischen Pecul entsprach,<br />
unterstreicht <strong>die</strong> schon mehrfach aufgezeigte<br />
Bedeutung der chinesischen Minderheit<br />
Siams für das dortige Wirtschaftsleben. Folgt<br />
man den Angaben Markwalds, nachdem ein<br />
Coyan in etwa 20 Peculs enthielt, ergibt sich im<br />
metrischen System so ein Gewicht von 1.209,58<br />
Kilogramm pro Coyan. Dafür, dass Markwald<br />
<strong>die</strong>se Angabe mit dem Wort circa eingeschränkt<br />
und nicht exakt definiert, ergibt sich ein erstaunliches<br />
Ergebnis. Mit weniger als 10 Kilogramm<br />
ergibt sich nach Markwald nur eine Abweichung<br />
von 0,8 Prozent von der 1923 standardisierten<br />
Definition eines Coyans zu 1.200 Kilogramm.^*'<br />
Rechnet man hieraus weiterhin das Gewicht eines<br />
Korbes zurück, ergaben sich für einen solchen<br />
bei 100 Körben je Coyan nach Markwald<br />
12,06 Kilogramm. Das wiederum war ein beträchtlicher<br />
Unterschied zu den in Birma üblichen<br />
Körben, <strong>die</strong> ein Gewicht zwischen 19 und<br />
24 Kilogramm Rohreis enthielten.<br />
Auf zwei Einschränkungen muss trotz <strong>die</strong>ser<br />
großen Differenz jedoch hingewiesen werden:<br />
Einerseits machte Markwald keine Angaben darüber,<br />
ob es sich bei seinen Zahlen um das Gewicht<br />
von Rohreis oder zu bestimmten Graden<br />
bearbeiteten Reis handelte, andererseits waren<br />
<strong>die</strong> unterschiedlichen Gewichte im inländischen<br />
Handel für den deutschen <strong>Reishandel</strong> nicht von<br />
großem Belang, weil <strong>die</strong>ser Handel von der einheimischen<br />
Bevölkerung oder indischen beziehungsweise<br />
chinesischen Immigranten abgewickelt<br />
wurde. Deutsche ünternehmer waren erst<br />
am Ende der nationalen Handelsketten in den<br />
Exportmühlen oder dem asiatischen Küstenhandel<br />
per Schiff involviert. Trotzdem zeigt <strong>die</strong>ser<br />
Vergleich der Gewichtsmaße im Handel Siams<br />
65
-4 und Birmas, dass neben der Vergleichbarkeit der<br />
Gewichte auch eine Vergleichbarkeit der Preise<br />
nur sehr schwer und mit unbefriedigenden Ergebnissen<br />
gegeben ist, da man nicht genau bestimmen<br />
kann, welche exakte Warenmenge einem<br />
bestimmten Geldwert entsprach.<br />
Die Schwierigkeiten, <strong>die</strong> durch das Fehlen exakter,<br />
standardisierter Hohlmaße entstanden, deutet<br />
Schuhmacher berechtigterweise an, wenn er darauf<br />
hinweist, dass <strong>die</strong> Körbe je nach Ort und<br />
Inhalt ein verschiedenes Gewicht hatten: „In<br />
Rangun wird z.B. regelmäßig ein Korb Paddy<br />
als 46, enthülster Reis als 75, Cargoreis als 67,<br />
Bruchreis als 72 und Reismehl als 45 englische<br />
Pfund gerechnet.“ Die pauschal negative Darstellung<br />
des Handelsvorgangs dadurch, dass <strong>die</strong><br />
„Eingeborenen keine exakten Maße“ kannten,<br />
unterschätzt jedoch <strong>die</strong> komplexe Ausgewogenheit<br />
des innerasiatischen <strong>Reishandel</strong>s.^*^<br />
Ankaufsystem der Exportmühlen<br />
An der letzten Station des inländischen Handels<br />
wurde ein System angewandt, das den Schwierigkeiten<br />
im Maßsystem des <strong>Reishandel</strong>s in Birma<br />
Rechnung trug. Denn je größer <strong>die</strong> Mengen<br />
wurden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Exportmühlen in den Häfen verarbeiten<br />
konnten, desto stärker musste der Wirtschaftlichkeit<br />
wegen auf <strong>die</strong> Qualität des eingekauften<br />
Reises geachtet werden. Außerdem<br />
streckten <strong>die</strong> Verkäufer und Händler <strong>die</strong> großen<br />
Reisladungen häufig mit Zement, Spreu, leeren<br />
Reishülsen und Ähnlichem. Das führte dazu,<br />
dass in den großen Reismühlen in den Exporthäfen<br />
„from about the 1890s onwards the weightcum-volume<br />
system of measurement became<br />
established [.. Ob <strong>die</strong>ses im Folgenden erklärte<br />
System, das Gewicht und Volumen der<br />
angekauften Reisladungen in <strong>die</strong> Preisbildung<br />
mit einbezog, schon vor 1890 angewandt wurde,<br />
ist fraglich. Es scheint aber naheliegend, dass es<br />
Vorläufer <strong>die</strong>ses Systems gab oder doch nach<br />
der Begutachtung der Qualität jeder einzelnen<br />
Lieferung individuell Preise ausgehandelt wurden,<br />
<strong>die</strong> der Qualität und damit dem Zusammenhang<br />
von Dichte und Gewicht Rechnung trugen.<br />
War eine große Ladung Reis sortenrein, hatten<br />
alle Körner eine einheitliche Form. Dadurch<br />
passten mehr von ihnen in das gleiche Volumen.<br />
Je höher <strong>die</strong> Dichte und damit das Gewicht von<br />
Reis in einem Korb war, desto mehr Qualität<br />
hatte <strong>die</strong> Ladung Reis. War das Gewicht jedoch<br />
zu hoch, konnte es ein Hinweis dafür sein, dass<br />
in der Ladung viel kleines Füllmaterial untergemischt<br />
war, um mit wenig Reis ein großes Gewicht<br />
zu erzielen.<br />
Die Reispreise bei dem Ankauf durch <strong>die</strong> Mühlen<br />
wurden ebenso wie im vorgelagerten inländischen<br />
Handel für 100 Körbe gebildet. Dabei<br />
wurde von einem standardisierten, 9 Gallonen<br />
fassenden Korb mit einem Gewicht von 46<br />
Pfund, also 20,87 Kilogramm, ausgegangen. Da<br />
das Gewicht eines Korbes aber sehwankte und<br />
- zumindest im Einkauf durch <strong>die</strong> Zwischenhändler<br />
- wie gezeigt <strong>bis</strong> zu 54 Pfund betragen<br />
konnte, gab es eine Prämie für jedes Pfund je<br />
Korb, das über <strong>die</strong> Grundannahme von 46 Pfund<br />
hinausging. Das zusätzliche Gewicht wurde mit<br />
IVi Prozent multipliziert und das Ergebnis als<br />
zusätzliche Menge an Körben berechnet. Ein<br />
Beispiel Siok-Hwas verdeutlicht <strong>die</strong>se Art der<br />
Berechnung:<br />
“Suppose a boatload of paddy measuring<br />
1.000 baskets was landed at a mill, the weight<br />
of each basket of paddy being forty-six lbs.<br />
and the price of paddy Rs. 85 per 100 baskets.<br />
The seller would be paid Rs. 850 for the<br />
consignment. If the weight of the paddy was<br />
fifty lbs. to the basket, he would be paid (2Ѵг<br />
X 4) 10 per cent, more baskets, i.e. for 1,100<br />
baskets, which meant Rs. 935. If the basket<br />
weight had not been considered then the<br />
better quality paddy would receive the same<br />
price as the inferior quality paddy. If weight<br />
alone had been considered the better<br />
quality paddy would have fetched Rs. 85 x<br />
50.000 -;- 46,000 = Rs. 924, which was le.ss<br />
by Rs. 11 compared with the weight-cumvolume<br />
system.”^*''<br />
Dieses Beispiel geht vom Verkauf von 1.000<br />
Körben mit 50 Pfund Gewicht bei einem Grundpreis<br />
von 85 Rupien je Korb zu 46 Pfund aus.<br />
h 66
Nach dem System, das Gewicht und Volumen<br />
berechnet, erhielte der Verkäufer 935 Rupien.<br />
Hätte <strong>die</strong> Mühle nur nach Gewicht bezahlt, wäre<br />
es mit 924 Rupien ein etwas schlechteres und<br />
wäre es nur nach der Zahl der Körbe gegangen,<br />
mit 850 Rupien sogar ein deutlich schlechteres<br />
Geschäft gewesen. Andererseits hatten bei <strong>die</strong>ser<br />
Berechnung auch <strong>die</strong> Mühlen einen Vorteil, weil<br />
<strong>die</strong> Preise für Reis entsprechend reduziert wurden,<br />
wenn das Gewicht eines Korbes unter 46<br />
Pfund lag. Außerdem reflektierte <strong>die</strong>ses System<br />
der Bezahlung in <strong>die</strong> Handelskette zurück. Die<br />
Zwischenhändler hatten ein größeres Interesse<br />
an qualitativ hochwertigem Reis und zahlten im<br />
Wettbewerb mit anderen Reismaklern beim Ankauf<br />
von den Bauern wahrscheinlich auch an<br />
<strong>die</strong> Bauern höhere Preise, wenn sie gute Qualität<br />
mit höheren Gewinnaussichten für sich selbst<br />
erhielten.^*^<br />
Im 20. Jahrhundert versuchten besonders <strong>die</strong><br />
Mühlen mit einheimischen und chinesischen Besitzern,<br />
<strong>die</strong> Zwischenhändler weitgehend auszuschalten,<br />
indem sie eigene Agenten oder sogar<br />
Familienmitglieder als Reisaufkäufer im Landesinneren<br />
einsetzten. Dadurch sollte einerseits<br />
eine mögliche Benachteiligung der Großmühlen<br />
durch <strong>die</strong> Zwischenhändler noch mehr verhindert<br />
werden. Andererseits profltierten <strong>die</strong> Bauern so<br />
direkter davon, weim sie gute Reisqualitäten verkauften,<br />
was einen Anreiz zur Verbesserung der<br />
Qualität der Landwirtschaft mit entsprechend<br />
höheren Erträgen verhieß.^*®<br />
Reissorten und Handelsklassen<br />
Reissorten<br />
Auf Grund der bereits angesprochenen unvergleichlich<br />
großen Fülle an Sorten und Unterarten<br />
des Reises und der resultierenden Vielzahl an<br />
verschiedenen Körnern gab es mehrere Arten,<br />
Reis zu klassifizieren. Bereits im frühen 19. Jahrhundert,<br />
also noch bevor es eine eigenständige<br />
Reisverarbeitungsindustrie in Deutschland gab,<br />
stellte Krünitz in seiner Enzyklopä<strong>die</strong> eine viergliedrige<br />
Юassifizierung des ostindischen Reises<br />
mit seinen wichtigsten Eigenschaften vor: Diese<br />
sei zum einen der „gemeinste Reiß“, der sechs<br />
<strong>bis</strong> acht Monate nach der Aussaat geerntet wurde,<br />
an sumpfigen Orten wachse und kein Salzwasser<br />
vertrage. Weitere Sorten seien der „frühzeitige<br />
Reiß“, welcher nach vier Monaten geerntet<br />
würde und Salzwasser vertrage, sowie der<br />
„Bergreiß“, der auch an trockenen Orten angebaut<br />
würde und viel Regen, aber keine längeren<br />
Überschwemmungen vertrage. Zuletzt nannte<br />
Krünitz den „schleimigen Reiß“, der wohlschmeckend<br />
sei und an feuchten wie auch trockenen<br />
Orten wachse.^*"' Die Unterscheidung einzelner<br />
Sorten und ihrer Eigenschaften ist wichtig, weil<br />
<strong>die</strong> Erträge der Reismühlen und damit im direkten<br />
Zusammenhang <strong>die</strong> Gewinne der Bauern,<br />
Händler und auch <strong>die</strong> der Reismüller in Deutschland<br />
entscheidend damit zusammenhingen, wie<br />
fein <strong>die</strong> Mühlen auf <strong>die</strong> Reiskörner eingestellt<br />
werden konnten. Je einheitlicher <strong>die</strong> Körner in<br />
Form und Härte waren, <strong>die</strong> zeitgleich durch <strong>die</strong><br />
Mahlgänge liefen, desto weniger Verlust durch<br />
Reisbruch entstand. Die Klassifizierungen richteten<br />
sich nach den jeweiligen Bedürfnissen der<br />
Produktions- und Handelskette. Mit der Entstehung<br />
einer richtigen Reisindustrie ab etwa <strong>1850</strong><br />
wurden Reissorten zum einen nach ihren Wachstumseigenschaften<br />
und den Erfordernissen der<br />
Reisbauem unterschieden. Zum anderen wurden<br />
sie im Interesse der Mühlen nach Form und Härte<br />
der Körner sowie zum dritten für den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>, besonders im Endverkauf als Kolonialware,<br />
nach der Provenienz unterteilt.<br />
Im Anbau wurde Reis in erster Linie nach dem<br />
Anbauzeitpunkt und den Wachstumseigenschaften<br />
klassifiziert. Es gab vier Hauptklassen im<br />
Reisanbau:<br />
1. Kaukyin oder früher Reis beziehungsweise<br />
Frühreis genannt. Kaukyin hatte eine Wachstumsphase<br />
von 140 <strong>bis</strong> 150 Tagen und <strong>die</strong><br />
Ernte war von Mitte <strong>bis</strong> Ende Oktober.<br />
2. Kauklat oder mittlerer Reis hatte eine Wachstumsphase<br />
von 150 <strong>bis</strong> 170 Tagen. Die Ernte<br />
war von Mitte <strong>bis</strong> Ende November.<br />
3. Kaukkyi wurde als später Reis bezeichnet.<br />
Kaukkyi hatte eine Wachstumsphase von 170<br />
67
is 200 Tagen und wurde Anfang Dezember<br />
geerntet.<br />
4. Mayin oder Frühlingsreis. Mit einer Wachstumsphase<br />
von 140 <strong>bis</strong> 150 Tagen hatte er<br />
ähnliche Eigenschaften wie Kaukyin, wurde<br />
aber im November und ausschließlich in<br />
Marschgebieten gepflanzt und im März geerntet.<br />
Zu <strong>die</strong>sen vier Hauptarten gab es noch zwei Unterarten,<br />
den Bergreis und den Wasserreis, <strong>die</strong><br />
aber keine größere Bedeutung erlangten, weil<br />
sie einzig regional und für den eigenen Verbrauch,<br />
nicht aber für den internationalen Handel<br />
angebaut wurden. Die Sorten Kaukkyi und Kauklat<br />
machten zusammen 97 % der Ackerflächen<br />
Birmas aus.^**<br />
Die Unterscheidung der Sorten, <strong>die</strong> bei Reishändlem<br />
und Reismüllem in Asien gebräuchlich<br />
war, bezog sich nicht auf <strong>die</strong> Wachstumsperioden,<br />
sondern auf <strong>die</strong> Länge und Breite des einzelnen<br />
Koms und deren Verhältnis zueinander.<br />
Grandsätzlich wurde zwischen dicken (bold) und<br />
dünnen (thin) Körnern unterschieden, <strong>die</strong> sich<br />
in fünf Hauptgmppen von A <strong>bis</strong> E aufteilten.<br />
Die Gruppen A und В gehörten zu den dünnen,<br />
C, D und E zu den dicken Körnern.<br />
Die nachstehende Tabelle^*^ zeigt <strong>die</strong> Einordnung<br />
der Körner nach ihren äußeren Eigenschaften.<br />
Die Eignung zur Vermahlung und das Aussehen<br />
spielen <strong>die</strong> größte Rolle in der Frage, ob <strong>die</strong><br />
Reissorten zum Export nach Europa kamen. Jede<br />
Gruppe hat dabei ihre eigenen Eigenschaften:<br />
Emata, Reis der Gruppe A, wurde vornehmlich<br />
in Rangun und Bassein vermahlen. Die langen,<br />
dünnen Körner brachen zwar beim Mahlprozess<br />
eher schnell, nach der Politur hatten sie aber ein<br />
durchscheinendes, ansprechendes Außeres und<br />
konnten daher in Europa gut abgesetzt werden.<br />
Die auf Gmnd ihrer Qualität am häufigsten verarbeitete<br />
Sorte kam aus dem Distrikt Prome.<br />
Ähnlichkeiten mit Emata-Reis hatten der Garteiu'eis<br />
aus Siam und der Carolina-Reis aus Amerika.<br />
Reis der Gruppe А hatte meist kurze oder<br />
mittlere Wachstumsphasen, ist also der Gruppe<br />
des Kaukyin- oder des Kauklat-Reises zuzuordnen.<br />
Letywezin, Reis der Gruppe B, liegt mit seinen<br />
Eigenschaften zwischen Emata- und Ngasein-<br />
Reis. Von Händlern wurde Letywezin-Reis oft<br />
gemeinsam mit Ngasein-Reis gehandelt. Für optimale<br />
Mahlprozesse in den Reismühlen fehlte<br />
Reis der Grappe В jedoch <strong>die</strong> Härte in den Körnern.<br />
Letywezin-Reis hatte ebenfalls meist kurze<br />
oder mittlere Wachstumsphasen, ist also der<br />
Gruppe des Kaukyin- oder des Kauklat-Reises<br />
zuzuordnen.<br />
Tabelle II. 4.1, Reissorten mit ihren äußeren Eigenschaften<br />
Gruppe<br />
Name<br />
Dimensionen des Korns<br />
Mit Hülle<br />
Enthülst<br />
Länge Länge/Breite Länge Länge/Breite<br />
А<br />
Emata Über 9,40 Über 3,30 Über 7,00 Über 3,00<br />
„thin grains"<br />
В Letywezin 8,40 <strong>bis</strong> 9,80 2,80 <strong>bis</strong> 3,30 6,00 <strong>bis</strong> 7,00 2,40 <strong>bis</strong> 3,00<br />
С<br />
Ngasein 7,75 <strong>bis</strong> 9,00 2,40 <strong>bis</strong> 2,80 5,60 <strong>bis</strong> 6,40 2,00 <strong>bis</strong> 2,40<br />
D „bold grains" Midon 7,35 <strong>bis</strong> 8,60 2,00 <strong>bis</strong> 2,40 5,00 <strong>bis</strong> 6,00 1,60 <strong>bis</strong> 2,00<br />
t Byat 9,00 und mehr 2,25 <strong>bis</strong> 3,00 6,40 <strong>bis</strong> 7,35 2,10 <strong>bis</strong> 2,50<br />
in Millimeter<br />
68
Ngasein, Reis der Gruppe C, war der wichtigste<br />
Reis für den internationalen Handel. Allgemein<br />
war Birma-Reis der für <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
wichtigste Rohstoff. Unter <strong>die</strong>sem Sammelbegriff<br />
wurde zum allergrößten Teil Ngasein-<br />
Reis zusammengefasst. Das Kom war hart mit<br />
einem durchscheinenden Äußeren sowie einem<br />
weißen Kern. Die vier wichtigsten Sorten waren<br />
erstens Ngasein-Reis aus den Bezirken Pegu und<br />
Irrawaddy, <strong>die</strong> in Rangun und Bassein verschifft<br />
wurden, zweitens der etwas weichere Reis Shangale<br />
aus dem Bezirk Tenasserim, drittens der etwas<br />
längere und dünnere Reis der Sorte laroong<br />
aus dem Bezirk Arakan sowie viertens verschiedene<br />
Ngasein-Sorten Überbirmas, <strong>die</strong> allerdings<br />
nur für den nationalen Verbrauch angebaut wurden.<br />
Midon, Reis der Gruppe D, ist <strong>die</strong> am zweithäufigsten<br />
kultivierte Sorte Birmas gewesen. Wegen<br />
seiner kurzen, dicken Körner war er gut zu vermahlen<br />
und im Eigenverbrauch wegen seiner<br />
guten Verdaulichkeit geschätzt. Im Exporthandel<br />
wurde er nach Süd- und Südost-Asien ausgeführt.<br />
Ebenso wie Ngasein- und Byat-Sorten war<br />
Reis der Gruppe D überwiegend den lang wachsenden<br />
Arten, also dem Kaukkyi-Reis zugeordnet.<br />
Byat, Reis der Gruppe E, wurde einzig aus Moulmein<br />
exportiert. Das Kom war lang, dick, weich<br />
und kreidig. Trotzdem war es gut zu vermahlen.<br />
Für den Handel war es jedoch nicht von Belang<br />
und wurde ausschließlich in kleinen Mengen für<br />
den Eigenverzehr angebaut.<br />
Handelsklassen<br />
Im Exporthandel wurde Reis in anderen Kategorien<br />
eingeteilt. Entscheidend für <strong>die</strong> Verbraucher,<br />
also <strong>die</strong> Konsumenten des zu den Kolonialwaren<br />
zählenden Reises, war immer <strong>die</strong> äußere<br />
Beschaffenheit. Die Größe des Korns, seine<br />
„vollkommene Trockenheit, Gemchlosigkeit und<br />
große Härte sowie Freiheit von Mehlstaub und<br />
andere Unreinlichkeiten“ waren <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Eigenschaften für den Verkauf in Deutschland.<br />
Ein weiteres Kriterium war der Herkunftsort,<br />
der im Verkauf, besonders im Absatz zu den<br />
Großhändlern, immer genannt wurde.<br />
Auch hier zeigt ein Vergleich der Literatur aus<br />
dem frühen und dem späten 19. Jahrhundert,<br />
dass es nach <strong>1850</strong> zu entscheidenden Veränderungen<br />
im internationalen <strong>Reishandel</strong> gekommen<br />
ist. Bei Krünitz stehen für den deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
noch <strong>die</strong> kleinen Mengen der europäischen<br />
Produzenten im Vordergmnd. Die wichtigsten<br />
Handelssorten in Deutschland kamen um<br />
1810 aus Verona und Mailand. Danach wurde<br />
China genannt, gefolgt von Reis aus der Levante<br />
und Ägypten. Erst danach nannte Krünitz Malakka,<br />
Siam, Tonking im Norden Vietnams, Sumatra,<br />
Japan und Amerika. Neben den italienischen<br />
Körnern sei aber nur noch Reis aus der<br />
Levante, Ägypten und Amerika in Deutschland<br />
nennenswert gehandelt worden.<br />
bCrünitz’s ökonomisch-technologische Encyklopä<strong>die</strong><br />
zeigte <strong>die</strong> Bedeutung von Reis für weltumspannende<br />
Handelsprozesse bereits auf, obwohl<br />
ja gesagt wurde, dass <strong>die</strong> italienischen Sorten<br />
im deutschen Handel nur durch den Reis aus<br />
den südlich an Europa grenzenden Gebieten sowie<br />
dem wirtschaftlich eng mit Europa verbundenen<br />
Nordamerika stammten. Dennoch war der<br />
<strong>Reishandel</strong> bereits internationalisiert, denn in<br />
Ostin<strong>die</strong>n, China und Japan nutzten <strong>die</strong> Europäer<br />
im beginnenden 19. Jahrhundert Reis<br />
„nicht allein zur Verproviantirung ihrer Festungen,<br />
Logen und Comtoire, <strong>die</strong> sie daselbst<br />
haben, ingleichen ihrer Schiffe, sowohl derjenigen,<br />
<strong>die</strong> zur inneren Handlung von In<strong>die</strong>n<br />
gewidmet sind, als auch ihrer nach Europa<br />
zurück segelnden Schiffe; sondern sie verführen<br />
ihn auch in großer Menge nach denjenigen<br />
Ländern und Inseln von In<strong>die</strong>n, wo man<br />
solchen wegen der Dürre des Erdbodens nicht<br />
bauet, wie z.B. nach den moluckischen Inseln,<br />
Arabien und den Ländern an dem persischen<br />
Meerbusen, in welchen insgesammt <strong>die</strong>se<br />
Gattung von Getreide eine sehr gute und beliebte<br />
Waare ist.“^^^<br />
Als wichtiger Akteur im „country trade“^’“*, im<br />
innerasiatischen Handel, trugen Europäer mit<br />
ihren Reistransporten dazu bei, dass Reis schon<br />
69
im 18. und 19. Jahrhundert ein globalisiertes<br />
Gut war.<br />
Die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
gebräuchlichen deutschen Verkaufsbezeichnungen<br />
zeigen an, dass sich der <strong>Reishandel</strong> innerhalb<br />
weniger Jahrzehnte deutlich verändert hat. Die<br />
Qualität der Handelskontakte nach Asien und<br />
<strong>die</strong> Quantität der nach Deutschland verschifften<br />
Reisladungen nahmen merklich zu. In den Kolonialwarenläden<br />
lehnten sich <strong>die</strong> Bezeichnungen<br />
an <strong>die</strong> Qualität und <strong>die</strong> Herkunft des Produkts<br />
an. Bei den Qualitäten wurde zwischen<br />
- Tafel (feinster Tafelreis)<br />
- Tafelreis<br />
- Mittelreis<br />
- Kurzer Reis<br />
- Bruchreis<br />
unterschieden. Die wichtigsten Sorten im deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> kamen nun aus Ostin<strong>die</strong>n und<br />
hatten nach Blankenburg folgende Bezeichnungen,<br />
<strong>die</strong> zumindest für Birma auch immer den<br />
Verschiffungshafen als Namensgeber hatten.<br />
Für <strong>die</strong> Endverbraucher waren dabei <strong>die</strong> zuerst<br />
genannten Siebungen und damit <strong>die</strong> Qualität der<br />
Speisen von Bedeutung, der Großhandel bezog<br />
sich auf <strong>die</strong> Herkunft der Reisladungen.<br />
Wie in Europa der Reis durch <strong>die</strong> Begutachtung<br />
von Proben weitergehandelt wurde, lässt sich<br />
aus den Erinnerungen von Christian Eduard<br />
Freye, der bei der Bremer Überseefirma Schröder,<br />
Smidt & Co. ab 1911 lernte und zeitweise<br />
<strong>die</strong> Aufsicht über das „Reis- und Lackprobenzimmer<br />
hatte“, entnehmen:<br />
„Die Verwaltung des Probenzimmers übernahm<br />
ich gern, weil ich am Artikel Reis besonderes<br />
Interesse fand. Ich organisierte den<br />
Probenschrank der Saisonstandard-Muster<br />
übersichtlicher als <strong>bis</strong>her und baute auch <strong>die</strong><br />
wöchentlich einkommenden Proben fein säuberlich<br />
auf, so daß das Gewünschte beim ersten<br />
Griff zur Hand war. [...] Wenn der Reismakler<br />
vorsprach, war ich bei den Gesprächen<br />
anwesend, um <strong>die</strong> gewünschten Proben herbeizuschaffen.<br />
Da <strong>die</strong> Firma <strong>die</strong> größten Reisablader<br />
von In<strong>die</strong>n nach dem Kontinent repräsentierte,<br />
eignete ich mir Handels- und<br />
Warenkenntnisse an und glaubte, den <strong>Reishandel</strong><br />
als ein verhältnismäßig einfaches und<br />
einträgliches Geschäft ansehen zu können.<br />
Wenn ein ,claim' vorlag, <strong>die</strong> Muster abtaxiert<br />
wurden, keine Einigung erzielt werden konnte,<br />
so kam es zwischen Käufer und Verkäufer<br />
zur Arbitrage, in solchen Fällen änderte sich<br />
manchmal <strong>die</strong> Einträglichkeit des Geschäfts<br />
auf ein Minimum. Im übrigen boten meine<br />
Kenntnisse jedoch nicht <strong>die</strong> geringste Grundlage<br />
für <strong>die</strong> Bildung eines Urteils, da mir <strong>die</strong><br />
technischen Einzelheiten der Abwicklung<br />
vom Einkauf drüben <strong>bis</strong> zum Verkauf in Bremen<br />
verborgen blieben, wie auch <strong>die</strong> Finan-<br />
Tabelle II. 4.2, Handelsnamen von Reis<br />
O stindischer Reis<br />
H e rk u n fts re g io n Birma Bengalen Siam Saigon Java<br />
R a n g u n<br />
B en g al<br />
G a rte n re is<br />
S a ig o n -R e is<br />
la. T afelreis<br />
H a n d e ls n a m e<br />
N e c ra n z ie<br />
o d e r A rra c a n<br />
M o u lm e in<br />
P a tm a<br />
M a d ra s<br />
F e ld re is<br />
Ila. Tafelreis<br />
Java<br />
B a sse in<br />
70
zierung <strong>die</strong>ser großen Abladungen mir noch<br />
lange ein Geheimnis blieb.“^®®<br />
Der in Europa abgeladene Reis wurde zu Warenmustern<br />
zusammengestellt, auf deren Grundlage<br />
<strong>die</strong> Qualität und damit der weitere Wert<br />
vorgeführt und <strong>die</strong> Geschäfte abgeschlossen wurden.<br />
Die Anbau- und Verschiffungsgebiete standen<br />
in einem engen Zusammenhang mit den Verarbeitungseigenschaften<br />
des Reises und je besser<br />
<strong>die</strong> Mühlen auf eine Reissorte eingestellt werden<br />
konnten, desto weniger Verlust entstand bei der<br />
Verarbeitung. Der Mahlverlust war ein entscheidendes<br />
Kriterium für eine dritte und letzte Kategorisierung<br />
der Handelssorten. Um <strong>die</strong> Schälverluste<br />
steuerlich geltend machen zu können<br />
und über das mit den Zolltarifen abgeschlossene<br />
Schälregulativ Zollausgaben zurückfordem zu<br />
können, teilten <strong>die</strong> Reismüller <strong>die</strong> Handelssorten<br />
in verschiedene Kategorien ein. Diese wurden<br />
als Position A-E bezeichnet und wurden danach<br />
unterschieden, wie viel Gewichtsverlust dem<br />
deutschen Reismüller beim Schälvorgang des<br />
Reises der jeweiligen Position entstand beziehungsweise<br />
wie sich <strong>die</strong> Rohreisladungen zusammensetzten.<br />
Die Positionen meinten im Einzelnen:<br />
Position A: Reis in der Strohhülse, also nicht<br />
enthülster Reis.<br />
Position B: Gemisch von bloß von der Strohhülse<br />
befreitem Reis und nicht enthülstem<br />
Reis.<br />
Position C: Aus dem Gemisch von Position B)<br />
ausgeschiedener, bloß von der<br />
Strohhülse befreiter Reis.<br />
Position D: Ohne Beimischung von Reis in der<br />
Strohhülse importierter Reis, der nur<br />
enthülst ist.<br />
Position E: Reis, der nur noch mit der letzten<br />
feinen Hülse versehen ist und vor<br />
dem Verkauf einzig poliert werden<br />
muss.^®’<br />
Diese Positionen waren an sich nicht strittig.<br />
Große Konflikte gab es aber etwa seit Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts um <strong>die</strong> Ausbeutesätze, <strong>die</strong><br />
den einzelnen Positionen durch <strong>die</strong> Schälregulative<br />
zugeteilt und ergänzend zu den Zollsätzen<br />
erlassen wurden. Dabei entwickelten sich auf<br />
Grund unterschiedlicher Geschäftsmodelle zwischen<br />
den zollinländischen Mühlen einerseits<br />
und den zollausländischen Mühlen andererseits<br />
große Konflikte um <strong>die</strong> Frage, wie hoch <strong>die</strong>se<br />
Ausbeutesätze sein sollten.<br />
Jährlicher deutscher Reiskonsum und<br />
Rohstoffpreise<br />
Die Bedeutung, <strong>die</strong> dem Nahrungsmittel Reis<br />
im 19. Jahrhundert in Deutschland zugesprochen<br />
wurde, ist an Hand des Krünitz’schen Lexikons<br />
im frühen 19. Jahrhundert und der von der Reisund<br />
Handels AG^'^ 1911 in Auftrag gegebenen<br />
Werbeschrift Eduard Büsings für Reis als<br />
Volksnahrung sowie mit den neuen Forschungs-<br />
Tabelle II. 4.3, Reisverbrauch pro Kopf in Deutschland 1836-1910<br />
Jahrfünft 1836/40 1841/45 1846/50 1851/55 1856/60 1861/65<br />
Verbrauch<br />
kg/Kopf<br />
0,18 0,33 0,43 0,87 0,99 0,85<br />
Jahrfünft 1866/70 1 8 7 1/7 5 1876/80 1881/85 1886/90<br />
Verbrauch<br />
k(/Kopf<br />
1,11 1,55 1,66 1,81 1,76<br />
Jahrfünft 1891/95 1896/00 1901/05 1906/10 19 11/13<br />
-<br />
Verbrauch<br />
2,49 2,39 2,33 2,58 2,54<br />
71
я ^<br />
erkenntnissen über den Nährstoffgehalt von Lebensmitteln<br />
bereits angeklungen. Es bleibt natürlich<br />
zu schauen, ob wissenschaftliche Erkenntnis<br />
und unter dem Mantel der altruistischen Nahrungsaufklärung<br />
versteckte Werbung ausreichte,<br />
um Reis als Volksnahrungsmittel zu etablieren.<br />
Dies kann man am besten über <strong>die</strong> Zahlen des<br />
jährlichen Pro-Kopf-Verbrauchs hinterfragen.<br />
Nach Blankenburg ergab sich von 1836-<br />
1913 eine fast ungebrochene Steigerung des<br />
deutschen Reisverbauchs.^'*’<br />
Von 1836 <strong>bis</strong> 1860 gab es in nur einem Vierteljahrhundert<br />
eine Steigerung des deutschen Reiskonsums<br />
um das Fünffache. Das korrespon<strong>die</strong>rt<br />
mit den Erkenntnissen der Volkskunde, nach der<br />
Reis mit der beginnenden Industrialisierung den<br />
Wandel vom Lebensmittel des Adels und der<br />
bürgerlichen Eliten zur Volksspeise einfacher<br />
Bauern und städtischer Arbeiter abschloss. Zugleich<br />
weist <strong>die</strong> Verdopplung des Verbrauchs<br />
zwischen <strong>1850</strong> und 1855 darauf hin, dass mit<br />
dem Ende der Navigationsgesetze und der Erschließung<br />
Birmas ein neues, riesiges Potential<br />
für eine globale Reisindustrie freigelegt wurde.<br />
Nur 20 Jahre danach, 1875, war Rickmer Ciasen<br />
Rickmers bereits Teilhaber der Reismühle Ichon<br />
in Bremen und profitierte ebenso am Aufschwung<br />
im Reisverbrauch wie er ihn beflügelte.<br />
Etwas mehr als 50 Jahre nach der Gründung der<br />
ersten dampfgetriebenen deutschen Reismühle<br />
in Flensburg überflügelte <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
in ihren Verarbeitungsmengen erstmals<br />
<strong>die</strong> ältere englische Reisindustrie. Die Bremer<br />
Reismühlen fanden sich 1885 kurz vor dem Zollanschluss<br />
auf einem wirtschaftlichen Höhepunkt.<br />
Obwohl ein großer Teil des wirtschaftlichen Erfolgs<br />
der deutschen Reismühlen auf dem Export<br />
von bearbeitetem Reis ruhte, hatte sich auch der<br />
inländische Verbrauch seit 1836 von 180 Gramm<br />
auf 1,8 Kilogramm je Kopf verzehnfacht. Nach<br />
der Jahrhundertwende schwankte der Reis verbrauch<br />
auf einem hohen Niveau zwischen 2,3<br />
und 2,6 Kilogramm jährlich. Zu beachten ist jedoch,<br />
dass <strong>die</strong> Zahlen des jährlichen Verbrauchs<br />
in Deutschland mit Einschränkungen versehen<br />
sind. Da Blankenburg nicht offenlegte, wie er<br />
<strong>die</strong> Zahlen exakt ermittelt hatte, bleibt bei dem<br />
Verbrauch, der als Einfuhr abzüglich der Ausfuhr<br />
berechnet wurde, <strong>die</strong> Anmerkung, dass der Anteil<br />
des Reises, der in Deutschland für Futtermittel,<br />
Mehlherstellung, Stärkeproduktion oder zum<br />
Brauen verwendet wurde, in <strong>die</strong> jährlichen Verbrauchsmengen<br />
eingerechnet wurde. Der tatsächliche<br />
Verbrauch muss in <strong>die</strong>sen Zahlen also<br />
nicht exakt wiedergegeben sein.^°^ Fraglich ist<br />
auch, ob Reis mitgezählt wurde, der beispielsweise<br />
konsumfertig über den Rhein aus den Niederlanden<br />
kommend <strong>die</strong> deutschen Verbraucher<br />
erreichte.<br />
Einen anderen Weg zur Berechnung des deutschen<br />
Reisverbrauchs schlug Schuhmacher ein,<br />
der für <strong>die</strong> Jahre 1897 <strong>bis</strong> 1913 den aus deutscher<br />
Veredelung stammenden Reis und verbrauchsfertigen<br />
Reis, der aus dem Ausland eingeführt<br />
wurde, summierte. Demnach ergaben sich nachfolgende<br />
Zahlen.^“<br />
Tabelle II. 4.4, Reisverbrauch gesamt in Deutschland 1897-1913<br />
Jahr 1897 1899 1901 1903 1905<br />
Gesamtverbrauch 114.874 134.694 122.277 133.566 147.298<br />
Jahr 1907 1909 1911 1912 1913<br />
Gesamtverbrauch 157.153 164.091 179.295 162.960 180.657<br />
in Tonnen<br />
72
Die Reispreise veränderten sich zwischen <strong>1850</strong><br />
und <strong>1914</strong> merklich. Die Schwierigkeit besteht<br />
darin, verlässliche Zahlen zu finden. Einerseits<br />
beziehen sich einzelne Preisbenennungen auf<br />
Gewichte, und damit wirken sich <strong>die</strong> ausführlich<br />
beschriebenen Probleme bei der Ermittlung von<br />
Gewichtsmengen auch auf <strong>die</strong> Preise aus. Andererseits<br />
besteht <strong>die</strong> weitere Schwierigkeit, dass<br />
für Preisangaben in Rupien keine einfache Umrechnung<br />
in Mark möglich ist und sich <strong>die</strong> Preise<br />
über einen Zeitraum von etwa 65 Jahren für <strong>die</strong><br />
Vergleichbarkeit auch an der Wertentwicklung<br />
der jeweiligen Währung anpassen, also auf ein<br />
Basisjahr berechnet werden sollten. Grant bietet<br />
eine Darstellung der Preise in Rupien für Reis<br />
in Rangun von 1845 <strong>bis</strong> <strong>1914</strong> in Schritten von<br />
fünf Jahren beziehungsweise jährlich. Die Preise<br />
beziehen sich dabei auf je 100 Körbe Rohreis.<br />
Geht man nun wieder von einem Durchschnittsgewicht<br />
von 47 englischen Pfund für einen Korb,<br />
also 21,7 Kilogramm, aus, beziehen sich <strong>die</strong><br />
Preisangaben Grants auf je 2,17 Tonnen Rohreis.<br />
1835-^5, vor der britischen Eroberung größerer<br />
Gebiete in Birma, lag der Preis für 100 Körbe<br />
bei nur acht Rupien. Bis 1860 hielt sich der Preis<br />
dann trotz einer Preissteigerung um über 500<br />
Prozent bei 45 Rupien. Im Jahrfünft zwischen<br />
1875 und 1880 gab es mit 100 Rupien je Hundert<br />
Körbe einen historischen Höchststand der Preise<br />
im 19. Jahrhundert. Dieser kam zustande, weil<br />
1877 eine Hungersnot in In<strong>die</strong>n den Preis kurzzeitig<br />
auf 195 Rupien katapultierte. Von 1885<br />
<strong>bis</strong> 1900 lag der Preis in Fünfjahresdurchschnitten<br />
gleichbleibend bei 95 Rupien je 100 Körbe<br />
Reis. Die ab 1900 jährlich angegebenen mittleren<br />
Preise zeigen <strong>bis</strong> <strong>1914</strong> nur noch vier Mal mit 95<br />
beziehungsweise 105 Rupien je 100 Körbe Preise<br />
unterhalb von 110 Rupien. Höchststände im<br />
20. Jahrhundert wurden 1912 mit 160 Rupien<br />
sowie 1907, 1911 und 1913 mit je 130 Rupien<br />
für etwa zwei Tonnen Rohreis in Rangun erreicht.^**^<br />
Wie viel jedoch ist eine Rupie wert gewesen?<br />
Die Berechnung des Kursverhältnisses von Rupien<br />
zu Mark ist nicht direkt möglich. Das englische<br />
Pfund Sterling ist <strong>die</strong> Währung, über <strong>die</strong><br />
sich ein Kursverhältnis berechnen lässt. Für <strong>die</strong><br />
von Grant angegebenen Reispreise ist zu beachten,<br />
dass es <strong>bis</strong> etwa 1900 schwankende Umrechnungskurse<br />
zwischen Rupien und englischem<br />
Pfund gab. Das lag daran, dass es <strong>bis</strong><br />
1818 drei verschiedene Rupien in In<strong>die</strong>n gab:<br />
Die Sicca-Rupie in Bengalen, <strong>die</strong> Surat-Rupie<br />
in Bombay und <strong>die</strong> Arcot-Rupie in Madras. Erst<br />
dann gelang der englischen East India Company<br />
<strong>die</strong> Fixierung der Sicca-Rupie mit einem festen<br />
Gehalt von 10,69 Gramm Feinsilber. 1835 wurde<br />
eine Company’s Rupie à 16 Annas als alleiniges<br />
gesetzliches Zahlungsmittel für Britisch-In<strong>die</strong>n<br />
eingeführt.^“^ 1862 wurde <strong>die</strong> Company’s Rupie<br />
in Government Rupie umbenannt und Papiergeld<br />
eingeführt. Der Fall der Silberpreise ab den<br />
1870er Jahren und <strong>die</strong> resultierenden Spekulationen<br />
in den 1880er Jahren hatten negative Auswirkungen<br />
auf <strong>die</strong> Wechselkurse. Die Rupie wurde<br />
daher auf den Wert von 16 Pence Sterling<br />
beziehungsweise der Sovereign^°Vdas Pfund<br />
Sterling in Gold auf den Wert von 15 Government<br />
Rupien festgeschrieben. Kalkutta war der<br />
wichtigste Finanzplatz für WährangsWechsel, so<br />
dass <strong>die</strong> Wechselkurse Kalkutta zu London für<br />
<strong>die</strong> nachstehenden Berechnungen zu Grunde gelegt<br />
wurden.^®''<br />
Für <strong>die</strong> Umrechnung von englischen Pfund zu<br />
Preußischen beziehungsweise Norddeutschen<br />
Talern und zu Mark Reichswährung nach 1874<br />
ergaben sich im Laufe der 60 Jahre zwar auch<br />
Schwankungen, <strong>die</strong>se waren jedoch sehr klein<br />
und werden daher hier nicht berücksichtigt. Zugrunde<br />
gelegt wird ein Wechselkurs zwischen<br />
London und Berlin von einem Pfund zu 20 Mark<br />
und 25 Pfennigen, wie er auch bei der Einführung<br />
der Reichswährung Mark 1874 festgelegt<br />
wurde.^°* Daraus resultierte bei schwankenden<br />
Verhältnissen von Rupie zu Pfund zu Mark <strong>bis</strong><br />
1900 ein fester Kurs von einer Rupie gleich 1,35<br />
Mark.<br />
Aus den Preisangaben Grants und den Umrechnungskursen<br />
zwischen Rupien und Pfund einerseits,<br />
zwischen Pfund und Mark andererseits,<br />
und unter der Annahme, dass 100 Körbe Reis<br />
73
ein mittleres Gewicht von 2,17 Tonnen haben,<br />
ergeben sich folgende Reispreise in Rangun.<br />
Tabelle II. 4.5, Reispreise in Rangun 1845-1916<br />
Jahr<br />
Preise je 100 Körbe zu 2Д7<br />
Tonnen in Rupien<br />
Wert Je Rupie in Mark<br />
Preise Je Tonne<br />
in Mark<br />
1845 8 2,03 7,48<br />
1855 45 2,25 46,67<br />
I860 45 2,25 46,67<br />
1865 50 2,25 51,84<br />
1870 70 2,03 65,48<br />
1875 65 1,84 55,12<br />
1880 100 1,69 77,88<br />
1885 95 1,56 68,29<br />
1890 95 1,56 68,29<br />
1895 95 1,13 49,47<br />
1900 95 1,35 58,83<br />
1901 95 1,35 58,83<br />
1902 100 1,35 62,21<br />
1903 110 1,35 68,43<br />
1904 95 1,35 58,83<br />
1905 105 1,35 65,32<br />
1906 120 1,35 74,65<br />
1907 130 1,35 80,88<br />
1908 135 1,35 84,61<br />
1909 110 1,35 68,43<br />
1910 110 1,35 68,43<br />
1911 130 1,35 80,88<br />
1912 160 1,35 99,54<br />
1913 130 1,35 80,88<br />
<strong>1914</strong> 120 1,35 74,65<br />
1915 125 1,35 77,76<br />
1916 110 1,35 68,43<br />
74
Die hier ermittelten Zahlen passen auf den ersten<br />
Blick nicht zu der Angabe Bachmanns, dass eine<br />
Tonne Reis 1912 zwischen 120 Mark und 140<br />
Mark gekostet habe. Bachmann rechnete mit<br />
dem Kurs von 1,36 Mark je Rupie. Dieser Kurs<br />
lag, wie in der Tabelle gezeigt, <strong>bis</strong> 1890 aber<br />
deutlich darüber. Bis 1870 kostete eine Rupie<br />
noch über 2 Mark Reichswährung oder dem<br />
Äquivalent von 0,68 Talern. Erst ab 1900 war<br />
der Kurs der Rupie so stabil, dass er über den<br />
Goldstandard gebunden bei 1,35 Mark lag. Das<br />
bedeutet aber, dass Reis langfristig deutlich günstiger<br />
wurde. Damit musste sich entweder der<br />
Ver<strong>die</strong>nst der Bauern und der Zwischenhändler<br />
verringert haben, oder Arbeitskosten oder Transportkosten<br />
müssen gesunken sein.<br />
Beachtet man noch <strong>die</strong> Frachtkosten und den<br />
Zoll in Deutschland, scheint es schon sehr realistisch,<br />
dass eine Tonne Reis, <strong>die</strong> 1912 in Rangun<br />
100 Mark kostete, in Bremen oder Hamburg<br />
für 120 Mark zu haben war. Nicht zuletzt muss<br />
noch einmal darauf hingewiesen werden, dass<br />
bei der Berechnung des Gewichts von einem<br />
Korb zu 47 englischen Pfund ausgegangen wurde,<br />
was in der Realität in beide Richtungen abweichen<br />
und entsprechende Preisschwankungen<br />
ausmachen konnte.<br />
Deutlich abweichend von <strong>die</strong>sen mit vielen Unwägbarkeiten<br />
ermittelten Preisvorstellungen sind<br />
<strong>die</strong> Großhandelspreise in den seit 1880 vom Kaiserlich<br />
Statistischen Amt herausgegebenen Statistischen<br />
Jahrbüchern für das Deutsche Reich.<br />
Die dort genannten Zahlen beziehen sich auf<br />
100 Kilogramm Rangun-Reis in der Qualität Tafelreis,<br />
<strong>die</strong> vier Monate im Voraus per Vertrag<br />
verkauft wurden. Um besser mit den Preisen,<br />
<strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Angaben Grants und Bachmanns<br />
ermittelt wurden, vergleichen zu können, sind<br />
<strong>die</strong> in der folgenden Tabelle^°^ genannten Preise<br />
zusätzlich noch je Tonne aufgelistet.<br />
Tabelle II. 4.6, Großhandelspreise für Reis in Deutschland 1879-1912<br />
Jahr Preis je 100 kg Preis je Tonne Jahr Preis je 100 kg Preis je Tonne<br />
1879 26,3 263 1896 17,9 179<br />
1880 26,6 266 1897 19,4 194<br />
1881 25,8 258 1898 23,4 234<br />
1882 21,7 217 1899 21,9 219<br />
1883 21,8 218 1900 21,2 212<br />
1884 21,8 218 1901 21,6 216<br />
1885 20,6 206 1902 20,2 202<br />
1886 20,8 208 1903 22,3 223<br />
1887 20,5 205 1904 20,8 208<br />
1888 20,4 204 1905 21,5 215<br />
1889 20,1 201 1906 21,5 215<br />
1890 23,1 231 1907 23,5 235<br />
1891 22,8 228 1908 23,4 234<br />
1892 21,4 214 1909 21,7 217<br />
1893 19,4 194 1910 21,9 219<br />
1894 18,7 187 1911 24,8 248<br />
1895 17,2 172 1912 29 290<br />
in Mark<br />
75
Hier nicht aufgeführt, aber dennoch beachtenswert<br />
ist <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Preise für 100 Kilogramm<br />
Tafelreis aus Rangun in Hamburg seit<br />
den 1890er Jahren, schwankend um Differenzen<br />
von ein <strong>bis</strong> fünf Mark, immer unter denen Bremens<br />
lagen.^'° Auf <strong>die</strong> politische Brisanz <strong>die</strong>ser<br />
Tatsache wird später noch eingegangen werden.<br />
Vergleicht man <strong>die</strong> Großhandelspreise in<br />
Deutschland mit den Einkaufspreisen in Rangun,<br />
ergeben sich große Differenzen. Während in<br />
Rangun 1880 für 78 Mark eine Tonne Rohreis<br />
eingekauft werden konnte, war eine Tonne in<br />
der Qualität Tafelreis für einen Großhändler in<br />
Bremen für 266 Mark zu kaufen. 1890 war das<br />
Verhältnis 68 Mark zu 231 Mark, 1901 59 Mark<br />
zu 216 Mark und 1912 100 Mark zu 290 Mark.<br />
Tabelle II. 4.7, Vergleich der Einkaufspreise in Rangun mit Großhandelspreisen in<br />
Bremen 1880-1912<br />
Jahr<br />
Einkaufspreis 1 Tonne<br />
Rohreis in Rangun<br />
Großhandelspreis 1 Tonne<br />
Tafelreis in Bremen<br />
Quotient der Preise für<br />
Tafelreis<br />
Bremen/Rohreis Rangun<br />
1880 78 2 6 6 3,4<br />
1885 68 2 0 6 3<br />
1890 68 231 3,4<br />
1895 49 172 3,5<br />
1900 59 212 3,6<br />
1901 59 2 1 6 3,7<br />
1902 62 202 3,3<br />
1903 68 223 3,3<br />
1904 5 9 208 3,5<br />
1905 65 215 3,3<br />
1906 75 215 2,9<br />
1907 81 235 2,9<br />
1908 85 234 2,8<br />
1909 68 2 1 7 3,2<br />
1910 68 219 3,2<br />
1911 81 248 3<br />
1912 100 2 9 0 2,9
щ<br />
Auf den ersten Blick scheinen <strong>die</strong> Differenzen<br />
der Kaufsummen etwas groß. Möglich ist, dass<br />
<strong>die</strong> für Rangun ermittelten Einkaufspreise auf<br />
Grund der Umrechnung über eine dritte Währung<br />
etwas ungenau sind. Trotzdem ist es aber<br />
realistisch, dass <strong>die</strong> Preisunterschiede so groß<br />
waren. Einerseits sind wiederum <strong>die</strong> Frachtkosten<br />
zu bedenken. Andererseits kommt hinzu,<br />
dass bei Kaufverträgen, <strong>die</strong> vier Monate im Voraus<br />
abgeschlossen wurden, der Händler in seiner<br />
Kalkulation berechnen musste, dass einmal eine<br />
Ladung Reis durch Schimmel oder Ungezieferbefall<br />
verdirbt oder sogar durch einen Schiffsuntergang<br />
komplett verloren geht. Des Weiteren<br />
kann sich in <strong>die</strong>sem Zeitraum auch durch große<br />
Trockenperioden, übermäßigen Monsunregen<br />
und Überschwemmungen oder andere Naturkatastrophen<br />
ein größerer Emteausfall in den Reis<br />
erzeugenden Ländern ankündigen, was sofortige<br />
Preissteigerungen zur Folge gehabt hätte. Das<br />
vierte und wichtigste Argument, warum <strong>die</strong> Einkaufspreise<br />
für Tafelreis in Deutschland drei<strong>bis</strong><br />
viermal so hoch waren wie <strong>die</strong> Einkaufspreise<br />
für Rohreis in Rangun, ist <strong>die</strong> Reisverarbeitung.<br />
Bis zu einem Viertel an Gewichtsverlust entstand<br />
durch das Schälen, Mahlen und Polieren des<br />
Reises. Für 100 Kilogramm Tafelreis wurden also<br />
125 Kilogramm Rohreis benötigt. Zuletzt kostete<br />
<strong>die</strong> Bearbeitung in Deutschland auch Geld.<br />
Technische Anlagen mussten gekauft und gewartet<br />
werden, Schiffer, Schauerleute, Mühlenarbeiter<br />
und Verwaltungsangestellte mussten bezahlt<br />
werden und Gesellschafter wie später auch<br />
Aktionäre wollten Dividenden erhalten. Somit<br />
scheint trotz der Unsicherheit, ob <strong>die</strong> für Rangun<br />
ermittelten Einkaufspreise korrekt sind, das Verhältnis<br />
der Preise für Rohreis in Birma und für<br />
Tafelreis in Bremen durchaus stimmig.<br />
Von den Großhandelspreisen wiederum unterscheiden<br />
sich <strong>die</strong> Kleinhandelspreise deutlich.<br />
Für Bremen liegen keine Kleinhandelspreise von<br />
Reis vor. Von Berlin hingegen werden <strong>die</strong>se in<br />
den Statistischen Jahrbüchern der Stadt Berlin<br />
angegeben und sind für einzelne Jahre in der<br />
nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.^"<br />
Tabelle II. 4.8, Kleinhandelspreise für Reis in<br />
Berlin 1878-1907<br />
Jahr<br />
Preis je 1 kg in<br />
Pfennigen<br />
Preis je 100 kg<br />
in Mark<br />
1878 60 60<br />
1880 60 60<br />
1894 58 58<br />
1898 58 58<br />
1904 59 59<br />
1907 59-68 59-68<br />
Die Preise wurden über Stichproben in allen<br />
zwölf Monaten des jeweiligen Jahres an den<br />
Ständen Berliner Märkte gesammelt und beziehen<br />
sich auf Java-Reis. Dieser war generell etwas<br />
teurer als Reis aus Birma. Zudem wurde er vor<br />
allem aus den Niederlanden nach Deutschland<br />
eingeführt. Ob <strong>die</strong> genannten Preise sich auf in<br />
den Niederlanden oder in Deutschland veredelten<br />
Reis beziehen, ist nicht zu klären. Gravierende<br />
Kostenvorteile oder Kostennachteile dürfte aber<br />
kein Standort gehabt haben. Für Mitteldeutschland<br />
hatte <strong>die</strong> niederländische Industrie durch<br />
den Rhein Vorteile bei den Transportkosten, für<br />
den Raum Berlin ist das jedoch nicht anzunehmen.<br />
Die Preise im lOeinhandel lagen bei 58<br />
<strong>bis</strong> 60 Pfennige für ein Kilo. Zur einfacheren<br />
Vergleichbarkeit sind sie noch einmal in Mark<br />
je 100 Kilogramm aufgeführt. Hier zeigt sich,<br />
dass <strong>die</strong> Einzelhandelspreise immer etwas mehr<br />
als doppelt so hoch waren wie <strong>die</strong> Großhandelspreise.<br />
Selbst wenn man bedenkt, dass Java-Reis<br />
etwas teurer war als Rangun-Reis, dürfte für den<br />
Handel nach Abzug der Frachtkosten innerhalb<br />
Deutschlands und der Arbeitskosten des Händlers<br />
noch eine ordentliche Gewinnspanne übrig<br />
geblieben sein. Bei der näheren Betrachtung der<br />
77
шш<br />
Reis- und Handels Aktiengesellschaft wird <strong>die</strong>se<br />
Tatsache noch einmal in den Blick genommen.<br />
5. Deutsche in Asien<br />
Nach <strong>1850</strong> veränderten sich <strong>die</strong> deutschen Kontakte<br />
in <strong>die</strong> Reis anbauenden und -exportierenden<br />
asiatischen Länder deutlich. Die Erfahrungen<br />
William Hunters in Birma im 18. Jahrhundert<br />
zeugten noch von einem Entdeckerdrang und<br />
der vagen Aussicht, dass <strong>die</strong> East India Company<br />
dort einmal Handel treiben könnte. Er umwarb<br />
mit seinem Bericht noch regelrecht <strong>die</strong> Europäer,<br />
sich doch dem Handel mit dem Königreich Pegu<br />
zuzuwenden. Schon anders verhielt es sich mit<br />
den Aufgaben Johann Wilhelm Helfers 1837.<br />
Auch er war im Auftrag der englischen Handelsgesellschaft<br />
im späteren Birma unterwegs,<br />
aber seine Aufgabe, dort nach Kohleflözen für<br />
<strong>die</strong> Versorgung von Bunkerstationen für Dampfer<br />
auf dem Weg nach China zu suchen, zeigt Zweierlei<br />
an. Einerseits sind <strong>die</strong> Europäer 1837 in<br />
der sich rasant entwickelnden Industrialisierung<br />
angekommen. Die Durchsetzung der Dampfschifffahrt<br />
wurde in Kürze auch auf der großen<br />
Fahrt erwartet, und <strong>die</strong> Arbeit Helfers sollte ein<br />
kleines Mosaik zur Durchsetzung <strong>die</strong>ser Entwicklung<br />
werden. Andererseits zeigte sich in der<br />
Planung von Dampferrouten nach China, dass<br />
<strong>die</strong> europäische Wirtschaft weltweit Kontakte<br />
knüpfte - und im Zuge <strong>die</strong>ses zunehmend dichter<br />
geknüpften Netzes an Handelskontakten auch<br />
Birma und Siam in den weltweiten Handel eingebunden<br />
wurden.<br />
Konsulatswesen<br />
Die Einbindung der entstehenden Reiswirtschaft<br />
Asiens in den weltweiten Handel stand am Ende<br />
einer Entwicklung, bei der sich ab etwa 1740<br />
<strong>die</strong> europäischen Ostin<strong>die</strong>ngesellschaften zu Territorialstaaten<br />
entwickelten. Die Handelsgesellschaften<br />
hatten <strong>die</strong> Infrastruktur geschaffen, um<br />
in den Handel in In<strong>die</strong>n und Asien einzusteigen.<br />
Dabei meint Handel sowohl den Handel zwischen<br />
In<strong>die</strong>n und Asien auf der einen Seite sowie<br />
78<br />
Europa auf der anderen Seite und drittens auch<br />
den Handel zwischen In<strong>die</strong>n, den Gewürzinseln<br />
und China auf europäischen Schiffen, den sogenannten<br />
„country trade“. J e enger <strong>die</strong> Handelsverbindungen<br />
wurden und zugleich je machtbewusster<br />
<strong>die</strong> europäischen Nationen auftraten,<br />
desto wichtiger wurde es, dass <strong>die</strong> Kaufleute aus<br />
Europa politische Unterstützung aus der Heimat<br />
in Form einer konsularischen Vertretung hatten.<br />
Konsularische Vertretungen gab es schon im<br />
Hochmittelalter. Aus ihren Reihen wählten Bremer<br />
Kaufleute im 13. Jahrhundert Konsuln, <strong>die</strong><br />
Schifffahrts- und Handelsinteressen in der Fremde<br />
bestimmen sollten. Im 14. und 15. Jahrhundert<br />
entstanden in Europa aus den vormals verbreiteten<br />
Sondergesandtschaften, <strong>die</strong> immer mit einem<br />
bestimmten Ziel entstanden waren, immer<br />
öfter dauerhafte konsularische Vertretungen. Die<br />
Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck und<br />
damit zumindest bei den erstgenannten <strong>die</strong> wichtigsten<br />
deutschen Handelsplätze für Reis, etablierten<br />
in Paris 1650 eine ständige Vertretung.<br />
1690 kam auf Betreiben Lübecks eine in Kopenhagen<br />
hinzu. Aber erst 1814 gab es einen bei<br />
der britischen Regierung in London akkreditierten<br />
Vertreter der hanseatischen Handelsinteressen.Diese<br />
Vertretungen waren jedoch Handelsvertretungen<br />
und keine diplomatischen<br />
Vertretungen. Daher waren sie auch nicht<br />
zwangsläufig für ein Land oder eine bestimmte<br />
Kolonie zuständig, sondern erfüllten ihre Aufgaben<br />
in einer Hafenstadt oder einem Handelszentrum<br />
und für das Einzugsgebiet des Handelszentrums,<br />
soweit es für <strong>die</strong> konsularischen<br />
Angelegenheiten keine günstiger gelegene Vertretung<br />
gab. Ihre erste Aufgabe war es, <strong>die</strong> Interessen<br />
des Handels zu vertreten, oder wie Prüser<br />
es formulierte: Der „Amtsbereich der Konsuln<br />
[war der] Schutz und [<strong>die</strong>] Förderung von Handel<br />
und Schiffahrt“.T ro tz d e m blieb es nicht aus,<br />
dass sie im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr und<br />
mehr <strong>die</strong> Aufgaben eines Staatsvertreters in fremden<br />
Ländern wahrnahmen.<br />
Die Aufgaben eines Konsuls waren vielfältig, ln<br />
großer Zahl überliefert sind <strong>die</strong> jährlichen Berichte,<br />
<strong>die</strong> von den Konsuln in <strong>die</strong> Heimat ge
i<br />
schickt wurden. Diese waren in erster Linie Handelsberichte<br />
mit einem großen statistischen Anteil:<br />
Einkommende und ausgehende Schiffe und<br />
Ladungen wurden notiert, Warenmenge, -Sorten<br />
und Werte der Ein- und Ausfuhren wurden meist<br />
genannt und oft auch Herkunft und Destination<br />
der Handelsschiffe. Darüber hinaus wurde über<br />
für <strong>die</strong> Heimat und den dortigen Handel wichtig<br />
erscheinende Ereignisse und Zustände jeder Art<br />
berichtet. Politische Entwicklungen, soziale Verhältnisse<br />
oder kulturelle Veranstaltungen wurden<br />
dort ebenso notiert wie Berichte zur industriellen<br />
Entwicklung, zu Bevölkerungsverhältnissen und<br />
Naturereignissen oder über rechtliche Rahmenbedingungen<br />
des Handels. Außerdem wurden<br />
<strong>die</strong> verschiedensten Aufgaben des täglichen Lebens<br />
eines Konsuls übermittelt. Zu <strong>die</strong>sen Aufgaben<br />
gehörte beispielsweise <strong>die</strong> juristische Vertretung<br />
von Landsleuten, <strong>die</strong> mit dem örtlichen<br />
Gesetz in Konflikt geraten waren oder auch <strong>die</strong><br />
Schlichtung von Konflikten zwischen Mannschaft<br />
und Schiffsführem auf heimischen Schiffen<br />
vor Ort. Bei An- oder Abmusterungen beglaubigten<br />
Konsuln <strong>die</strong> Richtigkeit der Musterrollen<br />
oder <strong>die</strong> Zahlungen der Heuer. Gab es<br />
unter einer Schiffsmannschaft Kranke oder Verletzte,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Reise nicht fortsetzen konnten,<br />
kümmerte sich der Konsul um Unterbringung,<br />
Pflege, Kost und Юeidung. Diese Kosten konnte<br />
er je nach Fall oder wenn <strong>die</strong> Mittel des Kranken<br />
nicht reichten, von der Seemannskasse erstattet<br />
bekommen oder er initiierte in der deutschen<br />
Gemeinschaft vor Ort eine Sammlung zur Linderung<br />
einer Notlage. Gab es einen Toten oder<br />
konnte ein Seemann seine Arbeit nicht wieder<br />
aufnehmen, kümmerten sich <strong>die</strong> Konsuln um<br />
Nachlassregelungen oder auch darum, eine Passage<br />
in <strong>die</strong> Heimat zu organisieren. Zivilrechtliche<br />
Aufgaben konnten auch bei Eheschließungen,<br />
Geburten oder Taufe von den Konsuln vorgenommen<br />
beziehungsweise bezeugt werden.^'’<br />
Darüber hinaus erledigten <strong>die</strong> Konsuln auch immer<br />
wieder diplomatische Obliegenheiten, weil<br />
sie <strong>die</strong> prominentesten deutschen Vertreter gegenüber<br />
der gastgebenden Nation oder der herrschenden<br />
Kolonialmacht waren. All <strong>die</strong>se Aufgaben<br />
wurden ehrenamtlich oder nur gegen eine<br />
kleine Aufwandsentschädigung für entstandene<br />
Kosten ausgeführt. Erst in den 1880er Jahren<br />
entwickelte sich in der Politik des deutschen<br />
Kaiserreichs, vornehmlich im Parlament, eine<br />
Debatte darüber, ob Wahl- oder Berufskonsuln<br />
<strong>die</strong> konsularische und diplomatische Vertretung<br />
der Deutschen und des deutschen Staats übernehmen<br />
sollten. In der Realität wirkten im ausgehenden<br />
19. Jahrhundert Berufs- und Wahlkonsuln<br />
nebeneinander.^*®<br />
Konsulatswesen und Handelsverträge in Birma,<br />
Siam und Singapur infolge des Handels<br />
Als <strong>die</strong> Ära deutscher Reishändler in Asien um<br />
<strong>1850</strong> begann, war <strong>bis</strong> auf das 1844 in Singapur<br />
eingerichtete bremische Konsulat noch keine<br />
Vertretung deutscher Handelsinteressen in Asien<br />
präsent. Mit der Aufhebung der britischen Navigationsgesetze<br />
und dem gleichzeitigen Wirtschafts-<br />
und Handelsaufschwung in Bremen stieg<br />
durch eben <strong>die</strong>sen Handel auch der Bedarf an<br />
konsularischen Vertretungen. Die Beteiligung<br />
der Reishändler an der Einrichtung von Konsulaten<br />
in Birma und Siam sowie <strong>die</strong> Besiegelung<br />
von Staats Verträgen zeigt, dass <strong>die</strong> Reishändler<br />
ab <strong>1850</strong> eine bedeutende Rolle in den deutschasiatischen<br />
Handelsbeziehungen spielten.<br />
Da <strong>die</strong> Konsulate ursprünglich reine Interessenvertretungen<br />
der Überseekaufleute waren, wurden<br />
Konsuln in Bremen nicht vom Senat entsandt,<br />
sondern <strong>die</strong> „Bewerbung um einen Konsulatsposten<br />
wurde [...] der ,Commission für<br />
<strong>die</strong> Auswärtigen Angelegenheiten' Bremens eingereicht“.<br />
F ü r einen Bewerber war ein guter<br />
Leumund sehr wichtig, so dass meist Briefe von<br />
Freunden oder anerkannten Personen des Wirtschaftslebens<br />
beigefügt wurden, um den guten<br />
Ruf des Aspiranten und <strong>die</strong> Notwendigkeit der<br />
Errichtung eines Konsulats zu bestätigen. Der<br />
Senat favorisierte Bremer Kaufleute als Konsuln,<br />
<strong>die</strong> allerdings gesicherten wirtschaftlichen Erfolg<br />
haben mussten, um als Konsul in Betracht zu<br />
kommen. Zudem holte <strong>die</strong> Kommission ein Gutachten<br />
von der Handelskammer ein, bevor einem<br />
79
É S'iíJj'Ci- . iSerr«<br />
80<br />
Gesuch stattgegeben wurde.Gerade <strong>die</strong>ser<br />
Punkt bestätigt wiederum <strong>die</strong> wirtschaftliche und<br />
nicht <strong>die</strong> diplomatische Dimension des entstehenden<br />
Konsulatswesens, weil <strong>die</strong> Handelskammer<br />
nach eigenem Bekunden<br />
„berufen ist, aus Alles, was dem bremischen<br />
Handel und der bremischen Schifffahrt, sowie<br />
den [Handels]geschäften <strong>bis</strong>her <strong>die</strong>nlich sein<br />
kann, ihr Augenmerk fortwährend zu richten,<br />
<strong>die</strong> Mittel zu deren Förderung oder der Beseitigung<br />
etwaiger Hindernisse zu berathen<br />
und darüber dem Senate auf dessen Antrag<br />
oder selbständig zu berichten, nicht minder<br />
ihr angemessen scheinende Verbesserungen<br />
sowie <strong>die</strong> Beseitigung etwaiger Hindernisse<br />
zu beantragen“.^'®<br />
Die Handelskammer war <strong>die</strong> wichtigste Institution,<br />
<strong>die</strong> im Interesse der bremischen Wirtschaft<br />
Politik machte. Sie gestaltete damit zugleich <strong>die</strong><br />
Außenpolitik Bremens <strong>bis</strong> 1871 mit.<br />
Der schon erwähnte Brief Adolph Markwalds<br />
verdeutlicht, wie eine Bewerbung um einen Konsulatsposten<br />
um <strong>1850</strong> ablief. Markwald ersuchte<br />
darum, zum preußischen Konsul in Bangkok ernannt<br />
zu werden. Nach den Einführungsfloskeln<br />
in einem Brief an den Minister für Handel und<br />
Gewerbe in Berlin, von der Heydt, legte er seine<br />
Erfahrungen als Überseekaufmann dar:<br />
„Seit zehn Jahren habe ich mich fast stets fern<br />
von Europa aufgehalten und viele Länder aus<br />
commerziellem Interesse besucht unter denen<br />
ich Vorzugsweise <strong>die</strong> Vereinigten Staaten von<br />
Amerika West In<strong>die</strong>n, Central Amerika, Australien,<br />
China, <strong>die</strong> Insel Formosa und jetzt zum<br />
zweitenmale Siam, (woselbst ich in Bangkok<br />
seit Januar 1858 ein Geschäftshaus im Verein<br />
mit dem Portugiesischen Consul Herrn A. F.<br />
Moor, unter meinem eigenen Namen gegründet<br />
habe,) anzugeben ich mir erlaube.<br />
Im Folgenden lieferte Markwald eine Art konsularischen<br />
Bericht über den Handel und <strong>die</strong><br />
rückständige Industrie, wobei der Reis als das<br />
wichtigste Exportgut ausgemacht wurde. Für<br />
den Import hielt Markwald zwar fest, dass <strong>die</strong><br />
„Bedürftnisse der Siamesen [...] augenblicklich<br />
noch nicht bedeutend“ seien, aber wenn <strong>die</strong> Siamesen<br />
erst einmal mit den Europäern in Kontakt<br />
gekommen seien, würden sie deren Bedürfni,s.se<br />
nachahmen und daher werden viele „Waaren etc<br />
guten Absatz hier finden“. D i e Gründe für ein<br />
Konsulat lagen in Siam 1859 also mehr in der<br />
erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung als in<br />
der realen Notwendigkeit. Tatsächlich bleibt auch<br />
in der historischen Rückschau Reis der einzige<br />
bedeutende Handelsartikel Siams, denn eine nennenswerte<br />
europäische Einfuhr gab es zu keinem<br />
Zeitpunkt.<br />
Die Würde eines Konsuls wurde Adolph Markwald<br />
1859 nicht verliehen. Die Angelegenheit<br />
zog sich noch einige Jahre hin. Ein weiterer Brief<br />
unterstreicht noch einmal, wie bedeutend ein guter<br />
Ruf für einen Aspiranten war. Für einen Kuraufenthalt<br />
war Markwald im Januar 1864 in Berlin<br />
und wehrte sich dagegen, dass bei dem Hamburger<br />
Kaufmann Pickenpack Erkundigungen<br />
über ihn eingezogen wurden. Denn <strong>die</strong>ser sei<br />
als Chef einer Handelsniederlassung in Bangkok<br />
„Concurrent meiner Eirma, in Folge dessen leider<br />
seit Jahren eine große Feindschaft seitens H Pickenpack<br />
gegen meine associes & mich besteht“.<br />
Stattdessen könne Markwald „references erster,<br />
unpartheischer Geschäftshäuser zur Genüge beibringen“<br />
und verwahre sich im Voraus „gegen<br />
jede von Herrn Pickenpack in Bezug auf <strong>die</strong>se<br />
Angelegenheit gegebene Auskunft“.^“ Die Firma<br />
Pickenpack, Thies & Co. in Singapur, das sei<br />
hier erwähnt, handelte mit Reis und gehörte mit<br />
den Firmen Behn, Meyer & Co. sowie Büsing,<br />
Schröder & Co. zu den frühesten deutschen Firmen,<br />
<strong>die</strong> im innerasiatischen <strong>Reishandel</strong> zwischen<br />
Bangkok, Singapur und Hongkong Geschäfte<br />
machten.Das von Markwald ungeliebte<br />
Urteil Pickenpacks kam also auch von<br />
einem deutschen Reishändler. Konsul wurde<br />
Markwald trotz aller Bemühungen nicht mehr.<br />
Stattdessen durfte er als Vertreter in Abwesenheit<br />
des Konsuls Paul Lesser <strong>die</strong>sen 1867 vertreten.<br />
Dass <strong>die</strong> Konsulswürde ein Ehrenamt war, nicht<br />
im Sinne der Vergütung, sondern vor allem weil<br />
es den Kaufleuten als ehrbar galt, unterstrich<br />
Markwald mit einem Schreiben an den preußischen<br />
Minister der Auswärtigen Angelegenhei-
ten, in dem er sich für das in ihn gesetzte Vertrauen<br />
bedankte und versprach, <strong>die</strong> ihm obliegenden<br />
Interessen mit vollem Einsatz zu vertreten<br />
325<br />
Neben der Errichtung konsularischer Vertretungen<br />
wurden Handelsverträge mit den Nationen<br />
im weltweiten Handel im Interesse der deutschen<br />
Kaufmannschaft und Schifffahrt abgeschlossen.<br />
Deutlich wird <strong>die</strong>s durch <strong>die</strong> Stellungnahme der<br />
Handelskammer Hamburgs an <strong>die</strong> Deputation<br />
für Handel und Schifffahrt bezüglich eines Handelsvertrags<br />
mit Birma. Darin heißt es:<br />
„Zufolge Aufforderung des Senats vom 7.<br />
März 1877 bemerkt <strong>die</strong> Handelskammer, daß<br />
es ihrer Ansicht nach, jedenfalls im Interesse<br />
der deutschen Rhederei liegt, wenn Deutschland<br />
durch einen Handelsvertrag mit Birmah<br />
auf dem Fuße der meistbegünstigten Nationen<br />
sich <strong>die</strong> gleiche Behandlung mit den Engländern<br />
in Birmah sichert; und daher ein solcher<br />
Vertrag an sich sehr wünschenswert ist.“^^®<br />
Im Vertrag zwischen den Hansestädten Hamburg,<br />
Bremen und Lübeck mit Siam wurde <strong>die</strong>ser Vertrag<br />
zwar nicht durch einen Reishändler - wie<br />
Markwald es war - ausgehandelt, aber immerhin<br />
durch einen Agenten eines deutschen Kaufmanns<br />
in Singapur. Überseekaufleute waren also nicht<br />
nur als Konsuln Interessenvertreter des jeweiligen<br />
europäischen Landes, sondern übernahmen<br />
auch bei der Erarbeitung von Staatsverträgen diplomatische<br />
Aufgaben. Da es seit 1855 Handelsverträge<br />
zwischen Siam und Großbritannien,<br />
kurz darauf mit den Vereinigten Staaten von<br />
Amerika, Frankreich und Dänemark gab, waren<br />
<strong>die</strong> Hansestädte der Ansicht, dass es Zeit für einen<br />
eigenen Handelsvertrag sei. Da sich <strong>die</strong> in<br />
Siam Verantwortlichen nicht bereiterklärten, einen<br />
Vertrag in London zu verhandeln und zu unterzeichnen,<br />
musste der Hamburger Kaufmann<br />
Thies in Bangkok zu einem Ergebnis kommen,<br />
was durch <strong>die</strong> großzügige Ausgabe von Geschenken<br />
im Wert von 6.000 Mark Banko an Würdenträger<br />
vor Ort auch gelang.^^’ Die Hansestädte<br />
wollten den Vertrag gemeinsam mit Siam<br />
schließen, aber <strong>die</strong>ses Unterfangen gestaltete<br />
sich auch deshalb schwierig, weil das Verhältnis<br />
der drei deutschen Städte zueinander nicht immer<br />
einfach war. Neben der Frage der Kostenübernahme<br />
gab es im Vorfeld einen Konflikt, der fast<br />
infantil anmutet: Üblicherweise wurden <strong>die</strong> drei<br />
Hansestädte in der Reihenfolge Lübeck, Bremen<br />
und Hamburg genannt. Da <strong>die</strong> Verhandlungen<br />
aber in der Hauptsache von Hamburg geführt<br />
wurden, änderte der dortige Senat <strong>die</strong> Reihenfolge<br />
der Stadtnamen und stellte Hamburg voran.<br />
Das führte zu Beratungen der anderen beiden<br />
Städte und einer Richtigstellung gegenüber Hamburg.<br />
Erst als <strong>die</strong> Hamburger Eraktion einlenkte,<br />
ging es inhaltlich weiter.<br />
Wichtigster Inhaltspunkt des Handelsvertrags<br />
war das gegenseitige Recht der meistbegünstigten<br />
Nationen und ein Niederlassungsrecht hanseatischer<br />
Kaufleute in Bangkok und in einem<br />
genau definierten Gebiet um Bangkok herum<br />
sowie <strong>die</strong> Zusicherung von Religionsfreiheit.<br />
Am 25. Oktober 1858 wurde der Vertrag mit<br />
dem Königreich Siam geschlossen.<br />
Das Recht, eine meistbegünstigte Nation zu sein,<br />
war von großer Bedeutung, denn es<br />
„besagte, daß zusätzliche Rechte und Begünstigungen,<br />
<strong>die</strong> dritten Staaten und ihren Angehörigen<br />
während der Geltungsdauer des Vertrages<br />
zugebilligt würden, auch dem anderen<br />
Vertragsstaat zustehen sollten, jedoch nur<br />
dann, wenn sie dem dritten Staat unentgeltlich<br />
gewährt worden waren oder - sofern sie durch<br />
Zugeständnisse erkauft wurden - wenn der<br />
meistbegünstigte Staat entsprechende Gegenleistungen<br />
bot“.^^®<br />
Die Meistbegünstigungsklausel sicherte den<br />
Handelspartnern also zu, im Handel so gut wie<br />
jeder andere Partner des jeweiligen Landes gestellt<br />
zu werden und keinerlei Nachteile in Eorm<br />
von Zöllen oder anderen Abgaben zu erleiden.<br />
Das Niederlassungsrecht war von Bedeutung,<br />
weil es verlässlichen Handel und ein stabiles<br />
Umfeld absicherte. Die Bewegungsfreiheit und<br />
das Aufenthaltsrecht der hanseatischen Kaufleute<br />
in Siam wurden so gestärkt, ebenso wie der<br />
Schutz des Eigentums und der Person. Zugleich<br />
unterstanden <strong>die</strong> Hanseaten damit der Jurisdiktion<br />
des für sie zuständigen Konsuls und es wur-<br />
81
-ti<br />
de verhindert, dass im Falle eines Konflikts ein<br />
nach damaligen deutschen Maßstäben eventuell<br />
nicht ausreichend entwickeltes Rechtssystem an<br />
hanseatischen Bürgern zur Anwendung kam.<br />
Trotzdem mussten sich <strong>die</strong> Kaufleute aber an<br />
<strong>die</strong> in Siam herrschenden Gesetze halten. Des<br />
Weiteren war im Zuge des Niederlassungsrechts<br />
auch das Recht verbucht, unter Berücksichtigung<br />
der geltenden Abgaben Vermögen zu erwirtschaften<br />
oder Besitz zu tauschen und zu veräußern.^^'<br />
Der Freundschafts-, Schifffahrts- und<br />
Handelsvertrag der Hansestädte mit dem Königreich<br />
Siam war eine Voraussetzung dafür, dass<br />
Adolph Markwald oder seine Nachfolger 1884<br />
in Bangkok eine Reismühle gründen konnten.<br />
Für den <strong>Reishandel</strong> bedeutete <strong>die</strong> Meistbegünstigungsklausel,<br />
<strong>die</strong> mit Abschluss des Handelsvertrages<br />
in Kraft trat, dass geschälter Reis, als<br />
Position 51 aufgeführt, mit einem Ausfuhrzoll<br />
von vier Ticals” -^je Pfund belegt war und unbearbeiteter<br />
Reis in Hülsen, Position 52, mit zwei<br />
Ticals je Pfund verzollt werden musste.^^^ In der<br />
Folge entwickelte sich der <strong>Reishandel</strong> Siams mit<br />
Deutschland langsam, aber stetig. 1865 gab es<br />
auf Grund von Spekulationen rasante Preissteigerungen,<br />
<strong>die</strong> zu einem Exportverbot führten.<br />
Auf der Grundlage des Vertrags von 1858 entwickelte<br />
sich dennoch der Handel mit Siamreis,<br />
der in Deutschland nach Birmareis an zweiter<br />
Stelle-stand.<br />
Die Handelsverträge der Hansestädte zielten darauf<br />
ab, nur den Interessen von Handel und<br />
Schifffahrt zu <strong>die</strong>nen und alles andere aus dem<br />
Vertragswerk herauszuhalten. Daher charakterisierte<br />
Prüser <strong>die</strong> Verträge als Wirtschaftsverträge.<br />
Dennoch wies er selber darauf hin, dass <strong>die</strong> Verträge<br />
in den Bereich des öffentlichen Rechts<br />
zählten. Zwei Vertragspartner schlossen eine<br />
Übereinkunft und da <strong>die</strong> Vertragspartner zwei<br />
Staaten waren, handelte es sich um ein Abkommen<br />
auf den rechtlichen Grundsätzen des Völkerrechts.Somit<br />
trugen Kaufleute wie der<br />
Hamburger Thies oder der spätere Reishändler<br />
Markwald dazu bei, globalen Handel nicht nur<br />
kommerziell, sondern auch politisch voranzutreiben.<br />
Ein weiteres Beispiel, wie aus Handelskontakten<br />
politische Abkommen entstanden, <strong>die</strong> von Kaufleuten<br />
ausgehandelt wurden, ist der Vertrag der<br />
Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck mit<br />
Sansibar. Obwohl <strong>die</strong> Protagonisten hier nicht<br />
Reishändler waren, sondern der Bremer Kapitän<br />
Rodatz sowie das Hamburger Handelshaus William<br />
O’Swald & Co. und <strong>die</strong> wichtigsten Handelsgüter<br />
statt Reis Kaurimuscheln und Nelken<br />
waren, lässt sich an <strong>die</strong>sem Vertrag verdeutlichen,<br />
wie stark Handelsmotive zu einer vielschichtigen<br />
Vernetzung der Welt ab <strong>1850</strong> beitrugen.<br />
1843 segelte der Bremer Kapitän Han.s<br />
Albert Rodatz um Afrika herum <strong>bis</strong> in das Rote<br />
Meer, um dort Handelsmöglichkeiten auszuloten.<br />
Er geriet jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten,<br />
<strong>die</strong> erst durch einen Kredit der Hamburger<br />
Firma William O’Swald & Co. gelöst werden<br />
konnten. Infolgedessen trat Rodatz in <strong>die</strong> Dienste<br />
der Hamburger Firma und segelte in den nächsten<br />
Jahren mehrfach in deren Auftrag nach Afrika.<br />
Für das Bremer Haus Droege & von Kapft<br />
war zudem seit 1847 ein früherer Steuermann<br />
von Rodatz, Eduard Heeren, im Handel mit Sansibar<br />
aktiv. Aus Bremen kam im Vorfeld der Reise<br />
schon 1846 der Anstoß, einen Vertrag mit<br />
dem Sultan von Sansibar zu schließen. Doch außer<br />
einer Versicherung des gegenseitigen Wohlwollens<br />
des Bremer Senats und des Sultans von<br />
Sansibar wurde keine Vereinbarung erreicht.<br />
1858 schließlich wurde von Hamburg aus, das<br />
im Handel mit Afrika stark engagiert war, ein<br />
neuer Anlauf für einen Handelsvertrag unternommen.<br />
Bremen beteiligte sich an den Kosten<br />
und Lübeck, das nur ein geringes Interesse an<br />
Sansibar hatte, erklärte sich bereit, wenigstens<br />
einen kleineren Anteil der Kosten für einen Vertrag<br />
zu übernehmen. William Henry O’Swald<br />
führte für <strong>die</strong> Hansestädte <strong>die</strong> Verhandlungen<br />
mit dem Ziel, den Status von meistbegünstigten<br />
Nationen zu erhalten. Geschenke im Wert von<br />
200 Dollar sowie ein Geschenk für den Sultan<br />
im Wert von über 1.500 Mark Banko sollten <strong>die</strong><br />
Verhandlungen beschleunigen und im August<br />
1860 konnten schließlich <strong>die</strong> Ratifikationsurkunden<br />
in Sansibar ausgetauscht werden.
Siam und Sansibar waren formal unabhängige<br />
Nationen, <strong>die</strong> mehr oder weniger unter europäischem<br />
Einfluss standen. Birma hingegen, der<br />
wichtigste Reisproduzent für <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie,<br />
war eine britische Kolonie. Das verursachte<br />
einige große Unterschiede, wenn es um<br />
<strong>die</strong> Errichtung von Konsulaten ging. Hatte sich<br />
<strong>die</strong> Senatskommission nach der Empfehlung der<br />
Handelskammer dafür entschlossen, einen Kandidaten<br />
zum Konsul in einer Stadt des britischen<br />
Kolonialreichs zu erklären, so wurde <strong>die</strong>ser davon<br />
in Kenntnis gesetzt und erhielt ein Duplikat<br />
des Patents sowie <strong>die</strong> Richtlinien für seine Tätigkeit.^^’<br />
Zudem erhielt er ein Revers, eine Verptlichtungserklärung,<br />
das er unterzeichnet zurücksenden<br />
musste, sobald <strong>die</strong> britische Regierung<br />
<strong>die</strong> Wahl des vom Senat benannten Konsuls<br />
bestätigt hatte. Für eben <strong>die</strong>se Bestätigung der<br />
britischen Regierung erhielt das Kolonialministerium<br />
in London vom bremischen Generalkonsul<br />
beziehungsweise Ministerresidenten ebendort<br />
das Originalpatent vorgelegt. Das Kolonialministerium<br />
zog daraufhin bei den Behörden am<br />
Wirkungsort des neuen Konsuls Erkundigungen<br />
über den Kandidaten ein und erteilte bei positivem<br />
Bescheid dem Kandidaten <strong>die</strong> Exequatur,<br />
<strong>die</strong> Erlaubnis zur konsularischen Funktion innerhalb<br />
des Konsularbezirks. Hatte der Konsul<br />
seine Beglaubigung im zuständigen örtlichen<br />
Gouvernement vorgelegt, wurde <strong>die</strong> Aufnahme<br />
der Amtsgeschäfte des neuen Konsuls in der örtlichen<br />
Presse und in Londoner Zeitungen verkündet.^^*<br />
ln Birma gab es von 1854 an mehrere bremische<br />
Konsuln. Der erste nahm in Oberbirma im Reishafen<br />
Akyab seine Aufgaben wahr. Dort war für<br />
sieben Jahre <strong>bis</strong> 1863 der Reishändler Carl<br />
Mohr^’®Konsul. Ihm folgte von 1865 <strong>bis</strong> 1868<br />
Emst Pandorf, ein Angestellter der Firma Mohr.<br />
Letzterer war bereits ein erfahrener Konsul, weil<br />
er 1860 <strong>bis</strong> 1864 bereits in Bassein in Niederbirma<br />
ein Konsulat geführt hatte.’“*“ Ab 1865 war<br />
in Bassein Johann Heinrich Bandow bremischer<br />
Konsul. Im wichtigsten Reishafen Birmas in<br />
Rangun war ab 1860 <strong>bis</strong> zur Gründung des Deut-<br />
.schen Reichs Johann Friedrich Wilhelm Niebuhr<br />
Konsul für Bremen sowie für Hamburg, Oldenburg<br />
und Preußen. Mit dem Eintritt Bremens in<br />
den Norddeutschen Bund wurde Pandorf in Akyab<br />
als Konsul abgelöst. Bandow und Niebuhr in<br />
Bassein und Rangun hingegen wurden in den<br />
Dienst des Norddeutschen Bundes übernommen.’“*<br />
In Singapur lag das Konsulat Bremens in den<br />
Händen des Handelshauses Behn, Meyer & Co.<br />
1840 wurde das Handelshaus in Singapur von<br />
Theodor August Behn und Lorenz Valentin Meyer<br />
gegründet. Nach dem Ende des Ersten Opiumkrieges<br />
1842 und der anschließenden zwangsweisen<br />
Öffnung chinesischer Häfen entwickelten<br />
sich Behn, Meyer & Co. zu den führenden China-<br />
und Asienkaufleuten Bremens. Neben einer<br />
Vielzahl von Produkten wie Manila-Hanf, Tabak,<br />
Pfeffer, Gewürzen, Tee und Manufakturwaren<br />
waren Behn, Meyer & Co. auch im <strong>Reishandel</strong><br />
und Reistransportgeschäft mit Birmareis befasst.’“*’<br />
1844—1853 war der Firmengründer Behn<br />
auch Konsul, ihm folgte Arnold Otto Meyer, der<br />
jüngere Bruder des anderen Gründers, nach. Ab<br />
1857 war dann der Teilhaber Johannes Mooyer<br />
Konsul, bevor nach vier Jahren von 1862 <strong>bis</strong><br />
1864 wiederum Meyer Konsul wurde. Damit<br />
übernahm in Singapur nicht nur eine bestimmte<br />
Berufsgruppe, sondern sogar ein einzelnes, wenn<br />
auch das bedeutendste, Handelshaus in fast dynastischer<br />
Weise <strong>die</strong> konsularische Vertretung<br />
bremischer beziehungsweise deutscher Handelsinteressen.<br />
Darüber hinaus war es ein Handelshaus,<br />
das nicht in erster Linie, aber durchaus bewusst<br />
im <strong>Reishandel</strong> aktiv war.<br />
Deutsche Gesellschaft und Bremer Reishändler<br />
in Birma<br />
Akyab war 1854 <strong>die</strong> erste Stadt in Birma, in der<br />
ein deutsches Konsulat eröffnet wurde. Dementsprechend<br />
muss es dort, am östlichen Rand des<br />
Golfs von Bengalen, auch <strong>die</strong> frühesten deutschen<br />
Handelsinteressen gegeben haben, <strong>die</strong> in<br />
der Folgezeit von Carl Mohr vertreten wurden.<br />
Bereits 1852 hatten dort 15 Schiffe aus Hamburg<br />
und Bremen Reis geladen.’“*’ Schon bald nach<br />
83
J iS<br />
Beginn der britischen Bemühungen, Birma wirtschaftlich<br />
zu entwickeln, wuchs Rangun zur bedeutendsten<br />
Stadt heran. Die Hafenstadt liegt<br />
deutlich südlicher als Akyab am östlichen Rand<br />
des Irrawaddydeltas und damit direkt am Golf<br />
von Martaban. Dieser begrenzt <strong>die</strong> Andamanensee,<br />
eben jenes Gewässer, zu dem Johann Wilhelm<br />
Helfer als erster <strong>Deutscher</strong> vorstieß und<br />
1839 durch den Giftpfeil eines Eingeborenen<br />
starb. Rangun wurde zum Zentrum der kolonialen<br />
Entwicklung Birmas, so wie es in früheren<br />
Jahren Moulmein und Akyab waren, bevor ganz<br />
Birma unter britische Herrschaft geriet. Entsprechend<br />
groß waren <strong>die</strong> ausländischen Einflüsse<br />
dort. Chamey schreibt:<br />
“Rangoon was a foreign city erected on<br />
Burmese soil. It was here to the exclusion of<br />
anywhere else save for a few hill stations,<br />
that Burmese life was thoroughly pushed to<br />
one side. In its imposing architecture, its physical<br />
arrangement, its landscaped gardens, its<br />
focus on the harbor and maritime trade, the<br />
ethnic division of its population, and in many<br />
other ways, Rangoon was a mimeograph of<br />
dozens of port cities scattered throughout<br />
colonial South and South East Asia. A person<br />
only had to squint to be confused as to where<br />
he or she was standing in Singapore, Penang,<br />
Calcutta, or elsewhere.”^"^<br />
Einige wenige Jahre nach der britischen Machtübernahme<br />
blieb Rangun noch eine kleine Stadt<br />
mit moderatem Wachstum. 1862 aber, als Rangun<br />
britisches Verwaltungszentrum für ganz Birma<br />
wurde, setzte eine rasche Entwicklung ein.<br />
“[Rangoon] became not so much a melting pot<br />
as a pressure cooker, where Burmese witnessed<br />
both the positive and, mostly, the negative consequences<br />
[...] of the growing colonial economy<br />
and foreign rule.”^“^ Europäer waren nur eine<br />
von vielen Gruppen von Einwanderern, doch sie<br />
waren von besonderer Bedeutung, da sie das<br />
wirtschaftliche Leben stark prägten. Viele der<br />
englischen Firmen und damit eben auch der Europäer<br />
in Birma kamen zugleich mit den indischen<br />
Arbeitsmigranten nach Birma und waren<br />
zuvor schon in In<strong>die</strong>n aktiv gewesen.^'*^ Da <strong>die</strong><br />
84<br />
Europäer in kürzester Zeit den Reisexport dominierten,<br />
hatten sie eine große Bedeutung für<br />
das wirtschaftliche Leben in Birma.<br />
Nach den Engländern waren <strong>die</strong> Deutschen <strong>die</strong><br />
größte europäische Bevölkerungsgruppe in Birma.<br />
Den ersten Entdeckern wie Johann Wilhelm<br />
Helfer und ökonomischen Pionieren wie Carl<br />
Mohr folgten in den frühen 1860er Jahren eine<br />
ganze Reihe junger deutscher Händler nach Birma.<br />
Allein in Rangun hielten sich etwa 20 Bremer,<br />
zumeist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren<br />
auf.^'*’ Da Reis der einzige bedeutende Exportartikel<br />
Birmas war, dürften <strong>die</strong> Deutschen vor<br />
allem Reishändler gewesen sein. Über <strong>die</strong> europäische<br />
Gesellschaft und <strong>die</strong> deutschen Kaufleute<br />
in Rangun schrieb Singer: “Among the<br />
European mercantile community, there were a<br />
number of Germans, who for a few decades,<br />
were to compete successfully with the British.”^<br />
1867 gründeten <strong>die</strong> deutschen Kaufleute in Rangun<br />
sogar einen Deutschen Club, der in einem<br />
markanten Holzgebäude resi<strong>die</strong>rte, welches<br />
wirkte, als ob es aus dem Rheintal in <strong>die</strong> asiatische<br />
Hafenstadt verpflanzt worden wäre. Damit<br />
trugen auch <strong>die</strong> Deutschen in Birma zu der von<br />
Charney beschriebenen imposanten, fremdländischen<br />
Architektur Ranguns bei. Ein Grund für<br />
den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Reishändler<br />
soll ihre kulturelle Aufgeschlossenheit<br />
gewesen sein. Die englischen Reishändler hatten<br />
wenig Interesse an der einheimischen Kultur und<br />
Sprache. Sie waren zumeist in früheren Jahren<br />
in In<strong>die</strong>n wirtschaftlich aktiv gewesen und arbeiteten<br />
in den Mühlen Ranguns lieber mit indischen<br />
Arbeitskolonnen zusammen. Wo das Englische<br />
nicht Handelssprache war, wurde Hindi<br />
gesprochen. Von den Deutschen hingegen nahmen<br />
es einige auf sich, <strong>die</strong> Landessprache zu<br />
lernen. So konnten sie bei geschäftlichen Verhandlungen<br />
leichter das Wohlwollen der lokalen<br />
Händler erhalten.<br />
Gary Magee und Andrew Thompson veröffentlichten<br />
2010 eine Untersuchung, <strong>die</strong> ausführlich<br />
Netzwerke von Kapital, Gütern und besonders<br />
von Engländern im englischen Empire im Zusammenhang<br />
mit der Globalisierung analysiert.
Die Arbeit hebt sich dadurch von der Vielzahl<br />
an Globalisierungsliteratur ab, dass ein kultureller<br />
Ansatz gewählt wurde und dass statt institutioneller<br />
und politischer Strukturen persönliche<br />
Kontakte und Netzwerke in den Blick genommen<br />
wurden. Für <strong>die</strong> Geschichte des britischen<br />
Empire lieferten <strong>die</strong> Autoren mit „ihrer an Perspektive<br />
reichen und begrifflich scharf umrissenen<br />
Stu<strong>die</strong> [...] den oft geschichtsleeren Debatten<br />
über <strong>die</strong> Globalisierung den nötigen Tiefgang“.D<br />
a rü b e r hinaus legten sie einen<br />
Interpretationsansatz vor, der sich in manchen<br />
Bereichen auch auf <strong>die</strong> Geschichte der deutschen<br />
Reishändler in Birma übertragen lässt.<br />
Persönliche Netzwerke in Übersee übernahmen<br />
mangels fest verankerter politischer Institutionen<br />
und Abläufe eine wichtige Schlüsselfunktion im<br />
wirtschaftlichen Leben. Kaufleute und Reisverschiffer<br />
sahen sich einer Vielzahl schwer abschätzbarer<br />
wirtschaftlicher Risiken ausgesetzt:<br />
„the risks of dealing with strangers were high,<br />
whereas those whom you knew were felt more<br />
likely to be trustworthy. Co-ethnic and co-religious<br />
networks, therefore, offered a relatively<br />
secure way of expanding the scope of economic<br />
activity.”^^' Es galt zwar trotzdem, dass alle Käufer<br />
und Verkäufer, Verschiffer und Logistiker<br />
nach dem besten wirtschaftlichen Ergebnis strebten<br />
und den Proflt über persönliche Kontakte<br />
stellten. Auf den globalen Märkten, auch dem<br />
weltweiten Reismarkt, gab es aber deutliche<br />
Grenzen. Zum einen wurden Unterschiede in<br />
der Kultur der Menschen, in den Ethnien und<br />
der Religion nicht einfach überschritten, zum<br />
anderen waren der Zugang zu marktrelevanten<br />
Informationen und der Fluss an Informationen<br />
oft mühsam, langwierig und begrenzt. Drittens<br />
wurden durch politische Entscheidungen und<br />
wie beispielsweise <strong>die</strong> Festsetzung von Zöllen<br />
dem weltweiten Handel auch im 19. Jahrhundert<br />
regelmäßig Schranken auferlegt. Politische Partizipation,<br />
und besonders das wirtschaftliche<br />
Handeln in einem begrenzten Personennetzwerk<br />
gleicher Nationalität, Ethnie und Religion reduzierten<br />
<strong>die</strong> gerade aufgeführten Beschränkungen<br />
des globalen Handels. Zudem führte eine zunehmende<br />
räumliche Verteilung von Kaufleuten<br />
- beispielsweise waren deutsche Reishändler<br />
nicht nur in Birma, sondern auch in Siam und in<br />
Singapur aktiv - dazu, dass ein immer dichteres<br />
und damit besseres Kommunikationsnetz entstand.^^^<br />
Was aber bedeutet Netzwerk im Detail? Magee<br />
und Thompson problematisierten den Netzwerkbegriff<br />
in ihrer Stu<strong>die</strong>, um ihn als präzisierten<br />
Begriff zur historischen Analyse verwenden zu<br />
können. Demnach ist eine <strong>zentrale</strong> Kategorie<br />
von persönlichen Netzwerken das ihnen innewohnende<br />
soziale Kapital, was im Einzelnen soziales<br />
Wissen, soziale Fähigkeiten und besonders<br />
Verhaltensweisen meint. Die Ausformung des<br />
sozialen Kapitals kann je nach Art als „bonding,<br />
bridging“ und „linking social capital“ bezeichnet<br />
werden. Anbindendes (bonding) Sozialkapital<br />
ist beispielsweise eine gemeinsame Religion<br />
oder Ethnie. Eine Gruppe verschiedener Menschen<br />
wird durch <strong>die</strong> Gemeinsamkeit miteinander<br />
verbunden. Ein überbrückendes (bridging)<br />
Sozialkapital ist eine Eigenschaft oder Fähigkeit,<br />
<strong>die</strong> zwischen verschiedenen Gruppen eine Gemeinsamkeit<br />
schafft. Das mag für Gruppen verschiedener<br />
Nationalitäten gelten, wenn sie beispielsweise<br />
beide gemeinsam auf einem fremden<br />
Markt wirtschaften. Verbindendes (linking) Sozialkapital<br />
bringt Personen mit unterschiedlichem<br />
Status und Wohlstand zusammen. Die<br />
Summe der sozialen Fähigkeiten und des Kapitals<br />
jedes Einzelnen bestimmt dann das Sozialkapital<br />
der in einem Netzwerk verbundenen<br />
Menschen. Darüber hinaus ist jedoch immer zu<br />
fragen, inwieweit der Einzelne sich das Sozialkapital<br />
des gesamten Netzwerks ökonomisch<br />
wirklich nutzbar machen kann. Eine entscheidende<br />
Kategorie dafür, so Magee und Thompson,<br />
ist <strong>die</strong> Eähigkeit zur Kommunikation in einem<br />
Netzwerk. Dabei ist fatal, dass innerhalb der<br />
Netzwerke Kommunikation oft sehr gut ist,<br />
Kommunikation zwischen dem Netzwerk und<br />
seiner Umwelt jedoch durch Abschottungstendenzen<br />
auch stark beeinträchtigt werden kann.<br />
Diese Abschottung bringt ein hohes Maß an Vertrauen<br />
zwischen den Akteuren eines Netzwerks,<br />
85
weil sie sich in einem überschaubaren, bekannten<br />
und berechenbaren iCreis mit gleichen Verhaltensmustern<br />
bewegen. Das gilt besonders, wenn<br />
<strong>die</strong> Netzwerke fern der Heimat in fremden Ländern<br />
mit anderen Kulturen und Sprachen aufgebaut<br />
werden. Hieraus leiten Magee und Thompson<br />
<strong>die</strong> zweite und <strong>zentrale</strong> These ihrer Stu<strong>die</strong><br />
ab:<br />
“We argue that networks had a profound effect<br />
on how economic knowledge was created,<br />
disseminated and consumed across the British<br />
World, and that they provide the basis for cooperative,<br />
collaborative and, crucially, remunerative<br />
forms of economic exchange. Yet to<br />
benefit from these connections, one needed<br />
access to them. Given the basis of most of<br />
the networks in question, many of which were<br />
formed as a result of migration, the extent to<br />
which one could achieve access to them was,<br />
in some respects, a proxy of ‘Britishness’.<br />
Netzwerke, <strong>die</strong> auf sozialen Kategorien wie Vertrauen,<br />
Gegenseitigkeit, Verlässlichkeit und moralischer<br />
Verpflichtung beruhen, hatten in der<br />
kolonialen Welt des 19. Jahrhunderts eine besondere<br />
Bedeutung für den wirtschaftlichen Austausch.^^“<br />
Netzwerke, deren Erfolg auf persönlichen Kontakten<br />
und sozialem Kapital, besonders auf gegenseitigem<br />
Vertrauen beruhte, hatten auch <strong>die</strong><br />
deutschen Reishändler in Birma. Um in den Definitionen<br />
nach Magee und Thompson zu bleiben,<br />
bildeten <strong>die</strong> deutschen Reishändler dadurch,<br />
dass sie sich kulturell den Birmanern zum Beispiel<br />
in ihrer Sprache annäherten, ein „linking<br />
capital“, welches ihre ökonomischen Möglichkeiten<br />
vergrößerte. Wenn <strong>die</strong> deutschen Reiskaufleute<br />
jedoch mit den Engländern auf dem<br />
asiatischen Reismarkt konkurrierten, so war eben<br />
<strong>die</strong>ses gleichzeitige Interesse an der Reiswirtschaft<br />
auch ein „bridging capital“, das <strong>die</strong> beiden<br />
verschiedenen Nationalgruppen europäischer<br />
Kaufleute miteinander verband. Zudem näherten<br />
sich Engländer und Deutsche ln Rangun in den<br />
1860er Jahren sicher schon dadurch an, dass beide<br />
kulturell ähnlich geprägten Gruppen eine<br />
Minderheit in der Fremde bildeten. In <strong>die</strong>sem<br />
Fall wäre das Gemeinsame ein „bonding capital“.<br />
Wenn der kleine Angestellte mit dem erfolgreichen<br />
Großkaufmann eine Interessensphäre<br />
teilte, weil beide Europäer waren, kam jedoch<br />
auch wieder ein „linking capital“ zum Tragen.<br />
Je nach Wettbewerbssituation dürften sich <strong>die</strong><br />
verschiedenen Kontaktmuster zwischen den<br />
Deutschen in Birma und der einheimischen Bevölkerung<br />
sowie den weiteren konkurrierenden<br />
europäischen Kaufleuten abgelöst und überlagert<br />
haben.<br />
Die Gründung eines deutschen Clubs unterstreicht,<br />
wie wichtig der deutschen Minderheit<br />
in Rangun <strong>die</strong> Etablierung eines geschlossenen<br />
Zirkels war, in dem man sich auf <strong>die</strong> eigene Kultur<br />
und Nationalität bezog. Nicht zuletzt der Bau<br />
eines Clubhauses in einem deutschen Architekturstil<br />
statt in der örtlichen Baurichtung war ein<br />
Alleinstellungs- und Identifikationsmerkmal. Einer<br />
der dort verkehrenden Deutschen dürfte mit<br />
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der<br />
Bremer Carl Mohr gewesen sein. Globale Wirtschaftserfahrungen,<br />
<strong>die</strong> besprochenen Gegebenheiten<br />
des Konsulatswesens und persönliche<br />
Kontakte im Leben eines deutschen Reishändlers<br />
in Birma Mitte des 19. Jahrhunderts waren Voraussetzungen<br />
für nachhaltigen Erfolg.<br />
Die Bremische Biographie berichtet über einen<br />
Nikolaus Karl Eduard Mohr, Sohn des Kaufmanns<br />
Nikolaus Mohr, am 19. Februar 1828 in<br />
Bremen geboren. Dass der Name des Vaters dem<br />
eignen Rufnamen vorangestellt ist und Carl einmal<br />
mit C und ein anderes Mal mit К geschrieben<br />
wurde, ist auf Grund der im 19. Jahrhundert<br />
nicht immer stringenten Orthographie kein Ausschluss<br />
der Möglichkeit, dass der von Krüger<br />
benannte Bremer Konsul Carl Mohr und der von<br />
der Bremischen Biographie gelistete Nikolaus<br />
Karl Mohr ein und derselbe Carl Mohr waren.<br />
Des Weiteren könnte Nikolaus Carl Mohr aber<br />
auch der Bruder des Bremer Konsuls gewesen<br />
sein, wovon hier im Weiteren ausgegangen wird.<br />
Nikolaus Carl Mohr verließ nach einer kaufmännischen<br />
Ausbildung 1848 Bremen in Richtung<br />
Baltimore mit dem Ziel, in Havanna bei einem<br />
Kaufmann zu arbeiten. Auf Grund des Goldrau<br />
86
sches in Kalifornien kam es dazu jedoch nicht,<br />
denn Mohr umrundete Kap Hoorn, landete in<br />
San Francisco und arbeitete ab 1849 in den dortigen<br />
Goldminen. 1851 wurde Mohr im wahrsten<br />
Sinne des Wortes zum Weltenbummler. Er schiffte<br />
sich für eine Südseereise ein, <strong>die</strong> ihn nach<br />
Honolulu und nördlich <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> Beringstraße<br />
führte. 1852-54 arbeitete Mohr in Südkalifornien<br />
als Salzkaufmann, bevor er 1855 nach Akyab in<br />
Birma ging. Dort arbeitete er für mehrere Jahre<br />
in einer von seinem Bruder, dem Konsul Carl<br />
Mohr, gegründeten Reisfirma mit ordentlichem<br />
geschäftlichen Erfolg. 1863 verließ Nikolaus<br />
Karl Eduard Mohr Birma und ging zurück nach<br />
Bremen. In den Folgejahren erwarb er Navigationskenntnisse<br />
und nahm an mehreren Afrika-<br />
Expeditionen teil. In den 1870er Jahren verarmte<br />
er und nahm sich auf seiner letzten Expedition<br />
nach Angola unter Depressionen leidend das Leben.^^^<br />
Unter der Annahme, dass <strong>die</strong> Angabe Krügers<br />
korrekt ist und Carl Mohr bereits 1854 in Akyab<br />
zum Konsul wurde, kann es sich bei dem Konsul<br />
nur um den Bruder des beschriebenen Nikolaus<br />
Mohr handeln. Sollte Krüger sich jedoch um ein<br />
Jahr vertan haben, ist trotzdem kaum davon auszugehen,<br />
dass Nikolaus Karl Mohr sofort nach<br />
seiner Ankunft zum Konsul ernannt wurde.<br />
Schließlich brauchte der Antrag für einen Konsulatsposten<br />
einige Monate, um Bremen zu erreichen,<br />
und für den Weg zurück galt dasselbe.<br />
Zudem hätte ein Neuling in Akyab kaum <strong>die</strong> nötigen<br />
Kenntnisse des örtlichen Marktes und <strong>die</strong><br />
notwendigen Leumundsbezeugungen beibringen<br />
können. Nach Krüger fällt <strong>die</strong> Rückkehr des<br />
Konsuls nach Europa auf den gleichen Zeitpunkt,<br />
wie es für Nikolaus Karl Eduard Mohr in der<br />
Bremischen Biographie angegeben wird, auf das<br />
Jahr 1863.^’®Somit hätten <strong>die</strong> Brüder Mohr Birma<br />
zeitgleich verlassen. Nimmt man <strong>die</strong> Angaben<br />
Siok-Hwas dazu, demnach <strong>die</strong> Firma Mohr<br />
Brothers bereits 1837 in Akyab gegründet wurde,<br />
ist davon auszugehen, dass der Firmengründer<br />
und Konsul Carl Mohr war, während Nikolaus<br />
Karl Eduard Mohr 1855 in das Geschäft eintrat<br />
und Teilhaber in der Zeit geschäftlicher Expansion<br />
war, als 1858 eine Niederlassung in Bassein<br />
und 1859 Niederlassungen in Moulmein und<br />
Rangun gegründet wurden.Leider lässt sich<br />
<strong>die</strong> Familiengesehichte der Brüder Mohr heute<br />
nicht mehr eindeutiger nachzeichnen.<br />
Äußerst wichtig ist dennoch der Hinweis auf<br />
den geschäftlichen Erfolg der Brüder Mohr im<br />
<strong>Reishandel</strong>. Diese würde nahe legen, warum -<br />
unter der Annahme, dass Carl Mohr der Bruder<br />
des Nikolaus Karl Mohr war - Carl Mohr Konsul<br />
in Akyab wurde. Unter den ersten deutschen<br />
Kaufleuten im damals noch wichtigsten Reishafen<br />
Akyab schien geschäftlicher Erfolg ihn zu<br />
prädestinieren. Zumal in der patriarchisch und<br />
zugleich freihändlerisch geprägten Gesellschaft<br />
Bremens Mitte des 19. Jahrhunderts geschäftlieher<br />
Erfolg im Selbstverständnis der kaufmännischen<br />
Elite einen politischen Führungsanspruch<br />
begründete.^^* Als einer der Pioniere im<br />
asiatischen Reisgeschäft und zudem dortselbst<br />
erfolgreich dürfte Carl Mohr eine logisch scheinende<br />
Wahl für das Bremer Ehrenamt des Konsuls<br />
gewesen sein. Neben der Vernetzung mit<br />
den deutsehen Kaufleuten und lokalen Behörden,<br />
<strong>die</strong> in Konsequenz der konsularischen Aufgaben<br />
Mohrs gar nicht ausbleiben konnten, war Mohr<br />
offenbar ebenso mit dem englischen Reismarkt<br />
in London und Liverpool in engem Kontakt.<br />
Denn unter dem Namen Mohr Brothers & Co.<br />
betrieb er sein Geschäft als deutscher Reiskaufmann<br />
lieber unter einem englischen als unter einem<br />
deutschen Namen.Mangelnder Patriotismus<br />
darf deswegen aber nicht unterstellt werden.<br />
Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass 1854 in<br />
Deutschland <strong>bis</strong> auf <strong>die</strong> Mühle in Flensburg noch<br />
keine industrielle Reisverarbeitung stattfand, ln<br />
London und Liverpool hingegen gab es Mühlen<br />
auf Grund der früheren Verbindungen mit den<br />
amerikanischen Reisanbaugebieten, <strong>die</strong> Reis aus<br />
Birma gerne annahmen. Für das Geschäft mit<br />
englischen Partnern dürfte ein englischer Firmenname<br />
von Vorteil gewesen sein. Wie erfolgreich<br />
Carl Mohr als Reiskaufmann war, zeigt<br />
sich an zwei weiteren Punkten. Einerseits wurde<br />
sein Nachfolger im Amt des Konsuls von 1865-<br />
1868, Ernst Sandorf, aus den Reihen seiner An-<br />
87
gestellten gewählt. Die Firma muss nach wie<br />
vor ein wirtschaftlich hohes Ansehen bei der<br />
Bremer Handelskammer und beim dortigen Senat<br />
gehabt haben. Andererseits belegt eine Liste<br />
eingehender Reisschiffe im Hafen von Liverpool<br />
in den 22 Jahren von 1876 <strong>bis</strong> 1898, dass 161<br />
Reisschiffe im Auftrag von Mohr Brothers &<br />
Co. dort ankamen. Mit durchschnittlich über sieben<br />
Schiffen pro Jahr waren Mohr Brothers &<br />
Co. in <strong>die</strong>sem Zeitraum der drittgrößte Reisverschiffer<br />
im Zentrum der englischen Reisindustrie.<br />
Nach den Engländern waren <strong>die</strong> Deutschen<br />
<strong>die</strong> Nation, <strong>die</strong> <strong>die</strong> zweitgrößte europäische Minderheit<br />
in Birma stellte. Ein großer Teil des <strong>Reishandel</strong>s<br />
wurde durch deutsche Spediteure abgewickelt.<br />
Unter den in Liverpool verzeichneten<br />
16 Reisverschiffern waren 9 mit deutschem Namen<br />
oder deutschen Gründern.^*“<br />
6. Transportwesen und Kommunikation<br />
Abläufe und Neuerungen im Transportwesen<br />
Mit einer Pferdestärke aus einem Dampfzylinder<br />
mit etwa 20 Zentimetern begann 1775 <strong>die</strong> Geschichte<br />
der bewegten Dampfschifffahrt. Der<br />
Franzose J. C. Perrier setzte mit <strong>die</strong>ser Kraft<br />
zwei beidseitig an einem kleinen Boot angebrachte<br />
Räder in Bewegung. Obwohl <strong>die</strong> Kraft<br />
nicht ausreichte, um das Boot gegen den Strom<br />
der Seine zu bewegen, war es der Beginn einer<br />
Entwicklung, <strong>die</strong> in nur 100 Jahren <strong>die</strong> Schifffahrt<br />
und <strong>die</strong> weltweite Mobilität von Menschen<br />
sowie von Waren revolutionierte.<br />
Technische Neuerungen revolutionieren <strong>die</strong><br />
Schiffahrt<br />
1783 gelang in Frankreich erstmals <strong>die</strong> Fahrt eines<br />
dampfgetriebenen Schiffes stromauf. Wenige<br />
Jahre später erreichte ein erstes Dampfschiff in<br />
Nordamerika auf dem Delaware im August 1787<br />
immerhin eine Geschwindigkeit von drei Knoten.<br />
Und 1788 beförderte ein Schiff desselben<br />
Ingenieurs, Fitch, schon 30 Passagiere über eine<br />
Entfernung von 20 Meilen mit 5,5 Knoten. Weitere<br />
erfolgreiche Versuche in der Dampfschifffahrt<br />
gab es in den 1780er Jahren in England<br />
und schließlich wurde ebendort der erste Dampfer<br />
für wirtschaftliche Zwecke gebaut. Mit dem<br />
Auftrag, Treidelpferde zu ersetzen, wurde ein<br />
hölzerner Schlepper mit einer Kraft von nominal<br />
zehn PS gebaut. Im März 1802 zog der Schlepper<br />
in sechs Stunden zwei beladene Schiffe mit einem<br />
Gewicht von je 70 Tonnen über eine Entfernung<br />
von 19,5 Meilen.<br />
Im 19. Jahrhundert gab es zunehmend erfolgreiche<br />
Einsätze von Dampfbooten und Dampfschiffen.<br />
Vor allem in der Binnenschifffahrt und<br />
besonders in Nordamerika wurde <strong>die</strong> Dampfschifffahrt<br />
getestet und auch praktisch im Transportgeschäft<br />
eingesetzt. Bald jedoch zeigten sich<br />
verschiedene Probleme, welche <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
von Dampfschiffen vorerst begrenzten.<br />
Die Dampfmaschinen beanspruchten <strong>die</strong> Rümpfe<br />
der Boote sehr stark, so dass es einen erhöhten<br />
Reparaturbedarf gab, was <strong>die</strong> Betriebskosten vergrößerte.<br />
Seit etwa 1831 wurden daher bei Werftaufenthalten<br />
Eisenverstrebungen in hölzerne<br />
Rümpfe gesetzt, um sie verwindungssteifer zu<br />
machen. Insgesamt zeigte sich, dass dem Ausbau<br />
der Schifffahrt durch hölzerne Rümpfe Grenzen<br />
gesetzt waren. Holzrümpfe konnten nicht länger<br />
als 90 Meter gebaut werden und ein hölzernes<br />
Schiff war etwa viermal schwerer als ein eisernes<br />
Schiff. Letzteres konnte also bei gleicher Antriebsleistung<br />
und Fahrgeschwindigkeit viermal<br />
so viel Ladung transportieren.^“ Der Einsatz von<br />
Eisenschiffen versprach deutlich höhere Gewinne<br />
für <strong>die</strong> Reeder.<br />
In der Binnenschifffahrt war <strong>die</strong> Entwicklung<br />
zu Eisenschiffen zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
abgeschlossen und durch den Einsatz von<br />
Dampfschleppern, beispielsweise auf dem<br />
Rhein, hatten sich Dampfer im regionalen beziehungsweise<br />
im nationalen Güterverkehr etabliert.^“<br />
Im Gütertransport zu Wasser machte sich<br />
positiv bemerkbar, dass der Energieverbrauch in<br />
der Binnenschifffahrt niedriger war als bei der<br />
Eisenbahn. Anders formuliert konnte „<strong>die</strong> gleiche<br />
Einheit Kraft auf dem Wasser mehr Fracht ziehen<br />
[...] als auf der Schiene“. Dadurch war <strong>die</strong> Bin
nenschifffahrt bei „schweren Gütern wie Kohle<br />
und Koks, Eisen und Stahl, Petroleum, Bauholz<br />
und Zucker“ - auf der Weser und dem Rhein<br />
auch bei Reis - konkurrenzfähig und von Bedeutung.^^<br />
ln der Überseeschifffahrt dauerte es länger, <strong>bis</strong><br />
Eisenschiffe Holzschiffe verdrängt hatten und<br />
Dampfer Segelschiffe im wirtschaftlichen Nutzen<br />
schlussendlich überholten. Die erste Atlantiküberquerung<br />
mit der Hilfe von Dampfkraft<br />
gelang 1819 der S avannah. Dabei handelte es<br />
sich jedoch nicht um einen Dampfer, sondern<br />
um ein Segelschiff mit einem Hilfsantrieb, wie<br />
es in den ersten Jahrzehnten der Hochseeschifffahrt<br />
üblich war. Auf der 27-tägigen Überfahrt<br />
lief <strong>die</strong> Dampfmaschine insgesamt nur 85 Stunden.<br />
Die zum Vortrieb genutzte Dampfkraft wurde<br />
über ein Schaufelrad, zumeist beidseitig des<br />
Schiffes, in das Wasser gebracht. Auf offener<br />
See führte <strong>die</strong> Krängung der Schiffe durch den<br />
Wind dazu, dass häufig nur eines der beiden<br />
Schaufelräder im Wasser war. Die Kraft am anderen<br />
Schaufelrad konnte nicht für den Vortrieb<br />
genutzt werden. Außerdem wurden <strong>die</strong> Schaufeln<br />
des Öfteren durch besonders starke Wellen beschädigt.<br />
Ferner ist <strong>die</strong> Energieausnutzung eines<br />
Schaufelraddampfers relativ schlecht, da nur <strong>die</strong><br />
Schaufeln, <strong>die</strong> gerade senkrecht im Wasser stehen,<br />
hundertprozentig zum Vortrieb beitragen.^*^<br />
1838 war <strong>die</strong> Entwicklung der Schiffsschrauben<br />
so weit, dass dem Schraubendampfer R o b e r t F.<br />
Sto ckto n mit einer Besatzung von fünf Mann<br />
in 40 Tagen eine Atlantiküberquerang von England<br />
nach Amerika gelang. 1849 schließlich legte<br />
<strong>die</strong> britische Marine das erste Schiff auf Stapel,<br />
das von Beginn an mit einer Schraube statt einer<br />
Schaufel zum Antrieb konstruiert war.^“<br />
Ein weiteres großes Verbesserungspotential ergab<br />
sich bei den Dampfmaschinen. Diese arbeiteten<br />
anfangs mit kupfernen, später dann mit eisernen<br />
Kesseln, <strong>die</strong> im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />
immer höhere Drücke zuließen. Zudem<br />
wurde der Wirkungsgrad der Maschinen kontinuierlich<br />
gesteigert. Der erzeugte Dampf wurde<br />
besser genutzt, beziehungsweise für <strong>die</strong> gleiche<br />
Kraft musste weniger Wärme, also auch weniger<br />
Brennstoff, aufgewendet werden. Eine erste sogenannte<br />
Verbundmaschine wurde 1830 von einem<br />
Niederländer eingesetzt. Verbundmaschinen<br />
nutzten den Dampf doppelt aus, indem sie ihn<br />
auf zwei Zylinder verteilten. Der heiße Dampf,<br />
der einen hohen Druck erzeugte, wurde in einem<br />
ersten Zylinder nutzbar gemacht. Danach wurde<br />
der schon abgekühlte Dampf in einen zweiten<br />
Niederdruckzylinder geleitet und ein weiteres<br />
Mal für den Antrieb verwendet, bevor er wieder<br />
in den Kondensator geleitet wurde. Flächendeckend<br />
wurde <strong>die</strong>se Antriebsart allerdings erst 30<br />
Jahre später, etwa ab 1860 angewandt, nachdem<br />
es einige Verbesserungen durch den Engländer<br />
John Eider gab. Zwanzig Jahre später, um 1880,<br />
gab es dann in der technischen Entwicklung den<br />
nächsten großen Schritt. Dreifach-Expansionsmaschinen<br />
hatten drei hintereinander geschaltete<br />
Zylinder, <strong>die</strong> über ihre unterschiedlichen Abmessungen<br />
den Dampf optimal zur Kolbenbewegung<br />
nutzten. Mit einem höheren Eintrittsdruck<br />
in der ersten Stufe, einer größeren zweiten<br />
Stufe und der dritten Stufe, bei der zwei Kolben<br />
zum Einsatz kamen, um den Durchmesser nicht<br />
zu groß bauen zu müssen, wurde <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
wiederum deutlich erhöht.^*^<br />
Der hohe Kohleverbrauch war eines der größten<br />
Hindernisse bei der Etablierung von Dampfern<br />
in der Überseeschifffahrt. Anklang fand <strong>die</strong>s bereits<br />
bei der Erwähnung des Johann Helfer, dessen<br />
Auftrag der East India Company 1837 lautete,<br />
in Birma Kohleflöze zu finden, um ebendort<br />
eine Bunkerstation für den Schiffsweg nach China<br />
einzurichten. Je höher der Kohlebedarf eines<br />
Schiffes war, desto mehr Heizer wurden benötigt,<br />
desto mehr Stauraum, der nicht zum Warentransport<br />
verwendet wurde, war mit Kohlen belegt<br />
und desto geringer wurde <strong>die</strong> Nutzlast der Schiffe.<br />
Der Kohleverbrauch je PS-Stunde sank zwischen<br />
<strong>1850</strong> und 1900 von 2,2 auf 0,5 Kilogramm<br />
und reduzierte <strong>die</strong> Bedeutung der zuvor genannten<br />
Schwierigkeiten deutlich. Große Verbesserungen<br />
gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
zugleich bei dem Eigengewicht der<br />
Antriebsmaschinen. Das Gewicht der Antriebsmaschinen<br />
der ersten Passagierdampfer der bri-<br />
89
tischen Cunard-Linie 1840 lag bei 660 Kilogramm<br />
je PS. Um 1900 lag das Maschinengewicht<br />
je PS nur noch bei 70 Kilogramm.^®* Der<br />
technologische Vorsprung Englands im Schiffbau<br />
zeigte sich auch in der britischen bCriegsmarine.<br />
1861 wurde das erste Kriegsschiff mit eisernem<br />
Rumpf in Dienst gestellt und <strong>die</strong> HMS I n f l e x i<br />
b l e war 1881 der Prototyp eines modernen<br />
Schlachtschiffs, weil sie ohne jede Hilfsbesegelung<br />
auskam. Die britische Handelsmarine wiederum<br />
stellte ein Drittel der weltweiten Tonnage<br />
und transportierte damit etwa <strong>die</strong> Hälfte des weltweiten<br />
Frachtverkehrs auf See.^®^<br />
Die Innovationen von Eisenrumpf und Schiffsschraube<br />
und deren technischen Entwicklungen<br />
sowie <strong>die</strong> Verbesserungen der Antriebsmaschinen<br />
ermöglichten den rasanten Anstieg des globalen<br />
Waren- und Personenverkehrs in der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Trotz zunehmender<br />
Dampfschifffahrt waren Segelschiffe über eine<br />
gewisse Zeit, auf bestimmten Routen und in einzelnen<br />
Bereichen - unter anderem beim Transport<br />
von Reis - aber durchaus noch konkurrenzfähig.<br />
Denn technische Verbesserungen zur Steigerung<br />
der Rentabilität gab es auch bei den<br />
Segelschiffen.<br />
Die beschriebenen Gewichtsvorteile von eisernen<br />
Rümpfen galten natürlich auch für Segelschiffe.<br />
Das erste deutsche Segelschiff mit einem eisernen<br />
Rumpf war 1858 <strong>die</strong> D e u t s c h l a n d der<br />
Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-<br />
Gesellschafri. ln Deutschland baute <strong>bis</strong> 1870<br />
nur <strong>die</strong> Reiherstiegwerft in Hamburg Eisensegler.<br />
Nach 1908 war es nur noch <strong>die</strong> seit 1880 damit<br />
befasste Hamburger Werft Blohm & Voss. Dazwischen<br />
gab es aber eine Hochphase im deutschen<br />
Segelschiffbau, der in <strong>die</strong>ser Zeit zu den<br />
weltweit führenden der Branche gehörte. Die<br />
Rickmers-Werft baute seit 1894 Stahlsegler. Am<br />
berühmtesten war <strong>die</strong> Werft Tecklenborg in<br />
Geestemünde, <strong>die</strong> mit der Fünfmastbark P o to sí<br />
und dem Fünfmastvollschiff P r e u s s e n <strong>die</strong> zu<br />
den größten Seglern der Welt gehörenden Schiffe<br />
fertigte.<br />
Die Frachtsegler nutzten gegen Ende des 19.<br />
Jahrhunderts Stahldrähte statt Hanfseilen, was<br />
<strong>die</strong> Haltbarkeit erhöhte. Die Be<strong>die</strong>nung der Takelagen<br />
wurde durch neuartige Winden, wie zum<br />
Beispiel <strong>die</strong> Jarvis-Brasswinde zum horizontalen<br />
Drehen der Rahen um <strong>die</strong> Mastachsen, erleichtert.<br />
Das erhöhte <strong>die</strong> Sicherheit auf den Schiffen<br />
und senkte <strong>die</strong> Betriebskosten, da weniger Personal<br />
benötigt wurde. Darüber hinaus wurden<br />
<strong>die</strong> Rümpfe nun nicht nur aus dem geeigneteren<br />
Material gebaut, sondern auch in neuen Formen.<br />
Statt mit Raumträgern wurden neue Rümpfe mit<br />
Rahmenspanten gebaut. Das brachte <strong>die</strong>selbe<br />
Stabilität, engte aber <strong>die</strong> Frachträume nicht ein.<br />
Zuletzt war einer der größten Vorteile von Seglern,<br />
dass sie eben keinen Raum zum Bunkern<br />
von Kohle benötigten.Somit hatte <strong>die</strong> Segelschifffahrt<br />
im Transport von Massengütern<br />
durchaus noch eine Chance gegen <strong>die</strong> Dampfschifffahrt.<br />
Die Vorteile des größeren Frachtraums eines Segelschiffs<br />
ohne Hilfsmaschine zeigten <strong>die</strong> Überlegungen<br />
der Rickmers Reismühlen, Rhederei<br />
und Schiffbau AG von 1910, eine vorhandene<br />
Hilfsmaschine auf der R ic k m e r G l a s e n R ic k <br />
m e r s auszubauen. Die R ic k m e r G l a s e n R ic k <br />
m e r s war bei der In<strong>die</strong>nststellung 1906 der fünfte<br />
Fünfmastrahsegler in der Welthandelsflotte und<br />
gehörte zu den größten Segelschiffen der Welt.<br />
Von den 7.900 Tonnen Ladekapazitäten gingen<br />
600 Tonnen durch den Kohlebunker für <strong>die</strong><br />
Dampfmaschine verloren. Zusätzlich wurden für<br />
<strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nung sechs zusätzliche Mannschaftsmitglieder<br />
gebraucht. Ob auf <strong>die</strong> Auxiliar-Maschine<br />
verzichtet werden könnte, war eine Überlegung<br />
zur Senkung der Betriebskosten und Steigerung<br />
der Gewinne. Die Frage wurde 1910 mit<br />
einem Schiffs-Sachverständigen in Newcastle,<br />
der sich mit dem Reisgeschäft auskannte, vermutlich<br />
ein <strong>Deutscher</strong>, erörtert. Der Sachverständige<br />
Schwetmann gab zu bedenken, dass in<br />
der Fahrt nach Westen auf <strong>die</strong> Dampfkraft gut<br />
verzichtet werden könnte. Auf dem Weg nach<br />
Osten sei <strong>die</strong> Dampfkraft aber sehr wichtig: Erstens<br />
hatte der Hafen in Bassein noch zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts keinen Schlepper, was dem<br />
großen Segelschiff eine Einfahrt ohne Hilfsmaschine<br />
verwehrt hätte. Des Weiteren wäre der
Schlepper in Birmas wichtigstem Reishafen, in<br />
Rangun, zu schwach gewesen, um den großen<br />
Segler einzuholen und auszuschleppen. Drittens<br />
wäre es ohne Dampfkraft im Südwestmonsun<br />
kaum möglich, Bangkok, den wichtigsten Reishafen<br />
Siams und bedeutende Drehscheibe für<br />
den iimerasiatischen <strong>Reishandel</strong>, anzusteuem.^’^<br />
Die technische Entwicklung führte zu einem längeren<br />
Überleben der Segelschifffahrt. Durch <strong>die</strong><br />
stabileren Materialien am Rumpf und der Takelage<br />
konnte besser durch schweres Wetter gesegelt<br />
werden, durch bessere Wetterkunde wurden<br />
Fahrtrouten optimiert. Insgesamt nahmen <strong>die</strong><br />
Fahrgeschwindigkeiten damit leicht zu. Besonders<br />
verbesserte sich aber das Verhältnis der Ladekapazität<br />
je Besatzungsmitghed, was sich stark<br />
auf <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit auswirkte. 1854 konnten<br />
je Mann 26 Tonnen geladen werden, 1904<br />
waren es mit 140 Tonnen je Mann mehr als fünf<br />
Mal so viel.^^^<br />
Die Zahl der Segelschiffe in der weltweiten Handelsflotte<br />
sank zwischen 1875 und 1905 von<br />
57.258 auf 27.122 Schiffe. Ihre Bedeutung für<br />
den Welthandel verloren Segelschiffe dennoch<br />
nicht vollständig,<br />
„da sie auf weiten Strecken kostengünstiger<br />
operieren konnten als <strong>die</strong> Dampfer und zudem<br />
bei günstigen Windverhältnissen schneller<br />
fuhren. Deshalb wurde z.B. <strong>die</strong> deutsche Seglerflotte<br />
weiterhin genutzt, um Reis aus Hinterin<strong>die</strong>n,<br />
Wolle aus Australien sowie Petroleum<br />
in Fässern aus Nordamerika zu holen<br />
J J »374<br />
Entwicklung der Schiffahrt in Bremen<br />
und bei Rickmers<br />
Bremen gehörte trotz seiner maritimen Tradition<br />
nicht zu den führenden Regionen in der Dampfschifffahrt<br />
oder im Bau von Dampfern. Der erste<br />
Dampfer in Bremen wurde bei Johann Lange in<br />
Vegesack gebaut, nachdem <strong>die</strong>ser von einer Fortbildungsreise<br />
aus England zurückkehrte. Die<br />
W e s e r war das dritte in Deutschland gebaute<br />
Dampfschiff und versah <strong>bis</strong> 1833 einen Passagier<strong>die</strong>nst<br />
auf der Unterweser. Die Lange-Werft<br />
baute zwar noch fünf weitere Dampfer <strong>bis</strong> zur<br />
Mitte des Jahrhunderts, aber alle blieben Einzelstücke.<br />
Noch 1868 scheiterten <strong>die</strong> Lange-Söhne<br />
mit dem Bau eines Schraubendampfers für<br />
<strong>die</strong> Atlantikfahrt. Und während 1837 schon der<br />
erste eiserne Dampfer am Rhein gebaut wurde,<br />
bestellten Kaufleute in Bremen 1839 ein solches<br />
Schiff noch in England.^^^<br />
Neben der beschriebenen Begrenzung in der<br />
Größe bei Schiffen mit Holzrümpfen wurde für<br />
den Schiffbau geeignetes Holz in der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend knapper.<br />
Trotzdem hielten <strong>die</strong> meisten Werften in<br />
Deutschland und Bremen am Holzschiffbau fest<br />
und erkannten erst spät, dass „Eisen das Material<br />
der Zukunft“ war. „Überleben [konnten] nur <strong>die</strong><br />
Segelschiffbauuntemehmer, <strong>die</strong> den vollständigen<br />
Übergang zum Eisenschiffbau [vollzogen].<br />
R. C. Rickmers hat sich <strong>bis</strong> zu seinem Tod 1886<br />
geweigert, Eisen als Konstruktionselement anzuerkennen.<br />
Die Verweigerung des Patriarchen der Rickmers-<br />
Familie, sich dem Eisenschiffbau anzunähem,<br />
bestimmte <strong>bis</strong> zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
<strong>die</strong> Geschicke der Rickmers-Werft. Andreas<br />
Rickmers war zwar ebenso wie sein Vater gelernter<br />
Schiffszimmermann, 1854 reiste er jedoch<br />
zur Vertiefung seiner Fähigkeiten im Schiffbau<br />
nach England und in <strong>die</strong> Vereinigten Staaten.<br />
Auf Grund der bereits dargestellten technologischen<br />
Entwicklung im Schiffbau ist fest davon<br />
auszugehen, dass er dabei Einblicke in den Eisenschiffbau<br />
erlangte. Dieses Wissen hätte er in<br />
<strong>die</strong> väterliche Werft mit einbringen können. Genau<br />
<strong>die</strong>s strebten er und sein Bruder Peter Rickmers<br />
(1838-1902) auch an, konnten sich gegen<br />
den Vater und Firmenchef jedoch nicht behaupten,<br />
weshalb ausschließlich am Bau von Holzschiffen<br />
festgehalten wurde. Das prämierte Modell<br />
der I d a Z ie g l e r auf der Weltausstellung von<br />
Paris 1855 war ein vorläufiger Höhepunkt der<br />
Rickmers’schen Werft. Nur zehn Jahre später<br />
wurde der vorerst letzte Neubau an einen Fremdkunden<br />
abgeliefert und <strong>die</strong> Werft stand vor großen<br />
strukturellen Problemen.^’’<br />
Als Symbol <strong>die</strong>ser Probleme können <strong>die</strong> Arbeits-<br />
91
niederlegungen auf der Rickmers-Werft im Juli<br />
1867 gelten. Die gesamte Unterweserregion war<br />
ein Zentrum des deutschen Holz- und Segelschiffbaus<br />
Deutschlands. Damit ging einher, dass<br />
<strong>die</strong> allermeisten Werften auf Grund des technologischen<br />
Rückstands gegenüber dem Schiñhau<br />
in Amerika und England wirtschaftliche Probleme<br />
hatten. Ausgelöst durch steigende Preise -<br />
Lebensmittelkosten hatten sich seit 1864 verdoppelt<br />
- kam es im Frühjahr zu Streiks bei<br />
Schiffszimmerern, <strong>die</strong> eine Anpassung der Löhne<br />
an <strong>die</strong> hohen Lebensmittelpreise und eine Reduzierung<br />
der Arbeitszeiten forderten. Es kam<br />
zu Sympathiestreiks, <strong>bis</strong> schließlich alle 36 Werften<br />
im bremischen, oldenburgischen und preußischen<br />
Gebiet an der Weser, immerhin fast<br />
3.000 Beschäftigte, erfasst waren. Da <strong>die</strong> Handwerker<br />
keine Arbeitsaltemativen und <strong>die</strong> Werften<br />
keine besseren wirtschaftlichen Aussichten hatten,<br />
endeten <strong>die</strong> Streiks trotz moderater Zugeständnisse<br />
an <strong>die</strong> Arbeiter fast ergebnislos.^’*<br />
Rickmer Glasen Rickmers hielt weiterhin an<br />
zwei Produktionsstandorten fest, der ersten Werft<br />
in Bremerhaven sowie dem 1856 neu gebauten<br />
Gelände in Geestemünde. Dadurch entstand ein<br />
Kostendruck, der nur durch <strong>die</strong> wirtschaftlichen<br />
Erfolge der hauseigenen Reederei im Transport<br />
von Kohle nach Asien, in der asiatischen Trampschifffahrt<br />
und dem Reistransport nach Europa<br />
aufgefangen wurde. Mit der zunehmenden<br />
Durchsetzung der Dampfschifffahrt gab es gerade<br />
in der asiatischen Küstenfahrt sehr schnell<br />
Konkurrenz für <strong>die</strong> Rickmers-Segler. Zusätzlich<br />
wurde durch den 1869 eröffneten Suezkanal <strong>die</strong><br />
Reisezeit nach Europa stark verkürzt. Die Reisezeit<br />
von In<strong>die</strong>n oder Asien nach Hamburg reduzierte<br />
sich um etwa 24 Tage. Obwohl <strong>die</strong><br />
Frachtraten höher lagen, waren Dampfer für bestimmte<br />
Güter attraktiver. Das lukrative Reedereigeschäft<br />
geriet daher auch unter Druck, obwohl<br />
<strong>die</strong> Flotte, <strong>die</strong> 1869 aus elf Schiffen und<br />
zwei Schiffsbeteiligungen bestand, beständig<br />
durch <strong>die</strong> Einstellung der hauseigenen Neubauten<br />
und den Verkauf älterer Schiffe modernisiert<br />
wurde. 1873 schloss Rickmer Glasen Rickmers<br />
das alte Werftgelände in Bremerhaven. Von den<br />
sieben Neubauten zur Ergänzung und Erneuerung<br />
der hauseigenen Flotte waren nur noch zwei<br />
auf dem alten Gelände gebaut worden. Auch der<br />
für Aufsehen sorgende Neubau D e ik e R ic k m e r s ,<br />
das <strong>bis</strong> dahin größte hölzerne Segelschiff einer<br />
deutschen Werft, änderte an der schwierigen Lage<br />
des Schiffbaubetriebes nichts.<br />
Mit der Weltwirtschaftskrise 1873 verstärkte sich<br />
der Konkurrenzkampf im Reedereigeschäft weiter.<br />
Um Entlastung zu schaffen, versuchte Andreas<br />
Rickmers 1876 im Auftrag der Firma mit<br />
dem Petroleumimporteur Wilhelm Anton Riedemann^’^<br />
einen Schleppdampfcr<strong>die</strong>nst zu gründen.<br />
Mit dem gesicherten Bedarf an Schleppdampfern<br />
durch <strong>die</strong> Rickmers- und <strong>die</strong> Riedemann-Flotten<br />
sollte der Durchbruch gegen <strong>die</strong><br />
bestehende Konkurrenz abgesichert werden. Zugleich<br />
weist eine Anfrage über Dampfmaschinen<br />
an eine englische Firma darauf hin, dass mit<br />
dem Bau von Schleppdampfern auch der Rickmers-Werft<br />
unter <strong>die</strong> Arme gegriffen werden<br />
sollte. Realisiert wurde das Projekt jedoch nicht.<br />
Ein weiterer Plan Rickmer Glasen Rickmers’,<br />
um das Reedereigeschäft auf sicherere Beine zu<br />
stellen, war ein langfristiges Abkommen mit der<br />
Essener Firma Friedrich Krupp über den Transport<br />
von Kohle nach Asien. Auf eine erste<br />
Schiffsladung Kohle nach Rangun folgte aber<br />
<strong>die</strong> Beendigung der Zusammenarbeit.^*“<br />
Aus einer aufstrebenden Werft um <strong>1850</strong> wurde<br />
in nur einem knappen Jalirzehnt ein Sanierungsfall,<br />
denn <strong>die</strong> Werft hatte mit der Ablehnung des<br />
Baus von Eisenschiffen den technologischen Anschluss<br />
verpasst. Das einträgliche Reedereigeschäft<br />
ermöglichte es dem leidenschaftlichen<br />
Holzschiffbauer Rickmer Glasen Rickmers, <strong>die</strong><br />
defizitäre Werft finanziell zu bezuschussen. Die<br />
Auslastung der Segelschiffe wurde jedoch zu einer<br />
immer größeren Herausforderung, da <strong>die</strong><br />
Konkurrenz der Dampfschiffe beständig zunahm.<br />
Segelschiffe waren immer mehr auf den Transport<br />
von Massengütern festgelegt, bei denen es<br />
keinen großen Zeitdruck gab. Bei solchen Gütern<br />
blieben Segelschiffe durch <strong>die</strong> niedrigeren Betriebskosten<br />
und günstigeren Frachtraten trotz<br />
des Umweges um das Kap der Guten Hoffnung
herum konkurrenzfähig. Da andere Projekte für<br />
eine langfristige Auslastung der Flotte scheiterten,<br />
wurden <strong>die</strong> Rickmers-Unternehmungen<br />
zwangsweise immer mehr auf das Reisgeschäft<br />
ausgerichtet. Als schließlich 1894 <strong>die</strong> ersten eisernen<br />
Dampfschiffe auf der Rickmers-Werft<br />
gebaut wurden, war <strong>die</strong>se Entwicklung zum<br />
Reisgeschäft bereits durch <strong>die</strong> Entscheidungen<br />
der vorangegangenen Jahrzehnte besiegelt.<br />
Reistransporte innerhalb Asiens<br />
Die Reistransporte in den Anbauländem Asiens<br />
vom Bauern zum Markt durch <strong>die</strong> Zwischenhändler<br />
sind bereits beschrieben worden. Die finanziellen<br />
Zwänge der oft auf Kredit lebenden<br />
Bauern führten dazu, dass Silos gar nicht erst<br />
gebaut wurden, weil ihr Unterhalt nicht zu finanzieren<br />
gewesen wäre und weil <strong>die</strong> Bauern <strong>die</strong><br />
sofortigen Erlöse ihrer Ernte zur Tilgung ihrer<br />
Schulden benötigten. Der bedeutendste Transportweg<br />
von den Kleinbauern zu den Großmühlen<br />
waren <strong>die</strong> Flüsse. Seit 1877 <strong>die</strong> erste Bahnlinie<br />
zwischen Rangun und Prome, dem heutigen<br />
Pyay, eröffnet wurde, gab es eine weitere Möglichkeit<br />
zum Reistransport. Zumeist jedoch ging<br />
der per Eisenbahn transportierte Reis zuvor durch<br />
mehr Hände beziehungsweise eine größere Zahl<br />
an Zwischenhändlern war an der Befüllung eines<br />
Zuges beteiligt. Dadurch mischten sich auch immer<br />
mehr Reissorten, was <strong>die</strong> Qualität und damit<br />
den Wert des Reises senkte.^*'<br />
Dies galt nicht, wenn der Reis statt in loser<br />
Schüttung in Säcken transportiert wurde. Dies<br />
dürfte aber auf Grund der Kosten selten gewesen<br />
sein und auch eher zu Beginn des 20. Jahrhunderts,<br />
als es bereits Reismühlen im Landesinneren<br />
gab, der Fall gewesen sein. Wurde Reis in<br />
seltenen Fällen dennoch in Säcke verpackt, passierte<br />
<strong>die</strong>s an den Sammelpunkten der Eisenbahn-Verladestationen<br />
und <strong>die</strong> Kosten dafür wurden,<br />
ebenso wie <strong>die</strong> Kosten für <strong>die</strong> Transporte<br />
auf den Ochsenkarren dorthin, vom Käufer beglichen.^*^<br />
Im Unterschied dazu war im Handel<br />
in Deutschland der Verkauf in Säcken gebräuchlich:<br />
„Zwischen der Bezeichnung Sacken und Ballen<br />
besteht kein Unterschied. In Bremen ist<br />
fast ausschließlich der Ausdruck, В allen* gebräuchlich,<br />
während man in Hamburg allgemein<br />
<strong>die</strong> Packung mit Sack bezeichnet, ln<br />
[beiden] Fällen handelt es sich meist um Original-Säcke<br />
von ca. 100 <strong>bis</strong> 110 kg. brutto.<br />
Auch kleine Packungen <strong>bis</strong> zu 65 kg. bezeichnet<br />
man im Allgemeinen mit Sack, während<br />
<strong>die</strong> darunter liegende Packung hier sowohl<br />
als auch in Bremen als Beutel bezeichnet<br />
wird.“^*^<br />
Auf <strong>die</strong> überragende Bedeutung der Flüsse im<br />
Reistransport innerhalb der Anbauländer sei hier<br />
ein weiteres Mal verwiesen. Über <strong>die</strong> Wasserwege<br />
wurde der allergrößte Teil der Ernten verschickt.<br />
“Thousands of country boats known locally<br />
as paddy gigs or tonkins holding 500-1,000<br />
baskets, and propelled by sail and oar are engaged<br />
in this work.”^*“*<br />
Die Dampfschifffahrt in Asien war bereits in der<br />
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit entwickelt.<br />
Auch dabei galt, dass <strong>die</strong> Flussschifffahrt<br />
mit Maschinenkraft früher als <strong>die</strong> Hochseeschifffahrt<br />
realisiert wurde. 1820 befuhr in In<strong>die</strong>n ein<br />
Dampfer den Indus und schon 1829 verkehrten<br />
vier Schiffe auf dem Ganges. In Indonesien wurde<br />
der erste Dampfer 1825 gebaut und in Fahrt<br />
gesetzt. Das erste Dampfboot am Indischen Ozean<br />
wurde 1827 in Port Louis auf Mauritius gebaut.<br />
China erreichte erstmals 1830 ein Dampfboot,<br />
aber schon 1832 soll es eine regelmäßige<br />
Dampferverbindung von Peking nach Kanton<br />
gegeben haben.^*^ In Birma wurde 1868 <strong>die</strong> Irrawaddy<br />
Flotilla Company als Dampfschifffahrtsgesellschaft<br />
gegründet. Wann <strong>die</strong> Burmese<br />
Steam Navigation Company gegründet wurde,<br />
ist nicht zu klären, 1871 bestanden aber bereits<br />
beide Gesellschaften, als <strong>die</strong> Regierung ein Abkommen<br />
Unterzeichnete, das zur Vereinfachung<br />
der Immigration Transporttarife für <strong>bis</strong> zu 25<br />
Migranten auf bestimmten Strecken je Dampferfahrt<br />
übernahm. Diese Subventionierung des<br />
Dampferbetriebs mag mit dazu beigetragen haben,<br />
dass <strong>die</strong> Irrawaddy Flotilla Company zu ihrem<br />
zehnjährigen Bestehen <strong>die</strong> große Zahl von<br />
93
í-<br />
г<br />
29 Dampfern und 40 Schuten im Einsatz hatte.^*'’<br />
“The Steamers of the Irrawaddy Со., carry considerable<br />
quantities also, but it is very small<br />
compared with that brought in by the cargo boats,<br />
as steamer is more costly.”^®’ Die Dampfer wurden<br />
in erster Linie für <strong>die</strong> Passagierfahrt genutzt,<br />
<strong>die</strong> große Zahl an Schuten weist jedoch darauf<br />
hin, dass <strong>die</strong> Gesellschaft auch stark im Transportgeschäft<br />
engagiert war.<br />
Die Veränderungen und den Ausbau der Infrastruktur<br />
in Birma, ein wichtiger Punkt für <strong>die</strong><br />
Anbindung der gesamten inländischen Reisproduktion<br />
an den Weltmarkt, fasst Grant folgendermaßen<br />
zusammen:<br />
“Before the British connection Burma was<br />
practically roadless and nothing more than<br />
jungle tracks existed. Communications were<br />
therefore mainly by waterways by means of<br />
slowly-moving country-craft. From 1860 onwards<br />
communications were steadily improved.<br />
[...] Roads and railways were constructed,<br />
the first railway line to be opened<br />
being the Rangoon-Prome line in 1877. [...]<br />
Between 1870 and 1900 the Twante Canal<br />
was improved, the Pegu-Sittang Canal, and<br />
the Pegu-Kyaikto Canals were cut in order to<br />
provide inland waterways for country boats<br />
and small steamers.”^**<br />
Birma war das größte und für den globalen <strong>Reishandel</strong><br />
bedeutsamste asiatische Reisanbauland.<br />
Es war aber nicht das einzige Anbauland und<br />
bei weitem hatte Birma nicht den größten Reisbedarf<br />
für <strong>die</strong> Konsumtion. Bengalen als weiteres<br />
großes Anbaugebiet in Britisch-In<strong>die</strong>n, Siam,<br />
Französisch-Indochina, Japan, China und Niederländisch-Ostin<strong>die</strong>n<br />
ergänzten den asiatischen<br />
Reismarkt. Je nach der Güte einzelner Ernten,<br />
kleineren oder auch größeren Hungersnöten und<br />
regionalen Preisen beeinflussten sich <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Märkte gegenseitig. Entsprechend<br />
der Nachfrage - China beispielsweise trat nicht<br />
als Reisexporteur auf dem Weltmarkt auf, hatte<br />
aber eine sehr große Nachfrage nach Reis - gab<br />
es nicht nur Reistransporte innerhalb der Anbauländer<br />
mit dem Ziel des Exports nach Europa,<br />
sondern auch viele Reistransporte innerhalb<br />
94<br />
Asiens. Siam und Indochina heheferten vor allem<br />
China und den Fernen Osten mit Reis, bengalischer<br />
Reis ging über Kalkutta in andere indische<br />
Häfen und erreichte in erster Linie <strong>die</strong> Importeure<br />
westlich der Malaiischen Halbinsel, während<br />
Birmareis großteils nach Europa exportiert<br />
wurde. Bei der Verflechtung des asiatischen<br />
Reismarkts entstand ein sehr komplexes Netzwerk<br />
mit Birma, Französisch-Indochina und Siam<br />
als Hauptexporteuere, wohingegen China<br />
und Singapur <strong>die</strong> wichtigsten Importeure waren.<br />
Daher hatten Singapur und Hongkong eine <strong>zentrale</strong><br />
Bedeutung: “Singapore was a key distribution<br />
centre in the international rice trade; it was<br />
there that the flows of rice east from Burma met<br />
the flows of rice west from French Indo-China<br />
and Siam” und “Hong Kong was an important<br />
redistribution centre for the Far East”.^®^<br />
Der country trade, der Handel zwischen den asiatischen<br />
Ländern, der <strong>die</strong> Verflechtung der nationalen<br />
Reismärkte erst ermöglichte, existierte bereits<br />
viele Jahre im innerasiatischen Warenaustausch.<br />
So, wie sich seit dem Auftauchen der<br />
europäischen Handelskompanien selbige daran<br />
beteiligten, waren europäische Händler und Reedereien<br />
im 19. Jahrhundert als praktische Nachfolger<br />
frühneuzeitlicher Handelskompanien im<br />
innerasiatischen <strong>Reishandel</strong> wichtige Akteure.<br />
Nach der erzwungenen schrittweisen Öffnung<br />
chinesischer Häfen durch <strong>die</strong> Briten im Vertrag<br />
von Nanking 1842 ergaben sich für europäische<br />
Händler neue Geschäftsfelder, <strong>die</strong> in den folgenden<br />
Jahren mit großem wirtschaftlichem Erfolg<br />
angenommen wurden.<br />
Für eine ganze Reihe Bremer Firmen und Bremer<br />
Schiffe gibt es Nachweise über den Transport<br />
von Reis im asiatischen Raum und besonders<br />
nach China. Für 1859 gibt Ziegler 26 Schiffe<br />
unter Bremer Flagge an, <strong>die</strong> in Hongkong einliefen.<br />
Versehen mit Angaben über den Kapitän,<br />
den Herkunfts- und den nächsten Zielhafen sowie<br />
<strong>die</strong> Ladung lässt sich ein gutes Bild vom innerasiatischen<br />
Handel durch deutsche Schiffe<br />
zeichnen. Mehrere Schiffe unternahmen keine<br />
ganz großen Seereisen und kamen öfter in den<br />
Hafen. Die J o h a n n a C a e s a r unter Kapitän Be
cker beispielsweise erreichte Hongkong 1859<br />
vier Mal. Von den 26 Schiffen hatten drei Schiffe<br />
bei der Ankunft Reis aus Akyab, Samarang und<br />
Bangkok geladen. Auslaufende Schiffe hatten<br />
zehn Mal Kaufmannsgut als Ladung deklariert,<br />
liefen neun Mal nur mit Ballast aus - sechs Mal<br />
davon zu den Reishäfen Bangkok und Singapur<br />
- und hatten vier Mal Reis geladen. Zielhäfen<br />
der Reistransporte waren Shanghai und Fuchow,<br />
heute Fuzhou, im nördlicheren China und<br />
Whampoa, der heutige Bezirk Huangpu in der<br />
Stadt Guangzhou, im Südosten von Hongkong.^*<br />
Auf den ersten Blick überraschend ist, dass ein<br />
mit Reis beladenes Schiff, <strong>die</strong> E u r o p a , direkt<br />
nach Bremen absegelte. Auf den zweiten Blick<br />
bestätigt es jedoch <strong>die</strong> Aussage Leonhards, dass<br />
<strong>die</strong> Küstenschifffahrt ein einträgliches Geschäft<br />
für kleinere Segler war und Schiffe zuweilen<br />
Jahre in der dortigen Fahrt verbrachten, bevor<br />
sie zurückkehrten.Vielleicht musste <strong>die</strong><br />
E uropa unter Kapitän Ariaans nach Bremen zurückkehren<br />
und es war zu dem Zeitpunkt keine<br />
lohnendere Fracht zu erreichen.<br />
Die Bedeutung der asiatischen Küstenfahrt und<br />
des <strong>Reishandel</strong>s zwischen den asiatischen Ländern<br />
lässt sich an der Geschichte des Hamburger<br />
Handelshauses Siemssen & Co. ablesen. Die<br />
1846 in Kanton gegründete Firma befasste sich<br />
mit dem Handel in China sowie zwischen Hamburg<br />
und China. Besonders mit dem Handel von<br />
Reis zwischen Singapur, Bangkok und Hongkong.<br />
In Singapur kauften <strong>die</strong> Firmen Behn,<br />
Meyer & Co., 1840 vom späteren bremischen<br />
Konsul Theodor August Behn gegründet, um<br />
Kommissionsgeschäfte zu betreiben, sowie Pickenpack,<br />
Thies & Co., <strong>die</strong> geschäftlichen Opponenten<br />
des nach der Konsulatswürde in Bangkok<br />
strebenden Adolph Markwald, Reis für<br />
Siemssen & Co. ein. Dieselbe Aufgabe übernahm<br />
<strong>die</strong> Firma Büsing, Schröder & Co. in<br />
Bangkok, ln Hongkong übernahm Siemssen &<br />
Co. <strong>die</strong>se Reisladungen und setzte sie in China<br />
ab. Die Firmen rechneten sich dabei gegenseitige<br />
Provisionen an und erwirtschafteten so gemeinschaftlich<br />
einen Gewinn aus den Differenzen<br />
von niedrigen Einkaufs- und hohen Verkaufspreisen.<br />
Während nordwärts Reis und Zucker<br />
gehandelt wurden, transportierte Siemssen &<br />
Co. südwärts zumeist Erbsen und Bohnenkuchen.<br />
Die Gewinne aus dem Küstenverkehr wiederum<br />
wurden in Tee investiert, der nach Europa<br />
versandt wurde. So wurde der überregionale<br />
Reismarkt mit dem globalen Teemarkt vernetzt<br />
und beide Produkte in den Welthandel integriert.<br />
Daraus ergaben sich „während eines vollen Jahrzehnts“<br />
<strong>bis</strong> Ende der 1860er Jahre gute Gewinne<br />
für <strong>die</strong> Firma Siemssen & Co.^^^ Aus der Verbindung<br />
des Teehandels mit dem Reisgeschäft<br />
ergab sich ab 1860, dass Fuchow für Siemssen<br />
& Co. zunehmend bedeutender wurde, denn Fuchow<br />
gehörte zu den größten chinesischen Einkaufsplätzen<br />
für Tee. 1863 kauften Siemssen &<br />
Co. dort ein Lagerhaus für Reis, ein Jahr später<br />
ein benachbartes Wohn- und Kontorhaus und<br />
schufen so <strong>die</strong> Grundlage für weitere zwanzig<br />
lohnende Jahre im innerasiatischen Reisgeschäft.^®^<br />
Auch wenn es hier nicht nachweisbar<br />
ist, kann es durchaus sein, dass <strong>die</strong> bereits genannte<br />
J o h a n n a C a e s a r , <strong>die</strong> 1859 Reis von<br />
Hongkong nach Fuchow brachte, für Siemssen<br />
& Co. fuhr.<br />
Ein Erfolgsfaktor für <strong>die</strong> deutschen Schiffe in<br />
der chinesischen beziehungsweise asiatischen<br />
Küstenschifffahrt waren ihre Segeleigenschaften.<br />
Dschunken, <strong>die</strong> häufigste Schiffsart in Asien,<br />
eigneten sich nicht besonders gut, um gegen den<br />
Monsun anzukreuzen. Damit blieben ihnen nur<br />
eine große Fahrt nach Süden während des Nordostmonsuns<br />
von Oktober <strong>bis</strong> April und eine Fahrt<br />
nach Norden im Südwestmonsun von April <strong>bis</strong><br />
Oktober. Die europäischen Schiffe konnten im<br />
Gegensatz dazu ganzjährig in jede Richtung fahren,<br />
indem sie bei Bedarf gegen den Monsun<br />
kreuzten.Des Weiteren galt für <strong>die</strong> deutschen<br />
Schiffe, dass sie in Singapur besonders beliebt<br />
gewesen sind. Sie galten als sicher, während <strong>die</strong><br />
chinesischen Dschunken schwierig zu versichern<br />
waren.<br />
Betrachtet man noch einmal <strong>die</strong> Herkunfts- und<br />
Zielhäfen der in Hongkong ein- und auslaufenden<br />
bremischen Schiffe aus dem Jahr 1859,<br />
zeichnet sich bereits ab, wie stark der Handel,<br />
95
Îî<br />
<strong>die</strong> deutsche Schifffahrt und auch der deutsche<br />
<strong>Reishandel</strong> im asiatischen Raum vernetzt waren.<br />
Fünf chinesische Häfen, drei australische Häfen,<br />
und Häfen in Japan, Birma, Singapur, Siam, Indonesien<br />
und Hawaii, also der gesamte ostindische<br />
und pazifische Raum, wurden 1859 durch<br />
Schiffe aus Bremen wirtschaftlich verknüpft.^®®<br />
Dazu kamen natürlich noch <strong>die</strong> Schiffe anderer<br />
deutscher Staaten, <strong>die</strong> englischen Schiffe, welche<br />
als einzige <strong>die</strong> Zahl deutscher Schiffe im asiatischen<br />
Verkehr übertrafen, sowie <strong>die</strong> Segler dritter<br />
Nationen. Allein Birma, das für den Export<br />
nach Osten nicht das wichtigste Anbauland war,<br />
exportierte 1874/75-1880/81 71.000 Tonnen,<br />
1881/82-1890/91 165.000 Tonnen und 1891/92-<br />
1900/01 262.000 Tonnen Reis nach Osten.<br />
Reistransporte zwischen Asien und Europa<br />
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />
größerer Reisverschiffungen von Birma<br />
nach Europa, weil Angebot und Nachfrage<br />
stiegen. Und so wie <strong>die</strong> technischen Entwicklungen<br />
ein immer umfassenderes Vordringen der<br />
Europäer nach Asien ermöglichten, vergrößerten<br />
sich <strong>die</strong> Anstrengungen, aber auch <strong>die</strong> Möglichkeiten<br />
zur Schaffung einfacherer Reisewege von<br />
In<strong>die</strong>n und Asien nach Europa.<br />
Um 1860 konnte eine Reise von Bremen nach<br />
In<strong>die</strong>n mit einem Segelschiff um <strong>die</strong> Südspitze<br />
Afrikas herum noch um <strong>die</strong> 100 Tage dauern.<br />
Dass <strong>die</strong>se Reisedauer einen globalen Handel<br />
stark beeinträchtigte, lag auf der Hand, und seit<br />
den 1820er Jahren wurde intensiv nach einer<br />
Verkürzung der Wege gesucht. Schon 1767 hatte<br />
<strong>die</strong> britische East India Company einen Stützpunkt<br />
in Busher, im heutigen Iran. Von <strong>die</strong>sem<br />
britischen Einflussgebiet heraus, das aus In<strong>die</strong>n<br />
wiederum gut erreichbar war, wurde nach einem<br />
Landweg zum Mittelmeer gesucht. Der bereits<br />
bekannte Johann Wilhelm Helfer nahm 1835 an<br />
der Expedition des Iren Francis Rawdon Chesney<br />
teil, der <strong>die</strong> Möglichkeit einer Postverbindung<br />
mit In<strong>die</strong>n durch Arabien auf den Flüssen Euphrat<br />
und Tigris nachwies. Diese Expedition war<br />
mit einem großen technologischen Aufwand verbunden,<br />
es wurden zwei Dampfschiffe eingesetzt.<br />
Dabei gab es zwar einige Hindernisse zu<br />
überwinden, beispielsweise war <strong>die</strong> Dampfmaschine<br />
anfangs zu schwach, um gegen den Strom<br />
arbeiten zu können, zwischendurch saß ein Schiff<br />
13 Tage auf einer Sandbank fest oder <strong>die</strong> Brennstoffversorgung<br />
war immer wieder eine Herausforderung.<br />
Die größere E u p h r a t erreichte das<br />
Ziel jedoch. Der kleinere Versorgungsdampfer<br />
T ig r is hingegen kenterte in einem plötzlichen<br />
Sandsturm und sank. Vom Indischen Ozean kommend,<br />
über den Golf von Oman, den Persischen<br />
Golf und den Schatt el-Arab, den Zusammenfluss<br />
von Euphrat und Tigris, waren <strong>die</strong> beiden<br />
großen Flüsse der Ara<strong>bis</strong>chen Halbinsel als Weg<br />
nach Europa erreichbar und - mit Hindernissen<br />
- schiffbar.<br />
Die alternative Route zur Umgehung des afrikanischen<br />
Kontinents setzte sich jedoch durch.<br />
Der Weg vom Indischen Ozean durch den Golf<br />
von Aden und das Rote Meer nach Suez und<br />
von dort über Land nach Kairo wurde im 19.<br />
Jahrhundert der kürzeste Reiseweg von In<strong>die</strong>n<br />
nach Europa. Der englische Marineoffizier Thomas<br />
Fletcher Waghorn erkundete <strong>die</strong>sen Weg<br />
bereits 1825. Einem Chairman der East India<br />
Company hatte er angekündigt, Post in 90 Tagen<br />
von London nach In<strong>die</strong>n bringen zu können. Auf<br />
dem Landweg ging <strong>die</strong> Reise <strong>bis</strong> Marseille oder<br />
Triest, von dort dann mit einem Schiff <strong>bis</strong> nach<br />
Alexandria. Per Boot ging es weiter nach Kairo<br />
und von dort wiederum über Land nach Suez,<br />
um ein Schiff nach In<strong>die</strong>n zu besteigen. Waghorns<br />
erster Versuch dauerte entgegen der Ankündigung<br />
noch 4 Monate und 21 Tage. In der<br />
Folge quittierte er aber den Dienst in der Marine,<br />
verbesserte <strong>die</strong> Reisebedingungen durch Ägypten<br />
und etablierte <strong>die</strong> neue Route, so dass schon<br />
1835 <strong>die</strong> Strecke üblicherweise in 90 Tagen geschafft<br />
wurde. Dabei war sein Unternehmen<br />
recht erfolgreich, <strong>bis</strong> es 1841 mit einem Konkurrenten<br />
fusionieren musste und 1842 vom<br />
ägyptischen Vizekönig Muhammed Ali Pascha<br />
verstaatlicht wurde und als Egyptian Transit<br />
Company firmierte. 1835 nahmen 275 Passagiere<br />
den Weg Waghorns, 1845 waren es bereits 2.100
Reisende und 1855 3.000 Personen, <strong>die</strong> über Suez<br />
zwischen In<strong>die</strong>n und Europa verkehrten.<br />
Dieser Reiseweg eignete sich jedoch kaum für<br />
größeren Warentransport, so dass Europa und<br />
In<strong>die</strong>n wirtschaftlich nicht näher zusammenwuchsen,<br />
während andererseits <strong>die</strong> Reise durch<br />
Ägypten in das Programm des Tourismus-Pioniers<br />
Thomas Cook aufgenommen wurde.<br />
Die Reisezeit nach In<strong>die</strong>n betrug in der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts um <strong>die</strong> 40 Tage, wovon<br />
nur noch drei Tage für <strong>die</strong> Überlandreise<br />
vom Mittelmeer zum Roten Meer benötigt wurden.<br />
Nach wie vor ging es dabei jedoch um <strong>die</strong><br />
Beförderung von Nachrichten und Personen, weniger<br />
um Güter. Eine Veränderung ergab sich<br />
auch nicht durch den Bau der Suez-Eisenbahn.<br />
Diese wurde 1851 <strong>bis</strong> 1853 von Alexandria nach<br />
Kairo gebaut. 1858 wurde eine Verlängerung<br />
Richtung Osten nach Suez ergänzt.<br />
Große Bedeutung für den globalen Handel zwischen<br />
In<strong>die</strong>n und Asien einerseits und Europa<br />
andererseits hatte im November 1869 <strong>die</strong> Eröffnung<br />
des Suezkanals. Dieser Kanal durch den<br />
Isthmus von Suez ermöglichte erstmals eine<br />
durchgehende Schiffspassage vom Indischen<br />
Ozean über das Mittelmeer <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> Nordsee<br />
und den Atlantik. In Port Taufiq bei Suez ist der<br />
Beginn des Kanals, der bei der 1859 gegründeten<br />
Stadt Port Said, entstanden aus einer Arbeitersiedlung<br />
für den Kanalbau, 220 Kilometer westlich<br />
von Alexandria, das Mittelmeer erreicht.<br />
Nach zehnjähriger Bauzeit erschloss sich damit<br />
der gesamte indische Wirtschaftsraum den Europäern<br />
in einer neuen räumlichen Nähe. Mit einer<br />
geringeren Reisedauer sanken <strong>die</strong> Kosten für<br />
den Transport erheblich. Die Reisezeit von Nordwesteuropa<br />
nach In<strong>die</strong>n verkürzte sich durch den<br />
161 Kilometer langen Kanal um zwei Fünftel<br />
<strong>bis</strong> ein Drittel, nach Ostasien sogar um ein Viertel<br />
der Zeit, <strong>die</strong> um den afrikanischen Kontinent<br />
fahrende Schiffe benötigten. Auch wenn <strong>die</strong> Gebühren<br />
für eine Kanalnutzung nach einigen Betriebsjahren<br />
des Kanals gesenkt wurden, waren<br />
sie anfangs mehrere Jahre ein Kostenfaktor, der<br />
bei bestimmten Waren dazu führte, dass weiterhin<br />
der Weg um Kap Hoorn genommen wurde.<br />
Im dritten Jahrzehnt seines Bestehens von 1891-<br />
1900 rückten <strong>die</strong> auf deutschen Schiffen durch<br />
den Kanal transportierten Warenmengen an <strong>die</strong><br />
zweite Stelle. Einzig Großbritannien verschiffte<br />
mehr Waren durch den Kanal.“*“ Einer der Gründe<br />
dafür könnte lauten, dass am Ende des 19.<br />
Jahrhunderts <strong>die</strong> deutsche Handelsflotte ihren<br />
technologischen Rückstand gegenüber der britischen<br />
weitgehend aufgeholt hatte. Der Anteil<br />
der Dampfer in der Handelsflotte wurde immer<br />
größer und nicht zuletzt auf den Reisrouten stieg<br />
er deutlich an. Für Dampfschiffe lohnte es sich<br />
viel eher, durch den Kanal zu dampfen, als es<br />
sich für Segler lohnte, dort durchgeschleppt zu<br />
werden.<br />
Die vier wichtigen Reishäfen Birmas, Rangun,<br />
Moulmein, Bassein und Akyab, erfuhren durch<br />
<strong>die</strong> Öffnung des Suezkanals eine beschleunigte<br />
Entwicklung. Durch den Kanal profitierten jedoch<br />
alle bedeutenden indischen und asiatischen<br />
Häfen. “It cannot be denied that the direct and<br />
indirect effects of the opening of the Canal<br />
played an important part in influencing the<br />
growth and composition of the rice trade. But,<br />
on the other hand, many writers on the subject<br />
have vastly exaggerated the importance of this<br />
event.”“*®*Der erste mit Reis beladene Dampfer<br />
passierte den Suezkanal 1872, drei Jahre nach<br />
der Eröffnung. Es lässt sich kein signifikanter<br />
Anstieg der Exportzahlen für das Jahr 1869/70<br />
finden. Vielmehr begann der überragende Anstieg<br />
der Exportzahlen mit dem Ende des Reisausfuhr-Verbots<br />
und dem Beginn der britischen<br />
Herrschaft in Birma. Im Umkehrschluss belegt<br />
<strong>die</strong>se Tatsache, dass für den Reistransport <strong>bis</strong><br />
weit in <strong>die</strong> zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
hinein Segelschifftransporte auf Grund des geringen<br />
Zeitdrucks bei der Warenauslieferung und<br />
der beschriebenen Kostenvorteile gegenüber<br />
Dampfschiffen vorerst noch eine wirtschaftliche<br />
Option waren.<br />
Nachteilig bei langen Lager- und Transportzeiten<br />
war der Verlust durch Schädlinge. Bei Exportreis<br />
verdarben <strong>bis</strong> zu achteinhalb Prozent des Reises<br />
durch den Reiswurm, einen kleinen braunen Rüsselkäfer,<br />
oder durch Schimmel, so wie es Hein-<br />
Bayerische I<br />
Staatsbibliothek j<br />
München<br />
J<br />
97
ich Wieting schon 1849 mit einer Ladung amerikanischen<br />
Reises widerfuhr. Ein solcher Befall<br />
stellte <strong>die</strong> Importeure und Händler natürlich immer<br />
vor Verlustprobleme, weil der Reis kaum<br />
noch zu verkaufen war.'‘°^ Gegen <strong>die</strong> Gefahr,<br />
dass Reis in den Laderäumen auf den langen<br />
Seetransporten erst schwitzte und sich anschließend<br />
Schimmel bildete, entwickelten <strong>die</strong> Verschiffer<br />
für <strong>die</strong> Rümpfe spezielle Matten. Diese<br />
wurden mit Reisspelzen, <strong>die</strong> bei der Vorbearbeitung<br />
in den asiatischen Mühlen anfielen, gefüllt<br />
und sogen Feuchtigkeit auf. Des Weiteren hat<br />
ungeschälter Reis einen natürlichen Vorteil, der<br />
zu große Ladungsverluste durch Schimmel verhindert.<br />
Die Hülse liegt nicht ganz eng am Reiskorn<br />
und ermöglicht dadurch eine gewisse Luftzirkulation,<br />
<strong>die</strong> der Schimmelbildung entgegenwirkte.<br />
Da der Reis <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> 1880er Jahre hinein<br />
fast ausschließlich in Europa geschält und veredelt<br />
wurde, half <strong>die</strong>ser natürliche Schutz auch<br />
auf den langen Seereisen der Reissegler. Die Mischung<br />
des Cargoreises aus enthülstem Reis beziehungsweise<br />
vorgeschältem Reis und <strong>bis</strong> zu<br />
20 Prozent Rohreis trug <strong>die</strong>ser für den Transport<br />
positiven Eigenschaft der nicht enthülsten Körner<br />
Rechnung.''“<br />
Ein Beispiel für <strong>die</strong> lange Nutzung eines Reisseglers<br />
ist <strong>die</strong> Brigg P h o e n ix . Diese wurde 1848<br />
erbaut und von dem Kapitän Johann Hinrich<br />
Diercks und dem Bremer Georg Duckwitz, später<br />
dann gemeinsam mit der Firma Fritze & Gerdes<br />
bereedert. Dass <strong>die</strong> P h o e n ix im Reistransport<br />
beschäftigt war, geht aus einem Unfallbericht,<br />
der Bremen aus Rangun erreichte, hervor. Einschränkend<br />
gilt jedoch, dass aus dem Bericht<br />
nicht zu rekonstruieren ist, ob <strong>die</strong> P h o e n ix in<br />
der Fahrt zwischen Asien und Europa oder in<br />
der innerasiatischen Küstenfahrt eingesetzt wurde.<br />
Demnach schlug <strong>die</strong> Brigg leck, während sie<br />
mit Reis beladen wurde. Um das Schiff nicht zu<br />
verlieren, wurde es von einem Schlepper an den<br />
Strand bugsiert. Die Reisladung war verdorben<br />
und wurde in einer Auktion verkauft. Das Schiff<br />
hingegen wurde für seeuntüchtig erklärt, aber<br />
repariert und wieder in Fahrt gebracht. Für das<br />
Jahr 1887 tauchte <strong>die</strong> Brigg wieder unter neuem<br />
Namen und englischer Flagge für den Reeder S.<br />
V. Mayandee Chetty mit dem Heimathafen Rangun<br />
auf. Bis 1903 war <strong>die</strong> H y d r o s e ex P h o e n ix<br />
in Fahrt.“*“ Besonders der Heimathafen Rangun<br />
verweist neben dem Unfallbericht darauf, dass<br />
Reis ein übliches Transportgut der Brigg war.<br />
Zugleich kann zumindest vermutet werden, dass<br />
<strong>die</strong> P h o e n ix 1866 noch in der großen Fahrt nach<br />
Europa eingesetzt wurde. Mit einem indischen<br />
Eigner und auf Grund des Alters kann davon<br />
ausgegangen werden, dass <strong>die</strong> P h o e n ix in ihren<br />
letzten Jahrzehnten nur noch in der asiatischen<br />
Küstenschifffahrt eingesetzt wurde. Immerhin<br />
war sie 1903 schon 55 Jahre alt.<br />
Waren Reeder und Reishändler nicht in einem<br />
Unternehmen vereint wie bei der Familie Rickmers,<br />
be<strong>die</strong>nten sie sich üblicherweise Schiffsmaklern,<br />
um Transporte verlässlich abzuwickeln.<br />
In Bremen entstanden <strong>die</strong> Makleruntemehmen<br />
zumeist aus dem Auswanderergeschäft. Ein Beispiel<br />
dafür ist eine 1857 in Bremen von Hermann<br />
Dauelsberg übernommene Maklerlizenz des Senats<br />
und <strong>die</strong> daraus resultierende Gründung des<br />
gleichnamigen Unternehmens. Schiffsmakler befassten<br />
sich im Auftrag von Reedern oder Warenhändlem<br />
mit der Befrachtung und Versendung<br />
von Schiffen. Bei der Verschiffung von Auswanderern<br />
gerieten besonders Reis und Baumwolle<br />
in den Fokus der Schiffsmakler, <strong>die</strong> geeignete<br />
Rückfrachten suchen mussten. Die inzwischen<br />
über 160 Jahre bestehende Firma Hermann Dauelsberg<br />
war in Bremen <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
im Reismaklergeschäft engagiert. 1902/03 wurden<br />
immerhin 19 von 26 einkommenden Reisdampfern<br />
von Hermann Dauelsberg abgefertigt.““<br />
Ein weiteres Beispiel für <strong>die</strong> Befassung<br />
von Schiffsmaklern mit Reis ist <strong>die</strong> Firma Siemssen<br />
& Co. Die Firma besaß „<strong>die</strong> Agentur für nahezu<br />
alle hamburgischen Reeder, <strong>die</strong> nach dem<br />
Femen Osten fuhren“. Siemssen & Co. übernahmen<br />
den Wareneinkauf in Hamburg und<br />
schlossen <strong>die</strong> notwendigen Charterverträge mit<br />
Reedereien. Die Niederlassung in China besorgte<br />
dann auch <strong>die</strong> Rückfrachten. Waren solche nicht<br />
direkt zu haben, beschäftigte das Haus <strong>die</strong> Schiffe<br />
in der asiatischen Khstenfahn.“*“ Da Reis nur<br />
98
in den seltensten Fällen von China nach Deutschland<br />
gebracht wurde, mäkelte Siemssen & Co.<br />
zwar nicht <strong>die</strong> Transporte zwischen Asien und<br />
Europa, in der chinesischen Küstenschifffahrt<br />
war Reis aber ein wichtiges Gut, das eine Bedeutung<br />
im transatlantischen Verkehr als Übergangsbeschäftigung<br />
der europäischen Schiffe<br />
hatte.<br />
Distanzen überbrücken -<br />
Neue Kommunikationswege<br />
Die Verbindung des europäischen und des asiatischen<br />
Wirtschaftsraums durch Reistransporte<br />
oder auch durch Reedereien, <strong>die</strong> ihre Fahrtrouten<br />
auf <strong>die</strong> lohnendsten Frachten abstimmten, waren<br />
durch eine Reihe technologischer Entwicklungen<br />
und <strong>die</strong> Entstehung internationaler Abkommen<br />
und Vereinigungen erleichtert worden. Die Entstehung<br />
einer Weltwirtschaft hing eng mit der<br />
Schaffung internationaler und interkontinentaler<br />
Verbindungen zusammen - nicht nur in dem<br />
Transportsektor. Das Beispiel des innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong>s zwischen Singapur, Bangkok<br />
und Hongkong sowie entlang der weiteren chinesischen<br />
Küste durch <strong>die</strong> Firmen Siemssen &<br />
Co., Behn, Meyer & Co. und Pickenpack, Thies<br />
& Co. verlangte bei den Firmen absolute Expertise<br />
des Reismarktes, um trotz ständig schwankender<br />
Preise für alle Beteiligten einen wirtschaftlichen<br />
Gewinn zu realisieren. Je besser <strong>die</strong><br />
Kaufleute über Angebot und Nachfrage und damit<br />
über <strong>die</strong> Preise informiert waren, umso erfolgreicher<br />
waren sie. Verbunden mit denselben<br />
Informationen auf dem Teemarkt kam es in Asien<br />
zu einer wirklich vernetzten, also globalisierten<br />
Wirtschaft. Kommunikationsmittel und beschleunigte<br />
Marktinformationen ebneten der<br />
Weltwirtschaft und dem weltweiten <strong>Reishandel</strong><br />
den Weg.<br />
Der erste elektrische Telegraf wurde bereits 1809<br />
durch den deutschen Anatom und Erfinder<br />
Samuel Thomas Soemmerring gebaut. Es folgten<br />
in den nächsten Jahren etliche Verbesserungen,<br />
<strong>bis</strong> sich der 1837 von dem Amerikaner Samuel<br />
Morse entwickelte Schreibtelegraf als praktisch<br />
anwendbar erwies. Mittels elektrischer Impulse<br />
konnten Nachrichten als Code versandt werden.<br />
1844 wurde in den Vereinigten Staaten erfolgreich<br />
eine Nachricht verschickt, und <strong>die</strong> Telegrafie<br />
schaffte den endgültigen Durchbruch. Die<br />
erste öffentliche Telegrafenlinie in Deutschland<br />
gab es seit 1847 zwischen Bremen und Vegesack.'*“’'<br />
Im selben Jahr gelang Werner von<br />
Siemens <strong>die</strong> Erfindung einer Presse für Guttapercha.<br />
Letzteres ist der eingetrocknete Saft eines<br />
asiatischen Baumes und dem Gummi sehr ähnlich.<br />
Mit Hilfe <strong>die</strong>ser Presse konnten elektrische<br />
Kabel mit dem gummiähnlichen Stoff isoliert<br />
und unter See verlegt werden. 1851 wurde das<br />
erste Seekabel zwischen Calais und Dover durch<br />
den Kanal verlegt und der Aufbau eines weltweiten<br />
Kommunikationsnetzes begann. Ab<br />
1858/59 gab es eine Verbindung von England<br />
nach Aden im Jemen. Zeitgleich wurde eine Verbindung<br />
von England über Deutschland und<br />
Russland nach Teheran gebaut. Die erste interkontinentale<br />
Seeverbindung wurde 1866 mit einem<br />
transatlantischen Kabel zwischen England<br />
und Amerika geschaffen. Es folgte 1869 ein Kabel,<br />
das von Persien <strong>bis</strong> nach In<strong>die</strong>n reichte.<br />
1871 wurde Hongkong über In<strong>die</strong>n an das britische<br />
Kabelnetz angeschlossen und <strong>bis</strong> 1873 folgten<br />
Südamerika und Afrika. Schließlich war 1902<br />
mit der Anbindung des Pazifikraums und Australiens<br />
praktisch <strong>die</strong> ganze Welt vernetzt und<br />
konnte mittels elektrischer Impulse kommunizieren.<br />
Mit der von Waghom durch Ägypten erschlossenen<br />
Route dauerte <strong>die</strong> Übermittlungszeit<br />
für eine Nachricht nach Europa von In<strong>die</strong>n nur<br />
noch 90 Tage, später war sie auf etwa 40 Tage<br />
gesunken. Durch <strong>die</strong> Verlegung eines Kabels<br />
nach Aden dauerte eine Nachricht von Hamburg<br />
nach Hongkong - <strong>bis</strong> Aden per Kabel, ab dort<br />
mit dem Dampfer - 1866 nur noch 40 Tage.<br />
Nach 1871 konnten selbst Nachrichten aus China<br />
innerhalb weniger Minuten Europa erreichen.'“’*<br />
Damit konnten auch im Reisgeschäft Entscheidungen<br />
viel eher aus Europa gesteuert werden:<br />
„Schon in den 1870er Jahren konnte ein Kaufmann<br />
in London auf eine Anfrage in Bombay<br />
am gleichen Tag antworten, während zuvor der<br />
99
Briefwechsel rund um das Kap der Guten Hoffnung<br />
fünf <strong>bis</strong> acht Monate gedauert hatte.<br />
Der Spekulationscharakter der Reisgeschäfte<br />
ging deuthch zurück und Angebot und Nachfrage<br />
trafen direkter aufeinander.<br />
„Der direkte Kontakt mit den Anbietern ermöglichte<br />
den Kauf von Waren schon vor deren<br />
Transport unter relativ genauer Vorhersage<br />
ihres Ankunftsdatums. Das Entstehen der internationalen<br />
Warenbörsen von New York,<br />
London, Liverpool, Hamburg und Amsterdam<br />
war eine unmittelbare Folge der Entwicklung<br />
des Femmeldewesens. [...] <strong>die</strong>s trug wesentlich<br />
zu einer Verdichtung der weltwirtschaftlichen<br />
Verflechtung bei.““'®<br />
Wie stark <strong>die</strong> Telegrafie tatsächlich den internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> beeinflusste und Teil der<br />
Geschäfte war, verdeutlicht der Wievag-Code.<br />
Unter dem Titel „<strong>Deutscher</strong> Depeschenkürzer<br />
für den Großhandel in Getreide, Hülsenfrüchten,<br />
Saaten, Mühlenfabrikaten, Reis und sonstigen<br />
Nährmitteln, Futter- und Düngemitteln“ von<br />
1912 wurden Buchstabencodes für telegrafische<br />
Nachrichten im Handel mit den genannten Produkten<br />
veröffentlicht. 29 verschiedene Abkürzungen<br />
für Reis und Reisprodukte sind darin<br />
aufgezählt. Jeweils fünf Buchstaben beschreiben<br />
<strong>die</strong> bestimmte Ware. Reis im Allgemeinen beispielsweise<br />
wurde als fepor co<strong>die</strong>rt. Gemeinsam<br />
waren allen Reisprodukten <strong>die</strong> ersten beiden<br />
Buchstaben fe, <strong>die</strong> folgenden Buchstabenkombinationen<br />
ermöglichten dann <strong>die</strong> genauere Differenzierung.<br />
Zum einen wurde zwischen den<br />
Herkunftsregionen unterschieden: Arracan-Reis<br />
(fepup), Karolina-Reis (ferug), Rangoon-Reis<br />
(fesax) oder Siam-Reis (fesuw). Zum anderen<br />
wurden <strong>die</strong> Qualitäten aus einer Region differenziert:<br />
Siam-Bruchreis (fesyz), Siam-Bruchreis<br />
glasiert (fetan), Siam-C.I-Reis (fetem) und Siam-Patna-Reis<br />
(fetil). Des Weiteren wurden<br />
Reisprodukte co<strong>die</strong>rt: Reismehl (fevob), Reisflocken<br />
(fevuh), Reisgrieß (fevyg) oder Reisstärke<br />
(fexaz). Außerdem wurde zwischen den beiden<br />
wichtigen Reisverarbeitungsstandorten in<br />
Deutschland unterschieden, indem Reis als Bremer<br />
Mühlenfabrikat (fevaf) anders co<strong>die</strong>rt war<br />
als Reis aus Hamburger Fabrikation (feved)."*“<br />
Die Pioniemation der Telegrafie war England.<br />
Die englischen Gesellschaften ließen sich zumeist<br />
zusichern, dass in den Ländern, durch <strong>die</strong><br />
sie ihre Kabel verlegten, keine weiteren Nationen<br />
eine Konzession für Telegrafie erhielten. Damit<br />
sicherten sich <strong>die</strong> Engländer eine Monopolstellung.<br />
<strong>1914</strong> gab es weltweit über 530.000 Kilometer<br />
Telegrafenkabel, von denen 85 Prozent in<br />
britischem Besitz waren. Um weltweit <strong>die</strong> Kommunikation<br />
zu vereinfachen, gab es bereits<br />
<strong>1850</strong>/51 einen internationalen Code, um Nachrichten<br />
nicht an jeder Landesgrenze übersetzen<br />
zu müssen. In den <strong>1850</strong>er Jahren etablierten sich<br />
zudem eine Reihe zwischenstaatlicher Telegrafenvereine.<br />
Auf einem Kongress in Paris 1865<br />
gründeten <strong>die</strong> versammelten europäischen Telegrafenvereine,<br />
einzig England war nicht vertreten,<br />
den „Allgemeinen Telegraphenverein“. Dieser<br />
legte Rechte und Pflichten in der internationalen<br />
Kommunikation via Telegrafie fest. Die<br />
Mitglieder versicherten <strong>die</strong> Wahrung des Telegrammgeheimnisses,<br />
verpflichteten sich, Telegramme<br />
schnell und sicher zuzustellen und dafür<br />
genügend Leitungskapazitäten zur Verfügung zu<br />
stellen. Zudem wurden Modalitäten für eine gemeinsame<br />
Gebührenabrechnung festgelegt.'*'^<br />
Eine weitere Verstetigung des Informationsflusses<br />
erzeugte der Ausbau der weltweiten Eisenbahnnetze.<br />
Zwischen 1840 und 1860 war <strong>die</strong> bedeutendste<br />
Ausbauphase der weltweiten Schienennetze.<br />
Für schnelle Marktinformationen<br />
verlor <strong>die</strong> Eisenbahn, <strong>die</strong> neben dem Personenund<br />
Gütertransport eben auch ein verlässliches<br />
Postmedium war, mit der telegrafischen Erschließung<br />
der Welt durch ein globales Kabelnetz an<br />
Bedeutung. Insgesamt nahm ihre Bedeutung aber<br />
immer weiter zu. Wenn auch nicht alleine der<br />
Eisenbahn wegen, sondern im Verbund mit Infrastruktur-<br />
und Kanalprojekten wie dem Suezkanal,<br />
zunehmenden Schiffsgrößen und der Entwicklung<br />
der Dampfschifffahrt sanken <strong>die</strong> weltweiten<br />
Frachtkosten rapide. Luxusartikel wurden<br />
so für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich<br />
und Reis konnte von der ehemaligen Herrenspeise<br />
in Europa zu einem Massen- und Ar-<br />
100
eiteressen werden. Zwischen 1860 und 1900<br />
sanken <strong>die</strong> Frachtkosten von Weizen aus New<br />
York oder Baumwolle aus Bombay nach Europa<br />
um ein Drittel. Nussbaumer und Exenberger geben<br />
für <strong>die</strong> Transportkosten von Reis sogar an,<br />
dass <strong>die</strong> Frachtkosten nach Europa 1882 74 Prozent<br />
des Warenwertes, <strong>1914</strong> aber nur noch 18<br />
Prozent desselben ausmachte.“*'^ Einschränkend<br />
ist dazu jedoch anzumerken, dass 1882 noch<br />
weitgehend unbearbeiteter Cargoreis verschifft<br />
wurde, während <strong>1914</strong> in erster Linie bereits geschälter<br />
Reis nach Europa exportiert wurde. Dadurch<br />
war der Zwischenverkaufs wert in Birma<br />
schon recht nahe am europäischen Endpreis und<br />
selbst bei gleichbleibenden Transportkosten wäre<br />
der prozentuale Anteil am Warenwert gesunken.<br />
Die Bedeutung der Eisenbahn in Birma zeigt<br />
sich auch daran, dass noch um 1930 eine Trasse<br />
zwischen Birma und China, zwischen dem weltgrößten<br />
Erzeuger und dem weltgrößten Verbraucher,<br />
vermessen und der Bau einer Eisenbahnlinie<br />
geplant war.“'*Eine weitere Bedeutung für<br />
den weltweiten <strong>Reishandel</strong> hatten <strong>die</strong> Eisenbahn<br />
und <strong>die</strong> Telegrafie in In<strong>die</strong>n, weil sie Birma und<br />
In<strong>die</strong>n wirtschaftlich verbanden. In<strong>die</strong>n war einer<br />
der weltgrößten Verbrauchsmärkte für Getreide<br />
und für Reis. Bei Knappheit des einen Lebensmittels<br />
wurde es durch das andere Korn substituiert.<br />
Dadurch kam es zu einem integrierten<br />
Markt von Weizen und Reis, was sich auf <strong>die</strong><br />
Preisbildung des Reises auswirkte und somit einen<br />
weiteren Hinweis gibt, dass der <strong>Reishandel</strong><br />
international, verflochten und damit globalisiert<br />
war.'*'^<br />
Der weltweite Handel und damit auch der <strong>Reishandel</strong><br />
wurden durch eine Reihe weiterer Erfindungen,<br />
technischer Fortschritte und durch den<br />
Abbau von Handelsbarrieren im ausgehenden<br />
19. Jahrhundert erleichtert. 1874 Unterzeichneten<br />
<strong>die</strong> Vereinigten Staaten, Ägypten und fast alle<br />
europäischen Länder, insgesamt 21 Nationen,<br />
einen als Berner Konvention bekannt gewordenen<br />
Allgemeinen Postvereins vertrag. Mit Inkrafttreten<br />
des Vertrags am 1. Juli 1875 erhielt das<br />
internationale Postwesen eine völkerrechtliche<br />
Grundlage, deren wichtigste Grundsätze <strong>die</strong><br />
Postfreiheit sowie <strong>die</strong> Bindung der Transitgebühren<br />
aller Postsendungen, <strong>die</strong> Einheit und Billigkeit<br />
des Portos und zudem der Wegfall der<br />
Portoteilung waren. 1878 nannte sich der Verein<br />
dann Weltpostverein, weil sich das Vertragsgebiet<br />
schon auf alle Kontinente ausdehnte. Bis 1895<br />
traten <strong>die</strong> allermeisten Staaten der Welt dem Verein<br />
bei und garantierten <strong>die</strong> Einhaltung der Postvereinbarung.<br />
Mit dem Beitritt Chinas noch vor<br />
der Jahrhundertwende ver<strong>die</strong>nte der Weltpostverein<br />
seinen Namen endgültig.“*'®<br />
Weitere bedeutende Vereinfachung in der Nachrichtenübermittlung<br />
und der Kommunikation waren<br />
<strong>die</strong> Einführung eines Femsprechsystems und<br />
des Funkwesens. 1876 erfand Graham Bell das<br />
Telefon, allerdings dauerte es <strong>bis</strong> in das 20. Jahrhundert,<br />
<strong>bis</strong> das Telefon flächendeckend eingeführt<br />
war. Erste öffentliche Telefonnetze wurden<br />
in London 1878, Paris 1879 und Berlin 1881<br />
aufgebaut. Zwar gab es <strong>1914</strong> fast 15 Millionen<br />
Femsprechstellen weltweit, als signifikante Erleichterung<br />
für den globalen Handel kann das<br />
Telefonwesen nicht ausgemacht werden. Wohl<br />
ist das Telefon aber ein Mosaikstein wie <strong>die</strong> Einführung<br />
des Funkwesens, das zu einer immer<br />
besser verflochtenen Weltwirtshaft seinen Anteil<br />
leistete. 1903 wurden erstmals Börsenmeldungen<br />
in Paris und New York per Funk verbreitet und<br />
1908 wurde <strong>die</strong> erste Funktelegrafenverbindung<br />
zwischen England und den Vereinigten Staaten<br />
hergestellt. Die neue Qualität im Nachrichtenwesen<br />
lässt sich daran ablesen, dass „keine Verdrängung<br />
eines eingebürgerten Nachrichtensystems<br />
durch ein neu hinzukommendes stattgefunden<br />
hat, sondern daß alle Nachrichtenträger<br />
einen eigenen Platz entsprechend ihrer besonderen<br />
Funktionen [...] gefunden haben“.“*'^<br />
Auch wenn es keine Kommunikation im engeren<br />
Sinn betraf, bauten internationale Konventionen<br />
und Normierungen nach 1870 Handelshemmnisse<br />
ab. 1872 beteiligten sich 20 Staaten an<br />
einer internationalen Meterkonferenz in Paris.<br />
Sie legten einen Standard für das Meter und das<br />
Kilogramm fest und beschlossen <strong>die</strong> Einrichtung<br />
eines internationalen Büros für Maße und Gewichte<br />
in Paris. Im Mai 1875 bekannten sich 17<br />
101
Länder zu den festgelegten Standards, indem sie<br />
<strong>die</strong> Meterkonvention Unterzeichneten. Bis auf<br />
Großbritannien und <strong>die</strong> Vereinigten Staaten<br />
schlossen sich <strong>die</strong> meisten Staaten <strong>bis</strong> Ende des<br />
Jahrhunderts der Konvention an. Die Einführung<br />
der Weltzeit geht auf den gleichen Zeitraum zurück.<br />
Ansatzpunkt war <strong>die</strong> Vereinheitlichung der<br />
Eisenbahnzeiten. 1873 beispielsweise soll es in<br />
den Vereinigten Staaten 71 verschiedene Eisenbahnzeiten<br />
gegeben haben. Zur Lösung <strong>die</strong>ses<br />
Problems, das auf allen Erdteilen auftrat, teilte<br />
der kanadische Eisenbahningenieur Sandford<br />
Fleming <strong>die</strong> 360 Längengrade der Erde in 24<br />
Zonen je 15 Grad ein. Zwischen den benachbarten<br />
Zonen gab es je einen Zeitunterschied<br />
von einer Stunde. In den 1880er Jahren setzte<br />
sich das System Flemings durch und hat <strong>bis</strong> heute<br />
Gültigkeit.“*'*<br />
7. Fazit<br />
In den 25 Jahren zwischen 1855 und 1880 ergaben<br />
sich in vielen sozialen, wirtschaftlichen,<br />
technologischen und auch politischen Bereichen<br />
in den Vereinigten Staaten, in Europa und in<br />
Asien Veränderungen, <strong>die</strong> zu einer dynamischen<br />
und immer enger werdenden weltwirtschaftlichen<br />
Verflechtung führten. Viele <strong>die</strong>ser Entwicklungen<br />
hatten unmittelbaren oder mittelbaren<br />
Einfluss auf <strong>die</strong> Entstehung und besonders auf<br />
<strong>die</strong> rasante Entwicklung eines weltweiten <strong>Reishandel</strong>s.<br />
In Deutschland war Reis schon im Mittelalter<br />
als Nahrungs-, vor allem aber als Genussmittel<br />
der Fürstenhäuser bekannt. Im ausgehenden 18.<br />
Jahrhundert erschien Reis als Speise für besondere<br />
Feste und Hochzeiten auf den bürgerlichen<br />
Speiseplänen. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
wurde Reis jedoch so günstig, dass sich ein fundamentaler<br />
Wandel im Reiskonsum ergab und<br />
Reis zu einer Volksspeise wurde. Zugleich hob<br />
<strong>die</strong> neu entstandene Ernährungswissenschaft<br />
den großen Nährwert des Reises hervor und steigerte<br />
<strong>die</strong> Attraktivität des Nahrungsmittels. In<br />
Deutschland stieg der jährliche Reiskonsum pro<br />
Kopf von 0,18 Kilogramm 1836 auf 1,81 Kilogramm<br />
pro Kopf der Bevölkerung 1880 auf das<br />
Zehnfache an. Reis hatte keinen exklusiven Charakter<br />
mehr, sondern war zu einem gewöhnlichen<br />
Handelsgut geworden, das in großen Mengen<br />
importiert wurde.<br />
Wichtige Voraussetzungen für den umfangreichen<br />
Import von Reis aus Asien nach England<br />
und Deutschland wurden infolge der Aufhebung<br />
der britischen Navigationsgesetze geschaffen.<br />
Mit der britischen Eroberung Birmas wurden<br />
dort riesige Landgebiete zu Ackerflächen erschlossen<br />
und das bedeutendste Reisanbaugebiet<br />
Asiens entstand. Landkultivierung, der Aufbau<br />
einer Infrastruktur und <strong>die</strong> Entwicklung einer<br />
Handelskette von den Kleinbauern <strong>bis</strong> zu den<br />
von Europäern betriebenen Großmühlen in den<br />
Häfen wurden von den Briten initiiert und gefördert.<br />
Akteure <strong>die</strong>ser Entwicklung waren neben<br />
der einheimischen Bevölkerung vor allem Migranten.<br />
Aus Oberbirma, China und In<strong>die</strong>n strömten<br />
unzählige Arbeiter dauerhaft oder auch nur<br />
saisonal nach Birma und sorgten unter schwierigen<br />
Lebensbedingungen für das Wachstum der<br />
dortigen Reiswirtschaft. Die Bauern mussten<br />
sich dabei den Bedingungen der Zwischenhändler<br />
und <strong>die</strong>se wiederum denen der Großmühlen<br />
ln den Häfen beugen. Die wirtschaftliche Grundlage<br />
der Reisbauem war zudem häufig von Geldverleihern<br />
abhängig. Gab es eine ungenügende<br />
Ernte und Kredite konnten nicht bezahlt werden,<br />
folgte oft der Verlust des Ackerlands als Existenzgrundlage<br />
und <strong>die</strong> Verarmung in der Lohnarbeit.<br />
Die Verbindung zwischen dem Reisangebot In<strong>die</strong>ns<br />
und Asiens mit der europäischen Nachfrage<br />
schafften europäische Überseehändler und<br />
Reedereien. Die Zahl europäischer Händler in<br />
Asien stieg nach dem Ende der Navigationsakte<br />
deutlich an. Europäern gelang es, besonders auf<br />
Grund der vorteilhaften Segeleigenschaften europäischer<br />
Schiffe gegenüber asiatischen<br />
Dschunken, sich stark in den asiatischen Küstenhandel<br />
einzubringen. Gab es keine lohnenden<br />
Erachten für <strong>die</strong> europäischen Schiffe in Richtung<br />
Heimat, hielten <strong>die</strong> Reeder ihre Schiffe in<br />
der innerasiatischen Trampschifffahrt beschäf-<br />
102
• <strong>bis</strong> sich gute Frachten zurück in <strong>die</strong> Heimat<br />
'gaben. Mit dem Beginn der Dampfschifffahrt<br />
^ar eine typische Fracht von Europa Richtung<br />
Osten Kohle, während in <strong>die</strong> Gegenrichtung Reis<br />
ein begehrtes Frachtgut war. Im Laufe der 25<br />
Jahre nach 1855 relativierte sich <strong>die</strong> Entfernung<br />
zwischen Asien und Europa zunehmend. Schnellere<br />
Segelschiffe, <strong>die</strong> Durchsetzung der Dampfschifffahrt,<br />
der Bau des Suezkanals und <strong>die</strong><br />
Einführung der Telegrafie brachten <strong>die</strong> beiden<br />
Kontinente einander näher. Geschäftliche Entscheidungen<br />
konnten auf einer besseren Informationsgrundlage<br />
geschlossen werden und aus<br />
abenteuerlichen Geschäften wurden verlässliche<br />
Unternehmungen, weil Angebot und Nachfrage<br />
enger verbunden waren.<br />
Für <strong>die</strong> englische Reismühlenindustrie in London<br />
und Liverpool ergab sich nach dem Verlust der<br />
amerikanischen Reisernten, <strong>die</strong> seit dem 19.<br />
Jahrhundert überwiegend von der heimischen<br />
Industrie verarbeitet wurden, in Birma eine neue<br />
Bezugsquelle. Doch obwohl der amerikanische<br />
Reisexport mit dem Sezessionskrieg ab 1861 zusammenbrach<br />
und <strong>die</strong> Vereinigten Staaten zu einem<br />
Reisimportland wurden, bekam <strong>die</strong> englische<br />
Reisindustrie zunehmend Konkurrenz in<br />
Europa - besonders aus Deutschland.<br />
Deutsche Händler in Birma, Siam und China<br />
handelten schon in den <strong>1850</strong>er Jahren innerhalb<br />
Asiens mit Reis und etablierten sich in Asien<br />
nach den Engländern als zweitwichtigste europäische<br />
Nation im innerasiatischen und interkontinentalen<br />
Handel. In Deutschland entwickelte<br />
sich Bremen zum wichtigsten deutschen<br />
Standort in der Reisverarbeitung. Besondere Bedeutung<br />
dabei erlangte <strong>die</strong> Familie Rickmers.<br />
Da Rickmer Glasen Rickmers entgegen der modernen<br />
Entwicklung am Bau von hölzernen Segelschiffen<br />
festhielt und <strong>die</strong>se Schiffe mangels<br />
Käufer in <strong>die</strong> eigene Reederei einstellen musste,<br />
spezialisierte sich <strong>die</strong> Rickmers-Reederei zunehmend<br />
auf den Transport von Reis. Mit der gestiegenen<br />
wirtschaftlichen Abhängigkeit vom<br />
Reisgesehäft wuchs auch das Engagement in der<br />
verarbeitenden Industrie an. Nach dem Einstieg<br />
in <strong>die</strong> Reismüllerei 1872 wurde Andreas Rickmers<br />
zum bestimmenden Akteur der beeindruckenden<br />
Entwicklung im deutschen <strong>Reishandel</strong>.<br />
103
Kapitel III<br />
Bremen als Zentrum des weltweiten Reisgeschäfts<br />
(1883-1890)<br />
J--:<br />
..J.<br />
1. Reismühlen und Reismüllerei in Bremen<br />
Andreas Rickmers’ Aufstieg als Reismüller<br />
In den 1870er Jahren war <strong>die</strong> wirtschaftliche Lage<br />
der Reederei und der Werft der Familie Rickmers<br />
verfahren. Rickmer Glasen Rickmers lehnte<br />
den Bau moderner Eisenschiffe ab, seine Werft<br />
war technisch rückständig und konnte daher auch<br />
keine Schiffe mehr verkaufen. Um den Betrieb<br />
der Werft dennoch aufrechtzuerhalten, wurden<br />
alle Neubauten in <strong>die</strong> familieneigene Reederei<br />
eingestellt. Diese war zum wirtschaftlichen Erfolg<br />
verdammt, um <strong>die</strong> Verluste aus dem defizitären<br />
Werftgeschäft ausgleichen zu können. Dabei<br />
eroberten <strong>die</strong> konkurrierenden Dampfschiffe<br />
immer mehr Anteile des hart umkämpften<br />
Frachtgeschäfts im Überseeverkehr. Der Ausbau<br />
des erfolgreichen Reisimports war daher eine<br />
zwar gezwungene, aber auch folgerichtige Entscheidung<br />
Rickmer Glasen Rickmers’ und wurde<br />
durch <strong>die</strong> Beteiligung an einer Bremer Reismühle<br />
umgesetzt.<br />
Vom Einstieg in <strong>die</strong> Müllerei <strong>bis</strong> zur industriellen<br />
Großmühle<br />
Am 1. Juli 1872 wurde aus dem Hause Ichon &<br />
Go. <strong>die</strong> Firma Ichon & Rickmers. Eduard Ichon<br />
hatte <strong>die</strong> kleine, 1858 von Eriedrich Konitzky<br />
gegründete Bremer Reismühle 1860 übernommen.<br />
Nach über zehn Jahren Betrieb suchte er<br />
einen Kapitalgeber. Rickmer Glasen Rickmers<br />
hatte bereits früher Pläne gehabt, in Bremerhaven<br />
oder Geestemünde eine Reismühle zu errichten,<br />
<strong>die</strong>ses jedoch während des Deutsch-Französischen<br />
Krieges verworfen. Nun bot sich ihm doch<br />
eine günstige Gelegenheit zum Einstieg in <strong>die</strong><br />
Reismüllerei, und mit einer Einlage von 112.000<br />
Mark wurde Rickmer Glasen Rickmers Teilhaber<br />
104<br />
der Reismühle in der Bremer Neustadt. Obwohl<br />
Rickmer Glasen Rickmers noch <strong>bis</strong> zu seinem<br />
Tod <strong>die</strong> Familienunternehmungen leitete, war<br />
der Einstieg in <strong>die</strong> Reismüllerei für den ältesten<br />
Sohn Andreas ein Aufstieg im väterlichen Unternehmen.<br />
Andreas Rickmers leitete gemeinsam<br />
mit Willy Ichon, dem Sohn des Eirmengründers<br />
Eduard, <strong>die</strong> Geschäfte der Reismühle. In den<br />
folgenden Jahrzenten sollte Andreas Rickmers<br />
zu einer der prägendsten Figuren des weltweiten<br />
<strong>Reishandel</strong>s werden. Die Anfänge lagen in der<br />
Modernisierung und Vergrößerung der bestehenden<br />
Produktionsanlagen. Die Einrichtungen waren<br />
veraltet, und es konnten nicht mehr als<br />
80.000 Säcke Reis zugleich im Betrieb verarbeitet<br />
und gelagert werden.<br />
1875/76 begann <strong>die</strong> Modernisierung der Mühle:<br />
Die Fabrik wurde vergrößert und neue Packhäuser<br />
errichtet. Vor allem aber wurde ein<br />
neues, sechsstöckiges Mühlengebäude gebaut.<br />
Der Rohreis wurde aus dem Parterre des Gebäudes<br />
über Paternoster in <strong>die</strong> jeweiligen Etagen<br />
gefördert. Der Produktionsprozess konnte dadurch<br />
von unten nach oben vorgenommen werden,<br />
was den Arbeitsaufwand verringerte, da bei<br />
der Bearbeitung <strong>bis</strong> zu 25 Prozent Gewichtsverlust<br />
entstanden. Mit dem Einbau einer Gompound-Dampfmaschine<br />
mit einer Leistung von<br />
800 Pferdestärken, <strong>die</strong> vier Kessel mit einer Gesamtheizfläche<br />
von 800 Quadratmetern besaß<br />
und eine alte Dampfmaschine mit 100 Pferdestärken<br />
ersetzte, war <strong>die</strong> Reismühle von Ichon<br />
& Rickmers zu einer richtigen Industriemühle<br />
geworden. Allein für <strong>die</strong> Beleuchtung arbeitete<br />
eine kleine Dampfmaschine von 50 Pferdestärken.<br />
Die Lagerkapazitäten waren durch <strong>die</strong> Umund<br />
Neubauten um ein Viertel auf 100.000 Sack<br />
Reis erhöht und <strong>die</strong> Mühle zur leistungsfähigsten<br />
Großmühle Europas ausgebaut worden.'“’ Die<br />
nötigen Mittel für <strong>die</strong> Modernisierung des Be-
triebs brachte Rickmer Ciasen Rickmers auf, der<br />
seine Einlage <strong>bis</strong> 1875 auf 200.000 Mark erhöhte.'*^“<br />
Um den Ausbau des Unternehmens als führende<br />
reisverarbeitende Industriemühle Europas<br />
fortzusetzen und der Flotte der Rickmers-Schiffe<br />
<strong>die</strong> sichere Abnahme des aus Asien importierten<br />
Reises zu ermöglichen, erhöhten <strong>die</strong> Bremerhavener<br />
ihre Anteile am Unternehmen weiter. Erstmals<br />
erwarb auch Andreas Rickmers eigene<br />
Anteile und <strong>bis</strong> 1878 stieg <strong>die</strong> Kapitalbeteiligung<br />
der Rickmers’ bei der Mühle auf 400.000<br />
Mark.“^'<br />
Der stetig von Andreas Rickmers und seinem<br />
Vater vorangetriehene Expansionskurs lief nicht<br />
reibungslos ab. Aus Sicht der Familie Ichon wurde<br />
<strong>die</strong> Vergrößerung zu schnell vorangetrieben<br />
und war zu risikoreich. Die Erhöhung des Anteils<br />
<strong>bis</strong> zur Hälfte des Unternehmenswertes von<br />
800.000 Mark ist vor <strong>die</strong>sem Hintergrund auch<br />
ein Mittel zur Durchsetzung der Interessen der<br />
Rickmers’ gewesen. Die Abhängigkeit der Reederei<br />
von der Reisverarbeitung wurde zunehmend<br />
größer. Das Reedereigeschäft war für <strong>die</strong><br />
Werft existenziell. Zugleich war wegen der gewonnenen<br />
Größe <strong>die</strong> Fabrik in Bremen auf große<br />
Mengen Reis angewiesen, um überhaupt wirtschaftlich<br />
produzieren zu können. Dies führte<br />
einerseits dazu, dass <strong>die</strong> Schiffe der Rickmers-<br />
Flotte zwar mit Reis ein sicheres Ladungsgut<br />
hatten, andererseits aber nur noch unflexihel und<br />
nicht immer wirtschaftlich am sinnvollsten eigesetzt<br />
werden konnten. 1876 wurden <strong>die</strong> fünf<br />
Schiffe D e ik e R ic k m e r s , A n d r e a s R ic k m e r s ,<br />
Pa u l R ic k m e r s , P e t e r R ic k m e r s und W il l y<br />
R ic k m e r s alle zeitgleich und in Ballast nach<br />
Birma gesandt.'*^^ Somit befand sich letztlich<br />
auch <strong>die</strong> Mühle in einer gewissen Abhängigkeit<br />
von der Reederei - auch wenn andere Reedereien<br />
wahrscheinlich <strong>die</strong> Importe der Rickmers-Schiffe<br />
hätten übernehmen können -, und <strong>die</strong>se war dadurch<br />
eingeschränkt und dennoch zum Erfolg<br />
verdammt. Um <strong>die</strong>se wirtschaftlichen Zwänge<br />
zu lockern, wollte Rickmers <strong>die</strong> Schiffe an Ichon<br />
& Rickmers verchartem. Sie sollten auf Kosten<br />
und Risiko der Mühle Reis, Getreide und Stärke<br />
transportieren. Damit hätten <strong>die</strong> Reederei und<br />
<strong>die</strong> Weift erheblich an Sicherheit gewonnen. Anderseits<br />
wäre das Risiko für <strong>die</strong> Reismühle deutlich<br />
gestiegen: Schiffskosten wären zu tragen,<br />
fehlende Fracht oder niedrige Frachtraten wären<br />
ein Risiko und bei Missernten in Asien wäre <strong>die</strong><br />
Mühle mit ausbleibendem Reis und fehlender<br />
Ladung doppelt getroffen gewesen. Daher lehnte<br />
<strong>die</strong> Familie Ichon <strong>die</strong>ses Ansinnen ab. Die ständigen<br />
Konflikte zwischen den Besitzern eskalierten<br />
an <strong>die</strong>ser Frage und schließlich drängte<br />
Rickmer Glasen Rickmers <strong>die</strong> Familie Ichon aus<br />
der Firma. Er kündigte seine Anteile und bat um<br />
Auszahlung in dem Wissen, dass <strong>die</strong> Familie<br />
Ichon dazu finanziell nicht in der Lage war. Somit<br />
mussten Letztere im Gegenzug ihre Anteile<br />
zum Verkauf anbieten. Diese wurden von Rickmer<br />
Glasen Rickmers aufgekauft und <strong>die</strong> Reismühle<br />
in den Firmenverbund eingegliedert. Aus<br />
Ichon & Rickmers wurde <strong>die</strong> Rickmers Reismühle.“*^^<br />
1876/77 hatte Wilhelm Rickmers, der jüngste<br />
Sohn von Rickmer Glasen Rickmers, eine längere<br />
Reise nach Birma angetreten, um das Reisgeschäft<br />
auch in dem wichtigsten Anbauland<br />
kennenzulernen. Von dort berichtete er über geschäftliche<br />
Pläne für <strong>die</strong> Firma: „In der nächsten<br />
Woche wollte ich hiesigen Reishäusern 65 Rps.<br />
per baskets bezahlen, ob es aber gelingen wird<br />
[...] müssen wir abwarten.“ Er kontrollierte <strong>die</strong><br />
Arbeit der Kapitäne, damit <strong>die</strong> Ladung auf der<br />
Reise nicht verdarb: „[...] so hat Kapitän Buddelmann<br />
<strong>die</strong>ses Mal keine Vorschrift aus den<br />
Augen gelassen um eine gute Stauung und Ventilation<br />
zu erzielen und zweifele ich nicht daran,<br />
dass <strong>die</strong> Ladung ebenso gut als <strong>die</strong> der anderen<br />
Schiffe ausfallen wird.“ Und Wilhelm Rickmers<br />
schrieb über <strong>die</strong> aktuelle Situation auf dem Reismarkt:<br />
„Augenblicklich sind <strong>die</strong> Reispreise bei<br />
Rps. 60 pro Basket doch bezahlt der Manager<br />
von Joseph Heaps & Sons in Liverpool augenblicklich<br />
Rps. 73 und bekonunt deshalb, da sich<br />
alle anderen Häuser standhaft zurückhalten fast<br />
allen ankommenden Reis Mit <strong>die</strong>sen<br />
Erfahrungen aus dem asiatischen Reisgeschäft<br />
ausgestattet, übernahm Wilhelm Rickmers 1878<br />
<strong>die</strong> Geschäftsführung der Reismühle in Bremen<br />
105
¿д:;<br />
und der ältere Bruder Andreas wechselte zurück<br />
in das Stammhaus, von wo er aus übergeordneter<br />
Position das Reis- und das Reedereigeschäft leitete.<br />
Die Reisfabrik der Rickmers’ war <strong>die</strong> größte der<br />
drei Reismühlen am Bremer Weserufer. 1884<br />
wurde sogar eine Niederlassung in Berlin unter<br />
dem Namen Indische Reis-Compagnie gegründet.<br />
Die Hintergründe dazu sind leider nicht zu<br />
klären. Es kann vermutet werden, dass entweder<br />
der Absatz im zollinländischen Preußen gesteigert<br />
oder einem konkurrierenden Unternehmen<br />
kein Markt gegeben werden sollte. Berlin lag<br />
abseits der Transportwege des Rohreises, der<br />
aus Asien kommend <strong>die</strong> Küstenhäfen erreichte,<br />
und war daher kaum als Standort für <strong>die</strong> reisverarbeitende<br />
Industrie geeignet. Kurz nach der<br />
Eröffnung wurde das Unternehmen in Berlin<br />
auch wieder aufgegeben. Die Bremer Mühle verarbeitete<br />
1885 über 920.000 Ballen Rohreis und<br />
übernahm damit fast <strong>die</strong> Hälfte der Reisvermahlung<br />
aller Bremer Mühlen. Bei der Wiederausfuhr<br />
hatte <strong>die</strong> Rickmers’sche Mühle sogar <strong>die</strong><br />
Nase vom und exportierte 9.300 Tonnen an veredeltem<br />
Reis, während <strong>die</strong> anderen Mühlen zusammen<br />
auf 6.100 Tonnen kamen.'*^® Die Zeitschrift<br />
„Die Mühle“ druckte 1889 eine kurze<br />
Meldung über einen Zeitungsbericht in Japan<br />
ab:<br />
„Reisschälmühlen. Ein japanisches Blatt<br />
schreibt: Die anerkannt beste Reismühle der<br />
Welt, welche 750.000 Koku (6 Koku gleich 1<br />
Tonne) im Jahr schält ist <strong>die</strong>jenige des Herrn<br />
Rickmers, Bremen, Deutschland.*“*^’<br />
Als am 27. November 1886 der Schiffbauer<br />
Rickmer Ciasen Rickmers verstarb, übernahm<br />
Andreas Rickmers <strong>die</strong> Leitung des Familienimperiums.<br />
Er war eine bestimmende Person der<br />
industriellen Reismüllerei und maßgeblich dafür<br />
verantwortlich, dass <strong>die</strong> deutsche Veredelungsindustrie<br />
<strong>die</strong> englische zwischen 1885 und 1890<br />
quantitativ und qualitativ hinter sich ließ. Größere<br />
Quantitäten Reis als in Deutschland, und<br />
besonders in Bremen, wurden nirgendwo auf der<br />
Welt industriell veredelt.<br />
106<br />
Technischer Vorgang der Reisveredelung<br />
Wie wurde mit dem Reis in den modernen Reismühlen<br />
im Einzelnen verfahren? Eine Beschreibung<br />
des genauen Vorgangs der industriellen<br />
Verarbeitung und Veredelung des Reises geben<br />
zwei Autoren in „Die Mühle“ in den Jahren 1894<br />
und 1896. Gustav Weinrich bezog sich 1894 auf<br />
eine bestimmte Anlagenart, <strong>die</strong> als „Sistem Martin“<br />
bezeichnet wurde. Der Autor des Artikels<br />
von 1896 bleibt unter den Initialen R. B. anonym,<br />
gab detaillierte Einlassungen, <strong>die</strong> nicht unbedingt<br />
für ein technisches System warben.<br />
Der entscheidende Unterschied der industriellen<br />
Reismüllerei zu den Anfängen der Reisverarbeitung<br />
lag nach R. B. in der technischen Entwicklung<br />
der Mahlvorrichtungen, <strong>die</strong> neue Verarbeitungsmengen<br />
ermöglichten, „namentlich gestatte<br />
der Übergang von der postenweisen zur ununterbrochenen<br />
Beschüttung der Gänge <strong>die</strong> Massenverarbeitung“.<br />
Nach der Ankunft im Hafen<br />
wurden <strong>die</strong> Ladungen zuerst auf Transportschäden<br />
untersucht. Schimmelbefall, Käferbefall,<br />
Verfärbungen durch Überhitzung oder Schäden<br />
durch Seewasser kamen immer wieder vor. Bestenfalls<br />
wurde der Reis nach verschiedenen Stufen<br />
seiner gelblichen Verfärbungen sortiert - je<br />
gelber, desto wertloser war der Reis - und anschließend<br />
in Packhäusem oder Silos eingelagert.<br />
Wo nicht genügend Raum zur Verfügung stand,<br />
wurde er auch unter freiem Himmel gelagert.*“<br />
Der erste Bearbeitungsschritt in der Mühle war<br />
eine Vorsortierung und Reinigung:<br />
„[...] hierzu würde man an Maschinen benötigen<br />
einen Aspirateur mit Speisewalze und<br />
Siebvorrichtung, <strong>die</strong> Siebe (geschlitzte Bleche)<br />
haben drei verschiedene Lochungen, No.<br />
1 für Staub. No. 2 für ganz geringe und gebrochenen<br />
[!] Körner, No. 3 für unsortirten<br />
Reis; <strong>die</strong> Ueberschläge sind Steine, Erdknollen,<br />
grobe Unkrautsamen u.a.m. Der wichtigste<br />
Teil am Aspirateur für Reisschälerei ist<br />
der Windlüfter. Diesem fällt <strong>die</strong> Aufgabe zu,<br />
<strong>die</strong>jenigen zu leichten Körner, welche sich<br />
nur nach der Schwere, nicht aber nach deren<br />
Größe ausscheiden lassen, auszuscheiden.“*’*
Bei Cargoreis, der zu Vs aus enthülstem und zu<br />
'/5 aus ungeschältem Reis bestand, war zudem<br />
<strong>die</strong> Trennung des enthülsten und unenthülsten<br />
Reises wichtig, weil <strong>die</strong> Mahlgänge auf den jeweiligen<br />
Zustand der Körner eingestellt wurden<br />
und bei einer Mischung entweder unvollständig<br />
arbeiteten oder zu viel Bruch erzeugten. Diese<br />
Sortierung war etwas komplizierter und arbeitete<br />
mit dem „Grundsatz der größeren Rauheit (Reibung)<br />
der nicht enthülsten Reiskörner beim Gleiten<br />
über eine schiefe Ebene“ Anschließend<br />
begann <strong>die</strong> eigentliche Vermahlung der Reiskörner<br />
in den Poliergängen,<br />
„<strong>die</strong> der Hauptsache nach aus einem Kegelstumpf,<br />
bezogen mit einer Steinmasse, besteht,<br />
umgeben von einem Mantel aus Drahtgewebe<br />
oder auch gelochtem Bleche, um das<br />
abgearbeitete Mehl sofort abstoßen zu können.<br />
Bemerkt sei hierzu aber, dass nicht der<br />
Mantel, sondern der Kegel Arbeitsfläche ist;<br />
es sind deshalb im Mantel Einsätze aus elastischen<br />
Stoffen eingebaut, <strong>die</strong> den Reis aufhalten<br />
und an den drehenden Stein zur Bearbeitung<br />
drängen. Um ihn zu schonen, lässt<br />
man den Reis <strong>die</strong>ses Verfahren mehrmals<br />
durchmachen, statt ihn mit einem Male kräftig<br />
anzugreifen, [.. .j der Mehlabfall [ist] ein sehr<br />
veränderlicher und schwankt ungefähr zwischen<br />
7 und 23<br />
Um so wenig Mehl und damit Verlust wie möglich<br />
zu erzeugen, galt des Weiteren: „Um Letzteres<br />
zu vermeiden, ist auch darauf zu achten, dass<br />
das Produkt nicht warm wird, was durchaus nicht<br />
zu sein braucht, wenn <strong>die</strong> Aspiration nur leidlich<br />
in Ordnung ist. [...] Dazu be<strong>die</strong>nt man sich beim<br />
Schälgange mit Vorteil einer Bürstmaschine mit<br />
Lüftung.Nach den Mahlgängen wurde das<br />
Produkt noch mehrfach gereinigt und sortiert,<br />
dafür verwendete man wiederum Bürstmaschinen,<br />
Windlüfter und Siebe. Danach konnten alle<br />
gewonnenen Produkte dem Handel oder ihrer<br />
weiteren Verarbeitung zugeführt werden.<br />
Die idealen Mahlsteine, so Gustav Weinrich in<br />
seinem Aufsatz und auch schon ein unbekannter<br />
Informant 1887, seien sächsische Steine aus der<br />
Gegend um Pirna und Zittau.“*^^ Im gleichen Jahr<br />
wurden in dem Fachblatt Reismühlen, also deren<br />
technische Anlagen, von der auf Mühlenbauten<br />
spezialisierten Maschinenfabrik Moritz Martin<br />
aus Bitterfeld angepriesen.'*^'* Der Mühlenbaumeister<br />
und Ingenieur konstruierte und patentierte<br />
Schälmaschinen, wie sie eben auch im Artikel<br />
des Gustav Weinrich von 1894 beschrieben<br />
wurden. Die innovative Technik, <strong>die</strong> industrielle<br />
Verarbeitungsmaßstäbe ermöglichte, kam offensichtlich<br />
nicht aus dem industriell eher schwach<br />
entwickelten Nordwesten Deutschlands, sondern<br />
aus dem sächsischen Industriegebiet zwischen<br />
Bitterfeld und der Elbregion.<br />
In beiden Artikeln des Müllerei-Organs wurde<br />
darauf verwiesen, dass <strong>die</strong> technische Entwicklung<br />
der Reismühlen in den vergangenen Jahrzehnten<br />
eine positive Entwicklung erfahren hatte.<br />
Die technischen Einrichtungen der deutschen<br />
Reisindustrie trugen zu der weltweit hervorstechenden<br />
Entwicklung des deutschen <strong>Reishandel</strong>s<br />
bei. Und doch sollten <strong>die</strong> Errungenschaften, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Welt zusammenwachsen ließen und <strong>die</strong> deutsche<br />
Reisindustrie ermöglichten, auch bald zu<br />
einer Bedrohung werden;<br />
„Der Bau von Reismühlen und den dazugehörigen<br />
Maschinen kann sich noch bedeutend<br />
entwickeln, da in den reisbauenden Ländern<br />
noch viele hundert Millionen von Reisessern<br />
sich auf <strong>die</strong> unvollkommene Art ihren Reis<br />
bearbeiten. [...] Was <strong>die</strong> deutsche Reis-Mühlenindustrie<br />
betrifft, so [...] wird sie kränkeln,<br />
wenn nicht verkümmern. Alle staatlichen<br />
Maßnahmen werden dem natürlichen Verfall<br />
des einheimischen Reisgeschäfts auf <strong>die</strong> Dauer<br />
keine Schranken setzen können. Die reisbauenden<br />
Länder werden immer mehr <strong>die</strong> Bearbeitung<br />
der Ware selbst in <strong>die</strong> Hand nehmen,<br />
[...] <strong>die</strong> Verringerung der Güte des<br />
Reises durch <strong>die</strong> lange Seebeförderung ist<br />
nicht mehr vorhanden, <strong>die</strong> schnellfahrenden<br />
großen Frachtdampfer mit guten Lüftungseinrichtungen<br />
bringen polirten indischen Reis<br />
in tadelloser Beschaffenheit auf den europäischen<br />
Markt und ihm wird das Mehl schon<br />
bald nachfolgen.'“*^^
i- i)<br />
Zwei der drei größten Bremer Reismühlen wurden<br />
von der Familie Nielsen betrieben. Die Vorfahren<br />
stammten aus Dänemark und waren im<br />
18. Jahrhundert nach Bevern bei Höxter an der<br />
Weser gezogen. Dort wurde 1760 Friedrich Carl<br />
Ferdinand, der Gründer des ersten Bremer Geschäfts,<br />
geboren. Er erwarb 1796 das Bremer<br />
Bürgerrecht und gründete im Folgejahr ein Versandgeschäft<br />
in der Altstadt. Der dritte Sohn,<br />
ebenfalls Friedrich Carl Ferdinand genannt, wurde<br />
1803 in der Hansestadt geboren und wurde<br />
nach dem Tod des älteren Bruders im Kindesalter<br />
der älteste männliche Sohn und somit zum<br />
Stammhalter des väterlichen Geschäfts.<br />
Nach dem frühen Tod des Vaters 1812 und dem<br />
Tod der Mutter 1823 übernahm Friedrich Carl<br />
Ferdinand das Familienunternehmen schon kurz<br />
vor der eigenen Volljährigkeit. Neben dem Versandhandel<br />
hatten <strong>die</strong> Eltern ein gut laufendes<br />
Oberländisches Geschäft betrieben. Als Oberländisches<br />
Geschäft wurde der Absatz Bremer<br />
Waren und in Bremen angelandeter Waren, beispielsweise<br />
Kolonialwaren, in das Umland und<br />
der Küste abgewandte Hinterland bezeichnet.<br />
Die mit den Geschäften verbundenen Reisen<br />
sagten dem jungen Kaufmann offenbar nicht zu<br />
und er baute das Geschäft zu einem Tabakhandel<br />
um. Da Nielsen „gerne dem amerikanischen<br />
Prinzip folgte, wenn ein Geschäft nicht der Erwartung<br />
entspricht es aufzugeben und ein neues<br />
anzufangen oder <strong>die</strong> Branche des Geschäfts [zu<br />
wechseln]“, war auch der Tabakhandel nicht von<br />
langer Dauer. Aus einem angesehenen Kaufmann<br />
wurde innerhalb weniger Jahre ein Pionier der<br />
Industrialisierung in Bremen und ein moderner<br />
Fabrikant. Der Beginn des Aufstiegs zu einem<br />
der bedeutendsten Industriellen Bremens war<br />
der Kauf einer Kalkbrennerei am Stephani-Ufer<br />
und <strong>die</strong> Errichtung einer Kalkmühle 1837. Für<br />
spätere Vergrößerungen wurden umliegende<br />
Grundstücke ebenfalls erworben und eine Zementfabrik<br />
an <strong>die</strong> Kalkbrennerei angegliedert.<br />
„Es wurde nun eine Dampfmaschine [für <strong>die</strong> Fabrik]<br />
angeschafft, und war <strong>die</strong>se <strong>die</strong> erste<br />
Dampfmaschine, welche in Bremen arbeitete<br />
[Hervorhebung Rodewald].““^^<br />
Die Anschaffung der Dampfmaschine 1838 war<br />
für das vom Handel geprägte Bremen ein wichtiger<br />
Schritt in das Industriezeitalter und zugleich<br />
für Friedrich Carl Ferdinand Nielsen der erste<br />
Schritt ln das Müllereiwesen. Zur Nutzung der<br />
Dampfkraft hatte er gegen den Widerstand der<br />
zünftisch organisierten Bäcker 1839 <strong>die</strong> Vermahlung<br />
von Roggen und Gerste zur Herstellung<br />
von Schiffsbrot und englischen Keksen aufgenommen.<br />
Obwohl Nielsen kein Überseekaufmann<br />
war, profitierte er hier von den globalen<br />
Migrationsbewegungen des 19. Jahrhunderts und<br />
machte für zwei Jahre mit dem Schiffsbrot gute<br />
Geschäfte, weil Bremen als der damals wichtigste<br />
Auswandererhafen eine entsprechende<br />
Nachfrage hatte. Als <strong>die</strong> Konkurrenz stärker wurde,<br />
wechselte Nielsen wiederum das Geschäftsfeld<br />
und setzte seine Dampfmaschine für eine<br />
Sägemaschine und <strong>die</strong> Herstellung von Zigarrenkisten<br />
ein. Zudem machten er und sein Bruder<br />
Anton Heinrich Nielsen (1805-1883) erste Versuche,<br />
in ihrer Mühle Reis zu polieren. Da Angebot<br />
und Nachfrage für Reis 1842 offenbar<br />
noch nicht lukrativ erschienen, wurde <strong>die</strong> Firma<br />
Gebrüder Nielsen zu einer Zuckerfabrik. Ob der<br />
Zucker aus europäischen Steckrüben oder aus<br />
Zuckerrohr aus Übersee hergestellt wurde, ist<br />
nicht überliefert. Da für <strong>die</strong> Zuckergewinnung<br />
aus Steckrüben in einem 1801 in Schlesien entwickelten<br />
chemischen Verfahren Kalk benötigt<br />
wurde, liegt <strong>die</strong> Vermutung nahe, dass der ehemalige<br />
Kalkbrenner Nielsen Zuckerrüben verarbeitete<br />
und nicht Kolonialwaren einkaufte. Die<br />
Zuckerfabrikation war das <strong>bis</strong> dahin einträglichste<br />
Geschäft, das erst in den 1880er Jahren unrentabel<br />
wurde und daher eingestellt wurde.<br />
Anton Heinrich Nielsen war 1854 aus dem Familiengeschäft<br />
ausgeschieden und wurde im Folgejahr<br />
zum Begründer der Reisindustrie in Bremen.<br />
Er kaufte ein Grundstück in der Neustadt,<br />
„wo sich heute <strong>die</strong> großen Anlagen der Beck &<br />
Co. Exportbrauerei befinden. Die Nielsen sind<br />
also auch hier, wie am Stephanitorsbollwerk.<br />
Wegebahner im Aufbau eines neuen Industrie-
Viertels gewesen.“''^’' Erst als <strong>die</strong> Reisgeschäfte<br />
in den 1890er Jahren etwas schlechter liefen,<br />
wurden familienfremde Gesellschafter aufgenommen,<br />
weil fremdes Kapital benötigt wurde.<br />
Die Firma Anton Nielsen & Co. wurde als Bremer<br />
Reismühlen, vorm. Anton Nielsen & Co.,<br />
A.G. zu einer Aktiengesellschaft umgewandelt.<br />
1901 ging <strong>die</strong> Firma in der Reis- und Handels<br />
AG auf und wurde mit einem Wert von 1.591.000<br />
Mark beziffert. 1905 wurden <strong>die</strong> Fabrikation von<br />
der Reis- und Handels AG eingestellt und 1911<br />
schließlich <strong>die</strong> Grundstücke verkauft.<br />
Der ältere Bruder Friedrich Carl Ferdinand nahm<br />
mit seiner Firma, Gebr. Nielsen, erst 1862 <strong>die</strong><br />
Reismüllerei auf. Zehn Jahre vor dem Einstieg<br />
von Rickmer Ciasen Rickmers in <strong>die</strong> Reisindustrie<br />
gehörte er aber noch immer zu den ersten<br />
Reismüllem in Bremen und hatte auch schnell<br />
<strong>die</strong> vorerst größte Fabrik. Als <strong>die</strong> Preise für<br />
Bruchreis immer weiter stiegen, wurde 1874 zudem<br />
eine Stärkefabrik angegliedert, in der der<br />
anfallende Bruchreis gewinnbringend verarbeitet<br />
wurde. Als Friedrich Carl Ferdinand Nielsen<br />
1877 <strong>die</strong> Fabriken an seine Söhne übergab, war<br />
Gebr. Nielsen noch immer ein reiner Familienbetrieb.<br />
Dies änderte sich auch mit der Gründung<br />
einer Aktiengesellschaft 1894 nicht. Das Stammkapital<br />
von 2.800.000 Mark lag in den Händen<br />
der vier Brüder. Aufsichtsratsvorsitzender wurde<br />
Johann Wilhelm Nielsen (1833-1907) und <strong>die</strong><br />
Geschäftsführung hatten Anton Julius (1835-<br />
1911), Heinrich Adolf (1849-1902) und Friedrich<br />
Carl Ferdinand (1828-1895) inne. 1901 gingen<br />
Reismühle und Stärkefabrik der Gebr. Nielsen<br />
AG ebenfalls in der Reis- und Handels AG<br />
auf Dabei wurde der Wert des Unternehmens<br />
mit 3.359.151,35 Mark berechnet. Damit war<br />
<strong>die</strong> Gebr. Nielsen AG nach der Rickmers-Mühle<br />
1901 das zweitgrößte Unternehmen der Reisindustrie<br />
in Bremen.'*^®<br />
Rickmer Ciasen Rickmers war als Unternehmer<br />
im Auswandererverkehr, Schiffsreeder und Importeur<br />
von Kolonialwaren mit Reis in Verbindung<br />
gekommen und schrittweise waren Transport<br />
und Veredelung von Reis zu seinen wichtigsten<br />
Geschäftsfeldem geworden. Ganz anders<br />
war es bei Friedrich Carl Ferdinand und Anton<br />
Heinrich Nielsen. Die Brüder gehörten zu den<br />
ersten Fabrikanten Bremens und waren in der<br />
Hansestadt Pioniere der industriellen Fabrikation.<br />
Sie versuchten sich in der industriellen Fertigung<br />
verschiedenster Dinge, <strong>bis</strong> sie letztlich<br />
<strong>die</strong> Reisveredelung und <strong>die</strong> Fabrikation von Reisstärke<br />
langfristig als Erfolgsgeschäft betrieben.<br />
Für <strong>die</strong> Brüder Nielsen war nicht der Kontakt<br />
zu den Anbaugebieten der Auslöser, sich in der<br />
Reisverarbeitung zu engagieren, sondern <strong>die</strong><br />
technischen Möglichkeiten der Industrialisiemng<br />
in einer Fabrik mit Dampfkraft machten sie zu<br />
zwei bedeutenden Unternehmern der globalen<br />
Reisindustrie. Zugleich erleichterte <strong>die</strong> Verarbeitung<br />
einer Kolonialware den Nielsens das Fabrikwesen.<br />
Denn der Rohstoff der Reismühle<br />
konnte <strong>bis</strong> zum späten Bremer Zollanschluss<br />
1888 zollfrei eingeführt werden. Da ein großer<br />
Teil des Reises wieder exportiert wurde, war <strong>die</strong><br />
Reisfabrik nicht durch <strong>die</strong> Zölle belastet. Andere<br />
Industrien hingegen hatten es in Bremen schwer,<br />
da sich <strong>die</strong> Produkte verteuerten, sobald sie beim<br />
Absatz auf dem Binnenmarkt <strong>die</strong> Bremer Zollgrenze<br />
passierten.<br />
Reisfuttermehl<br />
Das bei den Mahlvorgängen in den Reismühlen<br />
anfallende Mehl wurde ebenfalls gewinnbringend<br />
verkauft. Als Nährstoff waren einzig <strong>die</strong><br />
Strohhülsen des Reises wertlos und für Tiere sogar<br />
schwer verdaulich. Die darunterliegende Epidermis,<br />
<strong>die</strong> Silberhaut des Reiskorns, <strong>die</strong> beim<br />
Schälen und Polieren ebenfalls vom Kom getrennt<br />
wurde, enthält jedoch Fett und Eiweiße,<br />
<strong>die</strong> sich für <strong>die</strong> Tiermast eignen. Das Mehl und<br />
der Bruch des kohlenhydratreichen Reiskorns<br />
waren innerhalb des Reisfuttermehls <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Bestandteile, weil sie am meisten Nährwert<br />
besaßen. Über den Ende der 1870er Jahre<br />
entdeckten Markt für Reisfuttermehl hieß es<br />
1882;<br />
„Gesuche und Offerten <strong>die</strong>ser Futterstoffe in<br />
öffentlichen und namentlich Fachblättern sind<br />
gegenwärtig so zahlreich, dass man sich fra-<br />
109
gen muss, ob denn das Geschäft darin in der<br />
That so bedeutend sei. Leider müssen wir das<br />
aus eigener Erfahrung bejahen, <strong>die</strong> große<br />
Preissteigerung [...) in Italien und Holland<br />
sind ein Zeugnis dafür und <strong>die</strong> Einfuhrstatistik<br />
des zu Ende gegangenen Jahres 1881 wird<br />
<strong>die</strong>s ebenfalls beweisen.*“*^’<br />
Auf dem Markt für Reisfuttermehl gab es also<br />
auch ausländische Konkurrenz und es schien ein<br />
einträgliches Geschäft zu sein, den Abfall der<br />
Reismüllerei als Tierfutter zu verwerten. Die<br />
Käufer des Futtermehls waren misstrauisch, weil<br />
es häufig mit Reiskleie versetzt war. Reiskleie<br />
ist ein Mehl aus den nährstoffarmen Strohhülsen<br />
der Reiskörner. Des Öfteren sahen sich Landwirte<br />
getäuscht und Reisfuttermehl geriet in Verruf,<br />
weil es durch <strong>die</strong> Zusätze von Kleie im Wert<br />
gemindert worden war. Rickmer Glasen Rickmers<br />
ging <strong>die</strong>ses Problem offensiv an und veröffentlichte<br />
eine Stellungnahme unter dem Namen<br />
seiner Firma. Darin zitierte er eingangs einen<br />
Artikel der Kölnischen Zeitung, aus dem<br />
hervorging, dass ein hessischer Landwirt durch<br />
minderwertiges Futtermehl geschädigt worden<br />
war. Da der Proteingehalt deutlich unter den angegebenen<br />
Werten gelegen hatte, war es in dem<br />
beschriebenen Fall zu einer Überteuerung von<br />
3,83 Mark je 100 Kilogramm gekommen. Anschließend<br />
bestätigte Rickmer Glasen Rickmers,<br />
größere Mengen Reisfuttermehl an hessische<br />
Konsumvereine gesandt zu haben. Um sich von<br />
dem nun im Raum stehenden Verdacht des Betrugs<br />
zu distanzieren, hatte er Proben seiner Produktion<br />
an <strong>die</strong> Landwirtschaftliche Versuchsstation<br />
für das Großherzogtum Hessen gesandt und<br />
analysieren lassen. Zuletzt veröffentlichte er <strong>die</strong><br />
Mitteilung der Analyseanstalt, nachdem das<br />
Rickmers’sehe Futtermehl „den garantierten<br />
Nährstoffgehalt nicht nur stets in vollem Maße<br />
gehabt, sondern denselben in vielen Fällen nicht<br />
unerheblich überschritten“ hatte.'*’“’<br />
Um <strong>die</strong> Abfälle der Reismühle gewinnbringend<br />
absetzen zu können, nutzte Rickmer Glasen<br />
Rickmers einerseits <strong>die</strong> Möglichkeiten der modernen<br />
Ghemie und andererseits eine äußerst geschickte<br />
Werbestrategie. Rickmers garantierte<br />
seinen Abnehmern schon 1879 einen Mindestgehalt<br />
an Nährstoffen in seinem Reisfuttermehl<br />
der Qualitäten I und II. Für <strong>die</strong> Qualität I galt<br />
ein Mindestgehalt von acht Prozent Fett, elf Prozent<br />
Proteinen und 63 Prozent stickstofffreier<br />
Extrastoife, für <strong>die</strong> Qualität II wurden Anteile<br />
von zwölf Prozent Fett, zwölf Prozent Proteinen<br />
und 52 Prozent stickstofffreier Anteile garantiert.<br />
Des Weiteren wurde allen Abnehmern auf<br />
Wunsch eine chemische Analyse des Futtermehls<br />
zugesichert:<br />
„Kostenfreie Analysirung steht jedem Abnehmer<br />
Oldenburgs und Ostfrieslands in Oldenburg,<br />
Schleswig-Holsteins in Kiel, des übrigen<br />
Deutschlands sowie Auslands in Hildesheim<br />
zu.<br />
Durch <strong>die</strong>se Garantieleistung wird <strong>die</strong> vielfach<br />
ausgesprochene Besorgnis wegen ungleichmässigen<br />
Gehalts, sowie auch fremder,<br />
schädlicher Beimischung vollständig beseitigt.“'*'"<br />
Zur Bestätigung <strong>die</strong>ses Kundenservices wurde<br />
von der landwirtschaftlichen Versuchs-Station<br />
Hildesheim ein Vertrag veröffentlicht, den selbige<br />
mit Rickmers für <strong>die</strong> angekündigten Kontrollen<br />
geschlossen hatte. Der Vertrag umfasste<br />
neun Paragraphen, <strong>die</strong> den Ablauf der Nährstoffkontrollen<br />
im Einzelnen regelten. War das Ergebnis<br />
einer Kontrolle derart, dass <strong>die</strong> garantierten<br />
Nährstoffgehalte im Futtermehl nicht erreicht<br />
wurden, gab es eine Kostenerstattung nach einem<br />
komplizierten System, das innerhalb kleiner Toleranzen<br />
aus den Differenzen zwischen garantierten<br />
und tatsächlichen Nährstoffgehalten berechnet<br />
wurde. Wurden <strong>die</strong> Toleranzbereiche<br />
ganz verfehlt, wurde <strong>die</strong> Ware von der Bremer<br />
Reismühle zurückgenommen. Zur Verdeutlichung<br />
wurden Beispielrechnungen angefügt. Zudem<br />
warb das Bremer Unternehmen noch mit<br />
Offenheit, indem den Laboren das Recht zugestanden<br />
wurde, ihre Testergebnisse über das<br />
Reisfuttermehl von Rickmers in allen landwirtschaftlichen<br />
Blättern zu veröffentlichen. Überparteilichkeit<br />
und Kundenzufriedenheit signalisierte<br />
zudem <strong>die</strong> letzte Seite des Prospekts mit<br />
Lob und Anerkennung für <strong>die</strong> Qualität des Fut-<br />
110
termehls, das Rickmers von den „Kunden unaufgefordert<br />
zugegangen“ sei. So hieß es auf der<br />
1. Deutschen Molkerei-Ausstellung in Berlin<br />
1879 beispielsweise, dass „das Mehl von allen<br />
Viehgattungen mit grosser Begier gefressen“<br />
werde, dass <strong>die</strong> mit dem „Futtermehl Nr. 2 angestellten<br />
Probeversuche bei Milch- und Zuchtvieh<br />
günstig ausgefallen sind“ und auch, dass<br />
das Futtermehl „von den Herren Preisrichtern<br />
für sehr gut erklärt“ wurde.“*^^<br />
Werbung durch <strong>die</strong> Veröffentlichung von zufriedenen<br />
Kundenzuschriften forcierte <strong>die</strong> Bremer<br />
Reismühle, indem sie gezielt bei Kunden nachfragte,<br />
wie viel Reisfuttermehl sie pro Rind oder<br />
Schwein und Tag verfütterten und wie zufriedenstellend<br />
<strong>die</strong> Ergebnisse seien. Die Objektivität<br />
<strong>die</strong>ser Zuschriften kann nicht bewertet werden,<br />
weil es an Aussagen von Konkurrenten im<br />
Futtermittelgeschäft oder von objektiven Instanzen<br />
mangelt. Beeindruckend ist dennoch ein<br />
Heft, in dem <strong>die</strong> Antwortschreiben der Kunden<br />
- natürlich im gedachten Sinn nur positiv berichtend<br />
- auf immerhin 35 Seiten zusammengefasst<br />
und veröffentlicht wurden. Über weite<br />
Teile liest sich <strong>die</strong>ses Heft wie eine Gebrauchsanweisung,<br />
wie viel Reisfuttermehl in welcher<br />
Mischung mit anderen Futtermitteln an Pferde,<br />
Rinder oder Schweine zu verfüttern sei, wie sich<br />
ein guter Geschmack von Butter durch <strong>die</strong> Füttemng<br />
der Milchkühe erzielen lasse oder wie<br />
<strong>die</strong> beste Gewichtszunahme bei Masttieren am<br />
günstigsten erreicht werde.“*^^<br />
Die Vertriebswege <strong>die</strong>ser Informations- und Werbehefte<br />
lassen sich nicht mehr rekonstruieren.<br />
Vorstellbar ist, dass sie jeder Lieferung beigelegt<br />
wurden und das Futtermehl von Rickmers somit<br />
schrittweise im Kreis potentieller Kunden bekannter<br />
wurde. Durch <strong>die</strong> Veröffentlichungen<br />
von Futtermehl-Analysen in den landwirtschaftlichen<br />
Zeitschriften wurden zwei Ziele zugleich<br />
erreicht, indem erstens das Produkt der Bremer<br />
Mühle im gesamten Adressatenkreis bekannt gemacht<br />
und zweitens der Charakter interessengeleiteter<br />
Werbung durch <strong>die</strong> Seriosität eines Fachorgans<br />
und wissenschaftliche Objektivität überdeckt<br />
wurde.<br />
2. Die deutsche Reisstärkeindustrie<br />
Als sich unter Bismarcks Führung das Deutsche<br />
Reich konstituierte, hatte <strong>die</strong> industrielle Entwicklung<br />
in Deutschland eine neue Dimension<br />
erreicht. Der Entwicklungsrückstand gegenüber<br />
England auf dem Weg zu einer Industrienation<br />
war weitestgehend geschrumpft. Nipperdey konstatierte<br />
für <strong>die</strong> Mitte des Jahrhunderts noch, dass<br />
es in Deutschland keinen zusammenhängenden<br />
Markt gab, <strong>die</strong> Verkehrsinfrastruktur mangelhaft<br />
und Rohstoffe wie Wolle und Kohle knapp waren.<br />
Politisch, Steuer- und zollrechtlich war Deutschland<br />
partikularisiert und neben allem wirtschaftlichen<br />
Wagemut und Innovationsgeist gab es noch<br />
immer Reste einer Zunftmentalität, deren oberste<br />
Maxime <strong>die</strong> Besitzstandswahrung durch <strong>die</strong> Erhaltung<br />
alter Strukturen war.“*^ Um 1870 hatte<br />
sich das Bild der deutschen Industrie jedoch von<br />
Grund auf verändert. Eine politische Einheit war<br />
mit der Reichsgründung verwirklicht und - wie<br />
übrigens auch im 20. Jahrhundert nach 1945 und<br />
1989 - <strong>die</strong> Nationen- und Nationalstaatsbildung<br />
wurde durch materiellen Wohlstand und <strong>die</strong> gemeinsame<br />
Wirtschaftskraft vorangebracht.<br />
„Deutschland erreicht das Stadium des gesteigerten<br />
und permanenten Wachstums; <strong>die</strong> Industrie<br />
wird aus einem eher marginalen zum führenden<br />
Sektor der Wirtschaft, Fabrik, Arbeiterschaft<br />
und Industriestadt werden <strong>die</strong> neuen, <strong>die</strong><br />
gesellschaftsprägenden Wirklichkeiten.“'*^^<br />
Diese neuen Wirklichkeiten waren nach wie vor<br />
regional unterschiedlich und je nach Marktanbindung,<br />
Infrastrukturen und Arbeits- sowie Kapitalressourcen<br />
ausgeprägt. Im Raum Lippe gab<br />
es zur Jahrhundertmitte keine Industrieunternehmen<br />
mit globaler Bedeutung. Einzelne Industriezweige<br />
wie <strong>die</strong> Wäsche-, Holz- und Möbelindustrie<br />
verdrängten zwar zunehmend altes Gewerbe,<br />
aber auch 1870 gab es dort erst eine<br />
einzige Fabrik, <strong>die</strong> in das weltweite Handelsnetz<br />
integriert war: <strong>die</strong> Stärkefabrik in Salzuflen.'*'*®<br />
Die Entwicklung des deutschen <strong>Reishandel</strong>s und<br />
der Verarbeitungs- sowie der Veredelungsindustrie<br />
durch den zunehmenden weltweiten Handel<br />
mit Reis brachte dem Raum Lippe einen Roh-<br />
111
stoff, durch dessen Verarbeitung in Salzuflen ein<br />
Industriebetrieb mit wirtschaftlicher Bedeutung<br />
für ganz Europa entstand.<br />
Von der Stärkefabrik Salzuflen zu Hoffmann ’s<br />
Stärkefabriken AG<br />
Zur Geschichtsschreibung über <strong>die</strong> Hoffmann ’s<br />
Stärkefabriken AG<br />
Die <strong>bis</strong>herige historiographische Beachtung der<br />
Stärkefabrik Salzuflen hat einige interessante<br />
Züge und soll daher kurz gewürdigt werden.<br />
Über <strong>die</strong> Geschichte der Stärkefabrik, später<br />
dann Eduard Hoffmann & Co. beziehungsweise<br />
Hoffmann’s Stärkefabriken AG, gibt es eine ganze<br />
Reihe von Veröffentlichungen. Die älteste<br />
Schrift über <strong>die</strong> deutsche Reisstärkeindustrie ist<br />
nur knapp 50 Jahre nach der Gründung der Stärkefabrik<br />
Bad Salzuflen von Herbert van der<br />
Borght vorgelegt worden. Van der Borght war<br />
Ökonomieprofessor in Aachen und später der<br />
Präsident des Kaiserlichen Statistischen Amtes<br />
in Berlin. Obwohl er Wissenschaftler war, ist<br />
<strong>die</strong> Arbeit van der Borghts kritisch zu betrachten,<br />
da <strong>die</strong> Arbeit von den deutschen Reisstärkefabriken<br />
unterstützt wurde, Hoffmann’s den größten<br />
Teil der Auflage kaufte und das Manuskript<br />
auch redigierte. Damit hat sie trotz ihres Informationsgehaltes<br />
den Charakter einer Auftragsoder<br />
Werbearbeit. Ergänzt wurde <strong>die</strong> Schrift Richard<br />
van der Borghts durch <strong>die</strong> Dissertation<br />
seines Sohnes Herbert van der Borght. Doch<br />
auch <strong>die</strong>ser dankt bereits im Vorwort dem Verein<br />
der Stärkeinteressenten Deutschlands, Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken und einer weiteren Firma.<br />
Zudem heißt es dort, dass <strong>die</strong> Arbeit während<br />
eines kurzen „Urlaubs aus dem Felde entstanden<br />
ist“ und eine „Fortsetzung der im Jahre 1899 erschienenen<br />
„Beiträge zur Geschichte der deutschen<br />
Reisstärkeindustrie“ meines Vaters [...]<br />
sein“ soll. Die genannten Argumente sind für<br />
den heutigen Leser eher ein Hinweis, zu hinterfragen,<br />
ob <strong>die</strong> Recherchen während eines Fronturlaubs<br />
intensiv genug waren. Zuletzt diskreditiert<br />
der Hinweis, dass das Werk „hauptsächlich“<br />
deswegen geschrieben worden sei, weil es „namentlich<br />
in den beteiligten Kreisen“ gewünscht<br />
wurde.''^’ Trotz <strong>die</strong>ser kritischen Einschränkungen<br />
ist festzuhalten, dass Herbert van der Borght<br />
ein sehr informatives und detailliertes Bild über<br />
<strong>die</strong> Entwicklung der deutschen Reisstärkeindustrie<br />
zeichnete, das im Folgenden eine wichtige<br />
Grundlage bildet. Bis etwa 1990 beschränkte<br />
sich <strong>die</strong> Literatur dann auf Festschriften oder<br />
weitere Auftragsarbeiten wie <strong>die</strong> von Richard<br />
Tiemann 1930 beziehungsweise Schriften von<br />
Hoffmann’s Mitarbeitern wie dem Generaldirektor<br />
Otto Künne.“*^®Trotz ihres Informationsgehaltes<br />
stehen <strong>die</strong>se Werke unter einem hagiographischen<br />
Verdacht und es ist zu vermuten,<br />
dass es an nötiger Distanz und einem kritischen<br />
Blick fehlt.<br />
Neu erschließbar wurde <strong>die</strong> Geschichte der größten<br />
deutschen Stärkefabrik in Bad Salzuflen, als<br />
ab 1991 das Stadtarchiv Bad Salzuflen“^®stückweise<br />
das gesamte Firmenarchiv von Hoffmann’s<br />
übernahm. Im Jahr 2010 war der gesamte Bestand<br />
des Firmenarchivs durch das Stadtarchiv<br />
über Findbücher erschlossen. Die wohl tiefsten<br />
Einblicke in <strong>die</strong> Geschichte der Stärkeproduktion<br />
in Salzuflen hatte Stefan Wiesekospsieker, der<br />
sie in seiner Dissertation über <strong>die</strong> betriebliche<br />
Sozialpolitik 2005 vorlegte. Trotz seiner intensiven<br />
Einblicke und einiger weiterer Arbeiten<br />
aus den vergangenen 15 Jahren ist <strong>die</strong> Geschichte<br />
der Hoffmann’s Stärkefabriken AG noch nicht<br />
umfassend historisch aufgearbeitet. Denn auch<br />
Wiesekopsieker kommt zu dem Schluss, dass<br />
eine „detailliertere Firmengeschichte, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
zahlreichen Einzelaspekte anhand der reichhchen<br />
Aktenüberlieferung des Firmenarchivs [...] berücksichtigt,<br />
[...] künftigen Darstellungen Vorbehalten<br />
bleiben“ muss.“^®<br />
Geschichte der Stärkefabrik bei Salzuflen<br />
Der Kaufmann Heinrich Salomon Hoffmann<br />
gründete <strong>1850</strong> <strong>die</strong> erste Stärkefabrik im Lippischen.<br />
Hoffmann war Kaufmann und stammte<br />
aus dem ostwestfälischen Neusalzwerk, heute<br />
ein Ortsteil von Bad Oeyenhausen, und war Teil-
haber der dortigen Chemiefabrik. 1849 wurde<br />
er vom Salzufler Stadtverordneten Friedrich<br />
Brüggemann darauf hingewiesen, wie günstig<br />
<strong>die</strong> Gelegenheit dort für eine Fabrikgründung<br />
wäre. Die ersten Pläne Hoffmanns zielten auf<br />
<strong>die</strong> Gründung einer Rübenzuckerfabrik, welche<br />
offensichtlich aber nicht weiter verfolgt wurde.<br />
Noch 1849 erwarb Hoffmann ein fünf Scheffelsaat<br />
großes Grundstück auf einem ehemaligen<br />
Weidegrund bei Salzuflen. Ein Scheffelsaat -<br />
auch in Deutschland waren Maßeinheiten in der<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts noch äußerst heterogen<br />
- war ein lippisches Maß, entsprach einer<br />
Räche von 1.717 m^ oder einem Drittel eines<br />
Morgens und bezeichnete <strong>die</strong> Fläche, auf der ein<br />
Scheffel Getreidesaat eingesät werden konnte.<br />
Hoffmann kaufte auf den Namen seiner Frau<br />
eine Räche von 8.585 m^ und begann <strong>die</strong> Planungen<br />
für eine Kartoffelstärkefabrik. Sogar <strong>die</strong><br />
umliegenden Bauern wurden darauf aufmerksam<br />
gemacht, dass für <strong>die</strong> Fabrik nennenswerte Mengen<br />
an Kartoffeln gebraucht würden. Die Stadt<br />
Salzuflen unterstützte <strong>die</strong> Ansiedlung des neuen<br />
Betriebs, weil sie in der Fabrikansiedlung Vorteile<br />
sah, und schenkte dem Bauherrn aus dem<br />
öffentlichen Forst Bauholz im Wert von 100 Thalem.<br />
Zudem vermittelte der Salzufler Bürgermeister<br />
Kredite für <strong>die</strong> neue Fabrik. Als im Sommer<br />
<strong>1850</strong> <strong>die</strong> Fabrikanlage inklusive einer<br />
Dampfmaschine mit acht Pferdestärken fertig<br />
war, standen <strong>die</strong> sehr hohen Kartoffelpreise dem<br />
Betrieb entgegen. Die Stärkeproduktion wäre<br />
mit Kartoffeln nicht rentabel gewesen. Wohl war<br />
sie es aber mit Weizen als Rohstoff, weshalb<br />
wiederum bauliche Veränderungen und technische<br />
Umrüstungen vorgenommen wurden, <strong>bis</strong><br />
am 29. September <strong>1850</strong> <strong>die</strong> Produktion in der<br />
Stärkefabrik Salzuflen aufgenommen wurde. Das<br />
Besondere war nicht <strong>die</strong> wenig innovative Herstellung<br />
von Stärke aus Weizen, sondern zum<br />
einen <strong>die</strong> Gründung einer Fabrik, <strong>die</strong> in wenigen<br />
Jahren zur bedeutendsten Industrieniederlassung<br />
im Raum Lippe wurde, und zum anderen <strong>die</strong> sofortige<br />
Aufnahme geschäftlicher Beziehungen<br />
nach Bremen und in <strong>die</strong> dortigen Kaufmannskreise.''^*<br />
Heinrich Salomon Hoffmann lebte zwischen<br />
1824 und 1842 in Magdeburg, wo er als Kaufmann<br />
scheiterte und sich infolge der Liquidation<br />
seines Handelshauses <strong>bis</strong> zu seinem Tod 1852<br />
mit Forderungen von Gläubigem auseinandersetzen<br />
musste. Dies mag ein Grund gewesen<br />
sein, wamm das Fabrikgelände auf den Namen<br />
seiner Frau Friederike gekauft wurde. Und auch<br />
wenn Hoffmann als Geschäftsführer der Chemiefabrik<br />
in Neusalzwerk ein erfolgreiches Arbeiten<br />
attestiert wurde, scheiterte er dennoch<br />
wiederum wirtschaftlich an der Leitung der Stärkefabrik<br />
in Salzuflen. Der älteste Sohn Leberecht<br />
Fürchtegott Hoffmann, der in Bremen lebte und<br />
dort Teilhaber eines Handelshauses war, musste<br />
der Firma schon vor Betriebsbeginn bei der Umrüstung<br />
zur Weizenstärkeproduktion'*^^ und danach<br />
in den Anfangsjahren der Fabrik immer<br />
wieder finanziell unter <strong>die</strong> Arme greifen. Zudem<br />
wurde dem Firmengründer auf Beschluss der<br />
Familie der jüngere Sohn Eduard Hoffmann an<br />
<strong>die</strong> Seite gestellt, denn es hatte sich gezeigt, dass<br />
Heinrich Salomon Hoffmann mit der Geschäftsführung<br />
überfordert war.<br />
Nach dem Tod des Gründers übernahm Eduard<br />
Hoffmann <strong>die</strong> Geschäftsführung allein. Aber<br />
trotz des Ausbaus der Firma, der Produktion und<br />
des Absatzes brachten <strong>die</strong> Geschäftsjahre 1856<br />
und 1857 Verluste. Der Tiefpunkt <strong>die</strong>ser Jahre<br />
war ein Brand am Abend des 9. Februars 1857.<br />
Eduard Hoffmann nutzte <strong>die</strong> Neuaufnahme der<br />
Produktion, um den Betrieb zu verbessern und<br />
in den frühen 1860er Jahren wurde <strong>die</strong> Fabrik<br />
zunehmend rentabel. Durch <strong>die</strong> Unachtsamkeit<br />
eines Heizers kam es fünf Jahre später, in der<br />
Nacht auf den 13. März 1862, wiederum zu einem<br />
Brand, der <strong>die</strong> Produktionsanlagen weitgehend<br />
zerstörte. Der Verlust lag mehr im Stillstand<br />
der Produktion und darin, dass Kunden nicht<br />
weiter beliefert werden konnten. Die Gebäude<br />
und Einrichtungen modernisierte Hoffmann nach<br />
dem Brand und zwischen 1863 und 1869 verdreifachte<br />
sich <strong>die</strong> Menge des verarbeiteten Weizens.<br />
Trotzdem schrieb <strong>die</strong> Firma seit 1867 wiederum<br />
rote Zahlen. Das lag an der englischen<br />
und belgischen Konkurrenz, <strong>die</strong> eine qualitativ<br />
113
,- 'ч<br />
i #<br />
t- Jn r*<br />
*sx-^<br />
hochwertigere, aus Reis gewonnene Stärke auf<br />
den deutschen Markt brachten. Daher reifte der<br />
Entschluss, trotz einiger Hindernisse auch <strong>die</strong><br />
Produktion von Reisstärke in Bad Salzuflen aufzunehmen.<br />
1869 wurden insgesamt 364 Ballen (Säcke)<br />
Bruchreis verarbeitet und <strong>die</strong> ersten Versuche in<br />
der Stärkeherstellung aus Reis unternommen.<br />
Dieser Schritt machte einige Investitionen in <strong>die</strong><br />
Firma nötig. Da das Geld extern aufgebracht<br />
werden musste, folgte zum 1. Juli 1869 <strong>die</strong> Umwandlung<br />
der Firma in eine Offene Handelsgesellschaft<br />
namens E. Hoffmann & Co. Diese hatte<br />
drei Teilhaber. Die ersten beiden waren Eduard<br />
Hoffmann und sein Bruder Leberecht Fürchtegott<br />
Hoffmann. Letzterer war als Kaufmann am<br />
Bremer Haus Carl Pokrantz & Co. beteiligt und<br />
hatte <strong>die</strong> Stärkefabrik auch in den Anfangsjahren<br />
schon häufig mit Kapital unterstützt. Dritter Teilhaber<br />
wurde jener Carl Pokrantz, der bereits in<br />
Bremen beruflich mit Leberecht Fürchtegott<br />
Hoffmann verbunden war. Damit band sich <strong>die</strong><br />
Firma deutlich enger an Bremen und damit einen<br />
der weltweit bedeutendsten Handelsplätze für<br />
Reis. Der Firma Pokrantz & Co. dürfte Reis bereits<br />
hinlänglich bekannt gewesen sein, denn <strong>die</strong><br />
Firma war im Auswandererverkehr aktiv und daher<br />
ist davon auszugehen, dass auch in ihrem<br />
Auftrag Reis als eine der üblichen Amerika-<br />
Rückfrachten nach Bremen transportiert wurde.<br />
Seit <strong>die</strong>sem Zeitpunkt, also seit der Umstellung<br />
der Fabrik auf Reisstärkeproduktion, lief der<br />
Einkauf des Bruchreises bei den Bremer Mühlen<br />
für <strong>die</strong> Fabrik in Salzuflen über Carl Pokrantz<br />
& Co. 1875 kam es zu einer erneuten Umstellung<br />
der Rechtsform der Stärkefabrik. Im Rahmen<br />
der Firmenerweiterungen wurde wiedemm Kapital<br />
benötigt und schon wie 1869 wurde es nicht<br />
regional im industriell wenig entwickelten Raum<br />
Lippe aufgebracht, sondern in Bremen. Mit der<br />
Umwandlung zu einer Kommanditgesellschaft<br />
beteiligte sich der Bremer Bankier Eduard Wätjen<br />
- als Neffe des Gründers der damals größten<br />
Bremer Reederei Diedrich Heinrich Wätjen und<br />
des Kaufmanns Hermann Wätjen war er mit den<br />
Strukturen des globalen Bremer Rohstoffbezugs<br />
sicher vertraut - mit einer Einlage von 300.000<br />
Mark am Salzuflener Unternehmen. Die Unternehmensleitung<br />
lag dennoch weiterhin bei Eduard<br />
Hoffmann.<br />
Im Laufe der 1870er Jahre war <strong>die</strong> Entwicklung<br />
der Fabrik so positiv, dass „sie das größte lippische<br />
Industrieunternehmen war und bereits seit<br />
1860 <strong>die</strong> Lebensverhältnisse Salzuflens und seiner<br />
näheren Umgebung bestimmt hatte“.“’^ Es<br />
wurden zahlreiche Nebenbetriebe aufgebaut. So<br />
folgte der Errichtung einer Kartonfabrik 1876<br />
der normierte Verkauf von Stärke in 14-Kilogramm-Verpackungen.<br />
Diese 250-Gramm-Verpackungen<br />
ersparten Händlern und Kunden das<br />
Abwiegen des reinen Pulvers und waren damit<br />
ein vielbestauntes Novum im Einzelhandel. Eine<br />
Gasanstalt wurde gebaut, Arbeiterhäuser und eine<br />
Sägemühle entstanden. Das Firmengelände<br />
wurde erweitert und erhielt einen Eisenbahnanschluss.<br />
Für <strong>die</strong>sen beteiligte sich <strong>die</strong> Firma 1879<br />
mit 65.000 Mark an den Kosten der Strecke Herford-Detmold<br />
und erhielt im Gegenzug nach der<br />
Fertigstellung der zu ihr führenden Gleisanlagen<br />
<strong>bis</strong> zur Eröffnung der gesamten Strecke das Privileg,<br />
<strong>die</strong>se exklusiv mit eigenen Pferdewagen<br />
zu nutzen. Der Bruchreis wurde über <strong>die</strong> Weser<br />
<strong>bis</strong> zum Hafen Vlotho bei Minden und ab dort<br />
per Karren in <strong>die</strong> Fabrik gebracht. Mit der Eisenbahnanbindung<br />
war zumindest der Absatz<br />
des Produkts vereinfacht. Um 1880 hatte <strong>die</strong> Fabrik<br />
immerhin 1.000 Mitarbeiter und verarbeitete<br />
pro Woche zweieinhalb Tonnen Reis.<br />
Den nächsten großen Entwicklungsschub bekam<br />
<strong>die</strong> Fabrik, nachdem es in der Nacht vom 1. auf<br />
den 2. Januar 1881 zu einem verheerenden Großbrand<br />
auf dem Firmengelände kam. Dabei wurde<br />
der größte Teil der Firmengebäude vernichtet.<br />
Neben den Wohnhäusern und dem Arbeiterkonsumverein<br />
blieben nur wenige Schuppen, <strong>die</strong><br />
Gasanstalt und <strong>die</strong> Sägemühle intakt. Zudem<br />
sollen 70.000 <strong>bis</strong> 80.000 Zentner Stärke in verschiedenen<br />
Verarbeitungszuständen vernichtet<br />
worden sein.'*^'* Entscheidende Veränderungen<br />
brachte dann der Wiederaufbau der Fabrik.<br />
Schon im Sommer wurde unter freiem Himmel<br />
<strong>die</strong> Stärkeproduktion wiederaufgenommen und<br />
114
das Gelände stark vergrößert. Im Laufe der<br />
1880er Jahre wurden eine lithographische Anstalt,<br />
eine galvanoplastische Anstalt zur Herstellung<br />
metallener Hüllen, eine Fotowerkstatt und<br />
eine Druckerei eingerichtet. Die Kistenfabrik<br />
wurde modernisiert und der Bau einer Sodafabrik<br />
zur eigenen Herstellung des benötigten Ätznatrons<br />
begonnen. Nicht zuletzt wurde infolge des<br />
nunmehr dritten Brandes der Firmengeschichte<br />
eine Werksfeuerwehr gegründet. Die benötigten<br />
Mittel konnten nur durch eine Umwandlung der<br />
Firma zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktie<br />
im Jahr 1881 aufgebracht werden. Unter dem<br />
Namen Eduard Hoffmann & Co. führte Eduard<br />
Hoffmann <strong>die</strong> Firma weiter und blieb der einzige<br />
persönlich haftende Gesellschafter. Das Stammkapital<br />
der Firma betrug 3 Millionen Mark, <strong>die</strong><br />
in 60 Namensaktien zu je 50.000 Mark aufgeteilt<br />
waren. Die Brüder Hoffmann und Carl Pokrantz<br />
hielten jeweils zwölf Aktien, der Bankier Eduard<br />
Wätjen zeichnete zehn Aktien, sein Cousin und<br />
Teilhaber der Reederei Wätjen acht Aktien. Der<br />
Schwiegersohn des Letztgenannten, Joseph Hachez,<br />
hielt sechs Aktien. Trotz der folgenden<br />
Prosperität der Firma war Eduard Hoffmann nun<br />
einem Aufsichtsrat Rechenschaft schuldig. Als<br />
Ausdruck der Abhängigkeit der Firma von den<br />
Bremer Aktionären und dem dortigen Rohstoffbezug<br />
tagte der Aufsichtsrat, den Eduard Wätjen<br />
als Vorsitzender mit Carl Pokrantz und Joseph<br />
Hachez bildete, immer in Bremen. Zur Fortsetzung<br />
des Fabrikausbaus und der Modernisierung<br />
des Betriebes wurde 1886 eine Hypothek von<br />
2,5 Millionen Mark aufgenommen. Der stetige<br />
Ausbau hatte dazu geführt, dass <strong>die</strong> Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG <strong>die</strong> größte Fabrik zur Herstellung<br />
von Reisstärke in Deutschland geworden<br />
war.<br />
Den letzten Modernisierungsschub erlebte <strong>die</strong><br />
Firma ab 1894. Weitere Vergrößerungen der<br />
Räumlichkeiten wurden vorgenommen, ein massives<br />
Lagerhaus für Reis und Stärke gebaut, <strong>die</strong><br />
Pappenstreicherei maschinell betrieben und <strong>die</strong><br />
Etikettierung mittels einer Maschine aufgenommen.<br />
Zudem wurde <strong>die</strong> Kistenfabrik mechanisiert,<br />
eine Maschine zur Abfüllung von Beuteln<br />
und Tüten angeschafft und Dampfkessel mit höheren<br />
Drücken verwendet. Des Weiteren wurde<br />
eine Gasfabrik mit Gasometer gebaut, <strong>die</strong> auch<br />
<strong>die</strong> benachbarte Ortschaft Schötmar versorgte,<br />
und <strong>die</strong> Förderung von reinem Quellwasser begonnen.<br />
1908 schließlich ersetzte elektrische<br />
Energie <strong>die</strong> Dampfkraft und <strong>die</strong> Dampfantriebe<br />
der Maschinen wurden stückweise durch Elektromotoren<br />
getauscht.'*^^<br />
Reisstärke: Vorteile, Herstellung und<br />
Verwendung<br />
Die Produktion pflanzlicher Stärke war keine<br />
neue Erfindung im Zeitalter der Industrialisierung.<br />
Nach Plinius“*^®, so der Stärkefabrikant Felix<br />
Rehwald 1895, waren <strong>die</strong> Bewohner der griechischen<br />
Insel Chios in „uralter Zeit“ <strong>die</strong> Erfinder<br />
der Stärkeherstellung.'*^^ Die gewerbsmäßige<br />
Herstellung von Stärke war noch im ausgehenden<br />
Mittelalter eher ungewöhnlich. Zumeist wurde<br />
<strong>die</strong> benötigte Stärke im eigenen Haushalt produziert<br />
oder, wenn größere Mengen oder gute<br />
Qualitäten verlangt waren, wurde sie aus den<br />
Niederlanden Importiert. Erst im späten 17. Jahrhundert<br />
etablierte sich das Gewerbe der Stärkeproduktion<br />
auch in England, Frankreich und<br />
Deutschland. In Köln lässt sich bereits für das<br />
Jahr 1525 <strong>die</strong> Herstellung von Stärke nachweisen<br />
und im frühen 18. Jahrhundert hatte sich das<br />
Gewerbe fest etabliert, denn 1736 gab es bereits<br />
sechs SthThefabrikanten.“*^*<br />
Die Gewinnung von Stärke aus Reis war eine<br />
Innovation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />
Zum einen wurde <strong>die</strong> Reisstärkegewinnung<br />
durch den relativ unbegrenzten Zugang zum<br />
benötigten Rohstoff Reis durch <strong>die</strong> Entstehung<br />
eines Weltmarktes begünstigt. Da eines der wichtigsten<br />
Zentren des <strong>Reishandel</strong>s und der Veredelungsindustrie<br />
in Deutschland lag, war auch der<br />
bei Reisverarbeitung anfallende und für <strong>die</strong> Stärkeproduktion<br />
gewünschte Bruchreis keine Mangelware.<br />
Die Reisstärkeindustrie hatte aber nur<br />
wirtschaftlichen Erfolg, weil Reis ein besser geeigneter<br />
Rohstoff war als Kartoffeln, Weizen oder<br />
Mais. Reis hat im Vergleich den höchsten natür-<br />
115
lichen Stärkegehalt. Chemische Analysen ergaben<br />
1893 <strong>die</strong> nachfolgenden Werte.<br />
Tabelle III. 2.1, Chemische Analyse und Stärkegehalt von Reis, Weizen,<br />
Mais und Kartoffeln 1893<br />
'^ '■ ^ ^ ^ R o h sto ffe<br />
In h altssto ffe<br />
Geschälter<br />
Reis<br />
Weizen Mais Kartoffeln<br />
W a sse r 13,11 13,5 13 76<br />
S ticksto ffsu b stanz 7,85 12,5 9,8 2,1<br />
Fett 0,63 2 4,6 0,2<br />
Stärke 76,75 64 63 18,7<br />
S onstige Stickstoff-<br />
fre ie E xtrastoffe<br />
3,8 5,7<br />
X<br />
R ohfaser 0,63 2,5 2,4 0,8<br />
Asche 1,01 1,7 1,5 1,2<br />
in Prozent<br />
Entsprechend <strong>die</strong>ser Zahlen benötigte man für<br />
<strong>die</strong> Herstellung von verkaufsfertiger Stärke bei<br />
Reis <strong>die</strong> 1,3-fache Menge des Rohstoffs, bei<br />
Kartoffeln jedoch <strong>die</strong> 6-fache Menge und bei<br />
Mais <strong>die</strong> 1,75-fache Menge. Nur bei Weizen<br />
wurde mit der 1,27-fachen Menge des Rohstoffs<br />
zur Stärkeherstellung nur knapp weniger des<br />
Ausgangsprodukts benötigt als bei der Reisstärkeproduktion.<br />
Da zudem <strong>die</strong> in Reis enthaltene<br />
Stärke im Vergleich eine kleinere Körnung hatte<br />
und daher für bestimmte Zwecke wie <strong>die</strong> Behandlung<br />
von Textilien besser geeignet war, weil<br />
sie sich besser feinen Poren und Faserungen anpasste,<br />
wurde <strong>die</strong> Herstellung von Reisstärke<br />
wirtschaftlich trotz mancher Probleme eine Erfolgsgeschichte.<br />
1911 gab es 15 Fabriken, in denen<br />
Maisstärke hergestellt wurde, 26 für Weizen-<br />
und 303 Fabriken zur Herstellung von Kartoffelstärke.<br />
Fabriken zur Herstellung von<br />
Reisstärke gab es nur 10, <strong>die</strong>se verbrauchten mit<br />
30 Millionen Kilogramm etwa ein Fünftel des<br />
Importüberschusses an Bruchreis, enthülstem<br />
Reis und unpoliertem Reis und erzeugten daraus<br />
mehr als 255.000 Doppelzentner Stärke im Wert<br />
von fast 10,1 Millionen Mark.“*^®<br />
Zur Herstellung von Stärke gab es zwei Verfahren.<br />
Zum einen das sogenannte Hallische oder<br />
saure Verfahren, in dem der Rohstoff - vor der<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts zumeist Weizen -,<br />
nachdem er grob vorgemahlen wurde, mehrere<br />
Tage zur Gärung hatte. Anschließend wurde das<br />
Ergebnis noch mehrfach gereinigt, <strong>bis</strong> <strong>die</strong> übrig<br />
gebliebene Stärkemasse getrocknet wurde. Dieses<br />
Verfahren war Jedoch unrationell und während<br />
des Gärprozesses mit deutlicher Geruchsbelästigung<br />
verbunden. Die Stärkeherstellung<br />
ohne Gärung setzte sich erst in den 1830er Jahren<br />
durch, nach einem mechanischen Verfahren, das<br />
auch als ungarisches oder elsässisches Verfahren<br />
bezeichnet wurde.““ Der Ablauf der Herstellung<br />
wurde von Herbert van der Borght in sechs Stufen<br />
beschrieben, (a) Einquellen des Reises in<br />
116
Natronlauge, (b) Mahlen der geweichten Masse,<br />
(c) Gewinnung der reinen Stärke, (d) Formen<br />
der Stärke, (e) Vortrocknen und Schaben der<br />
Stärke sowie (f) Trocknen auf Strahlen- und Stückenstärke.<br />
a) Beim Quellen des Bruchreises werden <strong>die</strong><br />
Zellen, in denen <strong>die</strong> pflanzliche Stärke eingeschlossen<br />
ist, geöffnet, damit sie <strong>die</strong> Stärke<br />
freigeben. Dabei lösen sich <strong>die</strong> Bestandteile<br />
des Reises <strong>bis</strong> auf <strong>die</strong> Stärke in der Lauge<br />
auf. Besondere Beachtung wurde dem Wasser<br />
beigemessen, da sich Algen und andere Partikel<br />
im Wasser in der Stärke ablagerten und<br />
als Verunreinigung wahrgenommen wurden.<br />
Die Verwendung von Laugen mit Ätznatron<br />
für das Einweichen war wichtig, weil <strong>die</strong> Stärke<br />
auf Grund der Feinheit der Stärkekörnchen<br />
im Reis nicht komplett ohne <strong>die</strong>ses chemische<br />
Hilfsmittel gelöst werden konnte. Das Quellen<br />
dauerte insgesamt etwa 30 Stunden und war<br />
abgeschlossen, wenn sich <strong>die</strong> Reiskörner<br />
leicht zwischen den Fingern zerdrücken ließen.<br />
b) Nach dem Quellen wurde der Reis gemahlen.<br />
Teilweise wurde er einfach zwischen Steinen,<br />
in der industriellen Fabrikation aber vor allem<br />
in Walzen oder Kegelmühlen gemahlen. Dabei<br />
wurde <strong>die</strong> Masse wiederum Laugen ausgesetzt.<br />
c) Die Stärke wurde aus der nun produzierten<br />
Flüssigmasse mittels Absetzen oder Zentrifugieren<br />
gewonnen. Beim langwierigeren Verfahren<br />
des Absetzens wurde gewartet, <strong>bis</strong> sich<br />
<strong>die</strong> einzelnen Bestandteile von Stärke, Kleber<br />
und Zellrückstände auf Grund ihrer verschiedenen<br />
Absenkgeschwindigkeiten in der Flüssigmasse<br />
trennten, und wurden dann abgeschöpft.<br />
Beim Einsatz von Sieben, Zylindern<br />
und Zentrifugen wurde <strong>die</strong> Stärkemilch schneller<br />
von den Faserbestandteilen getrennt und<br />
nach dem Ablassen der Flüssigkeit mussten<br />
nur noch Stärke und Kleber getrennt werden.<br />
d) Zur Formung der Stärke wurde <strong>die</strong>se in Kastenformen<br />
gebracht und darin durch Luftdruck<br />
der Wassergehalt weiter gesenkt, <strong>bis</strong> er<br />
nur noch 44 <strong>bis</strong> 46 Prozent ausmachte.<br />
e) Beim Vortrocknen der Stärke in Trockenkammern<br />
bei etwa 45 Grad Celsius sank der Wassergehalt<br />
weiter auf 28-30 Prozent. Mit dem<br />
Wasser wandelten auch weitere Verunreinigungen<br />
der Stärke an deren Qberfläche und<br />
konnten abgeschabt werden. So wurde das<br />
Endprodukt reiner.<br />
f) Zuletzt wurde <strong>die</strong> nun gewonnene reine Stärke<br />
in Kästen als Stückenstärke oder in Kanälen<br />
als Strahlenstärke getrocknet und zu einer festen<br />
Masse geformt.'*®' Strahlenstärke wurde<br />
auch erzeugt, indem <strong>die</strong> Stärke mit einem<br />
Hundertstel Kleber versetzt wurde und als<br />
zähflüssiger Brei während der Trocknung<br />
durch eine Presse mit sternförmigem Ausfluss<br />
gepresst wurde.'*®^<br />
War <strong>die</strong> Stärke nicht ganz rein oder, wie bei Kartoffelstärke<br />
beispielsweise, von Natur aus gelblich,<br />
wurde sie aus ästhetischen Gründen gedeckt<br />
oder gefärbt. Beim Decken der Stärke wurde nur<br />
so viel Farbstoff zugesetzt, dass sich gelbliche<br />
Eintönung und der blaue Zusatz gegenseitig aufhoben<br />
und ein weißes Produkt entstand. Wurde<br />
mehr des Farbstoffes beigemischt, kam es zu einer<br />
wirklichen Färbung, wobei sich der Farbstoff<br />
Ultramarin, weil er schwerer ist als <strong>die</strong> Stärke,<br />
in der Masse immer schneller nach unten absetzte.<br />
Dadurch erschien der Stärkeblock in den<br />
oberen Bereichen rein weiß und wurde nach unten<br />
immer dunkler gefärbt. Wurde <strong>die</strong> Stärke<br />
nicht für Wäscheanwendung, sondern als Grundstoff<br />
für Kosmetika hergestellt, verwendete man<br />
auch rote oder andere Farbstoffe zur Einfärbung.'*®^<br />
Als <strong>die</strong> Stärkefabrik bei Salzuflen 1869 mit der<br />
Produktion von Reisstärke begann, benötigte<br />
man für 100 Doppelzentner Stärke etwa 160<br />
Doppelzentner Reis, was einem Ausbeuteverhältnis<br />
von 62,5 Prozent entsprach. Durch Produktionsverbesserungen<br />
konnten 20 Jahre später<br />
schon über 80 Prozent Stärke aus dem verwendeten<br />
Reis extrahiert werden. Für das 20. Jahrhundert<br />
berechnete van der Borght endlich ein<br />
durchschnittliches Ausbeuteverhältnis von 75<br />
Prozent. Es wurde zur Jahrhundertwende aber<br />
auch nicht mehr danach gestrebt, <strong>die</strong> maximale<br />
117
■ Æ 'Î Î<br />
Ausbeute aus dem Reis zu erzielen, weil <strong>die</strong>s<br />
einerseits sehr arbeitsaufwendig und damit kostenintensiv<br />
war und andererseits immer mehr<br />
Nebenprodukte vermarktet wurden, in denen<br />
stärkehaltige Reststoffe verarbeitet wurden.'*^<br />
Außer der Strahlen- und Stückenstärke, <strong>die</strong> eher<br />
eine Verkaufsform als eine Stärkeart anzeigen,<br />
gab es mehrere gebräuchliche Stärkesorten im<br />
Handel. Die häufigste Verwendung fand <strong>die</strong> Stärke<br />
in der Wäscheappretur, in der veredelnden<br />
Behandlung von Textilien. Mit Stärke wurde<br />
Wäsche eine besondere Steifigkeit, Glätte und<br />
ein anderes Aussehen verliehen. Sogenannte<br />
Cremestärke wurde als gefärbte Stärke für Bunttextilien<br />
verkauft und für besonderen Glanz von<br />
Wäsche wurde sogenannte Glanzstärke hergestellt.<br />
ln Puderform war Stärke ein wichtiger<br />
Grundstoff für Puder und andere Kosmetika. Darüber<br />
hinaus wurde Reisstärke auch zum Kochen,<br />
beispielsweise zum Andicken von Soßen,<br />
verwendet und verdrängte im Untersuchungszeitraum<br />
auf Maisstärke basierende importierte<br />
Speisemehlsorten wie zum Beispiel das 1916<br />
auf den Markt gebrachte Stärkemehl von Maizena<br />
oder auch Mondamin. Beide Marken gehören<br />
heute zum Unilever-Konzern und existieren<br />
noch immer. Außer in der Behandlung von<br />
Textilien und in der Küche fanden Reisstärke<br />
und seine Nebenprodukte im 19. und frühen 20.<br />
Jahrhundert noch eine Reihe von weiteren Verwendungen.<br />
In der Farbindustrie wurde Reisstärke<br />
zum Verdicken von Farben genutzt, weil<br />
<strong>die</strong> Stärkekömer des Reises besonders klein und<br />
gleichmäßig sind und <strong>die</strong> Farbe somit nicht unregelmäßig<br />
verklumpte. In England wurde Reisstärke<br />
für <strong>die</strong> Herstellung hochwertiger Papiersorten<br />
verwendet und für <strong>die</strong> damals noch nicht<br />
als gesundheitsgefährdend bewertete Herstellung<br />
von Asbestpappe wurde ebenfalls Reisstärke eingesetzt.<br />
Des Weiteren wurde Presshefe mit Reisstärke<br />
versetzt, weil sie dann heller und länger<br />
haltbar war. Im Vergleich zu den anderen üblichen<br />
Stärkesorten, <strong>die</strong> aus Mais, Weizen oder<br />
Kartoffeln produziert wurden, enthielt ein Pfund<br />
Reisstärke eine Million einzelner Stärkekörnchen.<br />
Kartoffelstärke war mit 30.000 <strong>bis</strong> 50.000<br />
Körnchen je Pfund sehr viel grobkörniger, ebenso<br />
wie Mais- und Weizenstärke, <strong>die</strong> je Pfund<br />
immerhin schon 200.000 <strong>bis</strong> 500.000 Körnchen<br />
enthielten. Diese Feinheit der Stärke machte<br />
Reisstärke so vielseitig vorteilhaft nutzbar.“**^<br />
Zollbehandlung der Reisstärke<br />
Der wirtschaftliche Erfolg der Reisstärkeindustrie<br />
beruhte nicht einzig auf dem Rohstoffangebot<br />
von den Veredelungsmühlen in Bremen oder<br />
auf den Vorteilen der Reisstärke gegenüber anderen<br />
Stärkesorten, sondern wurde auch durch<br />
<strong>die</strong> deutsche Zollpolitik gefördert. Die Produzenten<br />
von Reisstärke betrieben dafür eine eigenständige<br />
Interessenpolitik in Eorm von Petitionen<br />
und Beschwerden an Politiker und Gremien.<br />
Die ersten Petitionen richteten sich 1869<br />
gegen <strong>die</strong> geltenden Zollbeträge.<br />
Für einen Zentner Bruchreis mussten seit 1868<br />
3 Mark Zoll gezahlt werden. Da für einen Zentner<br />
Reisstärke 80 Kilogramm Reis benötigt wurden,<br />
war der Zentner Reisstärke aus der Sicht<br />
der Fabrikanten mit einem Zollbetrag von 3,30<br />
Mark belegt. Die englische Stärkeindustrie bezog<br />
ihren Rohstoff zollfrei und zahlte einzig den<br />
deutschen Einfuhrzoll von 1,50 Mark, was gegenüber<br />
den deutschen Produzenten einen Vorteil<br />
brachte. Eduard Hoffmann fasste den Beschluss<br />
zur Betriebsumstellung trotz <strong>die</strong>ser Zollbenachteiligung,<br />
weil er der Errichtung einer Fabrik für<br />
Reisstärke in Hamburg zuvorkommen wollte.<br />
Diese hätte vermutlich im Freihafengebiet gelegen<br />
und bei kürzeren Absatzwegen <strong>die</strong>selben<br />
Wettbewerbsvorteile wie <strong>die</strong> englische Industrie<br />
gehabt. Parallel zu den ersten Versuchen in der<br />
Reisstärkeproduktion suchte Hoffmann „auf <strong>die</strong><br />
wirtschaftspolitischen Entscheidungen der<br />
Reichsverwaltung und später des Reichstages<br />
direkt Einfluss zu nehmen“.'*®* Während Grundbesitzer<br />
regional stark politisch vernetzt waren<br />
und Handel und Gewerbe <strong>die</strong> regionale Presse<br />
für ihren Lobbyismus nutzten, musste Hoffmann<br />
durch Sachargumente auf <strong>die</strong> „übergeordneten
politischen Entscheidungszentren“ einwirken.<br />
Gegenüber dem preußischen Finanzminister von<br />
der Heydt kalkulierte er, dass ein Zentner Reis<br />
höchstens mit 94 Pfennigen Zoll belegt werden<br />
dürfe, damit <strong>die</strong> deutsche Stärke keine höhere<br />
Zollbelastung habe als <strong>die</strong> englische Stärke.“**^<br />
Eduard Hoffmann war nicht der einzige Fabrikant,<br />
der <strong>die</strong> Vorteile der Reisstärke erkannte,<br />
<strong>die</strong> Produktion umstellte und sich für <strong>die</strong> aus<br />
wirtschaftlicher Sicht notwendigen Zolländerungen<br />
einsetzte. Der Ulmer Weizenstärke-Fabrikant<br />
Johann Schöllkopf erklärte im April 1870 gegenüber<br />
dem Zoll-Bundesrat - <strong>die</strong>ser war identisch<br />
mit dem Bundesrat des Norddeutschen<br />
Bundes sowie zusätzlichen Vertretern der süddeutschen<br />
Zollvereinsländer -, dass Reisstärke<br />
aus England und Belgien deutsche Weizen- und<br />
Kartoffelstärke sehr schnell verdränge:<br />
„Der Unterzeichnete - seither Fabrikant von<br />
Waizenstärke - war dadurch genöthigt, <strong>die</strong><br />
Herstellung <strong>die</strong>ses Artikels aufzugeben, und<br />
weil der letztere im Verbrauche durch <strong>die</strong><br />
Reisstärke mehr und mehr verdrängt wird,<br />
und es ist ihm - nach Smonatlichen, mit Opfern<br />
verbundenen Versuchen - gelungen, <strong>die</strong><br />
Fabrikation der Reisstärke zu begründen und<br />
den Artikel in ganz gleicher Beschaffenheit<br />
wie <strong>die</strong> englische in den Handel zu liefern.“'*®*<br />
Auch Schöllkopf machte gegenüber der Legislative<br />
eine Rechnung auf, um <strong>die</strong> Benachteiligung<br />
gegenüber der ausländischen Konkurrenz<br />
darzustellen. Die Rechnung des Ulmer Industriellen<br />
ergibt für <strong>die</strong> ausländischen Stärkehersteller<br />
sogar einen Preisvorteil von 200 Prozent.<br />
Die deutsche Stärke soll also sogar dreimal so<br />
stark zollbelastet gewesen sein wie das ausländische<br />
Produkt.<br />
Die Eingaben Hoffmanns und Schöllkopfs fanden<br />
Zustimmung. Die preußische Regierung regte<br />
1870 eine Senkung des Zolls für Reis zur Stärkeproduktion<br />
an. Entsprechend wurde beschlossen,<br />
dass Reis als Veredelungsgut zollfrei<br />
eingeführt werden konnte, soweit er unter Zollaufsicht<br />
stand und <strong>die</strong> Stärke exportiert wurde.<br />
Die Kosten für den Zollinspektor waren von den<br />
Stärkefabrikanten zu tragen. Nichtexportierte<br />
Stärke wurde mit einem Zoll von 1,50 Mark je<br />
Zentner belastet und war damit der ausländischen<br />
Stärke gleichgestellt.‘'®^ Die Zollveränderung<br />
1870 war das Startsignal der deutschen Reisstärkeindustrie.<br />
Der durch einen weltweiten Reismarkt<br />
erst nach Deutschland kommende Rohstoff<br />
wurde zudem nicht nur für den deutschen<br />
Stärkemarkt interessant, sondern <strong>die</strong> völlige Zollfreiheit<br />
für Export-Reisstärke sorgte dafür, dass<br />
eine Industrie entstand, <strong>die</strong> zumindest im europäischen<br />
Rahmen besonders auf internationalen<br />
Absatz und Marktvernetzungen ausgerichtet<br />
wurde. Die Entwicklung der folgenden Jahre<br />
prägten einerseits <strong>die</strong> politischen Bemühungen<br />
der Industriellen, <strong>die</strong> Zollbehandlung des Reises<br />
zu ihren Gunsten zu beeinflussen, und andererseits<br />
<strong>die</strong> guten wirtschaftlichen Aussichten im<br />
Geschäft mit Reisstärke. Obwohl <strong>die</strong> Zahlen der<br />
Fabriken für Weizen- beziehungsweise Kartoffelstärke<br />
deutlich höher lagen als <strong>die</strong> der Reisstärkefabriken,<br />
waren <strong>die</strong> Hersteller der erstgenannten<br />
Stärkearten bei der politischen Agitation<br />
durchaus Opponenten der reisverarbeitenden Industriellen.<br />
Bevor <strong>die</strong> weitere Entwicklung der<br />
deutschen Reisstärkeindustrie in den Blick genommen<br />
wird, gibt <strong>die</strong> nachstehende Tabelle<br />
eine Zusammenfassung der zollpolitischen Behandlung<br />
von Reis als Herstellungsrohstoff sowie<br />
des Prozesses der politischen Willensbildung<br />
durch <strong>die</strong> Eingaben der Industriellen (s. Tabelle<br />
S. 120).'*<br />
119
Tabelle III. 2.2, Zollpolitische Eingaben und Entscheidungen im Zusammenhang mit Reisstärke<br />
1869-1906<br />
Datum Ereignis Zielstellung Zoll auf Reis zur Stärkeproduktion<br />
1869 Petition Eduard Hoffmann<br />
1870 Petition Johann Schöiikopf<br />
1870 Vorschiag Reichsregierung<br />
1873 Petition Eduard Hoffmann<br />
Zollfreiheit für Reis zur<br />
Stärkeproduktion<br />
Zollfreiheit für Reis zur<br />
Stärkeproduktion<br />
Keine Entscheidung vor Auflösung des<br />
Zollparlaments<br />
Reis für Exportstärke unter<br />
Л i • u. Mi • r. - 1 • . 1 j Reis für Exportstärke abl.10.1870<br />
Aufsicht zollfrei; Starke im Inland<br />
I- j- 1. 1 -.M.. , zollfrei. Inlandsabsatz mit 3 Mark je DZ<br />
wie ausländische Starke mit 3 Mark<br />
. . Stärke belastet<br />
je DZ belastet<br />
Senkung des Stärke-Schutzzolles<br />
verhindern<br />
Zollfreiheit für Ätznatron als Ersatz<br />
1877 Petition Eduard Haffmann für den Verlust des Schutzzolles<br />
(Nicht entsprochen)<br />
Stärkeschutzzoll <strong>bis</strong> 1877 bestätigt<br />
1879 Wiedereinführung Getreidezöile 1,20 Mark je Doppelzentner<br />
1880 Zoilregulativ<br />
1885 Zoiitarifnoveile Gleichstellung mit Weizenzoll<br />
Reis zur Stärkefabrikation soll nicht<br />
1887 Zoiltarifnovelie besser gestellt werden als anderer<br />
Reis<br />
1888<br />
Zoiianschiuss Bremens/Petition<br />
Hoffmann's Stärkefabriken<br />
1891 Zoilregulativ<br />
1892 Petition Reisstärkefabrikanten<br />
1892<br />
1893<br />
Nov.<br />
1894<br />
Gegeneingabe der<br />
Weizenstärkefabrikanten<br />
Gegen-Gegeneingabe<br />
Reisfabrikanten an den<br />
preußischen Finanz- und<br />
Landwirtschaftsminister<br />
Petition an Reichstag<br />
Senkung/Abschaffung des<br />
Reiszolles wegen der neuen<br />
inländischen Konkurrenz<br />
Senkung/Abschaffung des<br />
Reiszolles<br />
Senkung/Abschaffung des<br />
Reiszolles<br />
Zollfreiheit für Bruchreis<br />
Reis soll bei 4 Mark je<br />
1901 Zollvorlage Doppelzentner bleiben, polierter<br />
Reis auf 6 Mark erhöht werden<br />
Abhängigkeit von der Bremer Reis-<br />
1901 Petition gegen Zollvorlage und Handels AG vermeiden<br />
120<br />
Zollerstattung für Exportstärke unter<br />
Aufsicht<br />
3 Mark je Doppelzentner unter<br />
Zollaufsicht<br />
4 Mark je Doppelzentner<br />
Zollerstattung für Exportstärke unter<br />
Aufsicht<br />
Umsetzung Zolltarifnovelle von<br />
1906 1<br />
Polierter Reis für Stärke unter<br />
1902 Zollaufsicht dem Rohreis gleicheestellt
Neben der zollpolitischen Behandlung des Reises<br />
als Rohstoff war für <strong>die</strong> deutschen Fabrikanten<br />
auch der Zoll für Reisstärke bedeutsam. Je niedriger<br />
<strong>die</strong>ser war, desto einfacher war es für ausländische<br />
Fabrikanten, ihre Produkte auf dem<br />
deutschen Markt abzusetzen. Die Einfuhrzölle<br />
für Stärke in Deutschland stellten sich wie folgt<br />
dar.'*’*<br />
Tabelle III. 2.3, Einfuhrzölle auf Stärke in<br />
Deutschland 1868-1906<br />
Datum<br />
Einfuhrzoll/DZ<br />
1 8 6 8 3<br />
1 8 7 7 A ufhebung S tärkezoll<br />
1 8 7 9 6<br />
1 8 8 5 9<br />
1 8 8 7 12,5<br />
1 9 0 6 14<br />
in Mark<br />
Eine umfassende Bewertung der Zollsituation<br />
ergibt sich aus dem Überblick der Entwicklung<br />
des Reiszolles für <strong>die</strong> Stärkeproduktion einerseits<br />
und des Schutzes der deutschen Reisstärkeindustrie<br />
durch Schutzzölle auf Stärke andererseits.<br />
Ab 1870 war Reis zur Produktion von Exportstärke<br />
komplett zollfrei, während <strong>die</strong> im Inland<br />
verkaufte Stärke über den Rohstoffpreis mit 3<br />
Mark nur so hoch belastet wurde, wie es auch<br />
<strong>die</strong> Stärke ausländischer Produzenten durch den<br />
Einfuhrzoll war. Damit ergab sich eine zollpolitische<br />
Gleichstellung deutscher und anderer Produzenten<br />
im Inland - wobei auf Grund der Transportkosten<br />
<strong>die</strong> Vorteile nun bei den deutschen<br />
Produzenten lagen - und eine gleichzeitige staatliche<br />
Unterstützung der Stärkefabriken für den<br />
Export. Eine kurzzeitige Verschlechterung aus<br />
der Sicht der Produzenten ergab <strong>die</strong> Aufhebung<br />
des Stärkezolls 1877. Mit der Wende zur deutschen<br />
Schutzzollpolitik 1879 stiegen sowohl <strong>die</strong><br />
Preise für den Rohstoff Reis wie auch zugleich<br />
<strong>die</strong> schützenden Stärkezölle angehoben wurden.<br />
Daher beschreibt der Nettoschutzzoll als Ergebnis<br />
des Einfuhrzolls ausländischer Stärke abzüglich<br />
des Rohstoffzolls deutscher Fabrikanten zur<br />
Produktion eines Doppelzentners Stärke <strong>die</strong> tatsächliche<br />
Höhe des deutschen Schutzzolls. 1879<br />
war der Nettoschutz bei einem Reiszoll zur Stärkeproduktion<br />
von 1,20 Mark je Doppelzentner<br />
und einem Stärkezoll von 6 Mark je Doppelzentner<br />
bei etwa 4 Mark je Doppelzentner Stärke.<br />
Mit dem Zolltarif von 1885, 9 Mark Zoll auf<br />
Stärke und 3 Mark auf Reis, lag der Nettoschutz<br />
bei etwa 5 Mark. 1887 ergaben <strong>die</strong> Erhöhungen<br />
der Zollsätze auf 12,50 Mark (Stärke) beziehungsweise<br />
4 Mark (Reis) einen Nettoschutz<br />
von ungefähr 7 Mark.<br />
Die Reaktion der deutschen Schutzzollpolitik<br />
im Ausland war eine Erhöhung der eigenen Zölle.<br />
Dadurch wurde der Export zwar beeinflusst,<br />
entscheidend war aber, dass der Beschluss von<br />
1870, Reis zum Stärkeexport gänzlich vom Zoll<br />
zu befreien und deutsche Stärke nicht höher als<br />
ausländische zu belasten, der deutschen Reisstärkeindustrie<br />
<strong>die</strong> Durchsetzung gegen ausländische<br />
Wettbewerber auf dem deutschen Markt<br />
für Reisstärke brachte und - wie später zu sehen<br />
sein wird - den deutschen Fabrikanten sichere<br />
Geschäfte im Ausland sicherte.<br />
Die Rickmers Reiswerke „Union“<br />
Hannoversch Münden<br />
Seit 1872 war Rickmer Glasen Rickmers nicht<br />
nur Schiffbauer und Reeder, sondern auch Reismüller.<br />
Die Reismüllerei im großen Maßstab sicherte<br />
der Reederei zumindest in der Emtesaison<br />
und den benötigten Fahrzeiten von und nach<br />
Asien eine sichere Befrachtung der Schiffe. Andererseits<br />
konnten <strong>die</strong> Schiffe den auf dem Markt<br />
leicht zu erstehenden Reis nur dann gewinnbringend<br />
nach Europa bringen, wenn der Verkauf<br />
der Reisladungen auch sicher war. Bei der Verarbeitung<br />
des Reises in der Rickmers’schen<br />
Mühle fielen jedoch einige Abfallmengen an<br />
121
Spelzen an, zudem brachen Körner während der<br />
Mahlgänge und es entstand sogenannter Bruchreis.<br />
Dieser Bruchreis wurde zu Futtermehl für<br />
Tiere verarbeitet, an Brauereien in Deutschland<br />
und den Vereinigten Staaten уегкаип“*^^ oder<br />
konnte als Grundstoff für Reisstärke weiterverwertet<br />
werden.<br />
Da Tierfuttermehl auf Reisbasis weder besonders<br />
einfach noch in überragenden Mengen abgesetzt<br />
werden konnte und Letzteres auch für den Absatz<br />
von Bruchreis für Brauzwecke galt, entschied<br />
sich <strong>die</strong> Familie Rickmers zur Nutzung des „bei<br />
der Veredelung des Rohreises massenhaft anfallenden<br />
Bruchreis“ für <strong>die</strong> Gründung einer eigenen<br />
Reisstärkefabrik.'*’^ Die Reismühle Nielsen<br />
und <strong>die</strong> Fabrik im nahe Bremen gelegenen Osterholz-Scharmbeck<br />
hatten es den Rickmers’ bereits<br />
vorgemacht. Für <strong>die</strong> Reisstärkeproduktion suchte<br />
<strong>die</strong> Familie Rickmers einen passenden Standort<br />
und fand <strong>die</strong>sen im über 200 Kilometer entfernten<br />
Hannoversch Münden. Der Vorteil Hannoversch<br />
Mündens war trotz der großen Entfernung<br />
<strong>die</strong> gute Erreichbarkeit über <strong>die</strong> Weser. 1882 erwarb<br />
<strong>die</strong> Familie ein dreißig Morgen'*’“*großes<br />
Grundstück am linken Weserufer im Norden der<br />
Stadt. Am 23. September desselben Jahres wurde<br />
das Richtfest gefeiert und im Juli 1883 <strong>die</strong> Produktion<br />
von Reisstärke unter dem Namen „W.<br />
Rickmers & Co., Stärkefabrik ,Union“, Hannoversch<br />
Münden“ aufgenommen. Etwa 250 Arbeitskräfte<br />
machten den Betrieb auf Anhieb zu<br />
einem der größten Unternehmen des Ortes.<br />
Ähnlich wie bei Hoffmann’s in Salzuflen wurde<br />
neben der eigentlichen Stärkeherstellung auch<br />
<strong>die</strong> Kisten- und Verpackungsherstellung in Eigenregie<br />
betrieben. Darüber hinaus hatte <strong>die</strong> Fabrik<br />
eine eigene Gasanstalt und der Stadt Hannoversch<br />
Münden sogar im Mai 1883 angeboten,<br />
auch <strong>die</strong> dortige Straßenbeleuchtung mit der fabrikeigenen<br />
Gasanstalt zu betreiben. Die Stadt<br />
hatte jedoch abgelehnt, bekam ihre eigene Gasanstalt<br />
und Straßenbeleuchtung erst 1889, während<br />
„Tausende“ Mündener Bürger am 27. Januar<br />
1883 am Weserufer standen und das<br />
„Schauspiel einer ,taghell* be- und erleuchteten<br />
Fabrik“, <strong>die</strong> somit auch abends und nachts produzieren<br />
konnte, bewunderten.“*’®Nach einem<br />
Jahr produzierte <strong>die</strong> Fabrik täglich 165 Zentner<br />
Reisstärke und es wurde eine Verdoppelung der<br />
Produktion mit entsprechenden Betriebserweiterungen<br />
in Angriff genommen, wodurch das<br />
Unternehmen zum zweitgrößten der Reisstärkeindustrie<br />
in Deutschland wurde. Im Rahmen <strong>die</strong>ser<br />
Baumaßnahmen wurde zudem in direkter<br />
Nähe zur Fabrik ein Hafen zur Reisentladung<br />
und zur Überwinterung von Schiffen gebaut.<br />
Denn „durch <strong>die</strong> Beförderung des Rohmaterials<br />
von Bremen nach Münden, [!] hatte sich der<br />
Schiffsverkehr auf der Weser deutlich belebt. Etwa<br />
40 Schiffe waren 1887 allein für <strong>die</strong> ,Union*<br />
eingesetzt.***”’<br />
Der Transport des Reises über <strong>die</strong> Weser wurde<br />
mit zwei Dampfschleppern, deren Namen und<br />
Herkunft nicht bekannt sind, und einer Zahl von<br />
<strong>bis</strong> zu zwölf Leichtern bewältigt. Die benötigten<br />
Schiffe waren vermutlich gechartert. Die Rickmers-Werft<br />
hat unter den Baunummern 77 <strong>bis</strong><br />
86 zwar acht Leichter und zwei Dampfschlepper<br />
gebaut, <strong>die</strong>se aber erst zwischen 1890 und 1892<br />
an <strong>die</strong> eigene Firma abgeliefert. Da zu <strong>die</strong>ser<br />
Zeit in Hannoversch Münden schon keine Stärke<br />
mehr produziert wurde, kamen <strong>die</strong> Fahrzeuge<br />
wohl eher auf der Unterweser zwischen Bremen<br />
und Bremerhaven zum Einsatz.**’*<br />
Bei der Produktionsaufnahme in Hannoversch<br />
Münden strebte <strong>die</strong> Eamilie Rickmers ursprünglich<br />
einen Jahresumsatz von 300.000 <strong>bis</strong> 320.000<br />
Mark an. Mit der Betriebserweiterung 1884 wurden<br />
natürlich deutlich höhere Summen in Aussicht<br />
genommen, andererseits wären <strong>die</strong> Investitionen<br />
kaum vertretbar gewesen. Das nötige<br />
Kapital konnte oder wollte <strong>die</strong> Familie Rickmers<br />
offensichtlich nicht alleine aufbringen, gehörten<br />
doch seit Gründung <strong>die</strong> Brüder Georg und Heinrich<br />
Wolde vom Bremer Bankhaus J. Schultze<br />
& Wolde zu den Teilhabern der Mündener Fabrik.<br />
Der Verkauf des Produktes fand unter dem<br />
Namen „Union-Stärke** statt und es wurden klare<br />
Assoziationen zu den bekannteren Unternehmen<br />
von Rickmers, der Reederei, der Werft und der<br />
Reismühle, be<strong>die</strong>nt. Auf den Verpackungen der<br />
Reisstärke war <strong>die</strong> Reedereiflagge, <strong>die</strong> Helgo
länder Flagge mit einem großen R, abgebildet,<br />
um mit den bekannten und erfolgreichen Unternehmen<br />
der Rickmers’ auch für <strong>die</strong> Reisstärke<br />
zu werben.“^®Trotz <strong>die</strong>ser geschickten Werbestrategie<br />
entwickelte sich das Geschäft mit der<br />
Reisstärke schwieriger als gedacht. Mit der zunehmend<br />
scharfen Konkurrenzsituation zwischen<br />
den Stärkefabriken kam es offenbar auch zu Verleumdungen<br />
der Konkurrenten, weshalb sich <strong>die</strong><br />
Stärkefabrik „Union“ nach nur zwei Monaten<br />
Produktion veranlasst sah, seine Handelsvertreter<br />
noch einmal schriftlich auf <strong>die</strong> eigenen Stärken<br />
hinzuweisen:<br />
„Nach den uns gewordenen Mittheilungen<br />
werden seit längerer Zeit über <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit<br />
unserer hiesigen Etablissements Gerüchte<br />
verbreitet, deren Widerlegung in derselben<br />
Weise wir unter unserer Würde halten.<br />
Wenngleich nun auch jedem verständigen Geschäftsmann<br />
<strong>die</strong> Abgeschmacktheit jener tendenziösen<br />
Entstellungen sofort erkenntlich<br />
sein muss, so wollen wir doch nicht unterlassen,<br />
Ihnen in Kürze ein Bild unserer Gesamtunternehmungen<br />
hier zu entwerfen, damit<br />
Sie ein für allemal wissen, wen [Hervorhebungen<br />
im Original] Sie vertreten.““'*®<br />
Anschließend wurde in dem Schreiben auf <strong>die</strong><br />
Bedeutung der Rickmers-Mühle in Bremen hingewiesen,<br />
<strong>die</strong> seit 1878 eine Vergrößerung erfahren<br />
habe „wie kein zweites Etablissement<br />
<strong>die</strong>ser Art auf der Welt“. Zudem wurden dort<br />
<strong>bis</strong> September 1883 mit über 800.000 Zentnern<br />
Rohreis immerhin zwei Drittel der Reismenge<br />
verarbeitet, welche <strong>die</strong> drei weiteren Bremer<br />
Reismühlen gemeinsam vermahlen hatten. Daher,<br />
so heißt es in dem Schreiben weiter, stellen<br />
sich <strong>die</strong> Herstellungskosten in einem so großen<br />
Betrieb „wesentlich billiger“ und <strong>die</strong> herausgehobene<br />
Stellung sei nur erreicht worden, weil<br />
„grundsätzlich niemals Kosten gescheut“ wurden,<br />
um „entdeckte Verbesserungen sofort in<br />
Anwendung zu bringen“. Im letzten Satz heißt<br />
es daim, dass „das Feld <strong>die</strong>ses Industriezweiges“<br />
groß genug für alle sei und es „schon im Hinblick<br />
auf den zunehmenden Consum durchaus nicht<br />
nöthig [ist], den Absatz durch unlautere Mittel<br />
zu forciren“.“**' Neben dem Schriftzug der Stärkefabrik<br />
zierte auch hier ein Schriftzug der Reederei<br />
und Werft sowie der Rickmers-Mühle den<br />
Brief, um dem Inhalt mehr Gewicht zu verleihen.<br />
Eindeutig falsch war <strong>die</strong> Einschätzung, dass steigender<br />
Konsum von Reisstärke <strong>die</strong> Konkurrenzsituation<br />
der Hersteller entschärfen würde. 1885<br />
kam es zwischen den bedeutendsten deutschen<br />
Fabriken - <strong>die</strong>se standen laut Wiesekopsieker in<br />
Bremen, Osterholz-Scharmbeck, Neustadt an der<br />
Haardt (heute: an der Weinstraße), Heerdt bei<br />
Neuss, Königsberg, Vegesack, Kaiserslautem,<br />
Ulm, Frankenthal, Deutsch-Wartenberg, Neuss,<br />
Albersweiler und Elmshorn - sogar zu Absprachen<br />
mit der Festlegung von Verkaufspreisen,<br />
um den Absatz zu sichern.“'*^<br />
Das Besondere an der Stärkefabrik „Union“ war,<br />
dass sie nicht im eigentlichen Sinn zum Rickmers-Imperium<br />
gehörte, sondern ein eigenständiges<br />
Unternehmen war. Als Kommanditgesellschaft<br />
mit dem haftenden Gesellschafter Wilhelm<br />
Rickmers gehörten zwar hauptsächlich Familienmitglieder<br />
zu den Komplementären, aber eben<br />
erstmals nicht ausschließlich. Neben Wilhelm<br />
Rickmers gehörten seine älteren Brüder Andreas<br />
und Peter Rickmers sowie <strong>die</strong> Bremer Bankiers<br />
Georg und August Wolde vom Bankhaus J.<br />
Schultze & Wolde zu den Eigentümern. Der Firmenpatriarch<br />
Rickmer Glasen Rickmers hingegen<br />
war kein Miteigentümer.“'** Wilhelm Rickmers<br />
(1844-1891), genannt Willy, warder jüngste<br />
Sohn von Rickmer Glasen Rickmers und trat<br />
ebenso wie <strong>die</strong> älteren Brüder in das Familienunternehmen<br />
ein. Allerdings war er wegen einer<br />
Hüftverletzung aus der Kindheit und einem Nierenleiden<br />
oft kränklich. Ende der 1870er Jahre<br />
war er nach einer Asienreise 1876/77 zum Kennenlernen<br />
des dortigen Geschäftsfeldes in <strong>die</strong><br />
Leitung der Reismühle in Bremen eingetreten.<br />
Seine Aufgaben mussten auf Grund der körperlichen<br />
Konstitution des Öfteren von Andreas<br />
Rickmers übernommen werden. Wilhelm Rickmers<br />
war der unternehmerisch am wenigsten Erfahrene<br />
der drei Söhne des Firmenpatriarchen.<br />
Dass <strong>die</strong> Unternehmensleitung bei Wilhelm<br />
123
ш<br />
Rickmers lag, der Vater nicht in <strong>die</strong> Stärkefabrik<br />
eintrat und <strong>die</strong>se ein eigenständiges Unternehmen<br />
war, ist Hinweis darauf, dass der Stärkefabrik<br />
ein geringerer Stellenwert im Unternehmensverbund<br />
zukam. Sicher sollten mit der<br />
Gründung der Stärkefabrik der Absatz des Schälabfalls<br />
sichergestellt werden und <strong>die</strong> Produktions-<br />
sowie Gewinnkette vom Reiseinkauf über<br />
den Transport und <strong>die</strong> Vermahlung fortgesetzt<br />
werden, und im eigenen Unternehmen konnten<br />
<strong>die</strong> Abnahmemengen und -preise vorgeschrieben<br />
werden. Zudem war <strong>die</strong> Verarbeitung von Bruchreis<br />
zu Stärke<br />
„ein zusätzliches Geschäft, von dem andere<br />
Untemehmensbereiche nicht abhängig waren.<br />
Andererseits wurden erhebliche Summen in<br />
ein Unternehmen investiert, in dessen Märkten<br />
noch keinerlei Erfahrungen gesammelt<br />
werden konnten. Möglicherweise scheute man<br />
<strong>die</strong> Verbindung mit dem Stammunternehmen,<br />
um es im Falle eines Misserfolges der Stärkefabrik<br />
nicht zu gefährden. Die große Entfernung<br />
vom Hauptsitz des [...] Stammhauses<br />
war möglicherweise ebenfalls ein Grund für<br />
eine eigenständige Geschäftsführung.“'**'*<br />
Ein Scheitern der Stärkefabrikation musste<br />
schließlich auch eingestanden werden. Nach Verhandlungen<br />
von Wilhelm Rickmers fusionierte<br />
<strong>die</strong> W. Rickmers & Co., Stärkefabrik „Union“,<br />
Hannoversch Münden 1887 mit der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG. Die Stärkeproduktion an der<br />
Weser wurde sofort gedrosselt, <strong>die</strong> Produkte aber<br />
vorerst weiterhin unter den beiden bekannten<br />
Firmennamen vertrieben. Wilhelm Rickmers<br />
blieb mit einer Kapitaleinlage, nun bei Hoffmann’s,<br />
in der Reisstärkeproduktion engagiert<br />
und wurde auch der Aufsichtsratsvorsitzende des<br />
neuen Unternehmens. Im gleichen Jahr war auch<br />
Georg Wolde Aufsichtsratsmitglied bei Hoffmann’s<br />
in Salzuflen. Es war jedoch nicht zu klären,<br />
ob er schon vor 1887 bei Hoffmann’s beteiligt<br />
war und sich auf Grund seiner Marktkenntnisse<br />
1883 bei der Stärkefabrik „Union“ beteiligt<br />
hatte oder ob er erst mit der Fusion der Fabriken<br />
in den Aufsichtsrat des lippischen Unternehmens<br />
trat.'**^<br />
Nur ein halbes Jahr nachdem Wilhelm Rickmers<br />
Aufsichtsratsvorsitzender bei Hoffmann’s geworden<br />
war, legte er nach Streitigkeiten über <strong>die</strong><br />
Firmenausrichtung sein Mandat am 30. November<br />
1887 wieder nieder. Damit war das Engagement<br />
der Rickmers’ in der Stärkeproduktion beendet<br />
und der Standort Hannoversch Münden<br />
vorerst aus dem Blick der Familie geraten. 1889<br />
wurde <strong>die</strong> Produktion von Reisstärke in Hannoversch<br />
Münden von der Hoffmann’s Stärkefabriken<br />
AG eingestellt.'**®<br />
Die Reiswerke Osterholz<br />
Am 5. Oktober 1874 erteilte das Amt Osterholz<br />
„dem Fabrikanten Hermann Hunte zu Oldenburg<br />
und dem Kaufmann Gerhard Lange zu Bremen“<br />
eine Konzession zum Bau und Betrieb einer Stärkefabrik<br />
im Ort. Den Neufabrikanten wurde der<br />
Betrieb allerdings unter der Bedingung gestattet,<br />
„daß für genügende Abwässerung gesorgt werde“.'**’<br />
Ein erstes Grundstück für den neuen Betrieb<br />
wurde 1875 erworben und noch im selben<br />
Jahr <strong>die</strong> Produktion mit 30 Arbeitern aufgenommen.<br />
Die Stärkefabrik Gerhard Langes unterschied<br />
sich von den anderen Fabriken zur Herstellung<br />
von Reisstärke, weil sie weder aus einer<br />
bestehenden Stärkefabrik hervorging, <strong>die</strong> ihren<br />
Bearbeitungsrohstolf auf Reis umstellte, noch<br />
aus einem Reismühlenbetrieb zur Verarbeitung<br />
der Abfälle entstand oder aus demselben Grund<br />
von einem Reismüller gegründet wurde. Erstmals<br />
gab nicht <strong>die</strong> Reismüllerei oder <strong>die</strong> langjährige<br />
Stärkefabrikation den Anlass zum Beginn<br />
der Reisstärkefabrikation. Hier dürfte der Grund<br />
darin gelegen haben, dass Hermann Hunte und<br />
Gerhard Lange über den Stärkemarkt, <strong>die</strong> Reismüllerei<br />
und das Angebot an Bruchreis so gut<br />
informiert waren, dass sie <strong>die</strong> Gründung der Fabrik<br />
in Osterholz verwirklichten, weil sie entsprechenden<br />
wirtschaftlichen Erfolg erwarteten.<br />
Entsprechend einmalig war auch der Beschluss,<br />
eine Reismühle dem Betrieb anzugliedern. Diese<br />
nahm 1878 den Betrieb auf und war <strong>die</strong> erste<br />
und einzige Reisstärkefabrik, <strong>die</strong> eine eigene<br />
Reismühle betrieb, um den Bedarf an Bruchreis
für <strong>die</strong> Stärkefabrikation sicherzustellen. Wo<br />
sonst <strong>die</strong> Stärkefabrikation das Nebengeschäft<br />
der industriellen Reisveredelung war, wurde<br />
Letztere nun zum Beiwerk der Stärkeherstellung.<br />
Die Geschäfte der Fabrik entwickelten sich in<br />
den Anfangsjahren sehr gut. Schon 1876 wurden<br />
<strong>die</strong> bestehenden Anlagen erweitert. Als Käufer<br />
eines Grundstücks trat am 12. Oktober 1876 der<br />
Maurer Steeneck aus Scharmbeck im Namen<br />
Gerhard Langes auf. Vermutlich war er mit den<br />
Erweiterungsbauten der Fabrikgebäude beauftragt.'*®*<br />
Auch der Beginn der Reismüllerei ging<br />
mit Zukäufen von öffentlichem Land 1877, das<br />
teilweise bereits zuvor von der Fabrik gepachtet<br />
war, einher.1878 wurde zudem mit dem Bau<br />
der Pappstraße begonnen, in der 19 Wohnungen<br />
für Arbeiter der Lange’schen Fabrik entstanden.<br />
Die Belegschaft war in nur drei Jahren um das<br />
Zwölffache auf über 370 Mitarbeiter gewachsen.<br />
Bei der Einstellung der Arbeiter zählten für Gerhard<br />
Lange offenbar auch soziale Gesichtspunkte,<br />
denn er beschäftigte auch ehemalige Strafgefangene<br />
und Vorbestrafte.<br />
Dass <strong>die</strong> Reisstärkefabrik in den 1880er Jahren<br />
ein bedeutender Arbeitgeber in Osterholz war,<br />
zeigte sich, als es 1881 und 1882 Bürgerproteste<br />
gegen <strong>die</strong> Geruchsentwicklung der Fabrik gab.<br />
Im Mittelpunkt der Kritik standen <strong>die</strong> stinkenden<br />
Abwässer, <strong>die</strong> bei der Stärkeproduktion anfielen.<br />
Konflikte um <strong>die</strong> Ableitung <strong>die</strong>ser Abwässer waren<br />
nicht ungewöhnlich. Schon 1736 hatten sich<br />
Anwohner der Kölner Stärkefabrikanten beim<br />
Rat der Stadt über <strong>die</strong> einfache Ableitung der<br />
stinkenden Abwässer in <strong>die</strong> Gosse beklagt, und<br />
1751 wollte ein Brauereibesitzer den Verkauf eines<br />
Nachbargrundstücks an einen Stärkefabrikanten<br />
verhindern, weil der Gestank „seine daneben<br />
liegende Brauerei zugrunderichten“ würde.'*^**<br />
Ob es im 18. Jahrhundert eine Lösung im<br />
Sinne der Anwohner gab, ist nicht bekannt, wohl<br />
aber, wie der gleiche Konflikt bei der Stärkefabrik<br />
Eduard Hoffmann’s in Salzuften gelöst wurde.<br />
Dort kam es 1885 zu einem sogenannten<br />
„Wasserprozess“, der sich zum Leidwesen Hoffmanns<br />
<strong>bis</strong> 1891 hinzog. Der Besitzer einer Badeanstalt<br />
der dem lippischen Werk benachbarten<br />
Stadt Herford ließ der Stärkefabrik <strong>die</strong> Einleitung<br />
der Abwässer in <strong>die</strong> Bega untersagen. Die Bega<br />
ergoss sich in <strong>die</strong> Herford durchffießende Werre,<br />
weshalb sich der Badbesitzer durch <strong>die</strong> schlechte<br />
Wasserqualität der Werre geschäftlich benachteiligt<br />
sah. In der Eolge gab es Gutachten und<br />
Gegengutachten, eine Zeitungskampagne gegen<br />
<strong>die</strong> Stärkefabrik und schließlich einen Vergleich<br />
zwischen den Parteien, bei dem <strong>die</strong> Stärkefabrik<br />
<strong>die</strong> Kosten übernahm. Ob <strong>die</strong> Einleitungen der<br />
Fabrik für <strong>die</strong> schlechte Wasserqualität verantwortlich<br />
waren und ob <strong>die</strong> Fabrik <strong>die</strong> einzige<br />
Verschmutzerin war, konnte allerdings in den<br />
sechs Prozessjahren gar nicht geklärt werden.<br />
Die Lösung des Umweltproblems wurde in Angriff<br />
genommen, indem 1885 Klärteiche und<br />
1888 Rieselfelder zwischen den Wasserläufen<br />
der Bega und der Werre angelegt wurden.'*®* Auf<br />
<strong>die</strong>selbe Art, mit der Schaffung einer Rieselwiese,<br />
auf <strong>die</strong> <strong>die</strong> Abwässer aufgebracht wurden<br />
und dann in selbstständigen biologischen Prozessen<br />
abgebaut und damit geklärt wurden, beruhigte<br />
der Bremer Kaufmann und Osterholzer<br />
Fabrikant auch <strong>die</strong> Proteste 1881. 1882 flammte<br />
der Widerstand gegenüber den Abwässern wegen<br />
der Geruchsbelästigung jedoch erneut auf. Nun<br />
machte sich Gerhard Lange seine Stellung als<br />
wichtiger Arbeitgeber in Osterholz zu Nutze und<br />
drohte der Stadt mit Entlassungen, wenn es keine<br />
Lösung im Sinne der Eabrik gebe. 150 Arbeitern<br />
wurde sogar <strong>die</strong> Kündigung ausgesprochen, um<br />
das Amt unter Druck zu setzen. Nach Gesprächen<br />
mit der Regierung in Hannover wurden sie<br />
jedoch wieder eingestellt. Ob es eine Veränderung<br />
der Abwassersituation zu Gunsten der Bürger<br />
1882 gab, ist nicht bekannt.<br />
1882 waren erstmals Absatzprobleme vorhanden<br />
und <strong>die</strong> Osterholzer Fabrik wurde mit der scharfen<br />
Konkurrenzsituation sowie der tendenziellen<br />
Überproduktion innerhalb der deutschen Reisstärkeindustrie<br />
konfrontiert. Daher stieg der Kostendruck<br />
auf <strong>die</strong> Fabrikanten und genauso, wie<br />
Reismühlen zu Verlängerung der Produktionsund<br />
Gewinnkette Reisstärke aus ihren Abfällen<br />
erzeugten, suchte <strong>die</strong> Reisstärkefabrik mit angegliederter<br />
Reismühle in Osterholz nach wei-
teren Gewinnmöglichkeiten. Daher gliederte sich<br />
um 1880 eine eigene Ochsenzucht an <strong>die</strong> Fabrik<br />
an. Aus den Resten der Stärkeherstellung und<br />
der Reismüllerei wurde Tierfutter gemischt, das<br />
zur Ochsenmast verwendet wurde. Dabei gab es<br />
in der Osterholzer Zucht <strong>bis</strong> zu 30 Masttiere<br />
zeitgleich und jede Woche wurde eine ganze<br />
Wagenladung der Ochsen zu einem Schlachthof<br />
nach Köln geschickt.<br />
Die Ochsenzucht verursachte wiederum ein angehängtes<br />
Geschäftsfeld, denn auch mit der nun<br />
anfallenden Gülle wollten <strong>die</strong> Stärkeindustriellen<br />
noch ein Geschäft machen. 1881 gab es einen<br />
ersten Landkauf in der Heide und durch weitere<br />
Zukäufe und Landkultivierung entstand dort sukzessive<br />
das Gut Elm. Dort wurde der Dung der<br />
Osterholzer Ochsenzucht ausgebracht und sollte<br />
den Weizenanbau unterstützen. Darüber hinaus<br />
nutzte Gerhard Lange den landwirtschaftlichen<br />
Betrieb, um seebeschädigte Reisladungen kostengünstig<br />
zu entsorgen. War eine Schiffsladung<br />
so verdorben, dass sie sich nicht mehr zur Veredelung<br />
eignete, gab es keine entsprechende<br />
Zollerstattung nach dem geltenden Schälregulativ<br />
- denn der Reis wurde ja nicht geschält.<br />
„Derselbe [Gerhard Lange] betreibt aber neben<br />
seiner Schälmühle und Stärkefabrik Landwirthschaft,<br />
um <strong>die</strong> Abfälle verwerthen zu<br />
können. Zum Düngen der Felder hat er mit<br />
Erfolg den schwerbeschädigten Reis benutzt<br />
und auf <strong>die</strong>sen so benutzten Reis hat er keinen<br />
Zoll zu zahlen gehabt. Die Steuerbehörde hat<br />
ihm also erlaubt, vor Entrichtung des Zolles<br />
<strong>die</strong> Beschädigung abzunehmen und den<br />
schwersten Theil derselben hat er, wie oben<br />
erwähnt, verbraucht. Auf alles Andere muss<br />
Zoll bezahlt werden.“<br />
So wurden dem Industriellen wenigstens Zollzahlungen<br />
erlassen und der Verlust einer verdorbenen<br />
Ladung Reis bestand einzig im Warenwert.<br />
Gut Elm wurde jedoch nie zu einem<br />
wirtschaftlichen Erfolg und <strong>bis</strong> zur Eingliederung<br />
der Fabrik in <strong>die</strong> Reis- und Handels AG<br />
1901 mit etwa 100.000 Mark unterstützt. Es ging<br />
in den Besitz des Vorstandsmitglieds Hermann<br />
Friedrich Upmann über, <strong>bis</strong> <strong>die</strong>ser das Gut 1907<br />
veräußerte und es dort keine Verbindung zur<br />
Reisindustrie mehr gab.<br />
1893 wurde <strong>die</strong> Fabrik in eine Aktiengesellschaft<br />
umgewandelt. Aus der Stärkefabrik Gerhard Lange<br />
waren <strong>die</strong> Reiswerke Osterholz in Osterholz-<br />
Scharmbeck geworden. Bis 1900 wurde <strong>die</strong> Fabrik<br />
auf Grund der Absatzprobleme deutlich verkleinert.<br />
Es waren nur noch etwa 200 männliche<br />
und 30 weibliche Arbeitskräfte angestellt. Einen<br />
Einblick in das fest geregelte Arbeitsleben in der<br />
Stärkefabrik gibt eine Arbeitsordnung aus dem<br />
Jahr 1910. Die Arbeitsbedingungen waren aus<br />
heutiger Sicht durchaus hart, aber es zeigt sich,<br />
dass neben dem gesetzlichen Schutz der Industriearbeiterdurchaus<br />
auch <strong>die</strong> Arbeitsordnung<br />
der Fabrik in der Unterscheidung von Männern<br />
und Frauen auf <strong>die</strong> Lebensbedingungen der Arbeiterschaft<br />
einging. So waren in der üblichen<br />
Tagschicht <strong>die</strong> Arbeitszeiten der Männer werktäglich,<br />
also von Montag <strong>bis</strong> Samstag, von 6 <strong>bis</strong><br />
18 Uhr und abzüglich der Pausen damit 11 Stunden.<br />
In den Pausen waren <strong>die</strong> an Maschinen Arbeitenden<br />
verantwortlich, dass <strong>die</strong>se nicht Stillständen.<br />
Wöchentlich kamen insgesamt 66 Stunden<br />
Arbeitszeit zusammen. Die im Werk<br />
arbeitenden Frauen begannen - gewollt oder ungewollt<br />
- erst um 7 Uhr in der Frühe und hatten<br />
mittags nicht 30, sondern 90 Minuten Pause zu<br />
machen, um nach Hause zu gehen und der Familie<br />
<strong>die</strong> mittägliche Mahlzeit zubereiten zu können.<br />
Damit ergab sich ein Arbeitstag von achtstündiger<br />
Dauer. Da vor Sonn- und Feiertagen<br />
Frauen zudem bereits um 17 Uhr <strong>die</strong> Arbeit beendeten<br />
- auch hier dürfte <strong>die</strong> Vorbereitung des<br />
anstehenden Tages und <strong>die</strong> Versorgung der Familie<br />
der Grund gewesen sein -, ergab sich immerhin<br />
noch eine wöchentliche Arbeitszeit von<br />
maximal 47 Stunden. Zur üblichen Tagesschicht<br />
wurde auch in Nachtschichten von 18 Uhr <strong>bis</strong><br />
6 Uhr morgens gearbeitet. Für <strong>die</strong> anspruchsvolle<br />
und konzentrationsfordernde Be<strong>die</strong>nung der<br />
Reispoliergänge galt, dass selbige von keinem<br />
Arbeiter länger als 48 Stunden wöchentlich be<strong>die</strong>nt<br />
werden durften.‘'^'‘<br />
Eine Verkleinerung des Werkes resultierte aus<br />
den Marktabsprachen mit anderen Reisstärkefa-<br />
126
iken sowie den Vorgaben der Reis- und Handels<br />
AG, zu denen der Osterholzer Betrieb seit<br />
1901 gehörte. Im Unterschied zu einigen anderen<br />
Reismühlen des Bremer Unternehmens lag <strong>die</strong><br />
Fabrik im Zollinland und da <strong>die</strong> Zollkontrolle<br />
zur Erstattung der Zollkosten nach dem geltenden<br />
Schälregulativ von den Produzenten zu tragen<br />
waren, fielen für <strong>die</strong> Fabrik in Osterholz<br />
jährlich fast 6.800 Mark Kosten für <strong>die</strong> Zollinspektion<br />
an. Ein weiteres Geschäftsfeld brach<br />
der Fabrik weg, als 1906 der Export von zerkleinertem<br />
Bruchreis in <strong>die</strong> Vereinigten Staaten<br />
unterlassen werden musste. Für zerkleinerten<br />
Bruchreis, der beispielsweise für Brauzwecke<br />
verwendet werden konnte, bestand in den Vereinigten<br />
Staaten ein ermäßigter Zollsatz, was den<br />
Export für deutsche Firmen lukrativ machte. Die<br />
Zerkleinerung von Bruchreis für den Export wurde<br />
von den deutschen Zollbehörden seit 1898<br />
kommentarlos hingenommen. Mit der Zolltarifsnovelle<br />
von 1906 wurde <strong>die</strong>se Praktik jedoch<br />
für illegal erklärt. In acht Jahren sind etwa 16.500<br />
Tonnen an zerkleinertem Bruchreis exportiert<br />
worden. Der Export von gröberem Bruchreis zu<br />
höheren Steuersätzen war unrentabel und ein<br />
Geschäftsfeld der Fabrik fiel daher weg.“*®^Zusätzlich<br />
war <strong>die</strong> Fabrik in Osterholz im Vergleich<br />
zu den Bremer Werken der Reis- und Handels<br />
AG benachteiligt, weil <strong>die</strong> schlechte Verkehrsanbindung<br />
alle Produkte verteuerte. Für einen<br />
Doppelzentner Rohreis kostete der Transport von<br />
Geestemünde nach Bremen 20 Pfennige. Derselbe<br />
Betrag musste auch für den kürzeren Transport<br />
nach Osterholz aufgebracht werden. Während<br />
<strong>die</strong> Reisprodukte nach der Herstellung in<br />
Bremen direkt in den Vertrieb gehen konnten,<br />
waren von Osterholz <strong>bis</strong> Bremen weitere 14<br />
Pfennige an Bahnfrachten zu zahlen, was <strong>die</strong><br />
möglichen Gewinne aus den in Osterholz hergestellten<br />
Reisprodukten entsprechend reduzierte.<br />
Zudem verschärfte <strong>die</strong> Gründung einer Reismühle<br />
durch sieben englische Großimporteure,<br />
<strong>die</strong> im Hamburger Freihafengebiet Reis verarbeitete,<br />
der in Birma bereits vorpoliert worden<br />
war, sowie günstig in den Niederlanden produzierende<br />
Reismühlen den Kostendruck auf <strong>die</strong><br />
bestehenden deutschen Reisfabriken. Ab 1906<br />
wurde daher <strong>die</strong> Produktion gedrosselt und nur<br />
noch acht Monate im Jahr Reis verarbeitet.<br />
Schließlich wurden <strong>die</strong> Müllerei und <strong>die</strong> Reisveredelung<br />
in Osterholz 1911 komplett eingestellt.'‘^®<br />
Marktübersättigungen und<br />
Konzentrationsbestrebungen<br />
Seit 1882, etwa zwölf Jahre nachdem <strong>die</strong> Herstellung<br />
von Reisstärke als neuer Industriezweig<br />
entstanden war, gab es erste kleine Anzeichen,<br />
dass <strong>die</strong> Erfolgsgeschichte der deutschen Reisstärkeindustrie<br />
nicht ungebremst andauem würde.<br />
Die Fabrik in Osterholz kämpfte erstmals<br />
mit Absatzproblemen und bemühte sich um eine<br />
Konzession zur Sirupherstellung, weil über alternative<br />
Geschäftsmodelle nachgedacht werden<br />
musste.Fast zeitgleich aber eröffnete <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers in Hannoversch Münden <strong>die</strong><br />
Stärkefabrik „Union“, <strong>die</strong> im ersten Betrieb-sjahr<br />
noch ein so gutes Ergebnis erzielte, dass in eine<br />
deutliche Betriebsvergrößerung investiert wurde.<br />
1885 gab es insgesamt 16 Reisstärkefabriken in<br />
Deutschland (s. Tabelle S. 128).'*®*<br />
Diese 16 Firmen mit dem unbestrittenen Marktführer<br />
aus Salzuflen produzierten inzwischen so<br />
viel Stärke, dass das Angebot <strong>die</strong> Nachfrage<br />
überstieg.<br />
In der historischen Unternehmensforschung gibt<br />
es nach Pierenkemper fünf Indikatoren für <strong>die</strong><br />
Beschreibung der Unternehmensentwicklungen<br />
in einem Führungssektor.^“ Um es vorwegzunehmen:<br />
Die Reisstärkeindustrie war kein wirtschaftlicher<br />
Führungssektor, weil sie keinen bedeutenden<br />
Anteil an der Gesamtwirtschaft hatte<br />
und auch nur wenige Wechselwirkungen mit anderen<br />
Sektoren der deutschen Wirtschaft zeigte.<br />
Dennoch erklären <strong>die</strong> Entwicklungsstufen, an<br />
deren Ende Überkapazitäten und Preissenkungen<br />
stehen, warum es in der Reisstärkeindustrie genau<br />
dazu kam. In einem ersten Schritt hatten<br />
technologische Neuerungen, <strong>die</strong> erfolgreichen<br />
Produktionsversuche von Pionieren wie Johann<br />
Schöllkopf und Eduard Hoffmann, eine neue<br />
127
Tabelle III. 2.4, Reisstärkefabriken''®^ in Deutschland 1885<br />
Firma<br />
Ort<br />
^4<br />
E. H o ffm a n n & Co. S a lz u fle n<br />
G e b rü d e r N ie lse n<br />
Brem en<br />
S tä rk e fa b rik G e rh a rd Lange<br />
Lange & Lam pe<br />
W . R ic k m e rs & Co.<br />
E. Rem y & Co.<br />
P.J. S ch ra m m<br />
O s te rh o lz<br />
V e g e sa ck<br />
(h e u te e in S tad tte il v o n Brem en)<br />
H a n n o v e rs c h M ü n d e n<br />
H eerdt<br />
(h e u te e in S tad tte il vo n N e u ss)<br />
N euss<br />
K ö n ig s b e rg e r S tä rk e fa b rik<br />
K ö n ig sb e rg<br />
D ru m m & C ie.<br />
J. N e u b a u e r & Co.<br />
K a is e r s la u t e r n<br />
N e u sta d t a n d e r H a a rd t<br />
(h e u te N e u sta d t a n d e r W e in s tra ß e )<br />
D. L a ib le U lm<br />
H. M a c k U lm<br />
J.B. Z w ick<br />
J. M ä h lic h<br />
W . Z w ick<br />
F ra n k e n th a l<br />
D e u tsc h -W a rte n b e rg<br />
(h e u te O tyñ in P o le n )<br />
A lb e rs w e ile r<br />
-<br />
li<br />
H. H a a rtja E lm sh o rn<br />
wirtschaftliche Art der Stärkeherstellung auf<br />
Reisbasis gezeigt. In den folgenden Jahren kam<br />
es mit Bremer Hilfe zu großen Investitionen in<br />
Salzuflen und neue Firmen nahmen <strong>die</strong> Stärkeproduktion<br />
auf. Die dritte Stufe, der Sektor erhält<br />
ein bedeutendes Gewicht in der Gesamtwirtschaft,<br />
blieb aus. Daher wurde <strong>die</strong> Reisstärkeindustrie<br />
gerade nicht zu einem Führungssektor<br />
in Deutschland. Im Vergleich zu anderen Stärkearten<br />
machte <strong>die</strong> Reisstärke auch nur einen<br />
kleinen Teil des gesamten Stärkemarktes aus und<br />
trotzdem war sie bedeutend genug, dass in den<br />
Verhandlungen um neue Zolltarife <strong>die</strong> Weizenstärkefabrikanten<br />
als Gegenspieler auftraten. Außerdem<br />
verdrängte Stärke auf Reisbasis andere<br />
Stärkesorten, weil sie für bestimmte Zwecke,<br />
128<br />
s »<br />
'Г--Л
wie beispielsweise <strong>die</strong> Anwendung an Textilien,<br />
besser geeignet war. Zumindest innerhalb des<br />
Stärkesektors hatte <strong>die</strong> Reisstärke stark an Bedeutung<br />
gewonnen.' Dies ist zugleich auch<br />
schon ein Teil der vierten Entwicklungsstufe.<br />
Neue Produkte gaben zumindest im Bereich der<br />
Stärkeproduktion neue Impulse in den Stärkemarkt<br />
und zugleich wurde <strong>die</strong> Nachfrage der<br />
Wirtschaft verändert. Die neue Reisstärkeindustrie<br />
gab keine Impulse für <strong>die</strong> gesamte deutsche<br />
Wirtschaft, beeinflusste aber <strong>die</strong> Reisindustrie<br />
stark. Für sie war <strong>die</strong> Nachfrage der Stärkefabriken<br />
von Bedeutung, weil vermeintlicher Abfall<br />
weiterverwertet werden konnte. Alle <strong>die</strong>se<br />
Punkte, <strong>die</strong> erst einmal gute wirtschaftliche Aussichten<br />
anzeigten, führten zu den hohen Investitionen<br />
der Reismüller, Stärkefabrikanten und<br />
weiterer Kapitalgeber wie den Bremer Bankiers<br />
in den Unternehmungen in Salzuflen und Hannoversch<br />
Münden. Aus der Menge der Investitionen<br />
folgte dann <strong>die</strong> fünfte Entwicklungsstufe<br />
nach Pierenkemper: Es entstanden Überkapazitäten<br />
und <strong>die</strong>se erzwangen Preissenkungen.<br />
Um einen ruinösen Preiskampf zu vermeiden,<br />
kam es im März 1885 zu einer Absprache zwischen<br />
den zehn größten Produzenten. Die Firmen<br />
Hoffmann’s, <strong>die</strong> Königsberger Stärkefabrik, G.<br />
Lange, Lange & Lampe, Neubauer, Drumm, Remy,<br />
Rickmers, Mack und Zwick in Frankenthal<br />
einigten sich auf eine Konvention, in der einheitliche<br />
Verkaufspreise für Reisstärke festgelegt<br />
wurden. Nach nur einem Jahr wurde <strong>die</strong>se Absprache<br />
wegen widerstreitender Interessen aber<br />
schon wieder aufgehoben. Zudem umgingen <strong>die</strong><br />
Zwischenhändler das Preisdiktat, indem sie sich<br />
vor dem Inkrafttreten des Abkommens reichlich<br />
mit Stärke eindeckten und daher während der<br />
bestehenden Konvention nicht von den Fabriken<br />
abhängig waren.^“^ Für den erfolgreichen Absatz<br />
der produzierten Stärke wurden daher andere<br />
Strategien gesucht.<br />
Anfänglich hatten <strong>die</strong> Stärkeproduzenten darauf<br />
abgezielt, eigene Reisstärke in Deutschland abzusetzen,<br />
als sie sahen, dass englische Reisstärkefabriken<br />
mit ihren Produkten Kartoffel- und<br />
Welzenstärke verdrängten. Entsprechend argumentierten<br />
auch Schöllkopf und Hoffmann in<br />
ersten Petitionen für eine neue Zollpolitik. Mit<br />
der Senkung des Reiszolls 1870 wurde <strong>die</strong>sem<br />
Ansinnen stattgegeben. Von größerer Tragweite<br />
für <strong>die</strong> Ausrichtung und <strong>die</strong> Entwicklung der<br />
deutschen Reisstärkeindustrie war <strong>die</strong> ab Oktober<br />
1870 bestehende Zollfreiheit von Reis zur<br />
Herstellung von Stärke für den Auslandsabsatz.<br />
Diese Zollfreiheit unter Zollkontrolle wurde zudem<br />
mit jeder Zolltarifsnovelle wiederum festgesetzt.<br />
Auch wenn <strong>die</strong> Zollkontrolle vom Produzenten<br />
getragen werden musste und immer<br />
wieder beklagt wurde, und obwohl auch <strong>die</strong> Einfuhrzölle<br />
für Stärke denen der Nachbarländer<br />
zumindest in den 1870er Jahren in etwa gleichgestellt<br />
waren, war <strong>die</strong> Zollfreiheit für Reis zur<br />
Herstellung von Exportstärke der entscheidende<br />
Punkt, der <strong>die</strong> deutsche Reisstärkeindustrie zu<br />
einer Exportindustrie werden ließ. Denn <strong>die</strong>se<br />
zollpolitische Behandlung war letztlich nichts<br />
anderes als eine versteckte Subvention zur Förderung<br />
des Exports.<br />
Der Auslandsabsatz der deutschen Reisstärkefabriken<br />
war <strong>bis</strong> 1900 größer als der Absatz im<br />
Inland.^<br />
Tabelle III. 2.5, Absatz von deutscher Reisstärke im In- und Ausland 1890-1913<br />
A bsatz<br />
Jahr<br />
1890 1900 1905 1910 1913<br />
In lan d sab satz 43 49 61 70 73<br />
A u slan d sab satz 57 51 39 30 27<br />
in P rozent<br />
129
Ein sehr wichtiges Absatzgebiet war Frankreich,<br />
wohin sogar im Jahr 1900 noch mit 11.692 Doppelzentnern<br />
mehr als ein Zehntel des deutschen<br />
Gesamtexports von 98.076 Doppelzentnern ausgeführt<br />
wurden. Als dort in den 1880er Jahren<br />
ein Stärkezoll und zusätzlich noch ein Verpackungszoll<br />
eingeführt wurden, reagierte Eduard<br />
Hoffmann mit Investitionen, <strong>die</strong> über nationale<br />
Grenzen hinausgingen. Indem er in Paris und<br />
Nantes eigene Kartonagefabriken eröffnete und<br />
<strong>die</strong> lose Stärke erst dort abgepackt wurde, konnte<br />
wenigstens der Verpackungszoll umgangen werden.<br />
Um das weiter zurückgehende Geschäft in<br />
Frankreich am Leben zu halten, wurden <strong>die</strong> dortigen<br />
Fabriken 1895 als rechtlich eigenständige<br />
Gesellschaft unter dem Namen Société Anonyme<br />
Française des Amidonneries Hoffmann zusammengefasst.<br />
Um 1900 wurde sogar <strong>die</strong> Errichtung<br />
einer eigenen Stärkefabrik in Frankreich<br />
erwogen und 1901 in Marcoing, südwestlich von<br />
Cambrai, eine Fabrik übernommen, <strong>die</strong> <strong>bis</strong> zum<br />
Beginn des Ersten Weltkrieges erfolgreich produzierte.<br />
Eine weitere Auslandsniederlassung<br />
gründete <strong>die</strong> Salzuflener Fabrik 1905 in Italien.<br />
Als Società Anonima Amidi Hoffmann firmierte<br />
in Bovisa bei Mailand ein Tochterunternehmen,<br />
das allerdings wegen fehlenden Erfolgs 1909<br />
wieder geschlossen wurde. Weitere Bemühungen<br />
um eine Beteiligung oder <strong>die</strong> Errichtung einer<br />
Fabrik in Russland waren erfolglos.<br />
1887 begann das Ausland in Reaktion auf <strong>die</strong><br />
deutsche Wende zum Schutzzoll, <strong>die</strong> Zollsätze<br />
für <strong>die</strong> Stärkeeinfuhr deutlich zu heben. 1879<br />
hatte sich das Ende der 1862 mit dem deutschpreußischen<br />
Cobden-Vertrag begonnenen Periode<br />
des Freihandels in Europa angedeutet. Unter<br />
Reichskanzler Otto von Bismarck wurden Zölle<br />
in den 1880er Jahren ein finanzpolitisches Instrument,<br />
zugleich machte aber ganz Europa einen<br />
deutlichen Schritt zurück zu weniger Freihandelspolitik.<br />
Hier erklärt sich erneut, warum<br />
<strong>die</strong> Reisstärkeindustrie, <strong>die</strong> ebenso wie Reismüllerei<br />
stark durch Bremer Persönlichkeiten geprägt<br />
war, bei der Agrarlobby nicht beliebt war.<br />
Bremer Kaufleute waren traditionell für den Freihandel,<br />
während <strong>die</strong> Agrarier <strong>die</strong>sen ablehnten.<br />
weil er Konkurrenz für deutsches Getreide vor<br />
allem aus Russland bedeutete. Der Reis machte<br />
zudem dem Weizen als Stärkegrundstoff Konkurrenz,<br />
während niedrige Zollsätze für <strong>die</strong> Bremer<br />
Reisimporteure und Reismüller ebenso wie<br />
für <strong>die</strong> Reisstärkeproduzenten von hoher Bedeutung<br />
waren. Nur so konnte der Rohstoff günstig<br />
vor allem aus Hinterin<strong>die</strong>n und anderen Teilen<br />
Asiens bezogen werden. Obwohl <strong>die</strong> Caprivischen<br />
Verträge eine Mäßigung des Hochprotektionismus<br />
darstellten, kam es <strong>bis</strong> <strong>1914</strong> zu keiner<br />
Zollerleichterung, <strong>die</strong> einen nennenswerten Einfluss<br />
auf <strong>die</strong> Reisstärkeindustrie gehabt hätte.“ ^<br />
In der Debatte um den Bülow-Tarif 1901 sprach<br />
Arthur von Posadowsky-Wehner im Zusammenhang<br />
der geplanten Verschärfung des Zollschutzes<br />
davon, dass das Transportwesen den Erdball<br />
wie einen Gummiball zusammenpresse.^“®Die<br />
Angst vor der Globalisierung erschwerte <strong>die</strong><br />
Rahmenbedingungen der auf globale Handelsströme<br />
angewiesenen Reisstärkeindustrie.<br />
Als Reaktion auf <strong>die</strong> Errichtung von Schutzzöllen<br />
in Deutschland erhöhten <strong>die</strong> Handelspartner<br />
ihre eigenen Zölle. Die deutschen Stärkefabrikanten<br />
befürworteten höhere Zölle daher gar<br />
nicht, weil <strong>die</strong> ausländischen Reaktionen ihren<br />
wirtschaftlich wichtigen Auslandsabsatz gefährdeten.<br />
In den 1890er Jahren hatten sie <strong>die</strong> Hoffnung,<br />
über <strong>die</strong> Handelsverträge wieder zu günstigeren<br />
Exportbedingungen zu gelangen. Diese<br />
Hoffnung wurde weitestgehend enttäuscht. Die<br />
Einfuhrzölle für deutsche Stärke im europäischen<br />
Ausland entwickelten sich folgendermaßen^“’<br />
(s. Tabelle S. 131 oben).<br />
Aus <strong>die</strong>sen Zahlen ergab sich eine Benachteiligung<br />
der deutschen Exporteure auf den ausländischen<br />
Märkten. Denn der Nettoschutz in<br />
Deutschland war um folgende Beträge geringer<br />
(s. Tabelle S. 131 unten).<br />
130
Tabelle III. 2.6, Einfuhrzölle auf deutsche Reisstärke in Europa zwischen 1879 und 1892<br />
Land Datum Einfuhrzoll/DZ Handelsvertrag von Einfuhrzoll/DZ<br />
Ö ste rre ic h -<br />
U ngarn<br />
Italien<br />
1 8 7 9 6 G u ld e n 1 8 9 1 6 G u ld e n<br />
1 8 8 7<br />
12 F ra n k e n (S tä rk e in<br />
1 5 F ra n ken<br />
1 8 9 1<br />
K a rto n s) (S tä rk e in K a rto n s)<br />
1 8 9 0<br />
1 5 F ra n k e n (S tä rk e in<br />
K a rto n s)<br />
F ran kre ich 18 9 2<br />
1 4 F ran ken<br />
7 2 F ra n k e n (S tä rk e in<br />
K a rto n s)<br />
R ussland 1 8 9 1 1 ,7 5 R u b el 18 9 4 1 ,3 0 R u b el<br />
Schw eiz 18 9 2<br />
4 F ra n k e n (S tä rk e in<br />
K a rto n s)<br />
1 8 9 1 2 ,5 0 F ra n ken<br />
S p an ien 18 9 2 1 5 P e se ta s<br />
B /N L /G B<br />
z o llfre i<br />
Tabelle III. 2.7, Nettoschutz deutscher Reisstärke<br />
in Deutschland im Vergleich zum Ausland<br />
Land<br />
Ö sterreich-<br />
Ungarn<br />
Italien<br />
Frankreich<br />
Russland<br />
Spanien<br />
Geringerer Nettoschutz<br />
4 M ark (lose Stärke)<br />
9 M ark (Stärke in Kartons)<br />
7,4 0 M ark<br />
7,4 0 M ark<br />
14 M ark (lose Stärke)<br />
16 M ark (Stärke in Kartons)<br />
7 M ark (<strong>bis</strong> 1899)<br />
13 M ark (ab 1900)<br />
Diese Berechnungen deuten jedoch eine schlechtere<br />
wirtschaftliche Lage an, als sie tatsächlich<br />
bestand. Seit der größte deutsche Produzent,<br />
Hoffmann’s in Salzuflen, 1887 als Aktiengesellschaft<br />
firmierte, erzielte <strong>die</strong> Gesellschaft in jedem<br />
Jahr <strong>bis</strong> <strong>1914</strong> einen Überschuss. Von 1895<br />
<strong>bis</strong> 1913 konnten ohne Ausnahme immer 12 Prozent<br />
Dividende an <strong>die</strong> Aktionäre ausgeschüttet<br />
werden und im selben Zeitraum lag der Reingewinn<br />
nur einmal, 1908, bei weniger als 600.000<br />
Mark.^°® Mit zunehmender Bedeutung des deutschen<br />
Marktes kam es auch dort zu neuen Strategien,<br />
um <strong>die</strong> gute Geschäftsentwicklung trotz<br />
der vorhandenen Überkapazitäten nicht zu gefährden.<br />
Nachdem <strong>die</strong> Konvention von 1885 ins Leere<br />
gelaufen war, war der Zusammenschluss der<br />
Stärkefabrik E. Hoffmann & Co. KG mit der W.<br />
Rickmers & Co. KG, Stärkefabrik „Union“ Hannoversch<br />
Münden ein großer Schritt zur Reduzierung<br />
der Kapazitäten. Die beiden Gesellschaften<br />
gingen in der neuen Aktiengesellschaft Hoff-<br />
131
mann’s Stärkefabriken AG auf. Auch wenn <strong>die</strong><br />
Familie Hoffmann damit <strong>die</strong> Entscheidungshoheit<br />
für das Unternehmen verlor, zeigen der Name<br />
und <strong>die</strong> Kapitaleinlagen, dass <strong>die</strong> Salzuflener<br />
Fabrik ihre Marktführerschaft in Deutschland<br />
durch <strong>die</strong>se marktbereinigende Fusion ausbaute.<br />
Die neugegründete Aktiengesellschaft hatte ein<br />
Grundkapital von fünf Millionen Mark. Drei<br />
Millionen Mark brachte Hoffmann’s ein, eine<br />
Millionen Mark W. Rickmers & Co. und <strong>die</strong><br />
letzte Millionen das Bankhaus J. Schultze &<br />
Wolde, was Georg Wolde einen Sitz im Aufsichtsrat<br />
bescherte. Wie schnell der Einfluss der<br />
vorerst weiterbetriebenen Fabrik an der Weser<br />
zurückging, ist auch daran zu sehen, dass mit<br />
der Schließung des Betriebs in Hannoversch<br />
Münden das Kapital der Aktiengesellschaft nur<br />
um 0,7 Millionen Mark reduziert wurde, obwohl<br />
sie 1887, als sie noch voll produzierte, einen<br />
Wert von einer Million Mark dargestellt hatte.<br />
Neben <strong>die</strong>ser Fusion waren in erster Linie Marktabsprachen<br />
ein Instrument, mit denen <strong>die</strong> Stärkeproduzenten<br />
<strong>die</strong> Produktionsmengen zur Vermeidung<br />
eines Preiskampfes steuerten. Initiator<br />
und treibende Kraft <strong>die</strong>ser Absprachen war Leberecht<br />
Hoffmann, der inzwischen in dritter Generation<br />
der Familie in <strong>die</strong> Geschäftsführung der<br />
Fabrik in Salzuflen eingetreten war. 1893 gelang<br />
ihm der Abschluss einer Vereinbarung zwischen<br />
Hoffmann’s, Remy, Nielsen und der Osterholzer<br />
Fabrik, in der Absatzverhältnisse und Preise geregelt<br />
wurden. Zudem konnten durch Geldzahlungen<br />
zwei kleine norddeutsche Fabriken - vermutlich<br />
Lange & Lampe in Vegesack sowie<br />
Haartja in Elmshorn - zur Einstellung ihrer Stärkeproduktion<br />
gebracht werden. Mit den süddeutschen<br />
Produzenten gab es zugleich weitere Absprachen.D<br />
iese Absprachen firmierten als Verträge<br />
unter dem Titel der Vereinigten Reisstärke<br />
Fabriken, kurz V.R.St.F. Die V.R.St.F. verlängerten<br />
ihre Verträge 1897, 1904 sowie 1906 und<br />
sorgten so für Kontinuität auf einem Markt, der<br />
nach wie vor höhere Produktionskapazitäten besaß,<br />
als für <strong>die</strong> Befriedigung der Nachfrage nötig<br />
waren. Somit konnten <strong>die</strong> Preise künstlich stabilisiert<br />
und hochgehalten werden. Zudem gab<br />
es weiterhin Vereinbarungen mit der Firma Mack<br />
in Ulm, <strong>die</strong> der wichtigste süddeutsche Produzent<br />
gewesen zu sein schien. Heinrich Mack verpflichtete<br />
sich vertraglich, ein günstigeres Produktionsverfahren<br />
an <strong>die</strong> V.R.St.F. weiterzugeben<br />
und erhielt dafür eine einmalige Abfindung von<br />
15.000 Mark sowie über 7,5 Jahre eine Lizenzgebühr<br />
von 75 Pfennigen je 100 Kilogramm<br />
Reisstärke. Die Absprachen gingen zudem darum,<br />
dass <strong>die</strong> Firma Mack ihre Stärkeprodukte<br />
<strong>bis</strong> auf zwei bekannte Sorten nicht mehr selber<br />
herstellte, sondern sich verpflichtete, <strong>die</strong>se unter<br />
Vorgabe der Qualität und der Verpackung bei<br />
Hoffmann’s, Nielsen, der Firma Remy oder in<br />
Osterholz „ zum annähernden Selbstkostenpreis“<br />
zu erwerben.^" Es lässt sich anhand eines Briefes<br />
der Nachfahren Heinrich Macks an <strong>die</strong> V.R.St.F.<br />
von 1920 sogar nachvollziehen, dass auch nach<br />
dem Ersten Weltkrieg, als <strong>die</strong> Reisstärkeproduktion<br />
langsam wieder aufgenommen werden<br />
konnte, noch Marktabsprachen zwischen den<br />
nord- und den süddeutschen Produzenten bestanden.^'^<br />
Des Weiteren gab es 1906 eine Absatzregelung<br />
mit der Harburger Stärkefabrik des Harburger<br />
Industriellen Friedrich Thörl. 1911 ergab sich<br />
aus <strong>die</strong>ser langjährigen Absprache <strong>die</strong> Übernahme<br />
der Stärkefabrik durch <strong>die</strong> Hoffmann’s Stärkefabriken<br />
AG. Letztgenannte erhöhte ihr Grundkapital<br />
durch <strong>die</strong> hinzugewonnene Fabrik um<br />
500.000 Mark auf 4,8 Millionen Mark und der<br />
Besitzer Friedrich Thörl wurde mit einem Aufsichtsratsmandat<br />
abgefunden.^'-’ Er war damit<br />
der erste Nicht-Bremer im Aufsichtsrat - auf<br />
Grund der Eigenheiten des Verarbeitungsrohstoffes<br />
dürfte er aber keine anderen Interessen<br />
als <strong>die</strong> an günstigen und weltweiten <strong>Reishandel</strong><br />
interessierten Bremer Aufsichtsratsmitglieder besessen<br />
haben.<br />
Einen Interessenkonflikt zwischen der Reis- und<br />
Handels AG, <strong>die</strong> von der Familie Rickmers dominiert<br />
war, also den Bremer Reisimporteuren<br />
und Reismüllern auf der einen Seite, und Leberecht<br />
Hoffmann als Geschäftsführer der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG auf der anderen Seite<br />
gab es nur einmal 1901. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />
132
wurde eine Zollvorlage diskutiert, nach der der<br />
Einfuhrzoll auf Reis bei 4 Mark je Doppelzentner<br />
verbleiben, der auf polierten Reis jedoch auf 6<br />
Mark je Doppelzentner erhöht werden sollte.<br />
Diese Debatte wurde in erster Linie zwischen<br />
den Mühlen der Reis- und Handels AG einerseits<br />
und Mühlen, <strong>die</strong> nicht dem Bremer Konzern angehörten,<br />
andererseits geführt. In der Konsequenz<br />
<strong>die</strong>ser Pläne fürchtete <strong>die</strong> Stärkefabrik jedoch,<br />
einem Diktat der Reis- und Handels AG<br />
bei den Preisen für Bruchreis zu unterliegen.<br />
Denn das letztgenannte Unternehmen hatte <strong>die</strong><br />
indischen Rcisvcrschiffer bereits zum Boykott<br />
der deutschen Reisstärkeindustrie aufgerafen.^'“*<br />
Auf Grund <strong>die</strong>ser Befürchtung wurde in Salzuflen<br />
eine eigene Reismühle eingerichtet, um von<br />
den Bremern unabhängig zu bleiben. Aber <strong>die</strong><br />
befürchtete Situation trat nie ein, und <strong>die</strong> Mühle<br />
in der Stärkefabrik musste nicht zur Wahrung<br />
der wirtschaftlichen Unabhängigkeit arbeiten.<br />
1911 wurde zudem <strong>die</strong> Deutsche Reisstärke-Verkaufs-Gesellschaft,<br />
kurz D.R.V.G., gegründet,<br />
ln <strong>die</strong>ser Gesellschaft verbanden sich <strong>die</strong> Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG mit den Reiswerken<br />
Osterholz und den Gebrüdern Nielsen, also den<br />
beiden Stärkeproduzenten im Verbund der von<br />
der Familie Rickmers geleiteten Reis- und Handels<br />
AG, zu einer Vereinigung, <strong>die</strong> das Inlandsgeschäft<br />
der Fabriken abwickelte. Die Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haftung hatte ein Kapital<br />
von 100.000 Mark, das zu 77 Prozent von Hoffmann’s<br />
aufgebracht wurde. Sitz der Gesellschaft<br />
war dementsprechend auch Salzuflen. Die beteiligten<br />
Firmen verpflichteten sich. Stärke nur<br />
gemeinsam auf dem deutschen Markt zu verkaufen.<br />
Sollte einer der Unterzeichner dagegen<br />
verstoßen, sollte er 500.000 Mark Strafe bezahlen.<br />
Das Fünffache des Unternehmenskapitals<br />
als Strafbetrag einzusetzen sprach für <strong>die</strong> ernsthafte<br />
Absicht, den Vertrag unbedingt einhalten<br />
zu wollen. Bei kleineren Unregelmäßigkeiten<br />
sollten immerhin noch 11.000 Mark Strafe an<br />
<strong>die</strong> Mitgesellschafter gezahlt werden. Die Vertragsdauer<br />
wurde langfristig <strong>bis</strong> zum Jahr 1930<br />
festgelegt.^'^<br />
Herbert van der Borght sieht in den Verkaufspreisen<br />
für Stärke den Erfolg der Verkaufsgesellschaft<br />
und der Verträge zwischen Vereinigten<br />
Reisstärke Fabriken. Dabei stieg der Rohstoffpreis<br />
für unverzollten Bruchreis in Bremen von<br />
13,80 Mark 1896 auf einen Schnitt von 17,63<br />
Mark in den Jahren 1904—1913. Das machte immerhin<br />
eine Erhöhung der Einkaufspreise von<br />
fast 28 Prozent aus. Der Preis je Doppelzentner<br />
ist von 1892 <strong>bis</strong> 1912 aber um 3,20 Mark höher<br />
gewesen als zwischen 1883 und 1891 und stellte<br />
sich folgendermaßen dar.^‘®<br />
Tabelle III. 2.8, Verkaufspreise für Reisstärke 1887-<strong>1914</strong><br />
Zeitraum 1887-91 1892-96 1897-1900 1901-05 1906-10 1911-14<br />
Durchschnittspreise/<br />
DZ<br />
44 45 49 48 49 47<br />
Das Exportgeschäft, das auch im 20. Jahrhundert<br />
noch einen hohen Stellenwert für <strong>die</strong> Reisstärkeproduzenten<br />
hatte, wurde 1908 ebenfalls durch<br />
Vereinbarungen abgesichert. In Belgien, den Niederlanden<br />
und Großbritannien konnte Stärke ohne<br />
jede Zollbelastung eingeführt werden. Der<br />
britische Markt war besonders berechenbar, weil<br />
auf <strong>die</strong> Anregung eines englischen Produzenten<br />
Vertreter der Reisstärkeindustrien aus Frankreich,<br />
Belgien, Österreich-Ungarn und auch<br />
Deutschland zusammentrafen und <strong>die</strong> Einfuhr<br />
auf <strong>die</strong> Britischen Inseln regelten. Dieses sogenannte<br />
Starch-Agreement sowie weitere Absprachen<br />
zwischen den Firmen Joseph Colmann Limited,<br />
Reckitt & Sons Limited, Samuel Berger<br />
& Co., Hoffmann s, den Reiswerken Osterholz<br />
und Gebrüder Nielsen zeigen, dass <strong>die</strong> deutsche<br />
Reisstärkeindustrie nicht an nationale Grenzen<br />
133
gebunden war, sondern auf <strong>die</strong> Zwänge, aber<br />
auch <strong>die</strong> Möglichkeiten eines transnational vernetzten<br />
Wirtschaftsraumes einging. So hieß es<br />
in einem Brief vom 22. Juli 1908:<br />
“We, the undersigned five firms, viz.-Messrs.<br />
Hoffmann, Remy, Berger, Reckitt & Colman,<br />
agree that our average annual quantity, as determined<br />
under the recent Agreement, shall<br />
be in each case reduced by 30 tons, making a<br />
total of 150 tons, that amount to be added to<br />
the joint annual quantity of Messrs. Nielsen<br />
and Osterholz, and we sanction the Auditor<br />
to make the necessary adjustments to carry<br />
this out on production of this document.” ^'’<br />
Gewinner <strong>die</strong>ser Veränderung am Starch-Agreement<br />
waren <strong>die</strong> Stärkeproduzenten der Reis- und<br />
Handels AG. Die deutsche Reisstärkeindustrie<br />
war trotz einer starken Konkurrenzsituation im<br />
Inland und zunehmender Konkurrenz im europäischen<br />
Ausland bei der Wahrung ihrer wirtschaftlichen<br />
Interessen erfolgreich. Zuletzt wurde<br />
der Absatz der deutschen Reisstärke durch<br />
den Export nach Süd- und Mittelamerika gesichert.<br />
Wegen vorhandener Schutzzölle ging der<br />
Absatz in Uruguay, Chile und Argentinien zwar<br />
zurück, der Absatz in Brasilien konnte aber andererseits<br />
deutlich von 723 Doppelzentner 1900<br />
auf 2.422 Doppelzentner 1913 gesteigert werden.^'*<br />
3. Transportwesen<br />
Der Ausbau Bremens zu einem der weltweit<br />
wichtigsten Umschlag- und Verarbeitungsplätze<br />
für Reis hing eng mit der Infrastruktur zusammen.<br />
Neben den Überseerouten und den bremischen<br />
Reedereien, <strong>die</strong> es sich zur Aufgabe machten,<br />
Reis zu befördern, in erster Linie Rickmers,<br />
musste Bremen für <strong>die</strong> Schiffe auch gut und unkompliziert<br />
zu erreichen sein. Die Erreichbarkeit<br />
Bremens für seegängige Schiffe war jedoch stark<br />
eingeschränkt und wurde erst zwischen 1883<br />
und 1895 hergestellt.<br />
Die Weserkorrektion und der Bau eines neuen<br />
Hafens in Bremen<br />
Die Weserkorrektion und der Bau eines neuen<br />
Hafens hingen eng mit dem Dienstantritt des<br />
Oberbaudirektors Ludwig Franzius (1832-1902)<br />
in Bremen und den Verhandlungen über den<br />
Zollanschluss Bremens an das Zollgebiet des<br />
Deutschen Reiches zusammen. Ein möglicher<br />
Zollanschluss Bremens wurde in der Hansestadt<br />
kontrovers diskutiert. Industrie und Gewerbe votierten<br />
für den Zollanschluss, weil es den Absatz<br />
in das Umland deutlich erleichtert und eine vermehrte<br />
Industrieansiedlung beflügelt hätte. Überseekaufleute,<br />
Schiffbauer und Reeder profitierten<br />
davon, dass Bremen im Zollausland lag. Die<br />
letztgenannte Gruppe bildete den größten Teil<br />
des gehobenen Bürgertums in Bremen, und obwohl<br />
das Bürgertum keinen absoluten politischen<br />
Führungsanspruch mehr hatte, votierten <strong>die</strong> zuständige<br />
Deputation und <strong>die</strong> Bürgerschaft noch<br />
1880 gegen den Willen des Reichskanzlers Bismarck<br />
und den Zollanschluss.N achdem der<br />
Zollanschluss Hamburgs mit der Einrichtung eines<br />
großen Freihafengebiets 1882 per Gesetz für<br />
das Jahr 1888 beschlossen wurde, änderte sich<br />
<strong>die</strong> Lage in Bremen. Ende 1882 wurden in Berlin<br />
doch Gespräche über einen Zollanschluss aufgenommen.<br />
Bremen wünschte ein Freihafengebiet<br />
für <strong>die</strong> Industrieanlagen auf beiden Ufern<br />
weserabwärts der Stadt und für Bremerhaven.<br />
Die Reismühlen von Rickmers und Anton Nielsen<br />
am Neustädter Ufer sowie der Firma Gebrüder<br />
Nielsen vor dem Stephanitor sollten also<br />
weiterhin ohne Zollbelastung vor allem für den<br />
Export produzieren können. In Berlin war man<br />
Bremen auf Grund der früheren Ablehnung des<br />
Zollanschlusses nicht unbedingt positiv gesonnen<br />
und zu keinen allzu großen Zugeständnissen<br />
bereit. So hieß es, dass kein Zollausschlussgebiet<br />
gebraucht würde, da es ja gar keinen städtischen<br />
Seehafen gäbe. 1884 wurde Bremen für den Zollanschluss<br />
ein Freihafengebiet am rechten Ufer<br />
weserabwärts des Stephanitors und der Reismühle<br />
Gebrüder Nielsen durch <strong>die</strong> Bundesratsausschüsse<br />
genehmigt. Das Gebiet war jedoch
deutlich kleiner, als es Hamburg zugestanden<br />
wurde. 1885 lagen alle vorher begonnenen Pläne<br />
für einen städtischen Hafen vor. Das Deutsche<br />
Reich wollte sich mit maximal zwölf Millionen<br />
Mark an den Ausbauten, <strong>die</strong> insgesamt etwa 30<br />
Millionen Mark kosteten, beteiligen. Unter der<br />
Bezeichnung Freihafen I wurde im Sommer<br />
1888, kurz vor dem Zollanschluss im Oktober,<br />
der heutige Europahafen für Schiffe mit einem<br />
Tiefgang <strong>bis</strong> zu sechs Metern in Betrieb genommen.<br />
Die Korrektion und Vertiefung der Weser hing<br />
eng mit dem Zollanschluss und dem Hafenbau<br />
in Bremen zusammen. Denn was nutzte ein Hafen<br />
für Seeschiffe, wenn <strong>die</strong>se Bremen gar nicht<br />
erreichen konnten. Seit dem Mittelalter war <strong>die</strong><br />
Weser immer mehr versandet und trotz einiger<br />
Bemühungen dagegen gab es <strong>bis</strong> 1883 keine<br />
großen Erfolge. Der Wasserbaumeister Ludwig<br />
Franzius befasste sich nach seinem Dienstantritt<br />
in Bremen 1875 vornehmlich mit <strong>die</strong>sem Problem<br />
und legte 1881 einen Plan vor, der <strong>die</strong> Weser<br />
für Schiffe mit <strong>bis</strong> zu fünf Metern Tiefgang<br />
befahrbar machen sollte. Da sich Preußen und<br />
Oldenburg vorerst nicht an den Plänen beteiligen<br />
wollten, wurde von 1883 <strong>bis</strong> 1886 zuerst in Bremen<br />
<strong>die</strong> lange Bucht der Weser unterhalb der<br />
Stadt begradigt. Nach der Klärung der Finanzierung<br />
durch eine Schifffahrtsabgabe auf der<br />
Unterweser per Reichsgesetz wurde der Ausbau<br />
<strong>bis</strong> Bremerhaven 1887 begonnen. Schon 1891<br />
konnten wieder Schifte mit einem Tiefgang von<br />
4,50 Metern Bremen erreichen. Mit dem Abschluss<br />
der Weserkorrektion und der Vertiefung<br />
des Freihafens I auf acht Meter war Bremen zu<br />
einer modernen Hafenstadt geworden.^^”<br />
Mit der Weservertiefung verbesserte sich für <strong>die</strong><br />
bremischen Reismühlen <strong>die</strong> wasserseitige Verkehrsanbindung.<br />
Die Weser war zu einer richtigen<br />
Wasserstraße geworden und Schiffe konnten<br />
wirklich von Asien <strong>bis</strong> zu den städtischen Fabriken<br />
gelangen, ohne <strong>die</strong> gesamte Ladung schon<br />
vor Bremen in Leichter umladen zu müssen. Zugleich<br />
änderte sich ihre wirtschaftliche Lage aber<br />
durch den Zollanschluss zu ihren Ungunsten.<br />
Bisher waren der Rohstoff und das fertige Produkt<br />
nur zu verzollen gewesen, wenn sie ins<br />
Landesinnere abgesetzt wurden. Da der weitaus<br />
größere Teil der Produktion jedoch wieder exportiert<br />
wurde, war das nicht von Interesse. Eine<br />
Umsiedlung der Mühlenbetriebe war nicht möglich,<br />
da das Freihafengebiet einerseits nicht allzu<br />
groß war und andererseits <strong>die</strong> Ansiedlung von<br />
Exportindustrien darin nicht gestattet war. Damit<br />
zeichnete sich in der größten Blüte der bremischen<br />
Reisindustrie ein wirtschaftlicher Nachteil<br />
ab, der innerhalb weniger Jahre zu größeren<br />
Marktverschiebungen führen sollte.<br />
Die Gründung der DDG „Hansa“<br />
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts<br />
hatte <strong>die</strong> Dampfschifffahrt ihre Experimentierphase<br />
längst beendet und Dampfer waren ein<br />
etabliertes, immer erschwinglicheres und vor allem<br />
zuverlässiges und schnelles Transportmittel<br />
geworden. Da <strong>die</strong> weltweiten Handelsströme rasant<br />
wuchsen, mangelte es auch nicht an der<br />
Nachfrage nach Transportkapazitäten. Bleibt<br />
man beim <strong>Reishandel</strong>, so sind <strong>die</strong> Exportzahlen<br />
an Reis aus Birma beeindruckend (s. Tabelle S.<br />
136).52'<br />
Diese riesigen Mengen an Reis mussten natürlich<br />
auch transportiert werden. Die Schiffe dafür änderten<br />
sich im Laufe der Jahre, und so wie <strong>die</strong><br />
Gesamtausfuhr wuchs, wurden auch immer größere<br />
Schiffe dafür eingesetzt:<br />
„Die Größenverhältnisse der Ausfuhrdampfer<br />
haben sich gleichfalls verändert, denn während<br />
vor einigen Jahren <strong>die</strong> größten Dampfer<br />
3.000 t fassten, hat man Jetzt Dampfer, welche<br />
5.000 t aufnehmen, ja <strong>die</strong> Verschiffung<br />
von 2.0001 <strong>bis</strong> 2.5001 Reis bietet oft Schwierigkeiten,<br />
wenn man nicht höhere Frachten<br />
zahlen will. Etwa 300.000 t wurden mit<br />
Dampfschiffen, 100.000 t mit Segelschiffen<br />
versandt.<br />
Allein <strong>die</strong> Menge der Ausfuhr belegt, dass es<br />
für <strong>die</strong> Rickmers Reederei trotz aller Konkurrenz<br />
im Frachtgeschäft mit Reis noch ausreichend<br />
Beschäftigung gab. Dennoch konnte man nicht<br />
unbekümmert in <strong>die</strong> Zukunft blicken, weil der<br />
135
Щ'Щ Tabelle Ш. 3.1, Reisexport aus Birma je Hafen und Gesamt 1880-1889<br />
^ -—-J/erschiffung aus<br />
Jahr ' — -------<br />
Akyab Rangun Bassein Moulmein Zusammen<br />
1880 158.200 341.500 140.500 17.600 657.800<br />
1881 117.800 412.500 162.400 45.100 738.200<br />
1882 152.800 436.000 161.800 30.400 781.000<br />
1883 165.600 370.200 154.200 42.300 732.300<br />
1884 87.400 363.500 117.800 37.000 605.700<br />
1885 103.490 351.380 177.890 45.060 677.820<br />
1886 181.420 313.170 156.290 47.500 635.380<br />
1887 164.000 346.300 118.40 48.400 677.100<br />
1888 139.200 315.700 92.200 42.000 589.100<br />
1889 75.000 404.200 137.800 45.600 662.600<br />
Anteil der Segelschiffe immer weiter zurückging.<br />
Zudem konnten <strong>die</strong> Schiffe von Rickmers auch<br />
nicht mit der Größe moderner Dampfer mithalten.<br />
Das größte Schiff der eigenen Reederei <strong>bis</strong><br />
1889 war das im selben Jahr von einer schottischen<br />
Werft kommende und in Dienst gestellte<br />
Viermastvollschiff P e t e r R ic k m e r s . Zwei weitere<br />
in Glasgow gekaufte Schiffe trugen knapp<br />
über 3.000 Tonnen, <strong>die</strong> auf der eigenen Werft<br />
gebauten hatten mit Ausnahme der R. C. R ic k <br />
m e r s (2.700 Tonnen) eine maximale Ladefähigkeit<br />
von 2.200 Tonnen. Damit gehörten <strong>die</strong> Schiffe<br />
von Rickmers zu den kleineren im asiatischen<br />
Reisgeschäft. Schiffe über 5.000 Tonnen Ladefähigkeit<br />
stellte <strong>die</strong> Rickmers-Reederei überhaupt<br />
nur zwei Mal in Dienst. Die 1892 in Fahrt<br />
gebrachte M a r ia R ic k m e r s konnte als Fünfmastbark<br />
mit Auxiliarantrieb 6.000 Tonnen tragen,<br />
verscholl aber auf ihrer ersten Fahrt von<br />
Asien nach Europa 1892 im Golf von Bengalen.<br />
Die 1906 in Dienst gestellte und auf der eigenen<br />
in Tonnen<br />
Werft gebaute zweite Fünfmastbark in der Geschichte<br />
von Rickmers, <strong>die</strong> R. C. R ic k m e r s ,<br />
konnte sogar 8.000 Tonnen tragen.^“<br />
Bremen hatte außer dem NDL keine bedeutende<br />
Dampfschiffsgesellschaft, was einige Bremer<br />
Kaufleute unter der Führung des bereits in der<br />
Weserschifffahrt engagierten Christoph Hellwig<br />
Papen<strong>die</strong>ck^^"* ändern wollten. Zwei Wochen<br />
nach der Ankündigung zur Gründung einer neuen<br />
Dampfergesellschaft wurde <strong>die</strong> Deutsche<br />
Dampfschifffahrts-Gesellschaft „Hansa“, kurz<br />
DDG „Hansa“, 1881 in Bremen gegründet. Die<br />
DDG „Hansa“ wollte drei Fahrtgebiete gleichzeitig<br />
be<strong>die</strong>nen. In der Ostseefahrt sollten Dampfer<br />
mit etwa 600 Bruttoregistertonnen fahren.<br />
1.000 <strong>bis</strong> 1.500 Bruttoregistertonnen sollten <strong>die</strong><br />
Schiffe in der Mittelmeerfahrt haben und in der<br />
großen Fahrt nach In<strong>die</strong>n und Asien sollten <strong>die</strong><br />
Dampfer um <strong>die</strong> 3.000 Bruttoregistertonnen groß<br />
sein und damit <strong>die</strong> Schiffe des NDL um mindestens<br />
800 Bruttoregistertonnen übertreffen.<br />
136
Andreas Rickmers gehörte zu den Gründern der<br />
DDG „Hansa“, er brachte seine Erfahrungen im<br />
Reedereigeschäft in der Fahrt nach Asien sowie<br />
im Transport von Reis in das neue Unternehmen<br />
ein, dessen stellvertretender Vorsitzender er wurde;<br />
„Bei der Gründung der neuen , Dampfschifffahrts-Gesellschaft<br />
Hansa* steht ihm in erster<br />
Linie der steigende Verkehrsbedarf des In<strong>die</strong>n-<strong>Reishandel</strong>s<br />
vor Augen. Rickmers weiß<br />
sehr wohl, daß <strong>die</strong> Tonnage seiner eigenen<br />
Reederei für <strong>die</strong> immer weiter anwachsende<br />
Reiszufuhr nach Deutschland - zumal in den<br />
Emte-Stoßzeiten - keineswegs ausreicht. Außerdem<br />
besitzt Rickmers <strong>bis</strong>lang nur Segelschiffe.<br />
Was noch völlig fehlt, sind leistungsfähige<br />
Frachtdampfer für den Reistransport.<br />
Die Statuten der Gesellschaft sahen ein Kapital<br />
von vier Millionen Mark vor. Sobald aber zwei<br />
Millionen Mark gezeichnet waren, wurde der<br />
Betrieb aufgenommen. Dabei kam Andreas<br />
Rickmers eine besondere Bedeutung zu, weil er<br />
<strong>die</strong> ersten drei Dampfer, <strong>die</strong> S t o l z e n f e l s , <strong>die</strong><br />
D r a c h e n fe ls und <strong>die</strong> E h r e n f e l s , auf englischen<br />
Werften aussuchte und kaufte. Die Dampfer waren<br />
zwischen 3.000 und 3.500 Bruttoregistertonnen<br />
groß, hatten moderne Verbund-Dampfmaschinen<br />
und sollten zehn Knoten schnell sein.<br />
Während <strong>die</strong> Rickmers-Werft unter der Leitung<br />
von Rickmer Glasen Rickmers immer noch hölzerne<br />
Segelschiffe baute, hatte Andreas Rickmers<br />
tiefe Einblicke in den Bau von stählernen Dampfern<br />
gewonnen und setzte solche Schiffe in Ergänzung<br />
seiner eigenen Segelschiffreederei auf<br />
der Route nach Hinterin<strong>die</strong>n und Asien in<br />
Fahrt.<br />
Wie es bereits <strong>die</strong> Segler der Rickmers-Reederei<br />
vor dem großen Aufschwung des <strong>Reishandel</strong>s<br />
gemacht hatten, fuhren <strong>die</strong> drei Dampfer bei<br />
ihrer ersten Fahrt im Januar 1882 Kohle nach<br />
Singapur und luden in Bassein als Rückfracht<br />
für Bremen Reis. Der <strong>Reishandel</strong> wurde zu einem<br />
der sicheren Geschäfte der DDG „Hansa“.<br />
Dass <strong>die</strong> Dampfschifffahrt zwischen Asien und<br />
Europa allerdings auch ihre Tücken hatte, zeigte<br />
sich auf dem Rückweg der E h r e n f e l s , <strong>die</strong> wegen<br />
des britisch-ägyptischen Konflikts von einem<br />
deutschen Kanonenboot Begleitschutz durch den<br />
Suezkanal erhalten musste. Außerhalb der Reiserntezelten<br />
war es für <strong>die</strong> Dampfer der DDG<br />
„Hansa“ schwierig, ausreichend lukrative Frachten<br />
zu finden. Daher wurde das Fahrtgebiet auch<br />
des Öfteren verlassen und <strong>die</strong> Schiffe in der<br />
Trampschifffahrt beschäftigt. Erst 1883 kam<br />
auch <strong>die</strong> Mittelmeer- und <strong>die</strong> Ostseefahrt in<br />
Gang. Von einem Linien<strong>die</strong>nst, wie er geplant<br />
war, war <strong>die</strong> DDG „Hansa“ aber noch ein ganzes<br />
Stück entfernt. Verschärft wurde <strong>die</strong> Situation<br />
durch den Untergang der S t o l z e n f e l s im Hafen<br />
von Saigon. Dort wurde wohl auch Reis geladen,<br />
als sie von einem englischen Dampfer gerammt<br />
wurde und sank. Regelmäßige und rentable Fahrten<br />
ins Mittelmeer gab es für den Transport von<br />
veredeltem Reis von Bremen nach Italien. Nach<br />
einer Zollerhöhung in Italien 1887 wurden <strong>die</strong>se<br />
Fahrten jedoch eingestellt. Zu einer Linienreederei<br />
wurde <strong>die</strong> DDG „Hansa“ erst, als sie neben<br />
der bestehenden Trampschifffahrt nach Asien eine<br />
eigenständige asiatische Linie gründete. Das<br />
nötige Kapital von drei Millionen Mark dafür<br />
brachte das Bankhaus J. Schultze & Wolde ein.<br />
Andreas Rickmers und der Bankier Georg Wolde<br />
hatten in der Stärkefabrik „Union“ in Hannoversch<br />
Münden bereits geschäftlich zusammengearbeitet<br />
und ein Unternehmen finanziert. Die<br />
„Asiatische Linie“ fuhr Häfen an der Ostküste<br />
In<strong>die</strong>ns an. Zugleich wurde <strong>die</strong> Trampschifffahrt<br />
zu den asiatischen Reishäfen sehr einträglich<br />
und <strong>die</strong> DDG „Hansa“ konnte beispielsweise<br />
1889 eine hohe Dividende von 16 Prozent ausschütten.<br />
1894 schließlich wurden <strong>die</strong> „Asiatische<br />
Linie“ und <strong>die</strong> weitere Schifffahrt der DDG<br />
„Hansa“ verschmolzen und nicht länger als zwei<br />
Geschäfte unter einem Firmendach betrieben.<br />
Der wichtige Reishafen Rangun wurde nun im<br />
Linienverkehr angelaufen. Der Transport von<br />
Reis war weiterhin eines der wichtigen und einträglichen<br />
Geschäftsfelder der Reederei. Andererseits<br />
zeigt sich <strong>die</strong> Bedeutung Bremens als<br />
Standort der reisverarbeitenden Industrie auch<br />
daran, dass <strong>die</strong> Rangun-Linie der Reederei eine<br />
137
der wenigen Linien war, <strong>die</strong> <strong>bis</strong> in <strong>die</strong> stadtbremischen<br />
Häfen fuhr.^^®<br />
Während <strong>die</strong> Rickmers-Werft mit technisch veralteten<br />
Anlagen noch immer Holzsegler baute,<br />
<strong>die</strong> kaum zu verkaufen waren und unter der Führung<br />
von Rickmer Glasen Rickmers familienintern<br />
keine Modernisierung der Werft durchzusetzen<br />
war, baute Andreas Rickmers den Anschluss<br />
Bremens an <strong>die</strong> Reishäfen in Birma mit<br />
modernen Dampfschiffen durch <strong>die</strong> DDG „Hansa“<br />
aus. Dieses Engagement in der Dampfschifffahrt<br />
war nicht zuletzt wichtig, weil es <strong>die</strong> Stellung<br />
der Rickmers’ im Bremer Reisgeschäft<br />
stärkte. Denn <strong>die</strong> Rickmers-Reederei war nicht<br />
das einzige Unternehmen, das <strong>die</strong> Aussichten<br />
im Reistransport erkannte. Zeitgleich mit der<br />
Gründung der DDG „Hansa“ stellte D. H. Wätjen<br />
& Co., eine der größten Reedereien der Welt<br />
und eigentlich auf Segelschiffreederei spezialisiert,<br />
zwischen 1882 und 1884 vier Frachtdampfer<br />
für <strong>die</strong> Reisfahrt zwischen In<strong>die</strong>n und Europa<br />
in Dienst.<br />
4. Reismarktberichte<br />
Berichte über den weltweiten <strong>Reishandel</strong><br />
Am weltweiten Handel mit Reis waren viele<br />
Leute beteiligt. Bauern, Zwischenhändler, Großhändler<br />
und Mühlenbesitzer in den Verschiffungshäfen.<br />
Reeder, zumindest für <strong>die</strong> Reistransporte<br />
nach Europa auch von dort kommend, und<br />
regionale Transportunternehmer, Reismakler,<br />
-müller, Großhändler, Reisstärkefabrikanten und<br />
zuletzt auch <strong>die</strong> Besitzer von Kolonialwarenläden<br />
beziehungsweise der Lebensmittelkleinhandel<br />
waren mittel- oder unmittelbar am globalen<br />
<strong>Reishandel</strong> beteiligt. Der Einfluss, den <strong>die</strong> Akteure<br />
auf den <strong>Reishandel</strong> nehmen konnten, war<br />
unterschiedlich groß, dennoch hatten alle ein Interesse<br />
daran, möglichst gut über Veränderungen<br />
am Markt informiert zu sein. Zur Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts, als Privatfirmen das wirtschaftliche<br />
Erbe der europäischen Ostin<strong>die</strong>n-Kompanien angetreten<br />
hatten, waren <strong>die</strong> Berichte der Kapitäne<br />
und besonders <strong>die</strong> Reisen der Kaufleute in <strong>die</strong><br />
jeweiligen Gebiete das Mittel, um einen guten<br />
Marktüberblick zu bekommen. Eine solche<br />
Eunktion hatten sowohl <strong>die</strong> Reisen der neu in<br />
das Stammhaus in Deutschland eintretenden Generation,<br />
wie zum Beispiel bei den Söhnen Rickmer<br />
Glasen Rickmers’, oder <strong>die</strong> Gründungen<br />
von Handelshäusern junger Kaufleute in Asien,<br />
bevor <strong>die</strong>se nach einigen Jahren in <strong>die</strong> Heimat<br />
zurückkehrten und von dort weiterhin im Überseehandel<br />
aktiv waren.<br />
Die Marktmechanismen veränderten und beschleunigten<br />
sich zwischen <strong>1850</strong> und 1880 deutlich.<br />
Da noch zur Jahrhundertmitte <strong>die</strong> Kommunikation<br />
zwischen Birma und Bremen nicht<br />
schneller war, als ein Segelschiff zur Überbrückung<br />
der Distanz benötigte, übertrug Rickmer<br />
Glasen Rickmers seinen Kapitänen umfassende<br />
Vollmachten. Mit zunehmend kürzeren Reisezeiten,<br />
einem verbesserten Postwesen und vor<br />
allem der Telegraphie änderte sich <strong>die</strong> Lage. Das<br />
Geschäft konnte auch aus Europa besser beeinflusst<br />
werden und je mehr Märkte auch in Asien<br />
einbezogen wurden, desto stärker war der <strong>Reishandel</strong><br />
dem Einfluss von Spekulanten ausgesetzt.<br />
Die räumliche Ausdehnung des Handels und <strong>die</strong><br />
Verdichtung der Informationsflüsse erhöhten <strong>die</strong><br />
Optionen der Akteure. Eine gute Kenntnis über<br />
den Reismarkt wurde zunehmend wichtiger.<br />
Nach einem kulturorientierten Ansatz zur Erklärung<br />
der Entstehung globaler Märkte wurden<br />
<strong>die</strong>se durch drei Faktoren begrenzt; politische<br />
Entscheidungen, Ethnie und Kultur sowie dem<br />
Informationsfluss.^^* Die britische Politik in Birma<br />
föfderte <strong>die</strong> Entwicklung zu einem bedeutenden<br />
Reisanbauland. Differenzen in Ethnie,<br />
Kultur und Religion waren für den <strong>Reishandel</strong><br />
kein Hindernis, da auch in Asien <strong>die</strong> Mühlenbesitzer<br />
und bedeutenden Einkäufer, von denen<br />
Zwischenhändler und Reisbauern abhingen. Europäer<br />
waren. Jede Eorm eines Marktberichtes<br />
stellte Kenntnisse zur Verfügung und beschleunigte<br />
den Informationsfluss. Somit waren Berichte<br />
über den Handel mit Reis, sei es über Emteaussichten,<br />
Transportkosten oder <strong>die</strong> Preise im<br />
Einkauf und Verkauf, ein Mittel zur Förderung<br />
und Erhaltung des weltweiten <strong>Reishandel</strong>s.
Daher gab es verschiedene Me<strong>die</strong>n, in denen periodisch<br />
über Belange des <strong>Reishandel</strong>s berichtet<br />
wurde. In London beispielsweise gab es wöchentliche<br />
Informationsschreiben, das Weekly<br />
Rice Circular, in der deutschen Müllerei-Fachzeitschrift<br />
„Die Mühle“ gab es regelmäßige Berichte<br />
über einzelne Reisanbaugebiete und Ernteaussichten<br />
und von verschiedenen Reismaklem<br />
wurden jährlich Preise, Berichte, Statistiken und<br />
Marktaussichten veröffentlicht. Die Angaben<br />
stammten von den Reisverschiffern in In<strong>die</strong>n<br />
und den Reismaklern, <strong>die</strong> Reis in Europa kauften<br />
und verkauften, ohne auf eigene Rechnung <strong>die</strong><br />
Spedition und Verarbeitung zu übernehmen. So<br />
konnten auch Außenstehende Informationen über<br />
den Markt einholen. Als Jahresberichte über den<br />
<strong>Reishandel</strong> veröffentlicht, waren <strong>die</strong>se Berichte<br />
eine Zusammenfassung der Marktentwicklung,<br />
ein statistisches Kompendium und auch ein wenig<br />
Werbung für den jeweiligen Herausgeber.<br />
Je mehr sich der <strong>Reishandel</strong> von einem geschlossenen<br />
Markt zwischen einzelnen Asienkaufleuten<br />
hin zu einem offenen Markt mit vielen Gesellschaften<br />
entwickelte, desto wichtiger wurden<br />
<strong>die</strong>se Informationsschreiben. Während bei einem<br />
Überseekaufmann mit wenigen Angestellten davon<br />
ausgegangen werden kann, dass er den<br />
Markt kannte, darf <strong>die</strong>ser Informationsstand bei<br />
einem Aktionär einer größeren Handelsgesellschaft<br />
nicht vorausgesetzt werden. Mit den<br />
Marktberichten konnten Aktionäre informiert<br />
und gebunden werden: “A common practice of<br />
nineteenth-century brokers was to keep clients<br />
informed by sending out monthly or weekly circulars<br />
listing securities deemed worthy of investment.”^^®<br />
Die Marktberichte sorgten für<br />
Transparenz und schafften Vertrauen, wodurch<br />
der Handel attraktiver wurde und sich für neue<br />
Kapitalgeber oder neue Unternehmen weiter öffnete.<br />
Nachfolgend werden vier Berichte und Statistiken<br />
vorgestellt, um sowohl <strong>die</strong> Berichte in ihren<br />
verschiedenen Formen als auch <strong>die</strong> Entwicklung<br />
des weltweiten <strong>Reishandel</strong>s von den 1860er <strong>bis</strong><br />
zu den 1890er Jahren nachzuzeichnen. Die in<br />
den Quellen gebotene Fülle an Statistiken kann<br />
leider nicht unkritisch summiert und in eine<br />
Chronologie gebracht werden. Einerseits decken<br />
sich <strong>die</strong> Untersuchungsräume der Statistiken<br />
nicht exakt, andererseits mangelt es an eindeutigen<br />
Mengenangaben. Bei Angaben von Tons<br />
wird nicht erläutert, ob es sich um metrische<br />
Tonnen oder englische long tons zu 1.016,047<br />
Kilogramm handelt. Da <strong>die</strong> Berichte auch auf<br />
Englisch erschienen, wäre <strong>die</strong>s denkbar und würde<br />
sich bei sechsstelligen Gewichtsmengen zu<br />
einem deutlichen Unterschied summieren. Darüber<br />
hinaus sind einzelne Angaben auch in Ballen<br />
oder Matten gemacht worden. Wichtige Entwicklungen<br />
zwischen 1868 und 1895 lassen sich<br />
trotz <strong>die</strong>ser Einschränkungen aus den verschiedenen<br />
Berichten nach verfolgen.<br />
Bericht über den Reismarkt 1875<br />
Die „Statistik des Gesammt-Reis-Handels von<br />
Huisken & Reuther“ wurde 1875 von den gleichnamigen<br />
Reismaklern in Bremen veröffentlicht.^^®<br />
Bericht und Statistiken, <strong>die</strong> sich hinter<br />
<strong>die</strong>sem Titel verbargen, waren frei zugänglich.<br />
Zudem wurde der Tatsache Rechnung getragen,<br />
dass das Reisgeschäft überwiegend mit englischen<br />
Verladern in Birma abgewickelt wurde<br />
und <strong>die</strong> europäische Konkurrenz in erster Linie<br />
in London und Liverpool ansässig war, indem<br />
der Bericht auch in englischer Sprache erhältlich<br />
war. Während der Bürozeiten von Huisken &<br />
Reuther war der Bericht für 4,50 Mark in deutscher<br />
und für 6 Mark in englischer Sprache erhältlich.<br />
Die zwei einleitenden Abschnitte des Berichts<br />
machen den Leser auf <strong>die</strong> Schwierigkeit, korrekte<br />
Zahlen über den weltweiten <strong>Reishandel</strong> zu<br />
generieren, aufmerksam. Die Zusammenstellung<br />
der Zahlen dauerte insgesamt drei Jahre. Über<br />
<strong>die</strong> Quellen derselben werden keine Angaben<br />
gemacht, vermutlich griffen <strong>die</strong> Autoren aber<br />
auf Angaben der Konsulate und besonders von<br />
Reishändlern und Reismüllem zurück. Probleme<br />
dabei gab es offenbar zur Genüge wegen „der<br />
mangelhaften Pflege der Statistik in verschiedenen<br />
Reisplätzen Europas“. Trotzdem gingen <strong>die</strong><br />
139
Autoren davon aus, zu verlässlichen Zahlen gelangt<br />
zu sein und sahen in der Menge der Zahlen<br />
eine Chance, „<strong>die</strong> Vergangenheit zu vergegenwärtigen,<br />
um vielleicht für <strong>die</strong> Zukunft Nutzen<br />
daraus zu ziehen“.<br />
An <strong>die</strong> kurze Einleitung schließen sich Beschreibungen<br />
des <strong>Reishandel</strong>s über insgesamt vier Folioseiten<br />
an. Der erste größere Abschnitt beinhaltete<br />
den Handel mit Birma;<br />
„[...] so werden wir uns auch erlauben Fragen<br />
von höherem Interesse, soweit sie den <strong>Reishandel</strong><br />
betreffen, in unserem Jahres-Report<br />
einer möglichst eingehenden Besprechung zu<br />
unterziehen.<br />
Hierzu bieten nun zunächst <strong>die</strong> grossen Veränderungen<br />
in dem Verkehr Burmahs mit<br />
Europa, welche in den letzten Jahren stattgefunden<br />
haben und <strong>die</strong> für das Europ. Geschäft<br />
von grosser Bedeutung geworden sind, nächste<br />
Veranlassung.“<br />
Diese Änderungen waren, so heißt es anschließend,<br />
folgendermaßen; Bis vor etwa zehn Jahren<br />
produzierten <strong>die</strong> europäischen Exporteure in Birma<br />
nur so viel Cargoreis, wie von den europäischen<br />
Importeuren nachgefragt wurde. Diese<br />
Praxis änderte sich dann jedoch und <strong>die</strong> Mühlen<br />
setzten nach der Befriedigung der Nachfrage <strong>die</strong><br />
Reisverarbeitung fort, um <strong>die</strong> größtmögliche<br />
Menge an vorpoliertem Reis in Europa abzusetzen.<br />
Damit verloren einzelne Handelshäuser und<br />
Reisimporteure ihre Bedeutung in Birma und<br />
seit Mitte der 1860er Jahre waren <strong>die</strong> europäischen<br />
Reismüller und Verlader in den asiatischen<br />
Verladehäfen entscheidend für <strong>die</strong> europäischen<br />
Märkte. Reis wurde nicht mehr nur auf Nachfrage<br />
für Europa produziert und verschifft, sondern<br />
auch darüber hinaus. Damit entstanden europäische<br />
Stapelplätze, „für welchen Zweck [<strong>bis</strong><br />
1875 zumindest] London jedenfalls am geeignetsten<br />
erkannt werden musste“.<br />
Die entscheidende Veränderung dabei war, dass<br />
„<strong>die</strong> seitherigen Grundsätze im Waarenhandel<br />
verdrängt und dafür der Charakter des Effectenspiels<br />
für das Reisgeschäft“ aufgenommen wurde.<br />
Bedeutsamer als <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> meisten<br />
europäischen Reismüller nun ihre Waren<br />
nicht mehr in Asien aufkauften, sondern in London<br />
oder Liverpool, war <strong>die</strong> Tatsache, dass auf<br />
Reis Wechsel ausgestellt wurden. Ein Rohstoffmarkt<br />
war entstanden, der nicht mehr nur der<br />
Nahrungsmittelversorgung <strong>die</strong>nte, sondern für<br />
Händler, Investoren und Spekulanten einen Anlagemarkt<br />
darstellte. Eine größere globale wirtschaftliche<br />
Integration, als sie auf einem Rohstoffmarkt<br />
entsteht, der asiatische Anbaugebiete,<br />
europäische Handelsplätze und amerikanische<br />
Absatzmärkte verband, ist kaum denkbar.<br />
Die britischen Reismüller in den Häfen Birmas,<br />
so der Abschnitt weiter, hatten ihren Stammsitz<br />
zumeist in London und schrieben den europäischen<br />
Importeuren vor, keine Reisladungen der<br />
aktuellen Ernte vor September und unter bestimmten<br />
Mindestpreisen aufzukaufen. Noch gab<br />
es dagegen keinen Widerspruch, wenn sich <strong>die</strong>ser<br />
einmal rege, werde es nur noch kurze Zeit dauern,<br />
<strong>bis</strong> <strong>die</strong> Allmacht der britischen Reisverlader<br />
bricht;<br />
„Denn es ist nicht zu bestreiten, dass <strong>die</strong> Verschiffungen<br />
nach Europa fortan jährlich im<br />
Durchschnitt 600,000 Tons betragen werde<br />
und dass annähernd <strong>die</strong> Hälfte <strong>die</strong>ses Quantums<br />
auf dem Continent Verwendung findet.<br />
[...]<br />
Die Notgwendigkeit einer Abänderung der<br />
jetzt für den <strong>Reishandel</strong> geltenden [Zustände]<br />
ist fast allseitig anerkannt und <strong>die</strong>serhalb darf<br />
erwartet werden, dass, da <strong>die</strong> <strong>die</strong>sseitigen Forderungen<br />
<strong>die</strong> Grenzen des Rechts und der<br />
Billigkeit nicht überschreiten, <strong>die</strong>selben über<br />
kurz oder lang entweder mit oder gegen den<br />
Willen der Londoner Interessenten zur Durchführung<br />
gelangen.“<br />
Diesem ausführlichen Abschnitt über den <strong>Reishandel</strong><br />
sind drei wichtige Erkenntnisse zu entnehmen.<br />
Zuerst bestätigen <strong>die</strong> Autoren, dass Birma<br />
das für Europa wichtigste Reisanbaugebiet<br />
war. Erst mit den immer größer werdenden Mengen<br />
an Reis wurde ein wirklicher Rohstoffmarkt<br />
geschaffen. Aus vereinzelter Nachfrage entstand<br />
ein in London beheimateter Reismarkt, der neben<br />
der Versorgung auch eine börsenartige Funktion<br />
für <strong>die</strong> beteiligten Spekulanten und Investoren
hatte. Zum Zweiten wird bestätigt, dass <strong>die</strong> Ursprünge<br />
der europäischen Reisverarbeitungsindustrie<br />
in England, besonders in London lagen.<br />
Daher dominierten <strong>die</strong> dort ansässigen Häuser<br />
auch das Geschäft. Die dritte Erkenntnis ist aber<br />
entscheidend für den weltweiten <strong>Reishandel</strong> in<br />
den kommenden Jahrzehnten. 1874 ging bereits<br />
<strong>die</strong> Hälfte des in Europa umgeschlagenen Reises,<br />
etwa 300.000 Tonnen, nach Kontinentaleuropa.<br />
Je offener der Reismarkt wurde, desto einfacher<br />
konnten auch nicht-britische Akteure und Standorte<br />
durch ihre Investitionen Einfluss nehmen.<br />
Und eben <strong>die</strong>se Entwicklung deutete sich an.<br />
1874 war <strong>die</strong> Familie Rickmers bereits Anteilseigner<br />
der Mühle Ichon & Rickmers und der<br />
Ausbau des Reisgeschäfts durch Rickmer Glasen<br />
und Andreas Rickmers in den folgenden Jahren<br />
entsprach genau der Vorhersage des Berichts von<br />
Huisken & Reuthen Denn <strong>die</strong> Rickmers Mühle<br />
kaufte, besonders wegen der eigenen Reederei,<br />
nicht in London den zu verarbeitenden Reis,<br />
sondern traf mit den Großmühlen in Birma Absprachen<br />
und deckte sich dort ein. Für <strong>die</strong> britischen<br />
Großfirmen machte es vorerst keinen Unterschied,<br />
ob sie ihre Ware in Rangun oder den<br />
anderen Häfen Birmas verkauften, doch mittelfristig<br />
nahmen sie London damit <strong>die</strong> Eigenschaft,<br />
wichtigster europäischer <strong>Reishandel</strong>splatz zu<br />
sein und beförderten den Aufstieg Bremens in<br />
eben <strong>die</strong>se Stellung.<br />
Die im Reismaklerbericht genannten Zahlen im<br />
Abschnitt über <strong>die</strong> Lage des europäischen Reismarktes<br />
zeigen, dass <strong>die</strong> europäische Reisindustrie<br />
gemeinsam eine zunehmend relevante Stellung<br />
im weltweiten <strong>Reishandel</strong> einnahm. Zwischen<br />
1868 und 1874 stieg der europäische<br />
Verbrauch an poliertem Reis von 292.900 Tonnen<br />
auf 330.000 Tonnen. Der Export der europäischen<br />
Mühlen stieg von 71.900 Tonnen auf<br />
110.600 Tonnen. Der Konsum steigerte sich um<br />
13 Prozent, während der Export um 54 Prozent<br />
angehoben wurde. Die Zahlen aus dem Geschäftsjahr<br />
1874 bestätigen zudem eindrucksvoll,<br />
dass Birma für den globalen <strong>Reishandel</strong> mit den<br />
dafür wichtigen Stapel- und Verarbeitung.splätzen<br />
in England und Deutschland der wichtigste Rohstofflieferant<br />
war. 1874 erreichten 589.790 Tonnen<br />
Reis auf 607 Schiffen Europa. Von <strong>die</strong>ser<br />
Menge kamen 475.824 Tonnen auf 412 Schiffen<br />
aus Birma. 68 Prozent der in Europa ankommenden<br />
Reisschiffe kamen aus den Häfen Birmas<br />
und hatten 81 Prozent der insgesamt einkommenden<br />
Reismenge geladen. 361 Schiffe<br />
mit insgesamt 349.374 Tonnen Reis erreichten<br />
England, während 246 Schiffe mit zusammen<br />
240.416 Tonnen Reis das europäische Festland<br />
ansteuerten.<br />
Der Abschnitt über das Geschäftsjahr 1874 zeigt<br />
wiederum zwei Dinge deutlich auf: Einerseits,<br />
wie stark der Reismarkt ein globaler Markt war<br />
und daher unabhängig von räumlichen Distanzen<br />
beeinflusst wurde und andererseits wiederum,<br />
dass der Reismarkt sich nicht allein zwischen<br />
den Bauern, den Industriellen und den Konsumenten<br />
regelte, sondern als Rohstoff- und Finanzmarkt<br />
auch von den Verhaltensweisen von<br />
Investoren und Spekulanten abhing. Im Oktober<br />
und November 1873 trafen in Europa Berichte<br />
über eine große Hungersnot in Bengalen ein.<br />
Daher gab es <strong>die</strong> Erwartung eines britischen<br />
Ausfuhrverbots in Birma, um mit dem dortigen<br />
Reis den Bedarf in Bengalen zu decken. Die<br />
Mindesterwartung war, dass wegen des Bedarfs<br />
in Bengalen <strong>die</strong> Verschiffungen nach Europa<br />
sehr klein sein würden. Tatsächlich war <strong>die</strong> Reisemte<br />
Birmas groß genug, so dass es in Europa<br />
keine Lieferschwierigkeiten gab. Die Spekulationen<br />
über Lieferengpässe führten zu höheren<br />
Notierungen auf <strong>die</strong> kommende Ernte in London.<br />
Der Preis für einen Ballen’^' Rohreis aus Birma<br />
lag im Januar bei <strong>bis</strong> zu 12 Schillinge 6 Pence.<br />
Mit den Nachrichten, <strong>die</strong> <strong>bis</strong> März eintrafen und<br />
keine ungewöhnlich niedrige Verschiffung anzeigten,<br />
fielen <strong>die</strong> Preise auf etwa 11 Schillinge.<br />
Ende April zeigte sich, dass mehr als 350.000<br />
Tonnen Reis in Birma für Europa verschifft waren<br />
und mit einer normalen Menge an einkommendem<br />
Reis zu rechnen war. Daraufhin fielen<br />
<strong>die</strong> Preise und als <strong>die</strong> Ladungen tatsächlich eintrafen,<br />
pendelten sich <strong>die</strong> Preise zwischen 8<br />
Schillinge 9 Pence und 9 Schillinge 9 Pence ein.<br />
Im Vergleich zu den Januarpreisen hatte <strong>die</strong><br />
141
Nachricht von der Hungersnot in Bengalen und<br />
das daraufhin einsetzende Verhalten von Spekulanten<br />
zwischenzeitlich zu einem Preis geführt,<br />
der immerhin um 50 Prozent höher lag als der<br />
schließlich erzielte Preis. In <strong>die</strong>sem Fall haben<br />
sich <strong>die</strong> Käufer der ab Mai in London ankommenden<br />
Ernte verspekuliert und keinen geschäftlichen<br />
Gewinn erzielen können. Die Reismüller<br />
wiederum mussten sich gut überlegen, wann sie<br />
ihren Bedarf an Reis deckten;<br />
„Die Müller des Continents, welche <strong>bis</strong> dahin<br />
dem Spiele der Londoner Börse in abwartender<br />
Stellung zugesehen hatten, traten nun auch<br />
im Juni, wo <strong>die</strong> Preise für Rangoon auf ca. 9s<br />
zurückgegangen waren, als Käufer auf und<br />
sicherten sich ihren Bedarf. Von Juni <strong>bis</strong> Anfang<br />
December wurde denn in London nur<br />
noch für Müllers Rechnung gehandelt und<br />
bewegten <strong>die</strong> Preise sich in <strong>die</strong>ser Zeit zwischen<br />
8s lOVid und 9s 9d für Rangoon [...].<br />
Die grossen Erwartungen, welche an das<br />
Elend Bengalens geknüpft worden, sind somit<br />
hauptsächlich auf Kosten der Spekulanten,<br />
für <strong>die</strong> Ablader in Erfüllung gegangen, da <strong>die</strong><br />
Müller des Continents den Verlockungen der<br />
Hausse widerstanden und sich zufrieden gaben<br />
mit dem Nutzen den <strong>die</strong> steigende Tendenz<br />
für poiirte Waare aus den Vorräthen des<br />
1873r Imports ihnen zuführte.<br />
[...] so muss man doch hieraus immer mehr<br />
<strong>die</strong> Ueberzeugung gewinnen, dass der auf den<br />
wirklichen Verbrauch basirende Import auch<br />
in Zukunft schwerlich einen besseren Erfolg<br />
haben wird, denn <strong>die</strong> fast jeder Vorsicht spottenden<br />
Unternehmungen der Londoner Speculanten<br />
lassen durchweg eine solide Operation<br />
von der Hand überall nicht mehr zu.“<br />
Die folgenden Abschnitte des Reismaklerberichts<br />
von Huisken & Reuther sind kürzeren Meldungen<br />
über europäische Handelsplätze gewidmet<br />
worden. Aus London konnten nennenswerte<br />
Mengen polierten Reises nach Europa abgesetzt<br />
werden. Die größten Mengen außerhalb Englands<br />
wurden mit 32.000 Ballen nach Stettin,<br />
34.000 Ballen nach Odessa, 27.500 Ballen nach<br />
Danzig und 15.000 Ballen nach St. Petersburg<br />
versandt. „Dem Londoner Versandgeschäfte wurde<br />
es durch den Verlauf der Preise für rohe Waare<br />
möglich gemacht, in polirten Reissorten den<br />
Continentalmärkten namentlich an der Ostsee<br />
eine empfindliche Concurrenz zu machen.“ Für<br />
Liverpool galt Ende 1874, dass „<strong>die</strong> grossartigen<br />
Einrichtungen der hiesigen Mühlenetablissements<br />
f...] Liverpool auch in dem abgelaufenen<br />
Geschäftsjahre den ersten Platz unter den einzelnen<br />
Europ. Märkten [...] behaupten“ ließen.<br />
Von insgesamt 173.269 Tonnen importiertem<br />
Rohreis wurden 133.000 Tonnen veredelten Reises<br />
wieder exportiert, davon 60.000 Tonnen nach<br />
Europa und 73.000 Tonnen nach Übersee. Die<br />
Verkehrsanbindung war einer der Vorteile Liverpools:<br />
„Die verschiedenen Dampferlinien, welche<br />
von hier aus unterhalten werden, sichern<br />
Liverpool auch in Zukunft den ersten Rang unter<br />
den Exportplätzen für Reis in Europa.“<br />
Bremen importierte 1874 mit 93.128 Tonnen<br />
Reis nur 54 Prozent der in Liverpool einkommenden<br />
Reismenge. Bis auf 6.000 Tonnen wurde<br />
der Reis nur aus Birma bezogen. Für den Absatz<br />
an veredelter Ware spielte <strong>die</strong> Verkehrsinfrastruktur<br />
eine wichtige Rolle.<br />
„Der Stützpunkt unseres Reisgeschäfts liegt in<br />
dem Europ. Consum und da ist es eine erfreuliche<br />
Thatsache zu constatiren, dass unser Markt<br />
sowohl in Deutschland als in Oesterreich auch<br />
in dem abgelaufenen Jahre <strong>die</strong> dominierende<br />
Stellung behauptete; sobald wir durch weitere<br />
Schienenwege dem Süden Deutschlands nähet<br />
gerückt sein werden, wo bekanntlich sehr viel<br />
Reis consumirt wird, dürfte sich für unseren<br />
Platz ein weiteres Absatzgebiet erschliessen.<br />
Einstweilig werden <strong>die</strong>se Gegenden noch durch<br />
Holland und Belgien versorgt [...J. Da nun aber<br />
ein directer Schienenstrang nach dem Oberrhein<br />
für Bremens Handel von grosser Bedeutung ist,<br />
so darf wohl <strong>die</strong> Hoffnung gehegt werden, dass<br />
[...] <strong>die</strong> Abkürzung Bremen Marburg [...] nicht<br />
lange mehr Gegenstand frommer Wünsche bleiben<br />
wird.“<br />
Die Hamburger Mühlen” ^ hatten sich <strong>bis</strong> 1875<br />
eine kleine Marktnische eingerichtet und vornehmlich<br />
Reis verkauft, der besonders edel und<br />
142<br />
- - W - T r
gut verarbeitet war. Daher konnten sie höhere<br />
Preise in den Verschiffungshäfen zahlen als <strong>die</strong><br />
Londoner Importeure, erhielten bessere Ware<br />
und kauften daher nur wenig ihres Rohstoffes<br />
auf dem Londoner Reismarkt ein. Als besonders<br />
hochwertig galt Java-Reis. Das spiegelte sich<br />
auch in den Preisen wider. Für Reis aus Birma<br />
wurden je nach Ladung zwischen 9 Mark und<br />
13 Mark gezahlt. Der Verkauf des verarbeiteten<br />
Reises brachte den Müllern um <strong>die</strong> 18 Mark je<br />
Ballen. Die 7.000 Ballen direkt aus den holländischen<br />
Kolonialgebieten importierten Java-Reises<br />
kosteten im Vergleich dazu schon im Einkauf<br />
der Rohware 29 Mark. Dieses Hochpreissegment<br />
machte aber nur einen kleineren Teil des Hamburger<br />
Handels aus. Verdeutlicht wird <strong>die</strong>s durch<br />
<strong>die</strong> bestehenden Lager an Reis Ende 1874. Neben<br />
171.000 Ballen verschiedener Sorten Reis<br />
aus Birma und kleiner Mengen aus Saigon, Japan<br />
und Italien lagerten gerade einmal 3.500 Ballen<br />
Java-Reis in der Hansestadt.<br />
In Belgien war Antwerpen der einzige Handelsund<br />
Verarbeitungsplatz von Bedeutung. Besonders<br />
Akyab-Reis wurde dort qualitativ hochwertig<br />
verarbeitet und nach Holland, Frankreich sowie<br />
Deutschland abgesetzt. „In Betreff der Preise<br />
für rohe Waare soweit daselbst noch Importationen<br />
für den dortigen Markt stattñnden, ist das<br />
Verhalten der Londoner Börse massgebend.“ Die<br />
„übrigen Plätze Europas“ fanden in dem Bericht<br />
der Bremer Reismakler keine weitere Beachtung,<br />
da sie sich ausschließlich auf den Konsum stützten,<br />
also nicht nennenswert selber in Asien oder<br />
in London Rohreis kauften, sondern ausschließlich<br />
für <strong>die</strong> Nachfrage ihres Absatzgebietes produzierten.<br />
Abschließend ist dem Bericht der Bremer Reismakler<br />
ein Abschnitt über <strong>die</strong> Aussichten des<br />
europäischen Reisgeschäfts angefügt worden.<br />
Darin heißt es, dass von einer weiteren Steigerung<br />
der Importe aus Birma auszugehen ist. Die<br />
Verschiffer in Asien und Händler in Europa zielten<br />
mit der vermeintlichen Gefahr von Hungersnöten<br />
in Asien und angeblichem Mangel an<br />
Schiffsräumen für den Transport nach Europa<br />
darauf ab, <strong>die</strong> Preise trotz großer Importmengen<br />
hoch zu halten. Daher kamen Huisken & Reuther<br />
im Februar 1875 trotz der guten Entwicklung<br />
des Reisgeschäfts in Europa zu der Aussage,<br />
„dass das Reis-Importgeschäft mithin auf einer<br />
gesunden Grundlage ruht [sei] vernünftiger Weise<br />
nicht zu behaupten“.<br />
Dem vierseitigen Bericht des Bremer Maklerbüros<br />
wurde ein 19-seitiger statistischer Anhang<br />
beigefügt. Eine Zusammenstellung der wichtigsten<br />
Fakten ist am Ende <strong>die</strong>ses Kapitels angeführt.<br />
Wie positiv sich der bremische <strong>Reishandel</strong> ab<br />
der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte, obwohl<br />
in Bremen nur vier der insgesamt 64 Reismühlen,<br />
<strong>die</strong> es 1875 in Europa gab, standen, soll<br />
hier bereits aufgezeigt werden. Von 1844 <strong>bis</strong><br />
1874 stieg der Import von Reis in Bremen um<br />
mehr als das 23-Fache an. Und obwohl <strong>die</strong> Zahl<br />
der in Bremen ansässigen Reismühlen nicht<br />
stieg, machte <strong>die</strong> dortige Reisindustrie Bremen<br />
in den kommenden zwölf Jahren zum größten<br />
europäischen und einem der bedeutendsten Reisplätze<br />
weltweit.^^^<br />
Tabelle III. 4.1, Import von Rohreis, Produktion<br />
von poliertem Reis und Export von poliertem<br />
Reis in Bremen 1844-1874<br />
Jahr<br />
Import Rohreis<br />
Produktion<br />
polierter Reis<br />
Export polierter<br />
Reb<br />
1844 3 .9 0 0 3 .1 0 0 2 .5 0 0<br />
1845 3 .9 0 0 2 .9 0 0 3 .5 0 0<br />
1847 6 .0 0 0 4 .5 0 0 5 .3 0 0<br />
<strong>1850</strong> 4 .9 0 0 4 .0 0 0 4 .0 0 0<br />
1853 5 .9 0 0 4 .8 0 0 1 0 .9 0 0<br />
1856 3 1 .4 0 0 2 5 .0 0 0 1 8 .3 0 0<br />
1859 2 9 .3 0 0 2 3 .5 0 0 1 7 .6 0 0<br />
1862 3 9 .1 0 0 3 1 .3 0 0 3 0 .0 0 0<br />
1865 4 2 .3 0 0 3 3 .9 0 0 2 9 .2 0 0<br />
1868 7 7 .7 0 0 6 2 .5 0 0 5 6 .7 0 0<br />
1871 7 3 .3 0 0 5 8 .7 0 0 5 2 .0 0 0<br />
1874 9 0 .0 0 0 72.0 0 0 6 5 .0 0 0<br />
143
Bericht über den Reismarkt 1882<br />
Eine andere Aufmachung als der Bericht von<br />
Huisken Sc Reuther 1875 hatte das „Statistische<br />
Handbuch für den Artikel Reis“ der Bremer Reismakler<br />
Hermann Greve und Wilhelm Gerecke<br />
1882.^^'* Wie der Name schon verrät, war es ein<br />
ausschließlich statistisches Kompendium. Einen<br />
Teil ihrer Zahlen haben Grave und Gerecke den<br />
Depeschen J. & G. Bulloch & Co., London sowie<br />
dem Weekly Rice Circular entnommen. Bulloch<br />
& Co. waren einer der größten britischen Reisverlader<br />
in den Häfen Birmas. Die Statistiken<br />
von 1882 waren mit Zahlen direkt von den wichtigsten<br />
Reisplätzen ln Asien und Europa unterlegt,<br />
was in der Rückschau leider <strong>die</strong> bekannten<br />
statistischen Schwierigkeiten in den Maßeinheiten<br />
nicht auflöst, aber für eine fun<strong>die</strong>rte Recherche<br />
der Herausgeber spricht. Im Folgenden soll<br />
eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten<br />
aus den Statistiken ablesbaren Entwicklungen,<br />
besonders im Zeitraum der fünf Jahre von 1877<br />
<strong>bis</strong> 1881, gegeben werden.<br />
Die gesamten Verschiffungen von Reis nach<br />
Europa aus indischen und asiatischen Häfen sowie<br />
aus Japan steigerten sich von 1877 <strong>bis</strong> 1881<br />
kontinuierlich. 1877 wurden für Europa 608.696<br />
Tonnen Reis und 1881 bereits 854.159 Tonnen<br />
verladen. Der Hafen mit der größten Verladung<br />
von Reis für Europa war immer Rangun. Es folgten<br />
Bassein und Akyab - wo nur 1880 einmalig<br />
mehr Reis verschifft wurde als in Bassein. An<br />
vierter Stelle der Verschiffung lag der Hafen von<br />
Moulmein. Kalkutta, 1880 und 1881, sowie<br />
Bangkok, 1879 und 1880, waren <strong>die</strong> einzigen<br />
Häfen, deren Reismengen für Europa in einzelnen<br />
Jahren größer waren als <strong>die</strong> Moulmeins. Damit<br />
bestätigt sich, dass Birma das mit Abstand<br />
wichtigste Reiserzeugungsland für Europa - und<br />
durch den europäischen Umschlag auch weltweit<br />
- war. Allein aus Rangun kamen in <strong>die</strong>sem Zeitraum<br />
jährlich zwischen 43 und 53 Prozent des<br />
in Europa abgeladenen Reises.<br />
Ebenso kontinuierlich wie <strong>die</strong> Verladungen in<br />
den Häfen der Reisländer stiegen <strong>die</strong> Ankünfte<br />
von Reis in Europa an. Waren es 1877 noch<br />
571.199 Tonnen, erreichten <strong>die</strong> Ankünfte 1881<br />
immerhin 903.393 Tonnen Reis. Die Standorte<br />
der englischen Reisindustrie, London und Liverpool,<br />
hatten in den fünf betrachteten Jahren immer<br />
<strong>die</strong> größten einkommenden Mengen. Nur<br />
1880 hatte dabei London den Spitzenplatz inne.<br />
An dritter Stelle kam zumeist Bremen. 1879 erreichte<br />
Holland, das sonst immer an vierter Stelle<br />
rangierte, den dritten Platz. Der Anteil Bremens<br />
an den europäischen Ankünften von Reis wuchs<br />
von 12 Prozent 1877 über 15 Prozent, 14 Prozent<br />
und 19 Prozent auf 20 Prozent 1881 an. Innerhalb<br />
von fünf Jahren vergrößerte Bremen seinen<br />
Anteil als Reishafen im europäischen Geschäft<br />
um über ein Viertel auf ein Fünftel des Gesamtmarktes.<br />
Der Marktanteil Liverpools sank zwischen<br />
1877 und 1881 von 35 auf 26 Prozent,<br />
der Londons von 23 auf 20 Prozent.^^®<br />
In Birma wurde der Reis im Betrachtungszeitraum<br />
auf Segler und Dampfer verladen. Der Anteil<br />
des auf Dampfer geladenen Reises stieg deutlich<br />
an. 1877 wurde mit knapp über 100.000<br />
Tonnen genau ein Fünftel der Waren auf Dampfer<br />
geladen. 1878 war es ein Viertel der Gesamtmenge,<br />
1879 waren es 30 Prozent, 1880 zwei<br />
Fünftel und 1881 immerhin schon 48 Prozent<br />
des Reises, der auf Dampfern verschifft wurde.<br />
Betrachtet man <strong>die</strong> Ankünfte Bremens, so kam<br />
nur 1881 mehr Reis auf Dampfern als auf Seglern<br />
in den Häfen an der Weser an. Die Anteile<br />
der Ankünfte auf Dampfern in Bremen steigerten<br />
sich von 1.799 Tonnen 1877, was 3 Prozent ausmachte,<br />
über 18 Prozent, 14 Prozent und 35 Prozent<br />
auf 83.932 Tonnen und 51 Prozent in 1881.<br />
Diese Tendenz galt auch für alle Häfen Europas,<br />
in denen Reis ankam. Für alle Häfen machten<br />
<strong>die</strong> Ankünfte per Dampfer 1877 nur ein Fünftel<br />
aus, 1881 war es mit 47 Prozent schon fast <strong>die</strong><br />
Hälfte.^^^<br />
Die Ein- und Ausfuhr Bremens an rohem und<br />
verarbeitetem Reis ist der Statistik von 1882 zu<br />
entnehmen. Da <strong>die</strong> angebotenen Zahlen in <strong>die</strong>sem<br />
Fall zehn Jahre zurückreichen, kann hierbei<br />
an <strong>die</strong> Tabelle über den Import und Export zwischen<br />
1844 und 1874 im vorherigen Abschnitt<br />
angeschlossen werden.
s Mastiger Segler - Dampfer „Maria Riekmers“<br />
3860 T om Register, Linge 376 Fuss, 48 Foss breit und 26 Fuss tief engi.<br />
Fa-hpostkarte des 1892 in Glasgow angekauften Fünfmast-Auxiliarseglers M a r ia R ic k m e r s.<br />
Noch bei der Jungfernreise verscholl das Schijf mit einer Ladung Reis auf dem Weg<br />
von Saigon nach Bremerhaven (Rickmers-Familienarchiv).
Andreas Ciasen Rickmers (]835-1924), Vorstand der Rickmers Reismühlen, Rhederei und<br />
Schiffl>au AG und 1901 Gründer und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Reis- und Handels AG.<br />
Besonders im Reisgeschäft führte er das Geschäft des Vaters fort und baute es deutlich aus<br />
(Rickmers-Familienarchiv).<br />
III
Wilhelm Heinrich Rickmers (1844-1891), genannt Willy, war der jüngste Sohn von<br />
Rickmer Ciasen Rickmers. Er war haftender Gesellschafter der Stärkefabrik „ Union ‘<br />
in Hannoversch Münden. 1887 war Wilhelm Rickmers für ein halbes Jahr<br />
Aufsichtsratsmitglied bei der Hojfmann ’s Stärkefabriken AG<br />
(Stadtarchiv Bad Salzuflen, H 11487).
Die SmmíE TABRlKbei SAIZIIFLEK<br />
( X I P P E » E i ’H O LT))<br />
ßtxnc \fihxiitht<br />
Die <strong>1850</strong> gegründete Stärkefabrik bei Salzuflen in einer frühen Ansicht (vor 1869).<br />
Nach mehreren Bränden mit folgenden Neuaufbauten und Erweiterung wurde <strong>die</strong> Fabrik<br />
in Salzuflen nach 1880 zum größten europäischen Stärkeproduzenten.<br />
Um 1900 beschäftigte <strong>die</strong> Hoffmann’s Stärkefabriken AG circa 1.200 Mitarbeiter<br />
(Stadtarchiv Bad Salzuflen, H V 1).<br />
VII
l v<br />
Leherecht Fürchtegott Hoffmann (1827—1895), ältester Sohn des Gründers der Stärkefabrik<br />
bei Salzuflen, war Teilhaber eines Bremer Handelshauses. Mit seinen Kontakten zu<br />
Bremer Kaufleuten und Bankiers trug er besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zw<br />
erfolgreichen Entwicklung der Stärkefabrik bei.<br />
(Stadtarchiv Bad Salzuflen, H 11487).<br />
V III
Eduard Hoffmann (1832-1894) übernahm nach dem Tod seines Vaters mit nur 20 Jahren<br />
<strong>die</strong> Leitung der Stärkefabrik. Er entwickelte <strong>die</strong> Hoffmann ’s Stärkefabriken AG<br />
zu einem Großbetrieb mit europäischer Spitzenstellung.<br />
Die Einführung der Katze als Markenzeichen und <strong>die</strong> Einrichtung betrieblicher<br />
Sozialleistungen wie Kranken- und Rentenkassen gehen auf ihn zurück<br />
(Stadtarchiv Bad Salzuflen, H I I 302).<br />
IX
▲. MAmxW ALD * OO.. Î M .<br />
Ш Nitk. -U C IHk UKiin<br />
Markwald & Co., 1884 gegründet, gehörte zu den bedeutendsten reisverarbeitenden Fabriken<br />
in Bangkok. Sie war <strong>die</strong> einzige europäische Reisfabrik in Siam. 1894 kaufte <strong>die</strong> Rickmers AG<br />
das Unternehmen und modernisierte es mit neuen Kessel- und Schäleinrichtungen.<br />
Zur besseren Verwertung des Reises wurde zudem <strong>die</strong> Stärkeproduktion aufgenommen<br />
( Rickmers-Familienarchiv ).
л. -■<br />
ReisdampfmühleE Von R. С. Rickmers in Bremen.<br />
187'^ beteiligte sich Rickmer Ciasen Rickmers an der Reismühle von Louis Ichon und übernahm<br />
<strong>die</strong>se 1878 vollständig. Unter der Leitung von Andreas Rickmers wurde sie zu einer der größten<br />
Reismühlen weltweit. 1901 ging <strong>die</strong> Rickmers-Reismühie in den Besitz der Reis- und Handels AG<br />
über, <strong>die</strong> endlich 1963 von der Kellogg Deutschland GmbH übernommen wurde<br />
(Rickmers-Familienarchiv).<br />
XI
- ■<br />
T'----." s t *<br />
Ansicht des Reismühlenhofs in Flensburg von 1925. Am linken Bildrand ist noch ein<br />
mehrgeschossiges Lagerhaus zu sehen. Die Flensburger Mühle war 1833 <strong>die</strong> erste<br />
dampf getriebene Reismühle Deutschlands. Die Familie Kallsen übernahm <strong>die</strong> Mühle 1858<br />
und übertrug den Betrieb 1901 in <strong>die</strong> Reis- und Handels AG.<br />
1908 wurde <strong>die</strong> Produktion eingestellt<br />
(Arkivet ved Dan.sk Centralbibliotek for Sydslesvig).
Gemälde der Firma Gebrüder Nielsen 1837. Die Brüder Anton und Carl Friedrich Nielsen<br />
kauft i eine Kalkbrennerei und schlossen <strong>die</strong>ser 1837 eine Zementmühle an. 1841 unternahmen<br />
sie bereits erste Versuche, Reis zu schälen. 1862 wurde <strong>die</strong> Reisverarbeitung aufgenommen und<br />
zum wichtigsten Geschäftsfeld. Die Reismühle Gebrüder Nielsen war eine der größten Reismühlen<br />
in Europa und ihre Produkte wurden auf Handels- und Industrieausstellungen prämiert<br />
(Staatsarchiv Bremen, 10,B-AL-186-Bd. 2).<br />
X III
In dem Speicher der Firma Gebrüder Nielsen sackweise gelagerter Reis.<br />
Undatierte Aufnahme, vermutlich spätes 19. oder frühes 20. Jahrhundert<br />
(Staatsarchiv Bremen, 10,B-AL-186-Bd. 2,03).
Foto der Firma Gebrüder Nielsen von 1863. Der neu gebaute, noch eingerüstete Speichei ..eigt,<br />
dass der Betrieb mit der Aufnahme der Reismüllerei im Vorjahr auch räumlich stark wuchs<br />
(Staatsarchiv Bremen, 10,B-AL-186-Bd. 2,02).<br />
Das Bauschild Nr. 122 stammt von der Viermastbark FIe r z o g in C e c il ie,<br />
Segelschulschiff des Norddeutschen Lloyd<br />
(Foto: Alands Sjöfartsmuseum, Mariehamn).
Tabelle III. 4.2, Import von Rohreis, Produktion<br />
von poliertem Reis und Export von poliertem<br />
Reis in Bremen 1874-1881<br />
Jahr import Rohreis Export polierter Reis<br />
1874 91.091 65.021<br />
1875 78.366 59.906<br />
1876 68.148 63.373<br />
1877 64.237 60.155<br />
1878 87.554 62.046<br />
1879 93.313 79.917<br />
1880 156.453 105.072<br />
1881 186.643 117.370<br />
in To n n e n<br />
Der Export von poliertem Reis verdoppelte sich<br />
von 1874 <strong>bis</strong> 1881 fast auf 117.370 Tonnen. Im<br />
Vergleich dazu ist aus den Statistiken zu sehen,<br />
dass der zusammengefasste Export aus London<br />
und Liverpool kaum wuchs beziehungsweise sogar<br />
rückläufig war. Der geringste Reisexport im<br />
Jahrzehnt von 1872 <strong>bis</strong> 1881 war dort 1872 mit<br />
151.698 Tonnen, erreichte 1874 seinen höchsten<br />
Wert mit 204.562 Tonnen und lag 1881 bei<br />
174.786 Tonnen.^^^ Eine kontinuierliche Verbesserung<br />
der englischen Häfen im internationalen<br />
Reisgeschäft kann nicht festgestellt werden,<br />
wenngleich sie ihre Spitzenstellung innerhalb<br />
Europas vor Bremen zu Beginn der 1880er Jahre<br />
noch hielten.<br />
Bericht über den Reismarkt in London 1885<br />
Die <strong>bis</strong>her betrachteten Berichte über den <strong>Reishandel</strong><br />
waren von Bremer Reismaklern verfasst.<br />
Obwohl statistische Kompen<strong>die</strong>n nur Fakten berücksichtigen<br />
sollten, ist ein Blick auf einen Bericht<br />
aus England, dem wirtschaftlich stärksten<br />
Konkurrenten Bremens, im Reisgeschäft wichtig.<br />
Denn einer einseitigen Auswahl der Quellen und<br />
einer daraus hervorgehenden Verzerrung der Entwicklungen<br />
auf dem globalen Reismarkt in den<br />
1880er Jahren kann damit vorgebeugt werden.<br />
„Fraser & Co.’s Review of the Rice Trade for<br />
1885“ ist von der Firma Fraser & Co. im Januar<br />
1886 herausgegeben worden.^'“’ Der Aufbau des<br />
Rückblicks der Londoner Makler auf den Handel<br />
1885 ist ähnlich wie der des Berichts von Huisken<br />
& Reuther aus Bremen 1875. Nach einleitenden<br />
allgemeinen Bemerkungen werden einzelne<br />
Reissorten beziehungsweise Anbaugebiete<br />
besprochen und den Abschluss bildet nach einigen<br />
Zahlenreihen ein ganz kurzer Ausblick auf<br />
den <strong>Reishandel</strong> 1886.<br />
Das Jahr 1885 “cannot claim to be considered<br />
an eventful one in the history of the Rice Trade”.<br />
Es gab nur einen spärlichen Anstieg des Reisverbrauchs<br />
und eine größere Verladung in den<br />
Anbaugebieten, was <strong>die</strong> Preise fallen ließ. “With<br />
low values ruling throughout the world for every<br />
kind of grain and colonial produce generally,<br />
abundant harvests, and with scarcely an appreciable<br />
increase in consumption, it was not to be<br />
wondered at that the price of Rice [...] did not<br />
permanently regain its lost ground.” Eine nennenswerte<br />
Marktbelebung 1885 gab es nur im<br />
Monat Mai. Gerüchte über einen bevorstehenden<br />
Krieg ließen Versicherungsprämien steigen und<br />
führten zu allgemein höherer Nachfrage von Reis<br />
und hohen Preisen. Die Reismüller konnten mehr<br />
Reis absetzen und kauften größere Mengen rohen<br />
Reis, um einer Kontingentierung vorzubeugen.<br />
Die Verschiffer von Reis waren erfreut und<br />
nutzten <strong>die</strong> Gelegenheit zu guten Absätzen. Diese<br />
kurzen Gerüchte über politische Ereignisse<br />
besserten das Jahresergebnis aller am <strong>Reishandel</strong><br />
Beteiligten auf:<br />
“There was only one other little excitement<br />
which instilled life, and we may say hope,<br />
into the ideas of those connected with the<br />
trade, and this was the belief in an Anglo-<br />
Russian war during the month of May. Shortlived<br />
as this scare was, it had the effect of<br />
bolstering up the market and causing an advance<br />
of about 6d in prices. Everyone took<br />
advantage of so good a situation. Consols<br />
were falling, heavy war premiums were being<br />
asked by the insurance companies, and war<br />
145
was regarded by the majority as inevitable.<br />
Speculators rushed in, and in most cases, paid<br />
the highest prices of the year for their purchases;<br />
millers, stimulated by a spurt in the<br />
demand for cleaned, followed suit and bought<br />
a little, not from any fear of being deprived<br />
of their supplies, but thinking it more prudent<br />
to be prepared in view of contingencies, and<br />
shippers, only too pleased at the unexpected<br />
turn of events, wisely decided not to lose such<br />
a golden opportunity, but to risk the consequences<br />
of war, and with skilful manipulation<br />
to sell as much as was possible, or in other<br />
words to make hay while the sun shone. As<br />
events afterwards proved, they could not have<br />
adopted a wiser course, and their action in<br />
these few days materially improved the result<br />
of the year’s operations.”<br />
Die weiteren allgemeinen Bemerkungen zum<br />
<strong>Reishandel</strong> waren aus englischer Sicht nicht besonders<br />
positiv. Spekulanten waren wie in den<br />
Vorjahren meist ohne Glück. Nur wer früh in<br />
der Saison gekauft hatte und mit einem minimalen<br />
Ertrag zufrieden war, hatte zufriedenstellende<br />
Gewinne erzielt. Die Preise, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Reismüller<br />
erhielten, waren schlecht. Kurse für gesäuberten<br />
Reis waren ebenso niedrig wie <strong>die</strong><br />
Nachfrage. Die Industrie war zudem gezwungen,<br />
<strong>die</strong> Preise zu zahlen, <strong>die</strong> für den rohen Artikel<br />
gefragt waren. Wegen der geringen Verkaufspreise<br />
führte das zu einem so schlechten Geschäft,<br />
dass in der Konsequenz Mühlenschließungen<br />
drohten. Ob es dazu kam, ist dem Maklerbericht<br />
leider nicht zu entnehmen. Die<br />
wichtigste Anmerkung über den <strong>Reishandel</strong> 1885<br />
betraf den deutschen Markt. “One of the most<br />
noticeable features of the year has been the great<br />
increase in the trade in Bremen and the corresponding<br />
decrease in London.” Der Import von<br />
rohem Reis in Bremen überstieg den des Vorjahres<br />
um 25.244 Tonnen und erreichte 181.556<br />
Tonnen zu 156.312 Tonnen in 1884. In London<br />
hingegen betrug der Rückgang 29.206 Tonnen<br />
auf 107.965 Tonnen bei noch 137.171 Tonnen<br />
importierten Rohreises in 1884. In England wurde<br />
ein Zusammenhang zwischen der guten wirtschaftlichen<br />
Entwicklung des <strong>Reishandel</strong>s in<br />
Bremen und dem Rückgang des Handels in London<br />
erkannt und benannt.<br />
Die Preise für rohen Reis notierten 1885 zwischen<br />
6 Schillinge, 6% Pence (6,64 Mark) am<br />
Ende des Jahres und hatten ihren höchsten Kurs<br />
im Januar und Mai mit 7 Schillinge, 4У2 Pence<br />
(7,47 Mark) beziehungsweise 7 Schillinge, РЛ<br />
Pence (7,21 Mark). Zehn Jahre zuvor hatten <strong>die</strong><br />
Notierungen für Reis aus Birma noch zwischen<br />
8 Schillinge und 12 Schillinge (8,10 <strong>bis</strong> 12,50<br />
Mark^'*') je Ballen geschwankt. Damit hatten<br />
sich <strong>die</strong> Preise seit 1875 um ein gutes Drittel reduziert.<br />
Die Fortschritte in der Schifffahrt dürften<br />
mit den einhergehenden Kostenreduzierungen<br />
der eine Grund gewesen sein, zum anderen aber<br />
sind <strong>die</strong> Quantitäten im Handel deutlich gestiegen<br />
und je mehr Reis zu einem Massengut wurde,<br />
desto günstiger war er zu erwerben.<br />
Der Export von Reis aus Birma nach Europa auf<br />
Dampfern hielt sich 1883 und 1885 auf einem<br />
ähnlichen Niveau. 1883 wurden 313.500 Tonnen<br />
Reis auf Dampfschiffen expe<strong>die</strong>rt, im Folgejahr<br />
323.100 Tonnen und 1885 320.600 Tonnen. Der<br />
Spitzenwert von über 360.000 Tonnen Reis, <strong>die</strong><br />
Europa 1881 aus Birma erreichten, wurde damit<br />
nicht erlangt, der Anteil der Verschiffung des<br />
Reises auf Dampfern hatte sich aber auf einem<br />
hohen Niveau eingespielt. Über das Jahr verteilt<br />
schwankten auch <strong>die</strong> Frachtraten, <strong>die</strong> für den<br />
Reisexport zu zahlen waren. Die höchsten<br />
Frachtraten lagen bei 45 Schillinge „open charter“<br />
auf Dampfern, <strong>die</strong> niedrigsten bei 30 Schillinge,<br />
während Ladung in loser Schüttung bei<br />
37 Schillinge, 6 Pence lag. Segelfrachtraten auf<br />
Schiffen mit Eisenrumpf betrugen durchschnittlich<br />
35 Schillinge „open charter“, erreichten <strong>bis</strong><br />
zu 40 Schillinge, fielen aber auch <strong>bis</strong> auf 31<br />
Schillinge, 3 Pence ab.^'*^ Auf Segelschiffen mit<br />
Holzrümpfen wurden etwa 30 Schillinge für den<br />
Transport nach Europa berechnet. Open charter<br />
bedeutet, dass bei Abschluss des Transportvertrages<br />
der Bestimmungshafen und zum Teil auch<br />
<strong>die</strong> Ladung - auf den Reisschiffen wurden teilweise<br />
auch andere Güter beigeladen - noch nicht<br />
feststanden. So konnte Ladungsraum fürTrans-<br />
146
porte nach Europa im Voraus gesichert werden,<br />
wenn der Verschiffer in Birma oder der Importeur<br />
in Europa meinten, gerade ein gutes Angebot<br />
zu haben. Wenn in den Monaten der Erntesaison<br />
sehr viel Reis auf den Markt kam, wurde Schiffsraum<br />
deutlich knapper und entsprechend stiegen<br />
<strong>die</strong> Preise. Andererseits waren Liegezeiten in<br />
den Häfen oder unnötige Transporte in Europa<br />
so vermeidbar. Wenn ein Reisschiff erst kurz vor<br />
Europa den endgültigen Bestimmungshafen erfuhr,<br />
konnte der verantwortliche Verschiffer, Importeur<br />
oder Makler den Reis außerdem kurzfristig<br />
in den europäischen Hafen umlenken, wo<br />
ihm der größte wirtschaftliche Gewinn gelang.<br />
Der folgende Absatz der Rückschau von Fraser<br />
& Co. befasst sich mit dem Handel von „cleaned<br />
rice“, also von in Europa poliertem und veredeltem<br />
Reis. Der Export aus den englischen Mühlen<br />
ging 1885 wiederholt zurück. Entscheidend für<br />
den deutschen <strong>Reishandel</strong> ist, dass der Abschwung<br />
des britischen <strong>Reishandel</strong>s von den<br />
englischen Reismaklern in den wachsenden<br />
Marktanteilen in Deutschland und besonders in<br />
Bremen gesehen wurde:<br />
“The decline in the Exports from the United<br />
Kingdom, particularly from London, mentioned<br />
in our last Review, has continued during<br />
1885, resulting in a reduction of 15,353<br />
tons as compared with 1884. It is, however,<br />
to be noticed that this loss of trade is not due<br />
to diminished consumption, as we find the<br />
export of cleaned Rice from Continental ports<br />
(notably Bremen) has increased even to a<br />
greater extent than the decrease from the United<br />
Kingdom.”<br />
Auch in England wurde bemerkt und anerkannt,<br />
dass <strong>die</strong> Bremer Reisindustrie ihre Marktanteile<br />
vergrößerte und sogar den Absatz mehr steigerte,<br />
als der der britischen Industrie sank. Gründe für<br />
<strong>die</strong>se Entwicklung sahen <strong>die</strong> Londoner Reismakler<br />
in zwei wichtigen Entwicklungen:<br />
“The chief cause of this diversion in the trade<br />
is due we believe, as stated in our last issue,<br />
to the increasing steam communication between<br />
Continental ports and the various large<br />
markets, in addition to the better style of<br />
cleaning adopted by the foreign millers as<br />
compared with our own.”<br />
Die technologischen Entwicklungen verbesserter<br />
Mahlsysteme in den Industriemühlen, <strong>die</strong> Modernisierung<br />
vorhandener Reismühlen in Bremen<br />
und deren Ausbau zu richtigen Fabriken durch<br />
<strong>die</strong> Familien Rickmers und Nielsen in Bremen<br />
hatten sich gelohnt. Die Qualität des in Norddeutschland<br />
verarbeiteten Reises übertraf <strong>die</strong> des<br />
einstigen Marktführers aus England. Noch 1875<br />
wurde <strong>die</strong> Marktführerschaft Liverpools im europäischen<br />
Reismarkt mit der Qualität der technischen<br />
Anlagen der Fabriken begründet. Die<br />
deutschen Reismüller hatten ihren Rückstand<br />
auf <strong>die</strong>sem Gebiet in einen Vorsprung umgewandelt.<br />
Darüber hinaus wurde den deutschen Müllern<br />
und Exporteuren attestiert, dass sie <strong>die</strong> immer<br />
besser werdende Kommunikationsinfrastruktur,<br />
eine der Vorbedingungen und zugleich<br />
auch ein Ergebnis einer wirtschaftlich globalisierten<br />
Welt, besser zu ihrem Vorteil nutzten.<br />
Schon beim Import des rohen Reises aus Birma<br />
waren <strong>die</strong> Kommunikationsfortschritte Ende des<br />
19. Jahrhunderts von entscheidender Bedeutung,<br />
weil bei Kontrakten, <strong>die</strong> als open charter abgeschlossen<br />
wurden, zum Teil noch der Bestimmungshafen<br />
der Ladung nach Gewinnaussichten<br />
festgelegt werden konnte, während <strong>die</strong> Ladung<br />
schon auf dem Weg nach Europa war. Daher waren<br />
komplexe Systeme geschaffen worden, um<br />
<strong>die</strong> Kommunikation zwischen Schiffen und dem<br />
Festland zu verbessern:<br />
“The use of intermediaries such as pilots, tug<br />
masters or boatmen for the ship/shore oral or<br />
paper transfer of messages has already been<br />
noted, but the development of international<br />
commercial visual signaling systems enabled<br />
vessel passing within visual sight of strategically<br />
placed coastal signal stations, to receive<br />
messages without interrupting their passages.<br />
It required international agreement on both<br />
the system and the codes, the equipping of<br />
both ships and signal stations and the training<br />
of manpower at both locations for such systems<br />
to work. Semaphore and morse enabled<br />
messages to be spelled out letter by letter in<br />
147
plain language or by use of a commercial<br />
code where standard short messages were represented<br />
by a letter group. The international<br />
code flags represented letters of the alphabet<br />
and numerals, and likewise relied on letter<br />
groups indicating short messages.<br />
Die Kommunikation zu den Absatzmärkten war<br />
ebenso von Belang und eine bessere Informationslage<br />
konnte ein wichtiger Geschäftsvorteil<br />
sein. 1906 brauchte <strong>die</strong> Post per Dampfer von<br />
London zu den Westindischen Inseln 15 <strong>bis</strong> 17<br />
Tage, nach New York acht Tage, an <strong>die</strong> Ostküste<br />
Südamerikas 14 <strong>bis</strong> 22 Tage und 30 <strong>bis</strong> 40 Tage<br />
an <strong>die</strong> Westküste deseiben Kontinents. Nachrichten<br />
mit Birma konnten innerhalb 21 Tagen<br />
zwischen London und Rangun ausgetauscht werden.^^<br />
Folgt man dem Bericht von Fraser & Co.,<br />
machten sich <strong>die</strong> Bremer Reishändler das entstehende<br />
Netz an Postdampferlinien und Telegraphenleitungen<br />
besser zu Nutze und waren gegenüber<br />
der englischen Industrie aus London<br />
und Liverpool im weltweiten Absatz des polierten<br />
Reises erfolgreicher. Offenbar wussten <strong>die</strong><br />
Bremer Reishändler <strong>die</strong> neuen Möglichkeiten<br />
eines zunehmend eng verflochtenen weltweiten<br />
Wirtschaftsraums, zumindest in Bezug auf den<br />
<strong>Reishandel</strong>, besser nutzbar zu machen.<br />
Aus <strong>die</strong>sen Entwicklungen, <strong>die</strong> Fraser & Co. erkannten<br />
und notierten, ergab sich 1885 eine entscheidende<br />
Veränderung auf dem europäischen<br />
Markt für polierten Reis. 1884 wurden aus Großbritannien<br />
insgesamt 171.578 Tonnen Reis exportiert,<br />
während Bremen weltweit nur 162.717<br />
Tonnen absetzte. 1885 wurden aus London und<br />
Liverpool zusammen nur noch 156.225 Tonnen<br />
exportiert, aus Bremen aber 195.620 Tonnen.<br />
Damit war der Reisexport aus Bremen erstmals<br />
höher als der englische Export. In Europa, das<br />
<strong>die</strong> Drehscheibe für den Export von poliertem<br />
und gemahlenem Reis außerhalb Asiens war,<br />
hatte <strong>die</strong> Reisindustrie Bremens <strong>die</strong> Englands<br />
überholt und war damit 1885 zum wichtigsten<br />
Platz für den weltweiten <strong>Reishandel</strong> geworden.<br />
Einschränkend muss daraufhingewiesen werden,<br />
dass in einer Tabelle am Ende des Jahresberichts<br />
von Fraser & Co. steht, dass den 195.620 Tonnen<br />
Reisexporte aus Bremen doch noch 285.397 Tonnen<br />
an Exporten aus Großbritannien gegenüberstanden.<br />
Welche Exportzahl für Großbritannien<br />
stimmt, kann nicht geklärt werden. Die Tendenz,<br />
dass London und Liverpool Marktanteile rasant<br />
verloren und Bremens Marktanteile noch schneller<br />
wuchsen, bleibt aber bestehen, weshalb an<br />
der Schlussfolgemng, dass Bremen zum wichtigsten<br />
<strong>Reishandel</strong>splatz Mitte der 1880er Jahre<br />
geworden war, festgehalten werden kann. Die<br />
Gründe dafür lagen in der Nähe der deutschen<br />
Reismühlen zum europäischen Konsummarkt,<br />
der größeren Nähe und besseren Anbindung der<br />
Mühlen zu den Abladeplätzen der Reisdampfer,<br />
den günstigeren Arbeitskosten auf dem Festland<br />
sowie den besseren technischen Anlagen in den<br />
deutschen Reismühlen.<br />
Der stetig steigende Anteil Bremens am weltweiten<br />
<strong>Reishandel</strong> war nur möglich, weil in<br />
Asien immer mehr Reis angebaut wurde (s. Tabelle<br />
III. 4.3, S. 149).<br />
Die Gesamtverschiffungen Birmas nach Europa<br />
waren 1884 und 1885 zwar leicht rückgängig,<br />
solche Schwankungen wurden aber durch <strong>die</strong><br />
Verschiffungen in den anderen indischen und<br />
asiatischen Anbaugebieten ausgeglichen. 1874<br />
hatten Spekulationen über eine Reisknappheit<br />
in Europa wegen einer Hungersnot in Bengalen<br />
zu Preissteigerungen geführt. Zwischen 1876<br />
und 1885 wurde von dort jährlich wieder Reis<br />
nach Europa verschifft, 1883 sogar fast 150.000<br />
Tonnen (s. Tabelle III. 4.4, S. 149).<br />
Reisexporte von Java-Reis, aus Siam und Saigon<br />
sowie aus Japan ergänzten jedes Jahr <strong>die</strong> Exporte<br />
aus Birma, machten aber immer nur einen kleinen<br />
Teil der nach Europa verschilften Reismengen<br />
aus. Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass<br />
<strong>die</strong> Exporte aus den Reishäfen In<strong>die</strong>ns und<br />
Asiens, <strong>die</strong> nicht aus Birma kamen, zwischen<br />
1880 und 1885 ähnliche Mengen erreichten (s.<br />
Tabelle III. 4.5, S. 149).<br />
1882 und 1883 waren <strong>die</strong> Ernten in Bengalen<br />
und Französisch-Indochina sehr gut, weshalb in<br />
<strong>die</strong>sen Jahren <strong>bis</strong> zu 100.000 Tonnen mehr als<br />
üblich von dort exportiert wurden. Diese<br />
Schwankungen betrafen den europäischen Markt<br />
148
Tabelle III. 4.3, Reisexport Birmas nach Europa 1876-1885<br />
Jahr 1876 18 77 1878 1879 1880<br />
Exportmenge 4 8 4 .0 0 0 4 9 2 .5 0 0 5 5 4 .2 0 0 5 9 4 .5 0 0 6 5 7 .8 0 0<br />
Jahr 1881 1882 1883 1884 1885<br />
Exportmenge 738.200 781.000 732.300 6 0 5 .7 0 0 6 7 5 .4 0 0<br />
Tabelle III. 4.4, Reisexport Bengalens nach Europa 1876-1885<br />
in Tonnen<br />
Jahr 1876 1877 1878 1879 1880<br />
Export von Reis aus<br />
Bengalen nach Europa<br />
3 1 .0 6 8 2 4 .7 1 8 1 3 .843 3 1 .9 5 0 4 9 .2 5 6<br />
Jahr 1881 1882 1883 1884 1885<br />
Export von Reis aus<br />
Bengalen nach Europa<br />
5 1 .3 4 8 79.032 148.434 4 6 .7 6 0 4 7 .6 0 0<br />
in Tonnen<br />
Tabelle III. 4.5, Reisexporte Birmas und anderer asiatischer Häfen 1880-1885<br />
Exporte ^<br />
Jahr<br />
^<br />
1885 1884 1883 1882 1881 1880<br />
Exporte Birmas 6 7 5 .4 0 0 6 0 5 .7 0 0 732.3 0 0 781.0 0 0 738.2 0 0 6 5 7 .8 0 0<br />
Exporte anderer<br />
Häfen<br />
1 2 2 .7 0 0 2 6 5 .6 9 5 190.5 3 5 125.2 9 3 1 0 4 .2 0 7 1 0 9 .3 5 7<br />
Gesamtexporte 798.100 871.395 922.835 906.293 842.407 767.157<br />
in Tonnen<br />
aber immer nur bedingt, da <strong>die</strong> Anbauüberschüsse<br />
außerhalb Birmas oft in andere asiatische Länder<br />
und nicht nach Europa versandt wurden.<br />
1886 sollte es laut den Londoner Reismaklern<br />
in Siam eine sehr schlechte Ernte geben, in Französisch-Indochina<br />
aber eine recht gute Ernte.<br />
Über den Reis aus Saigon hieß es daher bei Fraser<br />
& Co.:<br />
“From Saigon the prospects are much more<br />
favourable, but by reports to hand the crop<br />
will be a late one; the export to Europe is,<br />
however, not expected to be large, in consequence<br />
of the demands which China is likely<br />
to make to replace the supplies usually available<br />
from Siam.”<br />
Der Import an rohem Reis und <strong>die</strong> verarbeiteten<br />
Quantitäten sowie der Konsum in Bremen können<br />
auch in Fortführung an <strong>die</strong> Zahlen aus den<br />
Berichten der Bremer Reismakler von 1875 und<br />
1882 aus dem Jahresrückblick von Fraser & Co.<br />
149
Tabelle III. 4.6, Import von Rohreis sowie Verbrauch und Export von poliertem Reis in Bremen<br />
1881-1885<br />
lm -/Export<br />
1881 1882 1883 1884 1885<br />
Im portierter Rohreis 189.000 157.872 158.455 156.312 181.556<br />
Verbrauch und<br />
Export polierter Reis<br />
entnommen werden. Die Zahlen aus dem Londoner<br />
Bericht für das Jahr 1881 weichen um etwas<br />
mehr als 3.000 Tonnen von den Zahlen des<br />
Berichts von 1882 ab, auf Grund der gesamten<br />
Importmenge von 189.000 Tonnen kann das aber<br />
vernachlässigt werden.<br />
Bezüglich der Aussichten des weiteren <strong>Reishandel</strong>s<br />
waren für 1886 nach Angaben von Fraser<br />
& Co. in Europa einerseits keine Probleme in<br />
der Rohstoffversorgung der Mühlen zu erwarten,<br />
da es in Birma, Bengalen und Französisch-Indochina<br />
gute Ernten geben sollte. Andererseits<br />
aber war für Spekulanten im Handel mit Reis<br />
kein guter Gewinn zu erwarten, da es keine Hinweise<br />
auf Preissteigerungen gab. Höhere Preise<br />
im Absatz des veredelten Reises wären nur zu<br />
erwarten gewesen, wenn politische Konflikte<br />
oder starke Rückgänge der Getreideernten in<br />
Nordamerika oder Europa sowie in der europäischen<br />
Kartoffelernte zu befürchten wären. Da<br />
solche Ereignisse nicht erwartet wurden, prognostizierten<br />
<strong>die</strong> Londoner Reismakler 1886 eine<br />
gleichmäßige Entwicklung des weiteren <strong>Reishandel</strong>s<br />
ohne „any material or permanent advance<br />
in values“.<br />
134.000 173.672 154.720 162.717 195.620<br />
Tabelle III. 4.7, Reisexporte Birmas per Dampfschiff 1886-1889<br />
in Tonnen<br />
Jahresberichte über den <strong>Reishandel</strong> 1889<br />
und 1890 sowie <strong>die</strong> Statistik für <strong>die</strong> Jahre<br />
1891-1895<br />
Die Reihe der hier betrachteten Berichte über<br />
den internationalen <strong>Reishandel</strong> soll mit drei Artikeln<br />
aus dem Müllerei-Faehorgan „Die Mühle“<br />
fortgesetzt und beendet werden. Der Zeitraum<br />
von der langsamen Etablierung Bremens als<br />
Handelsplatz von Reis und der Entstehung eines<br />
entsprechenden Industriestandorts über den Aufstieg<br />
Bremens zum wichtigsten <strong>Reishandel</strong>splatz<br />
weltweit <strong>bis</strong> hin zu neuen Entwicklungen in<br />
Asien, welche <strong>die</strong> Bedeutung der europäischen<br />
Plätze fundamental veränderten, soll somit in<br />
Gänze erfasst werden.<br />
„Der <strong>Reishandel</strong> in 1889“ bietet neben der Beschreibung<br />
des genannten Geschäftsjahres auch<br />
wieder einige Zahlenreihen.^'*’ Die Einfuhr von<br />
Reis nach Europa erreichte nur knapp <strong>die</strong> Höhe<br />
des Vorjahres. Bedeutendster Lieferant war wiederum<br />
Birma, das seine Exportmenge sogar um<br />
70.000 Tonnen steigerte. Die verschifften Reismengen<br />
aus Bengalen, Siam und Saigon waren<br />
jedoch kleiner ausgefallen. Der größte Teil der<br />
Ernte Birmas wurde auf Dampfern verschifft.<br />
Jahr<br />
Export<br />
Reisexport Birmas<br />
per Dam pfer<br />
1889 1888 1887 1886<br />
4 7 3 .2 0 0 3 7 8 .3 9 0 3 4 2 .6 0 0 2 73.900<br />
In Tonnen<br />
150
Die Dampfer wurden dabei immer wirtschaftlicher,<br />
weil sie an Größe zulegten:<br />
„Die Größenverhältnisse der Ausfuhrdampfer<br />
haben sich gleichfalls verändert, denn während<br />
vor einigen Jahren <strong>die</strong> größten Dampfer<br />
3.0001 fassten, hat man jetzt Dampfer, welche<br />
5.000 t aufnehmen, ja <strong>die</strong> Verschiffung von<br />
2.0001 <strong>bis</strong> 2.500 t Reis bietet oft Schwierigkeiten,<br />
wenn man nicht höhere Frachten zahlen<br />
will.“<br />
Bei einer Gesamtausfuhr von mehr als 660.000<br />
Tonnen nach Europa wurden in den Häfen Birmas<br />
aber immerhin noch fast 200.000 Tonnen<br />
Reis auf Segelschiffen verladen.<br />
Eine bedeutende Veränderung in der Ausfuhr<br />
von Reis aus den asiatischen Anbauländem deutet<br />
der Bericht von 1889 an. Bisher war der <strong>Reishandel</strong><br />
zwischen Asien und Europa so konzipiert,<br />
dass in erster Linie roher Reis beziehungsweise<br />
Cargo-Reis nach Europa verschifft und dort geschält<br />
und poliert wurde. Mit den schnelleren<br />
Dampfertransporten und besseren Schiffen, auf<br />
denen <strong>die</strong> Gefahr des Verlustes der Ladung durch<br />
Wassereinbrüche und Schimmelbefall kleiner<br />
geworden war, wurde zunehmend fertig geschälter<br />
Reis verschifft. Damit blieb den Mühlen in<br />
Europa nur noch eine abschließende Politur, bevor<br />
der Reis verkauft oder in andere Länder exportiert<br />
wurde. Zum Teil waren <strong>die</strong> europäischen<br />
Mühlen auch gar nicht mehr an der Versorgung<br />
dritter Märkte beteiligt und <strong>die</strong> Handelsplätze<br />
in Europa erreichten vermehrt den Status von<br />
Warenbörsen. Die Mühlen in den asiatischen<br />
Häfen konnten vermehrt selber in Abnehmerländer<br />
exportieren, <strong>die</strong> zuvor über <strong>die</strong> europäischen<br />
Plätze versorgt wurden. „Die Ausfuhr von<br />
reinem Reis aus Birma ist beträchtlich gestiegen.<br />
es wurden im letzten Jahre etwa 221.000 t einschließlich<br />
Reismehl und Bruchreis nach Europa<br />
und Südamerika verfrachtet, und zwar gingen<br />
178.000 t nach Europa und 42.922 t nach Südamerika.“<br />
Trotzdem ging der Aufstieg Bremens<br />
als wichtiger Platz des internationalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
und der Reisverarbeitung auf Kosten der<br />
europäischen Konkurrenz weiter.<br />
„Indessen scheinen <strong>die</strong> europäischen Reismüller<br />
ungeachtet der vermehrten Einfuhr ihre Stellung<br />
behauptet zu haben, obwohl das Geschäft nicht<br />
überall lohnend war. Denn während einige Festlandshäfen,<br />
namentlich Hamburg und Bremen,<br />
eine vermehrte Geschäftsthätigkeit entfalteten,<br />
zeigt das Geschäft Antwerpens einen Rückgang.<br />
Auch <strong>die</strong> Londoner Reismüller haben an Stellung<br />
verloren, wenigstens was Birmareis anlangt,<br />
ist London kein Mittelpunkt der Reismüllerei<br />
mehr, sondern nur noch ein Abladeplatz, <strong>die</strong><br />
Hochburg des Akyabreises, welcher das ganze<br />
Jahr hindurch vermahlen wurde. Auch in Liverpool<br />
machte sich der Rückgang fühlbar, obwohl<br />
gleichzeitig <strong>die</strong> Gesamtausfuhr aus dem vereinigten<br />
Königreich sich günstiger stellte als im<br />
Vorjahre, wobei jedoch wiederum darauf hingewiesen<br />
werden muss, dass <strong>die</strong> Ausfuhr keinesfalls<br />
als Maßstab der wirklich verarbeiteten Reismenge<br />
gelten kann, da hierin ein großer Teil<br />
eingeführten reinen Reises, welcher wieder ausgeführt<br />
wird, oder unmittelbar in <strong>die</strong> Hände der<br />
Verbraucher übergeht, inbegriffen ist.“^“**<br />
Im Folgenden gibt der Bericht über den <strong>Reishandel</strong><br />
1889 einen kurzen Überblick über <strong>die</strong><br />
asiatischen Anbaugebiete. Erwähnenswert dabei<br />
ist, dass Japan <strong>die</strong> zuvor niemals erreichte Größenordnung<br />
von 163.800 Tonnen Reis nach<br />
Europa exportierte. Die Aussichten für 1890 wa-<br />
Tabelle III. 4.8, Reisexporte Birmas nach Europa 1886-1889<br />
Export<br />
Jahr<br />
1889 1888 18 8 7 1886<br />
Exporte Birm as 6 6 2 .6 0 0 5 8 9 .1 0 0 6 7 7 .1 0 0 6 3 5 .3 8 0<br />
in T o n n e n
en jedoch schlecht, es war kein weiterer Reis<br />
aus Japan in Europa zu erwarten. Interessant ist<br />
ein Absatz über persischen Reis. Von dort wurde<br />
<strong>die</strong> kleine Menge von 5.000 Tonnen nach London<br />
verschifft, <strong>die</strong> Qualität des Produktes war<br />
aber sehr schlecht, so „dass <strong>die</strong>selbe sich kaum<br />
der Bearbeitung verlohnte“. Wichtigster Lieferant<br />
für Europa war nach wie vor Birma und<br />
von dort in besonderem Maße der Export aus<br />
Rangun. In Fortsetzung der Tabellen aus den zuvor<br />
besprochenen Berichten wurden aus Birma<br />
jährlich nach Europa exportiert.<br />
Der „Jahresbericht über den <strong>Reishandel</strong> 1890“^''®<br />
ist in leicht verkürzter Form und ohne statistische<br />
Tabellen in der Aufmachung mit den vorgenannten<br />
Jahresberichten von 1875, 1885 und 1889<br />
vergleichbar.<br />
Einleitend heißt es, dass <strong>die</strong> Reisausfuhr der Anbauländer<br />
nach Europa und in <strong>die</strong> asiatischen<br />
Einfuhrländer um 80.000 Tonnen geringer war<br />
als erwartet. Grund dafür war, dass <strong>die</strong> Reisausfuhr<br />
Japans um 160.000 Tonnen zurückging. Damit<br />
bestätigten sich <strong>die</strong> Prognosen des Vorjahres.<br />
Obwohl sich Schwankungen einzelner Länder<br />
zumeist auf dem asiatischen Markt ausglichen,<br />
konnten <strong>die</strong> Ausfuhren aus Bengalen, Saigon<br />
und Siam <strong>die</strong>se Menge 1890 nicht ausgleichen.<br />
Dort wurden 57.000 Tonnen mehr exportiert und<br />
der Export Birmas stieg um 60.000 Tonnen an,<br />
in der Summe aller Exporte der Anbauländer<br />
kam es aber zu einem Rückgang im Vergleich<br />
zu 1889. Auf den europäischen Markt bezogen,<br />
wird in dem Artikel Verbrauch als Import der<br />
europäischen Länder ohne eigene Reisindustrie<br />
verwendet. Ohne explizite Nennung des Verarbeitungsstandorts<br />
heißt es;<br />
„Ein wesentlicher Faktor im Verbrauch des Reis,<br />
welcher sich 1889 sehr zur Geltung zu bringen<br />
verstand, nämlich <strong>die</strong> italienische Nachfrage,<br />
fehlte 1890 gänzlich. Infolge von Zollerhöhungen,<br />
welche eine Einfuhr von Reis sehr erschwerten,<br />
wurden <strong>die</strong> Zufuhren aus anderen Ländern<br />
fast gänzlich ferngehalten und anstatt der<br />
190.000 Tonnen, welche 1889 nach Frankreich,<br />
Italien und den südeuropäischen Häfen gingen,<br />
fanden nur 139.229 Tonnen den Weg dahin.<br />
Wahrscheinlich würden auch <strong>die</strong> Preisnotirungen<br />
des Reis sehr verschieden gewesen sein, wenn<br />
während des ganzen Jahres <strong>die</strong> Ausfuhr nach<br />
Italien möglich gewesen wäre.“<br />
Die fehlende Nachfrage Italiens wurde bereits<br />
im Zusammenhang mit dem Geschäft der DDG<br />
„Hansa“ angesprochen und hatte somit nicht nur<br />
eine Auswirkung auf <strong>die</strong> Reis verarbeitenden Industriemühlen,<br />
sondern es zeigt sich wiederum,<br />
dass der globale <strong>Reishandel</strong> in ein komplexes,<br />
eng verflochtenes Wirtschaftsnetz eingebunden<br />
war. Ein weiteres besonderes Ereignis 1890 war<br />
<strong>die</strong> fast vollständige Zerstörung der Ernte an<br />
Moulmein-Reis durch schwere Monsunregenfälle.<br />
Die zuvor dorthin expe<strong>die</strong>rten Schiffe wurden<br />
zumeist aus ihren Verträgen entlassen und<br />
in andere Reishäfen umgeleitet. Dampfschiffe<br />
erledigten zwei Drittel der Gesamtausfuhren, abweichend<br />
zum Bericht aus dem Vorjahr wurden<br />
demnach 1889 466.480 Tonnen Reis auf Dampfern<br />
verschifft und 1890 waren es 566.800 Tonnen.<br />
Wiederum heißt es, dass <strong>die</strong> meisten Dampfschiffe<br />
eine Ladefähigkeit über 3.000 Tonnen<br />
besaßen.<br />
Der letzte Bericht, auf den in <strong>die</strong>sem Abschnitt<br />
eingegangen wird, bezieht sich ursprünglich nur<br />
auf <strong>die</strong> Reisindustrie Hamburgs. Allerdings gibt<br />
„Die Reisindustrie Hamburgs 1895“^^° nicht nur<br />
einen Rückblick für <strong>die</strong> Hamburg-Geschäfte im<br />
benannten Jahr, sondern berichtet auch über eine<br />
Entwicklung, <strong>die</strong> für den gesamten deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> seit den 1890er Jahren von Interesse<br />
war. Genaue Zahlen, wie viel bereits in Birma<br />
geschälter Reis nach Europa exportiert wurde,<br />
ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Deutlich erkennbar<br />
ist aber das Bewusstsein, dass für <strong>die</strong><br />
Verschiffer und <strong>die</strong> Reismüller in den asiatischen<br />
Exporthäfen und in den europäischen Importhäfen<br />
<strong>die</strong> Frage immer bedeutsamer wurde, ob bereits<br />
fertig geschälter Reis oder Rohreis nach<br />
Europa versandt wurde. Denn „ferner dürften<br />
auch <strong>die</strong> Birma-Reis-Verschiffer zu der Ueberzeugung<br />
gelangt sein, dass es auf <strong>die</strong> Dauer unhaltbar<br />
ist, einerseits in Rangun geschälten Reis<br />
nach Europa zu schicken und andererseits in<br />
Rohware ein genügendes Absatzgebiet zu fm-
den“. Mit <strong>die</strong>sem Satz war eine der wichtigsten<br />
Konfliktlinien des globalen <strong>Reishandel</strong>s zwischen<br />
Asien und Europa, aber auch innerhalb<br />
Europas im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts<br />
und auch im frühen 20. Jahrhundert erkaimt<br />
und aufgezeigt.<br />
Zusammenfassende Bewertung der<br />
Statistiken über den internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> zwischen 1870 und 1895<br />
Eine Zusammenfassung und chronologische Reihung<br />
der verschiedenen Statistiken aus den Berichten<br />
über den weltweiten <strong>Reishandel</strong> aus London,<br />
Bremen und Hamburg ist nicht möglich.<br />
Dafür sind <strong>die</strong> angebotenen Tabellen zu unterschiedlich<br />
in den Fragestellungen, <strong>die</strong> dem Zahlenmaterial<br />
zu Grunde liegen. Zum Teil wird<br />
nicht explizit klargestellt, ob es bei asiatischen<br />
Reisexporten etwa um <strong>die</strong> Exporte in Richtung<br />
Europa ging oder um <strong>die</strong> Gesamtheit der Exporte.<br />
Des Weiteren fehlt es oft an genauen Mengenangaben;<br />
beispielsweise bleibt fast immer<br />
ungeklärt, ob es sich bei Gewichtsangaben um<br />
metrische oder englische Tonnen handelt. Gehäufte<br />
Ungenauigkeiten <strong>die</strong>ser Art bieten keine<br />
Grundlage berichtsübergreifender valider wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisgewinne an exaktem<br />
Zahlenmaterial. Dennoch können aus der Fülle<br />
an Zahlen einzelne längere Zeitreihen aufgestellt<br />
und darüber hinaus weitere wichtige und unzweifelhafte<br />
Erkenntnisse gewonnen werden.<br />
Die Gründe des Reisanbaus in Asien wandelten<br />
sich im Laufe des 18. Jahrhunderts. Wo zuvor<br />
nur Subsistenzwirtschaft betrieben wurde, stand<br />
zunehmend <strong>die</strong> Produktion von Reis zur Versorgung<br />
fremder Regionen und Kontinente auf der<br />
Agenda. Dabei rückte Europa immer stärker in<br />
den Fokus, wie <strong>die</strong> nachfolgenden Tabellen über<br />
<strong>die</strong> gesamten Exporte von Reis aus asiatischen<br />
Häfen zwischen 1868 und 1874^^' sowie <strong>die</strong> Exporte<br />
aller asiatischen Reishäfen nach Europa<br />
von 1868 <strong>bis</strong> 188L^^ zeigen.<br />
Tabelle III. 4.9, Reisexporte aller asiatischen Häfen 1868-1874<br />
Jahr 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874<br />
Reisexporte aller<br />
asiatischen Häfen<br />
6 0 1 .7 7 2 5 9 2 .8 5 9 6 4 8 .0 9 3 8 4 1 .4 2 0 9 2 7 .3 5 1 8 8 6 .7 4 8 1 .1 3 5 .5 3 9<br />
in Tonnen<br />
Tabelle III. 4.10, Reisexporte aller asiatischen Häfen nach Europa 1868-1881<br />
Jahr 1868 1869 1870 1871 1872 1873<br />
Reisexporte aller asiatischen<br />
Häfen nach Europa<br />
4 6 0 .0 2 0 3 8 5 .5 6 1 3 5 9 .5 5 9 4 4 9 .7 9 7 5 6 6 .7 3 1 5 6 7 .3 7 0<br />
Jahr 1874 1877 1878 1879 1880 1881<br />
Reisexporte aller asiatischen<br />
Häfen nach Europa<br />
5 5 8 .3 8 7 5 5 0 .6 6 7 6 0 8 .6 9 6 7 6 7 .1 9 0 7 9 5 .2 0 9 8 5 4 .1 5 9<br />
in Tonnen<br />
153
Tabelle III. 4.11, Gesamte Reisexporte Birmas nach Europa 1868-1874<br />
Jahr 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874<br />
Gesamte<br />
Reisexporte Birmas<br />
3 2 8 .1 7 7 3 2 8 .1 7 7 3 6 0 .3 4 5 4 6 5 .1 0 2 6 4 3 .5 2 4 6 0 4 .4 8 8 789.818<br />
in Tonnen<br />
Tabelle III. 4.12, Gesamte Reisexporte Birmas nach Europa 1877-1890<br />
Jahr 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883<br />
Gesamtexporte von<br />
Birma nach Europa<br />
4 9 2 .5 6 5 5 5 2 .8 9 8 5 9 8 .5 1 4 6 6 9 .9 4 4 7 4 1 .3 9 2 7 8 1 .0 0 0 732.300<br />
Jahr 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890<br />
Gesamtexporte von<br />
Birma nach Europa<br />
6 0 5 .7 0 0 6 7 7 .8 2 0 6 3 5 .3 8 0 6 7 7 .1 0 0 5 8 9 .1 0 0 6 6 2 .6 0 0 662.6 6 0<br />
in Tonnen<br />
Tabelle III. 4.13, Vergleichende Darstellung der Reisimporte in Bremen, Hamburg, London<br />
und Liverpool 1877-1895<br />
Jahr<br />
Reisimporte<br />
Bremen<br />
Reisimporte<br />
Hamburg<br />
Gesamt<br />
Reisimporte<br />
London<br />
Reisimporte<br />
Liverpool<br />
Gesamt<br />
1877 6 7 .8 8 0 4 0 .3 6 7 108.247 1 3 5 .3 3 7 2 0 0 .5 9 4 335.931<br />
1878 8 6 .0 8 9 4 2 .1 3 5 128.224 1 2 8 .8 1 7 1 8 0 .9 0 1 309.718<br />
1879 9 2 .1 5 4 3 7 .5 6 1 129.715 1 5 2 .8 0 4 1 8 7 .5 6 8 340.372<br />
1880 1 5 0 .3 3 6 5 4 .7 5 6 205.092 1 9 3 .7 8 3 1 8 8 .6 3 1 382.414<br />
1881 1 7 8 .7 3 3 4 5 .5 0 0 224.233 1 8 3 .3 6 0 2 3 5 .1 6 4 418.524<br />
1891 2 7 0 .0 0 0 1 0 4 .0 9 9 374.099 265.477<br />
1892 2 5 8 .3 5 0 1 4 5 .0 0 0 403.350 270.659<br />
1893 2 2 5 .6 0 0 1 4 9 .0 0 0 374.600 215.767<br />
1894 2 0 1 .8 5 7 9 7 .5 7 8 299.435 196.153<br />
1895 2 1 2 .8 4 0 1 3 6 .0 0 0 348.840 198.800<br />
in Tonnen<br />
t - • - . L c<br />
154<br />
" "-Tr\ '
Für den europäischen Markt und <strong>die</strong> dort entstandene<br />
Reisindustrie war innerhalb Asiens Birma<br />
das wichtigste Anbaugebiet. In einem Zeitraum<br />
von nur sieben Jahren ab 1868 wurde dort<br />
der gesamte Export mehr als verdoppelt” ^ und<br />
1890 wurde mehr als <strong>die</strong> doppelte Menge des<br />
1868 insgesamt exportierten Reises nach Europa<br />
verschifft (s. Tabelle III. 4.11 und Tabelle III.<br />
4.12, S. 154” '*).<br />
Obwohl <strong>die</strong> Exportzahlen von Reis aus Birma<br />
und anderen asiatischen Reishäfen nicht mit dem<br />
europäischen Import gleichgesetzt werden können<br />
- ein im November oder Dezember auslaufendes<br />
Segelschiff erreichte Europa erst im<br />
nächsten Kalenderjahr-, verlief <strong>die</strong> Entwicklung<br />
der Importmengen Europas natürlich parallel zu<br />
den Steigerungen der Exporte der Anbauländer.<br />
Von besonderem Interesse sind <strong>die</strong> Mengen des<br />
importierten Reises in Bremen und in London<br />
sowie Liverpool, weil sich seit der Mitte der<br />
1880er Jahre eine Verschiebung des europäischen<br />
Zentrums für den <strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> Reisverarbeitung<br />
von England nach Deutschland und<br />
insbesondere Bremen abzeichnete, <strong>die</strong> im letzten<br />
Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts abgeschlossen<br />
war. Für <strong>die</strong> Jahre 1877 <strong>bis</strong> 1881 sowie 1891 <strong>bis</strong><br />
1895 zeigt sich folgendes Bild der Marktpositionen<br />
in England und in Deutschland (s. Tabelle<br />
III. 4.13, S. 1545” ).<br />
Ähnlich gestaltete sich <strong>die</strong> Ausfuhr. Von der Position<br />
der Marktführung der englischen Industrie,<br />
<strong>die</strong> 1872 noch mehr als doppelt so viel Reis ausführte<br />
wie <strong>die</strong> Bremens, blieb kurz vor dem Ende<br />
des 19. Jahrhunderts nichts mehr. Die weltgrößte<br />
Reisindustrie arbeitete an der Weser und der Elbe.<br />
Tabelle III. 4.14, Vergleichende Darstellung der Reisexporte von Bremen, Hamburg und aus<br />
England 1872-1895<br />
Jahr<br />
Reisexporte<br />
Bremen<br />
Reisexporte<br />
Hamburg<br />
Reisexporte aus<br />
Bremen und Hamburg<br />
Reisexporte<br />
Engiand<br />
1872 53.566 151.698<br />
1873 70.476 156.521<br />
1874 65.021 204.562<br />
1875 59.906 167.924<br />
1876 63.373 170.538<br />
1877 60.155 144.357<br />
1878 62.046 193.543<br />
1879 79.917 169.188<br />
1880 105.072 176.435<br />
1881 , 117.317 174.786<br />
1891 253.500 109.334 362.834 286.809<br />
1892 240.650 118.530 359.180 272.938<br />
1893 215.600 135000 350.600 211.745<br />
1894 206.857 112.578 319.165 215.220<br />
1895 220.440 147.100 367.540 207.818<br />
in Tonnen<br />
155
&>■<br />
Die verschifften Mengen an Reis wurden zwischen<br />
1870 und 1895 in immer größeren Teilen<br />
auf Dampfschiffen transportiert. Segelschiffe<br />
waren weiterhin im Geschäft aktiv, kosteten <strong>die</strong><br />
Transporteure weniger Geld, brauchten für <strong>die</strong><br />
Reisen zwischen Europa und Asien aber auch<br />
länger. Ende des 19. Jahrhunderts machten nicht<br />
mehr <strong>die</strong> Segelschifftransporte, sondern <strong>die</strong><br />
Dampfertransporte <strong>die</strong> übliche und in der Zahl<br />
überwiegende Art der Reisverschiffung aus.<br />
Während <strong>die</strong> Schiffe immer größer wurden, sanken<br />
<strong>die</strong> Frachtraten immer weiter und <strong>die</strong>s galt<br />
für <strong>die</strong> Reispreise ebenso. Das Geschäft wurde<br />
nicht mehr über besonders hohe Preise, sondern<br />
über <strong>die</strong> Masse gemacht. 1875 notierten <strong>die</strong> Preise<br />
für rohen Reis in London noch <strong>bis</strong> zu 12<br />
Schillinge (12,12 Mark) je Ballen, 1885 lagen<br />
<strong>die</strong> Preise in einem Bereich um <strong>die</strong> 7 Schillinge<br />
(7,07 Mark), 1895 lagen <strong>die</strong> Preise für Reis in<br />
London teilweise nur noch bei knapp über 5<br />
Schillinge (5,05 Mark). Bremen und Hamburg<br />
hatten London und Liverpool in den Umschlagszahlen<br />
weit abgehängt. Nach etwa 40 Jahren des<br />
rasanten Wachstums eines globalen Marktes zwischen<br />
Birma, England und Deutschland kündigten<br />
sich einschneidende Veränderungen im internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> an, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> nächsten<br />
20 Jahre <strong>bis</strong> zum Beginn des Ersten Weltkriegs<br />
viele neue Entwicklungen bringen sollten.<br />
5. Absatzgebiete<br />
Die Ausfuhr von Reis aus den Häfen Birmas<br />
verdreifachte sich in nur etwa 30 Jahren. Für <strong>die</strong><br />
Jahre 1859, 1879 und 1890 kamen dabei nach<br />
Oppel folgende Ausfuhrzahlen zusammen.^^’<br />
Der Absatz ging in erster Linie nach Europa und<br />
nur ein kleinerer Teil des Reises aus Birma verblieb<br />
in Asien. Nur wenn es in einem Land, das<br />
für den asiatischen Verbrauch Exportreis anbaute,<br />
zu Ernteausfällen kam oder Hungersnöte in In<strong>die</strong>n<br />
oder Asien drohten, verblieben größere<br />
Mengen Reis aus Birma in Asien. Europa war<br />
<strong>die</strong> wichtigste Destination der Reisverschiffer<br />
Birmas. Die Zentren der europäischen Reisverarbeitung<br />
waren unbestritten London und Liverpool<br />
in England sowie Bremen und Hamburg in<br />
Deutschland. Der europäische Konsum und der<br />
Bedarf der Stärkeindustrie fragten jedoch bei<br />
weitem nicht <strong>die</strong> Mengen an Reis nach, <strong>die</strong> in<br />
Europa abgeladen wurden. Die beiden großen<br />
europäischen Zentren der Reisverarbeitung versorgten<br />
den größten Teil der nicht-asiatischen<br />
Welt mit Reis.<br />
Reisexporte der europäischen Reisindustrien<br />
Die deutschen <strong>Reishandel</strong>splätze hatten Mitte<br />
der 1880er Jahre den vormaligen Marktführem<br />
Tabelle III. 5.1, Reisausfuhr der vier Reishäfen Birmas 1859-1890<br />
V e rsch iffu n g a u ?^<br />
Jahr<br />
1859 1879 1890<br />
Akyab 131.092 73.700 170.000<br />
Rangun 112.561 340.000 788.000<br />
Bassein 43.867 130.000 130.000<br />
Moulmein 17.057 50.200 50.000<br />
Summe 304.586 593.900 1.138.000<br />
in Tonnen
Tabelle III. 5.2, Export von poliertem Reis aus London und Liverpool 1881-1885<br />
Verschiffung a u s "<br />
Jahr<br />
1881 1882 1883 1884 1885<br />
London 80.261 83.164 72.968 74.641 50.793<br />
Liverpool 94.524 127.233 116.693 96.937 105.432<br />
Summe 174.785 210.397 189.661 171.578 156.225<br />
in Tonnen<br />
aus Großbritannien den Rang abgelaufen. Und<br />
trotz zunehmender Konkurrenz durch eigene<br />
Reisverarbeitungsindustrien in den europäischen<br />
Nachbarländern stieg <strong>die</strong> globale Bedeutung des<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong>s, zumindest im Vergleich<br />
zu den europäischen Konkurrenten, weiter an.<br />
Um 1910 ging mehr als ein Viertel der gesamten<br />
europäischen Reiseinfuhr nach Deutschland. Das<br />
meiste davon wurde nach der Bearbeitung jedoch<br />
wieder exportiert, viel in andere europäische<br />
Länder, aber auch nach Übersee.<br />
Die Exporte von weißem, poliertem Reis aus<br />
England sanken nach 1872 deutlich ab (s. Tabelle<br />
111. 5.2 oben).<br />
ln England polierter Reis wurde in kleineren<br />
Mengen von wenigen Tausend Tonnen nach<br />
Kontinentaleuropa exportiert. In den Mittelmeerraum<br />
wurden zwischen 1881 und 1885 jährlich<br />
10.000 <strong>bis</strong> hin zu etwa 23.000 Tonnen (1882)<br />
Reis exportiert. Der zweitgrößte Absatzmarkt<br />
im europäischen Einzugsgebiet war das Osmanische<br />
Reich, <strong>die</strong> Türkei, wohin 1884 fast 14.000<br />
Tonnen Reis versandt wurden. Der größte Markt<br />
für den englischen Absatz insgesamt aber waren<br />
<strong>die</strong> Westindischen Inseln. Dorthin verschifften<br />
englische Exporteure zwischen 59.000 Tonnen<br />
(1881) und fast 80.000 Tonnen (1883) an weißem<br />
Reis.^^® Die Nachfrage dort entstand, weil<br />
einfach verarbeiteter Reis ein sehr günstiges<br />
Nahrungsmittel war und den Besitzern der kari<strong>bis</strong>chen<br />
Plantagenwirtschaft somit einen billigen<br />
Nahrungsmittelbezug für ihre Sklaven sicherte,<br />
soweit <strong>die</strong>se ihr Essen nicht selbst anbauten. Zugleich<br />
zielten <strong>die</strong> Ansprüche der Abnehmer dort<br />
nur auf <strong>die</strong> Billigkeit der Ware und nicht auf<br />
eine besonders hochwertige Verarbeitung des<br />
Produkts, worin <strong>die</strong> englischen den deutschen<br />
Reismüllem nachstanden. Die Anteile am Weltmarkt,<br />
<strong>die</strong> von den englischen Reismüllem verloren<br />
wurden, haben zumeist <strong>die</strong> deutschen und<br />
besonders <strong>die</strong> bremischen Reismüller gewonnen<br />
(s. Tabelle III. 5.3, S. 158).<br />
Im Jahrzehnt von 1872 <strong>bis</strong> 1881 stiegen <strong>die</strong> Reisexporte<br />
Bremens um mehr als das Doppelte. Betrachtet<br />
man <strong>die</strong> einzelnen Destinationen, fällt<br />
der spezielle Standortvorteil Bremens gegenüber<br />
Liverpool und London ins Auge. Der große deutsche<br />
Absatzmarkt ist für <strong>die</strong> englische Reisindustrie<br />
nicht zu erreichen. Führend in der innerdeutschen<br />
Nachfrage sind <strong>die</strong> großen Länder<br />
Preußen, Sachsen und Bayern. Im Laufe der Jahre<br />
wurde auch zunehmend nach Lippe exportiert,<br />
was an der Stärkefabrik in Salzuflen liegen dürfte.<br />
Allein <strong>die</strong> Exporte nach Preußen waren mit<br />
51.824 Tonnen 1881 fast so groß wie der Absatz<br />
der britischen Industrie in <strong>die</strong> Karibik. Außerhalb<br />
Deutschlands ging <strong>die</strong> größte Exportmenge aus<br />
den Bremer Reismühlen nach Österreich. Von<br />
11.000 Tonnen 1872 über 22.000 beziehungsweise<br />
23.000 Tonnen 1873/74 pendelte sich <strong>die</strong><br />
Ausfuhr dorthin in den Folgejahren bei etwa<br />
16.000 Tonnen jährlich ein. Es folgten schon<br />
deutlich abgeschlagen <strong>die</strong> Exportmengen nach<br />
Südamerika, Schweden und Russland, <strong>die</strong> 3.000-<br />
5.000 Tonnen pro Jahr betragen. Die Ausfuhr<br />
nach Westin<strong>die</strong>n, in <strong>die</strong> Karibik, sank im betrachteten<br />
Jahrzehnt von fast 5.000 auf nur noch<br />
2.300 Tonnen. Auf <strong>die</strong>sem großen Absatzgebiet<br />
157
' ^ М<br />
Tabelle III. 5.3, Reisexporte Bremens nach Preußen und in ausgewählte Länder<br />
1872-1887<br />
Land<br />
Jahr<br />
1872 1875 1878 1881 1885 1887<br />
-Д<br />
Ш'<br />
Preußen 1 8 .0 0 0 1 9 .6 0 0 1 9 .1 0 0 5 1 .0 0 0 4 8 .7 0 0 4 3 .4 0 0<br />
Österreich 1 0 .9 0 0 1 3 .4 0 0 1 6 .2 0 0 1 6 .8 0 0 6 .4 0 0 9.9 0 0<br />
Skandinavien 1 .4 0 0 1 .7 0 0 2 .7 0 0 5 .4 0 0<br />
Südamerika 2 .1 0 0 6 0 0 2 .5 0 0 5 .9 0 0 4 .8 0 0 3.9 0 0<br />
'.■ ib ísiá<br />
I<br />
Westin<strong>die</strong>n 4 .8 0 0 3 .4 0 0 2 .0 0 0 2 .4 0 0 4 .5 0 0 4.6 0 0<br />
Reisexport<br />
Bremen<br />
5 9 .6 0 0 6 9 .2 0 0 7 2 .2 0 0 1 3 7 .5 0 0 1 6 2 .5 0 0 1 5 9 .6 0 0<br />
konnte <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie offensichtlich<br />
nicht mit der Englands konkurrieren. Mit den<br />
größer werdenden Quantitäten von Reis, <strong>die</strong> in<br />
Bremen verarbeitet wurden, wuchsen auch <strong>die</strong><br />
Mengen der Abfall- und Nebenprodukte. 1880<br />
und 1881 wurden immerhin je über 20.000 Tonnen<br />
Reismehl aus Bremen verschickt.^®<br />
1885 wurden aus Bremen 162.565 Tonnen Reis<br />
exportiert. Im Folgejahr war es mit 146.412 Tonnen<br />
Reis eine kleinere Menge, während 1887<br />
159.604 Tonnen Reis versandt wurden. Außerhalb<br />
Deutschlands ging der größte Absatz in<br />
Europa nach Skandinavien mit etwa 13.000 Tonnen<br />
Reis 1885 und je knapp 10.000 Tonnen in<br />
den beiden Folgejahren. Es folgten Spanien und<br />
Portugal. Die Länder der Iberischen Halbinsel<br />
importierten 1885 <strong>bis</strong> 1887 zusammen über<br />
18.000 Tonnen, 15.000 Tonnen und im dritten<br />
Jahr knapp 18.000 Tonnen. Die Exporte nach<br />
Österreich steigerten sich von 6.400 Tonnen über<br />
9.800 Tonnen auf 10.900 Tonnen 1887. Nach<br />
England wurde mit 2.700 Tonnen erstmals 1887<br />
eine nennenswerte Menge Reis exportiert. Außerhalb<br />
Europas war Amerika das größte Absatzgebiet<br />
für polierten Reis aus den Bremer<br />
Mühlen. Die Vereinigten Staaten bezogen je Jahr<br />
zwischen 12.100 und 15.500 Tonnen. In Südin<br />
Tonnen<br />
amerika waren Argentinien und Uruguay <strong>die</strong><br />
größten Abnehmer mit Mengen zwischen 3.800<br />
und 5.000 Tonnen. Nach Westin<strong>die</strong>n wurden nur<br />
2.900 <strong>bis</strong> 4.900 Tonnen Reis exportiert.^®*<br />
1888 betrugen <strong>die</strong> Exporte Bremens 190.746<br />
Tonnen. Von <strong>die</strong>ser Menge ging mit 64.313 Tonnen<br />
der größte Teil in das deutsche Zollgebiet.<br />
Der Export nach Skandinavien war mit 11.400<br />
Tonnen weiterhin hoch. Ebenso wichtig blieb<br />
der Absatz in Südeuropa mit 10.200 Tonnen in<br />
Portugal und 6.200 Tonnen in Spanien. Nach<br />
Österreich wurden 6.200 Tonnen Reis abgesetzt.<br />
In Amerika waren <strong>die</strong> Vereinigten Staaten der<br />
größte Kunde für den Bremer Reis. 23.300 Tonnen<br />
wurden dorthin verschifft. Die Importe Südamerikas<br />
summierten sich wiederum zu einem<br />
guten Geschäft für <strong>die</strong> Bremer Industrie. 5.700<br />
Tonnen Reis gingen nach Argentinien und Uruguay<br />
sowie 3.700 Tonnen nach Brasilien. Der<br />
Export in <strong>die</strong> Karibik stieg wieder auf fast 4.200<br />
Tonnen, war im Vergleich zu den Exportmengen<br />
aus London und Liverpool dorthin aber verschwindend<br />
klein.<br />
Mitte des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts<br />
hatte sich <strong>die</strong> Lage der deutschen Reisindustrie<br />
im Exportgeschäft nicht nennenswert verändert.<br />
Reis- und Reisabfallprodukte wurden 1894 in
einer Menge von 175.000 Tonnen, 1895 von<br />
179.000 Tonnen und 1896 von 170.000 Tonnen<br />
exportiert. In Europa waren Österreich mit Mengen<br />
zwischen 12.000 und 14.500 Tonnen sowie<br />
Spanien und Portugal mit gemeinsam 9.500 <strong>bis</strong><br />
15.800 Tonnen <strong>die</strong> bedeutendsten Abnehmer des<br />
bremischen Produkts. Die Vereinigten Staaten<br />
von Amerika importierten in den drei Jahren immer<br />
über 30.000 Tonnen, 1895 sogar 39.000<br />
Tonnen. Nach Mittel- und Südamerika wurden<br />
6.000,7.000 und 1896 sogar 10.000 Tonnen Reis<br />
verschifft. Beachtenswert ist der Export von<br />
13.600 Tonnen Reis 1894 nach Westin<strong>die</strong>n. In<br />
den Folgejahren sank der Export dorthin wieder<br />
auf 5.000 Tonnen, was etwa den Werten der Vorjahre<br />
entsprach.^“<br />
Wechselt man den Fokus und nimmt statt Bremen<br />
den Reismarkt ganz Deutschlands in den<br />
Blick, ändern sich <strong>die</strong> Ergebnisse nicht sehr<br />
stark. Einzelne Regionen und Länder waren<br />
wichtige Abnehmer des in Hamburg und Bremen<br />
veredelten Reises. In bestimmten Regionen gelang<br />
es der deutschen Industrie kaum, Fuß zu<br />
fassen und manche Absatzgebiete gingen sogar<br />
verloren. Im Jahr 1900 war der europäische Absatz<br />
- in <strong>die</strong>ser nicht-bremischen Perspektive<br />
und nach dem Zollanschluss von 1888 ist der<br />
Reisabsatz in allen zum Deutschen Reich gehörenden<br />
Gebieten kein Export mehr, sondern Konsum<br />
und taucht daher statistisch nicht mehr auf<br />
- mit 52.500 Tonnen ebenso groß wie der auf<br />
den beiden amerikanischen Kontinenten mit<br />
52.400 Tonnen. In Europa war Russland ein neuer<br />
bedeutender Abnehmer mit 15.500 Tonnen.<br />
Portugal war immer noch ein wichtiges Exportziel<br />
bei dorthin versandten Mengen von 14.100<br />
Tonnen. Großbritannien, der noch zwanzig Jahre<br />
zuvor unangefochtene Marktführer im europäischen<br />
Reisexport, bezog 11.400 Tonnen Reis<br />
aus Deutschland. Weitere Reisabnehmer in<br />
Europa waren Ungarn mit 5.100 Tonnen und<br />
Dänemark mit 3.500 Tonnen. Nach Österreich,<br />
in den Vorjahren ein größerer Markt für den<br />
deutschen Reis, wurde kein Reis mehr versandt.<br />
Dort suchte sich <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie einen<br />
neuen Weg, um Marktanteile zu halten.^“ Die<br />
Vereinigten Staaten von Amerika importierten<br />
1900 nur noch 5.600 Tonnen Reis von der Weser<br />
und der Elbe. In Südamerika war Brasilien zum<br />
größten Abnehmer geworden, wohin 11.600 Ton-<br />
Tabelle III. 5.4, Reisexporte deutscher Reismüller auf <strong>die</strong> wichtigsten Absatzmärkte nach 1900<br />
Land<br />
Jahr<br />
1905 1910 1913<br />
Russland 6.500 10.100 16.100<br />
Portugal 13.900 9.100 10.600<br />
England 8.900 11.300 9.800<br />
Nordamerika 10.200<br />
Südamerika 19.500 35.000 28.600<br />
W estin<strong>die</strong>n 11.900 50.900 56.500<br />
Gesam texporte aus<br />
Deutschland<br />
101.000 169.600 184.300<br />
in Tonnen<br />
159
nen Reis geschickt wurden. Es folgten dort Argentinien<br />
mit 5.800 Tonnen, Kolumbien mit<br />
3.900 Tonnen und Venezuela mit 3.800 Tonnen<br />
Reis. Bei der Versorgung der Karibik mit Reis<br />
hatte <strong>die</strong> deutsche Industrie der englischen nennenswerte<br />
Marktanteile abgenommen. Zu den<br />
Westindischen Inseln wurden 21.700 Tonnen<br />
Reis exportiert.<br />
Die Tendenzen, <strong>die</strong> sich 1900 im Auslandsgeschäft<br />
der deutschen Reismüller abzeichneten,<br />
erfuhren <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg keine besonders<br />
große Änderung. Während <strong>die</strong> Gesamtausfuhr<br />
in alle Länder der Welt 1900 bei 129.000<br />
Tonnen lag, waren es 1905 nur 101.000 Tonnen,<br />
1910 nach <strong>die</strong>sem kurzen Einbruch aber schon<br />
169.600 Tonnen und 1913 184.300 Tonnen. Der<br />
Rückgang des Exports 1905 machte sich besonders<br />
im europäischen Geschäft bemerkbar. Dorthin<br />
wurden in jenem Jahr nur 34.500 Tonnen<br />
exportiert. Nach Russland war <strong>die</strong> Ausfuhr mit<br />
6.500 Tonnen gegenüber 1900 mehr als halbiert.<br />
Portugal war mit 13.900 Tonnen nach wie vor<br />
ein wichtiger Markt und nach England wurden<br />
immerhin 8.900 Tonnen verschifft. 1910 hatte<br />
sich der Absatz in Europa kaum besser gestellt.<br />
Von 36.200 Tonnen Reis gingen aber wieder<br />
10.100 Tonnen nach Russland, England war mit<br />
11.300 Tonnen zum zweitgrößten Absatzgebiet<br />
geworden. Portugal nahm wiederum 9.100 Tonnen<br />
Reis auf. 1913 hatte der deutsche Reisexport<br />
wieder das Volumen aus dem Jahr 1900. Von<br />
51.600 Tonnen gingen 16.100 Tonnen nach<br />
Russland und je etwa 10.000 Tonnen nach England<br />
und Portugal. In Amerika wurde der Absatz<br />
ab 1905 stark gesteigert. 10.200 Tonnen wurden<br />
nach Nordamerika verkauft, 1.900 Tonnen nach<br />
Kuba und summiert fast 20.000 Tonnen wurden<br />
nach Argentinien, Brasilien und Kolumbien verschifft.<br />
1910 wurde der Absatz nach Amerika<br />
gegenüber 1905 mehr als verdoppelt. 86.000<br />
Tonnen wurden verschifft, obwohl <strong>die</strong> Vereinigten<br />
Staaten keine Nachfrage mehr hatten. Neben<br />
Brasilien mit 9.300 Tonnen und den anderen<br />
südamerikanischen Staaten, <strong>die</strong> zwischen 3.000<br />
und 6.000 Tonnen importierten, war besonders<br />
der Verkauf von Reis nach Kuba und in <strong>die</strong> Dominikanische<br />
Republik gestiegen. Das letztgenannte<br />
Land kaufte 8.800 Tonnen Reis und in<br />
Kuba wurden sogar 42.100 Tonnen Reis abgenommen<br />
- mehr Reis als 1905 nach ganz Amerika<br />
verkauft werden konnte. 1913 bot sich ein<br />
ähnliches Bild, von 83.800 Tonnen an poliertem<br />
Reis wurden 43.700 und 11.500 Tonnen nach<br />
Kuba und in <strong>die</strong> Dominikanische Republik verkauft.<br />
Brasilien, das eine eigene Reisindustrie<br />
aufbaute, nahm keinen Reis mehr ab. Dafür war<br />
der Export nach Kolumbien mit 12.100 Tonnen<br />
aber wieder sehr hoch.^^^<br />
Die deutsche Reisindustrie sicherte sich am Ende<br />
des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in<br />
der westlichen Welt neue Absatzmärkte. In<br />
Europa gingen wichtige Reisabnehmer wie<br />
Österreich und in einem kleineren Maßstab Italien<br />
wegen ihrer Zollpolitik oder dem Aufbau<br />
eigener Industrien verloren. In Russland konnte<br />
dafür ein neuer großer Markt erschlossen werden.<br />
Zudem wurde England, früher der große<br />
deutsche Konkurrent und Marktführer in der Veredelung<br />
und dem Export von Reis, zum Importland<br />
von Reis und aus Deutschland beliefert.<br />
Die südamerikanischen Länder waren wichtige<br />
Kunden der deutschen Reisindustrie geworden<br />
und im ausgehenden 19. Jahrhundert schafften<br />
<strong>die</strong> deutschen Reismüller es, auch auf den Westindischen<br />
Inseln den englischen Verschiffern<br />
Konkurrenz zu machen und dorthin große Mengen<br />
Reis, vor allem zur Versorgung der Plantagenarbeiter,<br />
zu exportieren.<br />
Neue Exportziele für asiatischen Reis<br />
Während <strong>die</strong> Exportmengen der deutschen Reisindustrie<br />
nur langsam stiegen, wurden in den<br />
asiatischen Anbaugebieten stetig größere Mengen<br />
Reis produziert. Dieser Anstieg wurde nicht<br />
nur durch gewachsene Bevölkerungszahlen und<br />
den Konsum vor Ort verbraucht, sondern zunehmend<br />
auch exportiert, ohne zuvor von europäischen<br />
Händlern aufgekauft, nach Europa verschifft,<br />
dort bearbeitet und dann erst in <strong>die</strong> Zielländer<br />
exportiert worden zu sein.<br />
Ab 1890 steigerte sich der Reisexport von Birma<br />
160
nach Europa nicht mehr kontinuierlich, sondern<br />
schwankte in Bereichen zwischen 920.000 und<br />
etwas mehr als 1.000.000 Tonnen Reis pro Saison.<br />
In fünf von 15 Jahren zwischen 1900 und<br />
<strong>1914</strong> betrug der Export Birmas sogar nur knapp<br />
über 700.000 Tonnen je Saison. Ein stetiges<br />
Wachstum der Exportmengen hatte um das Jahr<br />
1900 herum aufgehört. Zwei andere Märkte für<br />
Exportreis aus Birma wuchsen jedoch. Zum einen<br />
wurden ab 1900 in kleinen <strong>bis</strong> mittleren<br />
Mengen westliche Märkte außerhalb Europas,<br />
also zum Beispiel Südamerika und <strong>die</strong> Kari<strong>bis</strong>chen<br />
Inseln, direkt beliefert. In der Saison<br />
1911/12 wurden 143.000 Tonnen Reis ohne den<br />
Weg durch <strong>die</strong> europäischen Mühlen auf westlichen<br />
Märkten verkauft, das waren immerhin 16<br />
Prozent der nach Europa verschifften Menge von<br />
890.000 Tonnen im selben Zeitraum. Zum anderen<br />
vervielfachte sich der Absatz des Reises<br />
aus Birma in Asien zwischen 1890 und 1900<br />
signifikant. 1890 wurde <strong>die</strong> zuvor nie erreichte<br />
Menge von 438.000 Tonnen Reis nach Osten<br />
exportiert, 1900 war es im Vergleich zu 1900 jedoch<br />
mit 1.337.000 Tonnen Reis <strong>die</strong> dreifache<br />
Menge und zudem auch eine größere Menge<br />
Reis, als im selben Zeitraum nach Europa verschifft<br />
wurde.^“<br />
Das Bevölkerungswachstum und <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />
Entwicklung in In<strong>die</strong>n, Indonesien, Ostasien<br />
und auch der Südsee schufen eine größere<br />
Nachfrage. So wie <strong>die</strong> von Europäern nach In<strong>die</strong>n<br />
und Asien getragenen wirtschaftlichen Impulse<br />
das Angebot an Birmareis für <strong>die</strong> europäische<br />
Reisindustrie entstehen ließen, entzogen<br />
sie es den europäischen Mühlen auch wieder,<br />
als der Entwicklungsimpuls immer weiter nach<br />
Osten wanderte. Einerseits lag das an den steigenden<br />
technischen Möglichkeiten in Birma, wo<br />
spätestens seit der Jahrhundertwende genauso<br />
qualitativ hochwertiger Reis produziert werden<br />
konnte wie in Europa. Andererseits übertraf <strong>die</strong><br />
Nachfrage in Asien auch einfach nur <strong>die</strong> aus<br />
Europa und von den amerikanischen Kontinenten.<br />
Einzelne deutsche Kaufleute und Handelshäuser<br />
hatten sich ja bereits in den <strong>1850</strong>er und<br />
1860er Jahren als Pioniere des von Europäern<br />
betriebenen innerasiatischen Handels auch mit<br />
der Verschiffung von Reis befasst. Die sich seit<br />
1890 abzeichnenden und nach 1900 vollzogenen<br />
Entwicklungen im internationalen <strong>Reishandel</strong><br />
stellten aber sowohl <strong>die</strong> europäischen Händler<br />
in Asien als auch <strong>die</strong> deutschen Reismüller vor<br />
Herausforderungen, auf <strong>die</strong> sie mit unterschiedlichen<br />
Strategien reagierten.<br />
6. Gründung der Rickmers Reismühlen,<br />
Rhederei und Schiffbau AG<br />
Der am 27. November 1886 verstorbene Rickmer<br />
Glasen Rickmers war eine in vieler Hinsicht prägende<br />
Gestalt gewesen. Er war ein Unternehmer,<br />
dem auch große soziale Ver<strong>die</strong>nste zugeschrieben<br />
werden. Er hatte mehrere Stiftungen gegründet,<br />
sich unter anderem nennenswert am Bau<br />
des Krankenhauses in Bremerhaven beteiligt und<br />
1882 den Titel „königlich preußischer Commerzienrat“<br />
verliehen bekommen. Als Helgoländer<br />
war er gebürtig englischer Nationalität. Die enge<br />
Bindung zu seiner Heimatinsel hatte er durch<br />
<strong>die</strong> Flagge seiner Reederei, <strong>die</strong> grün-rot-weiße<br />
Helgolandflagge mit einem „R“ für Rickmers<br />
in der Mitte, bewiesen und dort beispielsweise<br />
auch einen Kirchturmneubau finanziert. Von der<br />
britischen Regierung wurde er ehrenhalber in<br />
den „Orden vom Heiligen Michael und Georg“,<br />
den sechsthöchsten britischen Orden, aufgenommen.<br />
Unternehmerisch ist <strong>die</strong> Lebensleistung<br />
von Rickmer Glasen Rickmers ebenso unbestritten.<br />
Er hat sich selber vom Schiffszimmermann<br />
zum Besitzer einer großen Werft emporgearbeitet,<br />
war Seemann, Schiffsbesitzer und Reeder,<br />
kaufte sich in eine Reismühle ein, übernahm<br />
<strong>die</strong>se und baute sie zu einer der größten und modernsten<br />
Bremer Industrieanlagen aus. Er hatte<br />
sich zur prägenden Gestalt der schnell gewachsenen<br />
und großen deutschen Reisindustrie gemacht<br />
und war auch in das Stärkegeschäft eingestiegen.<br />
Darüber hinaus war er, vertreten durch<br />
seinen Sohn Andreas, an der Gründung der zweiten<br />
großen Bremer Dampfschifffahrtsgesellschaft,<br />
der DDG „Hansa“, beteiligt. Die Söhne<br />
Andreas, Peter und Wilhelm Rickmers waren<br />
161
ж<br />
alle in unterschiedlicher Form in <strong>die</strong> vielfältigen<br />
Geschäftsfelder des Familienimperiums eingebunden.<br />
Wirtschaftliche Herausforderungen der<br />
Rickmers-Brüder<br />
In wichtigen Geschäftsfragen lag <strong>die</strong> letzte Entscheidung<br />
<strong>bis</strong> zu seinem Tod im Alter von 79<br />
Jahren noch immer beim Patriarchen der Familie.<br />
Durch eine zuweilen sehr eigenwillige Haltung<br />
hatte Rickmer Glasen Rlckmers seinen Söhnen<br />
daher nicht nur ein großes Familienunternehmen<br />
mit verschiedenen Geschäftsfeldern hinterlassen,<br />
sondern auch ein Unternehmen, das in vielen<br />
Bereichen defizitär wirtschaftete, weil er wichtige<br />
Modemisierungsversuche seiner Söhne abgelehnt<br />
und verhindert hatte. Die Werft hatte wie<br />
viele andere Schiffbaubetriebe an der Weser den<br />
Anschluss an den Bau moderner Eisen- und<br />
Dampfschiffe verpasst. Selbst den Einbau von<br />
dampfgetriebenen Hilfsmaschinen auf dann Auxiliarsegler<br />
genannte Schiffe lehnte Rickmer Glasen<br />
Rickmers ab. Eine Modernisierung der Flotte<br />
von den vorhandenen Holzsegelschiffen hin zu<br />
Segelschiffen mit Stahlrumpf wäre recht einfach<br />
durch fremde Zukäufe machbar gewesen. Da<br />
aber neben der Werft auch das Reedereigeschäft<br />
der Firma vom wirtschaftlichen Erfolg der Reismühle<br />
in Bremen abhing - <strong>die</strong>se subventionierte<br />
<strong>die</strong> anderen Betriebe der Rickmers’ -, war eine<br />
andere strategische Ausrichtung zu bedenken.<br />
Denn auch in Asien hatten sich Dampfer gegen<br />
Segler in der Schifffahrt größtenteils durchgesetzt.<br />
Ein Verbleib bei einer Schiffsflotte ohne<br />
Dampfer würde also <strong>die</strong> Abhängigkeit des wirtschaftlichen<br />
Wohls von den Reistransporten im<br />
Reedereigeschäft und den Mühlenerlösen zementieren<br />
und <strong>die</strong> Werft wäre ein Verlustgeschäft<br />
geblieben, wenn der Betrieb nicht eingestellt<br />
worden wäre. Zugleich war im Fahrgebiet nach<br />
Asien mit der DDG „Hansa“ und den staatlich<br />
subventionierten Postdampferlinien des NDL <strong>die</strong><br />
bremische Konkurrenz seit Mitte der 1880er Jahre<br />
erstarkt. Der Verkauf der Stärkefabrik in Hannoversch<br />
Münden belegte einen wirtschaftliehen<br />
162<br />
Misserfolg, der den gesamten Unternehmensverbund<br />
von Werft, Reederei und Reismüllerei<br />
der Rickmers’ nicht nachhaltig gefährdete. Eine<br />
Schließung der Werft, des ursprünglichen Geschäftszweiges<br />
von Rickmer Glasen Rickmers,<br />
wollten <strong>die</strong> drei Brüder jedoch nicht. Zudem entschieden<br />
sie sich, <strong>die</strong> Flotte mit modernen eisernen<br />
Großseglem zu modernisieren und erstmals<br />
auch Dampfer zu bereedern. Ob der technischen<br />
Rückständigkeit und des fehlenden<br />
entsprechend ausgebildeten Personals mussten<br />
dafür jedoch erstmals Schiffe von einer fremden<br />
Werft zugekauft werden.^®'' 1887 und 1888 wurde<br />
je eine Viermastbark mit einer Tragfähigkeit über<br />
3.000 Tonnen von einer Werft in Glasgow in<br />
Dienst genommen. Im Sommer 1889 wurden<br />
<strong>die</strong> beiden Dampfer H e l e n e R ic k m e r s und Sop<br />
h ie R ic k m e r s von der schottischen Werft Russel<br />
& Go. in Glasgow in Dienst gestellt.^®*<br />
Die Reederei und <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />
vom Reisgeschäft<br />
Die Aufnahme der Dampfschifffahrt alleine war<br />
jedoch noch nicht <strong>die</strong> Lösung aller Probleme.<br />
Dampfer mussten auch erst einmal wirtschaftlich<br />
betrieben werden. Und mit nur zwei Dampfern<br />
konnte noch kein Linien<strong>die</strong>nst Fahrt aufnehmen.<br />
Die Konkurrenz der Liniendampfer des NDL erwies<br />
sich überraschenderweise als vorteilhaft.<br />
Die regelmäßigen Verbindungen zogen ein höheres<br />
Frachtaufkommen in den Häfen der Postdampferlinie<br />
nach sich. Dadurch kam es regelmäßig<br />
zu einem Überangebot von Ladungen, so<br />
dass <strong>die</strong> beiden Dampfer der Riekmers-Reederei<br />
den Frachtraummangel ausnutzen konnten. Zudem<br />
wurden <strong>die</strong> Dampfer zu ihrer Auslastung<br />
mit dem Transport von Kohle zu Bunkerstationen<br />
beschäftigt. Das war eine Strategie, <strong>die</strong> schon<br />
Rickmer Glasen Rickmers bei der Gründung der<br />
eigenen Reederei und Andreas Rickmers bei der<br />
Betriebsaufnahme der DDG „Hansa“ erfolgreich<br />
betrieben hatten. Der nächste Versuch von Andreas<br />
und Peter Rickmers, das Reedereigeschäft<br />
von der Abhängigkeit des Reisgeschäftes zu lösen,<br />
war der Einstieg in den Petroleumhandel.
Dieser Spezialhandel entwickelte sich erst in den<br />
1890er Jahren, als sich Tankschiffe gegenüber<br />
dem Transport von Petroleum in Fässern durchsetzten.<br />
Ein auf der eigenen Werft gebautes und<br />
1894 in Dienst gestelltes Tankschiff mit 970 Tonnen<br />
Tragfähigkeit für den Petroleumtransport im<br />
ostasiatischen Küstenverkehr wurde in <strong>die</strong>sem<br />
Geschäft auch eingesetzt. Die Geschäfte liefen<br />
jedoch nicht gut genug und passten organisatorisch<br />
kaum zu der ansonsten neben dem Reistransport<br />
betriebenen Trampschifffahrt. Da große<br />
Investitionen für eine Etablierung in dem Geschäft<br />
nötig gewesen wären, für <strong>die</strong> es letztlich<br />
keine Bereitschaft gab, wurde der Tankdampfer<br />
1898 an <strong>die</strong> Shell Transport & Trading Company<br />
in London verkauft.^*®<br />
„Die Hotte der Rickmers Reederei war [...] nach<br />
den inzwischen erfolgten Modemlsierungsmaßnahmen<br />
zu einem technischen Gemischtwarenladen<br />
geworden. Sollte <strong>die</strong> Rickmers Reederei<br />
nicht außerhalb der Erntezeiten für Reis gänzlich<br />
aus den ostasiatischen Gewässern verdrängt werden,<br />
mussten dringend weitreichende Umstrukturierungen<br />
erfolgen.“^’“<br />
1895 und 1896 kaufte <strong>die</strong> Reederei der Familie<br />
Rickmers insgesamt fünf Frachtdampfer auf<br />
Werften in Newcastle und Sunderland. Diese<br />
wurden umgehend in Ostasien in Fahrt gebracht<br />
und für 1896 war das Ziel der Aufbau eines Linien<strong>die</strong>nstes<br />
auf der Strecke Bremerhaven -<br />
Middlesbrough - Antwerpen - Suez - Penang -<br />
Singapur - Shanghai - Yokohama - Hiogo. Die<br />
Umsetzung gestaltete sich schwieriger als vermutlich<br />
gedacht. Kapitäne konnten nicht länger<br />
in Häfen liegen und in Personalunion als Agenten<br />
der Reederei auf Ladung und gute Frachtraten<br />
warten. Stattdessen brauchte <strong>die</strong> Reederei ein<br />
Netz von Agenten in den Häfen, <strong>die</strong> sich um <strong>die</strong><br />
Auslastung der Schiffe bemühten. Diese Arbeitsabläufe<br />
klappten nur teilweise und im ersten Jahr<br />
blieb ein wirtschaftlicher Erfolg des Linien<strong>die</strong>nstes<br />
für <strong>die</strong> Rickmers-Reederei aus. Zudem hatte<br />
der NDL begonnen, größere Dampfer in Dienst<br />
zu stellen und zwischen den beiden Reedereien<br />
aus Bremen und Bremerhaven trat eine verschärfte<br />
Konkurrenzsituation ein. Des Weiteren<br />
hatten sich <strong>die</strong> Geschäfte in Ostasien nicht so<br />
gut entwickelt, wie es bei der Aufnahme der subventionierten<br />
deutschen Postdampferlinien zehn<br />
Jahre zuvor allgemein erwartet worden war. Die<br />
Situation war für <strong>die</strong> Rickmers-Reederei nach<br />
wie vor angespannt.<br />
Der NDL bemühte sich um eine Übernahme der<br />
Rickmers-Schiffe, weil er seine Zubringer<strong>die</strong>nste<br />
zu den Postdampferlinien ausbauen wollte. Die<br />
Verhandlungen gestalteten sich positiv und auf<br />
Grund der schwierigen Lage der Reederei ging<br />
es Andreas Rickmers vor allem um <strong>die</strong> Konditionen<br />
einer Übernahme der Dampfer, weniger<br />
um <strong>die</strong> Frage, ob es überhaupt einen Vertrag geben<br />
sollte. Die 1897 geschlossene Vereinbarung<br />
war für <strong>die</strong> Rickmers-Reederei sehr gut. Die drei<br />
größten Dampfer wurden auf drei Jahre mit einer<br />
Option auf eine Verlängerung der Charter übernommen.<br />
Dafür zahlte der NDL 150.000 Mark<br />
je Jahr und Schiff. Eine Kaufoption besagte, dass<br />
alle drei Schiffe ausschließlich gleichzeitig zu<br />
einem Preis von 1.100.000 Mark je Dampfer gekauft<br />
werden konnten. Für eine Klassifizierung<br />
durch den Germanischen Lloyd notwendige Umbauten<br />
wurden zu Lasten des NDL vereinbart.<br />
Obwohl <strong>die</strong> HAPAG, ein großer Konkurrent der<br />
Bremer Dampferreederei, von <strong>die</strong>sem Vertrag<br />
nichts erfahren sollte, bekam <strong>die</strong> HAPAG <strong>die</strong><br />
Vereinbarung zu Ohren und warb <strong>die</strong> früheren<br />
Agenten der Rickmers-Reederei ab. Ein Teil des<br />
Dampfergeschäfts war somit auch an <strong>die</strong> HA<br />
PAG übergegangen. Die verbliebenen Dampfer<br />
wurden wieder in der Trampschifffahrt eingesetzt<br />
und 1898 an <strong>die</strong> HAPAG verchartert. 1899 wurden<br />
<strong>die</strong> Dampfer schlussendlich nach Hamburg<br />
verkauft - <strong>die</strong> Rickmers-Reederei hatte trotz erheblicher<br />
Investitionen 1895 in das Reedereigeschäft<br />
mit der Linienfahrt von Dampfern in Asien<br />
nicht Fuß fassen können. Ein letztes Versuchsfeld<br />
der Reedereiaktivitäten war der Beginn der<br />
Hochseefischerei. Diese wurde zwar einige Jahre<br />
betrieben, war aber auch unwirtschaftlich. Problematisch<br />
war es zum einen, Personal zu finden,<br />
zum anderen <strong>die</strong> Verluste der Liegezeiten im<br />
Winter auszugleichen und nicht zuletzt <strong>die</strong> Konkurrenz<br />
der schnell wachsenden deutschen Fi-<br />
163
I ;<br />
schereiflotte. Die Fischdampfer wurden schließlich<br />
verkauft und der Rickmers-Reederei blieb<br />
als einzig erfolgreiches Geschäft der Reistransport<br />
und <strong>die</strong> Trampschifffahrt.^’'<br />
Der Schiffbau und <strong>die</strong> Abhängigkeit<br />
der Werft von der Rickmers-Reederei<br />
Ende der 1880er Jahre gab es in Deutschland<br />
Werften, <strong>die</strong> aus eisenverarbeitenden Firmen entstanden<br />
waren. Diese Werften waren <strong>die</strong> Pioniere<br />
des Eisenschiffbaus in Deutschland gewesen.<br />
Ein Beispiel dafür ist <strong>die</strong> Bremer Actien-Gesellschaft<br />
„Weser“ gewesen, <strong>die</strong> 1872 aus der Maschinenbau-<br />
und Eisengießereifirma Waltjen &<br />
Leonhardt hervorgegangen war. Zudem hatten<br />
es etliche Traditionswerften geschafft, vom Holzschiffbau<br />
erfolgreich auf den Bau von Eisenund<br />
Stahlschiffen umzuschwenken und damit<br />
<strong>die</strong> rückständige Entwicklung gegenüber den<br />
englischen Werften auszugleichen. Zuletzt gab<br />
es aber auch Werften wie <strong>die</strong> der Rickmers’, <strong>die</strong><br />
damit im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts<br />
zumeist vor dem Aus standen.<br />
Die ersten Eisenschiffe der Rickmers-Reederei<br />
waren acht Leichter für den Reistransport auf<br />
der Weser, <strong>die</strong> zwischen 1890 und 1892 fertiggestellt<br />
wurden. Für <strong>die</strong>se Neubauten mit den<br />
Baunummem 80 <strong>bis</strong> 87 waren 1890 erste bauliche<br />
Veränderungen in der Werft vorgenommen<br />
worden: Ein größerer Maschinenschuppen und<br />
ein neuer Rissboden wurden errichtet und ein<br />
Spantenglühofen zur Formung von Schiffsspanten<br />
angeschafft. Währenddessen begutachtete<br />
Paul Rickmers (1873-1946) im Auftrag seines<br />
Vaters Peter und seines Onkels Andreas den Bau<br />
der auf englischen Werften bestellten Dampfer.<br />
Damit eignete sich ein Mitglied der Familie Wissen<br />
über modernen Eisenschiffbau an. Zudem<br />
sammelte er Informationen über den besten Betrieb<br />
von Dampfern, <strong>die</strong> beste Feuerung der<br />
Dampfmaschinen und <strong>die</strong> Konstruktion der Antriebsmaschinen.<br />
Der heimischen Werft half es<br />
wenig, denn neue Bauaufträge von fremden Reedern<br />
blieben weiterhin aus. Der Spezialschiffbau<br />
des Tankdampfers und der Fischereidampfer<br />
164<br />
zwischen 1894 und 1896 löste <strong>die</strong>se Probleme<br />
jedoch nicht, alle Schiffe wurden zuerst in den<br />
eigenen Dienst gestellt, <strong>bis</strong> sie aus Reedereigründen<br />
abgestoßen wurden. Einer konsequenten<br />
Modernisierung der Werft mit hohen Investitionen<br />
stellte sich Peter Rickmers in den Weg. Gegen<br />
<strong>die</strong>sen Widerstand konnten oder wollten sich<br />
seine beiden Söhne Paul und Robert (1864-<br />
1948), <strong>die</strong> inzwischen im Vorstand der Firma<br />
aktiv waren, sowie Andreas Rickmers nicht<br />
durchsetzen.^’^ Fatalerweise war mit der Entscheidung<br />
zur Modernisierung der Flotte und<br />
dem Kauf von Segelschiffen mit Eisenrumpf und<br />
von Dampfern in England <strong>die</strong> enge Bindung der<br />
Werft an das Reederei- und Reisgeschäft verloren<br />
gegangen. Zwar war auch <strong>bis</strong>her der Schiffbau<br />
ein Zuschussgeschäft gewesen, aber immerhin<br />
ein schlechtes Geschäft, das der Reederei und<br />
der Reismühle <strong>die</strong>nte. Ohne <strong>die</strong>sen Zusammenhang<br />
war <strong>die</strong> Bedeutung der Rickmers-Werft<br />
trotz vier Neubauten von Segelschiffen zwischen<br />
1895 und 1898 marginalisiert. Die Familie verkaufte<br />
oder schloss <strong>die</strong> Werft zwar nicht, aber<br />
endgültig stand das Reisgeschäft im Mittelpunkt<br />
des Unternehmens.^’^<br />
Die Rickmers Reismiihlen, Rhederei und<br />
Schiffbau AG<br />
Nach dem Willen des Firmengründers sollten<br />
<strong>die</strong> Söhne Andreas, Peter und Wilhelm Rickmers<br />
den Unternehmensverbund von Werft, Reederei<br />
und Reismühle gemeinsam weiterführen. Dies<br />
war jedoch gar nicht so einfach, weil der Erfahrungshorizont<br />
und der Grad der <strong>bis</strong>herigen Einbindung<br />
in <strong>die</strong> Leitung der Geschäfte sehr unterschiedlich<br />
waren.<br />
Andreas Rickmers war wie sein Vater gelernter<br />
Schiffszimmermann und hatte sich sein kaufmännisches<br />
Wissen im väterlichen Unternehmen<br />
angeeignet. Er war zudem für den frühen Reedereibetrieb<br />
in den <strong>1850</strong>er Jahren mitverantwortlich<br />
gewesen. Bei der Gründung der DDG „Hansa“<br />
war er der Vertreter der Familie Rickmers<br />
und in Leitungsaufgaben der Dampfschiffsreederei<br />
eingebunden. Zudem war Andreas Rick-
mers der Fachmann für das Reisgeschäft. Denn<br />
nach der vollständigen Übernahme der Reismühle<br />
in Bremen hatte er deren Leitung inne. Der<br />
jüngere Bruder Peter hatte hingegen einen anderen<br />
Ausbildungsweg genossen. Er war länger<br />
zur Schule gegangen und hatte danach ohne<br />
handwerkliche Ausbildung <strong>die</strong> Arbeit eines<br />
Kaufmanns im eigenen Unternehmen kennengelemt.<br />
Wilhelm Rickmers, der jüngste der Brüder,<br />
hatte das Reisgeschäft auf einer Reise in<br />
den Jahren 1876/77 in Asien kennengelernt, hatte<br />
wenig erfolgreich <strong>die</strong> Stärkefabrik in Hannoversch<br />
Münden geleitet, war kurzzeitig im Aufsichtsrat<br />
von Hoffmann’s Stärkefabriken in Bad<br />
Salzuflen vertreten und anschließend in der<br />
Geschäftsführung der Rickmers Reismühle in<br />
Bremen, wo er seinen Bruder Andreas aus gesundheitlichen<br />
Gründen aber kaum entlastete.<br />
Insgesamt hatte Wilhelm Rickmers damit <strong>die</strong><br />
wenigsten und bedeutungslosesten Aufgaben im<br />
Unternehmen gehabt. Auch wenn <strong>bis</strong> zu dessen<br />
Tod alle Entscheidungen von Rickmer Glasen<br />
Rickmers getroffen wurden, war Andreas Rickmers<br />
so stark in <strong>die</strong> väterlichen Geschäfte eingebunden<br />
wie keiner seiner Brüder. Peter Rickmers<br />
war vor allem als Repräsentant der Firma<br />
aufgetreten. Nach dem Deutsch-Französischen<br />
Krieg beispielsweise war er für <strong>die</strong> Abtretung<br />
Saigons als Reparationsleistung an Deutschland<br />
eingetreten^’“' und hatte so vermutlich ein neues<br />
Geschäftsfeld für den <strong>Reishandel</strong> erschließen<br />
wollen. Er hatte keinerlei Erfahrung als Geschäftsführer<br />
gesammelt. Damit nun alle Söhne<br />
dem Wunsch des Vaters entsprechend, und vor<br />
dem Hintergrund der großen wirtschaftlichen<br />
Herausforderung angemessen, an der Leitung<br />
der drei unterschiedlichen Bereiche Werft, Reederei<br />
und Reismüllerei beteiligt werden konnten,<br />
verschmolzen sie <strong>die</strong> drei verschiedenen Unternehmensbereiche<br />
in einer Aktiengesellschaft.^^^<br />
So entstand 1889 <strong>die</strong> Rickmers Reismühlen,<br />
Rhederei und Schiffbau AG, <strong>die</strong> Rickmers AG.<br />
Das Kapital der Gesellschaft betrug 8 Millionen<br />
Mark, <strong>die</strong> in 8.000 Aktien mit einem Wert von<br />
je 1.000 Mark aufgeteilt waren. Fremdes Kapital<br />
wurde bei der Gründung der Rickmers AG trotz<br />
der wirtschaftlichen Herausforderungen nicht in<br />
das Unternehmen eingebracht. 1895 wurde das<br />
Kapital der Gesellschaft für <strong>die</strong> Finanzierung<br />
der Dampfemeubauten mit einer langfristigen<br />
Anleihe, <strong>die</strong> in Form von 13.000 Aktien zu 1.000<br />
Mark wiederum nur an Peter und Andreas Rickmers<br />
gingen, erhöht.<br />
1887/88 gab es in Deutschland <strong>die</strong> durchaus große<br />
Zahl von 2.134 Aktiengesellschaften, <strong>die</strong> gemeinsam<br />
ein Kapital von 4.876.000 Mark hatte.<br />
Doch nur 74 der Aktiengesellschaften hatten ein<br />
Grundkapital von mehr als 10 Millionen Mark.<br />
Die Rickmers AG gehörte mit ihren 8 Millionen<br />
Mark Grundkapital, das vollständig im Besitz<br />
der Familie lag, also schon bei der Gründung<br />
eindeutig zu den größeren Aktiengesellschaften<br />
und bestimmt auch zu den größten familieneigenen<br />
Firmen Deutschlands. Die Größe des Unternehmens<br />
bedingte eigentlich eine funktionelle<br />
Differenzierung der verschiedenen Aufgabenbereiche<br />
im Betrieb. Des Weiteren wären klare Verantwortlichkeiten<br />
und Informationspflichten sowie<br />
Informationsfluss zwischen den Abteilungen<br />
und ebenso deutliche Aufgabenzuordnungen notwendig<br />
gewesen.’’'* Eine eindeutige Aufgabenverteilung<br />
und Entscheidungsstruktur gab es bei<br />
Rickmers aber weder vor noch nach der Gründung<br />
der Rickmers AG. Anlässlich der Übernahme<br />
der Reismühle von Ichon machte Rickmer<br />
Glasen Rickmers im Firmen-Anzeiger des<br />
Deutschen Reiches <strong>die</strong> Angabe, dass er und seine<br />
Söhne <strong>die</strong> Besitzer waren, ansonsten aber nur<br />
Ernst Mohr (1828-1907) Prokurist war. Das in<br />
drei Branchen tätige Unternehmen hatte also nur<br />
einen zeichnungsberechtigten, leitenden Angestellten.<br />
Emst Mohr war zugleich aber auch mit<br />
der ältesten Tochter des Firmenpatriarchen, Maria<br />
Dorothea (1833-1887), verheiratet und gehörte<br />
damit auch zur Familie. Die bei der Gründung<br />
einer Aktiengesellschaft gesetzlich vorgeschriebene<br />
Aufstellung eines Aufsichtsrates und<br />
eines Vorstandes erfüllten <strong>die</strong> Rickmers-Brüder,<br />
indem Peter und Wilhelm Aufsichtsräte und Andreas<br />
Vorstand der Rickmers AG wurden. Die<br />
noch immer kleine Zahl von nur drei leitenden<br />
Angestellten erhielt Prokura.’’'’'<br />
165
Eine wirkliche Trennung zwischen der Kontrollfunktion<br />
des Aufsichtsrates und der geschäftsführenden<br />
Funktion des Vorstandes gab es bei<br />
der Rickmers AG allerhöchstens auf dem Papier.<br />
Bei den Bemühungen zur Modernisierung der<br />
Werft und der Etablierung von Liniendampfschifffahrt<br />
unter der Rickmers-Flagge bemühten<br />
sich Robert und Paul Rickmers, ihren Vater Peter<br />
und den Onkel Andreas Rickmers von einem<br />
konsequenten Modemisierungsversuch der Werft<br />
und mehr Ausdauer im neu aufgenommenen<br />
Reedereigeschäft zu überzeugen. Obwohl Peter<br />
formal nur Aufsichtsrat war, verhinderte sein Veto<br />
im Tagesgeschäft entscheidende Veränderungen.<br />
Die fehlenden Abgrenzungen der Aufgabenbereiche<br />
und der Entscheidungsstrukturen<br />
der Rickmers AG trugen somit dazu bei, dass<br />
<strong>die</strong> wirtschaftlichen Probleme nur halbherzig<br />
und daher wohl auch ohne nachhaltigen Erfolg<br />
angegangen wurden.<br />
Verschärft wurde <strong>die</strong> innerhalb der Familie unklare<br />
Autoritätsstruktur im Betrieb durch den<br />
Tod Wilhelm Rickmers’ 1891. Dieser hatte in<br />
zweiter Ehe seine Nichte Ellen Dorothea (1867-<br />
1947), <strong>die</strong> Zweitälteste Tochter von Andreas<br />
Rickmers, geheiratet. Ellen Rickmers konnte <strong>bis</strong><br />
zur Volljährigkeit ihrer Söhne über deren Aktien<br />
verfügen, neigte in geschäftlichen Fragen aber<br />
sicher dazu, ihrem Vater Andreas zu folgen. Somit<br />
wurden <strong>die</strong> Entscheidungen der Rickmers<br />
AG nur noch von den Familien Andreas und Peter<br />
Rickmers getroffen. Um <strong>die</strong> Aktien und damit<br />
den Besitz an der Firma in jedem Fall in der Familie<br />
zu halten, wurde zwischen <strong>die</strong>sen beiden<br />
Parteien ein Vertrag verhandelt, der sicherstellen<br />
sollte, dass allen Familienmitgliedern in bestimmter<br />
Reihenfolge Aktien zum Kauf angeboten<br />
werden mussten, bevor sie an Fremde verkauft<br />
werden durften. Dieser Vorverkaufsvertrag<br />
wurde 1892 von der Familie beschlossen, wäre<br />
aber kurz vor Vollendung fast gescheitert. Andreas<br />
Rickmers hatte versucht, seinen Einfluss<br />
im Unternehmen zu vergrößern, indem er vor<br />
Vertragsschluss über seine Tochter Ellen Aktien<br />
seiner Neffen, der Söhne Wilhelm Rickmers’ aus<br />
erster Ehe, erwarb. Zusätzlich wollte er <strong>die</strong>sen<br />
Kauf noch mit Firmengeldern vornehmen und<br />
<strong>die</strong> Aktien später auf sich umschreiben lassen.<br />
Dies verhinderte Peter Rickmers und es wurde<br />
festgelegt, dass entsprechende Käufe durch privates<br />
Vermögen finanziert werden mussten. Diese<br />
Episode zeigt jedoch, dass <strong>die</strong> Entscheidungsstrukturen<br />
und Besitzverhältnisse der Rickmers<br />
AG eine durchaus schwierige Sache waren, <strong>die</strong><br />
sowohl den privaten Umgang der Familie wie<br />
auch geschäftliche Entwicklungen beeinflussten.<br />
7. Fazit<br />
Der Beginn der Reismüllerei durch <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers 1872 ist eine Zäsur in der Entwicklung<br />
<strong>die</strong>ses Industriezweiges in Bremen. Die wirtschaftlichen<br />
Bedürfnisse der hauseigenen Werft<br />
und Reederei, <strong>die</strong> bei den weltweiten Entwicklungen<br />
in der Schifffahrt und dem Schiffbau den<br />
Anschluss verloren, bewogen Rickmer Ciasen<br />
Rickmers und seinen Sohn Andreas zu einem<br />
rasanten und vehementen Ausbau des Reisgeschäfts.<br />
Nach dem erzwungenen Austritt der Familie<br />
Ichon aus dem gemeinsamen Betrieb formte<br />
Rickmers innerhalb von nur zehn Jahren den<br />
größten Betrieb der deutschen Reisindustrie und<br />
trat auch in Asien als bedeutender Wettbewerber<br />
um Reisverschiffungen und -Verarbeitung auf<br />
Zudem hatten <strong>die</strong> Brüder Nielsen - nicht durch<br />
Schifffahrt und Schiffbau motiviert, sondern als<br />
Mühlenbesitzer und aus industriellen Interessen<br />
- in zwei verschiedenen Betrieben 1855 und<br />
1862 <strong>die</strong> Reismüllerei aufgenommen.<br />
Die Firma Gebrüder Nielsen nahm 1874 als erstes<br />
Unternehmen in Bremen <strong>die</strong> Produktion von<br />
Reisstärke auf. Dieser Industriezweig entwickelte<br />
sich, weil Reisstärke gewisse Vorteile gegenüber<br />
anderen Stärkesorten hatte, aber auch, weil<br />
ein entsprechendes Angebot aus England <strong>die</strong><br />
deutschen Stärkeproduzenten wirtschaftlich unter<br />
Druck setzte. Wirtschaftlichkeit und internationale<br />
Konkurrenzfähigkeit ergaben sich sowohl<br />
durch Zollerleichterungen für den Rohstoff und<br />
durch Schutzzölle gegen <strong>die</strong> internationalen<br />
Wettbewerber wie auch durch ein entsprechendes
Angebot an Rohstoffen. Als Rohstoff wurde<br />
nicht nur direkt Reis aus Asien an <strong>die</strong> Stärkefabriken<br />
geliefert, denn in erster Linie verarbeiteten<br />
<strong>die</strong> Stärkeproduzenten den bei der Reisvermahlung<br />
anfallenden Reisbruch. Des Weiteren zeigt<br />
sich <strong>die</strong> Verbindung des <strong>Reishandel</strong>s, der Reismüllerei<br />
und der Reisstärkeproduktion in den<br />
Marktabsprachen und Konzentrationsbestrebungen<br />
zwischen den Fabriken, <strong>die</strong> wie Hoffmann’s<br />
in Salzuflen ihre Stärkeproduktion auf Reisbasis<br />
umstellten, und den Fabriken der Reismüller, <strong>die</strong><br />
ihre Wertschöpfungskette verlängern wollten.<br />
Einen besonderen Fall bot <strong>die</strong> Stärkefabrik in<br />
Osterholz, <strong>die</strong> ihr Geschäftsfeld einige Jahre<br />
nach der Betriebsaufnahme in <strong>die</strong> andere Richtung<br />
erweiterte und <strong>die</strong> Reismüllerei begann.<br />
Zur Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen<br />
den asiatischen Reisexportländem und der deutschen<br />
Verarbeitungsindustrie war <strong>die</strong> Qualität<br />
der Verkehrsinfrastruktur von hoher Bedeutung.<br />
Die Gründung der Deutschen Dampfschifffahrts-<br />
Gesellschaft „Hansa“ war ein wichtiger Schritt<br />
zur Stärkung des Bremer Reedereistandortes.<br />
Die DDG „Hansa“ war erst <strong>die</strong> zweite Reederei<br />
mit Dampfern für den Überseeverkehr in Bremen<br />
und hatte das für den <strong>Reishandel</strong> wichtige Fahrtgebiet<br />
Ostasien weiter erschlossen. Andreas<br />
Rickmers, größter Bremer Reeder im Reistransport,<br />
beteiligte sich an der Gründung und schuf<br />
sich somit ebenso eigene Konkurrenz wie er<br />
auch <strong>die</strong> Einbindung Bremens in den internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> dadurch zu seinem Vorteil<br />
stärkte. Die Weserkorrektion und der Bau des<br />
neuen Hafens, des heutigen Europahafens, stärkten<br />
Bremen als maritimen Standort der deutschen<br />
Reisindustrie zusätzlich und unterstützen so den<br />
Aufstieg Bremens zum wichtigsten Reisexporteur<br />
Europas.<br />
Bremen wurde zur internationalen Drehscheibe<br />
für Reis. Die aus Asien nach Europa verschifften<br />
Mengen an Reis nahmen kontinuierlich zu. Neben<br />
dem Verbrauch in Deutschland wurden auch<br />
<strong>die</strong> nach Europa, Nord- und Südamerika sowie<br />
in <strong>die</strong> Karibik exportierten Mengen größer. Dabei<br />
konnte Bremen sowohl bei der Einfuhr aus Asien<br />
wie auch bei der Wiederausfuhr des bearbeiteten<br />
Reises den europäischen Spitzenplatz einnehmen<br />
und <strong>die</strong> englische Industrie überflügeln.<br />
Dennoch deuteten sich um 1890 einige Probleme<br />
für <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie an. Andreas Rickmers<br />
und seine Brüder übernahmen den wichtigsten<br />
Betrieb der deutschen Reisindustrie, wandelten<br />
ihn nach dem Tod des Vaters in eine Aktiengesellschaft<br />
um, aber fanden keine schlüssige<br />
Strategie zur Behebung der wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten des Unternehmens. Zugleich<br />
deuteten erste Zahlen darauf hin, dass Europa<br />
nicht mehr das wichtigste Absatzgebiet für Reisüberschüsse<br />
in den asiatischen Anbauländern<br />
war, was <strong>die</strong> Stellung Europas und besonders<br />
Bremens als Standort des internationalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
in Gefahr brachte.<br />
167
Kapitel IV<br />
Neue Marktstrukturell entstehen (1890-1901)<br />
1. Marktverschiebungen und ein neues<br />
Investitionsverhalten in Deutschland<br />
Der Zollanschluss Hamburgs und Bremens<br />
mit seinen Folgen<br />
Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871<br />
trat das Zollparlament, bestehend aus dem Reichstag<br />
des Norddeutschen Bundes und Vertretern der<br />
süddeutschen Zollvereinsstaaten, nicht mehr zusammen.<br />
Das Zollparlament hatte nur zwischen<br />
1868 und 1870 getagt und <strong>die</strong> bei der Gründung<br />
inten<strong>die</strong>rte Funktion, ein Schritt auf dem Weg zur<br />
Gründung eines Nationalstaats zu sein, war verfehlt<br />
worden. Die Auflösung des Zollparlaments<br />
ist gerade deshalb ein deutlicher Hinweis darauf,<br />
dass mit der Reichsgründung auch der wirtschaftliche<br />
Partikularismus zwischen den deutschen<br />
Staaten längst überwunden war.<br />
Hamburg und Bremen gehörten auch nach der<br />
Reichsgründung zum sogenannten Zollausland<br />
und hatten Häfen, in denen Waren unverzollt abgeladen,<br />
gelagert und verarbeitet werden konnten.<br />
Für <strong>die</strong>se Ausnahmeregelung, <strong>die</strong> von Kleinhändlern<br />
und Gewerbetreibenden abgelehnt wurde,<br />
zahlte Bremen eine jährliche Abgabe, <strong>die</strong> sich<br />
nach der Bevölkerungsgröße richtete, das Aversum.<br />
Der Absatz bremischer Produkte in das Umland<br />
war schwierig, weil alle Waren erst verzollt<br />
werden mussten und damit teurer wurden. Die<br />
Überseekaufleute, <strong>die</strong> Reeder und jene Industrielle,<br />
<strong>die</strong> Kolonialwaren wie Tabak, Baumwolle<br />
und gerade auch Reis verarbeiteten, profitierten<br />
jedoch von der zollrechtlichen Sonderstellung<br />
Bremens. Bis weit in <strong>die</strong> zweite Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts hinein gehörten besonders <strong>die</strong> Vorgenannten<br />
zur wirtschaftsliberalen, freihandelsorientierten<br />
politischen Elite der Hansestadt und<br />
hielten für Bremen den Status des Zollauslands<br />
aufrecht. Und das, obwohl <strong>die</strong> Staatskasse und<br />
<strong>die</strong> industrielle Entwicklung darunter litten. Zum<br />
Ende des Jahrhunderts ero<strong>die</strong>rte der politische<br />
Eührungsanspruch der alten bürgerlichen Eliten,<br />
weil sich durch <strong>die</strong> Industrialisierung und <strong>die</strong> zunehmende<br />
Abhängigkeit der heimischen Wirtschaft<br />
von weltweiten Konjunkturlagen tra<strong>die</strong>rte<br />
Gesellschaftsbilder lösten.^’* Infolgedessen gab<br />
es in Bremen heftige Diskussionen, als der<br />
Reichskanzler im Mai 1879 in Hamburg und Bremen<br />
einen baldigen Beitritt zum Zollgebiet anfragte.<br />
Die nachfolgenden Konflikte kreisten einerseits<br />
zwischen Bremen und Berlin um <strong>die</strong><br />
Frage, ob <strong>die</strong> beiden Hansestädte zu einem Zollanschluss<br />
gezwungen oder <strong>die</strong>ser nur freiwillig<br />
erfolgen konnte. Andererseits ging es innerhalb<br />
der beiden Städte darum, ob man dem Zollgebiet<br />
beitreten wolle. Bremen entschied sich 1880 vorerst<br />
gegen den Zollanschluss, Hamburg hingegen<br />
Anfang 1882 unter Zusicherung eines großen<br />
Freihafengebiets dafür. Der Zollanschluss Hamburgs<br />
musste <strong>bis</strong> 1888 baulich umgesetzt werden<br />
und es siedelten sich etliche Industriebetriebe im<br />
zukünftigen Freihafengebiet an. „Im Freihafenbezirk<br />
entstanden aber auch Unternehmen der<br />
Nahrungsmitteibranche, Kaffeeröstereien und<br />
Reismühlen, endlich Mineralölraffinerien und<br />
Werke zur Kautschuk- und Asbestverarbeitung.“^^®Dies<br />
löste auch in Bremen Überlegungen<br />
bezüglich eines solchen Hafens und dem Zoilbeitritt<br />
der städtischen Gebiete aus. Sonderregelungen<br />
sollten für wichtige Bremer Wirtschaftszweige<br />
gelten, unter anderem „für das Speditionsgeschäft,<br />
den Schiffbau, <strong>die</strong> Reisschälmühlen.<br />
Stärkefabriken usw.“^®°. Der Konflikt zwischen<br />
dem Reichskanzler und der Regierung in Bremen<br />
erschwerte <strong>die</strong> Verhandlungen, und auch wenn<br />
1884 der Zollanschluss - genauso wie in Hamburg<br />
- für 1888 festgesetzt wurde, war das den<br />
Bremern zugestandene Freihafengebiet deutlich<br />
kleiner als erhofft. Zudem durfte in den Freigebieten<br />
der Häfen Bremens und Bremerhavens<br />
keine Exportindustrie angesiedelt werden.**'
Nun war <strong>die</strong> Voraussetzung geschaffen, dass sich<br />
auf Bremer Gebiet Industrie ansiedeln konnte,<br />
da der deutsche Absatzmarkt ohne Zollschranke<br />
erreicht werden konnte. Aus Sicht der Bremer<br />
Reisindustrie, der Reisschälmühlen und Stärkefabriken<br />
der Rickmers’ und der Nielsens, war<br />
der Zollanschluss ein großer Nachteil. Die Bremer<br />
Reismühlen, <strong>die</strong> einen großen Teil ihrer Produktion<br />
wieder exportierten, lagen außerhalb des<br />
Freihafengebiets. Daher mussten sie ihren Rohstoff<br />
nun verzollen und arbeiteten weniger rentabel.<br />
Eine Umsiedlung der Mühlen in das bremische<br />
Freihafengebiet war auf Grund des Verbots<br />
zur Ansiedlung von Exportindustrie nicht<br />
möglich. So wurde nüt dem Zollanschluss 1888,<br />
etwa zur gleichen Zeit, als <strong>die</strong> deutschen Reismühlen<br />
<strong>die</strong> englischen Mühlen sowohl beim Import<br />
von asiatischem Reis als auch beim Export<br />
quantitativ und auch qualitativ endgültig überholt<br />
hatten, eine Konstellation geschaffen, <strong>die</strong> den<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong> <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
prägen sollte. Bis 1906 wuchs <strong>die</strong> Hafenfläche<br />
Hamburgs auf über 600 Hektar an, <strong>die</strong> Bremens<br />
aber nur auf über 120 Hektar.^®^ Zugleich war<br />
der Elbhafen zu einem viel größeren Teil Freihafengebiet<br />
und es konnte sich dort Industrie<br />
ansiedeln, anders als Bremen, wo Letzteres nicht<br />
möglich war.<br />
ln den Jahren nach dem Zollanschluss wurde<br />
somit Hamburg, das zuvor keine besonders große<br />
Rolle innerhalb des deutschen <strong>Reishandel</strong>s und<br />
der reisverarbeitenden Industrie gespielt hatte,<br />
als Umschlags- und Verarbeitungsplatz für Reis<br />
zunehmend interessant.^®^ Der Hamburger <strong>Reishandel</strong><br />
prosperierte und <strong>die</strong> Hamburger Mühlen<br />
im Freihafengebiet traten in eine verschärfte<br />
Konkurrenz zu den Bremer Mühlen.^®^ Laut einer<br />
Denkschrift der Bremer Reisindustrie soll <strong>die</strong><br />
Handelskammer Hamburg schon 1896 für eine<br />
Erhöhung des Zolls auf Reis eingetreten sein,<br />
um den Wettbewerbsvorteil der Hamburger Mühlen<br />
zu vergrößem.^*^<br />
Die Nachteile zollausländischer Reismühlen für<br />
den Absatz auf dem deutschen Binnenmarkt, vor<br />
allem aber <strong>die</strong> Exportnachteile der Mühlen im<br />
Zollinland, waren bereits 1875 Grund genug.<br />
gesetzliche Sonderregelungen im Interesse der<br />
Industrie zu schaffen. Der „Abdruck aus dem<br />
Bremer Gesetzblatt No. 20 von 1875. Bestimmungen<br />
über <strong>die</strong> Gewährung einer Zollbegünstigung<br />
für den auf vereinsländischen Reismühlen<br />
verarbeiteten Reis“ zeigt <strong>die</strong>se als Zollregulativ<br />
für Reisschälmühlen oder auch kurz Schälregulativ<br />
bezeichneten Sonderregelungen auf.^®'’ Das<br />
Schälregulativ berücksichtigte den Mengenverlust<br />
an Strohhülse und Spelze sowie durch Bruch<br />
und Mehlstaub bei der Vermahlung des Reises.<br />
1875 wurden dabei drei Zustände der Rohware<br />
berücksichtigt: Vollkommen unbearbeiteter Reis<br />
in der Strohhülse wurde nur zu 66 Prozent verzollt,<br />
unpolierter Reis ohne <strong>die</strong> Strohhülse wurde<br />
zu 80 Prozent und vollkommen enthülster, nur<br />
noch zur Politur bestimmter Reis wurde zu 92<br />
Prozent mit dem Eingangszoll belastet. Die Reismüller<br />
sollten nicht verzollen müssen, was ihnen<br />
durch <strong>die</strong> Abfälle und den Staubverlust bei der<br />
Vermahlung nicht zur weiteren Vermarktung zur<br />
Verfügung stand. Das Verfahren zur Feststellung<br />
der Zollsätze sah vor, dass der Reis mit seinem<br />
Bruttogewicht, also vor allen Verarbeitungsschritten,<br />
für <strong>die</strong> jeweiligen Verarbeitungsklassen<br />
unter Zollaufsicht deklariert wurde. Für „den<br />
danach sich berechnenden Zollbetrag [war] Sicherheit<br />
zu leisten, wonächst der Reis ohne weitere<br />
Controle der Vermahlung“ zugeführt wurde.<br />
Der Reiszoll wurde also nicht umgehend beglichen,<br />
sondern in Form eines Zollkredits - einer<br />
Bankbürgschaft, welche <strong>die</strong> Banken wie einen<br />
Kredit der Reismühle in Rechnung stellten - als<br />
Sicherheitsleistung gegenüber den Behörden<br />
festgesetzt. Wurde der so schon zollerleichterte<br />
Reis nicht der direkten Verarbeitung zugeführt,<br />
sondern anderweitig verwendet oder weiterverkauft,<br />
drohten hohe Strafen und der „Verlust der<br />
Vergünstigung“. Innerhalb eines Zeitraums von<br />
maximal 12 Monaten war der vor der Reisabladung<br />
festgesetzte und durch einen Zollkredit gesicherte<br />
Zoll wirklich zu leisten. Eine „Freischreibung“,<br />
eine Zollbefreiung gab es für den<br />
Anteil des Reises, der unter zollamtlicher Kontrolle<br />
exportiert wurde:<br />
169
„Binnen einer zu bestimmenden Frist von<br />
höchstens 12 Monaten ist der sichergestellte<br />
Eingangszoll zu entrichten und eine Freischreibung<br />
nur in so weit zu bewirken, als<br />
entsprechende Mengen von dem in der betreffenden<br />
Reismühle enthülsten und polirten<br />
Reis nach Feststellung bei dem selben Amte,<br />
bei welchem <strong>die</strong> Abfertigung zur Mühle und<br />
<strong>die</strong> Anschreibung des Eingangszolls stattgefunden<br />
hat, zur Niederlage gebracht, bzw. unter<br />
zollamtlicher Controle nach dem Auslande<br />
ausgeführt oder mit Begleitschein verwendet<br />
werden.<br />
Wenn Reis in der Mühle verloren gehen oder<br />
vernichtet werden sollte, so erwächst hieraus<br />
dem Mühlenbesitzer kein Anspruch auf Erlaß<br />
des darauf haftenden Eingangszolls.<br />
Zollerleichterungen <strong>die</strong>ser Art waren ein Teil der<br />
bremischen Verhandlungen vor dem Beitritt zum<br />
deutschen Zollgebiet. Der Ausschuss des Bundesrates<br />
für Zoll- und Steuerwesen sowie der<br />
Ausschuss für Handel und Verkehr beschlossen<br />
zum Oktober 1888, also zeitgleich zum Zollbeitritt<br />
Bremens und Hamburgs, ein neues Zollregulativ<br />
für Reisschälmühlen. Ob <strong>die</strong>ses nun ein<br />
Ergebnis der Beitrittsverhandlungen war oder<br />
unabhängig davon, lässt sich nicht rekonstruieren.<br />
Wichtiger aber ist, dass es einige Änderungen<br />
gab und das Gerüst der Zollregulative entstand,<br />
das in den folgenden Jahren Bestand haben<br />
sollte. Dabei drehten sich <strong>die</strong> größten<br />
Konflikte zwischen den Bremer Reismühlen,<br />
den Hamburger Reismühlen, den Handelskammern,<br />
Behörden und Gesetzgebern um <strong>die</strong> Ausformung<br />
des Zollregulativs. In dem Zollregulativ<br />
von 1888 wurden fünf Mischungen des eingeführten<br />
Reises unterschieden.<br />
„Zollregulativ für Reisschälmühlen.<br />
1. Ungeschälter und von der Strohhülse befreiter<br />
Reis soll fortan unverzollt zur Enthülsung und<br />
Polirung auf Reismühlen, welche innnerhalb<br />
des Zollvereinsgebiets gelegen sind, in der Art<br />
abgelassen werden dürfen, daß von dem Bruttogewichte<br />
des zur Mühle gelangenden Reises<br />
1<br />
a) bei Reis in der Strohhülse nur von<br />
66 Prozent<br />
b) bei Gemischen von blos von der Strohhülse<br />
befreitem Reis und von Reis in der Strohhülse<br />
nur von<br />
82 Prozent<br />
c) bei dem aus den Gemischen zu b ausgeschiedenen,<br />
blos von der Strohhülse befreiten<br />
Reis nur von<br />
85 Prozent<br />
d) bei dem ohne Beimischung von Reis in der<br />
Strohhülse eingehenden, blos von der Strohhülse<br />
befreiten Reis nur von 88 Prozent<br />
und<br />
e) bei Reis, der lediglich mit der letzten feinen<br />
Hülse versehen und blos zum poliren bestimmt<br />
ist, nur von<br />
90 Prozent<br />
der Eingangszoll nach dem Satze für geschalten<br />
Reis erlegt zu werden braucht.“’**<br />
Die weiteren Bestimmungen weichen nur in Teilen<br />
von den zuvor beschriebenen Vorgaben aus<br />
dem Jahr 1875 ab. Eine entscheidende Änderung<br />
ist aber, dass <strong>die</strong> prozentuale Verzollung noch<br />
weiter reduziert werden konnte, wenn <strong>die</strong> .Mühlen<br />
einen größeren Mahlverlust nachwiesen, als<br />
er im Zollregulativ vorgesehen war:<br />
„Sollte nach Ausweis der Geschäftsbücher<br />
und nach den Erhebungen der mit der Ueberwachung<br />
der betreffenden Mühlen betrauten<br />
Beamten <strong>die</strong> wirkliche Ausbeute an polirtem<br />
Reis in Fällen der lit. b, c oder d weniger als<br />
82, beziehungsweise 85 oder 88 Prozent des<br />
Gesamtgewichts betragen, so kann von der<br />
Direktivbehörde ein Zollnachlass über den<br />
Satz von 18 beziehungsweise 15 oder 12 Prozent<br />
hinaus <strong>bis</strong> höchstens 21 beziehungsweise<br />
18 oder 15 Prozent bewilligt werden.“’*’<br />
Mit einem entsprechenden Nachweis an Verlust<br />
bei der Vermahlung konnte also ein weiterer Zollnachlass<br />
um drei Prozentpunkte erwirkt werden.<br />
Da <strong>die</strong> Sicherung des Zollkredits durch eine<br />
Bankbürgschaft gesetzlich vorgegeben war und<br />
zugleich ein Verlust der Ware in den Lagern und<br />
bei der Bearbeitung zu keinem entsprechenden<br />
Rückgang der Zollbelastung führte, waren <strong>die</strong><br />
Reismüller zu weiteren Versicherungen gezwungen.<br />
Feuer waren in Mühlen nicht selten. Mehlstaub<br />
ist explosiv und infolge von Verpuffungen
kommt es leicht zu Bränden. Im Fachorgan „Die<br />
Mühle“ wurden im 19. Jahrhundert regelmäßig<br />
Statistiken der Feuerversicherungen abgedruckt.<br />
So wurden dort beispielsweise in einem „Verzeichnis<br />
der der Magdeburger Feuerversicherungs-Gesellschaft<br />
im Monat Oktbr. 1880 bekannt<br />
gewordenen Mühlenschäden“ weltweit<br />
insgesamt 28 Versicherungsfälle in unterschiedlichen<br />
Mühlen mit Schadenshöhen zwischen 11<br />
Dollar und 400.000 Kronen verzeichnet. Unter<br />
<strong>die</strong>sen Schäden war auch der einer Reismühle<br />
in London. Die Ursache des Brandes in der Reismühle<br />
von „Woodbridg & Smiths“ [!] konnte<br />
nicht ermittelt werden, der Schaden war mit 140<br />
Pfund Sterling bei einer Versicherungssumme<br />
von 15.000 Pfund Sterling jedoch eher gering.^’®<br />
Ohne Feuerversicherung hätte eine Reismühle<br />
in Deutschland bei einem Brand schlimmstenfalls<br />
nicht nur <strong>die</strong> Ware und <strong>die</strong> Fabrikgebäude<br />
verloren, sondern damit zugleich auch <strong>die</strong> Sicherheit<br />
der Bank für den geleisteten Zollkredit.<br />
Eine weitere Kosten verursachende Feuerversichemng<br />
war daher auf Grund der Zollverfahren<br />
für <strong>die</strong> Reismüller unumgänglich.<br />
Die Rickmers AG und ihre Tochterunternehmen<br />
in Deutschland<br />
Marktverschiebungen zwischen Hamburg und<br />
Bremen deuteten sich an, gleichwohl wuchs das<br />
Geschäft mit dem Import und der Verarbeitung<br />
von Reis in Deutschland weiter. Seit dem Abschluss<br />
der Weserkorrektion 1895 konnten größere.<br />
seegängige Schiffe mit einem Tiefgang <strong>bis</strong><br />
zu fast sechs Metern auf der Weser <strong>die</strong> bremischen<br />
Häfen erreichen. Der Schiffsverkehr nahm<br />
deutlich zu, denn der Zollanschluss hatte einen<br />
kleinen Industrialisierungsschub mit dem entsprechenden<br />
Wachstum der Arbeiterbevölkerung<br />
in Bremen ausgelöst. Dies und <strong>die</strong> gefallenen<br />
Zollschranken zum bremischen Hinterland steigerten<br />
<strong>die</strong> Binnennachfrage nach Reis und vielen<br />
anderen Waren. Auch der Warenumschlag wurde<br />
zunehmend mechanisiert, <strong>die</strong> Kräne im Freihafen<br />
I. dem heutigen Europahafen, konnten beispielsweise<br />
lösten <strong>bis</strong> zu zehn Tonnen heben.<br />
Der Aufschwung des Schiffsverkehrs auf der<br />
Weser ging mit dem Bau der ersten eisernen<br />
Leichter auf der Werft der Rickmers AG einher.<br />
Um <strong>die</strong> nicht am tiefen Fahrwasser des Freihafens<br />
gelegenen Reismühlen zu beliefern, wurde<br />
der Reis in Bremerhaven auf Leichter umgeladen.<br />
Dem ersten eisernen Leichter, der I r a w a d d y<br />
von 1890, folgten in den kommenden zwei Jahren<br />
sieben weitere Schuten für den Transport<br />
auf der Unterweser. Zur Vervollständigung der<br />
Unterweser-Flotte wurden 1892 mit der P e g u<br />
und der A r r a k a n zwei Schleppdampfer-Neubauten<br />
in Dienst gestellt.Im selben Jahr gab<br />
es aber auch große Rückschläge im Reedereigeschäft<br />
mit dem Reis. Die Fünfmastbark M a r ia<br />
R ic k m e r s , das größte Segelschiff der deutschen<br />
Handelsflotte, verscholl auf der Rückreise ihrer<br />
Jungfernfahrt von Singapur in der Straße von<br />
Sunda, eine Meerenge zwischen den indonesischen<br />
Inseln Sumatra und Java.<br />
Vor dem Hintergrund der positiven Gesamtentwicklung<br />
des <strong>Reishandel</strong>s und wegen der durch<br />
<strong>die</strong> Zollpolitik veranlassten Marktveränderungen<br />
im deutschen <strong>Reishandel</strong> sowie auf Grund des<br />
Rickmers’schen Reedereigeschäfts suchte <strong>die</strong><br />
Rickmers AG nach einem neuen Verarbeitungsstandort<br />
an der Elbe:<br />
„Die Rickmerssche Reisflotte hatte auch große<br />
Mengen von Reis nach Hamburg zu bringen,<br />
in steigendem Maße, je mehr man sich<br />
dem Ende des Jahrhunderts näherte. Das veranlaßte<br />
Andreas Rickmers, sich in Hamburg<br />
Beteiligungen zu suchen. Die Reismühle von<br />
Anton Deppe & Co. bot ihm <strong>die</strong> günstige Gelegenheit.“^®^<br />
Als <strong>die</strong> Reismühle Anton Deppe & Co. in Hamburg<br />
1893 einen weiteren Teilhaber suchte, griff<br />
Andreas Rickmers daher zu. Die Rickmers AG<br />
beteiligte sich an der Mühle und es folgte <strong>die</strong><br />
Umbenennung in Norddeutsche Reismühle<br />
m.b.H. Die neue Geschäftsführung bildeten Andreas<br />
Rickmers und Anton Deppe. Wie <strong>die</strong> Anteile<br />
genau verteilt waren, konnte nicht ermittelt<br />
werden. Ein exakter Wert des Unternehmens bei<br />
der Übernahme ist ebenso wenig bekannt. 1898<br />
wurde der Anteil an der Mühle mit 700.000 Mark<br />
171
ewertet^^^, drei Jahre später der Gesamtwert der<br />
Norddeutschen Reismühle m.b.H. mit 1.350.000<br />
Mark beziffert. Der Anteil von Rickmers lag somit<br />
wahrscheinlich schon immer knapp über 50<br />
Prozent, da Andreas Rickmers sonst wohl kaum<br />
mit dem früheren Besitzer gemeinsam <strong>die</strong> Geschäfte<br />
geleitet hätte.^®'*<br />
Hamburg hatte für <strong>die</strong> Rickmers AG als Verarbeitungsstandort<br />
mehrere Vorteile. In erster Linie<br />
konnte <strong>die</strong> Firma so an der Marktverschiebung<br />
von Bremen nach Hamburg partizipieren und<br />
deren negative Folgen für <strong>die</strong> Mühle in Bremen<br />
abmildern. Des Weiteren wurde Hamburg mit<br />
seinem Aufschwung im <strong>Reishandel</strong> vermehrt<br />
Ziel der großen Reisschiffe, <strong>die</strong> aus Asien kamen.<br />
Mit einer eigenen Fabrik vor Ort war <strong>die</strong><br />
Beladung der Rickmers-Flotte in den asiatischen<br />
Reishäfen einfacher und wirtschaftlicher. War<br />
ein Schiff nach Hamburg für fremde Rechnung<br />
noch nicht vollständig beladen, konnte freier<br />
Frachtraum mit Ladung für <strong>die</strong> dortige eigene<br />
Reismühle gefüllt und <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit der<br />
Fahrt so erhöht werden. Außerdem boten sich<br />
durch den neuen Standort auch mehr Einsatzmöglichkeiten<br />
für <strong>die</strong> Schleppdampfer und <strong>die</strong><br />
Leichteiflotte. War <strong>die</strong> Binnenflotte für <strong>die</strong> Unterweser<br />
nicht ausgelastet, konnte sie für Transporte<br />
auf der Elbe eingesetzt werden.<br />
Eine weitere Flotte an Frachtkähnen und<br />
Schleppdampfern baute und betrieb <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG für <strong>die</strong> Mittel- und Oberweser. Von<br />
1892 <strong>bis</strong> 1897 wurden insgesamt 12 Kähne und<br />
2 Raddampfer, <strong>die</strong> H e l g o l a n d und <strong>die</strong> B a n g <br />
k o k , gebaut.^^^ Eingesetzt wurden sie im Verkehr<br />
mit einer neu gegründeten Tochtergesellschaft<br />
der Rickmers AG in Hannoversch Münden. Dort<br />
hatte Wilhelm Rickmers <strong>die</strong> Stärkefabrik Union<br />
geleitet, <strong>bis</strong> <strong>die</strong>se 1887 mit den Hoffmann’s Stärkefabriken<br />
in Bad Salzuflen fusionierte und der<br />
Betrieb im Zuge von Marktbereinigungen stillgelegt<br />
worden war. Nach Wilhelm Rickmers’<br />
Austritt aus dem Aufsichtsrat von Hoffmann’s<br />
Ende November 1887 war auch <strong>die</strong> Produktion<br />
von Rickmers-Stärke durch andere Betriebe der<br />
Salzuflener Eirma eingestellt worden und es bestanden<br />
nur noch finanzielle Verbindungen zwischen<br />
dem lippischen und dem Bremer Unternehmen.<br />
1894 ergab sich nun <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
<strong>die</strong> Anlagen und Grundstücke der stillgelegten<br />
Stärkefabrik zu erwerben. Der Kaufpreis wurde<br />
mit den Anteilen, welche <strong>die</strong> Familie Rickmers<br />
noch von Hoffmann’s besaß, verrechnet.<br />
Auf <strong>die</strong>sem Grundstück sollte aber kein Reis<br />
verarbeitet, sondern vielmehr Leinöl, Futtermittel<br />
und Klebstoffe hergestellt werden. Futtermittel<br />
waren bereits aus der Verwertung der Abfälle<br />
bei der Reisvermahlung in das Geschäft aufgenommen<br />
worden. Darüber hinaus erklärt sich<br />
der neue Betrieb auch aus den Herkunftsorten<br />
der Rohstoffe: Lein- und Rapssamen, <strong>die</strong> vorwiegend<br />
aus Südamerika, In<strong>die</strong>n und vom<br />
Schwarzen Meer kamen, wurden verarbeitet. Mit<br />
50 <strong>bis</strong> 60 Arbeitern nahm <strong>die</strong> „Union“ Ocl- und<br />
Futtermittelfabrik GmbH 1895 <strong>die</strong> Produktion<br />
auf.<br />
Der Transport der Rohstoffe von den Seehäfen<br />
mit der Eisenbahn war zu teuer. Es war jedoch<br />
ein Hafen bei der Fabrik aus den 1880er Jahren<br />
vorhanden, weshalb <strong>die</strong> Aufnahme der Schleppschifffahrt<br />
zur Versorgung des Betriebs nahe lag.<br />
Zugleich wurde somit aber wiederum ein Geschäftsmodell<br />
umgesetzt, bei dem eine neue Firma<br />
<strong>die</strong> alten Betriebszweige des Unternehmens<br />
stützte. Die Werft erhielt durch den Bau der<br />
Dampfer und Leichter neue Aufträge und <strong>die</strong><br />
Reederei konnte ihre Schiffe durch den Transport<br />
von Raps- und Leinsamen in der großen Fahrt<br />
besser auslasten, beziehungsweise mit dem<br />
Schwarzmeergebiet wurde dem weltweiten Handelsnetz<br />
der Flotte sogar ein neuer Anknüpfungspunkt<br />
hinzugegeben. Ein Erfolg wie bei der Reismüllerei<br />
war der Tochtergesellschaft in Hannoversch<br />
Münden allerdings nicht beschieden. Die<br />
ersten Gewinne konnten erst nach fünf Betriebsjahren<br />
realisiert werden und nach 14 Betriebsjahren,<br />
1909, folgte <strong>die</strong> Stilllegung der Fabrik.<br />
Damit blieb auch <strong>die</strong> zweite Unternehmung, <strong>die</strong><br />
aus dem Versuch der Optimierung der weltweiten<br />
Geschäfte der Rickmers’ an der Oberweser entstand,<br />
eine Investition ohne großen Gewinn.^
2. Neue Wege zu ausländischen<br />
Absatzmärkten<br />
Die Zollpolitik gerät in den Fokus<br />
Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts veränderte<br />
sich <strong>die</strong> Stimmung in der deutschen Reisindustrie.<br />
Die wirtschaftlichen und persönlichen<br />
Abenteuer der Reishändler in den <strong>1850</strong>er und<br />
1860er Jahren waren vorüber und <strong>die</strong> Entwicklung<br />
zur massenverarbeitenden, mechanisierten<br />
Industrie mit der Ausreizung der Produktions-<br />
Itetten durch <strong>die</strong> Herstellung von Stärke, Futtermehl<br />
oder angegliederter Ochsenzucht war abgeschlossen.<br />
Der nun hochentwickelte deutsche<br />
<strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> verarbeitende Industrie hatten<br />
eingespielte Arbeitsweisen, weshalb äußere<br />
Faktoren, ähnlich wie zu Beginn des <strong>Reishandel</strong>s<br />
um <strong>1850</strong>, wieder mehr in den Fokus rückten.<br />
Als bedeutendster Einfluss auf den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> spielte in den folgenden Jahren immer<br />
wieder <strong>die</strong> Zollpolitik - <strong>die</strong> in Deutschland<br />
sowie <strong>die</strong> des europäischen Auslandes - eine<br />
Rolle.<br />
Aus den Akten des preußischen Ministeriums<br />
für Handel und Gewerbe lassen sich <strong>die</strong> 1893<br />
einsetzenden öffentlichen Diskussionen über den<br />
Zustand und <strong>die</strong> Entwicklung des deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>s gut nachvollziehen. Dort dokumentiert<br />
ist eine Diskussion, <strong>die</strong> sich ab Oktober<br />
1893 in Zeitungen in Bremen, Hamburg und<br />
Berlin abspielte. Ausgangspunkt war ein Artikel<br />
in der Weser-Zeitung, der mit „Die bremische<br />
und deutsche Reisindustrie in Lebensgefahr“<br />
überschrieben war.^®^ Darin wurde beschrieben,<br />
dass der Reis ein Sechstel der Gesamteinfuhr<br />
Bremens ausmachte und dass <strong>die</strong> damit befassten<br />
Reedereien und Fabriken ein wichtiger Wirtschaftsfaktor<br />
in Bremen seien. Das Handelsvolumen<br />
sei seit 1892 aber rückgängig und der<br />
wichtige Wirtschaftszweig daher in Gefahr.<br />
Gründe für den Handelsrückgang wurden aufgeführt:<br />
der vermehrte Import von bereits bearbeitetem<br />
Reis aus Asien, <strong>die</strong> Belastung des Reises<br />
mit Einfuhrzöllen und ein ungenügendes<br />
Schälregulativ sowie der Protektionismus in<br />
wichtigen Absatzländern. Gerade in Österreich-<br />
Ungarn - das tatsächlich „in der Zeit von 1889<br />
<strong>bis</strong> 1913 eine herausragende Rolle für den deut-<br />
• sehen Außenhandel“^** hatte - habe der protektionistisch<br />
geförderte Aufbau einer eigenen Reisindustrie<br />
den Absatz der deutschen Reismüller<br />
einbrechen lassen. Es entwickelte sich in der<br />
Folge <strong>die</strong>ses Artikels eine Diskussion zwischen<br />
der Weser-Zeitung und dem Hamburgischen Correspondenten.<br />
Beiträge dazu veröffentlichten<br />
auch <strong>die</strong> Norddeutsche Allgemeine Zeitung, deren<br />
Leser besonders aus dem Beamtenmilieu kamen,<br />
sowie <strong>die</strong> liberale Berliner Nationalzeitung<br />
und <strong>die</strong> Deutsche Volkswirtschaftliche Correspondenz.***<br />
Die Bremer Kritik der deutschen Zollpolitik<br />
nahm besonders den Handelsvertrag mit Österreich-Ungarn<br />
in den Fokus. Der Vertrag mit<br />
Österreich-Ungarn 1891 war einer der ersten<br />
nach dem Reichskanzler benannten „Caprivischen<br />
Verträge“. Diese Verträge hatten das Ziel,<br />
eine Verschärfung des Zollprotektionismus zu<br />
verhindern:<br />
„Auch wenn Caprivi das behaupten mochte,<br />
ging es beim Abschluss der nach ihm benannten<br />
Handelsverträge nicht in erster Linie darum,<br />
dem deutschen Export neue, <strong>bis</strong>lang<br />
noch unerschlossene Märkte zu öffnen und<br />
bereits vorhandene Handelsbarrieren abzubauen.<br />
Vielmehr zielten sie angesichts der um<br />
<strong>die</strong> Welt schwappenden protektionistischen<br />
Welle darauf ab, wenigstens für das implo<strong>die</strong>rende<br />
französische Vertragssystem einen<br />
mehr oder weniger gleichwertigen Ersatz zu<br />
schaffen. Nur in Ausnahmefällen gelang es<br />
bei den Vertragsverhandlungen, <strong>die</strong> Eingangszölle<br />
der Gegenseite auf eine Höhe zu reduzieren,<br />
<strong>die</strong> deutlich unter den <strong>bis</strong>her geltenden<br />
Sätzen lag. Was jedoch erreicht wurde, war<br />
im Hinblick auf <strong>die</strong> Handelsvertragspartner<br />
eine weitgehende Sicherung des status quo,<br />
eine Verhinderung der allseitig in Aussicht<br />
stehenden neuen Zollerhöhungen.<br />
In der per Zeitung zwischen Bremen, Hamburg<br />
und Berlin geführten Diskussion über <strong>die</strong> Gefährdung<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s kristalli-<br />
173
1<br />
sierte sich heraus, dass <strong>die</strong> bremisch dominierte<br />
deutsche Reisindustrie besonders einen Artikel<br />
des Handelsvertrages mit Österreich-Ungarn,<br />
Artikel 3, monierte. Dieser besagte, dass Reis<br />
aus Deutschland nur dann in dem für <strong>die</strong> Industrie<br />
vorteilhaften Vertragstarif bei der Einfuhr<br />
nach Österreich-Ungarn verzollt wird, wenn der<br />
Reis aus dem freien Verkehr stammt. Da der<br />
Reis in Deutschland schon unter der Aufsicht<br />
eines Zollinspektors stand und unter Berücksichtigung<br />
des geltenden Schälregulativs zum<br />
Teil zollerleichtert war, konnte der deutsche Exportreis<br />
<strong>die</strong>ses Kriterium gar nicht erfüllen. Zumeist,<br />
so <strong>die</strong> Kritiker der angewendeten Vertragsklausel,<br />
sei aber nur <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Ware<br />
aus einem meistbegünstigten Land stammt oder<br />
dort bearbeitet wurde, für <strong>die</strong> Gewährung des<br />
Vertragstarifs maßgeblich. Im Verlauf der Veröffentlichungen<br />
wies <strong>die</strong> Weser-Zeitung Anfang<br />
November 1893 daraufhin, dass der umstrittene<br />
Artikel 3 des Handelsvertrags erstmals elf Monate<br />
nach Inkrafttreten des Abkommens angewendet<br />
wurde. „Thatsächlich hat denn auch<br />
Österreich-Ungarn <strong>die</strong> deutschen Reiseinfuhren<br />
<strong>bis</strong> zum 1. Januar d. J. als meistbegünstigt behandelt,<br />
also noch elf Monate nach dem Inkrafttreten<br />
des Vertrages.““ '<br />
Die Erklärung dafür hatte schon zwei Tage zuvor<br />
<strong>die</strong> Nationalzeitung unbemerkt geliefert. Der<br />
Verlust des wichtigsten europäischen Absatzmarktes<br />
für den in Deutschland verarbeiteten<br />
Reis, Österreich-Ungarn, lag zwar langfristig an<br />
der protektionistischen Zollpolitik zur Förderung<br />
des Aufbaus einer eigenen Reisindustrie, <strong>die</strong><br />
kurzfristige negative Auslegung des Artikels 3<br />
des Handelsabkommens hatte aber andere Gründe:<br />
„Ein ganz ähnlicher Fall liegt umgekehrt zum<br />
Nachtheil eines österreichisch-ungarischen<br />
Industriezweiges vor: Das Mehl, das im zollfreien<br />
Mahlverkehr in Österreich-Ungarn unter<br />
Verwendung fremden, nicht meistbegünstigten<br />
Getreides hergestellt ist, wird von<br />
Deutschland nicht als nationalisiert betrachtet<br />
und hat daher den Satz des allgemeinen Tarifs<br />
zu tragen, wodurch sich <strong>die</strong> dortige Mehlindustrie<br />
ebenso beschwert fühlt, wie unsere<br />
Reisindustrie.“<br />
Die deutsche Reisindustrie litt hier also nicht<br />
nur an der österreichisch-ungarischen Schutzzollpolitik<br />
im Interesse der mit Mühlen in Triest,<br />
Fiume und Pest entstehenden österreichisch-ungarischen<br />
Reisindustrie, sondern war Opfer da<br />
Handelskonflikte um Getreideeinfuhren zwischen<br />
Deutschland und Russland. Im Interesse<br />
der Agrar-Lobby war der Stopp der mssischen<br />
Getreideimporte naeh Deutschland eines der<br />
wichtigsten Ziele der Bismarck’schen Schutzzollpolitik<br />
gewesen. Während Reichskanzler von<br />
Caprivi <strong>die</strong>se Schutzzollpolitik in den Handelsverträgen<br />
ab 1891 zu lockern suchte und <strong>die</strong>s<br />
mit dem Vertrag mit Österreich-Ungarn auch<br />
umgesetzt hatte, schwelte der Handelskonflikt<br />
um Getreidezölle mit Russland 1893 noch. Da<br />
in Österreich-Ungarn auch Getreide aus Russland<br />
zu Mehl verarbeitet wurde, behandelten <strong>die</strong><br />
deutschen Zollbehörden es wie Mehl aus Russland<br />
und nicht - wie es im ähnlichen Fali <strong>die</strong><br />
deutsche Reisindustrie für sich reklamierte - als<br />
nationalisierte österreichisch-ungarische Ware,<br />
weil das Mehl dort produziert worden war. So<br />
erschließt sich, dass <strong>die</strong> Behandlung des deutschen<br />
Reises unter der Maßgabe des unfreien<br />
Verkehrs anstatt der Maßgabe der Herkunft nur<br />
eine Reaktion der Behörden in Österreich-Ungarn<br />
auf <strong>die</strong> deutsche Zollbehandlung des eigenen<br />
Mehls war.<br />
Der Handelskonflikt mit Russland wurde mit einem<br />
Vertrag von 1894 beendet. Damit fiel der<br />
unmittelbare Anlass für <strong>die</strong> Erschwerung des<br />
deutschen Reisabsatzes nach Österreich-Ungarn<br />
weg. An der Gesamtentwicklung, dass europäische<br />
Verbrauchermärkte immer schwerer zu beliefern<br />
waren, änderte sich jedoch nichts. Entweder<br />
hatten konkurrierende Länder keine Einfuhrzölle<br />
auf Rohreis und sparten dort im<br />
Vergleich zur deutschen Industrie Herstellungskosten,<br />
hatten bessere und damit günstigere Verkehrsanbindungen<br />
zu ihren Absatzmärkten, oder<br />
wurden durch den mit Zöllen geschützten Aufbau<br />
eigener Reisindustrien von früheren europäischen<br />
Reismärkten verdrängt. Daher stand<br />
174
<strong>die</strong> deutsche Reisindustrie vor der Frage, wie<br />
^ie ihre Stellung im internationalen Geschäft sichern<br />
könnte.<br />
Die Rickmers AG suchte neue Wege, um im europäischen<br />
Geschäft ihre starke Marktposition<br />
und damit auch <strong>die</strong> globale Reisnachfrage behaupten<br />
zu können und wurde daher zu einer<br />
multinationalen Firma.<br />
Die Rickmers AG beteiligt sich an Mühlen in<br />
Österreich - Ungarn<br />
Die Erste Triester Reisschälfabrik<br />
Die Reisindustrie in Österreich-Ungarn emanzipierte<br />
sich in den 1890er Jahren vom deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong>. Mit dem 1869 eröffneten Suezkanal<br />
war aus dem Mittelmeer, das nur eine Zufahrt<br />
über <strong>die</strong> Straße von Gibraltar hatte und damit<br />
etwas abseits der weltweiten Schifffahrtsrouten<br />
lag. ein Meer mit einer der wichtigsten Transitrouten<br />
des weltweiten Warenverkehrs geworden.<br />
Ent.sprechend positiv war der wirtschaftliche<br />
Aufschwung der beiden wichtigsten Seehäfen<br />
in Österreich-Ungarn, Triest und Fiume. In Triest<br />
wurde der Hafen seit 1867 ausgebaut und entwickelte<br />
sich zum Zentrum des Schiffbaus und<br />
Seehandels der Doppelmonarchie. Fiume wurde<br />
im selben Jahr der Haupthafen für den ungarischen<br />
Reichsteil. Die heute zu Kroatien gehörende<br />
und Rijeka genannte Stadt in Istrien zählte<br />
im 19. Jahrhundert zu den größten europäischen<br />
Häfen. Neben Petroleum und Holz war Reis einer<br />
der größeren Stapelartikel. Bereits 1888 bestand<br />
dort eine Mühle, <strong>die</strong> jährlich mehr als<br />
20.000 Tonnen Reis verarbeitete.“ ^ Und auch in<br />
Triest w urde 1893 eine Reismühle gegründet;<br />
..Kine Reisschälmühle in Triest soll von der<br />
dortigen Firma Alfred Escher u Ko., Filiale<br />
der Anglobank, nach dem Muster der in Fiume<br />
bestehenden Fabrik errichtet werden. Bei<br />
einem Grundkapital von drei Millionen Kronen<br />
soll <strong>die</strong> Mühle jährlich 400.000 Mtr.-Ztr.<br />
verarbeiten können.““ ^<br />
Die Rickmers-Reismühlen in Bremen und Hamburg<br />
kämpften gegen <strong>die</strong> Absatzverluste in Österreich-Ungarn.<br />
Da war <strong>die</strong> Möglichkeit einer Beteiligung<br />
von Andreas Rickmers an der Ersten<br />
Triester Reisschälfabrik <strong>die</strong> willkommene Gelegenheit,<br />
auf dem bedeutenden Absatzmarkt der<br />
Doppelmonarchie neu Fuß zu fassen. Um keinen<br />
weiteren Konkurrenzkampf auf dem deutschen<br />
Markt zu schüren, vor allem aber um beiden<br />
Reismühlen ein besseres Auskommen zu sichern,<br />
gelang es Andreas Rickmers, sowohl <strong>die</strong> Rickmers-Mühle<br />
als auch <strong>die</strong> Norddeutsche Reismühle<br />
m.b.H. zu Teilhabern an der Ersten Triester<br />
Reisschälfabrik zu machen. Dazu wurde ein<br />
Vertrag zwischen den beiden deutschen Reismühlen<br />
geschlossen, um <strong>die</strong> gemeinsame Teilhaberschaft<br />
an der Triester Mühle zu ermöglichen.<br />
Vereinbart wurde einerseits <strong>die</strong> gemeinsame<br />
Teilhaberschaft, andererseits, dass <strong>die</strong> neuen<br />
Teilhaber ihre Anteile mindestens für fünf Jahre<br />
hielten, und drittens, dass sich beide Reismühlen<br />
aus Norddeutschland an keiner anderen Reismühle<br />
in Österreich-Ungarn beteiligen, wenn es<br />
nicht gemeinschaftlich mit der Ersten Triester<br />
Reisschälfabrik wäre.“ ^ Somit hatte Andreas<br />
Rickmers einen Fuß in <strong>die</strong> sich schließende Tür<br />
zum österreichischen Absatzmarkt gesetzt. An<br />
der Geschäftsführung war kein <strong>Deutscher</strong> beteiligt,<br />
was auch den Unterschied zur Beteiligung<br />
der Rickmers’ an der Hamburger Mühle anzeigt.<br />
In Triest sollte kein eigenes Geschäft geführt<br />
werden, sondern nur mit besten wirtschaftlichen<br />
Ergebnissen am dortigen Markt partizipiert werden<br />
- sei es über <strong>die</strong> Gewinne der Mühle, sei es<br />
über den Transport von Reis aus Asien dorthin.<br />
Die Möglichkeit eines direkten Geschäfts in<br />
Österreich-Ungarn war durch <strong>die</strong> dortige Gesetzgebung<br />
für Ausländer schwierig, eine Firmengründung<br />
musste behördlich genehmigt werden.<br />
Der Vertrag der beiden deutschen Mühlen<br />
mit der Triester Fabrik ermöglichte eine gemeinsame<br />
Mühlengründung in Österreich-Ungarn<br />
aber ausdrücklich, wenn <strong>die</strong>se durch <strong>die</strong> Triester<br />
Mühle erfolgte. Eben <strong>die</strong>sen Weg beschritten <strong>die</strong><br />
Erste Triester Reisschälfabrik, <strong>die</strong> Rickmers-<br />
Reismühle und <strong>die</strong> Norddeutsche Reismühle<br />
m.b.H. gemeinsam, als sie ein weiteres Absatzpotential<br />
auf dem riesigen Markt Österreich-Un-<br />
175<br />
I
garns sahen. Die Gründung einer Reismühle in<br />
Aussig ist archivarisch bestens dokumentiert und<br />
kann daher hier sehr detailliert nachvollzogen<br />
werden.“ ^<br />
Die „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft<br />
In Aussig, dem heutigen Ústí nad Labern in<br />
Tschechien, gründete <strong>die</strong> Erste Triester Reisschälfabrik<br />
ein Tochterunternehmen. Der neue<br />
Betrieb lag verkehrsgünstig direkt an der Elbe.<br />
Der Kauf von zwei ersten Grundstücken mit einer<br />
Gesamtfläche von 3.334 m^ durch <strong>die</strong> Norddeutsche<br />
Reismühle m.b.H. für 18.337 österreichische<br />
Gulden (31.172,90 Mark)“ ’ am 2. September<br />
1898 markiert den Beginn der Geschichte<br />
der böhmischen Reismühle.“ * Kurz darauf, am<br />
4. Oktober 1898, erteilten das Handelsministerium<br />
und das Ministerium des Inneren in Wien<br />
dem Industriellen Alfred Escher aus Triest <strong>die</strong><br />
Konzession für <strong>die</strong> „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft®'*’<br />
und genehmigten deren vorgelegte<br />
Statuten. Die größte bürokratische Hürde war<br />
damit genommen. Auch <strong>die</strong> Kommune am Ort<br />
der neuen Fabrik, <strong>die</strong> Gemeinde Obersedlitz,<br />
zeigte sich noch im Oktober erfreut über <strong>die</strong> Industrieansiedlung<br />
und machte eine Reihe von<br />
Zusagen an den Betrieb, unter anderem den Erhalt<br />
der Fahrrinne in der Elbe, den Bau einer<br />
lastentauglichen Straße zur Fabrik sowie den Erlass<br />
von Abwasservorschriften und -gebühren.<br />
Die Betriebsgenehmigung der Gemeinde erfolgte<br />
im Mai 1899 und am 1. November desselben<br />
Jahres begann <strong>die</strong> Produktion. Das Aktienkapital<br />
der „Austria“ betrug 1.200.000 Kronen<br />
( 1.020.000 Mark) in 3.000 Aktien zu 400 Kronen<br />
(340 Mark).<br />
Im Januar 1899 hatte der Bau der Gebäude durch<br />
eine Aussiger Firma auf den <strong>bis</strong> dahin erworbenen<br />
Grundstücken mit einer Gesamtfläche von<br />
18.735 m^ begonnen. Ein halbes Jahr danach<br />
wurden <strong>die</strong> technischen Anlagen bestellt und<br />
eingebaut. Die beiden Dampfmaschinen mit zusammen<br />
500 Pferdestärken kamen aus dem 300<br />
Kilometer entfernten Brünn, <strong>die</strong> Schälanlagen<br />
aus dem fast doppelt so weit entfernten Ottensen<br />
bei Hamburg. Die Einrichtung der Fabrik erfolgte<br />
nach technischen Plänen und durch Mitarbeiter<br />
der Norddeutschen Reismühle m.b.H. Im ersten<br />
Betriebsjahr war der Hamburger Anton Deppe<br />
der Präsident des Verwaltungsrates, Vizepräsident<br />
war Alfred Escher von der Mühle aus Triest,<br />
weitere Mitglieder waren Robert Rickmers für<br />
<strong>die</strong> Rickmers-Reismühle sowie <strong>die</strong> Aussiger Joachim<br />
Lenk und Dr. Vinzenz Lienert, der als Fabrikdirektor<br />
<strong>die</strong> Geschäfte leitete. Als „Subdirektor“,<br />
der nicht dem Verwaltungsrat angehört,<br />
erhielt der ebenfalls in Aussig lebende Georg<br />
Mannes noch Prokura für <strong>die</strong> „Austria“.<br />
Die „Organisationsbestimmungen und Dienstesinstruktionen<br />
für <strong>die</strong> Direktion“ der Reismühle<br />
zeigen, dass in Aussig gar keine eigenständigen<br />
Geschäftsentscheidungen getroffen werden<br />
sollten, sondern dass <strong>die</strong> dortige Fabrik eine<br />
Gründung zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen<br />
der Reismühlen in Bremen, Hamburg<br />
und Triest war:<br />
„Die beiden ersten Beamten der Gesellschaft<br />
[...] bilden gemeinsam <strong>die</strong> Direktion und haben<br />
als solche im gemeinsamen Einverständnisse<br />
<strong>die</strong> [...] Geschäfte des Unternehmens<br />
zu erbringen und zu führen. Diese Direktion<br />
wird in offizieller Form und in regelmäßigen<br />
monatlichen Berichten und Nachweisen <strong>die</strong><br />
Herren Verwaltungsräthe in Hamburg, Bremen<br />
& Triest auf dem Laufenden halten.<br />
Die Nachweise beziehen sich auf Gasse und<br />
Finanzgebahrung, Produktionsverhältnisse<br />
und -kosten derselben Verkaufsquantitäten<br />
und Ablieferungen.<br />
[...] in Fragen prinzipieller Natur, in Angelegenheiten,<br />
welche <strong>die</strong> Gesellschaft zu besonderen<br />
Lasten [...] oder zu finanziellen Verpflichtungen<br />
Dritten gegenüber [...] verbinden<br />
könnte, ist <strong>die</strong> Direktion gehalten <strong>die</strong><br />
Entscheidungen des Verwaltungsrathes einzuholen.<br />
Dass <strong>die</strong> „Austria“ nur unter eigenem Namen<br />
für <strong>die</strong> Mühlen der Rickmers’ arbeitete - es darf<br />
nicht vergessen werden, dass Andreas Rickmers<br />
durch <strong>die</strong> eigene Reismühle sowie durch seine<br />
Teilhaberschaft an der Norddeutschen Reismühle<br />
176
m.b.H. gleich doppelt an der Triester Fabrik beteiligt<br />
war -, zeigte sich auch in dem Verkaufsabkommen,<br />
das am 3. Dezember 1901 zwischen<br />
der Ersten Triester Reisschälmühe und der „Austria“<br />
geschlossen wurde. Darin wurde beschlossen,<br />
dass beide Mühlen, soweit es <strong>die</strong> Konkurrenzverhältnisse<br />
zuließen, ihre Leistungen für<br />
den Absatz gleich konzipierten. In Böhmen,<br />
Mähren und Westgalizien, den Gebieten, <strong>die</strong> von<br />
der „Austria“ beliefert wurden, sollte Reis der<br />
gleichen Qualität verkauft werden, wie sie <strong>die</strong><br />
aus Triest kommende Ware hatte. Für <strong>die</strong> Umsetzung<br />
<strong>die</strong>ses Plans wurde festgelegt, dass Triest<br />
Aussig wöchentlich Kopien der gemeinsamen<br />
Verkäufe zusandte, <strong>die</strong> „Austria“ darüber hinaus<br />
über <strong>die</strong> wahrgenommenen Bedürfnisse des<br />
Marktes hinsichtlich der nachgefragten Reisqualitäten<br />
informierte und zuletzt auch <strong>die</strong> gemeinsamen,<br />
also für beide Mühlen zugleich arbeitenden<br />
Agenten fallweise mit Mustern und Proben<br />
ausstatten würden. Zudem sollten <strong>die</strong><br />
Mühlen an der Elbe und der Adria gegenseitig<br />
<strong>die</strong> Korrespondenzen mit ihren Agenten austauschen.<br />
Dieses Abkommen war also eine Art<br />
Marktabsprache. Unterzeichnende waren Anton<br />
Deppe, der Geschäftsführer der Norddeutschen<br />
Reismühle m.b.H. sowie Präsident des Verwaltungsrates<br />
der „Austria“, Alfred Escher, Vizepräsident<br />
des Verwaltungsrates in Aussig und an<br />
der Geschäftsführung der Ersten Triester Reisschälfabrik<br />
beteiligt, und Georg Ritter von Hütterott,<br />
der ebenfalls zur Reismühle in Triest gehörte.^"<br />
Der „Austria“ gelang es offenbar, sich eine gute<br />
Marktposition zu erarbeiten. 1901 wurde Reisspeisemehl,<br />
das in Österreich-Ungarn relativ unbekannt<br />
gewesen sein soll, beworben und eingeführt.<br />
Im folgenden Sommer entschied sich<br />
der Verwaltungsrat für <strong>die</strong> Einrichtung einer<br />
Schleppbahnanlage, um Rohstoffe und Waren<br />
einfacher vom Kai in <strong>die</strong> Fabrik und zurück<br />
transportieren zu können. Verhandlungen darüber<br />
wurden mit der Österreichischen Nordwestbahn<br />
aber erst aufgenommen, als aus Bremen, also<br />
durch Robert Rickmers oder seinen önkel Andreas,<br />
eine Befürwortung des Projekts signalisiert<br />
worden war. 1903 waren alle Planungshürden<br />
überwunden und der Bau der Schleppbahn<br />
wurde in Angriff genommen. Im gleichen Jahr<br />
standen weitere Veränderungen an. Erwähnenswert<br />
für <strong>die</strong> Verwaltungsratssitzung war <strong>die</strong> Veränderung<br />
der Feuerversicherungsprämien. Diese<br />
sollten deutlich steigen. Nachverhandlungen<br />
brachten am Ende Prämien von 8 Promille des<br />
Wertes für <strong>die</strong> Fabrik, 2,5 Promille für <strong>die</strong> Warenvorräte<br />
und 3 Promille für <strong>die</strong> hölzernen Lagerschuppen.<br />
Der Ausbau der Mühle wurde fortgesetzt<br />
und 1903 auch Mahlwerke für Rollgerste<br />
und Schälerbsen angeschafft. Zu deren Be<strong>die</strong>nung<br />
sowie für <strong>die</strong> gestiegenen Verwaltungsarbeiten<br />
wurde weiteres Personal eingestellt. Auch<br />
in Aussig wurde versucht, das vorhandene Potential<br />
der Fabrik möglichst auszuschöpfen. Dabei<br />
ging es nicht um <strong>die</strong> Verwertung von Mahlabfällen<br />
aus der Reisproduktion. Aber <strong>die</strong> Produktionsmöglichkeiten<br />
der Fabrik und <strong>die</strong><br />
Absatzmöglichkeiten auf dem Getreidemarkt<br />
wurden offenbar stärker ausgereizt durch <strong>die</strong><br />
Aufnahme des neuen Geschäftsfeldes. Zuletzt<br />
wurde beschlossen, eine 1903 stattfmdende Industrie-<br />
und Handelsausstellung in Aussig zu<br />
beschicken und dort zu werben, wenn <strong>die</strong>s in einer<br />
der „Austria“ würdigen Weise und ohne große<br />
Kosten möglich sei. ö b es eine Teilnahme an<br />
der Ausstellung gab, bleibt leider ungeklärt. 1905<br />
folgte ein Anbau für eine maschinelle Schroterei<br />
und Mischanlage.<br />
Ungeachtet der zunehmenden Geschäftstätigkeit<br />
und des Ausbaus der Fabrik blieb der bilanzierte<br />
wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens überschaubar.<br />
Fast in jedem Jahr wurden Verluste<br />
eingefahren, obwohl <strong>die</strong> den Verwaltungsratsmitgliedem<br />
vertragsmäßig zustehende Tantieme<br />
von 25.000 Mark erstmals 1905 ausgezahlt und<br />
durch <strong>die</strong> Bremer Reis- und Handels AG beglichen<br />
wurde (s. Tabelle IV. 2.1, S. 178 oben).<br />
177
Tabelle IV. 2.1, Verluste der „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft in Aussig 1900-1905<br />
f e<br />
Jahr 19 0 0 1 9 0 1 1 9 0 2 1 9 0 3 19 0 4 19 05 ^<br />
*3#<br />
w<br />
V e rlu st<br />
in Kronen<br />
in M a rk<br />
5 3 2 ,9 6 2 0 4 .2 4 3 ,7 3 2 9 4 .2 8 4 ,5 9 3 3 1 .6 8 6 ,6 0 ^ , 1 6 8 .5 0 7 ,3 2<br />
A u sg e g lic h en e<br />
Bilanz<br />
4 5 3 ,0 2 1 7 3 .6 0 7 ,1 7 2 5 0 .1 4 1 ,9 0 2 8 1 .9 3 3 ,6 1 1 4 3 .2 3 1 ,2 2<br />
Tabelle IV. 2.2, Aktionäre und Stimmen der Generalversammlung der „Austria“ Reiswerke-<br />
Actiengesellschaft in Aussig 1904/05<br />
Jahr 1904 1905<br />
><br />
r+o‘<br />
3<br />
QJ:<br />
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> o. X<br />
s: Й ÍR<br />
o‘ ^<br />
Ш; ^<br />
;;î ^<br />
> rsl<br />
g- re<br />
CO<br />
3<br />
3<br />
re 3<br />
4-« re A. Deppe Hamburg 275 11 A. Deppe Hamburg 225 9<br />
tA<br />
Ш<br />
3 A. Escher Triest 425 17 A. Escher Triest 225 9<br />
5 G. Ritter von<br />
> Hütterott<br />
Triest 425 17 H. KalIsen Bremen 25 1<br />
V. Uenert Aussig 25 1 F. Bergener Triest 200 8<br />
V. Uenert Aussig 25 1<br />
unleserlich ?? 50 2 J. Stube Hamburg 25 1<br />
R. Heinze Aussig 50 2 S. Popper Aussig 50 2<br />
.5P ІЛc<br />
G. Mannes Aussig 50 2 R. Heinze Aussig 50 2<br />
а ш C. Hollmann Aussig 50 2 G. Mannes Aussig 50 2<br />
Ф :re<br />
4-> га .9 *-• C. Hollmann Aussig 50 2<br />
^ <<br />
___ _<br />
Summe 1.350 54 925 37
Von einem besonders großen wirtschaftlichen<br />
Erfolg der Schälfabrik in Aussig kann bei <strong>die</strong>sen<br />
Verlusten kaum esprochen werden. Die Frage,<br />
warum <strong>die</strong> Reisverarbeitung trotzdem fortgesetzt<br />
wurde, erschließt sich, wenn man <strong>die</strong> Aktionärsstruktur<br />
des Unternehmens betrachtet. Dafür<br />
werden <strong>die</strong> Protokolle der fünften und sechsten<br />
Generalversammlung der „Austria“, jeweils im<br />
Mai der Jahre 1904 und 1905, herangezogen (s.<br />
Tabelle IV. 2.2, S. 178 untenj.^'^<br />
Betrachtet man <strong>die</strong>se Zahlen nach der Herkunft<br />
der Aktionäre und der Zahl der Stimmen, <strong>die</strong> sie<br />
hielten, zeigt sich eine überwältigende Dominanz<br />
der Stimmen aus Hamburg, Bremen und Triest.<br />
1904 waren aus Hamburg 275 Aktien mit 11<br />
Stimmen und aus Triest 850 Aktien mit 34 Stimmen<br />
auf der Generalversammlung der „Austria“<br />
zugegen. Aus Aussig kamen im besten Fall nur<br />
225 Aktien mit 9 Stimmen (<strong>die</strong> nicht zuzuordnenden<br />
Stimmen werden hier subsummiert). Zu<br />
bedenken bleibt, dass <strong>die</strong> Hamburger Reismühle<br />
auch Teilhaber der Mühle in Triest war und <strong>die</strong><br />
Aussiger Vinzenz Lienert und Georg Mannes<br />
zwar in der „Austria“ angestellt waren, aber <strong>die</strong><br />
Höhe ihrer Bezüge in Hamburg festgesetzt wurde.<br />
Somit hätten in einem Konfliktfall zwischen<br />
den Aktionären in der Generalversammlung<br />
1.200 Aktien und 48 Stimmen auf jeden Fall gemeinsam<br />
im Interesse der Norddeutschen Reismühle<br />
m.b.H. sowie der Ersten Triester Reisschälfabrik<br />
gestimmt, was einer überwältigenden<br />
Mehrheit entsprochen hätte. Ähnlich sah es im<br />
folgenden Jahr aus. Aus den beiden norddeutschen<br />
Hansestädten kamen 275 Aktien mit 11<br />
Stimmen, aus Triest 425 Aktien mit 17 Stimmen,<br />
aus Aussig - und wieder mit der entsprechenden<br />
Einschränkung, dass Georg Mannes und Vinzenz<br />
Lienert aus Hamburg bezahlt wurden - aber nur<br />
225 Aktien mit 9 Stimmen. Die geschäftlichen<br />
Entscheidungen waren also nicht nur durch das<br />
Kooperationsabkommen an <strong>die</strong> Triester Mühle<br />
gebunden, sondern auch durch <strong>die</strong> Aktionärsstruktur.<br />
Dazu kam, dass zur Geldbeschaffung<br />
nicht über <strong>die</strong> Neuausgabe von Aktien beraten<br />
wurde, sondern beispielsweise in der Verwaltungsratssitzung<br />
von 1902 beschlossen worden<br />
war, benötigtes Kapital nach Zustimmung der<br />
Reis- und Handels AG, dem Mutterkonzern der<br />
Norddeutschen Reismühle m.b.H., durch <strong>die</strong><br />
ortsansässige Anglobank-Filiale zu beschaffen.<br />
Mit der Anglobank wiederum war der Triester<br />
Reisfabrikant Alfred Escher eng verbunden, so<br />
dass <strong>die</strong> Geschäfte in Aussig auch von Seiten<br />
der Geldgeber wiederum über Triest gesteuert<br />
wurden.<br />
Vor dem Hintergrund der angeführten Verluste<br />
war gerade <strong>die</strong>se Aktionärsstruktur der Grund,<br />
warum <strong>die</strong> „Austria“ durchaus als erfolgreiches<br />
Unternehmen betrachtet werden kann. Denn <strong>die</strong><br />
Ziele waren nicht nur der reine Gewinn der Aussiger<br />
Mühle. Vielmehr sollte das Potential des<br />
Marktes, der neben der Triester Mühle noch für<br />
eine weitere Mühle Nachfrage hatte, ausgeschöpft<br />
werden. Die Grenzgebiete, besonders<br />
auf der deutschen Seite der Grenze, wurden vor<br />
allem von den österreichischen Mühlen beliefert.<br />
Beteiligten sich Andreas Rickmers und sein<br />
ebenso innerhalb der Firma auf das Reisgeschäft<br />
fokussierter Neffe Robert Rickmers an den Mühlen,<br />
so belieferten sie <strong>die</strong>ses Gebiet nun besser<br />
durch ihre ausländische Firma als durch ihre heimischen<br />
Mühlen in Bremen und Hamburg. Darüber<br />
hinaus konnte ungeschälter Reis im Unterschied<br />
zu Deutschland dort ohne Zollbelastung<br />
eingeführt werden. Zusätzlich konnte<br />
polierter Reis zollfrei nach Deutschland gebracht<br />
werden. Über <strong>die</strong> Beteiligungen an den beiden<br />
Mühlen in Triest und Aussig sparten <strong>die</strong> Rickmers’<br />
also gleich an zwei Stellen und machten<br />
entsprechend bessere Geschäfte, als wenn <strong>die</strong><br />
von dort belieferten deutschen Absatzgebiete mit<br />
höheren Transportkosten von Norddeutschland<br />
aus versorgt worden wären. Noch entscheidender<br />
aber ist, dass der gesamte Reis der „Austria“<br />
durch <strong>die</strong> zum Imperium der Familie Rickmers<br />
gehörende Norddeutsche Reismühle m.b.H. von<br />
Hamburg aus über <strong>die</strong> Elbe geliefert wurde. Somit<br />
war auch der Absatz an Reis in Hamburg<br />
und damit <strong>die</strong> Beschäftigung der Flotte im Reisverkehr<br />
mit Asien zusätzlich gesichert. Dies gipfelte<br />
darin, dass <strong>die</strong> „Austria“ <strong>die</strong> Transportkosten<br />
auf der Elbe <strong>bis</strong> 1905 pauschal mit einem<br />
179
Ші<br />
ÿ v - i<br />
Viertel Prozent des Warenwertes zahlte. Erst danach<br />
wurden nur noch <strong>die</strong> tatsächlich angefallenen<br />
Kosten in Rechnung gestellt. Jegliches Geschäft<br />
mit der „Austria“ war somit schon einmal<br />
unabhängig von Gewinnen und Verlusten der<br />
Aussiger Fabrik ein gutes Geschäft für <strong>die</strong> Protagonisten<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s. Aus Sicht<br />
der Triester Fabrik war das genauso, denn <strong>die</strong>se<br />
gehörte einerseits teilweise zu den deutschen<br />
Mühlen und hatte andererseits auch ein ganz eigenes<br />
Interesse daran, Böhmen und <strong>die</strong> umliegenden<br />
Gebiete selber mit Reis zu beliefern. Der<br />
dortige Markt sollte keinem Konkurrenten zufallen.<br />
Zudem ergab sich mit der Belieferung<br />
der Triester Reisschälfabrik an der Adriaküste<br />
ein weiteres Beschäftigungsfeld für <strong>die</strong> Schiffe<br />
der Rickmers-Rotte. Diese hatte mit dem Einsatz<br />
von Dampfschiffen auch den Suezkanal in ihrer<br />
Fahrtroute und Triest lag damit nahezu auf dem<br />
Weg von Asien nach Norddeutschland.<br />
Ein Nutzen der Beteiligungen in Österreich-Ungarn<br />
war zweifelsohne vorhanden. Dennoch wurden<br />
<strong>die</strong> Verluste offenbar im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen<br />
als Grund genommen, <strong>die</strong><br />
Beteiligungen in Triest und Aussig 1905 zu beenden.<br />
Ab <strong>die</strong>sem Zeitpunkt waren <strong>die</strong> Mühlen<br />
nur noch Konkurrenten für den deutschen und<br />
besonders den grenznahen <strong>Reishandel</strong>.*Bis dahin<br />
galt jedoch, dass „[der] Kapitalexport und<br />
[der] Aufbau von Zweigwerken im Ausland<br />
[...] erlaubte, Rückschläge auf der einen Ebene<br />
der Globalisierung auf der anderen zu kompensieren“.*'“*<br />
Während mit der zunehmenden Internationalisierung<br />
der weltweiten Handelsströme<br />
zunehmend protektionistische Schranken in<br />
Europa aufgebaut wurden, fand Andreas Rickmers<br />
mit den Beteiligungen in Triest und Aussig<br />
vorerst ein Mittel, mit dem der umfangreiche<br />
Handel in Deutschland und <strong>die</strong> entsprechende<br />
Nachfrage nach Reis in Asien aufrechterhalten<br />
werden konnte. Die einzelnen Geschäftsfelder<br />
der Rickmers’ hatten durch <strong>die</strong>se europäischen<br />
Marktverschiebungen durchaus ein sichereres<br />
Auskommen.<br />
Marktverschiebungen führen zu globalem<br />
Investitionsverhalten<br />
Die Reismühle Markwald & Co. in Bangkok<br />
Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Europa immer<br />
mehr Reis eingeführt, der bereits in Asien<br />
geschält worden war. Auf Grund der immer kürzeren<br />
Transportzeiten und der steigenden Qualitäten,<br />
<strong>die</strong> in den asiatischen Mühlen geschält<br />
wurden, konnte <strong>die</strong>ser als Eastern Quality bezeichnete<br />
Reis, ohne dass er verdarb, nach<br />
Europa gebracht und nach einer einfachen Politur<br />
weiterexpe<strong>die</strong>rt oder an <strong>die</strong> europäischen Konsumenten<br />
verkauft werden. Damit einher ging<br />
ein Rückgang der Bedeutung der europäischen<br />
Schälindustrie. Während sich dem europaweiten<br />
Absatz immer mehr Zollschranken entgegenstellten,<br />
bekam <strong>die</strong> Produktion von Reis in den<br />
deutschen Mühlen Konkurrenz durch günstigen,<br />
bereits in Asien geschälten Reis. Als <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG durch <strong>die</strong> Londoner Firma Runge &<br />
Co. erfuhr, dass <strong>die</strong> Reismühle Markwald & Co.<br />
in Bangkok einen Investor suchte, bot sich eine<br />
gute Gelegenheit, um auf ebenjenem Markt Fuß<br />
zu fassen, der das eigene Geschäft in Europa<br />
bedrängte. Siam war nach Birma immerhin der<br />
zweitwichtigste Reislieferant für <strong>die</strong> europäische<br />
Industrie und <strong>die</strong> seit 1884 bestehende Mühle in<br />
Bangkok gehörte zu den bedeutendsten reisverarbeitenden<br />
Fabriken.*'*<br />
Namensgeber der Mühle Markwald & Co. dürfte<br />
der schon bekannte Kaufmann Adolph Markwald<br />
gewesen sein, der sich bereits 1859 über den<br />
ganz frühen <strong>Reishandel</strong> Siams mit Europa brieflich<br />
ausließ, kurz nachdem 1858 eine amerikanische<br />
Firma <strong>die</strong> erste dampfgetriebene Reismühle<br />
Slams eröffnet hatte.*'* Ob Adolph Markwald<br />
1884 noch in Siam weilte und eine eigene<br />
Reisfirma gründete oder sich an einer mehrheitlich<br />
beteiligte und daher Namensgeber wurde<br />
und vor allem wann er <strong>die</strong>ses tat, ist nicht zu rekonstruieren.<br />
Ebenso wenig ließ sich ermitteln,<br />
wie der Verkauf der Fabrik an <strong>die</strong> Besitzer vonstattenging,<br />
<strong>die</strong> dann 1894 an <strong>die</strong> Rickmers AG<br />
verkauften. Da Adolph Markwald aber einer der
ersten deutschen Kaufleute und viele Jahre in<br />
Siam war - „und Ende der sechziger Jahre [des<br />
19. Jahrhunderts] deutsche Kaufleute den Siamreis<br />
in Europa“ einführten®*’ -, ist davon auszugehen,<br />
dass das Handelshaus Markwald Gründer<br />
oder Teilhaber der Fabrik war, <strong>die</strong> nun in den<br />
Besitz der bremischen Reisfirma überging.<br />
Die Besitzer von Markwald & Co., Konsul J.<br />
Wiede und J. J. Riechmann, suchten einen Kapitalgeber<br />
zur Modernisierung der Fabrik. Die<br />
Mühle lag direkt an Siams wichtigster Verkehrsader,<br />
dem Chao Phraya-Fluss (Menam). 1894<br />
übernahm <strong>die</strong> Rickmers AG <strong>die</strong> Mühle in der<br />
Hauptstadt Siams, beließ aber <strong>die</strong> früheren Besitzer<br />
in der Geschäftsführung des Unternehmens.<br />
Einerseits hatten sie höchstwahrscheinlich<br />
bessere Kenntnisse des Reismarktes vor Ort, andererseits<br />
wollte Andreas Rickmers keine große<br />
Aufmerksamkeit auf <strong>die</strong> neue Mühle der Rickmers<br />
AG lenken, weil <strong>die</strong>se nun nicht nur zum<br />
Konkurrenten der eigenen Mühlen in Bremen<br />
und Hamburg wurde, sondern auch zum Wettbewerber<br />
aller weiteren deutschen Mühlen im<br />
hart umkämpften Reisgeschäft. Zuerst wurden<br />
Kesselanlagen, Mahl- und Schälwerke erneuert<br />
und <strong>die</strong> Fabrik so modernisiert, dass sie Reis in<br />
einer Qualität hersteilen konnte, der in Europa<br />
zum Verkauf an <strong>die</strong> Konsumenten geeignet war.<br />
Außerdem wurde zur Verwertung der Reste und<br />
Abfälle des Schälvorgangs eine Anlage zur Stärkeproduktion<br />
eingerichtet. Erstmals seit dem Ende<br />
der Stärkefabrik in Hannoversch Münden verkauften<br />
<strong>die</strong> Rickmers’ somit auch wieder Reisstärke<br />
und machten damit ab Bangkok ein gutes<br />
Geschäft.®*® Nach der Modernisierung konnten<br />
wöchentlich <strong>bis</strong> zu 500 Tonnen Cargoreis und<br />
<strong>bis</strong> zu 300 Tonnen weißer Reis hergestellt werden.<br />
Dafür arbeiteten in der Fabrik zwölf europäische<br />
leitende Angestellte und <strong>bis</strong> zu 500 Siamesen.<br />
Damit war <strong>die</strong> Fabrik Markwald & Co.<br />
der größte Mühlenbetrieb in Siam.®'®<br />
Der Betrieb einer Reismühle durch Deutsche<br />
war Ende des 19. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit,<br />
denn immer mehr Reisindustrielle<br />
waren Asiaten, vornehmlich Chinesen. Markwald<br />
& Co. war sogar <strong>die</strong> einzige Reismühle Siams<br />
in europäischem Besitz und zudem dreimal<br />
leistungsfähiger als <strong>die</strong> nächstgrößten Mühlen.®’*<br />
1880 gab es in Bangkok zwölf Reismühlen, deren<br />
Zahl <strong>bis</strong> 1925 auf 84 Mühlen wuchs. Damit<br />
gehörte <strong>die</strong> 1884 gegründete Fabrik von Markwald<br />
& Co. also immer noch zu den ersten Mühlen,<br />
war bei weitem aber nicht <strong>die</strong> einzige im<br />
Reiszentrum Siams. Mit dem Wachstum der<br />
Reisindustrie in Bangkok sank <strong>die</strong> Bedeutung<br />
westlicher Firmen ebendort:<br />
“Although western firms dominated the first<br />
phase of the rice trade, this domination did<br />
not last. Former junk traders and tax-farmers<br />
discovered it was not difficult to buy the machinery<br />
and hire a Scottish or German engineer<br />
to mn it. [...] By 1912, there were 50<br />
rice mills owned by Chinese, and by 1925,<br />
only one of the 84 rice mills was westernowned.”®’*<br />
Mit der Übernahme und Modernisierung von<br />
Markwald & Co. war es Andreas Rickmers gelungen,<br />
nicht nur auf einem an Bedeutung zunehmenden<br />
Markt Fuß zu fassen, sondern auch<br />
eine wichtige Marktposition in Bangkok zu erlangen.<br />
Und das, während <strong>die</strong> Bedeutung der<br />
westlichen Händler auf dem Reismarkt Siams<br />
rückläufig war. So wie <strong>die</strong> Rickmers AG begann,<br />
in europäischen Ländern zu investieren, wo sie<br />
wegen Zollschranken nicht mehr den Konsumentenmarkt<br />
beliefern konnte, fing sie an, in<br />
asiatischen Ländern Reis zu schälen, weil sie<br />
den Reis der dortigen Mühlen nicht mehr von<br />
Europa fernhalten konnte. Mit der Investition in<br />
Siam setzten <strong>die</strong> Rickmers’ auch <strong>die</strong> eigenen<br />
Mühlen verschärft unter Druck. Neben der Partizipation<br />
an einem wachsenden Geschäftsfeld<br />
dürften aber <strong>die</strong> Vorteile der neuen Mühle in<br />
Bangkok Auslöser der Investitionen gewesen<br />
sein. Die Auslastung fast aller Teile der Rickmers<br />
AG stieg an. Die Flotte war in der Reissaison<br />
noch besser ausgelastet und eine sichere und<br />
planbare Einnahmequelle für <strong>die</strong> Reederei, <strong>die</strong><br />
viele Monate mit der unsicheren Trampschifffahrt<br />
beschäftigt war. Zudem, so weist Leonhard<br />
hin, wurden für den Betrieb in Bangkok Leichter<br />
gebraucht, was zu Aufträgen für <strong>die</strong> Rickmers-<br />
181
Werft hätte führen können. In den Baulisten der<br />
Werft tauchen jedoch keine Bauten auf, <strong>die</strong> explizit<br />
für Bangkok bestimmt waren. Nur der 1896<br />
gebaute Fischdampfer L a n g e o o g , <strong>die</strong> Baunummer<br />
95, wurde an Markwald & Co. verkauft.“ ^<br />
Das Jahr des Verkaufs ist nicht bekannt, lag aber<br />
vermutlich zwischen 1896 und 1907. Ebenso<br />
wenig ist der Einsatz des Dampfers dokumentiert.<br />
Es ist gut vorstellbar, dass der Fischdampfer<br />
als Schleppdampfer für <strong>die</strong> Reisschuten der<br />
Mühle eingesetzt wurde. Über Fischerei durch<br />
<strong>die</strong> Firma Markwald & Co. ist zumindest nichts<br />
bekannt. Mit einer Fabrik in Bangkok, <strong>die</strong> auch<br />
in großen Mengen Reis der Eastern Qualities<br />
produzierte, konnte <strong>die</strong> Rickmers AG nun auch<br />
leichter im an Bedeutung gewinnenden innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong> teilnehmen.<br />
Internationale Beteiligungen der Rickmers AG<br />
Die Beteiligungen der Rickmers AG in Hamburg,<br />
Triest, Aussig und Bangkok hatten einige Gemeinsamkeiten.<br />
Sie betrafen ausnahmslos das<br />
Reisgeschäft, das inzwischen den Kern der Rickmers’schen<br />
Unternehmungen ausmachte. Zudem<br />
wurden immer Märkte erschlossen, <strong>die</strong> von der<br />
heimischen Mühle in Bremen nur noch sehr eingeschränkt<br />
beliefert werden konnten. Zuletzt<br />
<strong>die</strong>nten sie immer auch der weiteren Auslastung<br />
des Reedereibetriebs. Über <strong>die</strong> beschriebenen<br />
Auslandsinvestitionen hinaus gab es aber noch<br />
eine Reihe weiterer internationaler Beteiligungen<br />
der Rickmers AG.<br />
„IM ALLGEMEINEN gravitieren über<strong>die</strong>s<br />
<strong>die</strong> Interessen der Firma vorwiegend nach<br />
Ostasien durch ihre namhaften Beteiligungen<br />
an dortigen groesseren Unternehmungen,<br />
u. A. Petroleum Quellen auf Borneo (Shell<br />
Trading Co.); Quecksilber Minen in der Provinz<br />
Kwei-chou (CHINA); Baumwollspinnereien<br />
in Cochinchina, Seidenspinnereien in<br />
China, Reismühlen in Saigon, Bangkok,<br />
Triest, Aussig & Hamburg u.a.m.-““ ^<br />
Wie es zu den verschiedenen Beteiligungen kam,<br />
und aus welchen Motiven, ist nicht zu rekonstruieren.<br />
Ein Zusammenhang mit dem deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> ist bei all <strong>die</strong>sen Beteiligungen<br />
nicht zweifelsfrei nachzuweisen.<br />
Die Petroleum-Quellen wurden von der Shell<br />
Transport and Trading Company erschlossen.<br />
Die Familie Rickmers besaß ein Aktienpaket<br />
<strong>die</strong>ser Gesellschaft. Die englischen Brüder Sam<br />
und Marcus Samuel betrieben im 19. Jahrhundert<br />
zwischen England und Japan sowie dem gesamten<br />
Eemen Osten <strong>bis</strong> nach Russland ein Handelsgeschäft.<br />
In erster Linie exportierten sie Maschinenanlagen,<br />
Textilien und Werkzeuge nach<br />
Asien, im Gegenzug führten sie Seide, Porzellan,<br />
Kupferarbeiten und Reis nach Europa ein. In<br />
den Petroleumhandel stiegen <strong>die</strong> Brüder um<br />
1880 ein und waren 1892 <strong>die</strong> Ersten, <strong>die</strong> ein reines<br />
Tankschiff, einen Dampfer, durch den Suezkanal<br />
schickten. Sie nannten ihr Unternehmen<br />
nun The Tank Syndicate, bevor daraus 1897 <strong>die</strong><br />
Shell Transport and Trading Company wurde.<br />
Andreas Rickmers gehörte dem Aufsichtsrat von<br />
Shell an.®^“* Es bieten sich nun zwei Verbindungen<br />
zwischen Andreas Rickmers und dem<br />
Petroleumgeschäft an. Zum einen hatte Letztgenannter<br />
im Auftrag des Vaters und zur Beschäftigung<br />
der Reederei 1876 versucht, ein Abkommen<br />
mit dem Bremer Petroleumimporteur<br />
Wilhelm Anton Riedemann®^^ zu schließen. Diese<br />
Verbindung zum Petroleumgeschäft ist aber<br />
nicht nur zeitlich eher unbedeutend. Eher vorstellbar<br />
ist, dass sich <strong>die</strong> Rickmers AG und das<br />
Handelshaus der Samuels aus dem Reisgeschäft<br />
kannten, da <strong>die</strong>se auch Reis als Rückfracht von<br />
Asien nach Europa brachten. Wie es zur Beteiligung<br />
der Rickmers AG an der Shell Transport<br />
and Trading Company kam, ist abschließend<br />
nicht zu klären.<br />
Die Quecksilberminen in China und <strong>die</strong> Seidensowie<br />
Baumwollspinnereien waren wohl eher<br />
unbedeutend. In Jubiläumsschriften und Veröffentlichungen<br />
der Rickmers AG wurden sie nie<br />
thematisiert. Eventuell waren <strong>die</strong>se Beteiligungen<br />
ähnlich wie <strong>die</strong> erste Beteiligung an einer<br />
Reismühle ein Versuch gewesen, das Reedereigeschäft<br />
in der Fahrt von Asien nach Europa zu<br />
beleben und wurden nur nie so stark ausgebaut<br />
wie das Reisgeschäft. Ebenso gut ist aber denk-
ar, dass es sich einfach nur um kleinere Geldanlagen<br />
handelte.<br />
Sehr interessant ist <strong>die</strong> Angabe, dass <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG eine Reismühle in Saigon betrieb. Tatsächlich<br />
ist <strong>die</strong>s der einzige Hinweis überhaupt,<br />
dass es eine von Deutschen betriebene Reismühle<br />
östlich von Bangkok gab. Zudem wäre mit einer<br />
Mühle in Saigon davon auszugehen, dass<br />
<strong>die</strong> Rickmers AG - und damit also der deutsche<br />
<strong>Reishandel</strong> - stärker als gedacht im innerasiatischen<br />
Reisgeschäft aktiv war. Saigon hatte als<br />
Exporthafen für Europa keine große Bedeutung,<br />
war aber ein Handelsplatz, der in den innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong> gut eingebunden war. Auch<br />
wenn <strong>die</strong> Mühle in Saigon einzig in <strong>die</strong>ser einen<br />
Quelle genannt wird, ist sie von hoher Wichtigkeit.<br />
Der deutsche <strong>Reishandel</strong> war über den<br />
gesamten Untersuchungszeitraum ein weltweit<br />
verflochtener Handel. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />
war <strong>die</strong> Rolle des deutschen <strong>Reishandel</strong>s<br />
jedoch immer stärker darauf beschränkt,<br />
asiatischen Reis zu veredeln und ihn innerhalb<br />
Europas, nach Mittelamerika und nach Südamerika<br />
zu exportieren. Den innerasiatischen Handel<br />
bestimmten hingegen zunehmend asiatische<br />
Händler. Eine Mühle in Saigon wäre daher ein<br />
interessantes und einschränkendes Moment <strong>die</strong>ser<br />
Entwicklung gewesen.<br />
Tabelle IV. 2.3, Internationale Beteiligungen der Rickmers AG 1898*’“<br />
31. Dec. 1898<br />
Firma W ährung<br />
Betr. Cap. uns. d arau f eingestellt B rutto Gewinn . .<br />
Anth. <strong>bis</strong> h eu te uns. Anth. ^ ^<br />
N ettogew inn<br />
uns. Anth.<br />
V erlust uns.<br />
Anth.<br />
1. Centrale Bremen RM <strong>die</strong>se heil. Abschluß<br />
2. Rhederei Bhv. RM 1.389.200 1.274.500 114.700<br />
3. Werft Bhv. RM 23.638 59.465 35.827<br />
4. Union Münd. RM 100.000 21.500 22.700<br />
5. Oberweserfahrt RM 563.000 28.000 ~ 13.000<br />
6. Nordd. Reismühle RM 700.000 335.000 32.000 303.000<br />
7. Austria Reiswerke Kronen 360.000 ???<br />
8. Shell Transport &<br />
Trading Co.<br />
9. Mark\A/ald & Co.<br />
Bangkok<br />
10. Soychee Cotton<br />
Mill<br />
11. Touking Cotton<br />
Mill<br />
12. Cochin China<br />
Cotton Mill<br />
13. Rickmers Jangtse<br />
Linie<br />
14. China<br />
Küstenfahrt<br />
RM 1.200.000 Actien 6% Divid. 7.200<br />
£ 20.000 1.500<br />
£ ! 5.000 5.000 3% Divid. 150<br />
£ 1.000 1.250<br />
£ 20.250 6.250<br />
muß Bremerhaven wissen<br />
183
:il<br />
Zuletzt gab es 1903 noch eine Auslandsinvestition<br />
in Rumänien, <strong>die</strong> schon unter dem Namen<br />
der Reis- und Handels AG getätigt wurde. Ähnlich<br />
wie in Triest und Aussig sollte mit einer<br />
Mühle in Brada, einer Stadt in der Nähe des<br />
Schwarzen Meeres, ein Markt zugleich neu erschlossen<br />
und verteidigt werden. Über <strong>die</strong> Mühle<br />
in Brada gibt es auch nur wenige Informationen“<br />
^, immerhin nahm <strong>die</strong> Riseria Romana Societata<br />
in Brada, <strong>die</strong> ebenso wie <strong>die</strong> Mühle in<br />
Aussig Gerste putzte und Graupen herstellte,<br />
eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Denn<br />
„neue rumänische Tarife gewährten mancherlei<br />
Vorteile; dortige Regierungsstellen hatten <strong>die</strong><br />
Gründung unterstützt, <strong>die</strong> Stadt Brada sogar das<br />
Gelände kostenlos zur Verfügung gestellt“.“ *<br />
3. Industrie- und Handelsausstellungen<br />
Weltausstellungen seit 1851<br />
Die erste Weltausstellung gab es 1851 in London.<br />
Weltausstellungen waren große internationale<br />
Gewerbeschauen, <strong>die</strong> technische Neuheiten für<br />
Handel und Industrie zeigten. Diese Ausstellungen<br />
hingen eng mit der Hochphase der industriellen<br />
Revolution und der Technisierung der<br />
menschlichen Lebens weiten zusammen. Daher<br />
war es fast folgerichtig, dass <strong>die</strong> erste als Weltausstellung<br />
bezeichnete Industrieschau in England,<br />
dem Mutterland der Dampfmaschine und<br />
der industriellen Revolution, stattfand.<br />
Eine globalisierte, vernetzte und auf vielen Ebenen<br />
durch ihre Verflechtungen voneinander abhängige<br />
Weltwirtschaft war einer der Gründe für<br />
<strong>die</strong> Weltausstellungen und deren Entwicklungen<br />
im Lauf des 19. Jahrhunderts. Einerseits wurden<br />
<strong>die</strong> nationalen Traditionen, Kulturen und auch<br />
wirtschaftlichen Leistungen in Konkurrenz zu<br />
den anderen Handelsnationen gezeigt, andererseits<br />
sollten der Handel und der industrielle Eortschritt<br />
in ihren Wechselbeziehungen bestärkt<br />
werden.<br />
„Basierend auf Liberalismus und Ereihandel,<br />
schrankenloser internationaler Konkurrenz<br />
und der optimistischen Idee eines evolutionären<br />
Zivilisationsfortschritts, zielten <strong>die</strong>.<br />
Weltausstellungen darauf, sowohl einen Überblick<br />
als auch einen Vergleich der neuesten<br />
industriellen Entwicklungen und eine Kommunikation<br />
zwischen den Unternehmern und<br />
Händlern zu ermöglichen sowie durch <strong>die</strong><br />
Steigemng des Absatzes wirtschaftlichen Nutzen<br />
zu realisieren.<br />
Der Charakter der Weltausstellungen und anderer<br />
großer Handels- und Gewerbeschauen veränderte<br />
sich im Lauf der Geschichte. Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
ging es vornehmlich um <strong>die</strong> Eörderung<br />
von Handel und Wirtschaft. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />
ist auch zu verstehen, dass <strong>die</strong> Rickmers-Werft<br />
1855 in Paris ein Modell der I d a<br />
Z ie g l e r ausstellen durfte. Nur solvente Unternehmen<br />
mit einem guten Ruf wurden von den<br />
Handwerkskammern zu den Weltausstellungen<br />
geschickt. Das Exponat der Bremer Werft wurde<br />
mit einer Bronzemedaille II. Klasse ausgezeichnet.^^®<br />
Dieser Medaille kam besondere Bedeutung<br />
zu. Einerseits, weil der deutsche Schiffbau<br />
international kaum konkurrenzfähig war und <strong>die</strong><br />
Leistung der Rickmers-Werft umso höher einzuschätzen<br />
ist, andererseits, weil nur <strong>die</strong> Medaillen<br />
von Ausstellungen einen bleibenden Werbewert<br />
für <strong>die</strong> Unternehmen besaßen.<br />
Mit dem Ende des Glaubens an den Ereihandel,<br />
dem stärker werdenden Protektionismus in der<br />
Handelspolitik und dem beginnenden Imperialismus<br />
wurde <strong>die</strong> Ausrichtung von Weltausstellungen<br />
mehr ein nationales oder gar nationalistisches<br />
Anliegen und war weniger Ausdruck von<br />
reinem Interesse an Handel und Industrie. Damit<br />
wurden <strong>die</strong> Ausstellungen zu gesellschaftlichen<br />
und kulturpolitischen Ereignissen.“ '<br />
Die Nordwestdeutsche Gewerbe-, Industrie-,<br />
Handels-, Marine-, Hochseefischerei und<br />
Kunstausstellung 1890 in Bremen<br />
1890 gab es in Bremen eine große Ausstellung<br />
nach dem Vorbild der Weltausstellungen. Bereits<br />
1876 hatte es Pläne gegeben, eine große Gewerbe-<br />
und Industrieschau in Bremen abzuhalten,<br />
<strong>die</strong> jedoch keine abschließende Umsetzung er-<br />
184
fuhren. 14 Jahre später gab es eine ganze Reihe<br />
von Vorzeichen, <strong>die</strong> den neuen Anlauf zu einer<br />
großen Ausstellung in Bremen Erfolg bescherten.<br />
Nach dem Zollanschluss Bremens war <strong>die</strong> Stadt<br />
bemüht, sich im In- und Ausland als Hafen für<br />
Deutschland zu profilieren. Mit der Weserkorrektion<br />
und den kurz zuvor neu eingeweihten<br />
Freihäfen blühte der Überseehandel. Zugleich<br />
gab es durch den Zollanschluss einen Industrialisierungsschub<br />
in Bremen, das aus Handelssicht<br />
enger mit dem Umland und dem deutschen Binnenmarkt<br />
zusammen wuchs. Die Pläne für eine<br />
Gewerbeschau erhielten umfangreiche Zustimmung<br />
aus der Politik, der Wirtschaft und der Bevölkerung.<br />
Die Ausstellung erhielt vom Senat<br />
den Status einer juristischen Person zugebilligt.<br />
Der im Gegenzug geforderte Garantiefonds über<br />
300.000 Mark wurde vielfach überzeichnet und<br />
wuchs so auf 539.350 Mark an.^^^ An der im<br />
Bürgerpark abgehaltenen Ausstellung waren neben<br />
der Freien Hansestadt Bremen noch <strong>die</strong> Provinz<br />
Hannover und das Großherzogtum Oldenburg<br />
beteiligt, was den Namen erklärt und zu<br />
dem Charakter einer Nationalausstellung beitrug.<br />
Allein 143 Sonderzüge aus Hamburg und Hannover<br />
brachten Besucher in den Bürgerpark.<br />
„Dieses Ausstellungsereignis war nicht nur in<br />
aller Bremer Munde, sondern <strong>die</strong> Stadt stand<br />
ohne Übertreibung im Zeichen <strong>die</strong>ser großen<br />
Werbeschau.<br />
Es kamen in Bremen auf 37,5 Hektar, immerhin<br />
zwei Drittel der Ausstellungsfläche von der Weltausstellung<br />
in Paris von 1889, insgesamt 1.089<br />
Aussteller zusammen. Einer <strong>die</strong>ser Aussteller im<br />
heimischen Bremen war <strong>die</strong> Reismühle Gebrüder<br />
Nielsen. Reis wurde mit den anderen großen und<br />
wirtschaftlich bedeutenden Stapelartikeln des<br />
Überseehandels, Baumwolle, Wolle, Tabak, Getreide,<br />
Petroleum und Kaffee, in einer eigenen<br />
Sonderausstellung gezeigt. Eür all <strong>die</strong>se Güter<br />
war Bremen ein wichtiger Umschlagplatz, für<br />
Tabak und Reis sogar der weltgrößte Handelsplatz.^’“*<br />
Die Ausstellung von Kolonialwaren verdeutlicht<br />
nicht nur den Charakter einer nationalen Leistungsschau,<br />
den <strong>die</strong> Ausstellung 1890 hatte, sondern<br />
eben auch den engen Zusammenhang Bremens<br />
mit dem deutschen Überseehandel. Anfang<br />
1890 schuf Andreas Rickmers als Experte für<br />
Reis <strong>die</strong> Verbindung zwischen der Ausstellung<br />
und der deutschen Kolonialpolitik in Togoland,<br />
dem heutigen Togo, und Teilen Ghanas, wo in<br />
kleinen Mengen Trockenreis angebaut wurde.<br />
Über den preußischen Generalkonsul in Bremen,<br />
Eriedrich Wilhelm Delius, ein im Handel mit<br />
Südamerika tätiger Kaufmann, erhielt Rickmers<br />
<strong>die</strong> Bitte zur Bewertung der Qualität eines Büschels<br />
Reis aus Togoland. Im Januar 1890 teilte<br />
der Bremer Reishändler dem preußischen Generalkonsul<br />
„ergebenst mit, daß wir uns nach<br />
dem Augenschein ein Urtheil über den Werth<br />
nicht bilden können“, weil für eine Bewertung<br />
der Qualität eine Menge „Reiskörner nicht kleiner<br />
als 1 Kilo“ begutachtet werden müsste.“ ^<br />
Der Bremer Afrikakaufmann Eriedrich Karl Victor,<br />
der 1888 in Togoland eine Handelsniederlassung<br />
gegründet hatte, gab Delius ein weiteres<br />
Gutachten ab und fand <strong>die</strong> Proben für ein Urteil<br />
ebenfalls zu klein. Das Ergebnis <strong>die</strong>ser Kontakte<br />
führte jedoch dazu, dass nach Vorschlag von Andreas<br />
Rickmers in Berlin angefragt wurde, ob<br />
der Reis aus Togo nicht in Bremen ausgestellt<br />
werden könnte;<br />
„Beide Eirmen [Rickmers und Victor] finden<br />
<strong>die</strong> Proben zu klein, um sich ein Urtheil über<br />
den Werth derselben bilden zu können. Herr<br />
Rickmers hat dem Generalkonsul Victor gegenüber<br />
den Wunsch geäußert, es möchten<br />
ihm <strong>die</strong> Reisproben, behufs Verwendung in<br />
der Handelsprodukten-Abtheilung der in <strong>die</strong>sem<br />
Sommer zu Bremen stattfmdenden Handelsausstellung,<br />
auf welche sich mein Bericht<br />
vom 21. d.M. - S.B. 302 - bezog, überlassen<br />
werden. Ich gestatte mir <strong>die</strong> Gewäluung <strong>die</strong>ses<br />
Wunsches zu befürworten, und darf Eure<br />
Durchlaucht behufs eventueller Benachrichtigung<br />
der Eirmen um [...] Weisung bitten.““ ^<br />
Der Absender <strong>die</strong>ses Briefes nach Berlin ist nicht<br />
zu ermitteln, <strong>die</strong> Antwort blieb jedoch nicht aus<br />
und ging an den kaiserlichen Kommissar von<br />
Togoland, Jesko von Puttkammer. Dem Ansinnen<br />
Andreas Rickmers’ wurde stattgegeben und der<br />
185
■■ì'<br />
Reis durfte in Bremen ausgestellt werden, soweit<br />
<strong>die</strong> Proben sich „in einem wohl erhaltenen Zustande<br />
befinden und von einigermaßen guter<br />
Qualität sind, damit nicht eine abfällige Kritik<br />
hervorgerufen wird“.*^’<br />
Andreas Rickmers wurde als Gutachter für Reis<br />
aus Togo herangezogen, weil er der größten deutschen<br />
Reisfirma Vorstand und einen sehr guten<br />
Ruf genoss. Nicht zufällig druckte 1889 das Müllereifachorgan<br />
Die Mühle eine Kurzmeldung aus<br />
einer japanischen Zeitung ab: „Reisschälmühlen.<br />
Ein japanisches Blatt schreibt: Die anerkannt<br />
beste Reismühle der Welt, welche 750.000 Koku<br />
(6 Koku gleich 1Tonne) im Jahr schält ist <strong>die</strong>jenige<br />
des Herrn Rickmers, Bremen, Deutschland.““<br />
®Die Expertise Bremer Reishändler und<br />
Reismüller überrascht nicht, weil <strong>die</strong> weltweit<br />
führende Marktstellung wenige Jahre zuvor nicht<br />
nur durch großen Einsatz, sondern auch auf<br />
Grund der Verarbeitungsqualität der bremischen<br />
Mühlen von der englischen Reisindustrie übernommen<br />
worden war. Da erstaunt es genauso<br />
wenig, dass <strong>die</strong> Reismühle Nielsen zu den Unternehmen<br />
gehörte, <strong>die</strong> mit einer Goldmedaille<br />
ausgezeichnet wurden. Zudem gehörte <strong>die</strong> Stärkefabrik<br />
der Hoffmanns in Salzuflen mit ihren<br />
engen geschäftlichen und personellen Bindungen<br />
nach Bremen zu den goldprämierten Unternehmen.Die<br />
Medaillen von Ausstellungen und<br />
Gewerbeschauen hatten national und international<br />
einen hohen bleibenden Werbewert - der positiv<br />
besetzte Begriff „Made in Germany“ entstand<br />
schließlich genau im Zeitalter der Weltausstellungen.<br />
ln Bremen hatte sich das Komitee<br />
der Ausstellung von 1890 bewusst gegen einen<br />
inflationären Einsatz von Medaillen entschieden.<br />
Es sollten insgesamt nur 25 Goldmedaillen verliehen<br />
werden. Am Ende wurden es doch 29,<br />
was Goldmedaillen für 2,5 Prozent der Aussteller<br />
gleichkam. Zusätzlich wurden 13 Ehrenmedaillen<br />
vergeben (1,1 Prozent), 141 Silbermedaillen<br />
(12,2 Prozent) und 258 Bronzemedaillen (22,4<br />
Prozent).^“ Bei so wenigen Goldmedaillen waren<br />
<strong>die</strong> beiden Auszeichnungen für <strong>die</strong> Reis- beziehungsweise<br />
Reisstärkeindustrie ein hervorragendes<br />
Ergebnis.<br />
186<br />
Die Werbewirkung einer Medaille war auch der<br />
Rickmers AG bewusst. Eine in der zweiten Hälfte<br />
der 1880er Jahre verfasste Werbeschrift für<br />
Reisfuttermehl von Rickmers ziert auf der Titelseite<br />
der Abdruck von gleich sechs Medaillen<br />
verschiedener Ausstellungen. Diese stammten<br />
von der Internationalen Landwirtschaftlichen<br />
Ausstellung in Bremen 1874, der Allgemeinen<br />
Land- und Eorstwirtschaftlichen Ausstellung zu<br />
Hannover 1881 oder auch der Landwirtschaftlichen<br />
Landesausstellung in Zwickau 1882. Zwei<br />
Medaillen waren mit der Gravur „Für hervorragende<br />
Leistung“ versehen, auf der Bremer Medaille<br />
von 1874 hieß es „Dem Ver<strong>die</strong>nste um <strong>die</strong><br />
Landwirthschaft“.“ ' Die Verbindung des eigenen<br />
Produkts mit den Prämierungen von Ausstellungen<br />
versah das beworbene Reisfuttermehl mit<br />
dem unschätzbaren Wert eines vermeintlich unabhängigen<br />
und positiven Urteils.<br />
Die Teilnahme der Reismühle Gebrüder Nielsen<br />
und der Einbezug von Reis aus einer deutschen<br />
Kolonie durch Andreas Rickmers bei der Nordwestdeutschen<br />
Gewerbe- und Industrieausstellung<br />
1890 in Bremen zeigen, dass der deutsche<br />
<strong>Reishandel</strong> sein Zentrum in Nordwestdeutschland<br />
hatte und ihm zeitgenössisch zugleich eine herausgehobene<br />
Stellung in der weltweit vernetzten<br />
bremischen Wirtschaft zugewiesen wurde.<br />
4. Personelle Netzwerke im <strong>Reishandel</strong><br />
Der deutsche <strong>Reishandel</strong> wurde in seiner vielschichtigen<br />
Entwicklung zwischen <strong>1850</strong> und<br />
<strong>1914</strong> und trotz der unterschiedlichen wirtschaftlichen<br />
und politischen Räume, in denen er stattfand,<br />
oft durch persönliche Bindungen der beteiligten<br />
Akteure bestimmt. Dabei gab es starke<br />
familiäre Bezüge innerhalb der einzelnen Firmen,<br />
darüber hinaus aber auch Verbindungen<br />
zwischen den politischen Akteuren auf den asiatischen<br />
Märkten und den deutschen Händlern,<br />
zwischen den Bremer Unternehmen und Bremern,<br />
<strong>die</strong> unter fremder Flagge im <strong>Reishandel</strong><br />
aktiv waren, oder auch personelle Netzwerke<br />
zwischen den einzelnen Zweigen der reisverarbeitenden<br />
Industrie.
Familientraditionen im deutschen <strong>Reishandel</strong><br />
Ein Blick auf <strong>die</strong> Leitungsstmkturen der Familie<br />
Rickmers zeigt beispielhaft, dass in Familienunternehmen<br />
des 19. Jahrhunderts der familiäre<br />
Zusammenhang für <strong>die</strong> Besetzung von leitenden<br />
Positionen von größerer Bedeutung war als familienfremde<br />
Expertise. Das erklärt sich aus der<br />
Entstehungsgeschichte des Unternehmens. Im<br />
frühen 19. Jahrhundert waren Arbeitsbiographien<br />
wie <strong>die</strong> des Rickmer Ciasen Rickmers nicht ungewöhnlich.<br />
Vom seefahrenden Schiffszimmermann<br />
zum Schiffbauer war es kein weiter Weg,<br />
ebenso wenig vom Werftbesitzer zum Partenreeder.<br />
Schon weiter war der Schritt vom Reeder<br />
zum Reiskaufmann. Die dynamische Entwicklung<br />
des Schiffbaus im Weserraum <strong>bis</strong> zur Jahrhundertmitte<br />
und <strong>die</strong> Offenheit des neu entstehenden<br />
globalen Reisgeschäfts boten <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
sich relativ leicht Expertenwissen und<br />
eine gute Marktstellung anzueignen, weil <strong>die</strong><br />
Märkte noch nicht personell und strukturell fest<br />
etabliert waren. Als <strong>die</strong> Geschäftsführung mit<br />
dem Tod des Firmengründers an <strong>die</strong> nächste Generation<br />
weitergegeben wurde, sah das schon etwas<br />
anders aus. Nur Andreas Rickmers hatte<br />
wie der Vater eine handwerkliche Ausbildung<br />
erhalten und im Unternehmen <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Geschäftsfelder kennengelernt. Peter Rickmers<br />
war schon weniger Generalist und repräsentierte<br />
das Familienuntemehmen in erster Linie. Der<br />
jüngste Bruder, Wilhelm Rickmers, hatte <strong>die</strong> geringste<br />
geschäftliche Erfahrung und ihm war weder<br />
bei der Geschäftsführung der Stärkefabrik<br />
in Hannoversch Münden noch in der Leitung<br />
der Bremer Reismühle dauerhafter Erfolg vergönnt<br />
gewesen. Dennoch sollten alle drei Brüder<br />
das Unternehmen gleichberechtigt leiten. Ein<br />
erster Schritt, Verantwortung an Experten, <strong>die</strong><br />
nicht der Familie angehörten, abzugeben, war<br />
<strong>die</strong> Erteilung von Prokura an drei leitende Angestellte<br />
bei der Umwandlung des Unternehmens<br />
in eine Aktiengesellschaft. Andererseits waren<br />
drei weitere entscheidungsberechtigte Angestellte<br />
in einem so großen Betrieb sicherlich auch<br />
den organisatorischen Notwendigkeiten geschuldet.<br />
Erst 1910, als <strong>die</strong> Rickmers AG im Rahmen<br />
einiger familieninterner Zwistigkeiten und wirtschaftlicher<br />
Schwierigkeiten unter massiven Problemen<br />
litt, kam es zu Umstrukturierungen in<br />
der Firmenleitung. Erstmals wurden mit dem Juristen<br />
Heinrich Wuppesahl und dem Direktor<br />
der Dampfschifffahrts-Gesellschaft „Neptun“,<br />
August Nolze, zwei familienfremde Personen<br />
auf Grund ihrer Expertise in den Aufsichtsrat<br />
und damit in <strong>die</strong> Leitung der Rickmers AG berufen.<br />
Ein ebenso starker Familienbezug findet sich in<br />
der Historie der Firma Gebrüder Nielsen, <strong>die</strong><br />
ebenfalls zu den großen Reismüllem in Bremen<br />
gehörte. Der Gründer und Geschäftsführer Friedrich<br />
Carl Ferdinand Nielsen hatte zwischen 1855<br />
und 1879 alle vier Söhne als Teilhaber in <strong>die</strong><br />
Firma auf genommen. Mit der Umwandlung zu<br />
einer Aktiengesellschaft bildeten sie, vergleichbar<br />
mit den Rickmers’, Aufsichtsrat und Vorstand<br />
des Unternehmens. Erst 1925 schied der letzte<br />
Geschäftsführer, der Mitglied der Familie Nielsen<br />
war, aus. Der Vollständigkeit halber sei jedoch<br />
darauf verwiesen, dass in dem Geschäft<br />
von Anton Nielsen, Bruder von Friedrich Carl<br />
Ferdinand und Gründer der ersten industriellen<br />
Bremer Reismühle, schon vor der Umwandlung<br />
zu einer Aktiengesellschaft 1895 familienfremde<br />
Gesellschafter aufgenommen worden waren.<br />
Die Beschränkung der Einflussnahme auf Verwandte<br />
in großen Familienbetrieben war also<br />
keineswegs vorgegeben.<br />
Ähnliche Strukturen und der Wunsch, <strong>die</strong> Unternehmensleitung<br />
in der Familie zu halten, waren<br />
auch bei der Stärkefabrik in Salzuflen zu erkennen.<br />
Das <strong>1850</strong> gegründete Unternehmen firmierte<br />
mit dem Beginn der Stärkeherstellung<br />
auf Reisbasis unter neuem Namen E. Hoffmann<br />
& Co. als Offene Handelsgesellschaft, weil aus<br />
finanziellen Gründen als weiterer Teilhaber Carl<br />
Pokrantz aufgenommen wurde. Carl Pokrantz<br />
war jedoch als Schwager der Brüder Hoffmann<br />
zugleich auch ein Familienmitglied. 1875 wurde<br />
<strong>die</strong> Rechtsform der Firma wiederum umgewandelt,<br />
<strong>die</strong>smal in eine Kommanditgesellschaft, da<br />
wegen weiteren Geldbedarfs der Bremer Bankier<br />
187
4 í S<br />
Eduard Wätjen Teilhaber wurde. Als <strong>die</strong> Fabrik<br />
1881 zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien<br />
wurde, traten mit Christian Wätjen und dessen<br />
Schwiegersohn Joseph Hachez von der Bremer<br />
Segelschiffsreederei Wätjen & Co. zwei weitere<br />
Familienfremde in das Unternehmen ein. Aufsichtsräte<br />
der Stärkefabrik wurden Eduard Wätjen,<br />
Joseph Hachez und als einziges Familienmitglied<br />
Carl Pokrantz. Das führte bei E. Hoffmann<br />
& Co. zu neuen Verantwortungsstrukturen,<br />
deren Dimensionen für den Familienuntemehmer<br />
Eduard Hoffmann von Stefan Wiesekopsieker<br />
folgendermaßen zusammengefasst wurden:<br />
„Diesen Herren hatte Eduard Hoffmann fortan<br />
Rechenschaft über seine Geschäftsführung abzugeben,<br />
eine Änderung der Verhältnisse, <strong>die</strong><br />
ihm nicht leicht gefallen ist.“^<br />
Viele der im deutschen <strong>Reishandel</strong> vertretenen<br />
Firmen waren Familienbetriebe, <strong>die</strong> versuchten,<br />
<strong>die</strong> gesamte Verantwortung in der Familie zu<br />
halten. Je ausgereifter das Geschäft wurde, desto<br />
wichtiger wurden aber auch Marktkenntnisse<br />
und <strong>die</strong> Vernetzung mit anderen Akteuren des<br />
Geschäftsfeldes. Kapitalbedarf und <strong>die</strong> Deckung<br />
<strong>die</strong>ses Bedarfs ermöglichte vielfach Außenstehenden<br />
<strong>die</strong> Übernahme von Verantwortung in<br />
den familiengeführten Firmen des <strong>Reishandel</strong>s.<br />
Ein Beispiel dafür ist Anton Deppe, der wegen<br />
Kapitalbedarfs den alleinigen Besitz und <strong>die</strong> Geschäftsführung<br />
seiner Reismühle verlor, zugleich<br />
aber auf Grund seines Fachwissens auch mit Andreas<br />
Rickmers als neuem Teilhaber weiterhin<br />
in der Geschäftsführung eingebunden war. Neben<br />
den verwandtschaftlichen Bindungen nahm<br />
zudem <strong>die</strong> Bedeutung von persönlichen Netzwerken<br />
mit den Akteuren des globalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
in Asien und Europa fortlaufend zu.<br />
nen Konsulatsposten und war damit als hambur^<br />
gischer Konsul in Bassein, einem der wichtigen<br />
Reishäfen Birmas, in Amt und Würden. Als Konsul,<br />
der zugleich auch Bremen vertrat, war er<br />
dort in erster Linie ein Interessenvertreter der<br />
deutschen Wirtschaft, aber auch - zumindest<br />
teilweise - politisch ein Vertreter deutscher Bürger<br />
und Interessen.*^^ Das Besondere an <strong>die</strong>sem<br />
Vorgang ist, wie aus den Akten hervorgeht, dass<br />
Johann Heinrich Bandow nicht nur hamburgischer<br />
Konsul und Kaufmann, sondern auch Partner<br />
der Reisfirma Mohr Brothers & Co. war.<br />
Damit stellte ein Angehöriger der Firma Mohr<br />
Brothers & Co. bereits das zweite Mal einen<br />
Konsul, was ein Hinweis auf <strong>die</strong> angesehene<br />
Stellung der Firma ist. Bereits von 1854 <strong>bis</strong> 1863<br />
war Carl Mohr, der aus Bremen stammende<br />
Gründer der Reisfirma, Konsul für Bremen gewesen.<br />
Konsul konnte man nur mit einem untadeligen<br />
Ruf werden, was gerade das Prestige<br />
<strong>die</strong>ses Ehrenamts ausmachte. Zudem war eine<br />
gute Vernetzung mit der Wirtschaft vor Ort und<br />
mit den kolonialen Landesherren, <strong>die</strong> das Konsulat<br />
bestätigen mussten, im Fall Birmas also<br />
den Briten, sowie den anderen deutschen Kaufleuten<br />
in der Region sehr wichtig. Es kann daher<br />
davon ausgegangen werden, dass Mohr Brothers<br />
& Co. zu den wichtigsten deutschen Firmen in<br />
Birma gehörte. Um im Reisgeschäft zwischen<br />
Birma, England und Deutschland bestehen zu<br />
können, war eine solche Stellung am asiatischen<br />
Handelsplatz von hoher Bedeutung, weil <strong>die</strong> Entfernung<br />
nach Europa <strong>bis</strong> Mitte der 1870er Jahre<br />
jede kurzfristige Geschäftskommunikation verhinderte<br />
und daher alle Entscheidungen im Vertrauen<br />
auf <strong>die</strong> eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse<br />
des Marktes getroffen werden mussten.<br />
Als der Ausbau des Telegrafennetzes weit fortgeschritten<br />
und <strong>die</strong> Dampfschifffahrt durch den<br />
Suezkanal nach 1875 etabliert war, veränderte<br />
sich das Wesen der Netzwerke, <strong>die</strong> Kaufleute in<br />
Asien für ihren Erfolg knüpfen mussten. Einerseits<br />
war durch <strong>die</strong> Reichsgründung 1871 das<br />
Konsulatswesen verändert und richtete sich zunehmend<br />
auf politische Interessenvertretung aus,<br />
andererseits ermöglichten <strong>die</strong> neuen Kommuni
kationsmittel auch recht kurzfristige Instruktionen<br />
von Agenten deutscher Firmen in Asien, <strong>die</strong><br />
damit nicht mehr auf eigenverantwortlich arbeitende<br />
Kapitäne und deren Geschäftsabschlüsse<br />
angewiesen waren. Nun wurde es möglich, dem<br />
Nachwuchs der Reiskaufleute allein durch mehrmonatige<br />
Rundreisen in Asien <strong>die</strong> dortige Kultur-<br />
und Geschäftswelt nahezubringen. Die Reise<br />
von Paul Rickmers 1899 über In<strong>die</strong>n nach Birma,<br />
wo er Reisbau, -ernte und <strong>die</strong> Verarbeitung persönlich<br />
erlebte, reichte als Einblick in das asiatische<br />
Geschäft aus.®^ Junge Kaufleute mussten<br />
keine mehrjährige Lehrzeit mehr in Asien verbringen.<br />
Das Beispiel der Reismühle Markwald<br />
& Co. in Bangkok zeigt, dass es 1894 der sehr<br />
auf familiäre Entscheidungsstrukturen bedachten<br />
Familie Rickmers möglich war, von Bremen aus<br />
strategische Beschlüsse auf dem asiatischen<br />
Markt zu treffen. Nach der Übernahme der Mühle<br />
durch <strong>die</strong> Familie Rickmers blieben <strong>die</strong> früheren<br />
Besitzer J. Wiede und J. Riechmann an<br />
Ort und Stelle weiterhin für <strong>die</strong> Geschäftsleitung<br />
verantwortlich und es wurde nicht, wie bei den<br />
früheren Übernahmen der Reismühlen von Ichon<br />
und Deppe in Hamburg und Bremen, umgehend<br />
ein Mitglied der Familie Rickmers in <strong>die</strong> ünternehmensleitung<br />
geschickt.<br />
Die Übernahme der Fabrik Markwald & Co.<br />
durch <strong>die</strong> Rickmers AG gibt Anlass, auf weitere<br />
Beispiele für <strong>die</strong> Bedeutung persönlicher Netzwerke<br />
zur Behauptung der eigenen Interessen<br />
in einem weltweiten Markt hinzuweisen. Geschäftstüchtigkeit<br />
und Erfolg waren nicht zuletzt<br />
eine Frage des Informationsstandes. Gerade der<br />
Kauf der asiatischen Mühlen durch <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG setzte eine gute internationale Vernetzung<br />
voraus. Die Entscheidungsträger hielten sich ausnahmslos<br />
in Norddeutschland auf, brauchten also<br />
Informationsquellen, <strong>die</strong> über publizierte Börsennachrichten<br />
hinausgingen. So wie schon bei<br />
der Shell Transport & Trading Co. davon auszugehen<br />
ist, dass eine persönliche Bekanntschaft<br />
zu der Beteiligung der Rickmers’ an dem Petroleumunternehmen<br />
führte, waren freundschaftliche<br />
und vertrauensvolle Geschäftsverbindungen<br />
nach England und Asien auch im Müllereigeschäft<br />
unersetzlich. Dass <strong>die</strong> deutsche Reismühle<br />
Markwald & Co. Teilhaber suchte, erfuhr Andreas<br />
Rickmers „über das befreundete Maklerbüro<br />
A. Runge & Co. in London“.®’*’ Als <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG unter der Führung von<br />
Andreas Rickmers ihre Stellung auf dem asiatischen<br />
Markt durch mehr eigene Mühlen festigen<br />
wollte, ließ sie „durch <strong>die</strong> ihr befreundete englische<br />
Firma Gillespie & Co. im Jahre 1907 neue,<br />
sehr leistungsfähige Reismühlen in Burma errichten“.®’*®Eine<br />
gute Vernetzung trug zur ökonomischen<br />
Handlungsfähigkeit bei.<br />
Das Jahr 1907 bietet den Anknüpfungspunkt für<br />
ein geschäftliches Netzwerk, das ebenso ein familiäres<br />
Netzwerk zwischen Bremen, London<br />
und Rangun bildet. Im gleichen Jahr, in dem <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG in Birma neue Mühlen<br />
errichten ließ, übernahm sie auch <strong>die</strong> dort ansässige<br />
deutsch-englische Firma Krüger & Co.<br />
Diese Firma wurde von zwei Bremern, den Brüdern<br />
Friedrich Wilhelm und Johann Friedrich<br />
Buchholtz, 1870 in London gegründet. Den Listen<br />
der in Liverpool einkommenden Reisschiffe<br />
ist zu entnehmen, dass Krüger & Co. mindestens<br />
seit 1876 in der Reisverschiffung von Birma<br />
nach England beschäftigt war.®*’ Der ebenfalls<br />
aus Bremen stammende Carl Rosenkranz, Neffe<br />
der Brüder Buchholtz, trat in das Londoner Geschäft<br />
ein und siedelte 1894 nach Rangun über,<br />
wo er für <strong>die</strong> Firma <strong>die</strong> erste eigene Reismühle<br />
in Birma aufbaute. Als <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG 1907 alle alten und neu erworbenen Fabriken<br />
in Birma und Siam zu einer neuen Tochtergesellschaft<br />
zusammenfasste, wurde Carl Rosenkranz<br />
als Fachmann des internationalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
mit guten Verbindungen zum englischen<br />
und deutschen Markt deren Geschäftsführer.<br />
1908 kehrte er nach Bremen zurück, weil er in<br />
den Vorstand der Reis- und Handels AG berufen<br />
worden war. Dem Vorstand gehörte er fast 40<br />
Jahre an und war ab 1948 <strong>bis</strong> zu seinem Tod<br />
1950 noch Aufsichtsrat des Unternehmens. Carl<br />
Rosenkranz hatte nicht nur eine weit ins 19.<br />
Jahrhundert reichende familiäre Bindung an den<br />
<strong>Reishandel</strong>, sondern hatte als Reiskaufmann mit<br />
umfassender Erfahrung und Vernetzung in <strong>die</strong><br />
189
И "<br />
wichtigen Zentren des europäischen und des internationalen<br />
Handels auch beste Voraussetzungen,<br />
um leitende Aufgaben in einem der größten<br />
Unternehmen des internationalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
zu übernehmen. Carl Rosenkranz „ist der letzte<br />
gewesen, der <strong>die</strong> großen Überlieferungen des<br />
bremischen <strong>Reishandel</strong>s und der bremischen<br />
Reismüllerei in einer Person verkörperte“.“ “ Wie<br />
wichtig eine solche Vernetzung sowie ein grundsätzliches<br />
und umfeldbezogenes Marktwissen<br />
waren, wurde in einer Stu<strong>die</strong> über das britische<br />
Weltreich und <strong>die</strong> Globalisierung herausgearbeitet.<br />
Dabei kamen <strong>die</strong> Autoren zu der Schlussfolgerung,<br />
dass<br />
“[...] networks gave rise to a distinct and potent<br />
informational asymmetry within capital<br />
markets. As a consequence, people found<br />
themselves having to make choices not just<br />
without a complete set of information before<br />
them, but on the basis of a stock of knowledge<br />
that was heavily biased in favor of the<br />
British World. Simply put, British investors<br />
were just better informed about, and better<br />
placed to act upon, investment opportunities<br />
in the dominions than elsewhere.”“ '<br />
Die Bedeutung persönlicher Netzwerke auf<br />
Märkten in den britischen Kolonien war für deutsche<br />
Kaufleute genauso bedeutsam wie <strong>die</strong> Vernetzung<br />
der englischen Konkurrenten. Mit Carl<br />
Rosenkranz und durch einige befreundete Firmen<br />
konnten sich <strong>die</strong> Rickmers AG sowie <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG in das globale Handelsnetzwerk<br />
einklinken, das englische Reiskaufleute<br />
im weltweiten britischen Herrschaftsgebiet verband.<br />
mit dem Reis förderte. Ob es um <strong>die</strong> Reederei =<br />
und Reisverschiffung, um das Reisschälen und<br />
-polieren oder um <strong>die</strong> Stärkeherstellung ging,<br />
oft gab es privat und geschäftlich sehr enge Kontakte<br />
zwischen einzelnen Akteuren und Firmen<br />
in der Heimatstadt.<br />
Rickmer Ciasen Rickmers und sein Sohn Andreas<br />
Rickmers verkörperten geradezu den Typus<br />
eines offenen, universellen Kaufmanns und Unternehmers,<br />
der ebenso Schiffbauer wie auch<br />
Reeder und Industrieller ist. Einerseits wurde<br />
kein Geschäft abgelehnt, das eine lukrative Ausweitung<br />
des Unternehmens versprach, und andererseits<br />
wurden neue Geschäftsfelder erschlos- ^<br />
sen, um <strong>die</strong> älteren Unternehmungen zu stützen.<br />
Dies führte dazu, dass <strong>die</strong> Familie Rickmers neben<br />
dem Schiffbau im hauseigenen Reedereigeschäft,<br />
in der industriellen Reisvermahlung und<br />
der Stärkeherstellung, aber auch in leitender<br />
Funktion in der Dampfschifffahrt engagiert war. ;<br />
Doch es ist in der bremischen Wirtschaft kein<br />
Alleinstellungsmerkmal der Familie Rickmers<br />
gewesen, durch <strong>die</strong> Aufnahme verschiedener Ge- _<br />
schäftsfelder und vielfältiger Verbindungen das <<br />
wirtschaftliche Wohl des Unternehmens stärken :<br />
zu wollen. Ein Blick auf <strong>die</strong> Stärkefabrik E.<br />
Hoffmann & Co. in Bad Salzuflen zeigt, dass ^<br />
sich verschiedene Akteure der Reisindustrie iñ ■<br />
Bremen, sei es in der Verarbeitung oder im<br />
Transportwesen, immer wieder geschäftlich und,<br />
privat begegneten, was einer ständigen Stärkung <<br />
der Stellung Bremens als Reiszentrum gleich^'<br />
kam. Trotz der Konkurrenz verschiedener Un- ■<br />
ternehmen gab es ein gemeinsames zu Grunde -<br />
liegendes Interesse am Reisgeschäft. ' :<br />
Sehr gut lassen sich <strong>die</strong> engen wirtschaftlichen,<br />
und familiären Verbindungen der Bremer Indus-1<br />
trie an der Stärkefabrik E. Hoffmann & Co. im]<br />
lippischen Salzuflen nachzeichnen. Das Unter-]<br />
nehmen hatte bei genauerer Betrachtung sehr,<br />
starke Verbindungen nach Bremen und zu dorti-^<br />
gen Kaufleuten, Bankiers und Reedern. Diese<br />
gipfelten darin, dass seit der Umwandlung in<br />
eine Aktiengesellschaft 1881 der Aufsichtsrat<br />
der Eabrik ausschließlich in Bremen tagte. Schon<br />
kurz nach der Gründung <strong>1850</strong> steckte das Un-'
temehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.<br />
Leberecht Fiirchtegott Hoffmann, der als Kaufmann<br />
im Haus Pokrantz & Co. in Bremen arbeitende<br />
Bruder des Firmenchefs Eduard Hoffmann,<br />
beschaffte nötiges Kapital. Über <strong>die</strong>se<br />
Verbindung wurde <strong>die</strong> Firma des Carl Pokrantz<br />
in Bremen für lange Jahre einer der wichtigsten<br />
Geschäftspartner. Pokrantz & Co. waren der Lieferant<br />
des Reises, als <strong>die</strong> Fabrik 1869 mit der<br />
Herstellung von Reisstärke begann. Darüber hinaus<br />
heiratete Carl Pokrantz <strong>die</strong> Schwester von<br />
Leberecht und Eduard Hoffmann. Zudem machte<br />
deren jüngerer Bruder Carl Heinrich Hoffmann<br />
seine kaufmännische Ausbildung bei Pokrantz<br />
& Co. in Bremen. 1875 nahm <strong>die</strong> Salzuflener<br />
Fabrik wegen erneuten Kapitalbedarfs einen neuen<br />
Teilhaber auf. Der Bremer Bankier und Kaufmann<br />
Eduard Wätjen, Neffe des Reedereigründers<br />
Diedrich Heinrich Wätjen, leistete eine Einlage<br />
von 300.000 Mark. Nur sechs Jahre darauf<br />
musste <strong>die</strong> Stärkefabrik wiederum Kapital besorgen.<br />
Dafür wurde eine Aktiengesellschaft mit<br />
einem Aktienkapital von 3.000.000 Mark gegründet.<br />
Die Aktien wurden als Namensaktien<br />
mit einem Nennwert von 50.000 Mark ausgegeben.<br />
Neben den <strong>bis</strong>herigen Teilhabern gab es<br />
nur zwei neue Aktionäre, <strong>die</strong> ebenfalls aus Bremen<br />
kamen. Christian Wätjen und Joseph Hachez<br />
von der Bremer Segelschiffsreederei Wätjen<br />
& Co. hielten 14 Aktien mit einem Wert von<br />
700.000 Mark, was fast einem Viertel des<br />
Stammkapitals entsprach.“ ^<br />
Der Aktienkauf Christian Wätjens scheint nicht<br />
nur naheliegend, weil der 1875 Teilhaber gewordene<br />
Eduard Wätjen Vetter des Reeders Christian<br />
Wätjen war. Vielmehr lässt sich ein Geschäftsinteresse<br />
der großen Bremer Reederei vermuten,<br />
<strong>die</strong> sehr regelmäßig Reis auf ihren Schiffen transportierte.<br />
Bereits 1852 hatte ein Segler von Wätjen<br />
Reis von In<strong>die</strong>n nach London gebracht, 1855<br />
dann erstmals auf dem direkten Weg Reis von<br />
Birma nach Bremen transportiert. Wätjen & Co.<br />
hatte keine eigenen Niederlassungen in Asien,<br />
deshalb war <strong>die</strong> Reederei<br />
„auf <strong>die</strong> Zusammenarbeit mit dort ansässigen<br />
Firmen angewiesen, <strong>die</strong> zum großen Teil<br />
deutsche Gründungen waren. Firmen wie Robert<br />
M. Sloman, Hamburg, und C. Melchers<br />
& Co., Bremen, charterten <strong>die</strong> Wätjenschen<br />
Segler für ihre Transporte, andere Häuser<br />
wie Wilhelm Pusau in Hongkong, Diekmann,<br />
Barckhausen & Co. in Rangoon, Behn, Meyer<br />
& Co. in Singapur, Schröder, Smidt & Co.<br />
in Calcutta oder Büsing, Schröder & Co. in<br />
Batavia sorgten nach dem Löschen der Kohle<br />
für Rückfrachten nach Europa.““ ^<br />
Eine Beteiligung von Wätjen & Co. an der Stärkefabrik<br />
sicherte somit zugleich den Fortbestand<br />
an dem wichtigen Geschäftsfeld des Reistransports.<br />
Die Reederei lud in Saigon, Singapur,<br />
Bangkok, Manila, Calcutta und Nagasaki sowie<br />
besonders in den Häfen Birmas Reis und verschiffte<br />
<strong>die</strong>sen dann nach London, Liverpool,<br />
Cardiff, Le Havre, nach Zaandam, Amsterdam<br />
und Rotterdam in den Niederlanden, Rio de<br />
Janeiro, Santos, Talechuam in Chile, Rosario in<br />
Argentinien, Kopenhagen, Hamburg und besonders<br />
nach Bremen. Von 1852 <strong>bis</strong> 1897 sind 159<br />
Reistransporte durch <strong>die</strong> Reederei D. H. Wätjen<br />
& Co. verzeichnet. Davon hatten 85 der Reissegler<br />
Bremen als Zielhafen, was immerhin 53<br />
Prozent aller bezeugten Reistransporte der Reederei<br />
ausmachte.*^“ War der Reis in Bremen gelöscht,<br />
konnte er direkt an Carl Pokrantz & Co.<br />
verkauft werden, <strong>die</strong> wiederum <strong>die</strong> Lieferung<br />
nach Salzuflen übernahmen.<br />
1887 engagierte sich auch <strong>die</strong> im Baumwollhandel<br />
tätige Firma Gebrüder Plate bei der Stärkefabrik.<br />
Die Verbindung kam vermutlich über Carl<br />
Heinrich Hoffmann zustande, der nach seiner<br />
Lehrzeit bei Pokrantz den Handel mit Baumwolle<br />
aufnahm. Nach dem kurzen Intermezzo<br />
von Wilhelm Rickmers im Aufsichtsrat der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG wurde Emil Plate von<br />
1887 <strong>bis</strong> 1911 Aufsichtsratsvorsitzender.“ ^ Sein<br />
Bruder und Teilhaber Georg war im selben Jahr<br />
in den Aufsichtsrat des NDL eingetreten, der<br />
ebenfalls Reis auf seinen Dampfern von Asien<br />
nach Bremen beilud. Georg Plate trat 1901 aus<br />
dem brüderlichen Geschäft aus und es wäre übertrieben,<br />
eine Beteiligung an der Stärkefabrik nur<br />
aus den Interessen des NDL zu konstruieren.<br />
191
li<br />
íi<br />
Entsprechende Marktkenntnisse und Gewinnmöglichkeiten<br />
durch <strong>die</strong> Stärkung der Reisgeschäfte<br />
in Bremen, zu denen <strong>die</strong> Dampferreederei<br />
durch den Transport von Reis beitrug, werden<br />
ihm aber bewusst gewesen sein.<br />
Bis 1950 saßen insgesamt 14 Bremer Kaufleute<br />
und Bankiers im Aufsichtsrat der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG in Salzuflen. Unter den Bankiers<br />
ver<strong>die</strong>nen <strong>die</strong> Mitglieder des Bankhauses<br />
J. Schultze & Wolde, das bereits seit 1836 im<br />
alleinigen Besitz der Familie Wolde war, eine<br />
besondere Aufmerksamkeit. Georg Wolde, der<br />
seit 1870 im väterlichen Geschäft arbeitete, wurde<br />
1877 Aufsichtsratsmitglied bei Hoffmann’s.<br />
Im gleichen Jahr trat sein Bruder Carl in <strong>die</strong><br />
Bank ein und wurde nach dem Tod des Vaters<br />
von 1911 <strong>bis</strong> 1917 der Vertreter der Familie im<br />
Aufsichtsrat der Stärkefabrik. Von 1919 <strong>bis</strong> 1950<br />
war dort zudem noch Georg Woldes Sohn, der<br />
ebenfalls Carl hieß, vertreten.®^* Das Bankhaus<br />
J. Schultze & Wolde bot 1888 der DDG „Hansa“<br />
mit ihrem Aufsichtsratsmitglied Andreas Rickmers<br />
einen Vorschuss von 3 Millionen Mark für<br />
<strong>die</strong> Errichtung der In<strong>die</strong>n-Linie der Reederei an<br />
und trug damit maßgeblich dazu bei, dass <strong>die</strong><br />
DDG „Hansa“ das einträgliche Asiengeschäft<br />
etablieren konnte.*^^ Ein Interesse des Bankhauses<br />
an der Stärkung der Reisimporte ist damit<br />
zwar nicht nachgewiesen, klar ist aber, dass<br />
Georg Wolde ein profunder Kenner der wirtschaftlichen<br />
Zusammenhänge gewesen sein<br />
muss.<br />
Das Bankhaus Wolde ging 1903 in der Berliner<br />
Disconto-Gesellschaft auf. Diese wiederum übernahm<br />
unter dem Aufsichtsratsmitglied Georg<br />
Wolde 1910 Teile einer Anleihe der Reis- und<br />
Handels AG, <strong>die</strong> der Reiskonzem ausgab, um<br />
mit frischem Kapital einen drohenden Konkurs<br />
zu verhindern. Die Reis- und Handels AG hatte<br />
1910 erhebliche interne Schwierigkeiten, in deren<br />
Folge Andreas Rickmers aus dem Geschäft<br />
ausscheiden musste, und auch wirtschaftliche<br />
Schwierigkeiten. Es sollte eine Anleihe über 5<br />
Millionen Mark ausgegeben werden. Dazu bedurfte<br />
es einer Genehmigung der Justizkommission<br />
des Senats. Da von dort eine Rückmeldung<br />
ausblieb, erkundigte sich der Geschäftsführerder<br />
Rickmers-Mühle und ihm wurde daraufhin<br />
nahegelegt, den Antrag besser zurückzuziehen.<br />
Ablehnungsgrund war eine rechtlich vorgeschriebene<br />
Veröffentlichung der Bilanz aus dem Vorjahr,<br />
<strong>die</strong> wegen der internen Probleme noch nicht<br />
vorlag. In der Politik hatte <strong>die</strong> Reis- und Handels “<br />
AG einen Vertrauensverlust erlitten.“ * Mit dem<br />
Ausscheiden Andreas Rickmers’ Ende 1910 und<br />
der Lösung der familiären Probleme wurde <strong>die</strong><br />
Aktiengesellschaft jedoch aus der Wirtschaft gestützt.<br />
Als eines der großen Bremer Unternehmen<br />
erhielt es mit der Zeichnung von Teilen der nun<br />
ausgegebenen Anleihe durch das Bankhaus und<br />
Georg Wolde wichtige Hilfe aus der Bremer Geschäftswelt.“<br />
^ Darüber hinaus gab es durch <strong>die</strong><br />
Schiffsmaklerfirma Hermann Dauelsberg eine<br />
Anfrage, zu welchem Mindestpreis <strong>die</strong> von der<br />
Reis- und Handels AG in den Besitz der Rickmers<br />
AG zurückgegangenen Reisdampfer verchartert<br />
werden dürften, da er ein Angebot vorliegen<br />
habe.“ “ Die vertrauliche Anfrage von<br />
Dauelsberg war eine unterstützende Handlung,<br />
weil der Betrieb der Schiffsflotte der Ursprung<br />
der wirtschaftlichen Probleme der Reis- und<br />
Handels AG sowie der Rickmers AG war. Dadurch<br />
wurde das Angebot sicher nicht altruistisch,<br />
aber im Grundsatz wiederum ein Geschäft,<br />
bei dem sich <strong>die</strong> Bremer Akteure vernetzten und<br />
gegenseitig stützten.<br />
Private Verbindungen<br />
Die vielfältigen Verbindungen der Bremer Geschäftswelt<br />
spiegelten sich auch in den sozialen<br />
Schichtungen Bremens wider. Die wirtschaftliche<br />
Elite, aus der sich <strong>bis</strong> zu Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts der größte Teil der politischen Elite<br />
rekrutierte, also <strong>die</strong> soziale Oberschicht Bremens,<br />
war ein relativ kleiner und sehr elitärer<br />
Zirkel von Bürgern, der einen paternalistischen<br />
und sozialfürsorglichen Anspruch gegenüber der<br />
Mittel- und der Unterschicht formulierte und<br />
auch lebte. Die Abgrenzung zu den unteren sozialen<br />
Schichten war aber stark ausgeprägt und<br />
wurde auch im Privaten nur selten durch-<br />
192
T<br />
brochen.“ ' Das führte im Heiratsverhalten dazu,<br />
dass aus einer relativ kleinen Gruppe an Menschen<br />
mögliche Ehekandidaten gesucht wurden,<br />
um <strong>die</strong> eigene Schicht nicht verlassen zu müssen.<br />
Dieses Verhalten wurde von der Bremer Elite so<br />
überwiegend und konsequent durchgeführt, dass<br />
von einem „geschlossenen Heiratskreis“ gesprochen<br />
werden kann.“ ^ Als Beispiel kann hier wiederum<br />
<strong>die</strong> Familie Hoffmann mit ihrer Verbindung<br />
von Salzuflen nach Bremen gelten.<br />
Carl Pokrantz (1820-1890) und Leberecht<br />
Fürchtegott Hoffmann (1827-1895) waren nicht<br />
nur geschäftlich verbunden, sondern heirateten<br />
auch jeweils <strong>die</strong> Schwestern des anderen. Carl<br />
Pokrantz heiratete Johanne Hoffmann (1834-<br />
1907), Leberecht Fürchtegott Hoffmann heiratete<br />
Johanna Dorothea Pokrantz (1817-1891). Diese<br />
Ehe blieb jedoch kinderlos, weshalb Leberecht<br />
Fürchtegott Hoffmann ein Jahr nach dem Tod<br />
seiner ersten Frau ein zweites Mal heiratete. Dabei<br />
heiratete er nicht mehr in <strong>die</strong> Familie Pokrantz<br />
ein, sondern in <strong>die</strong> eigene, indem er Barbara<br />
Hoffmann (1854-1902), <strong>die</strong> Witwe seines<br />
Bruders Reinhold Hoffmann (1842-1884), ehelichte.<br />
Er übernahm zugleich das Sorgerecht seiner<br />
halbverwaisten Neffen. Diese Heirat war<br />
aber nicht nur eine gute Tat den Neffen gegenüber,<br />
sondern war auch „ganz der Familientradition<br />
entsprechend, das Vermögen in der Familie<br />
zu belassen“.“ ^ Die Familienbande wurden<br />
aber noch vielfältiger und enger verknüpft. Carl<br />
Heinrich Hoffmann (1831-1889), Bruder von<br />
Leberecht Fürchtegott und ehemaliger Lehrling<br />
bei Pokrantz & Co., verheiratete sich mit einer<br />
Frau aus Worring (heute Stadtteil von Köln), mit<br />
der er sieben Kinder hatte. Ihre Tochter Johanne<br />
(1870-1931) wiederum heiratete den Cousin Leberecht<br />
Hoffmann (1863-1928), der als Sohn<br />
Eduard Hoffmanns auch dessen Nachfolger als<br />
Geschäftsführer der Fabrik wurde. Eine weitere<br />
Tochter Carl Heinrich Hoffmanns, Else Hoffmann<br />
(1875-1942), verheiratete sich mit ihrem<br />
Cousin Richard Pokrantz (1862-1943), dem<br />
Sohn von Carl Pokrantz und Johanne Hoffmann.<br />
Dieses Heiratsverhalten zur Sicherung der geschäftlichen<br />
Verbindungen, des Familienvermögens<br />
sowie zum unbedingten Verbleib im eigenen<br />
Milieu war bei den Familien Hoiïmann und<br />
Pokrantz kein Einzelfall. Auf <strong>die</strong>se Art wurden<br />
in Bremen auch persönliche Netzwerke und<br />
Schnittstellen zwischen dem Reedereigeschäft,<br />
dem Tabak-, Baumwoll- oder eben <strong>Reishandel</strong><br />
geschaffen, <strong>die</strong> zumeist eine Stärkung der wirtschaftlichen<br />
Interessen bedeuteten, weil damit<br />
der private Reichtum der eng verbundenen Familien<br />
zusammenhing.<br />
5. Fazit<br />
Im ausgehenden 19. Jahrhundert gab es eine Reihe<br />
politischer und ökonomischer Veränderungen,<br />
<strong>die</strong> starke Auswirkungen auf den <strong>Reishandel</strong> und<br />
<strong>die</strong> verarbeitende Industrie in Deutschland hatten.<br />
Zuvorderst war <strong>die</strong>s der nach etlichen Verhandlungsjahren<br />
1888 umgesetzte Anschluss der<br />
Städte Hamburg und Bremen an das deutsche<br />
Zollgebiet. Mit der Weserkorrektion und dem<br />
Bau des neuen Hafens in Bremen hatte sich <strong>die</strong><br />
maritime Anbindung Bremens an den Welthandel<br />
strukturell verbessert. Zugleich barg der Zollanschluss<br />
<strong>die</strong> Chance einer besseren industriellen<br />
Entwicklung in der Hansestadt, weil der deutsche<br />
Absatz- und Konsummarkt nun ohne hinderliche<br />
Zollschranken erreicht werden konnte. Die Reisfabriken<br />
produzierten jedoch große Mengen für<br />
das Ausland. Nun lagen sie im Zollinland und<br />
mussten den einkommenden Rohreis verzollen<br />
und <strong>die</strong> Einträglichkeit des Exportgeschäfts sank.<br />
Eine Umsiedlung der Betriebe in das neu geschaffene<br />
Freihafengebiet war nicht möglich.<br />
Nachdem sich Bremen in den 1880er Jahren<br />
zum größten europäischen Platz für den Handel<br />
und <strong>die</strong> Verarbeitung von Reis entwickelt hatte,<br />
kam es im folgenden Jahrzehnt zu neuen und<br />
vielschichtigen Marktverschiebungen.<br />
In Deutschland boten sich nach dem Zollanschluss<br />
für Hamburg gute Aussichten im <strong>Reishandel</strong>.<br />
In den Freihäfen an der Elbe durfte sich<br />
verarbeitende Industrie ansiedeln, was für <strong>die</strong><br />
Reisverarbeitung mit anschließendem Export gute<br />
Voraussetzungen schuf. Die Rickmers AG<br />
machte sich <strong>die</strong>s zu Nutze, investierte in <strong>die</strong><br />
193
Hamburger Reismühle Anton Deppe & Co. und<br />
führte <strong>die</strong>se als Norddeutsche Reismühle m.b.H.<br />
als erste nichtbremische Dependance im Reisgeschäft<br />
weiter. Zusätzlich diversifizierte <strong>die</strong><br />
Rickmers AG ihre Geschäfte und gründete auf<br />
dem Gelände der einstmaligen Stärkefabrik in<br />
Hannoversch Münden eine Futtermittelfabrik.<br />
So konnte <strong>die</strong> Reederei sowohl <strong>die</strong> Schiffe auf<br />
großer Fahrt als auch <strong>die</strong> Leichterflotte auf der<br />
Weser dauerhaft und gewinnbringend beschäftigen.<br />
Die protektionistischen Zollschranken in Europa<br />
und der Aufbau eigener Reisindustrien in den<br />
Nachbarländern sowie <strong>die</strong> zunehmende Bedeutung<br />
des asiatischen Reismarkts und asiatischer<br />
Mühlen brachte eine Reihe von Marktveränderungen.<br />
Als Antwort und zur Sicherung der<br />
eigenen Marktstellung investierte Andreas Rickmers<br />
im Ausland. Wo Märkte nicht mehr eigenständig<br />
be<strong>die</strong>nt werden konnten, sollten Beteiligungen<br />
den Anteil am Geschäft sichern. So kam<br />
es 1894 zur Übernahme der deutschen Reismühle<br />
von Markwald & Co. in Bangkok. Nach einer<br />
Modernisierung wurde sie zur leistungsfähigsten<br />
Reisfabrik Bangkoks und war zudem in Siam,<br />
auf dem nach Birma zweitgrößten Exportmarkt<br />
für Reis, <strong>die</strong> einzige deutsche Mühle. In Europa<br />
ging Österreich-Ungarn als bedeutendster Absatzmarkt<br />
zunehmend verloren. Zur Minimierung<br />
der Verluste durch <strong>die</strong>se Entwicklung beteiligte<br />
sich <strong>die</strong> Rickmers AG 1895 an einer<br />
Reismühle im Adriahafen Triest und gründete<br />
drei Jahre darauf gemeinsam mit <strong>die</strong>ser eine weitere<br />
Fabrik in Aussig. Die dortige Mühle wiederum<br />
erhielt ihre technische Ausstattung und<br />
Rohstoffversorgung über <strong>die</strong> Elbe von der Hamburger<br />
Niederlassung Norddeutsche Reismühle<br />
m.b.H. Darüber hinaus gab es eine Reihe weiterer<br />
internationaler Investitionen der Rickmers<br />
AG, bei denen ein enger Zusammenhang zum<br />
Reisgeschäft aber nicht unmittelbar nachweisbar<br />
ist.<br />
Die Auslandsinvestitionen, besonders außerhalb<br />
Europas, zeigen auf, wie stark <strong>die</strong> Wirtschaft<br />
zum Ende des 19. Jahrhunderts international verbunden<br />
war. Angebot und Nachfrage für <strong>die</strong><br />
Reisverarbeitung verschoben sich und Investitionen<br />
folgten <strong>die</strong>sen Veränderungen. Ausdruck<br />
und Symbol <strong>die</strong>ser ökonomischen Entgrenzung<br />
waren <strong>die</strong> seit 1851 stattfindenden Weltausstellungen<br />
und <strong>die</strong> ihnen nachempfundenen kleineren<br />
nationalen und internationalen Handelsmessen.<br />
In Bremen übernahm <strong>die</strong> Nordwestdeutsche<br />
Gewerbe-, Industrie-, Handels-, Marine-, Hochseefischerei<br />
und Kunstausstellung 1890 <strong>die</strong>se<br />
Funktion. Ein Schwerpunkt der Ausstellung war<br />
eine Handelsausstellung mit den großen bremischen<br />
Stapelartikeln, also auch mit Reis. Andreas<br />
Rickmers wurde von der Reichsregierung als<br />
der bedeutende Reiskaufmann Deutschlands<br />
wahrgenommen und in Fragen bezüglich des<br />
Reisbaus in Kolonien konsultiert. Er nutzte <strong>die</strong>s,<br />
um Reis aus Togoland in der Ausstellung von<br />
1890 zu zeigen. Zudem konnte sich <strong>die</strong> große<br />
Reisfirma Gebrüder Nielsen in ihrer Heimatstadt<br />
präsentieren und im Anschluss ihre Produkte mit<br />
der positiv bewerteten Prämierung einer Goldmedaille<br />
bewerben.<br />
Den Veränderungen des Weltmarktes konnten<br />
<strong>die</strong> Bremer Kaufleute ein Stück weit private Vernetzung<br />
entgegensetzen. Internationale Vernetzung<br />
bedeutete auf dem Reismarkt auch persönliche<br />
Vernetzung, was sich in den <strong>1850</strong>er und<br />
1860er Jahren in der engen Verzahnung von<br />
<strong>Reishandel</strong> und Konsulatswesen in den Reishäfen<br />
ausdrückte. Auch am Ende des Jahrhunderts<br />
blieben Marktkenntnisse und Firmenverbindungen<br />
ein hohes Gut, denn personelle Kontinuitäten<br />
verloren durch kürzere Reisewege und vereinfachtere<br />
Kommunikation an Bedeutung. Die<br />
Übernahme von Firmen, wie <strong>die</strong> der Mühle in<br />
Bangkok, waren nur durch eine gute Kenntnis<br />
des Marktes und entsprechenden Informationszugang<br />
möglich. Nicht zuletzt <strong>die</strong> persönlichen<br />
Bindungen in Bremen erleichterten <strong>die</strong> Behauptung<br />
der wirtschaftlichen Interessen des <strong>Reishandel</strong>s<br />
und der abhängigen Industrien. Ein auf<br />
soziale Abgrenzung bedachtes Heiratsverhalten<br />
der wirtschaftlichen Elite der Hansestadt schuf<br />
familiäre Verbindungen innerhalb der bremischen<br />
Überseekaufleute, den Banken und Industriellen.<br />
Die Protagonisten verschiedener Bremer
г<br />
Wirtschaftszweige waren im Privaten verbunden<br />
und entwickelten daher auch wirtschaftliche<br />
Kontakte zum Vorteil der Reisindustrie. Durch<br />
gemeinsame Beteiligungen an Reedereien oder<br />
auch der Stärkefabrik in Bad Salzuflen gab es<br />
immer wieder gemeinsame Interessenfelder, in<br />
denen sich der deutsche <strong>Reishandel</strong> mit seinem<br />
Zentium in Bremen bei allen globalen Veränderungen<br />
durchaus noch erfolgreich entwickeln<br />
konnte.<br />
195
1<br />
Kapitel V<br />
Der deutsche <strong>Reishandel</strong> <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
(1900-<strong>1914</strong>)<br />
I t i<br />
1. Veränderung des Reismarktes in Asien Die neue Bedeutung des innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong>s<br />
Im Jahr 1910 betrug <strong>die</strong> weltweite Reisproduktion<br />
- ohne China - 78 Millionen Tonnen. Weizen<br />
hingegen, das wichtigste europäische Brotgetreide,<br />
wurde nur in einer Menge von 40-45<br />
Millionen Tonnen produziert.®®^ Die Bedeutung<br />
von Reis als Versorgungsgrundlage vieler Menschen<br />
nahm im 20. Jahrhundert beständig zu.<br />
Damit einher gingen Veränderungen in den Anbauländern<br />
und den globalen Handelsströmen.<br />
In Siam, dem zweitgrößten Reisexporteur weltweit,<br />
entstanden viele Siedlungen jenseits der<br />
alten Zentren und Wasserwege. Das Land erlebte<br />
durch seine fortschreitende Erschließung als<br />
Reisproduzent eine starke Entwicklung, obwohl<br />
es keine großflächige Industrialisierung gab. Die<br />
Bauern arbeiteten nach wie vor mit einfachsten<br />
Werkzeugen, nur mit der Hilfe von Rindern und<br />
ohne Düngung. Der Ertrag je Fläche war daher<br />
gering, das Deltagebiet des Chao Phraya war<br />
aber so reich an natürlichen Mineralien, dass <strong>die</strong><br />
Ausbeute je Person dort so hoch wie nirgendwo<br />
anders in Asien war.®®® Dadurch konnte Siam,<br />
das schon im 19. Jahrhundert ein wichtiger Reisproduzent<br />
für <strong>die</strong> asiatische Nachfrage war, nach<br />
1900 im weltweiten <strong>Reishandel</strong> an Bedeutung<br />
gewinnen.<br />
Der gesamte asiatische Raum wurde für den<br />
weltweiten <strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> Reisverarbeitung<br />
im 20. Jahrhundert wichtiger. Die europäischen<br />
Reisindustrien verloren dagegen an Bedeutung.<br />
“Up tili 1890 Europe was the principal importer<br />
of Burma rice, but from that date onwards the<br />
east became relatively more important. From<br />
1900 to <strong>1914</strong> 40 per cent of the exportable surplus<br />
went to Europe and the remainder was marketed<br />
mainly in the east.” ®®<br />
Eine verbesserte Infrastruktur erleichtert<br />
den Handel<br />
Ein Blick auf <strong>die</strong> beiden wichtigsten Reisanbaugebiete<br />
Asiens, Birma und Siam, zeigt, wie Ver- .<br />
besserungen der Infrastruktur den <strong>Reishandel</strong><br />
innerhalb Asiens erleichterten. In Siam gab es<br />
wenig staatlich gelenkte wirtschaftliche Entwicklungsbemühungen.<br />
Im frühen 20. Jahrhundert<br />
wurden in erster Linie königliche Bauwerke und<br />
Projekte zur Förderung des nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls<br />
finanziert. Der Bau von<br />
Eisenbahnen war ursächlich auf <strong>die</strong> Zwecke der<br />
Landesverteidigung ausgerichtet. Dennoch gab<br />
es eine stetige Entwicklung des Wirtschaftslebens,<br />
in dem der Reisanbau und -handel eine<br />
dominante Rolle spielte. Die Bevölkerung Bangkoks<br />
wuchs von etwa 100.000 Einwohnern im<br />
Jahr <strong>1850</strong> auf 360.000 im Jahr 1912. Zugleich<br />
verlagerte sich das Leben vom Wasser hin zum<br />
Festland. Auf einer Vielzahl an Kanälen hatten<br />
sich große Teile des Lebens abgespielt. Diese<br />
Kanäle wurden schrittweise verfällt, um Raum<br />
für Siedlungen und Straßen zu schaffen. Die<br />
erste Straße war bereits 1857 gebaut worden,<br />
und doch gab es 1890 erst ein Straßennetz von<br />
neun Meilen Länge. Ab 1900 wurde der Straßenbau<br />
intensiviert und beschleunigt. Wichtigste<br />
Verkehrsadern waren nach wie vor <strong>die</strong> vielen<br />
Kanäle. 1900 wurde eine erste Eisenbahnlinie<br />
nach Khorat in Zentralsiam gebaut. Durch Drainagesysteme<br />
und Kanalbauten wurde zugleich<br />
begonnen, Ackerbaufläche im Delta des Chao<br />
Phraya zu erschließen. Diese Entwicklung hielt<br />
lange an und <strong>bis</strong> 1950 wurden so 1,6 Millionen<br />
Hektar Anbauflächen kultiviert. Außerhalb der<br />
großen Städte und abseits der Bahnlinien waren<br />
196
<strong>die</strong> Bauern auch im 20. Jahrhundert noch weitgehend<br />
vom Welthandel abgeschnitten. Die<br />
wichtigsten Verbindungswege zu ihnen waren<br />
nach wie vor Wasserstraßen. Der internationale<br />
Reisbedarf wurde gedeckt, indem Chinesen als<br />
Zwischenhändler den Überschuss der Reisbauem<br />
einsammelten und zu den Mühlen brachten.<br />
Frauen übernahmen dabei eine wichtige Funktion,<br />
denn sie galten als fleißig und ihnen gehörten<br />
oft <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Transporte zu den Mühlen verwendeten<br />
Schuten. Die Reismühlen lagen am<br />
Ende der Bahnlinie an den Ufern des Chao<br />
Phraya und waren damit sowohl für <strong>die</strong> Reistransporte<br />
per Schute oder Bahn aus dem Landesinneren<br />
als auch für <strong>die</strong> Reisschiffe vom Golf<br />
von Siam aus gut erreichbar.“ ’'<br />
In Birma wurde stärker in <strong>die</strong> Erschließung von<br />
Anbauflächen und in <strong>die</strong> Vermarktung des angebauten<br />
Reises investiert. Wichtigstes Transportmittel<br />
waren auch dort <strong>die</strong> Reisschuten und<br />
<strong>die</strong> wichtigste Infrastruktur waren <strong>die</strong> Wasserwege.<br />
Kanalbauten wurden bereits in den 1880er<br />
Jahren begonnen und in den folgenden Jahrzehnten<br />
fortgesetzt, was dazu führte, dass es im frühen<br />
20. Jahrhundert bereits eine ausgeprägte Verkehrsinfrastruktur<br />
gab. Zu <strong>die</strong>ser gehörten auch<br />
<strong>die</strong> Bahnlinien.<br />
Die erste Bahnstrecke wurde 1877 zwischen<br />
Rangun und Prome, heute Pyay, im Gebiet Oberbirma<br />
eröffnet. Es folgte eine Strecke nach Toungoo,<br />
heute Taunggyi, im Osten des Landes 1885<br />
und eine mehr als 700 Kilometer lange Bahnlinie,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> am Irrawady liegende Stadt Mandalay<br />
1894 mit Rangun verband. Mandalay war<br />
der nördlichste Eisenbahnpunkt Birmas im 19.<br />
Jahrhundert und dennoch war der Fluss Irrawady<br />
damit erst zur Hälfte in der Nordrichtung von<br />
Rangun aus per Eisenbahn erreichbar. 1899 folgte<br />
schließlich noch eine Eisenbahnlinie in das<br />
Grenzgebiet zu Siam.“ * Die Infrastruktur wurde<br />
in Birma so stark verbessert, dass auch das Landesinnere<br />
eine gute Verkehrsanbindung an <strong>die</strong><br />
Seehäfen und damit an <strong>die</strong> Weltwirtschaft hatte.<br />
In Birma ging der Einfluss der Zwischenhändler<br />
damit stark zurück und es boten sich auch abseits<br />
der großen Häfen neue Möglichkeiten, an den<br />
wichtigen Handelsströmen des <strong>Reishandel</strong>s zu<br />
partizipieren.<br />
Neue Umschlagplätze und Reismärkte in Asien<br />
Innerasiatischen Handel, country trade, und innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong> hatte es schon seit<br />
Jahrhunderten gegeben. Doch erst nach 1900 erreichten<br />
der asiatische und der innerasiatische<br />
<strong>Reishandel</strong> Quantitäten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> mit Europa gehandelten<br />
Reismengen in den Schatten stellten.<br />
Der weltweite <strong>Reishandel</strong> war durch den Anstieg<br />
der Bedeutung des asiatischen Reismarkts damit<br />
nicht nur international noch enger verflochten,<br />
sondern Asien auch durch den <strong>Reishandel</strong> noch<br />
enger in das Netz der Weltwirtschaft integriert.<br />
Im innerasiatischen Reisverkehr gab es ebenso<br />
wie im internationalen Handel einen Zusammenhang<br />
zwischen den einzelnen Reisqualitäten und<br />
den Absatzmärkten. “The bulk of the rices exported<br />
to the east is to feed the growing populations<br />
in the larger towns and on the plantations.”“<br />
^ „Big Mills Specials” war <strong>die</strong> niedrigste<br />
exportierte Reisqualität. Da es den darin zusammengefassten<br />
Sorten an der Gleichheit von Form,<br />
Größe und Härte mangelte, entstand bei der Bearbeitung<br />
<strong>bis</strong> zu 42 Prozent Bruch. Zielmärkte<br />
waren vor allem In<strong>die</strong>n und Niederländisch-Ostin<strong>die</strong>n.<br />
„Small Mills Specials“ ist eine qualitativ<br />
hochwertigere Variante von „Big Mills Special“<br />
mit <strong>bis</strong> zu 40 Prozent Bruch gewesen.'’„Small<br />
Mills Special“ wurde am häufigsten verarbeitet<br />
und nachgefragt. „Straits Quality“ hatte <strong>bis</strong> zu<br />
37 Prozent Bruch und wurde hauptsächlich -<br />
wie der Name sagt - nach Malaysia für den Bedarf<br />
der dortigen großen chinesischen Minderheit<br />
exportiert. Diese Sorte wurde aber auch direkt<br />
nach Kuba exportiert. Zu den beliebteren Sorten<br />
gehörte Parboiled-Reis, der <strong>bis</strong> zu 15 Prozent<br />
der Exportmenge ausmachte, weil er sich gekocht<br />
länger hielt und nicht sauer wurde. Bei<br />
der Herstellung wurden <strong>die</strong> Vitamine und Mineralien<br />
des Reises durch eine Dampfbehandlung<br />
aus den äußeren Schichten in das Innere des<br />
Korns gepresst und somit vor dem Schälen konserviert.<br />
Nachfrage bestand in Sri Lanka, in Süd-<br />
197
Tabelle V. 1.1, Reissorten für <strong>die</strong> asiatischen Konsummärkte inklusive des maximalen Anteils<br />
von Bruchreis<br />
Reissorte<br />
Anteil Bruchreis in<br />
Prozent<br />
Zieimärkte<br />
Big Mills Specials 42 In<strong>die</strong>n, Niederländisch-Ostin<strong>die</strong>n<br />
Small Mills Specials 40 Alle östlichen Märkte<br />
Straits Quality 37 Malaysia, Kuba<br />
Parboiled-Reis<br />
Sri Lanka, Südin<strong>die</strong>n, Karibik,<br />
Südafrika<br />
МП<br />
Tabelle V. 1.2, Reisexporte aus Birma in tons nach Europa, andere westliche Märkte und<br />
asiatische Märkte 1870-1917^^®<br />
Jahr<br />
Westliche Märkte<br />
Europa Andere<br />
Östliche Märkte<br />
Gesamtmenge<br />
1870 350.000 24.000 374.000<br />
1880 648.000 145.000 850.000<br />
1890 749.000 438.000 1.110.000<br />
1900-01 723.117 1.336.587 1.846.000<br />
1901-02 920.729 38.935 1.318.241 2.079.905<br />
1902-03 969.950 96.153 1.177.743 2.243.846<br />
1903-04 605.190 105.305 1.012.257 1.722.782<br />
1904-05 932.428 140.220 1.082.496 2.155.144<br />
1905-06 739.091 82.976 1.174.605 1.996.453<br />
1906-07 924.922 65.952 1.175.277 2.166.151<br />
1907-08 925.490 60.634 1.360.770 2.346.625<br />
1908-09 735.063 113.732 1.277.559 2.126.354<br />
1909-10 1.006.114 48.692 1.305.630 2.360.437<br />
1910-11 1.018.840 74.950 1.244.756 2.338.546<br />
1911-12 890.000 143.304 1.119.988 2.153.416<br />
1912-13 1.043.124 95.533 1.172.316 2.314.083<br />
1913-14 1.133.841 122.859 1.396.648 2.653.348<br />
<strong>1914</strong>-15 579.618 119.159 1.546.879 2.245.656<br />
1915-16 454.201 100.558 1.061.918 1.616.678<br />
1916-17 410.393 124.696 1.152.611 1.686.700
in<strong>die</strong>n, auf den Westindischen Inseln und in<br />
Südafrika - vor allem für <strong>die</strong> Versorgung von<br />
Plantagenkulis.®''' Ebenjene direkte Befriedigung<br />
der Reisnachfrage für Plantagenwirtschaften<br />
rund um den Globus nahm dem deutschen sowie<br />
dem gesamten europäischen <strong>Reishandel</strong> eine<br />
wichtige Funktion. Der asiatische <strong>Reishandel</strong><br />
wurde hingegen in seiner Wirtschaftskraft aufgewertet®''^<br />
(s. Tabelle V. 1.1, S. 198 oben).<br />
Zu den wichtigsten Umschlagplätzen für den innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> direkte Verschiffung<br />
nach Kuba entwickelten sich Singapur<br />
und Hongkong. Singapur war ein wichtiges Handelskreuz,<br />
auf dem Reis aus Birma und aus Französisch-Indochina<br />
aufeinandertraf und von dort<br />
hauptsächlich nach Niederländisch-Ostin<strong>die</strong>n<br />
und zu den Malaiischen Inseln weiterverschifft<br />
wurde. Hongkong war der Umverteilungsplatz<br />
für <strong>die</strong> Reisströme in den Fernen Osten mit China<br />
als einem großen Nachfrager.®’^<br />
Zwischen den asiatischen Reiserzeugern, in erster<br />
Linie Birma und nachfolgend Siam sowie Indochina,<br />
kam es zu einer Konkurrenz um den<br />
Reisabsatz. Indochina produzierte vor allem Reis<br />
der qualitativ niedrigen Sorte „Big Mills Specials“<br />
und musste sich daher besonders um den<br />
Absatz in Niederländisch-Ostin<strong>die</strong>n bemühen,<br />
wo <strong>die</strong>ser Reis viel für <strong>die</strong> Ernährung von Plantagenarbeitern<br />
nachgefragt wurde. In den Mühlen<br />
Siams wurden bessere Qualitäten der Sorten<br />
„Small Mills Specials“ und „Straits Quality“<br />
produziert. Entsprechend wichtig war für Siam<br />
der Absatz auf dem Malaiischen Archipel, in<br />
Hongkong und in ganz China.®’'* Für den Reis<br />
aus Birma waren ab 1910 In<strong>die</strong>n und Sri Lanka<br />
<strong>die</strong> bedeutendsten Märkte. “By 1910 Burma was<br />
sending more to this market than to the whole<br />
of Europe”®’®(s. Tabelle V. 1.2, S. 198 unten).<br />
Asiatische Reismiihlen konkurrieren mit<br />
europäischen Reismiihlen<br />
Der Aufschwung des innerasiatischen <strong>Reishandel</strong>s<br />
und <strong>die</strong> direkte Belieferung westlicher<br />
Märkte ohne Vermahlung des Reises in Europa<br />
hingen eng mit dem Aufschwung der asiatischen<br />
Reisindustrie zusammen. Bis kurz vor <strong>die</strong> Jahrhundertwende<br />
gab es einzig durch Europäer betriebene<br />
Reismühlen in den großen Exporthäfen.<br />
Ab etwa 1900 entstand vor allem in Birma eine<br />
neue asiatische Reisindustrie, <strong>die</strong> nicht nur Großmühlen<br />
in den Häfen kannte, sondern auch viele<br />
mittlere und kleine Betriebe im Landesinneren<br />
hatte. Zugleich stieg <strong>die</strong> Zahl der Asiaten unter<br />
den Mühlenbesitzern stark an.<br />
Nach Siam immigrierten zwischen 1882 und<br />
1910 etwa 1 Million Chinesen, von denen sich<br />
dort 370.000 dauerhaft niederließen. Die chinesische<br />
Minderheit Siams war einer der Träger<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes.<br />
Mit dem Aufstieg zu einer Wirtschaftselite nahm<br />
eine ganze Zahl von Chinesen auf Grund der<br />
Ver<strong>die</strong>nstmöglichkeiten <strong>die</strong> Reismüllerei auf.<br />
Die Reismühlen dominierten das ölfentliche Bild<br />
des wirtschaftlichen Lebens:<br />
“Equally prominent along the waterfront were<br />
the distinctive mansions of the Chinese merchant<br />
princes, often built in a large compound<br />
to house different branches of the joint family,<br />
and often with a mill or warehouse on one<br />
side, and a Chinese shrine on the other. Even<br />
more prominent were the rice mills, with their<br />
distinctive large warehouses and tall chimneys<br />
belching black smoke from burning rice husk.<br />
The early mills were situated on the city outskirts.<br />
But by the First World War, they had<br />
spread through the centre of the city on the<br />
western banks, and their chimneys vied with<br />
wat towers and palace spires in dominating<br />
the central city’s skyline.”®”<br />
Die Reismühlen, Fabriken und öffentlichen Einrichtungen<br />
benötigten eine große Zahl an Arbeitskräften.<br />
1910 gab es allein 10.000 <strong>bis</strong> 20.000<br />
Arbeiter in den Reismühlen. Insgesamt umfasste<br />
der Begriff Kuli um <strong>die</strong> 100.000 Arbeiter. Europäer,<br />
vor allem Schotten und Deutsche, arbeiteten<br />
nun als Ingenieure im Auftrag der chinesischen<br />
Mühlenbesitzer für <strong>die</strong> Wartung und den<br />
Erhalt der technischen Anlagen. Den europäischen<br />
oder amerikanischen Industriellen waren<br />
<strong>die</strong> chinesischen Reismüller teilweise überlegen,<br />
weil sie Arbeitskolonnen der Kulis ohne Sprach-<br />
199
Tabelle V. 1.3, Anstieg der Zahl der Reismühlen in Birma 1861-1919'’'<br />
Jahr 1861 1867-1869 1870-1874 1875-1877 1880-1881 1892-1894<br />
Mühlen in Birma 1 8 29 45 48 53<br />
Jahr 1896-1899 1900-1904 1905-1909 1910-<strong>1914</strong> 1915-1919<br />
Mühlen in Birma 73 100 149 216 318<br />
Tabelle V. 1.4, Nationalität der Mühlenbesitzer in Birma 1881-1921'’*^<br />
Jahr Birmanen Inder Chinesen Europäer Unbestimmt rGesamt —<br />
1881 2 3 3 41 0 49<br />
1898 10 7 10 45 0 72<br />
1921 224 61 53 45 5 388<br />
Tabelle V. 1.5, Zahl der Angestellten je Nationalität der Mühlenbesitzer in Birma“^<br />
Jahr Birmanen Inder Chinesen Europäer Unbestimmt Gesamt<br />
1898 228 368 535 4.763 0 5.894<br />
1929 11.927 7.148 3.641 15.002 957 38.675<br />
und Kulturbarrieren direkter und einfacher steuern<br />
konnten. Aus demselben Grund konnten sie<br />
<strong>die</strong> chinesischen Zwischenhändler, <strong>die</strong> den Reis<br />
im Landesinneren sammelten und zu den Großmühlen<br />
brachten, besser lenken.®''*<br />
In Birma stellte sich <strong>die</strong> Situation etwas anders<br />
dar, weil sich <strong>die</strong> räumliche Verteilung neuer<br />
Reismühlen stärker als in Siam von den Zentren<br />
löste. 1898 gab es in den drei wichtigsten Häfen<br />
von Rangun, Akyab und Bassein zusammen 39<br />
Reismühlen. Bei insgesamt 74 Mühlen in Birma<br />
waren das 52 Prozent aller Reismühlen. 1915<br />
standen dort 86, in ganz Birma aber bereits 281<br />
Mühlen. In den drei Hafenstädten waren also<br />
nur noch 31 Prozent aller Reismühlen Birmas<br />
angesiedelt. Die Reisindustrie hatte sich dezentralisiert.®^®<br />
Grund dafür war <strong>die</strong> besser ausgebaute<br />
Verkehrsinfrastruktur Birmas. Die Arbeit<br />
in den Mühlen war jedoch noch immer gleich:<br />
“Between January and April, huge country<br />
craft laden with new paddy converged on<br />
these mills. At peak periods the workforce<br />
was employed on a shift system for six days<br />
and nights, the machinery being switched off<br />
only on a Sunday. The mounds of husk produced<br />
were conveniently dumped into the river,<br />
were great patches either lay rotting in the<br />
water or were carried out to sea in long<br />
swirling swaths of gold.”®*®<br />
(s. Tabelle V. 1.3, oben)<br />
200
Tabelle V. 1.6, Verhältnis kleiner zu großen ReismUhlen in Birma®'<br />
Jahr Kleine Mühlen Großmühlen Gesamt<br />
1900 27 56 83<br />
<strong>1914</strong> 151 113 264<br />
Die von Europäern begründeten alten Reismühlen<br />
konnten Mengen von 100 <strong>bis</strong> 250 Tonnen an<br />
einem zwölfstündigen Arbeitstag vermahlen. Die<br />
nach 1900 gegründeten und oft im Landesinneren<br />
gelegenen kleineren Mühlen hatten dagegen<br />
nur Kapazitäten zwischen 10 und 75 Tonnen.<br />
Die Zahl der Mühlenbetriebe war vor 1900 kleiner,<br />
weil eher bei existierenden Fabriken Kapazitäten<br />
erweitert wurden, als dass <strong>die</strong> Besitzer<br />
neue Mühlen errichtet hätten. Die meisten Mühlen<br />
standen dabei in Niederbirma, erst ab 1912<br />
lassen sich auch welche in Oberbirma nachweisen.<br />
Die Zahl der europäischen Mühlenbesitzer<br />
in Birma blieb zwischen 1881 und 1921 konstant,<br />
<strong>die</strong> neuen Mühlen wurden von Birmanen,<br />
Chinesen und Indern betrieben.®*^<br />
(s. Tabelle V. 1.4, S. 200 Mitte)<br />
Die Größe der Belegschaft hing eng mit der Nationalität<br />
der Mühlenbesitzer zusammen. Für<br />
1898 galt noch, dass 81 Prozent aller Arbeiter in<br />
Reismühlen von Europäern arbeiteten. Es folgten<br />
chinesische Mühlen an zweiter Stelle im Vergleich<br />
der Belegschaftsgrößen. 1929 waren es<br />
nur noch 39 Prozent der Arbeiter, <strong>die</strong> in europäischen<br />
Mühlen arbeiteten, während 31 Prozent<br />
der Arbeiter in Reismühlen für Besitzer aus Birma<br />
arbeiteten. Den dritten Platz nahmen hier <strong>die</strong><br />
von Indem betriebenen Mühlen ein. Nach 1900<br />
besaßen Europäer zwar <strong>die</strong> kleinste Zahl an Reismühlen<br />
in Birma, aber <strong>die</strong> größte Zahl an Angestellten<br />
und entsprechende Produktionsmengen.<br />
Die Zahl der Angestellten in den europäischen<br />
Mühlen war immer sehr hoch, 1898 waren es<br />
im Schnitt 105 Arbeiter, 1936 im Schnitt 496<br />
Arbeiter.®*“<br />
(s. Tabelle V. 1.5, S. 200 unten)<br />
Aus den vorgenannten Zahlen ergibt sich, dass<br />
es ab der Jahrhundertwende zu einem Wachstum<br />
der kleineren Reismühlen außerhalb der Hafenstädte<br />
kam. Zum einen waren <strong>die</strong> Müller durch<br />
<strong>die</strong> Dezentralisierang der Reisindustrie näher an<br />
ihren Lieferanten, bei den Bauern, und damit<br />
weniger abhängig von den Zwischenhändlern.<br />
Zum anderen konnte in den kleinen inländischen<br />
Mühlen eher <strong>die</strong> wertmindemde Mischung verschiedener<br />
Reissorten verhindert werden, weil<br />
kleine Mühlen keine großen Rohstoffmengen<br />
brauchten, um rentabel zu arbeiten. Somit konnten<br />
kleine inländische Mühlen nach 1900 zunehmend<br />
direkt den Weltmarkt beliefern, weil<br />
sie in der Reisverarbeitung eine steigende Qualität<br />
erlangten.<br />
(s. Tabelle V. 1.6, oben)<br />
Des Weiteren waren <strong>die</strong> Arbeitskräfte im Inland<br />
günstiger. Die in der Emtesaison gebrauchte Zahl<br />
an Arbeitern konnte den Rest des Jahres nicht in<br />
der Landwirtschaft beschäftigt werden. Die<br />
Hochsaison der Reismühlen war erst im Anschluss<br />
an <strong>die</strong> Emtesaison und so konnten <strong>die</strong><br />
aus dem Reisbau freigesetzten Arbeiter in den<br />
Mühlen Unterkommen. Darüber hinaus sparten<br />
kleine inländische Mühlen an Transportkosten.<br />
Großmühlen zahlten für den Transport vom Landesinneren<br />
<strong>bis</strong> zur Schiffsverladung das Gewicht<br />
des Reises und der Reishüllen, <strong>die</strong> erst in den<br />
Häfen entfernt wurden. Inländische Mühlen<br />
kauften ihren Rohstoff vor Ort und mussten nur<br />
noch das verarbeitete Produkt zur Verschiffung<br />
bringen. Da bei der Verarbeitung <strong>bis</strong> zu einem<br />
Viertel an Gewicht des Reises verloren ging,<br />
konnte der entsprechende Teil der Frachtkosten<br />
eingespart werden.<br />
201
!■<br />
Tabelle V. 1.7, Jährliche Durchschnittsmengen und Verhältnisse im Export von Cargoreis und<br />
weißem Reis aus Birma 1881-1902'’*^<br />
Zeitraum<br />
M enge<br />
(in tons)<br />
C argoreis<br />
Anteile<br />
(Prozente)<br />
M enge<br />
(in tons)<br />
W e iß e r Reis<br />
Anteile<br />
(Prozente)<br />
G esam t<br />
M enge<br />
(in tons)<br />
1881/2-1883/4 748.316 79 199.516 21 947.832<br />
1884/5-1886/7 626.300 74,1 218.439 25,9 844.739<br />
1887/8-1889/90 498.965 59,7 337.251 40,3 836.216<br />
1890/1-1892/3 566.241 52 523.291 48 1.089.532<br />
1893/4-1895/6 521.552 50,8 504.541 49,2 1.026.093<br />
1896/7-1898/9 508.912 48,8 534.032 51,2 1.042.944<br />
1899/1900-1901/2 508.285 45,9 599.337 54,1 1.107.622<br />
“Milling machinery in Burma improved steadily<br />
and the final processes of polishing and coating<br />
were undertaken increasingly in Burma.” Die<br />
Menge des exportierten weißen Reises nahm<br />
kontinuierlich zu. Durch <strong>die</strong> schnellen Transportzeiten<br />
auf Dampfern mit Ladungs ventilation<br />
und <strong>die</strong> Verkürzung des Weges nach Europa<br />
durch den Suezkanal bestand kaum noch <strong>die</strong> Gefahr,<br />
dass der anfälligere weiße Reis während<br />
der Transporte verdarb. Dennoch waren <strong>die</strong> Mühlen<br />
der Verbrauchermärkte und internationalen<br />
Handelsplätze, also auch <strong>die</strong> deutschen Reismühlen,<br />
noch nicht überflüssig geworden. “But<br />
final processing in the consumer centres was not<br />
altogether done away with because of different<br />
consumer preferences in different markets.”®**<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, dass immer<br />
mehr weißer Reis aus Siam und vor allem aus<br />
Birma in <strong>die</strong> Welt verschickt wurde, ohne den<br />
Weg durch eine Mühle in Europa oder durch<br />
eine von einem Europäer betriebene Müble in<br />
Asien genommen zu haben. Dies bedeutete für<br />
<strong>die</strong> deutschen Reishändler, <strong>die</strong> nach den Engländern<br />
<strong>die</strong> zweitgrößte Gruppe der im Reisgeschäft<br />
aktiven Händler und Industriellen stellten,<br />
dass sie neue Wege suchen mussten, um an den<br />
internationalen <strong>Reishandel</strong>sströmen zu partizipieren.<br />
Dies konnte einerseits eine Spezialisierung<br />
im Politurgeschäft der Zielmärkte sein oder<br />
andererseits ein verstärktes Engagement im Speditionsgeschäft.<br />
N eue K onkurrenzsituationen im asiatischen<br />
R eisgeschäft<br />
Die neue Bedeutung des asiatischen Reismarktes<br />
für <strong>die</strong> deutsche Wirtschaft lässt sich durch das<br />
Verhalten der konkurrierenden Schifffahrtsgesellschaften<br />
für den Reistransport zwischen<br />
Bangkok, Hongkong und dem nördlich davon<br />
gelegenen Swatau, heute Shantou, aufzeigen.<br />
Aus konsularischen Berichten der Vertretungen<br />
in Bangkok, Singapur und Hongkong nach Berlin<br />
geht hervor, welche Bedeutung <strong>die</strong> aufstrebenden<br />
<strong>Reishandel</strong>splätze für <strong>die</strong> uns bereits bekannten<br />
deutschen Akteure, den NDL, <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG und <strong>die</strong> DDG „Hansa“, hatten. Da <strong>die</strong><br />
zahlreichen Neugründungen von Reismühlen<br />
nicht in deutschem Besitz waren und das Handelsvolumen<br />
nach Europa stagnierte, während<br />
<strong>die</strong> Reismengen, <strong>die</strong> nach Osten verschifft wurden,<br />
stark anstiegen, war der Transport im asia
tischen <strong>Reishandel</strong> das gewinnträchtigste Geschäft<br />
für Deutsche. Entsprechend wichtig wurde<br />
eine gute Position auf dem Reedereimarkt.<br />
Nach dem Sieg im Russisch-Japanischen Krieg<br />
1905 und der Durchsetzung der japanischen Interessensphäre<br />
in Korea erlebte <strong>die</strong> japanische<br />
Wirtschaft eine deutliche Expansion im asiatischen<br />
Raum. Die Schifffahrt entwickelte sich<br />
positiv und wurde zu einem Konkurrenten des<br />
NDL. Die Bremer Reederei betrieb einen Linien<strong>die</strong>nst<br />
von Bangkok über Hongkong nach<br />
Swatau, auf dem vor allem Reis und Kulis transportiert<br />
wurden. Mit dem Auftauchen japanischer<br />
Konkurrenz auf <strong>die</strong>ser Route fielen <strong>die</strong> Frachtraten<br />
deutlich ab. Wie stark das Geschäft des<br />
NDL eingeschränkt wurde, zeigte sich, als <strong>die</strong><br />
japanische Konkurrenz 1908 aufgab. Das Konsulat<br />
aus Swatau berichtete, dass <strong>die</strong> bremische<br />
Reederei daraufhin <strong>die</strong> Preise für den Reistransport<br />
sofort um <strong>die</strong> Hälfte heraufsetzen konnte.**®<br />
Praktisch zeitgleich tauchte aber neue Konkurrenz<br />
auf. Die Gründung einer chinesisch-siamesischen<br />
Reederei konnte nicht verhindert werden.<br />
Der NDL versuchte, <strong>die</strong> Reismühlen Bangkoks<br />
durch ein Abkommen an sich zu binden. Diese<br />
aber erhofften sich durch einen Preiskampf noch<br />
günstigere Frachtraten als durch das vorgetragene<br />
Angebot und lehnten ab.*®° Die chinesischsiamesische<br />
Gesellschaft war aus einer Rivalität<br />
der aufstrebenden chinesischen Wirtschaftselite<br />
gegenüber den Europäern entstanden:<br />
“In the 1890s, some of the great old jao sua<br />
households jointly resolved to set up banks<br />
and shipping companies. [...] In part, they<br />
were motivated by rising Chinese nationalism<br />
and wanted to outdo the Europeans. But they<br />
lacked in expertise required for these novel<br />
ventures, and failed to provide enough capital<br />
to survive the ensuing price war with European<br />
firms. In addition, a series of poor harvests<br />
in 1904-08 meant that for several years<br />
very little rice could be exported, and rice<br />
mills were without profit. The banks that financed<br />
them went bust. The ambitious shipping<br />
venture fell into debt and was sold in<br />
China.”®'<br />
Die Chino-Siam Steam Navigation Company<br />
Limited dürfte als Folge des Scheiterns der siamesischen<br />
Reedereien 1908 entstanden sein. Die<br />
neue Gesellschaft charterte eine Reihe norwegischer<br />
Dampfer, und es trat wiederum der von<br />
den Reismüllern begrüßte Preiskampf um <strong>die</strong><br />
Frachtraten ein.<br />
Nach zwei Jahren, 1910, verlängerte <strong>die</strong> Chino-<br />
Siam Steam Navigation Company ihre Charterverträge<br />
für <strong>die</strong> norwegischen Dampfer. Der<br />
NDL verringerte daraufhin seine Bangkok anlaufende<br />
Dampferflotte von 21 auf nur noch 10<br />
Schiffe. Mit <strong>die</strong>ser Frachtraumverknappung sollten<br />
<strong>die</strong> Preise zum Vorteil des NDL nach oben<br />
gezogen werden, weil kurzfristige Neucharterungen<br />
für <strong>die</strong> asiatische Linie aus finanziellen<br />
Gründen nicht machbar waren.®^ Diese für alle<br />
Beteiligten schwierige wirtschaftliche Situation<br />
in Bangkok versuchte sich <strong>die</strong> Rickmers AG<br />
nutzbar zu machen. Andreas Rickmers hatte<br />
durch einen Neffen, der 1910 <strong>die</strong> Firma Markwald<br />
& Co. in Bangkok leitete, gute Kenntnisse<br />
des dortigen Geschäfts. Da <strong>die</strong> Chino-Siam Navigation<br />
Company günstige Dampfer brauchte,<br />
um sich weiter gegen <strong>die</strong> deutsche Konkurrenz<br />
behaupten zu können, bot <strong>die</strong> Rickmers AG ihr<br />
den billigen Bau von Schiffen an. Mit <strong>die</strong>sem<br />
Angebot sollte das noch immer schwierige<br />
Werftgeschäft in Bremerhaven gestützt werden.<br />
Obwohl es am Ende gar nicht zu <strong>die</strong>sem Geschäft<br />
kam, war <strong>die</strong> Empörung darüber doch<br />
groß. Die Bangkoker Vertretung des NDL war<br />
sehr erstaunt, weil sie in einer wirtschaftlich-patriotischen<br />
Erwartungshaltung „Rickmers eine<br />
solche Illoyalität nicht Zutrauen“ wollte.®^ Die<br />
politische Dimension <strong>die</strong>ses Angebots wurde<br />
noch einmal am Ende des Jahres deutlich, als<br />
sich Andreas Rickmers aus dem Reis- und Reedereigeschäft<br />
zurückzog und aus Bremen eine<br />
Beurteilung des Verhältnisses zwischen dem<br />
NDL und der Rickmers AG nach Berlin übermittelt<br />
wurde:<br />
„[...] so ist zu hoffen, dass <strong>die</strong>se Interessen<br />
nicht mehr wie <strong>bis</strong>her gegen den Lloyd arbeiten,<br />
sondern Hand in Hand mit ihm gehen<br />
werden. Durch das neuerdings erfolgte Aus-<br />
203
scheiden des Herrn Andreas Rickmers aus<br />
dem Vorstand der Rickmer’sehen [!] Gesellschaft<br />
ist das gefährlichste Element für den<br />
Lloyd beseitigt. Es sind nun in den Aufsichtsrat<br />
der Rickmer’schen [!] Reederei zwei dem<br />
Lloyd günstig gesinnte Herren (einer ist sogar<br />
Mitglied des Aufsichtsrats des Lloyd) eingetreten<br />
und beide haben <strong>die</strong> Bedingung für ihren<br />
Eintritt gestellt, dass <strong>die</strong> Rickmers-Schiffe<br />
in Harmonie mit dem Lloyd und nicht gegen<br />
ihn verwandt werden sollen.“®^“*<br />
Da der Preiskampf zwischen den Reedereien in<br />
Siam nicht nachließ, kam es im November 1910<br />
zu einem Treffen prominenter Vertreter der Reedereien<br />
in Bangkok.<br />
“Several prominent officials of the Norddeutscher<br />
Lloyd and other companies arrived<br />
in Bangkok on the Wongkoi on November<br />
12. Among the party were Mr. Heineken, general<br />
director at Bremen, Mr. Legge, director<br />
at Singapore, Mr. Brutbja, director at<br />
Hongkong, Mr. Diehn, director of Behn, Meyer<br />
and Co., Ltd., Mr. Steffens, secretary to<br />
Mr. Heineken, and Mr. Brune, broker of the<br />
Chino-Siam Steam Navigation Co., at<br />
Hongkong. They were met on landing by Mr.<br />
S. H. Hendrick, the Bangkok broker of the<br />
Chino-Siam Co. The Bangkok Times understands<br />
that these gentlemen are in Bangkok<br />
with the object of holding a private conference<br />
with the directors of Chino-Siam Steam Navigation<br />
Co., Ltd., on the subjects of the China<br />
ports and Bangkok run, on which there has<br />
been severe competition for a long time.”^®^<br />
Die Verhandlungen, zu denen immerhin der Bremer<br />
Generaldirektor des NDL persönlich anreiste,<br />
zogen sich über eine Woebe hin. Die asiatische<br />
Reederei wollte <strong>die</strong> Vorschläge von Philipp<br />
Heineken nicht annehmen, woraufhin <strong>die</strong>ser <strong>die</strong><br />
Gespräche am 20. November ohne Einigung abbrach.<br />
Zur Sicherung der Frachten gelang es schließlich<br />
doch, einzelne Mühlen an <strong>die</strong> Reedereien zu binden.<br />
Es stellte sich heraus, dass sich der NDL<br />
zu Unrecht über politische Hilfe des Staates Siam<br />
an <strong>die</strong> Chino-Siam Steam Navigation Company<br />
beschwert hatte. Mit einem staatlichen Kredit,<br />
so der Vorwurf, war eine Reismühle gerettet worden,<br />
<strong>die</strong> an <strong>die</strong> asiatische Reederei angebunden<br />
sei. Tatsächlich stellte sich jedoch heraus, dass<br />
<strong>die</strong> Mühle durch ein Abkommen mit der Bremer<br />
Firma verbunden war.®’<br />
Bis zum Ersten Weltkrieg änderte sich <strong>die</strong> Situation<br />
im hart umkämpften Reisgeschäft innerhalb<br />
Asiens nicht grundlegend. Die Chino-Siam<br />
Navigation Company musste 1912 das Geschäft<br />
aufgeben und es setzte sich der NDL durch. Zugleich<br />
kamen aber auch regelmäßig neue Mitbewerber,<br />
<strong>die</strong> versuchten, am Reisgeschäft teilzuhaben.<br />
1913 gab es für den NDL noch immer<br />
Preiskämpfe auf der Strecke Bangkok-Hongkong<br />
und das Konsulat in Hongkong kam zu<br />
dem Schluss, dass dort der größere Teil der<br />
Frachten von Chinesen abgewickelt würde.®*<br />
Dennoch erfolgten <strong>1914</strong> immerhin drei Viertel<br />
der Reisexporte ganz Siams auf deutschen und<br />
britischen Schiffen.®^<br />
Die neuen Strukturen im internationalen <strong>Reishandel</strong><br />
können zuletzt auch noch an Hand der<br />
deutschen Reedereien betrachtet werden, <strong>die</strong><br />
Rangun, den wichtigsten Reishafen Birmas, anliefen.<br />
Dort wurde 1912 <strong>die</strong> Ankunft von 42<br />
Dampfschiffen verzeichnet. Alleine 24 Dampfer<br />
der DDG „Hansa“ legten dort an. Dazu kamen<br />
sieben Schiffe des NDL und fünf Schiffe<br />
der Reederei Jebsen & Co. Alle drei Reedereien<br />
waren nicht nur im Verkehr mit Europa aktiv,<br />
sondern sie wickelten auch einen großen Teil<br />
ihrer Geschäfte im innerasiatischen Verkehr ab.<br />
Hinzu kamen drei Dampfer der HAPAG und<br />
zwei Rickmers-Dampfer, <strong>die</strong> mit größerer Wahrscheinlichkeit<br />
eher Europa anliefen, und zuletzt<br />
auch noch ein Schiff der Deutsch-Australischen<br />
Dampfschiffs-Gesellschaft, das wohl nur zu einer<br />
besseren Frachtraumausnutzung den abseits der<br />
eigentlichen Route gelegenen Hafen von Rangun<br />
anlief. Deutsche Reishändler und deutsche Reeder<br />
konnten sich im 20. Jahrhundert nicht mehr<br />
darauf beschränken, Reis von Birma nach Bremen<br />
und Hamburg zu bringen, wenn sie im internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> noch eine Rolle spielen<br />
wollten. Sie engagierten sich daher verstärkt auf<br />
204
dem asiatischen Reismarkt, wo ihnen erstmals<br />
einheimische Reisindustrien und Reedereien<br />
Konkurrenz machten.<br />
2. Die Reis- und Handels Aktiengesellschaft<br />
Ein neues U nternehm en der deutschen<br />
R eishändler<br />
Die Ablösung Europas als wichtigster Verarbeitungsort<br />
für den internationalen <strong>Reishandel</strong> und<br />
das Empfinden, zollpolitisch gegenüber den europäischen<br />
Nachbarn benachteiligt zu sein, ließ<br />
<strong>die</strong> deutschen und besonders <strong>die</strong> bremischen<br />
Reismüller nach neuen Wegen im Reisgeschäft<br />
suchen. Einerseits wurde <strong>die</strong> Beeinflussung der<br />
Politik, Lobbyarbeit, zur Errichtung von Schutzzöllen<br />
beziehungsweise zum Abbau der Einfuhrzölle<br />
betrieben, andererseits wurde versucht, <strong>die</strong><br />
Einkaufsverhältnisse in Asien zu Gunsten der<br />
deutschen Reismüller zu verändern. In Asien<br />
gab es ein Kartell sechs großer europäischer Firmen,<br />
<strong>die</strong> den Markt beherrschten. Auf Grund<br />
der entstandenen asiatischen Konkurrenz durch<br />
zahlreiche kleine Mühlen war <strong>die</strong>ses Kartell gezwungen,<br />
den asiatischen Markt sehr günstig zu<br />
beliefern. Im Umkehrschluss „diktierte es aber<br />
umso höhere Preise für [<strong>die</strong> Einkäufer aus]<br />
Europa“.' Andreas Rickmers suchte nach Wegen,<br />
dem Preisdiktat der Verlader etwas entgegenzusetzen<br />
und sah eine Lösung in der Einigung<br />
aller deutschen Reiskäufer. So wurde am<br />
3. Januar 1901 unter seiner Leitung <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels Aktiengesellschaft, kurz Reis- und<br />
Handels AG, mit Sitz in Bremen als Zusammenschluss<br />
aller deutschen Reismühlen gegründet.<br />
In der Reis- und Handels AG schlossen sich neun<br />
Reismühlenbetriebe zusammen: <strong>die</strong> Reismühle<br />
der Rickmers AG, <strong>die</strong> Firmen Gebrüder Nielsen,<br />
Reismühle und Stärkefabrik AG sowie <strong>die</strong> Bremer<br />
Reismühlen, vorm. Anton Nielsen & Co.,<br />
AG aus Bremen. Dazu kam <strong>die</strong> Stärkefabrik und<br />
Reismühle der Osterholzer Reiswerke im benachbarten<br />
Osterholz-Scharmbeck. Die Norddeutsche<br />
Reismühle, <strong>die</strong> Reismühle Reiherstieg,<br />
<strong>die</strong> Hammerbroker Reiswerke sowie <strong>die</strong> Reismühle<br />
Hansa in Hamburg. Außerdem schloss<br />
sich noch <strong>die</strong> Flensburger Reismühle an.’“<br />
Kartelle in der Reiswirtschaft und der Konzern<br />
der Reis- und Handels AG<br />
Welche Firmen dem Verkäufer- beziehungsweise<br />
Verschifferkartell in Birma angehörten, ist leider<br />
nicht eindeutig zu klären. Es lässt sich aber vermuten,<br />
dass <strong>die</strong> größten englischen und deutschenglischen<br />
Firmen zu dem Kartell gehörten. Betrachtet<br />
man <strong>die</strong> Statistik der in Liverpool einkommenden<br />
Reisschiffe, so waren <strong>die</strong> Verlader,<br />
<strong>die</strong> am häufigsten dorthin Reisschiffe sandten,<br />
<strong>die</strong> Firmen W. Steel & Co., Bulloch Brothers &<br />
Co. sowie <strong>die</strong> Aracan Company und Mohr<br />
Brothers. Einen Beleg, dass <strong>die</strong>se Firmen wirklich<br />
zu dem Kartell gehörten, gibt es nicht. Die<br />
Marktposition, <strong>die</strong> sich aus der Liverpooler Statistik<br />
ergibt, ist aber ein Hinweis darauf.’"^ Zudem<br />
kam es 1921, als es keine deutschen Wettbewerber<br />
mehr in Birma gab, zur Gründung des<br />
Bullinger Pools, der viele kleine Mühlen vom<br />
Markt drängte und <strong>die</strong> Eisenbahntarife zu beeinflussen<br />
suchte. Zu <strong>die</strong>sem Kartell gehörten<br />
<strong>die</strong> Firmen Steel Brothers, Bulloch Brothers,<br />
Ellerman’s Arakan Rice and Trading Co. and<br />
the Anglo-Burma Rice Company. Denkbar ist,<br />
dass <strong>die</strong> beiden erstgenannten Firmen 1921 ein<br />
Geschäftsmodell wiederholten, mit dem sie<br />
bereits Ende des 19. Jahrhunderts ihre Marktstellung<br />
in Birma behauptet hatten. Nach Prüser<br />
waren sieben englische oder deutsch-englische<br />
Firmen, was wiederum auf Mohr Brothers &<br />
Co. deutet, an dem Kartell beteiligt. Eine der<br />
Firmen war demnach auch <strong>die</strong> Firma Krüger &<br />
C o .’°5<br />
Dass sich Firmen zusammenschlossen, um den<br />
Markt zu beeinflussen, war im internationalen<br />
Reisgeschäft keine neue Entwicklung. Schon<br />
1892 hatte „Die Mühle“ über einen „Reisring“<br />
in New Orleans berichtet:<br />
„Ein Reisring ist in New-Orleans gebildet<br />
worden, indem sich <strong>die</strong> Besitzer von 14 Reismühlen<br />
zu einem solchen vereinigten, eine<br />
wegen Minderjährigkeit der Besitzer nicht<br />
205
käufliche Mühle pachteten und <strong>die</strong> Socock-<br />
Mühle, deren Besitzer sich weigerte, dem<br />
Ring beizutreten, einfach aufkauften. An der<br />
Spitze der neuen Vereinigung sollen newyorker<br />
und chicagoer Großhändler stehen.“’“<br />
Die Bildung von Kartellen war im ausgehenden<br />
19. und angehenden 20. Jahrhundert nicht ungewöhnlich.<br />
Deutschland galt als Hochburg der<br />
Kartelle. Anfang der 1890er Jahre gab es weniger<br />
als 100 Kartelle, 1905 bereits 385.’ Diese Entwicklung<br />
blieb auch der zeitgenössischen Wissenschaft<br />
nicht verborgen. Der bei Max Weber<br />
promovierte Freiburger Nationalökonom Robert<br />
Liefmann befasste sich bereits 1897 ausführlich<br />
mit Unternehmerverbänden und deren spezifischer<br />
Ausformung. Dabei erarbeitete Liefmann<br />
eine Reihe von Spezifika, <strong>die</strong> ein Kartell auszeichneten,<br />
<strong>die</strong> sich auch bei der Reis- und Handels<br />
AG fanden: Eine Voraussetzung zur Entstehung<br />
der Unternehmerverbände war eine wachsende<br />
Kduft zwischen dem Kapitalrisiko und der<br />
Gewinnerwartung einer Unternehmung. Je höher<br />
das Risiko im Vergleich zur Gewinnerwartung,<br />
desto größer war <strong>die</strong> Neigung, ein Kartell zu<br />
bilden. Dieses Kapitalrisiko war bei Produktions-<br />
und Transportunternehmen größer als bei<br />
Handelsunternehmen. Die Rickmers AG, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Gründung der Reis- und Handels AG initiierte,<br />
war Produktions- und Transportunternehmen.<br />
Zudem waren steigende Rohstoffpreise ein<br />
Grund zur Kartellierung, was wiederum für den<br />
<strong>Reishandel</strong> zutraf.’“ Des Weiteren unterschied<br />
Liefmann zwischen zwei Kartellarten: Verbände<br />
der Abnehmer und Verbände der Unternehmen<br />
als Anbieter.<br />
Die Rickmers AG war durch ihren vertikalen<br />
Aufbau als Transport-, Verarbeitungs- und Verkaufsunternehmen<br />
sowohl Abnehmer als auch<br />
Verkäufer und entsprach den dafür von Liefmann<br />
genannten Eigenschaften der jeweihgen Art eines<br />
Kartells. Diese Doppelfunktion blieb auch der<br />
Reis- und Handels AG erhalten. Als Abnehmer<br />
war es das Ziel, gegenüber dem Anbieterkartell<br />
in Birma Höchstpreise zu verhindern und im<br />
Transport nach Deutschland Frachtkosten weiter<br />
zu senken. Als Anbieter von Reis war <strong>die</strong> Bremer<br />
Vereinigung ein beschränkendes Kartell und ziel-"”<br />
te darauf ab, Produktionsmengen festzulegen,<br />
ein Gebietskartell zu sein, das den deutschen<br />
Markt vollständig erfasste, und dadurch endlich<br />
selber Preise vorgeben zu können.’“<br />
Eine genauere Betrachtung der Kartellgeschichte<br />
offenbart, dass Fusionsbewegungen nicht<br />
zwangsläufig zu klassischen Kartellen geführt<br />
haben. Per Definition ist ein Kartell „der freiwillige<br />
Zusammenschluss selbstständig bleibender<br />
Unternehmungen zumeist des gleichen Produktionszweiges<br />
und der gleichen Produktionsstufe<br />
zum Zweck des gemeinsamen und<br />
gleichartigen Verhaltens auf dem Markt“.’Die<br />
Verkaufsgesellschaften für Reisstärke müssen<br />
nach <strong>die</strong>ser Definition also als Kartelle betrachtet<br />
werden. Ein weiteres Signum von Kartellen ist,<br />
dass <strong>die</strong> Bedeutung einzelner Unternehmer zu<br />
Gunsten der Bedeutung des gesamten Verbandes<br />
zurücktrat. Es kam in Kartellen weniger auf Führungspersönlichkeiten<br />
und den einzelnen Unternehmenschef<br />
an als auf den Interessenausgleich<br />
innerhalb des Kartells. Aber eine Abschaffung<br />
seiner gestaltenden Führungsposition wird Andreas<br />
Rickmers sicher nicht im Sinn gehabt haben.<br />
Er war, ähnlich wie Rickmer Glasen Rickmers,<br />
ein Großunternehmer und in vielen geschäftlichen<br />
Dingen Autodidakt. Dennoch war<br />
sein persönlicher Führungsanspruch sehr hoch.<br />
Um auch den personellen Führungsanspruch innerhalb<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s aufrechterhalten<br />
zu können, erreichte Andreas Rickmers<br />
einen Konzentrationsprozess, der nicht in einer<br />
Kartellbildung nebeneinander operierender Unternehmen<br />
mündete, sondern einen Reiskonzern<br />
begründete.<br />
Der Vorteil eines Konzerns gegenüber einem<br />
Kartell war vor allem <strong>die</strong> Führungsstruktur. Ein<br />
Konzern ist „<strong>die</strong> Zusammenfassung mehrerer<br />
Unternehmungen, <strong>die</strong> rechtlich ganz und in der<br />
Produktion mehr oder minder selbständig bleiben,<br />
zu einer Gesamtunternehmung unter einheitlicher<br />
Leitung mit Zusammenfassung, Verflechtung<br />
und Verschränkung des Kapitals“.’“<br />
Eine vertikale Vereinigung oder wenigstens Beeinflussung<br />
der verschiedenen Produktionsstu-
fen, also eine bestmögliche Verfügung über <strong>die</strong><br />
Rohstoffversorgung und -Verarbeitung, wurde<br />
als einer der Vorteile eines Konzerns angesehen.<br />
Zeitgenössisch wurde über Konzentrationsbestrebungen<br />
kontrovers diskutiert, ob ein Kartell<br />
oder ein Konzern <strong>die</strong> beste Organisationsform<br />
sei, um <strong>die</strong> beschriebenen Vorteile im Einkauf<br />
und Verkauf zu erreichen. Gegenüber einem Kartell<br />
hatte ein Konzern nur eine Führungsstruktur<br />
und es mussten keine Entscheidungen langwierig<br />
zwischen verschiedenen Strukturen und Personen<br />
auf Augenhöhe ausgehandelt werden. Außerdem<br />
gab <strong>die</strong> Organisationsform eines Konzerns<br />
dem klassischen Familienunternehmer <strong>die</strong><br />
Option, seine Stellung als prägende und letztinstanzliche<br />
Führungspersönlichkeit zu bewahren.’'^<br />
Hierin dürfte auch für Andreas Rickmers<br />
der Grund gelegen haben, eine Vereinigung der<br />
deutschen Reismühlen in einem Konzern unter<br />
seiner Leitung anzustreben. Die Kartellstrukturen<br />
der Reisstärkeindustrie kannte Andreas Rickmers,<br />
kopierte und übertrug sie aber bewusst<br />
nicht auf <strong>die</strong> reisverarbeitende Industrie. Stattdessen<br />
bestand seit 1901 „in der Reismühlenindustrie<br />
eine monopolistische Kontrollgesellschaft<br />
in der *Reis und Handels-A.-G.* in Bremen, in<br />
der sämtliche deutsche Reismühlen, sechs<br />
G.m.b.H. und drei Aktiengesellschaften, zusammengefasst<br />
wurden“.” ^<br />
Die Geschichte der Aktiengesellschafien in<br />
Deutschland<br />
Zur Einordnung der Geschichte der Reis- und<br />
Handels AG soll hier zuerst ein kurzer Blick auf<br />
<strong>die</strong> Entwicklung der Aktiengesellschaften in<br />
Deutschland geworfen werden, weil sich aus der<br />
Historie Fehlentwicklungen erklären, welche <strong>die</strong><br />
wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Reis- und<br />
Handels AG <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg erhellen.<br />
Aktiengesellschaften kamen parallel mit der<br />
Hochphase der Industrialisierung auf und können<br />
als Signum neuer Ausformungen der industrialisierten<br />
Privatwirtschaft verstanden werden. Der<br />
Beginn des Eisenbahnbaus in Deutschland war<br />
zugleich der Beginn erster Gesetzgebungsverfahren<br />
zu Aktiengesellschaften und kann auf das<br />
Jahr 1838 datiert werden. In jenem Gesetz wurden<br />
private Eisenbahngesellschaften zugelassen,<br />
weil dem preußischen Staat das nötige Kapital<br />
zum Eisenbahnbau fehlte. Es folgte 1843 das<br />
erste allgemein gültige, nicht nur auf Eisenbahngesellschaften<br />
bezogene, Aktiengesetz Preußens.<br />
Das darin festgelegte Grundprinzip sah vor, dass<br />
Aktiengesellschaften eine Konzession beantragten.<br />
Diese wurde erteilt, „wenn das Unternehmen<br />
aus Gesichtspunkten des Gemeinnutzes der Förderung<br />
wert erschien und sein Zweck wegen der<br />
Höhe des erforderlichen Kapitals von einem einzelnen<br />
nicht erreicht werden konnte“.D i e<br />
Kontrollfunktion der Gesellschaften lag beim<br />
Staat und wurde durch <strong>die</strong> Verpflichtung zur Vorlage<br />
von Bilanzen ermöglicht.<br />
Mit der Einführung des Allgemeinen Deutschen<br />
Handelsgesetzbuches durch <strong>die</strong> Bundesversammlung<br />
des Deutschen Bundes 1861 gab es<br />
erstmals ein für alle deutschen Staaten gültiges<br />
Handelsgesetz, ln dem auch <strong>die</strong> Stellung der<br />
noch immer nicht weit verbreiteten Rechtsform<br />
der Aktiengesellschaft geklärt wurde. Dabei wurde<br />
den Einzelstaaten des Deutschen Bundes freigestellt,<br />
ob sie am staatlichen Konzessionsrecht<br />
festhalten wollten. Neben Hamburg, Lübeck und<br />
Oldenburg verzichtete Bremen auf das staatliche<br />
Konzessionswesen. Zur gleichen Zeit wurde in<br />
Bremen <strong>die</strong> Gewerbefreiheit eingeführt, und der<br />
Verzicht auf staatliche Konzessionen erklärt sich<br />
aus der Einstellung der politischen Führung Bremens.<br />
Der überwältigende Teil der Bremer Eliten<br />
war wirtschaftsliberal eingestellt, und <strong>die</strong> Aufgabe<br />
der Politik wurde in vielen Bereichen vorrangig<br />
als <strong>die</strong> Verhinderung von Beschränkungen<br />
einer freien Entwicklung der Wirtschaft verstanden.<br />
Als Kontrollorgan einer Aktiengesellschaft<br />
waren im Gesetz von 1861 Aufsichtsräte fakultativ<br />
vorgesehen, <strong>die</strong> tatsächliche Einführung eines<br />
Aufsichtsrats war jeder Gesellschaft also<br />
freigestellt. Zudem konnten einem Aufsichtsrat<br />
auch Verwaltungsaufgaben übertragen werden.<br />
Die Aktienrechtsnovelle von 1870 beendete das<br />
Konzessionssystem in ganz Deutschland und begründete<br />
ein Normativsystem. Nach Eingabe ei-<br />
207
iîl<br />
niger Nachweise bei einem Registergericht bestand<br />
das gesetzliche Recht zur Gründung einer<br />
Aktiengesellschaft. Den Aktionären wurde ein<br />
hohes Maß an Selbstverwaltung zugestanden<br />
und abgefordert, <strong>die</strong> Generalversammlung aller<br />
Aktionäre erhielt eine rechtlich starke Stellung.<br />
Als Kontrollorgan sollte weiterhin der Aufsichtsrat<br />
fungieren, der aus mindestens drei Aktionären<br />
zu bestehen hatte. Durch einen Gesellschaftsvertrag<br />
war es aber weiterhin möglich, dem Aufsichtsrat<br />
Verwaltungsaufgaben zu übertragen.<br />
Die Aktionäre im Aufsichtsrat befassten sich so<br />
öfter mit der Geschäftsführung als mit der Kontrolle<br />
derselben. Viele Aktionäre brachten sich<br />
auch über <strong>die</strong> Generalversammlungen kaum ein,<br />
weil ihr Interesse an der Dividende höher war<br />
als an der Aufsicht einer ordentlichen Geschäftsführung.<br />
Dies führte in der Gründerzeit zu einer<br />
ganzen Reihe unseriöser Firmengründungen, bei<br />
denen vorzugsweise <strong>die</strong> Höhe der eingebrachten<br />
Firmenwerte oder des tatsächlich eingezahlten<br />
Kapitals falsch angegeben wurden. Im folgenden<br />
Gründerkrach, der Wirtschaftskrise von 1873,<br />
waren <strong>die</strong>se Unternehmen besonders betroffen,<br />
weil es an nötiger Kontrolle gefehlt hatte.^'^ Wie<br />
sich zeigte, „war der Aufsichtsrat aber nicht nur<br />
ein falsch bezeichnetes Mitverwaltungsorgan,<br />
sondern das dominierende Leitungsorgan der<br />
Aktiengesellschaft“ gewesen, das sich zu oft einer<br />
wirksamen Kontrolle entzogen hatte.’’®<br />
Diese Erfahrungen prägten <strong>die</strong> Aktienrechtsnovelle<br />
von 1884.” ’ Der Aufsichtsrat sollte stärker<br />
zu einem Kontrollgremium werden, konnte nur<br />
noch aus der Generalversammlung gewählt werden<br />
und es konnten dort nun auch Nichtaktionäre<br />
einziehen. Vorstands- und Aufsichtsratsmandate<br />
mussten getrennt werden. Strukturell war geplant,<br />
dass <strong>die</strong> Generalversammlung das Willensorgan,<br />
der Vorstand das Ausführungsorgan<br />
und der Aufsichtsrat das Kontrollorgan einer Aktiengesellschaft<br />
war. Es blieb jedoch dabei, dass<br />
der Aufsichtsrat Verwaltungsaufgaben übernehmen<br />
konnte.<br />
„Von <strong>die</strong>ser Möglichkeit machten <strong>die</strong> Aktionäre<br />
in der Praxis so umfassenden Gebrauch,<br />
dass der Aufsichtsrat auch am Ende des 19.<br />
Jahrhunderts noch immer maßgeblich an der<br />
Geschäftsführung mitwirkte. Nach außen<br />
musste sich hingegen das Bild des Aufsichtsrats<br />
als Überwachungsorgan verfestigen, da<br />
<strong>die</strong> Novelle von 1884 zur Verbesserung seiner<br />
Überwachungstätigkeit zahlreiche Außenwirksame<br />
Maßnahmen getroffen hatte. Dadurch<br />
verschärfte sich der Widerspruch zwischen<br />
den gesetzlichen Aufgaben des Aufsichtsrats<br />
und seiner Tätigkeit in der<br />
Praxis.“” ®<br />
Im Fazit war <strong>die</strong> Novelle von 1884 ein Kompromiss<br />
verschiedener Interessengruppen und konnte<br />
daher <strong>die</strong> in der Gründerkrise erkannten Missstände<br />
nicht konsequent bekämpfen.” ’ Die Berücksichtigung<br />
der Geschichte des Aktienrechts<br />
erlaubt es bei der Betrachtung der Reis- und<br />
Handels AG, neben den ökonomischen Gegebenheiten<br />
des internationalen <strong>Reishandel</strong>s auch<br />
<strong>die</strong> innere Struktur des Reiskonzems und deren<br />
Anteil an seiner wirtschaftlichen Entwicklung<br />
mit einzubeziehen.<br />
Die Gründung der Reis- und Handels AG<br />
Neun Mühlen werden zu einem Konzern<br />
Am 3. Januar 1901 begann <strong>die</strong> Geschichte der<br />
Reis- und Handels AG mit einer notariellen Erklärung<br />
bezüglich des Gründungsaufwandes.<br />
Das Gründungskapital betrug 4 Millionen Mark<br />
und wurde in 4.000 Aktien zu 1.000 Mark aufgebracht.<br />
Da entsprechende Betriebswerte noch<br />
nicht vorhanden waren, wurden <strong>die</strong> Aktien zu<br />
einem Viertel des Nennbetrages erworben. Die<br />
Rickmers AG als größter Aktionär übernahm<br />
3.840 Aktien, investierte 960.000 Mark in <strong>die</strong><br />
neue Aktiengesellschaft und erwarb dadurch Anteile<br />
mit dem nominalen Wert von 3.840.000<br />
Mark. Alle weiteren Gesellschafter übernahmen<br />
jeweils 20 Aktien. Dem Aufsichtsrat gehörten<br />
Andreas Rickmers als Vorsitzender, Robert Rickmers,<br />
Julius Nielsen, Detmar Einke, Johann<br />
Reinken, Anton Deppe, Johannes Zipperling,<br />
Gustav Adolf Classen, Hans Seelmann und Heinrich<br />
Christian Kallsen an. Vorstand der Reis-<br />
208
г<br />
und<br />
Handels AG wurde Hermann Friedrich Upmann7^°<br />
Ein wirklicher Konzern zur Verarbeitung von<br />
Reis wurde <strong>die</strong> Reis- und Handels AG aber erst<br />
mit der außerordentlichen Generalversammlung<br />
vom 1. April 1903. Wichtigster Tagesordnungspunkt<br />
war <strong>die</strong> Erhöhung des Aktienkapitals von<br />
4 auf 30 Millionen Mark durch <strong>die</strong> Ausgabe<br />
26.000 neuer Aktien à 1.000 Mark. Zudem wurde<br />
festgelegt, dass <strong>die</strong> Reis- und Handels AG<br />
eine Höchstzahl von 20 Aufsichtsratsmitgliedem<br />
haben sollte. Mit den neu ausgegebenen Aktien<br />
wurden zugleich <strong>die</strong> Besitzer der in dem neuen<br />
Konzern aufgehenden Reismühlen entschädigt.<br />
Dafür wurden jeweils einzeln Verträge mit den<br />
Besitzern oder Hauptaktionären der Reismühlen<br />
geschlossen. Robert Rickmers als Vorstand der<br />
Rickmers AG übertrug <strong>die</strong> Anteile der Reis werke<br />
Rickmers GmbH an <strong>die</strong> Reis- und Handels AG.<br />
Der Wert der Rickmers-Reismühle wurde mit<br />
6.600.000 Mark beziffert und war damit <strong>die</strong> mit<br />
Abstand wertvollste Mühle im neuen Konzern.<br />
An zweiter Stelle folgte <strong>die</strong> Firma Gebrüder<br />
Nielsen, Reismühle und Stärkefabrik AG, <strong>die</strong><br />
mit einem Wert von 3.360.000 Mark beziffert<br />
wurde. Für <strong>die</strong> Osterholzer Reiswerke musste<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG 3.031 Aktien ausgeben.<br />
Alle weiteren Mühlen wurden nur mit Beträgen<br />
zwischen 1 und 2 Millionen Mark veranschlagt,<br />
<strong>die</strong> kleine Hansa Reismühle in Hamburg<br />
sogar nur mit 415.000 Mark.<br />
Tabelle V. 2.1, Liste der in <strong>die</strong> Reis- und Handels AG eingebrachten Mühlen mit Wert’^'<br />
Eingebrachter Betrieb<br />
Wert<br />
Erhaltene Aktien der<br />
Reis- und Handels AG<br />
Reiswerke Rickmers GmbH 6.600.000 M ark 6.600<br />
Gebr. Nielsen, Reismühle und<br />
Stärkefabrik AG<br />
Alle 2.773 Aktien der A G plus<br />
2.400 M ark bar<br />
Vertragspartner und<br />
frühere Besitzer<br />
Rickm ers A G (Varstand<br />
Robert Rickm ers)<br />
3.330 Bernhard Loose & Co.<br />
Osterholzer Reiswerke 3.031.000 Mark 3.031 Johann Reinken<br />
Norddeutsche RelsmUhle m.b.H. 1.948.000 Mark 1.948<br />
Bremer Reismühlen, vorm. Anton<br />
Nielsen & Co. AG<br />
Aktien Reismühle Hamburg<br />
(Reismühle Reiherstieg)<br />
Alle 1.500 Aktien der AG 1.591<br />
Aktien m it dem Nom inalw ert<br />
von 970.000 Mark<br />
Hammerbrooker Reiswerke 1.350.000 Mark 1.350<br />
Flensburger Reismühle 1.000.000 Mark 1.000<br />
Hansa Reismühle 415.000 M ark 415<br />
Summe 20.833.309,38 Mark 20.764<br />
Robert R ickm ers/A n to n<br />
Deppe<br />
Detm ar Finke / A.<br />
Unkraut<br />
1.499 Vereinsbank Hamburg<br />
Gustav A d o lf Classen /<br />
Julius Wilhelm Classen<br />
Heinrich Christian<br />
Kallsen<br />
A d o lf Brock / Hans Oskar<br />
Seelm ann<br />
Einlagen bei Gründung der Relsund<br />
Handels AG<br />
Aktienzeichnung der Rickmers<br />
AG durch Robert Rickmers<br />
Aktienzeichnung durch Heinrich<br />
Christian Kallsen privat<br />
4.000.000 M ark 4.000<br />
4.936.000 Mark 4.936<br />
300.000 M ark 300<br />
Rickm ers A G sow ie acht<br />
weitere Gesellschafter<br />
Gesamtsumme 30.000<br />
209
I<br />
I<br />
Zusätzlich zu den neun Reismühlen gingen in<br />
Bremen mehrere „Oberländische Häuser“ in den<br />
neuen Konzern ein. Als Oberländische Häuser<br />
wurden Handelsunternehmen bezeichnet, <strong>die</strong> den<br />
Absatz in das Umland und Landesinnere, teilweise<br />
aber auch in das Ausland Vornahmen. Somit<br />
bemächtigte sich <strong>die</strong> Reis- und Handels AG<br />
auch der Vertriebswege des bearbeiteten Reises,<br />
um <strong>die</strong> möglichen Gewinne im Handel innerhalb<br />
Deutschlands selber zu realisieren. Dabei handelte<br />
es sich um <strong>die</strong> Firmen Nielsen & Grabau,<br />
Schmidt & Fuhrken sowie Kahrweg & Walte.<br />
Der Einfluss der Familie Rickmers<br />
Die Auflistung der einzelnen Firmen und ihrer<br />
Werte, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Reis- und Handels AG eingebracht<br />
wurden, zeigt <strong>die</strong> überragende Stellung<br />
der Familie Rickmers in der deutschen Reisindustrie.<br />
Einerseits lässt sich das durch <strong>die</strong> Firmenwerte<br />
belegen. Die aus der Rickmers AG<br />
herausgetrennten und in <strong>die</strong> neue Aktiengesellschaft<br />
eingebrachten Rickmers-Reiswerke machten<br />
fast ein Drittel der gesamten Betriebswerte<br />
aus. Es gingen neben der Reismühle in Bremen<br />
auch deren Tochterfirmen, <strong>die</strong> Mühle Markwald<br />
& Co. in Bangkok und <strong>die</strong> Futtermittelfabrik<br />
„Union“ in Hannoversch Münden, in den Besitz<br />
der Reis- und Handels AG über.’^^ Besonders<br />
<strong>die</strong> Mühle in Siam hatte durch ihre Stellung auf<br />
dem Rohstoffmarkt eine strategische Bedeutung<br />
für <strong>die</strong> Neugründung. Andererseits war <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG bereits durch <strong>die</strong> Übernahme von 3.840<br />
Aktien am 3. Januar der alles bestimmende Aktionär<br />
des Unternehmens. Drittens gehörte der<br />
Familie Rickmers mindestens <strong>die</strong> Hälfte der<br />
Norddeutschen Reiswerke m.b.H., Robert Rickmers<br />
war dort Geschäftsführer und <strong>die</strong> Hamburger<br />
Mühle hatte den viertgrößten Betriebswert<br />
eingebracht. Zudem hatte <strong>die</strong> Rickmers AG<br />
durch Robert Rickmers bei der Kapitalerhöhung<br />
noch weitere 4.936 Aktien im Wert von fast 5<br />
Millionen Mark gezeichnet.<br />
Die Leitungsstruktur der neuen Aktiengesellschaft<br />
war stark auf Proporz ausgerichtet. Andreas<br />
Rickmers als faktischer Geschäftsführer<br />
der Rickmers AG übernahm auch <strong>die</strong> Leitung<br />
der Reis- und Handels AG. Er wurde Vorsitzender<br />
des Verwaltungsrats. Dort standen ihm neun<br />
Kollegen zur Seite. Dies war für <strong>die</strong> Reismühle<br />
der Rickmers’ Robert Rickmers, der ein profunder<br />
Kenner des Reisgeschäfts war. Neben der<br />
bremischen Mühle vertrat er auch noch <strong>die</strong> Interessen<br />
der Norddeutschen Reismühle m.b.H.<br />
und war auch der Vertreter für <strong>die</strong> Beteiligung<br />
in Triest und <strong>die</strong> Tochtergesellschaften in Hannoversch<br />
Münden und Bangkok. Anton Deppe,<br />
ebenso Geschäftsführer der Hamburger Reismühle,<br />
zog gleichfalls in den Aufsichtsrat ein.<br />
Die Eabrik der Gebrüder Nielsen, Reismühle<br />
und Stärkefabrik AG, wurde durch Julius Nielsen<br />
vertreten, <strong>die</strong> Bremer Reismühlen, vorm. Anton<br />
Nielsen & Co. AG, durch Detmar Finke. Für <strong>die</strong><br />
Osterholzer Reis werke zog Johann Reinken in<br />
den Aufsichtsrat der Reis- und Handels AG ein.<br />
Die Besitzerfamilie der Flensburger Mühle erhielt<br />
ebenfalls einen Sitz, den Heinrich Christian<br />
Kallsen einnahm. Johannes Zipperling erhielt<br />
ein Aufsichtsratsmandat für <strong>die</strong> Reismühle Reiherstieg<br />
in Hamburg und Gustav Adolf Classen<br />
für <strong>die</strong> dortigen Hammerbrooker Reiswerke.<br />
Hans Seelmann erhielt für <strong>die</strong> Hansa Reismühle<br />
in Hamburg einen Platz im obersten Gremium<br />
der neuen Gesellschaft. Hermann Friedrich Upmann,<br />
dessen Handelshaus alle Aktien der Osterholzer<br />
Reiswerke eingebracht hatte, wurde der<br />
einzige Direktor. Prokura erhielten sieben leitende<br />
Angestellte, <strong>die</strong> auch aus den eingebrachten<br />
Firmen übernommen wurden. Unter ihnen<br />
waren Johann Wilhelm Nielsen, Bruder des neuen<br />
Aufsichtsrats und Sohn des Firmengründers<br />
von Gebr. Nielsen, Reismühle und Stärkefabrik<br />
AG, Johannes Wilhelm Grabau, Helmrich Kahrweg<br />
und Paul Wagenknecht. Sie alle hatten vorher<br />
als Kaufleute im oberländischen Verkehr gearbeitet<br />
und ihre Firmen in <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG eingebracht.<br />
An der Verteilung der Mandate zeichneten sich<br />
<strong>die</strong> inneren Machtverhältnisse des Konzerns<br />
deutlich ab. Schon das Verhältnis von 10 Aufsichtsräten<br />
zu einem Direktor zeigt an, dass alle<br />
Entscheidungen - wenn überhaupt - im Auf
sichtsrat diskutiert wurden. Einerseits war der<br />
Vorstand Hermann Friedrich Upmann eine der<br />
wenigen Besetzungen, <strong>die</strong> aus fachlichen Argumenten<br />
vorgenommen wurden, weil er als Direktor<br />
mit dem alltäglichen Geschäft der Reisund<br />
Handels AG konfrontiert war. Darüber hinaus<br />
hatte er aber auch ein besonders enges und<br />
vertrauensvolles Verhältnis zu Andreas Rickmers.<br />
Andererseits ist absehbar gewesen, dass<br />
Finke nicht nur vom Aufsichtsrat kontrolliert<br />
werden sollte, sondern auch nur dessen Vorgaben<br />
Umsetzen durfte. Dazu hieß es im Gesellschaftsvertrag<br />
wörtlich:<br />
„§8<br />
Der Vorstand besteht nach Bestimmung des<br />
Aufsichtsrats aus einem oder mehreren Mitgliedern.<br />
Die Mitglieder des Vorstandes werden vom<br />
Aufsichtsrate ernannt und entlassen, der auch<br />
<strong>die</strong> Anstellungsverträge mit ihnen abschliefst<br />
[!] und ihre etwaigen Tantièmen bestimmt.<br />
Der Vorstand führt <strong>die</strong> Geschäfte der Gesellschaft.<br />
Er ist an <strong>die</strong> Beobachtung aller vom<br />
Aufsichtsrate zu treffenden Vorschriften und<br />
zu erlassenden Instruktionen gebunden.<br />
Der größte Wert der Gesellschaft wurde durch<br />
<strong>die</strong> von der Rickmers AG gekauften Aktien und<br />
<strong>die</strong> Firmenwerte der Rickmers AG eingebracht.<br />
Wenn mit Andreas Rickmers als Leiter der Rickmers<br />
AG und Robert Rickmers, der <strong>die</strong> Reismühlen<br />
der Rickmers AG und <strong>die</strong> Norddeutsche<br />
Reismühle m.b.H. leitete, beide Familienmitglieder<br />
in den Aufsichtsrat einzogen, dann wurden<br />
alle wichtigen Entscheidungen auch sehr sicher<br />
dort gefällt. Entscheidungsfähig war der<br />
Aufsichtsrat nach Paragraf 3 des Gesellschaftsvertrages,<br />
sobald ein Drittel seiner Mitglieder<br />
oder wenigstens 3 Mitglieder anwesend waren.<br />
Beschlüsse wurden nach absoluter Mehrheit gefasst.’“<br />
Andreas und Robert Rickmers konnten<br />
also im Zweifel gemeinsam mit ihrem langjährigen<br />
Geschäftspartner in Hamburg, Anton Deppe,<br />
allein einen beschlussfähigen Aufsichtsrat<br />
einberufen. Da von den 30.000 Aktien mindestens<br />
10.740 Aktien der Rickmers AG gehörten<br />
oder über <strong>die</strong> Hamburger Beteiligung an <strong>die</strong><br />
Rickmers AG gebunden waren, hatte <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers zudem das mit Abstand größte Gewicht<br />
in der Generalversammlung.<br />
Dass jede der in dem neuen Konzern aufgegangenen<br />
Gesellschaften einen Vertreter in den Aufsichtsrat<br />
entsandte, bedeutete keinesfalls, dass<br />
Entscheidungen basisdemokratisch getroffen<br />
wurden. Ohne <strong>die</strong> Führung der Geschäfte aus<br />
der Hand zu geben, konnte Andreas Rickmers<br />
auf <strong>die</strong>se Art als Vorsitzender des Aufsichtsrats<br />
<strong>die</strong> Geschäfte am alleinigen Vorstand Upmann<br />
vorbei bestimmen. Die Entmachtung der früheren<br />
Reismühlenbesitzer wurde <strong>die</strong>sen durch ein<br />
Aufsichtsratsmandat, <strong>die</strong> entsprechende Vergütung<br />
und den Eindruck der Möglichkeit zur Mitbestimmung<br />
im obersten Kontrollgremium versüßt.<br />
Neben den Reisekosten und Tagesgeldern<br />
wurde <strong>die</strong> Stellung der Aufsichtsratsmitglieder<br />
besonders vergütet:<br />
„§24<br />
Der sich aus der Bilanz ergebende Reingewinn<br />
wird wie folgt verwendet:<br />
fünf Prozent zur Bildung des gesetzlichen Reservefonds,<br />
solange derselbe noch nicht den<br />
zehnten Teil des Grundkapitals erreicht bezw.<br />
bei erfolgter Inanspruchnahme noch nicht<br />
wieder erreicht hat;<br />
sodann vier Prozent an <strong>die</strong> Aktionäre auf <strong>die</strong><br />
eingezahlten Aktienbeträge;<br />
von dem verbleibenden Überreste werden 10<br />
% Tantième an den Aufsichtsrat und <strong>die</strong> vertragsgemäfse<br />
[!] Tantième an Angestellte verteilt;<br />
der Rest wird als Superdividende verteilt, soweit<br />
<strong>die</strong> Generalversammlung nicht eine anderweitige<br />
Verwendung oder Verbuchung beschliefst.“”<br />
’<br />
Damit war <strong>die</strong> Reis- und Handels AG ein klassisches<br />
Beispiel für eine Aktiengesellschaft, <strong>die</strong><br />
nicht zwischen Geschäftsführung und deren<br />
Kontrolle, zwischen Verwaltungsrat und Aufsichtsrat,<br />
unterschied.<br />
Kurz nach der Gründung der Reis- und Handels<br />
AG gelang es Andreas Rickmers, seine Macht<br />
im Konzern durch <strong>die</strong> Übernahme weiterer Aktien<br />
auszubauen. Möglich wurde <strong>die</strong>s durch den<br />
211
Tod Georg Kallsens in Flensburg. Dieser war<br />
als Besitzer der Reismühle in zweiter Generation<br />
der Seniorchef und nicht mehr im Tagesgeschäft<br />
aktiv, als alle Betriebswerte im Tausch gegen<br />
Aktien an <strong>die</strong> Bremer Gesellschaft übertragen<br />
worden waren. Er starb 1901 und hinterließ ein<br />
Vermögen von etwa 800.000 Mark, das zu einem<br />
großen Teil aus Firmenwerten, nun also Aktien<br />
der Reis- und Handels AG, bestand. Laut Erbvertrag<br />
mussten aber 600.000 Mark an seine Erben<br />
ausgezahlt werden. Damit <strong>die</strong>s möglich war,<br />
nahm <strong>die</strong> Familie Kredite bei Banken auf, <strong>die</strong><br />
als Sicherheit <strong>die</strong> Aktien des Reiskonzerns erhielten.<br />
Da so aber noch nicht genügend Bargeld<br />
aufgetrieben werden konnte, mussten auch noch<br />
Aktien verkauft werden. Als Käufer fand sich<br />
<strong>die</strong> Familie Rickmers, welche <strong>die</strong> Aktien zu einem<br />
Kurs von 50 Prozent des tatsächlichen Wertes<br />
aufkaufte.’^* Wie viele Aktien den Besitzer<br />
wechselten, ist unbekannt. Es bleibt auch offen,<br />
ob ein Mitglied der Familie Rickmers <strong>die</strong> Aktien<br />
privat erwarb oder ob <strong>die</strong> Rickmers AG als Käufer<br />
auftrat. Klar ist jedoch, dass <strong>die</strong> Rickmers’<br />
ihren Einfluss in der Reis- und Handels AG unter<br />
Ausnutzung der Lage der Familie Kallsen noch<br />
weiter vergrößerten. Heinrich Christian Kallsen<br />
wechselte nach drei Jahren im Aufsichtsrat in<br />
den Vorstand der Gesellschaft, zog nach Bremen<br />
und arbeitete als Direktor der Firma. Der Verkauf<br />
der Aktien 1901 und das Festhalten Kallsens an<br />
seinen verbliebenen Aktien trotz einer Wertminderung<br />
hatte mittelfristig dazu geführt, dass <strong>die</strong><br />
Familie Heinrich Kallsens bei dessen Tod 1908<br />
verarmt war.'<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung der<br />
Reis- und Handels AG<br />
Rationalisierung und Expansion<br />
Ein Wesenszug von Kartellen und auch Konzernen,<br />
<strong>die</strong> eine monopolähnliche Marktmacht anstrebten,<br />
war, kein Kapital brachliegen zu lassen.''“<br />
Dies galt auch für <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG. Es sollte keine Arbeitskraft ungenutzt bleiben<br />
und keine Maschine betrieben werden, <strong>die</strong><br />
überflüssig war. Der Zusammenschluss der deutschen<br />
Reismühlen sollte zu einer Effizienzsteigerung<br />
der gesamten Industrie durch weniger<br />
Konkurrenz führen. Aus <strong>die</strong>sem Grund stand <strong>die</strong><br />
Entwicklung der Reis- und Handels AG <strong>bis</strong> <strong>1914</strong><br />
in einem Spannungsfeld zwischen Betriebsstilllegungen<br />
in Deutschland und der Expansion des<br />
Unternehmens in Europa und Asien.<br />
Für <strong>die</strong> Flensburger Reismühle wurde 1904 entschieden,<br />
<strong>die</strong> Produktion stark zu drosseln. Daher<br />
wurden nicht mehr zwei Geschäftsführer vor Ort<br />
benötigt. Bis dahin waren <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Brüder Ernst<br />
und Heinrich Christian Kallsen. Letzterer gab<br />
nun seinen Sitz im Aufsichtsrat auf und wechselte<br />
als Direktor in den Konzernvorstand nach<br />
Bremen.'^' Wieder war hier das Prinzip angewendet<br />
worden, <strong>die</strong> Zustimmung zu den Zielen<br />
Andreas Rickmers durch einen Posten, also auch<br />
wirtschaftliche Sicherheit, zu erleichtern. 1908,<br />
im Todesjahr Heinrich Christian Kallsens, wurde<br />
<strong>die</strong> Produktion in Flensburg endgültig eingestellt<br />
und dort nur noch eine Verkaufsabteilung betrieben.<br />
In Hamburg war zwar eine eigene Abteilung<br />
des Konzerns eingerichtet worden^^^, dennoch<br />
kam es auch dort zu Betriebsstilllegungen.<br />
Die kleinste der neun Mühlen, <strong>die</strong> Hansa Reismühle,<br />
wurde vermutlich zuerst stillgelegt. Es<br />
bleibt offen, wann es zu <strong>die</strong>ser Schließung kam,<br />
sie wird aber vermutlich vor 1905 gewesen sein<br />
und war nachweislich vor 1 9 1 1 Die Reismühle<br />
Reiherstieg wurde 1909 stillgelegt und verkauft.<br />
Im Hamburger Freihafen waren 1908 <strong>die</strong><br />
vormaligen Hamburg-Indisehen Reiswerke Paul<br />
Munckel & Co. übernommen worden. Deren<br />
Maschineneinrichtungen waren besser als <strong>die</strong><br />
der Reismühle Reiherstieg, so dass Letztere abgestoßen<br />
wurde.’^'*<br />
1905 gab <strong>die</strong> Rickmers AG ihre Beteiligungen<br />
in Österreich-Ungarn auf. Sowohl <strong>die</strong> an der Fabrik<br />
in Triest als auch <strong>die</strong> über Triest gemeinsam<br />
mit der Norddeutschen Reismühle m.b.H. gehaltene<br />
Beteiligung in Aussig wurden abgestoßen.<br />
Damit einher ging eine Reduzierung des<br />
Stammkapitals von 30 auf 20 Millionen Mark.<br />
Die Aktien wurden eingezogen, neue Aktien ausgegeben<br />
und 4.160.000 Mark an <strong>die</strong> Aktionäre<br />
212
ausgezahlt.’^^ Im gleichen Jahr wurde entschieden,<br />
<strong>die</strong> Anlagen der Bremer Reismühle, vormals<br />
Anton Nielsen AG, nicht zu modernisieren und<br />
den Betrieb dort einzustellen. 1909 beendete <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG <strong>die</strong> Futtermittelproduktion<br />
an der Oberweser. Die von der Rickmers AG<br />
als Tochtergesellschaft in den Konzern eingebrachte<br />
Futtermittelfabrik „Union“ in Hannoversch<br />
Münden wurde 1909 geschlossen, weil<br />
sie nicht rentabel arbeitete. Zuletzt wurden 1910<br />
<strong>die</strong> Osterholzer Reis werke geschlossen. 1910<br />
war auch das Todesjahr des aus der Osterholzer<br />
Fabrik kommenden Direktors Hermann Friedrich<br />
Upmann. Offenbar wurde, wie im Fall Kallsen,<br />
mit der Betriebsstilllegung gewartet, <strong>bis</strong> kein<br />
Widerstand aus dem Vorstand mehr zu erwarten<br />
war. Wegen der Aufgabe der Fabriken kam es<br />
1910 zu einer weiteren Verminderung des<br />
Stammkapitals auf 15 Millionen Mark.” ^<br />
Die Reis- und Handels AG expan<strong>die</strong>rte aber auch<br />
und eröffnete neue Mühlen, übernahm einzelne<br />
Betriebe in Deutschland und Birma und kaufte<br />
eine ganze Gesellschaft mit mehreren Mühlen<br />
in Asien. Den Anfang machte 1903 <strong>die</strong> „Riseria<br />
Romana Societate Anonima“ in Braila, Rumänien.<br />
Diese Firma war eine vollständige Tochtergesellschaft<br />
des Bremer Unternehmens und<br />
verarbeitete nach dem Vorbild der zu <strong>die</strong>sem<br />
Zeitpunkt noch zur Reis- und Handels AG gehörenden<br />
Fabrik in Aussig außer Reis auch Graupen<br />
und Gerste.’^’ Andreas Rickmers wollte <strong>die</strong><br />
Position des Konzerns im internationalen <strong>Reishandel</strong><br />
weiter stärken und sich auf dem asiatischen<br />
Markt behaupten. Daher wurde 1906 eine<br />
Reismühle in Rangun gepachtet und somit hatte<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG eigene Betriebe in<br />
den größten Häfen der beiden wichtigsten Produktionsmärkte,<br />
in Birma und in Siam. Im folgenden<br />
Jahr, 1907, wurde <strong>die</strong> englische Firma<br />
Gillespie & Co. damit beauftragt, weitere Mühlen<br />
für das Bremer Unternehmen in Birma zu<br />
errichten. Die Schäleinrichtungen wurden vermutlich<br />
durch <strong>die</strong> deutsche Firma Eisenwerk<br />
(vorm. Nagel & Kaemp) AG’^* aus Winterhude<br />
bei Hamburg produziert.’^^ Eine Mühle in Rangun<br />
wurde für den Bremer Konzern umgebaut.<br />
eine weitere am gleichen Ort dazugepachtet und<br />
ein Fabrikumbau in Bassein in Auftrag gegeben.<br />
Damit besaß der deutsche Reiskonzem vier Reismühlen<br />
in Birma. Zeitgleich ergab sich <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
<strong>die</strong> deutsch-englische Firma Krüger &<br />
Co. Limited zu kaufen, <strong>die</strong> 1870 von zwei Bremern<br />
gegründet worden war und selber in den<br />
vier wichtigen Häfen Birmas je eine Reismühle<br />
unterhielt. Unabhängig davon konnte <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG noch eine Fabrik in Moulmein,<br />
<strong>die</strong> einzige europäische Mühle mit eigenem Eisenbahnanschluss<br />
dort, dazukaufen.’''“ Diese<br />
Möglichkeiten nutzte Andreas Rickmers, um <strong>die</strong><br />
Stellung des Unternehmens gegenüber den englischen<br />
Verschiffern in Birma auszubauen und<br />
von ihnen unabhängig zu werden.<br />
Die Fabriken der Reis- und Handels AG in Birma<br />
sowie <strong>die</strong> von Krüger & Co. wurden in ein gemeinsames<br />
Tochterunternehmen nach englischem<br />
Recht eingebracht. Unter dem Namen<br />
Burma Rice & Trading Company Limited, kurz<br />
Burma Rice & Trading Co., besaß <strong>die</strong> Reis- und<br />
Handels AG daher seit 1907 insgesamt neun<br />
Mühlen in Asien und war zu einem wichtigen<br />
europäischen Betrieb in Birma geworden. Zudem<br />
besaß <strong>die</strong> Gesellschaft nun in allen wichtigen<br />
Exporthäfen Betriebe, was ihre Position weiter<br />
stärkte. Drei Mühlen waren in Rangun, je zwei<br />
in Bassein und Moulmein sowie eine Fabrik in<br />
Akyab. Die Burma Rice & Trading Co. konnte<br />
jährlich <strong>bis</strong> zu 4 Millionen Doppelzentner Reis<br />
bearbeiten und zusätzlich <strong>die</strong> Mühle Markwald<br />
& Co. in Bangkok weitere 800.000 Doppelzentner.<br />
Die neue Tochtergesellschaft war mit einem<br />
Kapital von 267.000 britischen Pfund (etwa<br />
5.454.810 Mark) ausgestattet und ihr Direktor<br />
wurde der aus Bremen stammende Carl Rosenkranz.<br />
Dieser war ein Neffe der Brüder Buchholtz,<br />
den Gründern von Krüger & Co. Da er<br />
für <strong>die</strong>se auch <strong>die</strong> Betriebe von Krüger & Co. in<br />
Birma geleitet hatte, war er ein guter Kenner<br />
des dortigen Reisgeschäfts. 1908 wechselte er<br />
allerdings in <strong>die</strong> Leitung der Reis- und Handels<br />
AG nach Bremen.<br />
Neben der Expansion in Europa und vor allem<br />
in Birma gab es für <strong>die</strong> Reis- und Handels AG<br />
213
aber auch einen Mühlenausbau in der Heimat.<br />
Trotz der Schließungen in Bremen und Osterholz<br />
wurde der Standort an der Weser durch Modernisierungen<br />
gestärkt. Die Mühle der vormaligen<br />
Gebrüder Nielsen, Reismühle und Stärkefabrik<br />
AG, wurde 1904 durch ein Feuer zerstört. Der<br />
Neubau, „der auf das vollkommenste eingerichtet<br />
wird“, wurde aber sofort in Angriff genommen<br />
und 1905 abgeschlossen.’''^' Durch weitere Anund<br />
Neubauten verdoppelte <strong>die</strong> Fabrik ihre Verarbeitungskapazitäten<br />
1910.’''^ Die Rickmers-<br />
Mühle erhielt zwischen den Lagerschuppen und<br />
dem Mühlengebäude eine Förderanlage. Außerdem<br />
wurde 1912 eine Hängebahn zwischen den<br />
Schuppen und dem Weserkai in Betrieb genommen,<br />
damit <strong>die</strong> Kähne, <strong>die</strong> den Reis brachten,<br />
nicht mehr per Hand ausgeladen werden mussten.'«<br />
Die Reis- und Handels AG bereedert <strong>die</strong> Flotte<br />
der Rickmers AG<br />
Andreas Rickmers sorgte als entscheidender Akteur<br />
in der Leitung der Reis- und Handels AG<br />
dafür, dass sich der Bremer Konzern kurz nach<br />
der Gründung gemeinsam mit seinem Stammunternehmen,<br />
der Rickmers AG, auch als Reederei<br />
betätigte. Zum Verständnis, warum er für <strong>die</strong><br />
neue Gesellschaft in der Reisindustrie nun neben<br />
der Verarbeitung und den Verkauf von Reis auch<br />
Schifffahrt als neues Geschäftsfeld aufnahm,<br />
muss zuerst auf <strong>die</strong> Schifffahrtsuntemehmungen<br />
der Rickmers AG geschaut werden.<br />
Ab Oktober 1899 betrieb <strong>die</strong> Rickmers Reederei<br />
gemeinsam mit der in China etablierten deutschen<br />
Firma Melchers & Co. einen gemeinsamen<br />
Linien<strong>die</strong>nst für Flussdampfer auf dem Fluss<br />
Yangtse.’"’'' Die beiden Unternehmen hatten vereinbart,<br />
<strong>die</strong> Strecke Shanghai-Hankow gemeinsam<br />
zu be<strong>die</strong>nen und später <strong>die</strong> Linie von Hankow<br />
nach Ichang auszuweiten. Als erstes europäisches<br />
Unternehmen überhaupt wollte <strong>die</strong><br />
Rickmers AG oberhalb Ichangs auf dem Yangtse<br />
Flussschifffahrt betreiben, obwohl <strong>die</strong> Anforderungen<br />
an <strong>die</strong> dafür nötigen Schiffe sehr groß<br />
waren. Die Dampfer durften kaum Tiefgang haben,<br />
brauchten aber starke Maschinen wegen der^<br />
schnellen Strömung, gegen <strong>die</strong> es zu fahren galt. ,<br />
Die hauseigene Werft entwickelte ein Dampf- ^<br />
schiff, das <strong>die</strong>sen Anforderungen gerecht werden j<br />
sollte. Die S u i- H s ia n g , ein Raddampfer mit der "<br />
Baunummer 118, trat im Dezember 1900 ihre '<br />
Jungfernfahrt an.’'« Doch noch während der ers- ^<br />
ten Reise lief der Flussdampfer bei einer Wende<br />
in Stromschnellen auf einen Felsen und sank. ^<br />
Ein eigenständiger Linien<strong>die</strong>nst auf dem oberen<br />
Yangtse war damit gescheitert und hatte einen '<br />
erheblichen finanziellen Verlust gebracht.'« Da "<br />
auch <strong>die</strong> Zusammenarbeit mit Melchers & Co.<br />
auf den unteren Flussabschnitten nicht <strong>die</strong> er- --<br />
warteten Ergebnisse brachte, verkaufte <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG ihren Anteil daran schließlich für 1,5<br />
Millionen Mark an <strong>die</strong> HAPAG.<br />
Zeitgleich mit der Flussschifffahrt hatte <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers begonnen, einen Küsten<strong>die</strong>nst<br />
mit Dampfern aufzubauen. Dafür war <strong>die</strong> Werft<br />
endlich auf zeitgemäßen Eisenschiffbau umgestellt<br />
und modernisiert worden. Seit 1902 hatte<br />
sie sogar einen eigenen Eisenbahnanschluss für<br />
den Transport des Baustahls. Mit den beiden<br />
Dampfern S h a n t u n g und T s in t a u begann <strong>die</strong><br />
Reederei ihren chinesischen Küsten<strong>die</strong>nst und<br />
setzte in den beiden folgenden Jahren je zwei<br />
neue Dampfschiffe in Fahrt."*' Aber auch <strong>die</strong>ses<br />
Geschäft entwickelte sich schwierig, nicht zuletzt,<br />
weil Peter und Andreas Rickmers nicht<br />
mehr direkt miteinander redeten. Jede geschäftliche<br />
Entscheidung musste durch Paul und Robert<br />
Rickmers, den Söhnen von Peter, zwischen<br />
den beiden Seniorchefs vermittelt werden. Die '<br />
wirtschaftliche Situation der Reederei verschlechterte<br />
sich zunehmend, weil in der chinesischen<br />
Küstenschifffahrt auch nicht so viel Geld<br />
ver<strong>die</strong>nt wurde wie erhofft. Der Aufbau neuer<br />
Linien in China, sei es auf dem Fluss oder an<br />
den Küsten, kam nicht recht voran und <strong>die</strong> Einnahmen<br />
aus dem Reistransport flössen nicht<br />
mehr direkt an <strong>die</strong> Rickmers AG, sondern zuerst<br />
einmal an <strong>die</strong> Reis- und Handels AG.<br />
ln <strong>die</strong>ser Situation machte sich Andreas Rickmers<br />
gegen den Willen seines Neffen Paul, der<br />
das Reedereigeschäft in China weiter ausbauen<br />
214
wollte, <strong>die</strong> Konkurrenz zwischen der HAPAG<br />
und dem NDL zu Nutze. Die Bremer Gesellschaft<br />
wollte ihre Marktstellung in China sichern<br />
und machte ein Angebot zur Übernahme der<br />
Rickmers’schen Küstendampfer. Der NDL übernahm<br />
sowohl <strong>die</strong> in Fahrt als auch <strong>die</strong> in Bau<br />
befindlichen Schiffe für 6.120.000 Mark, <strong>die</strong> innerhalb<br />
der nächsten fünf Jahre <strong>bis</strong> 1908 in Teilsummen<br />
von mindestens 500.000 Mark an <strong>die</strong><br />
Rickmers AG zu zahlen waren. Im Gegenzug<br />
verpflichtete sich Andreas Rickmers, zehn Jahre<br />
nicht mit den Linien<strong>die</strong>nsten des NDL in Konkurrenz<br />
zu treten. Daher wurde <strong>die</strong>ser Vertrag<br />
auch als Konkurrenzausschlussvertrag bezeichnet.<br />
Der Vertrag war innerhalb der Familie Rickmers<br />
umstritten. Paul Rickmers verließ <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG sogar und machte sich in Hamburg<br />
selbstständig, weil er den Vertrag für zutiefst gegen<br />
<strong>die</strong> Interessen der Rickmers AG laufend bewertete.<br />
Seiner Ansicht nach war nun jede strategische<br />
Ausrichtung der Rickmers AG unmöglich.<br />
Der Konkurrenzausschlussvertrag hatte<br />
jedoch auch sehr positive Aspekte für <strong>die</strong> Geschäfte<br />
der Rickmers AG. Es wurde <strong>die</strong> Weiterbeschäftigung<br />
aller Kapitäne, Offiziere und<br />
Mannschaften auf den ehemals Rickmers gehörenden<br />
Schiffen für mindestens zwei Jahre festgelegt.<br />
Außerdem übernahm der NDL alle bereits<br />
im Voraus bezahlten Versicherungsprämien für<br />
<strong>die</strong> Schiffe. Der wichtigste Verhandlungserfolg<br />
war aber, dass <strong>die</strong> inzwischen zur Reis- und<br />
Handels AG gehörende Firma Markwald & Co.<br />
und <strong>die</strong> zu ihr gehörende Agentur Windsor in<br />
Bangkok zum Interessenvertreter der großen<br />
Bremer Schifffahrtsgesellschaft in der Region<br />
ernannt wurden. Die Agentur erhielt das Recht,<br />
Frachtraten für den NDL auszuhandeln und<br />
festzulegen und übernahm für jeden dritten<br />
Dampfer des Küstenlinien<strong>die</strong>nstes zwischen<br />
Bangkok und Hongkong alle Agenturaufgaben.’''®Damit<br />
wurde ein sehr sicheres Geschäftsfeld<br />
für Markwald & Co. erschlossen. Wieder<br />
zeigt sich, wie eng der <strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> weiteren<br />
Aktivitäten der Rickmers AG zusammenhingen<br />
und auch, wie eng der deutsche <strong>Reishandel</strong><br />
über den Schifffahrts- und Logistiksektor mit<br />
den wachsenden globalen Warenströmen verbunden<br />
war.<br />
Nachdem nun aber innerhalb der Rickmers AG<br />
vorerst alle Versuche gescheitert waren, ein sicheres<br />
Auskommen für <strong>die</strong> hauseigenen Segelschiffe<br />
außerhalb der Reissaison zu finden, ergab<br />
sich in der Zusammenarbeit mit der Reis- und<br />
Handels AG ein neuer Anlauf zur Sicherung des<br />
Reedereigeschäfts. 1903 nahm Andreas Rickmers<br />
für <strong>die</strong> Rickmers AG Verhandlungen über<br />
eine langfristige Vercharterung der Segelschiffe<br />
auf. Diese waren in der Reissaison gut ausgelastet,<br />
in den anderen Jahreszeiten aber nur schwierig<br />
mit Frachten zu lohnenden Raten in Fahrt zu<br />
bringen. Verhandlungspartner der Rickmers AG<br />
um <strong>die</strong> Übernahme der Schiffe war <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG. Vertreter der Reis- und Handels<br />
AG war Hermann Upmann. Dieser war aber ein<br />
enger Vertrauter von Andreas Rickmers und hatte<br />
den Ruf, der verlängerte Arm des Letztgenannten<br />
zu sein. Zudem war Andreas Rickmers zugleich<br />
größter Aktionär der Rickmers AG, <strong>die</strong> wiederum<br />
größter Aktionär der Reis- und Handels AG war.<br />
Man kann sagen, dass Andreas Rickmers mit<br />
sich selbst verhandelte und am Ende einen Vertrag<br />
schaffte, „der für <strong>die</strong> Zukunft beider Gesellschaften<br />
folgenschwer sein sollte“.<br />
Das entstandene Vertragswerk umfasste zwei<br />
Bereiche. Einerseits einen im Mai 1903 geschlossenen<br />
„Reedereivertrag“, andererseits einen<br />
„Baucontract“ vom folgenden November.<br />
Der Reedereivertrag bestimmte <strong>die</strong> Charterung<br />
der gesamten bereits in Fahrt befindlichen Flotte<br />
der Rickmers Reederei durch <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG. Die gesamte Abwicklung des Geschäftsbetriebs<br />
der damit auf Kosten und Risiko<br />
der Reis- und Handels AG laufenden Reederei<br />
wurde aber weiterhin durch <strong>die</strong> Rickmers AG<br />
betrieben. Die Rickmers AG hatte für das Abkommen<br />
kein vertragsmäßiges Kündigungsrecht,<br />
früher als nach zehn Jahren auszuscheiden. Der<br />
Reiskonzem hingegen konnte jederzeit und ohne<br />
Einverständnis des Vertragspartners von der Vereinbarung<br />
zurücktreten. Für <strong>die</strong>sen Fall war aber<br />
zusätzlich festgelegt worden, dass <strong>die</strong> Reis- und<br />
Handels AG eine Strafzahlung in Höhe von 3<br />
215
S'A-,<br />
A;<br />
Millionen Mark an <strong>die</strong> Rickmers AG zu zahlen<br />
hätte.<br />
Der Baukontrakt sah vor, dass <strong>die</strong> Rickmers-<br />
Werft sechs Segelschiffe in der Größe von 3.000<br />
Bruttoregistertonnen und sechs weitere, doppelt<br />
so große Dampfschiffe bauen sollte. Diese Neubauten<br />
sollten dann auch sofort an <strong>die</strong> Reis- und<br />
Handels AG verchartert werden. Wie in früheren<br />
Jahren <strong>die</strong> Rickmers-Reederei den Fortbestand<br />
der Werft sicherte, war es nun <strong>die</strong> Reis- und<br />
Handels AG, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Werftauslastung sogar<br />
vertraglich herangezogen wurde. Gemeinsam<br />
mit der Reedereivereinbarung wurde der Baukontrakt<br />
von Andreas Rickmers als Befrachtungsabkommen<br />
definiert, das lediglich das operative<br />
Geschäft betreffe. Dadurch mussten <strong>die</strong><br />
Verträge nicht durch <strong>die</strong> Gesellschafterversammlung<br />
abgesegnet werden, wo sich eventuell Kritik<br />
an dem weitreichenden und folgenschweren Geschäft<br />
hätte regen können.<br />
Der Preis, <strong>die</strong> Risiken und <strong>die</strong> Nachteile <strong>die</strong>ser<br />
Abkommen waren für den Reiskonzern recht<br />
hoch. Einerseits profitierte <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG zwar von der Erfahrung der Rickmers-Reederei<br />
und war für ihre Reistransporte nicht auf<br />
den freien Markt angewiesen. Alle Reistransporte<br />
konnten frei durch <strong>die</strong> nun eigene und in dem<br />
Geschäftsfeld sehr erfahrene Reederei disponiert<br />
werden. Andererseits musste <strong>die</strong> gesamte Infrastruktur<br />
der Rickmers-Reederei durch <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG getragen werden. Darüber hinaus<br />
hatte <strong>die</strong> Rickmers-Reederei <strong>die</strong> Probleme<br />
der Befrachtung der Schiffe außerhalb der Reissaison<br />
einfach nur an den Reiskonzern weitergegeben.<br />
Ein hoher Kostenpunkt - oder zum<br />
Vorteil der Rickmers AG eine Einnahme - war<br />
<strong>die</strong> jährlich zu zahlende Gebühr von fünf Prozent<br />
des Buchwertes der Flotte an <strong>die</strong> Rickmers AG.<br />
Diese wiederum hatte ab 1903 also nicht nur<br />
eine vertraglich zugesicherte, wertschöpfende<br />
Vergrößerung ihrer Flotte auf Kosten der Reisund<br />
Handels AG, sondern gleichzeitig auch noch<br />
einen finanziellen Ausgleich der altersbedingten<br />
Abschreibungen durch eine jährliche Gebühr.<br />
Des Weiteren wurde beim Abschluss des Vertrags<br />
für <strong>die</strong> Neubauten der Stahlpreis mit 110 Mark<br />
je Tonne veranschlagt und für den Fall einer<br />
Preissteigerung zusätzlich festgelegt, dass Mehrkosten<br />
von der Reis- und Handels AG zu tragen<br />
waren.’^“<br />
Zuletzt ist auch noch das einseitige Kündigungsrecht<br />
des Reiskonzerns - im Unterschied zu Einschätzungen<br />
in früheren Schriften zur Geschichte<br />
der Rickmers AG - kritisch zu bewerten.^^* Der<br />
Rickmers AG wäre es bei einer einseitigen Kündigung<br />
durch ihren Vertragspartner nicht schlecht<br />
ergangen. Bis zu einer möglichen Kündigung<br />
des Vertrages machte sie jedes Jahr ein finanziell<br />
gutes Geschäft und sollte eine Kündigung durch<br />
den Bremer Konzern erfolgen, wäre <strong>die</strong> gesamte<br />
Infrastruktur der Rickmers-Reederei auf Kosten<br />
des Vertragspartners erhalten worden. Die Rickmers<br />
AG hätte problemlos <strong>die</strong> Geschäfte fortführen<br />
können, was durch <strong>die</strong> hohe Summe von<br />
3 Millionen Mark zusätzlich erleichtert worden<br />
wäre. Soweit <strong>die</strong> Gewinne der Reis- und Handels<br />
AG nicht einbrachen, war <strong>die</strong> Übernahme der<br />
Rickmers-Flotte mit allen Nebenbestimmungen<br />
ein interessantes Geschäft, das wiederum <strong>die</strong><br />
überragende Stellung von Andreas Rickmers innerhalb<br />
der beiden beteiligten Firmen aufzeigt.<br />
Im Geschäftsbericht der Reis- und Handels AG<br />
für das Jahr 1906 heißt es zum Reedereibetrieb<br />
und dessen Vorteilen:<br />
„Die Ende 1906 aus 5 großen Dampfern, 6<br />
Seglern und 1 Segler mit Hilfsmaschine, sowie<br />
einer Anzahl von Leichtern und Schleppdampfern<br />
bestehende Rhederei wird einstweilen<br />
von Rickmers Reismühlen, Rhederei<br />
& Schiffbau A.G. in Bremerhaven geleitet<br />
I...]. Infolge der leider in den letzten Jahren<br />
ungewöhnlich niedrigen Seefrachten hat der<br />
Rhedereibetrieb der Seeschiffe und Leichterfahrzeuge<br />
uns <strong>bis</strong>lang außer den reichlich bemessenen<br />
Abschreibungen nur etwas mehr<br />
als 5% auf das Anlagekapital geliefert. Indirekt<br />
erwächst uns aus dem Rhedereibetrieb<br />
der Vorteil, unseren Reis in Schiffen zu beziehen,<br />
<strong>die</strong> sich für den Transport <strong>die</strong>ses leicht<br />
dem Verderb ausgesetzten Artikels besonders<br />
gut eignen [...]. Auch ist es von großem Werte<br />
für uns, einen Teil des Reises, der in In<strong>die</strong>n<br />
216
in der trockenen Jahreszeit verschifft wird, in<br />
Segelschiffen zu beziehen, um so im Spätsommer<br />
und Herbst, wenn alle Dampfer Ware<br />
anbringen, welche mehr oder weniger durch<br />
Feuchtigkeit gelitten hat, noch weißen Reis<br />
zu erhalten. [...] Rhederei und Reisexport<br />
und Reismüllerei [können] noch mehr als <strong>bis</strong>her<br />
einander in <strong>die</strong> Hände arbeiten<br />
Sobald sich aber wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />
für das deutsche Reisgeschäft und damit <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG zeigten, wurde der Reedereivertrag<br />
zu einer einseitigen Bereicherung<br />
der Rickmers AG auf Kosten des <strong>Reishandel</strong>skonzerns.<br />
Der Vertrag über <strong>die</strong> Bereederung der<br />
Rickmers-Schiffe durch <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG war also für das Familienunternehmen<br />
durchaus vorteilhaft, für den Reiskonzem jedoch<br />
ein sehr riskantes Agreement.<br />
Eine Entwicklung mit Konflikten<br />
Englische Verschiffer und deutsche Importeure<br />
drängen in neue Märkte<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung der Reis- und<br />
Handels AG <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg war insgesamt<br />
positiv. Es gab aber einige Jahre mit<br />
schlechten Geschäftsergebnissen und auch eine<br />
Reihe von prägenden Konflikten. Der älteste<br />
Konflikt bestand zwischen den europäischen<br />
Reisverschiffern in Birma einerseits und den<br />
reiskaufenden Mühlen in Europa andererseits.<br />
Die Verschiffer hatten sich bereiterklärt, keinen<br />
Reis der Eastern Quality, wie er von Birma in<br />
immer größeren Mengen nach Asien exportiert<br />
wurde, nach Europa zu bringen. Sie verpflichteten<br />
sich, dorthin nur Cargoreis zu senden. Damit<br />
hatten <strong>die</strong> europäischen Mühlen weiterhin <strong>die</strong><br />
Aufgabe, Reis wirklich zu vermahlen und nicht<br />
bloß zu polieren. Besonders für <strong>die</strong> deutschen<br />
Mühlen war das bedeutsam, weil es auf <strong>die</strong> Einfuhr<br />
von poliertem Reis keinen Schutzzoll gab<br />
und sie daher besonders unter dem Import von<br />
weißem Reis litten. Andreas Rickmers verfolgte<br />
mit der Gründung des Reiskonzerns das Ziel, in<br />
den Preisverhandlungen mit den Verschiffern in<br />
Birma durch <strong>die</strong> Stärkung der Abnehmerseite<br />
bessere Einkaufspreise aushandeln zu können.<br />
Dass es der Reis- und Handels AG gelang, eine<br />
Monopolstellung in der Reis verarbeitenden Industrie<br />
in Deutschland zu erreichen, rief jedoch<br />
auch Widerstand hervor. Einige deutsche Unternehmer<br />
fürchteten, zukünftig einem Preisdiktat<br />
des Bremer Konzerns zu unterliegen. Eine erste<br />
Reaktion der europäischen Verlader in Asien war<br />
ein Aufruf an <strong>die</strong> deutschen Kunden der nun zusammengeschlossenen<br />
Fabriken, keine Ware bei<br />
der Reis- und Handels AG zu kaufen. Dieser<br />
Aufruf be<strong>die</strong>nte negative Befürchtungen und<br />
führte in Salzuflen dazu, dass <strong>die</strong> Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG eine eigene Reismühle auf<br />
dem Firmengelände errichtete, um nicht vom<br />
Bremer Monopolisten abhängig zu sein. Wirklich<br />
eingesetzt wurde <strong>die</strong>se betriebsinteme Mühle allerdings<br />
nicht.^’^<br />
Gegen <strong>die</strong> Monopolisierung des Reisgesehäfts<br />
in Deutschland sprachen sich auch Hamburger<br />
Kaufleute aus. Einige von ihnen gründeten dort<br />
1901, „in dem Glauben, Hamburger Belange gegenüber<br />
Bremen zu vertreten, als Antwort auf<br />
<strong>die</strong> Gründung der Reis- und Handels Aktiengesellschaft<br />
1901 <strong>die</strong> , Hamburg-Indischen Reiswerke<br />
Paul Munckel & Co.“‘.’^'‘ Die Neugründung<br />
siedelte sich im Hamburger Freihafenbezirk<br />
an und setzte ganz bewusst auf ein anderes<br />
Geschäftsmodell als der Bremer Konkurrent mit<br />
seinen dazugehörigen Mühlen in Hamburg. Es<br />
sollte kein Cargoreis verarbeitet, sondern ganz<br />
bewusst der günstigere Reis der Eastern Qualities<br />
eingekauft werden. Nach einer wenig aufwendigen<br />
Politur und Veredelung war der Reis dann<br />
mit deutlich geringeren Kosten verkaufsfertig.<br />
So eingängig <strong>die</strong>ses Geschäftsmodell auch war,<br />
langfristiger Erfolg war den Hamburg-Indischen<br />
Reiswerken Paul Munckel & Co. nicht beschieden.<br />
Im Jahr 1908 ging <strong>die</strong> Hamburger Freihafenmühle<br />
in den Besitz der Reis- und Handels<br />
AG über. Als Hamburger Reiswerke m.b.H. wurde<br />
sie ein Teil des Bremer Konzerns, der damit<br />
einer Monopolstellung in Deutschland wieder<br />
ein Stück näher gekommen war. Auch bei <strong>die</strong>ser<br />
Fusion wurde das bereits 1901 praktizierte Mo-<br />
217
dell zur Übernahme von Führungskräften in den<br />
Gesamtkonzern angewandt. Paul Munckel wurde<br />
zum 1. Januar 1909 Vorstandsmitglied der Reisund<br />
Handels AG und Leiter der Hamburger Abteilung<br />
des Bremer Konzerns.’^^<br />
Das Abkommen mit den englischen Reisverschiffern<br />
in Birma, nur Cargoreis nach Deutschland<br />
zu senden, endete 1906. Deutschland war<br />
jedoch noch immer der größte europäische Absatz-<br />
und Veredelungsmarkt, so dass <strong>die</strong> Verschiffer<br />
Birmas eine eigene Reismühle in Hamburg<br />
gründeten. Die Allgemeine Reisgesellschaft<br />
Limited hatte ihr Gelände im Freihafengebiet<br />
und konnte unbehelligt von der deutschen Steuergesetzgebung<br />
ihren Geschäften nachgehen.<br />
Auf der anderen Seite versuchte sich <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG von den englischen Verkäufern,<br />
<strong>die</strong> nun zum direkten Konkurrenten geworden<br />
waren, auf dem asiatischen Markt unabhängig<br />
zu machen:<br />
„Seitens einer Anzahl von Reisverschiffern in<br />
Burmah ist neuerdings eine Niederlassung in<br />
Hamburg errichtet worden, um Reis nach Hamburg<br />
zu importieren und daselbst zu verkaufen.<br />
Das ist uns Veranlassung gewesen, eine Reismühle<br />
in Rangoon zu pachten, womit wir ein<br />
geeignetes Gegengewicht erlangt zu haben glauben.“^^®<br />
Damit hatten <strong>die</strong> deutschen Reismüller um Andreas<br />
Rickmers einen weiteren Schritt getan, um<br />
ihre Wertschöpfungskette über Kontinente hinweg<br />
zu verlängern. Zum ersten Mal, seitdem<br />
Deutsche in Birma Reis kauften und verschifften,<br />
kümmerten sie sich selber um <strong>die</strong> Vorbearbeitung<br />
des Reises, <strong>bis</strong> er in einem verschiffbaren Zustand<br />
war. Unter <strong>die</strong>sem Blickwinkel ist auch<br />
<strong>die</strong> kurz dai'auf erfolgte Gründung der Burma<br />
Rice & Trading Company einzuordnen. Im Geschäftsbericht<br />
der Reis- und Handels AG für<br />
1907 hieß es dazu:<br />
„In unserem letzten Jahresberichte war bereits<br />
erwähnt worden, daß wir eine Reismühle in<br />
Rangoon gepachtet und damit in Burma Fuß<br />
gefaßt hätten. Die bei <strong>die</strong>sem Unternehmen<br />
gemachten Erfahrungen und das wenig entgegenkommende<br />
Verhalten der Burma-Verschiffer<br />
haben uns veranlaßt, in <strong>die</strong>ser Rieh-"!<br />
tung weiter vorzugehen, um uns von dem Verkaufsringe<br />
der Verschiffer unabhängig zu machen.<br />
Nach eingehenden Erwägungen und<br />
Unterhandlungen ist im September vorigen<br />
Jahres von uns im Verein mit angesehenen<br />
englischen Kaufleuten eine Gesellschaft, <strong>die</strong><br />
Burma Rice & Trading Company, Limited,<br />
mit dem Hauptsitz in London und Niederlassungen<br />
in den Burma-Häfen gegründet worden.<br />
Das autorisierte Kapital <strong>die</strong>ser Gesellschaft<br />
beträgt £stlg 500.000, von denen aber<br />
vorläufig nur Aktien im Betrage von £stlg<br />
300.000 ausgegeben werden sollen. Auf <strong>die</strong><br />
Leitung der Gesellschaft haben wir uns einen<br />
maßgeblichen Einfluß gesichert.<br />
Durch unsere Vermittlung ist <strong>die</strong> Burma Rice<br />
& Trading Co. alsdann zu einem niedrigen<br />
Kaufpreise Besitzerin der alten angesehenen<br />
Firma Krüger & Co., Limited, in London geworden,<br />
welche Reismühlen in allen Burma-<br />
Häfen betreibt. Die Übernahme <strong>die</strong>ser Firma<br />
ist für <strong>die</strong> Burma Rice & Trading Co. von<br />
sehr großem Nutzen, denn sie hat dadurch<br />
nicht allein gut eingerichtete Mühlen erhalten,<br />
sondern auch ein ganz vorzüglich eingearbeitetes<br />
Personal.“’^’<br />
Durch den Besitz von insgesamt neun Mühlen<br />
im wichtigsten Reisproduktionsland der Welt<br />
konnten <strong>die</strong> deutschen Reismüller nun, ohne <strong>die</strong><br />
Hilfe anderer Europäer, ihren Reis direkt von<br />
den Bauern und den Zwischenhändlern beziehen.<br />
Die Reis verarbeitende Industrie Deutschlands<br />
war so unmittelbar mit dem asiatischen Markt<br />
verbunden, weil sich <strong>die</strong> Reis- und Handels AG<br />
von den konkurrierenden englischen Verschiffern<br />
emanzipiert hatte.<br />
Während in Asien <strong>die</strong> Abhängigkeit von den<br />
englischen Verschiffern 1906/07 aufgelöst und<br />
sich mit der Übernahme der Hamburg-Indischen<br />
Reis werke Paul Munckel <strong>die</strong> Marktposition der<br />
Reis- und Handels AG in Deutschland festigte,<br />
erschien in Hamburg ein weiterer Konkurrent<br />
auf dem umkämpften Reismarkt. 1909 wurde<br />
<strong>die</strong> Reismühle A. Lüthke & Co. in Hamburg gegründet.<br />
A. Lüthke & Co. waren der erste Wett-<br />
218
Tabelle V. 2.2, Aufteilung der Hamburger Reiseinfuhr 1911’^*<br />
Hamburger Reisimport nach<br />
Mühlenstandorten<br />
Mühlen der Reis- und Handels<br />
AG<br />
Freie Reismühlen<br />
N a m e R e isim p o rt N am e R e isim p o rt<br />
Mühlen im Zollinland<br />
N o rd d e u tsc h e<br />
R e ism ü h le<br />
54.000<br />
A. Lüth ke &<br />
Co.<br />
102.000<br />
Mühlen im Freihafengebiet<br />
H a m b u rg e r<br />
, 60.000<br />
R e isw e rk e<br />
A llg e m e in e<br />
R eisg e se llsch<br />
aft<br />
57.000<br />
in Tonnen<br />
bewerber der Reis- und Handels AG, <strong>die</strong> ebenfalls<br />
eine zollinländische Reismühle betrieben.<br />
Obwohl sie ihre Rohware vor der Veredelung<br />
verzollen mussten, während der Bremer Reiskonzern<br />
mit den Hamburger Reiswerken m.b.H.<br />
zusätzlich eine zollausländische Mühle mit all<br />
ihren Vorteilen betrieb, erlangten A. Lüthke &<br />
Co. in nur zwei Jahren eine bedeutende Stellung<br />
im Hamburger Reisgeschäft. Von 288.000 Tonnen<br />
Reis, <strong>die</strong> 1911 nach Hamburg eingeführt<br />
wurden, verarbeitete <strong>die</strong> neue Mühle über ein<br />
Drittel.<br />
Konflikte im eigenen Haus und auf dem<br />
heimischen Markt<br />
1904 entspann sich eine Diskussion zwischen<br />
Behörden in Berlin und den deutschen Reishändlem<br />
über <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Politur von Reis<br />
mit Talkum erlaubt sei. Der Verdacht der Gesundheitsschädigung<br />
für den Konsumenten durch<br />
<strong>die</strong> Bearbeitung der Reiskörner stand im Raum.<br />
Zudem wurde der Vorwurf der Konsumententäuschung<br />
durch eine Gewichtserhöhung der Ware<br />
durch den Zusatz von Talkumpulver und durch<br />
<strong>die</strong> Verschleierung minderwertiger Qualitäten<br />
bei der Politur geäußert. Diese Verdachtsmomente<br />
formulierte das Reichsgesundheitsamt im<br />
September 1904 und wies seine Nahrungsmittelkontrolleure<br />
an, glacierten Reis zu beanstanden.<br />
Die Staatsanwaltschaften sollten sodann gegen<br />
<strong>die</strong> Händler wegen des Verstoßes gegen das<br />
Nahrungsmittelgesetz vorgehen.’^^^<br />
Die Reis- und Handels AG verwahrte sich gegen<br />
<strong>die</strong> Vorwürfe, weil sie ihren Absatz im Landesinneren<br />
in Gefahr sah. Heinrich Kallsen wandte<br />
sich an <strong>die</strong> Handelskammer in Bremen und forderte<br />
dort Unterstützung „am geeigneten Ort zur<br />
Aufhebung der gegen den Handel mit geglättetem<br />
Reis eingeleiteten Maßnahmen“ ein.’®“ Er<br />
wandte sich in <strong>die</strong>sem Brief gegen <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Vorwürfe, denn<br />
- eine gesundheitsschädliche Wirkung der Talkumpolitur<br />
bestehe nicht, da Magnesiumsilikat<br />
für den Menschen ungefährlich sei;<br />
- eine Täuschung bestehe nicht, da in keiner<br />
deutschen Mühle fehlerhafter und gelber Reis<br />
mit Hilfe von Schwefel gefärbt würde;<br />
- der Reis werde nur aus wirtschaftlichen Gründen<br />
mit Talkum unter dem Zusatz von Ultramarinblau<br />
poliert, weil sich <strong>die</strong> Haltbarkeit so<br />
erhöhe und der Befall der Ware mit Milben<br />
und Motten reduziert würde;<br />
- bei einem Zusatz von 0,02 Prozent <strong>bis</strong> 0,25<br />
Prozent Talkum könne nicht von Gewichtserhöhung<br />
und Konsumententäuschung gesprochen<br />
werden, und<br />
- Reis werde nicht allgemein gefärbt, sondern<br />
nur da, wo <strong>die</strong> Konsumenten es verlangten.<br />
Zur Unterstützung ihrer Haltung gab <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG ein Gutachten bei dem Handelschemiker<br />
Dr. Langfurth in Altona in Auftrag.<br />
Dort wurden insgesamt 19 verschiedene Sorten<br />
Reis aus Hamburg, den Niederlanden und England,<br />
teilweise glasiert, teilweise unglasiert, analysiert<br />
und verglichen. Das Gutachten bestätig-<br />
219
te, dass <strong>die</strong> Politur den Reis haltbarer machte.<br />
„Dass das Glasieren des Reises nicht den Zweck<br />
hat, der Ware ein besseres Aussehen zu geben,<br />
davon kann sich jeder Laie durch den Augenschein<br />
überzeugen, da durch <strong>die</strong> Glasur jeder<br />
Schälfehler deutlicher hervortritt und der Reis<br />
tatsächlich an gutem Aussehen verliert, hier am<br />
Platz werden daher vorwiegend unglasierte Preise<br />
gehandelt. [...] Durch das Glasieren wird daher<br />
weder ein Täuschung, noch eine Beschwerung<br />
vorgenommen. Es kann daher auch keine<br />
Verletzung des Nahrungsmittelgesetztes vorliegen.“’®'<br />
Im Februar 1905 tauschten sich <strong>die</strong> Handelskammern<br />
in Bremen und Hamburg zu <strong>die</strong>ser<br />
Frage aus. In den beiden Hansestädten war praktisch<br />
<strong>die</strong> gesamte deutsche Reisindustrie angesiedelt,<br />
was dem Thema dort eine gewisse Bedeutung<br />
verlieh. Der Bremer Präses berichtete<br />
dabei von dem Altonaer Gutachten und auch davon,<br />
dass ein Erfurter Händler, der vor Gericht<br />
angeklagt worden war, auf Grund von Gutachteraussagen<br />
freigesprochen wurde.’®’ Das<br />
Reichsgesundheitsamt nahm trotzdem vorerst<br />
keinen Abstand von seinen Empfehlungen an<br />
<strong>die</strong> Nahrungsmittelkontrolleure, <strong>die</strong> vermeintlichen<br />
Verstöße an <strong>die</strong> Staatsanwaltschaften weiterzuleiten.<br />
Das führte dazu, dass der Bremer<br />
Reiskonzern ein weiteres Mal im Juli 1905 bei<br />
der Handelskammer in Bremen um Unterstützung<br />
bat. Direktor Upmann berichtete dorthin,<br />
dass seit Mai fünf Händler in Kassel, Koblenz,<br />
Zwickau, Mühlheim am Rhein und in Elberfeld<br />
Probleme wegen des Verkaufs von poliertem<br />
Reis gehabt hätten.’®’<br />
Erst im März 1906 gab es einen vertraulichen<br />
Erlass durch das Reichsamt des Inneren, dass<br />
der Verkauf von glasiertem Reis nicht länger beanstandet<br />
und an <strong>die</strong> Gerichte weitergeleitet werden<br />
sollte.’®^ Die Diskussion über Talkumzusätze<br />
bei der Reispolitur zog sich damit über ein Jahr<br />
hin und brachte sogar einzelne Händler vor Gericht.<br />
Da es aber zu keiner Verurteilung kam,<br />
kann nicht von einer nachhaltigen Schädigung<br />
der deutschen Reisindustrie oder dem Handel<br />
ausgegangen werden.<br />
Konflikte gab es auch zwischen Klein- und'<br />
Großaktionären. Es war nicht unumstritten, dass<br />
<strong>die</strong> Rickmers AG fast ungehindert <strong>die</strong> Politik<br />
der Reis- und Handels AG bestimmen konnte.<br />
Die Generalversammlung 1913 zeigte, dass<br />
Kleinaktionäre <strong>die</strong> Geschicke des Reiskonzerns<br />
zwar nicht beeinflussen konnten, es aber durchaus<br />
eine Opposition gegen <strong>die</strong> Macht der Großaktionäre<br />
und deren Geschäftsgebaren gab. Nach<br />
Versendung des Geschäftsberichts für das Jahr<br />
1912, für das keine Dividende ausgezahlt wurde,<br />
schickte der Kleinaktionär August Dörge am 8.<br />
April 1913 ein Einschreiben mit einem Fragenkatalog<br />
an den Vorstand der Reis- und Handels<br />
AG.’ ®Die Fragen bezüglich der Werte von Abschreibungen<br />
und Ähnlichem wurden am 15.<br />
April öffentlich in der Abendausgabe der Hamburgischen<br />
Börsen-Halle durch den Konzernvorstand<br />
beantwortet. Spannender noch ist eine stenographische<br />
Zusammenfassung des Ablaufs der<br />
Generalversammlung am 14. April, <strong>die</strong> eine ganze<br />
Reihe von Vorwürfen des Kleinaktionärs gegen<br />
<strong>die</strong> in der Geschäftsführung arbeitenden<br />
Großaktionäre enthält.<br />
Dörge beantragte zu Beginn der Generalversammlung,<br />
den Geschäftsbericht des Vorstands<br />
zu diskutieren, eine Revisionskommission einzuberufen<br />
und darüber hinaus, den Vorstand<br />
eventuell abzuwählen, da er nicht erfolgreich<br />
gearbeitet habe. Der Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Franz Boner bat <strong>die</strong> Versammlung, <strong>die</strong> Anträge<br />
Dörges abzulehnen. Ein weiterer Kleinaktionär,<br />
Dr. Hertel, ersuchte <strong>die</strong>se von Boner initiierte<br />
Abstimmung über den Antrag Dörges geheim<br />
vorzunehmen. Von 9.002 Stimmen der anwesenden<br />
43 Aktionäre votierten nur 2.805 Stimmen<br />
für eine geheime Abstimmung über den Vorschlag<br />
Dörges. „Zu der Abstimmung selbst<br />
möchte er [Dörge] noch bemerken, dass es vielleicht<br />
im allgemeinen Interesse gelegen hätte,<br />
wenn eine ,geheime Abstimmung* stattgefunden<br />
hätte, da aus Freundschaftsrücksichten etc. vielleicht<br />
ein ganz anderes Resultat gezeitigt worden<br />
wäre.“’®®Die Großaktionäre hatten kein Interesse<br />
daran, dass sich einzelne Aktionäre im vermeintlichen<br />
Schutz der Anonymität gegen sie stellten.
Im Folgenden kamen <strong>die</strong> Vorwürfe und Forderungen<br />
Dörges an <strong>die</strong> Unternehmensspitze doch<br />
zur Sprache und lauteten im Einzelnen:<br />
- Seit 1904 seien an <strong>die</strong> Aktionäre 4,5 Millionen<br />
Mark gezahlt, aber durch Reduzierungen des<br />
Stammkapitals 20 Millionen Mark verloren<br />
worden.<br />
- 1906 wurden <strong>die</strong> Betriebe mit 14 Millionen<br />
Mark Wert verzeichnet. Trotz vieler Stilllegungen<br />
seien sie nun Ende 1912 mit 20 Millionen<br />
Mark beziffert.<br />
- Der Markteintritt mit eigenen Mühlen in Birma<br />
habe das Geschäft dort durch <strong>die</strong> neue Konkurrenzsituation<br />
erschwert. Besser wäre gewesen,<br />
sich mit den Verschilfem weiterhin gut<br />
zu stellen.<br />
- Der Versicherungsfonds werde zu gering finanziert,<br />
um Rückstellungen für höhere Verluste<br />
in der Zukunft bilden zu können.<br />
- Bei vergangenen Kursschwankungen sei <strong>die</strong><br />
Gesellschaft selber als Käufer und Verkäufer<br />
von Aktien aufgetreten, um Kurssteigerungen<br />
zu erzielen.<br />
- Die Burma Rice & Trading Co. habe seit 1907<br />
jedes Jahr Geld gekostet, daher seien alle Ausländsbeteiligungen<br />
abzustoßen.<br />
August Dörge geißelte <strong>die</strong> Geschäftsführung regelrecht<br />
und kam zu einer vernichtenden Bewertung<br />
der Geschäfte und der Geschäftspraxis.<br />
Besonders herausstechend ist der Vorwurf, <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG habe Kursmanipulationen<br />
vorgenommen. Trotz der Schwere der Vorwürfe<br />
wurden <strong>die</strong> Einwände der Kleinaktionäre übergangen,<br />
der Vorstand sowie der Aufsichtsrat entlastet<br />
und neu gewählt.^®'' Ob alle Vorwürfe<br />
stimmten oder nicht, kann nicht rekonstruiert<br />
werden. Zwingend ist wiederum <strong>die</strong> Erkenntnis,<br />
dass ohne <strong>die</strong> Großaktionäre, besonders <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG, keine Entscheidungen getroffen wurden<br />
und auch das von <strong>die</strong>sen vorgegebene Geschäftsgebaren<br />
nicht korrigiert werden konnte.<br />
Die Affäre Andreas Rickmers<br />
Der wohl tiefgreifendste Konflikt, dem sich <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
ausgesetzt sah, war <strong>die</strong> sogenannte Affäre Andreas<br />
Rickmers. 1908 machte Andreas Rickmers<br />
der Familie seines verstorbenen Bruders Peter,<br />
also in erster Linie seinen Neffen Robert und<br />
Paul, das Angebot, <strong>die</strong> Werft aus der Rickmers<br />
AG auszugliedem und zu verkaufen. Das so gewonnene<br />
Kapital wollte Andreas Rickmers in<br />
<strong>die</strong> Rickmers AG investieren. Infolge <strong>die</strong>ses Angebots<br />
entspann sich ein regelrechter Wirtschaftskrimi,<br />
der sich zwischen Robert und Paul<br />
Rickmers einerseits und Andreas Rickmers andererseits<br />
abspielte. Bis eine Юärung gelang,<br />
standen <strong>die</strong> Rickmers AG und auch <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG kurz vor der Insolvenz. Wie es<br />
dazu kommen konnte, dass eine einzelne Familie<br />
<strong>die</strong> größte Reisindustrie Europas fast in den Ruin<br />
geführt hätte, soll im Eolgenden kurz nachgezeichnet<br />
werden.<br />
Über den Prokuristen der Rickmers AG, Johannes<br />
Behrends, ließ Andreas Rickmers kurz nach<br />
dem ersten ein neues Angebot an seine Familie<br />
übermitteln. Nun wollte er <strong>die</strong> gesamte Rickmers<br />
AG liqui<strong>die</strong>ren und nur <strong>die</strong> Werft erhalten. Der<br />
Teil der Familie, der <strong>die</strong> Werft übernahm, sollte<br />
eine Ausgleichszahlung von 2 Millionen Mark<br />
an den anderen Familienteil vornehmen. Dieses<br />
Angebot zielte auf eine Auszahlung Andreas<br />
Rickmers’ durch seine Verwandten ab. Er wusste,<br />
dass seine Neffen <strong>die</strong> Werft, <strong>die</strong> ohne <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG beziehungsweise deren Verträge mit<br />
der Reis- und Handels AG nicht lebensfähig war,<br />
gerne erhalten wollten. Die Werft hatte keine<br />
Rücklagen und der Familie Peter Rickmers fehlten<br />
<strong>die</strong> liquiden Mittel, um <strong>die</strong> Baukontrakte erfüllen<br />
zu können. Zugleich erfuhren Paul und<br />
Tabelle V. 2.3, Stand der Verbindlichkeiten<br />
der Reis- und Handels AG 1908<br />
Position<br />
Aktien d e r Reis- und Handels AG in Besitz<br />
d e r Familie Rickmers<br />
Barvorschüsse an <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG<br />
An <strong>die</strong> Reis- und Handels AG verkaufte,<br />
unbezahlte Schiffe. V erzinst m it 5% /Jahr<br />
W ert<br />
8.200.000<br />
7.500.000<br />
10.000.000<br />
in M ark<br />
221
Ш-<br />
ш<br />
222<br />
Robert Rickmers von Behrends, wie bedenklich<br />
<strong>die</strong> finanziellen Verhältnisse der Rickmers AG<br />
und des Reiskonzems waren.<br />
Andreas Rickmers zog seinen Liquidationsvorschlag<br />
nur zwei Tage später zurück. Das vemrsachte<br />
einen so großen Argwohn, dass sich <strong>die</strong><br />
Nachkommen und Erben Peter Rickmers’, vor<br />
allem Paul als Vertreter der Witwe Peters, also<br />
seiner Mutter, vermehrt in <strong>die</strong> Arbeit der Rickmers<br />
AG einbrachten und deutlich öfter an Gremiensitzungen<br />
teilnahmen. Andreas Rickmers<br />
hatte das Vertrauen seiner Neffen verloren.’**<br />
1909 gab es ein neues Angebot von Andreas<br />
Rickmers an seine Neffen. Diese sollten <strong>die</strong><br />
Werft übernehmen und damit praktisch einer<br />
vorgezogenen Erbteilung zustimmen.’*®Die Angesprochenen<br />
werteten <strong>die</strong>s jedoch als Versuch<br />
des Onkels, ihre Eamilie einerseits aus der Rickmers<br />
AG zu drängen und andererseits <strong>die</strong> Werftbesitzer<br />
in eine Abhängigkeit von Andreas Rickmers<br />
zu bringen, weil <strong>die</strong> Werft nur mit den Aufträgen<br />
der Reis- und Handels AG lebensfähig<br />
war. Die Haltung von Robert und Paul Rickmers<br />
gegenüber Andreas Rickmers schlug von kritischer<br />
Skepsis in deutliche Opposition um. Sie<br />
wollten sich von ihrem Onkel unabhängig machen.<br />
Robert Rickmers formulierte <strong>die</strong>s so:<br />
„Die ganzen Pläne, <strong>die</strong> er schmiedet, der Mangel<br />
an Offenheit, <strong>die</strong> augenscheinliche Verzerrung<br />
der Verhältnisse, zwingt uns leider<br />
aus einem Selbsterhaltungstrieb, ihn als einen<br />
übelwollenden Eeind ansehen zu müssen, anstatt<br />
ihn als väterlichen Freund zu sehen, dem<br />
wir unser Geschick auch weiterhin in <strong>die</strong> Hände<br />
legen können!“” ®<br />
Vorerst wollten sie ihr Ansinnen gegen den Onkel<br />
aber nicht offenlegen, weshalb sie ihre Korrespondenz<br />
verschlüsselten. Dabei verwendeten sie<br />
viele Begriffe und Analogien aus der Jagd.<br />
(s.TabelleV. 2.4, S. 223)<br />
Anfang November 1909 thematisierte der Weser-Kurier<br />
in einem Zeitungsartikel <strong>die</strong> Situation<br />
der Reis- und Handels AG und den enormen<br />
Rückgang des Kurses, nachdem ein großer Aktionär<br />
versucht habe, seinen Anteil zu veräußern.’”<br />
Daraufhin geriet Andreas Rickmers immer<br />
mehr unter Druck. Nach dem Tod Hermann<br />
Upmanns verlor er seine stärkste Unterstützung<br />
innerhalb der Führung der Reis- und Handels<br />
AG. Die Erben von Upmann und der Hamburger<br />
Paul Munckel trugen den Kurs der unkritischen<br />
Zustimmung zu allen Entscheidungen von Andreas<br />
Rickmers nicht weiter und leiteten ebenfalls<br />
eine Юärung der Zustände ein. Anfang 1910<br />
kam es zu einer Reihe von Aufsichtsratssitzungen,<br />
in denen schwere Vorwürfe gegen Andreas<br />
Rickmers erhoben wurden. Kernpunkte der Vorwürfe<br />
waren, dass<br />
- der Wert der Rickmers-Flotte bei Abschluss<br />
des Reedereivertrags 30-40 Prozent zu hoch<br />
veranschlagt war und<br />
- Markwald & Co. in Bangkok und <strong>die</strong> Stärkefabrik<br />
Union in Hannoversch Münden mit<br />
überhöhten Werten in den Büchern geführt<br />
worden waren sowie dass<br />
- Andreas Rickmers vielfach Unternehmungen<br />
der Reis- und Handels AG einzig zu Gunsten<br />
der Rickmers AG vorgenommen hatte.<br />
Als Reaktion schlug Robert Rickmers seinem<br />
Bruder vor, künftig Juristen in den Aufsichtsrat<br />
der Rickmers AG zu berufen. Erstmals wollten<br />
Beteiligte fachfremdes Expertenwissen in den<br />
Aufsichtsrat holen, was ihnen nach der Gesetzgebung<br />
von 1884 schon immer möglich gewesen<br />
wäre.<br />
Andreas Rickmers bot ein Schweigegeld, wenn<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG nicht weiter gegen<br />
ihn Vorgehen würde und er so ohne Gesichtsverlust<br />
<strong>die</strong> Affäre beenden könnte. Robert und<br />
Paul Rickmers wollten <strong>die</strong> Probleme jedoch innerhalb<br />
der Familie veröffentlichen und erst danach<br />
mit der Reis- und Handels AG eine Lösung<br />
aushandeln. Ihr Ziel war der Erhalt der Rickmers<br />
AG und <strong>die</strong> Verhinderung der Insolvenz für <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG. Damit blieb Andreas<br />
Rickmers zwar zumindest innerhalb der großen<br />
Rickmers-Familie der Gesichtsverlust nicht erspart,<br />
sein Lebenswerk aber sollte gerettet werden.<br />
Die Verhandlungen mit der Reis- und Handels<br />
AG ergaben <strong>die</strong> Auflösung des Reedereivertrags<br />
und den Verzicht der Rickmers AG auf<br />
<strong>die</strong> Erfüllung etlicher finanzieller Verpflichtun-
Tabelle V. 2.4, Die von Paul und Robert Rickmers während der Rickmers-АЖге verwendeten<br />
Decknamen^^'<br />
Klarnarne<br />
Andreas Rickmers<br />
Johannes Behrends<br />
Paul Rickmers<br />
Deckname<br />
Fuchs (Fox)<br />
S chlepper (E arthstopper)<br />
F iam burger M a ster<br />
Familie Peter Rickmers H a m b u rg er Feld (H a m b u rg er B a n d e)<br />
Sophie Rickmers<br />
Helene Rickmers (Frau von Andreas)<br />
Bremer Kontor der Rickmers AG<br />
Privathaus von Andreas Rickmers<br />
Ellen von Meyer (Witwe von Wilhelm Rickmers)<br />
Familie Andreas Rickmers<br />
Revisor der Reis- und Handels AG<br />
Aktionäre der Reis- und Handels AG<br />
Vertragsangebot Andreas Rickmers<br />
Ä lte ste Führerin<br />
Leithündin<br />
F uchsbau<br />
Farm<br />
P olnische Gräfin<br />
M e u te<br />
H u n tsm a n<br />
R a d fa h rer<br />
Losung<br />
gen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Reiskonzern.<br />
Die zwei Aktiengesellschaften blieben<br />
aber weiterhin eng verbunden. Um der Reis- und<br />
Handels AG <strong>die</strong> Insolvenz zu ersparen, gab sie<br />
eine Anleihe in Höhe von 6 Millionen Mark aus.<br />
Die Rickmers AG verpflichtete sich zur Übernahme<br />
des größten Teils. Der Restbetrag wurde<br />
von der Bremer Disconto-Gesellschaft gedeckt.<br />
Deren Direktor, Franz Boner, wurde neuer Aufsichtsratsvorsitzender<br />
des so geretteten Reiskonzerns.<br />
Auch <strong>die</strong> Rickmers AG trennte sich von Andreas<br />
Rickmers. Dort war sein Verhalten aus unparteiischer<br />
Perspektive betrachtet ebenfalls problematisch<br />
gewesen, weil Mitglieder seiner Familie<br />
Immobilien an <strong>die</strong> Rickmers AG verkauft<br />
hatten und zugleich Nutzungsrechte behielten.<br />
Zudem war in Verträgen der Unterhalt und <strong>die</strong><br />
Bezahlung von Hauspersonal durch <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG festgehalten worden. Somit war in der<br />
Realität nicht Privatbesitz in Firmenbesitz übergegangen,<br />
sondern Privatbesitz war durch <strong>die</strong><br />
Firma getragen worden. Nach längeren Verhandlungen<br />
übernahm <strong>die</strong> Familie Peter Rickmers<br />
<strong>die</strong> Rickmers AG komplett von Andreas Rickmers,<br />
dessen Auszahlung vertraglich gesichert<br />
wurde. Sein Vertrauter Johannes Behrends musste,<br />
mit einer Rentenabsicherung versehen, das<br />
223
-i<br />
.■<br />
Geschäft verlassen. Mit Heinrich Nolze, dem<br />
Direktor der Dampfschiffahrts-Gesellschaft<br />
„Neptun“ AG, und dem Juristen Heinrich Wuppesahl<br />
wurden erstmals zwei familienfremde Experten<br />
in den Aufsichtsrat der Rickmers AG berufen.<br />
Die Bilanz der Reis- und Handels AG 1902—<strong>1914</strong><br />
Die wirtschaftliche Bilanz der Reis- und Handels<br />
AG von 1902-<strong>1914</strong> fällt ambivalent aus. Auf<br />
den ersten Blick schrieb der Bremer Reiskonzern<br />
eine Erfolgsgeschichte. Die Märkte veränderten<br />
sich, in Asien wurde <strong>die</strong> Konkurrenz für europäische<br />
Reismüller immer größer, in Europa litt<br />
der Absatz unter dem zunehmenden Wettbewerb<br />
zwischen den nationalen Reisindustrien. Und<br />
dennoch erzielte ein Aktionär je Aktie im Wert<br />
von 1.000 Mark in den 13 Jahren insgesamt 445<br />
Mark an Dividendenzahlungen.<br />
Dem gegenüber steht <strong>die</strong> zweimalige Kapitalherabsetzung<br />
der Gesellschaft, welche <strong>die</strong> in der<br />
Rickmers-Affäre publik gewordenen Vorwürfe<br />
der Bilanzfälschung beziehungsweise der bilanziellen<br />
Überbewertung einzelner Untemehmensteile<br />
bestätigte. Bei der ersten Kapitalherabsetzung<br />
wurde jede dritte Aktie eingezogen.<br />
4.160.000 Mark wurden zwar an <strong>die</strong> Aktionäre<br />
zurückbezahlt, damit blieb aber immer noch ein<br />
Wertverlust von 5.840.000 Mark. Selbst wenn<br />
man <strong>die</strong>sem Verlust <strong>die</strong> <strong>bis</strong> dahin gezahlten 3<br />
Millionen Mark Dividenden entgegensetzt, verlor<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG in vier Jahren fast<br />
3 Millionen Mark oder zehn Prozent an Wert.<br />
Tabelle V. 2.5, Bilanz der Reis- und Handels AG 1902-<strong>1914</strong>’’^<br />
Jahr<br />
Eigenkapital der<br />
Reis- und<br />
Handels AG<br />
Dividende<br />
(Mark je<br />
Aktie)<br />
Ausschüttung<br />
Jahresbilanz<br />
(Geschäftsgewinne/-<br />
verluste abzüglich Zinsen)<br />
Bemerkung<br />
1902 30.000.000 4% (40) 1.200.000 1.338.757<br />
1903 30.000.000 6% (60) 1.800.000 2.073.338<br />
1904 30.000.000 4% (40) 1.200.000 1.272.073<br />
1905 30.000.000 0 0 72.162<br />
1906 20.000.000 8% (80) 1.600.000 1.629.299<br />
Aktienkapitalreduzierung wg.<br />
Verkauf der Beteiligungen in<br />
Aussig/Triest<br />
1907 20.000.000 6% (60) 1.200.000 1.201.310<br />
1908 20.000.000 0 0 -1.608.546<br />
1909 20.000.000 0 0 -3.297.846<br />
Aktienkapitalreduzierung wg.<br />
Mühlenstilllegungen nach der<br />
Übernahme der Reiswerke Paul<br />
Munckel in Hamburg<br />
1910 15.000.000 4% (40) 600.000 660.961<br />
1911 15.000.000 4,5% (45) 675.000 765.140<br />
1912 15.000.000 0 0 -42.453<br />
1913 15.000.000 3% (30) 450.000 493.590<br />
<strong>1914</strong> 15.000.000 5% (50) 750.000 1.792.978<br />
in Mark<br />
224
1909 folgte eine weitere Kapitalreduzierung um<br />
5 Millionen Mark (s. Tabelle V. 2.5, S. 224).<br />
Für <strong>die</strong> Familie Rickmers und für <strong>die</strong> anderen<br />
Reisindustriellen Deutschlands, <strong>die</strong> sich am Bremer<br />
Konzern beteiligten, war <strong>die</strong> Geschichte der<br />
Reis- und Handels AG dennoch durchaus auskömmlich.<br />
Es ist bekannt, dass <strong>die</strong> Familie Heinrich<br />
Kallsens nach dessen Tod verarmte, doch<br />
<strong>bis</strong> dahin verschaffte ihm <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG ein sicheres Einkommen. Alle <strong>bis</strong> 1901<br />
selbstständigen Reismüller waren im Vorstand<br />
oder Aufsichtsrat vertreten und profitierten - neben<br />
ihren Aktionärsdividenden - von den gezahlten<br />
Vergütungen und Tantiemen.<br />
Von einer 1901 eingesetzten Summe von<br />
15.367.000 Mark blieb der Rickmers AG <strong>1914</strong><br />
in Summe des Aktien wertes und der seit 1902<br />
erhaltenen Dividenden ein Wert von 12.506.275<br />
Mark. Auf den ersten Blick wäre <strong>die</strong>s ein Minusgeschäft<br />
von etwa 2,5 Millionen Mark gewesen.<br />
Die Rickmers AG hätte aber ohne <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG vermutlich ihre Werft<br />
schließen müssen. Zusätzlich hatte <strong>die</strong> Reis- und<br />
Handels AG <strong>bis</strong> zum Ende des Reederei- und<br />
Bauvertrages Verbindlichkeiten aufgebaut, <strong>die</strong><br />
allein 1908 10 Millionen Mark betrugen und mit<br />
jährlich 5 Prozent verzinst wurden. Allein <strong>die</strong>se<br />
Zinsen beliefen sich für <strong>die</strong> Jahre 1908-1910<br />
auf 1,5 Millionen Mark und <strong>die</strong> Werft hätte wei-<br />
Tabelle V. 2.6, Aktienzahl, -werte und Dividenden der Reis- und Handels AG im Besitz der<br />
Rickmers AG 1901-<strong>1914</strong>’’®<br />
Jahr<br />
Stammkapital der<br />
Reis- und Handels AG<br />
Zahl der Aktien der<br />
Rickmers AG<br />
Aktienwert<br />
1901 30.000.000 15.376 15.376.000<br />
Dividende<br />
1902 30.000.000 15.376 15.376.000 614.680<br />
1903 30.000.000 15.376 15.376.000 922.560<br />
1904 30.000.000 15.376 15.376.000 614.680<br />
1905 30.000.000 15.376 15.376.000<br />
1906 20.000.000 10.250 10.250.000 820.000<br />
1907 20.000.000 10.250 10.250.000 615.000<br />
1908 20.000.000 10.250 10.250.000<br />
1909 20.000.000 10.250 10.250.000<br />
1910 15.000.000 7.687 7.687.000 307.480<br />
1911 15.000.000 7.687 7.687.000 345.915<br />
1912 15.000.000 7.687 7.687.000<br />
1913 15.000.000 7.687 7.687.000 230.610<br />
<strong>1914</strong> 15.000.000 7.687 7.687.000 348.350<br />
Summe 7.687 7.687.000 4.819.275<br />
in Mark<br />
225
■<br />
!l I<br />
tere Gewinne verbucht, wenn der Reiskonzern<br />
seine Verbindlichkeiten hätte begleichen können.<br />
Darüber hinaus strichen <strong>die</strong> in der Leitung der<br />
Rickmers AG engagierten Familienmitglieder<br />
noch ihre Tantiemen ein. Ein Kleinaktionär, der<br />
1901 im Besitz von drei Aktien war, hätte von<br />
seinen 3.000 Mark Kapitaleinsatz im Jahr <strong>1914</strong><br />
nach Kapitalreduzierungen und Dividendenausschüttungen<br />
nur noch 1.945 Mark besessen. Für<br />
einen Kleinaktionär war <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG kein wirtschaftliches Erfolgsmodell, für <strong>die</strong><br />
Familie Rickmers und <strong>die</strong> Rickmers AG hingegen<br />
hatte sich <strong>die</strong> Konzemgründung auch wirtschaftlich<br />
gelohnt.<br />
Trotz der Umstände, unter denen Andreas Rickmers<br />
seinen Konzern verlassen musste, war <strong>die</strong><br />
Familie Rickmers nicht nur Antreiber der Reisund<br />
Handels AG, sondern auch der größte Profiteur.<br />
Ohne <strong>die</strong> fragwürdigen Baukontrakte und<br />
den Reedereivertrag hätte <strong>die</strong> Werft kaum überlebt<br />
und auch <strong>die</strong> Existenz der Rickmers AG<br />
wäre trotz des recht ordentlichen Reisgeschäfts<br />
bedroht gewesen. Die globale Bedeutung des<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong>s ging <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
immer weiter zurück. Dies lag vor allem<br />
an den Veränderungen auf dem asiatischen<br />
Markt. Dass der deutsche <strong>Reishandel</strong> dort weiterhin<br />
eine wichtige Stellung einnahm und in<br />
Europa Marktführer der Branche blieb, war nicht<br />
unwesentlich ein Erfolg der Reis- und Handels<br />
AG.<br />
3. Zolldiskussionen<br />
Trotz aller Bestrebungen gelang es der Reis- und<br />
Handels AG nicht, jemals ein wirkliches Monopol<br />
in der reisverarbeitenden Industrie Deutschlands<br />
zu erreichen. 1901 wurden in Konkurrenz<br />
zum Bremer Reiskonzern <strong>die</strong> Hamburg-Indischen<br />
Reiswerke Paul Munckel gegründet, und<br />
als <strong>die</strong>se Ende 1908 mit dem Bremer Konzern<br />
zusammengingen, wurden in Hamburg durch <strong>die</strong><br />
Allgemeine Reisgesellschaft Ltd., und kurz darauf<br />
auch durch <strong>die</strong> Firma A. Lüthke & Co., wiederum<br />
unabhängige Mühlen betrieben. Zwischen<br />
den Mühlen der Reis- und Handels AG und den<br />
von ihr unabhängigen Mühlen gab es einen regen<br />
Wettstreit um <strong>die</strong> bestmögliche Beeinflussung<br />
der Politik hinsichtlich der Zollbehandlung von<br />
Reis. Eine weitere Konfiiktlinie zog sich zwischen<br />
den zollinländischen Mühlen, zu denen<br />
der Bremer Reiskonzern trotz seiner Dependancen<br />
in Hamburg gerechnet werden kann, einerseits<br />
und den im Zollausland liegenden Mühlen<br />
andererseits. Sowohl <strong>die</strong> Bremer Reismüller als<br />
auch ihre Hamburger Kollegen beantragten Veränderungen<br />
des Schälregulativs, über das <strong>die</strong><br />
Höhe der zu verzollenden Anteile des importierten<br />
Reises festgelegt wurde. Dafür schrieben <strong>die</strong><br />
Reismühlen Eingaben an ihre zuständigen Handelskammern,<br />
Senatskommissionen oder auch<br />
direkt an <strong>die</strong> gesetzgebenden Organe nach Berlin.<br />
In ihren Eingaben scheuten <strong>die</strong> Industriellen<br />
nicht davor zurück, <strong>die</strong> Konkurrenz der Vorlage<br />
falscher Zahlen oder der Lüge zu bezichtigen.<br />
Obwohl der Erfolg <strong>die</strong>ser regen Lobbyarbeit<br />
zweifelhaft war, wurden <strong>die</strong> Diskussionen sehr<br />
intensiv und über Jahre hinweg geführt. Nachfolgend<br />
soll <strong>die</strong>ser Schlagabtausch durch <strong>die</strong> Betrachtung<br />
einiger Eingaben nachvollzogen und<br />
erläutert werden.<br />
1906 galt noch das gleiche Zollregulativ, das<br />
1888 mit der Unterscheidung von fünf Bearbeitungsstufen<br />
des mit vier Mark je 100 Kilogramm<br />
verzollten importierten Reises eingeführt worden<br />
war. Die Normalsätze des Schälregulativs konnten<br />
bei dem Nachweis eines größeren Mahl Verlustes,<br />
als er dort vorgesehen war, noch einmal<br />
auf einen Mindestsatz gesenkt werden. Die Reisund<br />
Handels AG beantragt jedoch neue, niedrigere<br />
Ausbeutesätze für das Schälregulativ (s. Tabelle<br />
V. 3.1, S. 227).<br />
Anträge und Eingaben der Reis- und<br />
Handels AG<br />
Die Einfuhr von bereits in Birma geschältem<br />
Reis, den <strong>die</strong> Hamburg-Indischen Reiswerke<br />
weiterverarbeiteten, so eine Eingabe der Reisund<br />
Handels AG aus dem Oktober 1906, sei<br />
schon von nicht näher genannten Sachverständigen<br />
als „Umgestaltung des <strong>Reishandel</strong>s“ be-<br />
226
Tabelle V. 3.1, Positionen des Schälregulativs 1906’’’<br />
Position Bedeutung der Position Normalsatz Mindestsatz<br />
Beantragter<br />
Normalsatz<br />
a. Reis in der Strohhülse 0,66 0,60<br />
b.<br />
c.<br />
d.<br />
G em ische von bioß von der Strohhüise befreitem Reis<br />
und von Reis in d er Strohhüise<br />
A us den G em ischen zu b ausgeschiedener, bioß von<br />
der Strohhülse b efreiter Reis<br />
Ohne Beim ischung von Reis in der Strohhülse<br />
eingehender, bloß von d er Strohhülse befreiter Reis<br />
Reis, der ledigiich m it der letzten fein e n Hüise<br />
versehen und bioß zu m Roheren b e stim m t ist<br />
0,82 1 0 ,77<br />
0,85 1 0,82<br />
0,88 1 0,85<br />
0,96 1<br />
0,94<br />
zeichnet worden. Eine Verbesserung der Lage<br />
der zollinländischen Mühlen könne daher nicht<br />
weiter aufgeschoben werden.” * Mit <strong>die</strong>sen Worten<br />
wurden in dem Antrag eine Reihe von Begründungen<br />
und Schlussfolgemngen eingeleitet,<br />
warum das Schälregulativ verändert werden sollte.<br />
Die Debatten um <strong>die</strong> Zollbehandlung hatte<br />
es schon im 19. Jahrhundert gegeben” ^, nun erreichten<br />
sie aber eine neue Intensität.<br />
Die erste Forderung bezog sich auf Reis der Position<br />
a. Dieser werde nur selten importiert, dann<br />
aber sei <strong>die</strong> Ausbeute aus <strong>die</strong>sem Reis nur bei<br />
60-62 Prozent. Sodann wurde erläutert, warum<br />
Reis der Position e im Zollregulativ nur um zwei<br />
Prozent besser gestellt werden sollte. Dieser Reis<br />
werde nur von den britisch-indischen Verschiffern,<br />
der eigentlichen Konkurrenz der deutschen<br />
Reisindustrie, nach Deutschland eingeführt. Eine<br />
weitere Ermäßigung auf einen Ausbeutesatz von<br />
unter 94 Prozent helfe daher überdurchschnittlich<br />
den nicht-deutschen Importeuren und würde so<br />
mehr Schaden als Nutzen für <strong>die</strong> deutschen Mühlen<br />
bedeuten. Eine Veränderung der Position e<br />
sei gleichzusetzen mit einem Erfolg der Allgemeinen<br />
Reisgesellschaft Ltd., was im Umkehrschluss<br />
der deutschen Reisindustrie ihre Bedeutung<br />
nähme.’*®Dieses Argument erklärt sich daraus,<br />
dass gerade 1906 das Abkommen mit den<br />
englischen Verschiffern, nachdem <strong>die</strong>se keine<br />
Mühle in Deutschland errichten durften, endete<br />
und von ihnen <strong>die</strong> Allgemeine Reisgesellschaft<br />
Ltd. im Hamburger Freihafen gegründet worden<br />
war. Ohne nationales Pathos richtete sich <strong>die</strong>se<br />
Forderung aber auch gegen <strong>die</strong> Hamburg-Indischen<br />
Reiswerke Paul Munckel & Co.<br />
Drittens wurde begründet, warum dem Reis der<br />
Position b ein besonders deutlich gesenkter Ausbeutesatz<br />
zugesprochen werden sollte. Denn „<strong>die</strong><br />
für das Schicksal der zollinländischen Reismühlen<br />
bedeutungsvollste Position ist <strong>die</strong> Position<br />
b, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Verschiffungsware betrifft, wie sie in<br />
den weitaus größten Mengen von Birma für <strong>die</strong><br />
kontinentalen Mühlen verladen und von <strong>die</strong>sen<br />
verarbeitet wird“.’*' Die Position b bezeichnete<br />
also Cargoreis. Weiter wurde behauptet, dass einerseits<br />
<strong>die</strong> Mühlen in Asien den Anteil des geschälten<br />
Reises in den Ladungen für Europa<br />
nicht erhöhen würden, weil sie dann mehr Spelzen<br />
vor Ort entsorgen müssten, und andererseits<br />
<strong>die</strong> Menge der Schälabfälle <strong>die</strong>ser Position ein<br />
in Deutschland wirtschaftlich bedeutender Faktor<br />
sei, weil davon auch <strong>die</strong> Futtermittelindustrie<br />
abhänge.<br />
Anschließend wurde der Nutzen eines veränderten<br />
Schälregulativs allgemein erörtert. Niedrige<br />
Ausbeutesätze verhießen zwar geringere Zolleinnahmen,<br />
<strong>die</strong>se Nachteile würden jedoch durch<br />
ein übergeordnetes Wirtschaftsinteresse aufgewogen:<br />
„Das Opfer ist in der Tat klein gegenüber den<br />
wirtschaftlichen Interessen, <strong>die</strong> im höchsten<br />
Grade gefährdet sind. Besonders erwägens-<br />
227
wert aber erscheint ein Preisgeben nicht bedeutender<br />
Zolleinnahmen im Hinblick darauf,<br />
daß bei der vorgeschlagenen Änderung der<br />
Verzollungsgewichtssätze ein Wiederaufblühen<br />
der krankenden zollinländischen Reisschälindustrie<br />
zu erwarten ist.“’*^<br />
Die Zollkosten wurden ganz allgemein bemängelt.<br />
Neben den zu schlechten Sätzen des Zollregulativs<br />
wurden auch <strong>die</strong> Verfahrens- und Zollerhebungskosten<br />
kritisiert. Die ordentliche Trennung<br />
des Reises verschiedener Positionen, <strong>die</strong><br />
notwendige sorgfältige Bearbeitungsweise, um<br />
<strong>die</strong> Ausbeutesätze zu erfüllen, und <strong>die</strong> benötigte<br />
Buchführung für <strong>die</strong> Zollaufsicht sowie deren<br />
Kosten wurden als Zumutung für <strong>die</strong> Müller dargestellt<br />
und abgelehnt.<br />
„Von <strong>die</strong>sem Gesichtspunkte aus betrachtet,<br />
handelt es sich bei einer Ermäßigung der Ausbeutesätze<br />
nicht um eine Art von Zollerlaß,<br />
sondern um eine Änderung des zollamtlichen<br />
Verfahrens für <strong>die</strong> Reismühlen überhaupt zur<br />
Beseitigung der durch <strong>die</strong>ses herbeigeführten<br />
Schädigungen und Erschwerungen.“’*^<br />
Die Herabsetzung der Ausbeutesätze im Schälregulativ<br />
wurde als allgemeine Entschädigung<br />
für <strong>die</strong> vermeintlich nachteilige Behandlung der<br />
Reisindustrie gefordert. Nachteilig behandelt,<br />
ging es im Forderungskatalog weiter, war <strong>die</strong><br />
deutsche Industrie auch gegenüber den europäischen<br />
Nachbarn. In Österreich und Schweden<br />
seien <strong>die</strong> Zollsätze allgemein niedriger und in<br />
Österreich würde bei der Ausfuhr zuweilen sogar<br />
der gesamte Zoll rückerstattet.<br />
Die vermeintlich besten Argumente für eine zollrechtliche<br />
Besserstellung der zollinländischen<br />
Reismühlen war der Rückgriff der Reis- und<br />
Handels AG auf Aussagen der Handelskammer<br />
in Hamburg aus den Jahren 1892, 1896 und<br />
1901. Diese erkannte in ihren Stellungnahmen<br />
in den 1890er Jahren <strong>die</strong> schwierige Stellung<br />
der deutschen Reismühlen im Zollinland und<br />
-ausland an und lehnte jegliche Schutzmaßnahmen<br />
nur ab, weil sie das „hinsichtlich der Branntwein-<br />
und der Zuckersteuer“ auch getan habe.’*“*<br />
Somit sei nur der grundsätzliche und freihändlerische<br />
Standpunkt der Hamburger Kammer im<br />
Wege gewesen, doch eigentlich unterstütze <strong>die</strong><br />
dortige Handelskammer das Bremer Anliegen.<br />
In der Sache bewerte <strong>die</strong> Hamburger Kammer<br />
das Reisgeschäft ebenso wie <strong>die</strong> Bremer es taten,<br />
nur übergeordnete Prinzipien hätten sie von einem<br />
entsprechenden politischen Engagement abgehalten.<br />
Gezeichnet war der Bremer Antrag und<br />
seine umfassende Begründung durch Heinrich<br />
Kallsen für <strong>die</strong> Reis- und Handels AG, durch<br />
Robert Rickmers für <strong>die</strong> Rickmers-Reismühle<br />
sowie Julius Nielsen für <strong>die</strong> Reismühle Gebrüder<br />
Nielsen. Dabei waren <strong>die</strong> letztgenannten Firmen<br />
Teile der Reis- und Handels AG. Vermutlich sollte<br />
durch mehrere Unterzeichner das Gewicht der<br />
Eingabe erhöht werden.<br />
Der Antrag auf Veränderung des Schälregulativs<br />
zeigte keinen Erfolg. Die Hamburger Konkurrenten<br />
der Reis- und Handels AG hatten sich dagegengestellt.<br />
So entwickelte sich ein langjähriger<br />
Konflikt um <strong>die</strong> Argumentationshoheit in<br />
Zollfragen. Im Mai 1912 griff <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG in einem Schreiben an <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Bremen <strong>die</strong> Hamburger Firma Lüthke &<br />
Co. scharf an und verwahrte sich gegen Vorwürfe,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>se gegen den Bremer Konzern Ende<br />
1911 erhoben hatte.’** Dabei entgegneten <strong>die</strong><br />
Bremer den Vorwürfen und Argumenten aus<br />
Hamburg, dass<br />
- das Schälen von Cargoreis eine veraltete Geschäftsmethode<br />
ist: In Holland würde nur eine<br />
von sieben Mühlen vorpolierten Reis verarbeiten,<br />
in Österreich sogar alle Mühlen Rohreis<br />
beziehen und außerdem zeige <strong>die</strong> Einfuhrstatistik<br />
keinen Rückgang an Cargoreis an.<br />
- <strong>die</strong> Herabsetzung der Ausbeute den Müllern<br />
von Cargoreis eine Prämie im Vergleich zur<br />
Bearbeitung von bereits vorgeschältem Reis<br />
bringt: Die Hamburger würden für Holland<br />
einen Schälverlust von 23 Prozent für <strong>die</strong> Position<br />
c anerkennen, dasselbe für deutsche<br />
Mühlen aber nicht machen. Außerdem werde<br />
durch Lüthke & Co. nicht berücksichtigt, dass<br />
<strong>die</strong> zollrechtliche Ausgangslage in Holland<br />
günstiger sei.<br />
- der Aufschwung der Firma Lüthke & Co. der<br />
Beweis für den generellen Aufschwung des<br />
228
Reisgeschäfts ist; Einerseits erwarte das Absatzgebiet<br />
von Lüthke & Co. keine so hohen<br />
Qualitäten wie <strong>die</strong> Käufer des Bremer Reises,<br />
und andererseits beruhten <strong>die</strong> großen Erfolge<br />
der Hamburger Mühle auf geglückten Spekulationen<br />
durch Leerverkäufe 1910. Zudem siebe<br />
Lüthke & Co. nur Reis, statt ihn zu vermahlen.<br />
Daher bräuchten sie weniger Maschinen<br />
und Personal und wären Vertreter einer<br />
weniger Wert schöpfenden, einer deshalb geringerwertigen<br />
Industrie.<br />
- <strong>die</strong> Reis- und Handels AG nur zur Stützung<br />
ihrer Tochtergesellschaft, der Burma Rice &<br />
Trading Co., von <strong>die</strong>ser ihren Cargoreis beziehe,<br />
obwohl <strong>die</strong>se unwirtschaftlich arbeitet<br />
und den Reis zu überhöhten Preisen verkauft:<br />
Nur <strong>die</strong> Hälfte des von der Burma Rice & Trading<br />
Co. 1911 nach Europa verkauften Reises<br />
sei nach Bremen gegangen. Dass <strong>die</strong> anderen<br />
Verkäufe nach Holland, Österreich, Ungarn<br />
und <strong>die</strong> Levante gingen, zeige <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit<br />
der asiatischen Tochtergesellschaft<br />
hinreichend.<br />
- <strong>die</strong> Anlagen der Bremer Mühlen veraltet und<br />
deswegen unwirtschaftlich sind: Die Bremer<br />
könnten mit ihren Mühlen sowohl vorgeschälten<br />
als auch rohen Reis bearbeiten, Lüthke &<br />
Co. aber nur vorgeschälten Reis. Damit seien<br />
<strong>die</strong> Hamburger eindeutig schlechter maschinell<br />
eingerichtet.<br />
- <strong>die</strong> Bremer auf Grund einer Überkapitalisierung<br />
Schwierigkeiten haben: Bei der Kapitalreduzierung<br />
seien über 4 Millionen Mark an<br />
<strong>die</strong> Aktionäre zurückgeflossen und außerdem<br />
weitere Gelder in Reserve- und Versicherungsfonds<br />
gezahlt.<br />
- <strong>die</strong> Freihafenmühle der Reis- und Handels AG<br />
gar nicht genutzt wird: ln der Freihafenmühle<br />
der Reis- und Handels AG seien nur qualitativ<br />
schlechtere Endprodukte zu vermahlen, weshalb<br />
sie wenig in Betrieb sei.’**<br />
Die Bremer Reismüller sahen sich durch ihre<br />
Hamburger Konkurrenten verleumdet. Dazu formulierte<br />
<strong>die</strong> Bremer Handelskammer in Abwägung<br />
der Bremer und der Hamburger Argumente:<br />
„[Es] scheint uns hervorzugehen, daß von der<br />
Gegenseite [Lüthke & Co.] in erheblichem<br />
Umfang mit unrichtigen Zahlenangaben operiert<br />
worden, und daß <strong>die</strong> Behauptung, <strong>die</strong><br />
Verarbeitung des sog. Cargoreises sei eine<br />
unmoderne Geschäftsmethode geworden, unzutreffend<br />
ist. [...] Der erhebliche Vorteil der<br />
,e‘ Reisverarbeiter liegt demnach in der Ausnutzung<br />
der billigen Auslandsprodukte gegen<br />
<strong>die</strong> heimische Industrie; er wird aber dadurch,<br />
daß Cargoreisbezieher gleichfalls als Käufer<br />
für den vorgeschälten Reis im Rangoonmarkte<br />
auftreten, ausgeglichen. Daraus ergibt sich<br />
bereits, daß <strong>die</strong> Verarbeitung des Reises der<br />
Pos. e <strong>die</strong> Cargoreismüllerei zwar beschränken,<br />
aber nicht verdrängen kann.“’*’<br />
Durch das Hamburger Geschäftsmodell, <strong>die</strong> Verarbeitung<br />
von bereits in Asien geschältem Reis,<br />
sahen <strong>die</strong> Bremer Müller ihre Existenzgrundlage<br />
bedroht’** und versuchten ihre Position durchzusetzen,<br />
indem sie ein nationales Interesse an<br />
einer prosperierenden deutschen Reisindustrie<br />
zeichneten. Mit Bezichtigungen der Angabe falscher<br />
Zahlen, falscher Interpretationen und vermeintlich<br />
gelogener Argumente sparten weder<br />
<strong>die</strong> Bremer Reisindustriellen noch ihre Opponenten<br />
an der Elbe.<br />
Anträge und Eingaben der hamburgischen<br />
Mühlen<br />
Die Handelskammer Hamburg gab der dortigen<br />
„Deputation für Handel und Schiffahrt“ nach<br />
Rücksprache mit den ansässigen Reismüllern im<br />
März 1907 eine Stellungnahme zum Antrag der<br />
Bremer Mühlen ab. Darin griff sie etliche Aussagen<br />
der Bremer Eingabe scharf an und machte<br />
deutlich, wo <strong>die</strong> Konfliktlinien der Reis- und<br />
Handels AG mit den Hamburger Freihafenmühlen<br />
lagen. Zuallererst wurde verworfen, dass <strong>die</strong><br />
zollausländischen Reismühlen einen Wettbewerbsvorteil<br />
gegenüber den Mühlen im Zollinland<br />
haben. Auch im Freihafengebiet, so <strong>die</strong> Argumentation,<br />
gab es eine große Zahl an Kostennachteilen<br />
für <strong>die</strong> Reisindustrie. Die Grundstücke<br />
konnten nur gepachtet werden und <strong>die</strong> Mühlen<br />
229
waren zur Begleichung der Pacht daher in jedem<br />
Jahr gezwungen, ausreichenden Überschuss zu<br />
erzielen. Darüber hinaus sei der Pachtzins durch<br />
<strong>die</strong> begrenzte Zahl an Grundstücken im Freihafengehiet<br />
deutlich höher, als es ein Kreditzins<br />
für den Kauf eines Firmengrundes außerhalb des<br />
Freihafens gewesen wäre. Zudem gäbe es noch<br />
eine besondere Belastung durch <strong>die</strong> Deklarationsabgabe<br />
bei der Ein- und Ausfuhr in das Freihafengebiet.<br />
Es folgte ein direkter Angriff auf<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG: Der geschäftliche<br />
Abschwung des Bremer Konzerns könne nicht<br />
an der Lage im Zollinland liegen. Schließlich<br />
besaßen <strong>die</strong> Bremer mit der Reismühle Reiherstieg<br />
auch eine Mühle im Hamburger Freihafen,<br />
doch <strong>die</strong>se nahm „keineswegs eine andere Entwicklung“<br />
als <strong>die</strong> zollinländischen Mühlen der<br />
Reis- und Handels AG. Darüber hinaus werde<br />
<strong>die</strong> Freihafenmühle des Konzerns kaum genutzt,<br />
was wohl anders wäre, wenn es im Freihafengebiet<br />
wirklich einen großen Geschäftsvorteil<br />
gäbe.’'*®<br />
Anschließend verwahrten sich <strong>die</strong> Verfasser der<br />
Eingabe dagegen, dass der Import von vorpoliertem<br />
Reis den Niedergang und Qualitätsverlust<br />
der deutschen Reisindustrie bedeute. Die englische<br />
Industrie, besonders in Liverpool, sei niedergegangen,<br />
weil <strong>die</strong> Technik dort veraltet war.<br />
Zudem sei <strong>die</strong> Abhängigkeit von den sieben großen<br />
Verladern in Birma zu groß gewesen und<br />
<strong>die</strong> englische Industrie zuletzt auch einfach in<br />
<strong>die</strong> Erzeugerländer, besonders also nach Birma,<br />
verlagert worden. Außerdem lasse sich, im Widerspruch<br />
zu der Behauptung der Bremer Mühlen,<br />
aus in Asien vorpoliertem Reis in Deutschland<br />
noch ein Verkaufsprodukt bester Qualität<br />
hersteilen.<br />
In den nächsten Punkten der Schrift wurden <strong>die</strong><br />
vorgestellten Strukturen und Schwierigkeiten der<br />
Reis- und Handels AG angegriffen und es kam<br />
zu einer vernichtenden Bewertung der Geschäftspolitik<br />
des Bremer Konzerns. Die fehlende positive<br />
Geschäftsentwicklung, hieß es, lag an der<br />
Überbewertung der Betriebe und an veralteten<br />
Anlagen. Des Weiteren mache <strong>die</strong> Eirma trotz<br />
ihrer Beschwerden durchaus gute Geschäfte,<br />
zahle aber einfach zu hohe Vorstandsgehälter<br />
von jährlich 300.000 Mark, <strong>die</strong> vor Dividenden<br />
und Tantiemen abgingen und somit das Ergebnis<br />
kleiner aussehen ließen. Die beklagte Einfuhr<br />
aus Österreich sei im Übrigen zurückgegangen,<br />
seitdem <strong>die</strong> Reis- und Handels AG ihre Mühle<br />
in Aussig 1905 veräußerte. Also habe letztgenannte<br />
Mühle fatalerweise zur beklagten Belieferung<br />
des deutschen Marktes aus Österreich<br />
beigetragen, und nicht nur <strong>die</strong> dort bessere zollrechtliche<br />
Behandlung der Reisindustrie den<br />
deutschen Müllern das Leben schwer gemacht.<br />
Insgesamt, so das Fazit der Hamburger Handelskammer,<br />
prosperiere <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
durch <strong>die</strong> Freihafenmühlen und deren Schutz läge<br />
somit im nationalen Interesse.<br />
„Angesichts <strong>die</strong>ser Entwicklung erscheint es<br />
zurzeit dringend geboten, von allen Maßnahmen<br />
abzusehen, welche eine Schwächung <strong>die</strong>ser<br />
aufstrebenden Kräfte in dem Wettbewerb<br />
auf dem ausländischen Markte herbeiführen<br />
könnten, da <strong>die</strong> Industrie des Auslandes sofort<br />
derartige Störungen benutzen würde, um <strong>die</strong><br />
von Deutschland kommende Ware wieder von<br />
dem ausländischen Markte zu verdrängen,<br />
und <strong>die</strong> Entwicklung der hiesigen Reismühlenindustrie<br />
für <strong>die</strong> deutsche Schiffahrt einen<br />
nicht unerheblichen Gewinn bedeutet, auch<br />
soweit sich hinfort ausländisches Kapital an<br />
der Reismühlenindustrie beteiligt.“’®^<br />
Die Klagen der Bremer Reismüller gegen <strong>die</strong><br />
im Ereihafen ansässigen Mühle der Hamburg-<br />
Indischen Reiswerke Paul Munckel sowie der<br />
Allgemeinen Reisgesellschaft Ltd. wiesen <strong>die</strong><br />
Hamburger Wirtschafts vertreter folgendermaßen<br />
zurück: Bis zum Frühjahr 1906 gab es ein Abkommen<br />
der europäischen Reismüller mit den<br />
sieben großen Verschiffern in Birma. Alle kontinentalen<br />
Reiskäufer bezogen ihre Ware bei dem<br />
Kartell der Verlader und dafür lieferten <strong>die</strong>se<br />
keinen polierten Reis nach Europa. Die Hamburg-Indischen<br />
Reiswerke standen außerhalb <strong>die</strong>ser<br />
Vereinbarung, denn sie durften laut Vertrag<br />
nicht von den großen Verschiffern in Birma mit<br />
poliertem Reis beliefert werden und bezogen ihn<br />
tatsächlich auch selbstständig auf dem asiati-<br />
230
sehen Markt. Die Reis- und Handels AG ersetzte<br />
1906 das bestehende Abkommen insofern, dass<br />
sie nun aus den eigenen in Birma errichteten<br />
und gepachteten Mühlen Reis bezog und nur<br />
noch <strong>die</strong> darüber hinausgehenden benötigten<br />
Quantitäten von dem Kartell der Verschiffer bezog.<br />
Im Gegenzug erhielt das Kartell das Recht,<br />
eine Mühle in Deutschland zu errichten. Der<br />
Bremer Konzern, so <strong>die</strong> Schlussfolgerung, habe<br />
sich <strong>die</strong> Konkurrenz der Allgemeinen Reisgesellschaft<br />
Ltd. also selber geschaffen.<br />
Um den Wettbewerb der Mühlen im Zollinland<br />
und -ausland nicht noch weiter zu verschärfen,<br />
wurde in der Eingabe dafür plä<strong>die</strong>rt, den Bremer<br />
Anträgen nicht stattzugeben. Denn bei einer Änderung<br />
des Zollregulativs müssten <strong>die</strong> Hamburger<br />
Mühlen auch Niederlassungen außerhalb des<br />
Zollfreigebiets errichten, um von den Vorteilen<br />
des Schälregulativs zu profitieren. Das aber würde<br />
<strong>die</strong> Konkurrenzsituation zuspitzen und <strong>die</strong><br />
Gesamtlage der deutschen Reisindustrie kaum<br />
verbessern.D ie Handelskammer Hamburg bat<br />
daher, „dem Antrag auf Herabsetzung der Ausbeutesätze,<br />
gegen welchen <strong>die</strong> Handelskammer<br />
auch früher aus allgemeinen Gründen stets Einspruch<br />
erhoben hat, nicht stattzugeben“.’®“<br />
Die Diskussion um <strong>die</strong> Veränderung der Ausbeutesätze<br />
des Schälregulativs setzte sich noch<br />
über Jahre fort. 1911/12 führten <strong>die</strong> 1909 im<br />
Hamburger Zollinland errichtete Eirma A. Lüthke<br />
& Co. und <strong>die</strong> Reis- und Handels AG einen<br />
Streit und überzogen sich in Denkschriften mit<br />
Vorwürfen. Interessanterweise wurde dabei nun<br />
nicht mehr <strong>die</strong> unterschiedliche Zollbehandlung<br />
angeführt, da beide Mühlen der gleichen Zollbehandlung<br />
unterlagen. Der Gegensatz zeichnete<br />
sich zwischen dem Bremer Marktführer und der<br />
kleineren, freien und auch erfolgreichen Konkurrenz<br />
ab. Bei der Ablehnung des Antrages der<br />
Reis- und Handels AG erhoben Lüthke & Co.<br />
eine ganze Reihe von Vorwürfen.’®’ Diese lauteten<br />
unter anderem, dass<br />
- das Schälen von Cargoreis ein veraltetes Geschäftsmodell<br />
sei,<br />
- <strong>die</strong> Herabsetzung der Ausbeute den Müllern<br />
von Cargoreis eine Prämie im Vergleich zur<br />
Bearbeitung von bereits vorgeschältem Reis<br />
bringe,<br />
- der Aufschwung der Firma Lüthke & Co. der<br />
Beweis für den generellen Aufschwung des<br />
Reisgeschäfts sei und<br />
- <strong>die</strong> Reis- und Handels AG nur zur Stützung<br />
ihrer Tochtergesellschaft, der Burma Rice &<br />
Trading Co., von <strong>die</strong>ser ihren Cargoreis beziehe,<br />
obwohl <strong>die</strong>se unwirtschaftlich arbeite<br />
und den Reis zu überhöhten Preisen verkaufe,<br />
- <strong>die</strong> Anlagen der Bremer Mühlen veraltet und<br />
deswegen unwirtschaftlich seien,<br />
- <strong>die</strong> Bremer auf Grund einer Überkapitalisierung<br />
Schwierigkeiten hätten,<br />
- <strong>die</strong> Freihafenmühle der Reis- und Handels AG<br />
gar nicht genutzt würde.’®*<br />
Auch nach fünf Jahren Diskussion waren <strong>die</strong><br />
Konflikte nicht kleiner geworden und <strong>die</strong> Angaben<br />
der deutschen Reismüller über <strong>die</strong> grundsätzlichen<br />
Schwierigkeiten des Geschäfts so gegensätzlich,<br />
dass sie der Politik kaum als sachliche<br />
Informationsgrundlagen <strong>die</strong>nen konnten.<br />
Zudem blieb <strong>die</strong> Frage unbeantwortet, ob es eine<br />
Aufgabe der Politik war, <strong>die</strong> Reisindustrie im<br />
internationalen Wettbewerb durch eine Änderung<br />
des Schälregulativs zu unterstützen und ob eine<br />
Reduzierung der Ausbeutesätze wirklich den erhofften<br />
Vorteil für <strong>die</strong> gesamte deutsche Reisindustrie<br />
gebracht hätte.<br />
Politische Positionen im Konflikt über<br />
Veränderungen am Zollregulativ für<br />
Reismühlen und der Zollbehandlung von<br />
Reis in Deutschland<br />
Zuweilen sollte <strong>die</strong> deutsche Politik im Interesse<br />
der Reishändler und -müller nicht nur in<br />
Deutschland, sondern auch in den Absatzländern<br />
politische Entscheidungen revi<strong>die</strong>ren. 1904<br />
schlug, auf amerikanischen Druck hin, eine<br />
Kommission des Kongresses in Kuba eine Erhöhung<br />
des Reiszolls von 1,20 Dollar auf 2,25<br />
Dollar Goldstandard vor. Mehrere Bremer Firmen,<br />
H. Schütte, Gieseken & Co., W. B. Michaelsen<br />
& Co., Kniest & Tiedemann, H. H. Meier<br />
& Co., der NDL und <strong>die</strong> Reis- und Handels AG,<br />
231
aten daher <strong>die</strong> Bremer Senatskommission, beim<br />
Auswärtigen Amt vorstellig zu werden. Die<br />
Reichsregierung sollte auf eine Beibehaltung des<br />
momentanen Reiszolls hinwirken. Die Bremer<br />
befürchteten, dass bei einer Zollerhöhung der<br />
deutsche Export dorthin völlig zum Erliegen<br />
kommen würde. Die Exporte von Bremen nach<br />
Kuba und Puerto Rico hatten 1902 fast 19.000<br />
Tonnen, 1903 über 10.000 Tonnen und 1904 immerhin<br />
noch 6.600 Tonnen betragen. Die Vereinigten<br />
Staaten genossen in Kuba bereits bei der<br />
Einfuhr von Reis eine Zollbegünstigung von 40<br />
Prozent gegenüber allen anderen Nationen. Dies<br />
allein führte dazu, dass der europäische Import<br />
zurückgedrängt wurde. Bei einer Zollerhöhung<br />
wurde eine Verstärkung <strong>die</strong>ser Tendenz befürchtet.<br />
„Durch den Ausfall des Exports von Reis<br />
würden <strong>die</strong> hiesigen Verschiffer, Reismühlen und<br />
Rheder hart betroffen werden, deren Geschäfte<br />
nach Cuba durch eine solche Massregel fast vollständig<br />
gelähmt würden.Am 24. August 1905<br />
konnte <strong>die</strong> Reis- und Handels AG schließlich erfreut<br />
an <strong>die</strong> Handelskammer melden, dass ihr<br />
per Depesche eine Ablehnung der kubanischen<br />
Zollpläne berichtet wurde. Der Kongress hatte<br />
den Plänen zur Zollerhöhung zwar zugestimmt,<br />
der Senat Kubas jedoch abgelehnt. Als politischer<br />
Erfolg deutscher Außenwirtschaftspolitik<br />
darf <strong>die</strong>s jedoch nicht gewertet werden. Denn<br />
<strong>die</strong> amerikanische Reisindustrie hätte <strong>die</strong> kubanische<br />
Nachfrage vermutlich nicht vollständig<br />
be<strong>die</strong>nen können und eine Zollerhöhung hätte<br />
somit höhere Lebensmittelpreise in Kuba verursacht,<br />
was nicht gewollt wurde.’®*<br />
Deutlich mehr Dynamik zeigten <strong>die</strong> innerdeutschen<br />
Debatten um <strong>die</strong> Lage der deutschen Reisindustrie.<br />
Politikern und politischen Gremien<br />
fiel es schwer, sich ein Bild von der tatsächlichen<br />
Lage der Reisindustrie zu verschaffen. Zu unterschiedlich<br />
waren <strong>die</strong> Forderungen der Reismüller<br />
aus Bremen und aus Hamburg. Bereits<br />
1901 meldete der Hamburger Senat nach Berlin,<br />
dass der Schälverlust für <strong>die</strong> Position b <strong>die</strong> festgesetzten<br />
18 Prozent Mahlverlust bei der Verarbeitung<br />
gar nicht erreichte. In drei Hamburger<br />
Mühlen wurden nur 17,78 Prozent, 16,22 Prozent<br />
und 15,81 Prozent Verlust festgestellt. Allein <strong>die</strong><br />
Norddeutsche Reismühle m.b.H. konnte so über<br />
5.500 Tonnen unverzollten Reis verkaufen. Ei- ^<br />
nen wirklichen Wissensstand gab es deswegen<br />
aber noch lange nicht. Als 1906 der Antrag der<br />
Bremer Mühlen auf neue Ausbeutesätze in Berlin<br />
eintraf, galt es erst einmal zu klären, was unter<br />
poliertem Reis denn überhaupt zu verstehen war.<br />
Dazu hieß es im amtlichen Warenverzeichnis .<br />
1906, das am 1. März desselben Jahres in Kraft ^<br />
trat:<br />
„Der Begriff unpolierter Reis umfaßt den ^<br />
noch in der Strohhülse befindlichen Reis, fer- j<br />
ner den lediglich von der Strohhülse befreiten —<br />
Reis, sowie Gemische aus unenthülstem und<br />
bloß enthülsten Reis, als polierter Reis gilt<br />
dagegen jeder Reis, welcher nach der Enthülsung<br />
durch weitere Bearbeitung ganz oder<br />
teilweise von der inneren Haut (der sogenannten<br />
Silberhaut) befreit worden ist.“*® :<br />
Nach <strong>die</strong>ser Klärung standen <strong>die</strong> Verantwort- -<br />
liehen, also <strong>die</strong> Senatskommissionen der Han- ;<br />
sestädte, das Innenministerium unter dem j<br />
Reichskanzler und <strong>die</strong> beteiligten Ausschüsse ¿<br />
des Bundesrats in Berlin noch immer vor der<br />
Herausforderung, dass sie reine Behauptungen ><br />
und Fakten in den Anträgen und Gegenanträgen ^<br />
der Reismüller unterscheiden mussten. Zur Klärung<br />
einzelner Aussagen ließen sie sich daher<br />
beraten. Die Hamburger Senatskommission für<br />
Zollwesen fragte bezüglich der finanziellen Be- ,<br />
lastung der zollinländischen Mühlen im Gene- —<br />
ralzolldirektorat nach und erhielt folgende Be- “<br />
Wertung:<br />
„Im Übrigen erweckt <strong>die</strong> Prüfung der Eingabe<br />
den Eindruck, als ob hauptsächlich <strong>die</strong> ursprüngliche<br />
Investition und <strong>die</strong> geschäftliche ;<br />
Leitung dazu beigetragen haben, einen Teil ■<br />
der am Reisgeschäft beteiligten Firmen dadurch<br />
in eine schwierige Lage zu bringen,<br />
dass es ihnen nicht gelungen ist, ihre Organisation<br />
den geltenden Verhältnissen und Vor-<br />
j<br />
seits das Hamburger Geschäft offenbar ver- 4<br />
Schriften anzupassen. Wenigstens darf <strong>die</strong>s ’<br />
daraus geschlossen werden, dass es anderer- 1<br />
standen hat, der ausländischen Konkurrenz<br />
j<br />
232
im Freihafen selbst <strong>die</strong> Spitze zu bieten. Unter<br />
<strong>die</strong>sen Umständen ist vom Standpunkt der<br />
Zollverwaltung gar kein Anlass geboten, zu<br />
Gunsten eines Teils durch Änderung der Zollvorschriften<br />
einzugreifen, besonders deshalb<br />
nicht, weil, wie in der Eingabe selbst anerkannt<br />
wird, <strong>die</strong>se gewissermassen nur durch<br />
eine Prämie aus allgemeinem Reichsfond<br />
möglich wäre, während nicht einmal feststeht,<br />
dass dadurch im allseitigen Interesse wenigstens<br />
<strong>die</strong> ausländische Konkurrenz zurückgedrängt<br />
würde.<br />
Dieses externe Urteil nahm dem Argument der<br />
Reis- und Handels AG, auf Grund der hohen<br />
Kosten im Zollverfahren wirtschaftlich benachteiligt<br />
zu sein, jede Grundlage. Vielmehr wurde<br />
eine schlechte Organisation der internen Betriebsabläufe<br />
dafür verantwortlich gemacht, dass<br />
<strong>die</strong> Mühlen sich mit der Verarbeitung unter Zollaufsicht<br />
schwertaten. Darüber hinaus wird <strong>die</strong><br />
gesamte Argumentation, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Sicherung<br />
der Stellung im internationalen Wettbewerb abzielte,<br />
ausgehebelt. Die Generalzolldirektion sah<br />
keinen direkten Zusammenhang zwischen dem<br />
aufwändigen deutschen Zollverfahren und der<br />
Stellung der Reisindustrie im internationalen<br />
Wettbewerb.<br />
Etwa fünf Jahre nach dem Bremer Antrag auf<br />
eine Veränderung der Ausbeutesätze, Ende Oktober<br />
1911, sah sich der Reichskanzler so gut<br />
informiert, dass er den Bundesratsausschüssen<br />
für Zoll- und Steuerwesen sowie für Handel und<br />
Verkehr <strong>die</strong> Annahme eines Kompromissvorschlags<br />
antrug. Die Position b sollte auf 74 Prozent,<br />
<strong>die</strong> Position c auf 80 Prozent gesenkt werden.<br />
Zugleich sollte ein Spelzenmahlverbot in<br />
Kraft treten, damit durch <strong>die</strong> große Menge an<br />
Schälabfall und deren Verarbeitung kein Futtermittel<br />
schlechterer Qualität auf den Markt komme.<br />
Der Beschlussvorschlag des Reichskanzlers<br />
formulierte einen erwarteten Verlust von 600.000<br />
Mark an Zolleinnahmen zu Gunsten der Reisund<br />
Handels AG.*“ Diese Beschlussvorlage<br />
brachte umgehend Kritik hervor, und <strong>die</strong> Hamburger<br />
Handelskammer forderte noch im November<br />
den Senat auf, den Bundesratsbeschluss<br />
aufzuschieben. Dabei rechnete <strong>die</strong> Kammer vor,<br />
dass sich dem Bremer Konzern für 1911 ein Vorteil<br />
von 364.800 Mark ergeben hätte und je Doppelzentner<br />
der von den Bremern oft verarbeiteten<br />
Position b ein Preisvorteil von 32 Pfennigen ergebe.*“<br />
Damit war eine Entscheidung wiederum aufgeschoben.<br />
Im März 1913 setzte das Reichsschatzamt<br />
fest, dass zur Юärung der widersprüchlichen<br />
Auffassungen in Bremen und Hamburg „eine<br />
amtlich geleitete Anhörung“ stattfmden sollte.<br />
Diese Anhörung sollte <strong>die</strong> im Raum stehenden<br />
Vorwürfe und Argumente erhellen und als Entscheidungsgrundlage<br />
<strong>die</strong>nen.*“ An <strong>die</strong>ser Stelle<br />
enden <strong>die</strong> Akten über <strong>die</strong> Gegensätze der deutschen<br />
Reismüller. Zu einer Entscheidung ist es<br />
vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs nicht<br />
mehr gekommen. Es blieb nur noch ein Jahr, <strong>bis</strong><br />
<strong>die</strong> Reisimporte aus Asien kriegsbedingt abbrachen.<br />
Keine politische Entscheidung und Veränderung<br />
des Zollregulativs hätte in <strong>die</strong>ser kurzen<br />
Zeit von nur einer Reissaison den Wettbewerb<br />
zwischen den beiden großen Standorten<br />
der deutschen Reisindustrie sowie <strong>die</strong> Konkurrenz<br />
der deutschen Reisindustrie mit den europäischen<br />
Wettbewerbern nachhaltig verändert.<br />
4. Reisanbau als deutsche Kolonialaufgabe<br />
Im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert<br />
gab es einen Zusammenhang zwischen dem<br />
staatlichen Imperialismus und der globalen Reiswirtschaft.<br />
In fast allen deutschen Kolonialgebieten<br />
gab es staatliche oder private Versuche,<br />
Reis anzubauen. Die ältesten Anbauversuche in<br />
der Kolonie Togo sind im Zusammenhang mit<br />
der Nordwestdeutschen Gewerbeschau in Bremen<br />
1890 bereits angesprochen worden. Ein Büschel<br />
Reis von dort gelangte nach Bremen und<br />
sollte durch Andreas Rickmers hinsichtlich der<br />
Qualität bewertet werden. Dieser kam jedoch zu<br />
keinem Ergebnis, da <strong>die</strong> Reisprobe zu klein war,<br />
um ein valides Urteil abgeben zu können. Über<br />
staatlich veranlasste oder beaufsichtigte Reisanpflanzungen<br />
in Togo gibt es keine Erkenntnisse.<br />
Dennoch muss es dort Reisbau für den Eigen-<br />
233
1<br />
verzehr durch <strong>die</strong> indigene Bevölkerung gegeben<br />
haben. Denn im Januar 1890 berichtete der Afrikakaufmann<br />
Friedrich Karl Victor in einem Brief<br />
davon, dass Reis „an der Küste des Togo-Gebiets<br />
von den Eingeborenen gepflanzt und geerntet<br />
wird“. Darüber hinaus wachse der Reis dort sogar<br />
ohne künstliche Bewässerung.**“<br />
In Kamerun gab es mehrere Anläufe, eine Reiswirtschaft<br />
zu begründen. 1891 war eine landwirtschaftliche<br />
Versuchsanstalt gegründet worden,<br />
<strong>die</strong> sich auch mit Reispflanzungen befasste.<br />
1903 erbat das Kaiserliche Gouvernement für<br />
Kamerun von der Kolonialabteilung des Auswärtigen<br />
Amts Reis für Versuchszwecke. In Berlin<br />
wurde der botanische Garten für <strong>die</strong> landwirtschaftliche<br />
Expertise miteinbezogen. Dieser<br />
sorgte dafür, dass Reis aus Java Anfang 1904<br />
nach Kamerun geschickt wurde. Schließlich<br />
brachte der für <strong>die</strong> afrikanische Versuchsanstalt<br />
neu eingestellte Botaniker Hubert Winkler drei<br />
Kisten Saatreis mit nach Kamerun, <strong>die</strong> im April<br />
ausgesät werden sollten. Doch den Versuchen,<br />
Reis anzubauen, war vorerst kein Erfolg beschieden.<br />
1909 wurde ein neuer Anlauf unternommen,<br />
Reis als Nutzpflanze in Kamerun einzuführen.<br />
Nach einer erneuten Anforderung von Saatreis<br />
aus Singapur oder Rangun, <strong>die</strong>smal ging es um<br />
100 Kilogramm, wurden 1910 Reisfelder durch<br />
<strong>die</strong> Versuchsanstalt für Landkultur in Victoria,<br />
dem heutigen Limbe, angelegt.*“<br />
Im Mai 1913 meldete das Kaiserliche Gouvernement<br />
für Kamerun an das Reichskolonialamt,<br />
dass <strong>die</strong> Bemühungen, Reis anzubauen, endgültig<br />
gescheitert waren: Versuche, im Inneren der<br />
Kolonie Trockenreis anzubauen, um beim<br />
Marsch durch unbewohnte Strecken „eine haltbare<br />
und ausreichende Verpflegung zu haben<br />
[...] sind als gescheitert zu betrachten“. Des Weiteren<br />
wurde in <strong>die</strong>sem Brief eine Reihe von<br />
Gründen genannt, warum Reis nicht wirtschaftlich<br />
lohnend in Kamerun angebaut werden konnte.<br />
Es fehlte an handbetriebenen Reisschälmühlen<br />
und eine Industriemühle rentierte sich nicht,<br />
weil <strong>die</strong> Anbauflächen nicht groß genug waren.<br />
Darüber hinaus war <strong>die</strong> Notwendigkeit des Reisanbaus<br />
nicht mehr gegeben, weil <strong>die</strong> Stationsbesatzungen<br />
durch <strong>die</strong> einheimische Bevölkerung<br />
versorgt wurden. Außerdem war der arbeitsintensive<br />
Anbau von Wasserreis nicht möglich,<br />
weil dafür <strong>die</strong> Bevölkerungszahl zu niedrig<br />
war. Ausdrücklich dafür müssten Arbeiter aus<br />
In<strong>die</strong>n oder Asien nach Afrika gebracht werden,<br />
was eine Reihe von Problemen mit sich geführt<br />
hätte. Außerdem wären <strong>die</strong> Kosten für Bewässerungsanlagen<br />
sehr hoch gewesen. Zudem betrachtete<br />
<strong>die</strong> indigene Bevölkerung <strong>die</strong> Arbeit in<br />
Reisfeldern als Zwangsarbeit und müsste ständig<br />
überwacht werden. Daher sollte zukünftig nur<br />
der Anbau von Tabak, Kakao und Ölpalmen vorangetrieben,<br />
der Reisanbau jedoch eingestellt<br />
werden.*®’'<br />
Der Deutsche Reichsanzeiger vom 16. Januar<br />
<strong>1914</strong> meldete, dass in Hamburg <strong>die</strong> Ulanga Reis-<br />
& Handels-Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
gegründet worden war. Der Ulanga war ein<br />
Fluss im Hinterland von Deutsch-Ostafrika und<br />
bezeichnete dort später auch einen Verwaltungsbezirk.<br />
Der Gesellschaftsvertrag vom 3. Januar<br />
sah ein Stammkapital von 120.000 Mark vor.<br />
Gesellschafter waren der Hamburger Kaufmann<br />
Alfred Christian Stärken und der Hauptmann<br />
a.D. Karl Ludwig Klinghardt.*®* Alfred Stärken<br />
hat vermutlich zu der Hamburger Firma und<br />
Traun, Stärken & Co. gehört, <strong>die</strong> in Deutsch-<br />
Ostafrika nach der Jahrhundertwende eine Kautschukplantage<br />
betrieb. Karl Klinghardt war ehemaliger<br />
Kolonialsoldat in Deutsch-Ostafrika, der<br />
wohl einschlägige Landeskenntnisse hatte. Die<br />
Pläne der neuen Gesellschaft gingen indessen<br />
nicht auf. Auf Grund des Ersten Weltkriegs konnte<br />
keine Probe mehr unternommen werden, ob<br />
sich in Deutsch-Ostafrika erfolgreich Reis handeln<br />
und vermahlen ließ.<br />
Der Industrie in Deutschland blieb es nicht verborgen,<br />
dass immer wieder Überlegungen und<br />
Versuche angestellt wurden, in deutschen Kolonien<br />
Reisindustrien anzusiedeln. So erreichte<br />
1913 ein Brief der Eisenwerk (vorm. Nagel &<br />
Kaemp) AG <strong>die</strong> Handelskammer Bremen, in<br />
dem <strong>die</strong> Hamburger Maschinenfabrik ihre Reismühlen<br />
für den Einsatz in den deutschen Kolonien<br />
anpries:
„In der Annahme, dass Sie fuer <strong>die</strong> weitere<br />
Ausdehnung des Reisbaues in den deutschen<br />
Kolonien ein Interesse haben, erlauben wir<br />
uns, Ihnen beifolgend unseren neuesten Katalog<br />
ueber Maschinen fuer <strong>die</strong> Schaelindustrie<br />
zur gefaelligen Be<strong>die</strong>nung ergebenst zu<br />
ueberreichen und bemerken dazu, dass wir<br />
<strong>die</strong> älteste [!] Spezialfabrik fuer Reismühlen<br />
[!] sind. Unsere vielfach patentierten Spezialmaschinen<br />
und vollstaendigen Anlagen haben<br />
ueber <strong>die</strong> ganze Erde Verbreitung gefunden<br />
und sich durchaus bewaehrt.“*“®<br />
Um Auskunft gebeten, attestierte <strong>die</strong> Reis- und<br />
Handels AG der Maschinenfabrik einen tadellosen<br />
Ruf: „Zu der Firma Eisenwerk (vorm. Nagel<br />
& Kamp) A.G. möchten wir bemerken, dass <strong>die</strong>selbe<br />
unsere Hauptmühle in Birma zu unserer<br />
vollen Zufriedenheit gebaut hat und dass deren<br />
Maschinen den Reismühlen in Birma wohl bekannt<br />
sind.“*“' Das Werben des Hamburger Unternehmens<br />
führte gleichwohl nicht zu einer weiteren<br />
positiven Entwicklung der Geschichte des<br />
<strong>Reishandel</strong>s in den Kolonien.<br />
In Deutsch-Neuguinea wurde ebenso wie in der<br />
Kolonie Togo überlegt, Reis staatlich anzubauen.<br />
Dazu erkundigte sich das Kaiserlich Deutsche<br />
Konsulat für Südaustralien beim Residenten der<br />
Northern Territories in Australien, ob der Anbau<br />
von Bergreis möglich sei. Offenbar war <strong>die</strong> Antwort<br />
negativ, denn das Konsulat schrieb nach<br />
Berlin, dass der Anbau von Bergreis nicht verlangt<br />
werden könne.*" 1913 gab es dennoch das<br />
Ansinnen, in Deutsch-Neuguinea Reisfelder privat<br />
anzulegen. Die „Katholische Mission vom<br />
Heiligen Geiste“ bat um Unterstützung. Die<br />
kirchliche Mission plante Maschinen zur Reisbearbeitung<br />
aus Amerika für 22.000 Mark und<br />
eine Reismühle aus Deutschland für 13.000<br />
Mark zu erwerben. Für ein Reisfeld von 400<br />
Hektar, also vier Quadratkilometern, erbat <strong>die</strong><br />
Missionsgesellschaft 6.000 Mark je 100 Hektar,<br />
insgesamt also 24.000 Mark. Die Kolonialverwaltung<br />
von Deutsch-Neuguinea befürwortete<br />
<strong>die</strong> Anfrage und schlug dem Kolonialamt in Berlin<br />
Ende 1913 vor, dem Gesuch stattzugeben<br />
und für 1915 eine erste Rate von 6.000 Mark zu<br />
zahlen. Das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee<br />
in Berlin bekundete im Januar <strong>1914</strong> zwar lebhaftes<br />
Interesse, lehnte eine Unterstützung aber<br />
ab, weil schon aUe Mittel nach Deutsch-Ostafrika<br />
vergeben worden seien. Unterstützung erhielt<br />
das Projekt trotzdem, denn im März <strong>1914</strong> erklärte<br />
<strong>die</strong> „Wohlfahrtslotterie zu Zwecken der<br />
Deutschen Schutzgebiete“ dem Reichs-Kolonialamt,<br />
dass es 6.000 Mark als Beihilfe für den<br />
Missionsorden zur Verfügung stellt.*'^ Auch hier<br />
konnten <strong>die</strong> Pläne auf Grund des Kriegsausbruchs<br />
nicht mehr umgesetzt werden. Deutsch-<br />
Neuguinea wurde nach Kriegsausbruch umgehend<br />
von australischen beziehungsweise von japanischen<br />
Truppen besetzt. Die benötigten Mittel<br />
konnten <strong>die</strong> Kolonie nicht mehr erreichen und<br />
eine Reiswirtschaft nicht mehr aufgebaut werden.<br />
5. Fazit<br />
Um 1900 veränderte sich der globale Reismarkt.<br />
Die europäischen Firmen, <strong>die</strong> Großmühlen in<br />
den asiatischen Häfen betrieben, Reis nach<br />
Europa verschifften und ihn von dort nach einer<br />
weiteren Vermahlung auf <strong>die</strong> weltweiten Abnehmermärkte<br />
brachten, waren nicht mehr <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Akteure des Marktes. Die Infrastruktur<br />
in Birma und Siam war immer weiter ausgebaut<br />
worden, so dass es keine Lücke mehr zwischen<br />
den Anbaugebieten und den Häfen als Knotenpunkte<br />
des weltweiten Handels gab. Darüber hinaus<br />
war <strong>die</strong> technische Entwicklung der Reisindustrie<br />
in Asien so weit fortgeschritten, dass<br />
nun auch vor Ort jede gewünschte Qualität für<br />
<strong>die</strong> Endkunden, egal, ob in Asien, Europa oder<br />
Amerika, produziert werden konnte. Eine große<br />
Zahl kleinerer Reismühlen wurde in Birma gegründet<br />
und von Birmanen, Indem und Chinesen<br />
betrieben. Zeitgleich stieg der Export von Reis<br />
aus Birma und Siam in andere asiatische Länder<br />
deutlich an, während <strong>die</strong> Exportmengen nach<br />
Europa ab 1900 stagnierten. Deutschland, das<br />
<strong>die</strong> größte Reisindustrie Europas hatte, verlor<br />
als Verarbeitungsstandort an Bedeutung.<br />
Die deutschen Reismüller reagierten auf <strong>die</strong>se<br />
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Entwicklung, indem sie sich unter der Führung<br />
von Andreas Rickmers zusammenschlossen und<br />
ihre Mühlen in <strong>die</strong> 1901 gegründete Reis- und<br />
Handels AG einbrachten. Mit der Bündelung aller<br />
Interessen in einem Konzern sollten <strong>die</strong> Herausforderungen<br />
des veränderten Weltmarkts bewältigt<br />
werden. Bis <strong>1914</strong> nahm der Bremer Reiskonzem<br />
eine wechselhafte Entwicklung. Etliche<br />
Produktionsstandorte wurden geschlossen, um<br />
Überkapazitäten abzubauen, und 1905 <strong>die</strong> Beteiligungen<br />
an Reismühlen in Österreich-Ungarn<br />
verkauft. Einzelne Betriebe wurden aber auch<br />
modernisiert und vergrößert. 1906 löste sich <strong>die</strong><br />
Reis- und Handels AG aus der Abhängigkeit von<br />
den englischen Reisverschiffern in Birma, von<br />
denen alle europäischen Mühlen <strong>bis</strong> dahin ihre<br />
Ware bezogen hatten, indem sie eine eigene<br />
Mühle in Rangun pachtete. Kurz darauf übernahm<br />
der deutsche Reiskonzern <strong>die</strong> deutsch-englische<br />
Firma Krüger & Co. und betrieb somit<br />
auf einen Schlag acht Reismühlen in Birma. Um<br />
am Reisgeschäft weiterhin zu partizipieren, und<br />
um <strong>die</strong> eigene Marktposition im härter umkämpften<br />
asiatischen <strong>Reishandel</strong> behaupten zu<br />
können, folgte <strong>die</strong> Reis- und Handels AG den<br />
globalen Marktverschiebungen. Der Preis dafür<br />
war, dass <strong>die</strong> englischen Verschiffer nun ihrerseits<br />
eine Mühle auf dem deutschen Markt betrieben<br />
und <strong>die</strong> Konkurrenz innerhalb Deutschlands<br />
größer wurde.<br />
Die Reis- und Handels AG nahm auch wegen<br />
ihrer inneren Strukturen eine wechselhafte Entwicklung.<br />
Bis zu seinem Geschäftsaustritt 1910<br />
war Andreas Rickmers <strong>die</strong> unangefochtene Führungsperson<br />
des Konzerns. Die durch das deutsche<br />
Aktienrecht vorgesehenen Kontrollfunktionen<br />
des Aufsichtsrats wurden nicht wahrgenommen,<br />
was eine fatale Wirkung zeigte. Andreas<br />
Rickmers führte neben dem Reiskonzern auch<br />
<strong>die</strong> Rickmers AG, <strong>die</strong> außerdem der größte Aktionär<br />
der Reis- und Handels AG war. Zwischen<br />
beiden Firmen initiierte Andreas Rickmers Verträge,<br />
<strong>die</strong> der Rickmers AG den Erhalt ihrer<br />
Werft und <strong>die</strong> Bereederung ihrer Flotte auf Kosten<br />
der Reis- und Handels AG sicherten. Sieben<br />
Jahren lang flössen hohe Summen an <strong>die</strong> Rickmers<br />
AG und trieben den Reiskonzern beinahe<br />
in <strong>die</strong> Insolvenz. Robert und Paul Rickmers<br />
konnten einen Bankrott verhindern, ihr Onkel<br />
Andreas musste jedoch aus dem Reiskonzern<br />
und aus der Rickmers AG ausscheiden.<br />
Die Reis- und Handels AG versuchte über viele<br />
Jahre, <strong>die</strong> deutsche Zollpolitik zu beeinflussen.<br />
Das Schälregulativ für Reismühlen sollte verändert<br />
werden. Da der bei der Verarbeitung entstehende<br />
Verlust nicht verzollt werden musste, zielten<br />
<strong>die</strong> Bremer Reismüller darauf ab, höhere<br />
Verlustsätze anerkannt zu bekommen. Doch <strong>die</strong><br />
in Hamburg arbeitenden Reismühlen, <strong>die</strong> nicht<br />
zur Reis- und Handels AG gehörten, bemühten<br />
sich nach Kräften, <strong>die</strong>s zu verhindern. So entspann<br />
sich eine lebhafte Debatte zwischen den<br />
Hamburger und Bremer Firmen mit den Handelskammern,<br />
den Senatsdeputationen in Hamburg<br />
und Bremen sowie den gesetzgebenden Organen<br />
in Berlin, was das Beste für <strong>die</strong> deutsche<br />
Reisindustrie sei. Bis <strong>1914</strong> führten <strong>die</strong> Diskussionen<br />
zu keinen Ergebnissen.<br />
Der Zusammenschluss der meisten deutschen<br />
Reismühlen in einem Konzern zeigte <strong>bis</strong> <strong>1914</strong><br />
ein ambivalentes Ergebnis. Einerseits gelang es,<br />
auch im 20. Jahrhundert weiterhin eine wichtige<br />
Stellung auf dem internationalen Reismarkt zu<br />
behaupten. In Asien wurden Betriebe gebaut und<br />
gepachtet und im nun wichtigsten Gebiet des<br />
weltweiten Reismarktes konnten <strong>die</strong> deutschen<br />
Reismüller Fuß fassen. Dem gegenüber stehen<br />
aber andererseits zwei Reduzierungen des<br />
Stammkapitals und ein Wertverlust des Unternehmens<br />
von 30 auf 15 Millionen Mark. Für <strong>die</strong><br />
als Aufsichtsräte eingesetzten Großaktionäre war<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG eine Versorgungseinrichtung,<br />
<strong>die</strong> neben den Dividenden - <strong>die</strong> sich<br />
von 1901 <strong>bis</strong> <strong>1914</strong> immerhin auf 9.475.000 Mark<br />
summierten - regelmäßige Vorstandsgehälter garantierte,<br />
ohne dass dafür wirklich Arbeit geleistet<br />
wurde. Dies änderte sich erst mit dem Ausscheiden<br />
von Andreas Rickmers 1910. Ob sich<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG langfristig auf dem<br />
Weltmarkt, im europäischen Wettbewerb und<br />
auch gegen <strong>die</strong> neu entstehende deutsche Konkurrenz<br />
hätte halten können, kann nur spekuliert
werden, da der Ausbruch des Ersten Weltkriegs<br />
<strong>die</strong> deutsche Reisindustrie vollständig lähmte.<br />
237
Kapitel VI<br />
Die deutsche Reisindustrie im 20. Jahrhundert<br />
(nach <strong>1914</strong>)<br />
1. Die deutsche Reisindustrie während des<br />
Ersten Weltkriegs<br />
Die Reis- und Handels AG verliert ihre<br />
Mühlen in Asien und Europa<br />
Deutsche Finnen mit Niederlassungen in Territorien<br />
der deutschen Kriegsgegner waren während<br />
des Krieges der Gefahr ausgesetzt, liqui<strong>die</strong>rt<br />
zu werden. Ein Beispiel dafür ist <strong>die</strong> Geschichte<br />
der von Bremern geführten Firma Schröder,<br />
Smidt & Co. Limited in Kalkutta. Das Gesellschaftsvermögen<br />
in In<strong>die</strong>n fiel mit Kriegsausbruch<br />
unter Aufsicht des „Liquidator of hostile<br />
firms, Bengal in Calcutta“. Bis 1929 zog sich<br />
<strong>die</strong> Löschung des Unternehmens hin. Vermögenswerte<br />
in In<strong>die</strong>n bestanden nach dem Krieg<br />
nicht mehr und frühere Vermögenswerte der Firma<br />
in Deutschland waren dafür verwendet worden,<br />
deutsche und neutrale Gläubigeransprüche<br />
zu erfüllen.*'^<br />
Ein solches Schicksal wollte <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG mit ihren erheblichen Werten in Birma<br />
unbedingt verhindern, wie der Geschäftsbericht<br />
des Jahres 1915 darlegt:<br />
„Die gegen einen Teil unserer Reisladungen<br />
von den Abladern gezogen auf <strong>die</strong> Burma<br />
Rice & Trading Company, Limited, London,<br />
unter unserer Garantie gezogenen, recht erheblichen<br />
Wechselbeträge waren wir zwecks<br />
Erhaltung unserer Tochtergesellschaft genötigt,<br />
vor Ablauf des englischen Moratoriums<br />
abzudecken. Wir erhielten <strong>die</strong> erforderliche<br />
Erlaubnis der Regierung zur Zahlung, doch<br />
war <strong>die</strong> Abdeckung infolge der uns gestellten<br />
kurzen Frist mit sehr erheblichem Kursagio<br />
verbunden. Seitdem sind Nachrichten eingelaufen,<br />
daß <strong>die</strong> Existenz deutscher Unternehmungen<br />
im feindlichen Auslande durch<br />
zwangsweise Liquidation in Frage gestellt ist.<br />
Nach den letzten uns gewordenen Mitteilungen<br />
glauben wir, uns in <strong>die</strong>ser Hinsicht jedoch<br />
beruhigt fühlen zu können, indem unsere<br />
Tochtergesellschaft nur unter Zwangsverwaltung<br />
genommen ist, und deren Mühlen in Burma<br />
an eine indische Firma verpachtet sind.“*''*<br />
Die Burma Rice & Trading Co. schuldete englischen<br />
Banken bei Kriegsausbruch ca. 320.000<br />
Pfund für unbezahlte Reisladungen. Bürgschaft<br />
dafür hatte nicht <strong>die</strong> Londoner Zentrale der Burma<br />
Rice & Trading Co., sondern deren Bremer<br />
Mutterkonzem geleistet. In Absprache mit der<br />
Reichsregierung wurde das Geld nach London<br />
transferiert, um den Konkurs des Unternehmens<br />
oder <strong>die</strong> zwangsweise Löschung zu verhindern.<br />
Die Burma Rice & Trading Co. war eine Gesellschaft<br />
nach englischem Recht und <strong>die</strong> deutschen<br />
Aktienbesitzer, <strong>die</strong> Reis- und Handels AG,<br />
hofften, das Unternehmen unbehelligt erhalten<br />
zu können. Dennoch nahm man in Bremen 1915<br />
Abschreibungen in Höhe von über 3,5 Millionen<br />
Mark auf <strong>die</strong> ausländischen Beteiligungen vor.<br />
Zum Vergleich: 1912 wurden alle ausländischen<br />
Beteiligungen des Bremer Reiskonzerns, <strong>die</strong><br />
Mühle in Rumänien sowie <strong>die</strong> asiatischen Mühlen<br />
in Birma und Siam, mit knapp über 6 Millionen<br />
Mark bewertet.**^<br />
Trotz der zuvor ausgedrückten Hoffnung waren<br />
<strong>die</strong> Abschreibungen auf <strong>die</strong> Ausländsbeteiligungen<br />
der Reis- und Handels AG angemessen. Eine<br />
ausführliche Bewertung der Frage, was mit den<br />
deutschen Mühlen während des Krieges passierte,<br />
schickte Heinrich Huchting®'®, Leiter der Burma<br />
Rice & Trading Co. in Rangun, im Sommer<br />
1915 nach Bremen. Huchting war Kaiserlich<br />
<strong>Deutscher</strong> Konsulatsverweser in Birma und meldete<br />
sich aus Maymyo in Upper Burma, wo er<br />
als Kriegsgefangener mit Haftmilderungen interniert<br />
war. Demnach wurden in Birma eine<br />
Menge Artikel veröffentlicht, <strong>die</strong> dafür agitierten,<br />
238
<strong>die</strong> Burma Rice & Trading Co. als deutsche Firma<br />
zu zerschlagen.<br />
“I hope that private property will not be attached<br />
by the Government and that our properties<br />
will be handed back to us in good condition<br />
when the war is over. - [ ...]<br />
There can be no doubt that these letters are<br />
written with a view to favor [!] the interests<br />
of a small community that has suffered from<br />
a keen competition in the trade of India and<br />
Burma. - They now see a chance of getting<br />
rid of this unpleasant competition and they<br />
are trying hard to convince the Authorities of<br />
the absolute necessity to put the whole trade<br />
into the hands of British firms. - [ ...]<br />
If we get back our properties and our founds<br />
at the end of the war we shall, in my opinion<br />
at least, have very little to complain about.”*'^<br />
Ein Spruch des Obersten Gerichtshofes in Rangun<br />
hatte dennoch bestätigt, dass <strong>die</strong> Burma Rice<br />
& Trading Co. als englische Firma galt, obwohl<br />
das gesamte Aktienkapital in deutscher Hand<br />
war und der größte Teil der Belegschaft Deutsche<br />
waren. Damit war der Schutz und Bestand der<br />
Firma aber noch nicht abschließend gesichert.<br />
Im Juli 1916 gab <strong>die</strong> Reis- und Handels AG der<br />
Handelskammer Bremen in einem umfangreichen<br />
Schreiben Auskunft, wie es der Burma Rice<br />
& Trading Co. seit Kriegsausbruch ergangen<br />
war. Demzufolge hatte <strong>die</strong> Burma Rice & Trading<br />
Co. <strong>1914</strong> einen Wert von 9 Millionen Mark.<br />
Der Vorstand bestand aus sechs Deutschen und<br />
zwei Engländern. Der offizielle Hauptsitz war<br />
in London, wo fünf Deutsche arbeiteten, in Birma<br />
bestand das Personal aus 24 Deutschen, fünf<br />
Engländern und einem Niederländer. Das Personal<br />
aus Birma wurde nach Kriegsausbruch in<br />
dem Lager Ahmednagar im Bezirk Bombay im<br />
Westen In<strong>die</strong>ns interniert. Die Mitarbeiter in<br />
London blieben <strong>bis</strong> April 1915 frei. Alle deutschen<br />
Direktoren wurden im September <strong>1914</strong><br />
ihres Amtes enthoben und durch Engländer ersetzt.<br />
In London wählte man dafür <strong>die</strong> Inhaber<br />
der Firma Gillespie & Co. Ltd., <strong>die</strong> den Bremer<br />
Reishändlem nahe standen. In Birma wurden<br />
zwei ehemalige englische Mitarbeiter eingesetzt.<br />
<strong>die</strong> aber eher <strong>die</strong> Interessen der englischen Regierung<br />
als <strong>die</strong> Geschäftsinteressen der Burma<br />
Rice & Trading Co. im Auge gehabt haben sollen.<br />
Zusätzlich wurden Supervisoren eingesetzt,<br />
<strong>die</strong> alle Vorgänge kontrollierten, und <strong>die</strong> Geschäfte<br />
wurden so weit beschränkt, dass in keinem<br />
Fall Reis nach Deutschland oder in verbündete<br />
Länder gelangen konnte.<br />
Es gab <strong>1914</strong> den Verdacht, dass <strong>die</strong> Firma durch<br />
<strong>die</strong> deutsche Regierung finanziert worden sei<br />
und große Reismengen an <strong>die</strong>se verkauft habe.<br />
Um <strong>die</strong>s zu klären, wurden alle Geschäftsräume<br />
durchsucht, <strong>die</strong> Kasse versiegelt und sogar <strong>die</strong><br />
Privatkorrespondenz der Frauen deutscher Mitarbeiter<br />
beschlagnahmt. Ziel war es, der Burma<br />
Rice & Trading Co. einen Landesverrat nachzuweisen.<br />
Bemerkenswert ist der Hinweis der Reisund<br />
Handels AG, dass <strong>die</strong> angestellten englischen<br />
Ingenieure trotz der öffentlichen Anfeindungen<br />
gegen <strong>die</strong> Firma in Birma <strong>die</strong>ser <strong>die</strong><br />
Treue hielten. Heinrich Huchting wurde es verwehrt,<br />
offene Forderungen bei einheimischen<br />
Händlern und Bauern, <strong>die</strong> bereits für noch nicht<br />
gelieferte Reisladungen bezahlt worden waren,<br />
einzutreiben. Stattdessen suggerierte <strong>die</strong> englische<br />
Konkurrenz, dass Forderungen der Burma<br />
Rice & Trading Co. nicht mehr erfüllt werden<br />
müssten. Die englische Regierung hatte jedoch<br />
ein Interesse am Erhalt der Firma, damit es im<br />
<strong>Reishandel</strong> Birmas nicht wieder zu einem Monopol<br />
kam. Daher wurden der Firma auch kurzzeitig<br />
günstige Kredite eingeräumt. Als <strong>die</strong>se<br />
aber zurückgezogen wurden, mussten, wie im<br />
Geschäftsbericht der Reis- und Handels AG von<br />
1915 dargestellt, mit Genehmigung der Reichsregierung<br />
und mit hohen Verlusten im Oktober<br />
<strong>1914</strong> 357.000 Pfund nach England transferiert<br />
werden. Andernfalls wäre <strong>die</strong> Burma Rice &<br />
Trading Co. in Konkurs gegangen.<br />
Im Januar 1915 kam <strong>die</strong> Nachricht nach Bremen,<br />
dass der Betrieb der Burma Rice & Trading Co.<br />
eingestellt und <strong>die</strong> Firma an einen Inder namens<br />
Jamal verpachtet worden sei. Mohr Brothers &<br />
Co. Ltd., <strong>die</strong> zweite große deutsche Firma nach<br />
englischem Recht, wurde durch <strong>die</strong> Firma Steel<br />
Brothers & Co. Ltd. übernommen. Kurz darauf<br />
239
• I<br />
erhielt der Bremer Mutterkonzem <strong>die</strong> Bestätigung,<br />
dass <strong>die</strong> Verpachtung der Mühlen an einen<br />
Inder für <strong>die</strong> Dauer des Krieges vor dem Abschluss<br />
stand. Zudem wurden <strong>die</strong> liquiden Mittel<br />
der Firma fest angelegt und zu zwei Prozent verzinst.<br />
„Im großen und ganzen“, folgert <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG, „haben wir somit trotz unliebsamer<br />
Vorkommnisse kaum Grund zur Klage,<br />
so lange uns unser Eigentum wieder ausgehändigt<br />
und <strong>die</strong> Fortsetzung unseres Unternehmens<br />
in <strong>bis</strong>heriger Weise gestattet wird.“***<br />
Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Nach dem<br />
Krieg gingen <strong>die</strong> Mühlen der Burma Rice & Trading<br />
Co. mit Grundbesitz und einer Flotte von<br />
annähernd 300 Booten sehr günstig und unter<br />
Wert in den Besitz der verbliebenen englischen<br />
Verschiffer über. Sehr negativ wirkte sich aus,<br />
dass bei dem Verkauf der Vorkriegskurs zwischen<br />
indischer Rupie und englischem Pfund zu Grunde<br />
gelegt wurde, der nur halb so hoch wie der<br />
Nachkriegskurs war.<br />
Die Mühle von Markwald & Co. wurde <strong>1914</strong><br />
mit einem Kapital von 1.500.000 Mark ausgestattet,<br />
um möglichen kriegsbedingten Verlusten<br />
vorzubeugen. Dort kaufte man 15.000 Tonnen<br />
Reis, der direkt nach Kriegsende mit gecharterten<br />
Dampfern nach Deutschland gebracht werden<br />
sollte. Doch am 22. Juli 1917 gab Siam seine<br />
Neutralität auf und trat auf Seiten der Alliierten<br />
in den Krieg ein. Daraufhin wurde Markwald &<br />
Co. zwangsliqui<strong>die</strong>rt und ging der Reis- und<br />
Handels AG verloren. Eine 1924 rückwirkend<br />
ausgehandelte Sonderentschädigung belief sich<br />
auf 225.817 Mark. Das war deutlich weniger als<br />
der Lohn des Liquidators für seine Mühen und<br />
änderte somit für den Bremer Konzern nichts an<br />
dem Verlust.<br />
Die einzige europäische Mühle der Reis- und<br />
Handels AG außerhalb Deutschlands stand in<br />
Braila in Rumänien. Bis 1916 hatte das dortige<br />
Tochtemntemehmen durch das Putzen von Graupen<br />
gut ver<strong>die</strong>nt. Nach dem Kriegseintritt Rumäniens,<br />
und als sich Braila zum Kampfgebiet<br />
entwickelte, wurden <strong>die</strong> Anlagen der dortigen<br />
Mühle zerstört, bevor sie deutschen Soldaten in<br />
<strong>die</strong> Hände fallen konnten.**’<br />
In der Jubiläumsschrift zum 50-jährigen Bestehen<br />
der Reis- und Handels AG 1951 wurden allein<br />
<strong>die</strong> Verluste des Konzerns in Asien durch<br />
den Ersten Weltkrieg auf I Million Pfund geschätzt.*“<br />
Die Reisindustrie in Deutschland<br />
Nach dem Reichsgesetzblatt Nr. 51 vom 22.<br />
April 1915 wurde ab dem 26. April aller Reis in<br />
Deutschland beschlagnahmt und der Handel<br />
schlagartig stillgelegt. Die Hamburger Firma Cuno<br />
Hering hatte einen Vertrag mit der Rickmers<br />
Reismühle, nach dem sie eine Ladung Reis zum<br />
30. April 1915 übernehmen sollte. Nach der<br />
Ankündigung von Beschlagnahmungen weigerte<br />
sich das Hamburger Haus jedoch, <strong>die</strong> Ladung<br />
abzunehmen. Ein daraufhin eingesetztes<br />
Schiedsgericht entschied, dass <strong>die</strong> Firma Hering<br />
den Vertrag zu erfüllen hatte. Da <strong>bis</strong> dahin <strong>die</strong><br />
Rickmers Mühle aber schon einen mit 16.000<br />
Mark Verlusten versehenen Notverkauf vorgenommen<br />
hatte, strebte <strong>die</strong> Bremer Mühle eine<br />
Kompensation der Einbußen an. Der Hamburger<br />
Senat setzte sich auch in <strong>die</strong>sem Sinne für <strong>die</strong><br />
Reismühle ein, musste aber im Sommer 1917<br />
einsehen, dass <strong>die</strong> Zentrale-Einkaufs-Gesellschaft,<br />
<strong>die</strong> alle ausländischen Waren beschlagnahmt<br />
hatte und deren Weiterverwendung steuerte,<br />
nicht für den entstandenen Schaden aufkommen<br />
würde.*^* Ein freier Handel mit Reis<br />
war innerhalb Deutschlands ab 1915 nicht mehr<br />
möglich, der Handel mit dem Ausland war vollständig<br />
unterbunden.<br />
Reishändler erlitten finanzielle Verluste, für <strong>die</strong><br />
es keinen Ausgleich gab. Ein gutes Beispiel dafür<br />
bietet der Verlust einer Hamburger Eirma während<br />
des 2. Balkankrieges. Die Balkankriege waren<br />
Kriege auf der Balkanhalbinsel 1912 und<br />
1913, <strong>die</strong> sich im Vorfeld des Ersten Weltkrieges<br />
abspielten. Nachdem Bulgarien und Griechenland<br />
im 1. Balkankrieg Bündnispartner gegen<br />
das Osmanische Reich waren, standen sie im<br />
Sommer 1913 auf verschiedenen Seiten. In <strong>die</strong>sem<br />
Zusammenhang wurde eine Reisladung<br />
der Eirma Horn & Samsche auf dem Dampfer<br />
240
Mudros durch <strong>die</strong> griechische Regierung beschlagnahmt.<br />
Am 25. Juni 1913 verließ <strong>die</strong> Mudros Hamburg,<br />
ohne zu wissen, dass Griechenland und Bulgarien<br />
demnächst iCrieg führen würden. Am 11.<br />
Juli traf <strong>die</strong> Nachricht ein, dass das Schiff in Piräus<br />
festgehalten wurde, und sechs Tage später<br />
wurde <strong>die</strong> Reisladung in Saloniki beschlagnahmt.<br />
Der Reis war Teil eines Auftrags über<br />
1.000 Tonnen Reis, <strong>die</strong> in Teilladungen an verschiedene<br />
Plätze in Bulgarien ausgeliefert werden<br />
sollten und vom bulgarischen Kriegsministerium<br />
ausgeschrieben worden war. Erst mit der<br />
Abnahme der Ladung in bulgarischen Häfen wäre<br />
der Reis in den Besitz des iCriegsministeriums<br />
übergegangen. Horn & Samsche baten <strong>die</strong> Handelskammer<br />
in Hamburg um Unterstützung, um<br />
Schadensersatzansprüche gegen <strong>die</strong> griechische<br />
Regierung durchzusetzen. Die Handelskammer<br />
unterstützte <strong>die</strong>sen Antrag und forderte ihrerseits<br />
<strong>die</strong> zuständige Deputation für Handel, Schifffahrt<br />
und Gewerbe auf, Hilfe zu leisten und den Vorgang<br />
völkerrechtlich prüfen zu lassen. 1915,<br />
nach zwei Jahren vergeblicher Mühe, erklärten<br />
Horn & Samsche gegenüber dem Auswärtigen<br />
Amt, dass <strong>die</strong> Meldungen aus Griechenland jede<br />
ernsthafte Prüfung der Angelegenheit vollständig<br />
vermissen lassen und nur den Spruch des Prisengerichts<br />
stützen würden. Es blieb nichts anderes<br />
übrig, als auf eine Klärung der Schadensersatzansprüche<br />
nach Kriegsende zu hoffen.<br />
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs lagerten<br />
160.000 Tonnen Reis und 60.000 Tonnen Reisfuttermehl<br />
in den Lagern der Reis- und Handels<br />
AG. Als der Reisnachschub versiegte, wurden<br />
<strong>die</strong> Betriebsanlagen auf <strong>die</strong> Herstellung von Hafemährmitteln<br />
umgestellt. In erster Linie wurde<br />
<strong>die</strong> Mühle Gebrüder Nielsen mit Haferbearbeitung<br />
betraut, <strong>die</strong> damit zur größten Hafermühle<br />
Deutschlands wurde und 25 Prozent der gesamten<br />
deutschen Haferproduktion ab d eck te.D es<br />
Weiteren blieben dann noch eine Mühle in Hamburg<br />
und <strong>die</strong> Reiswerke in Flensburg beschäftigt,<br />
wo erstmals seit 1908 wieder Produktionsanlagen<br />
liefen. Die Stärkeherstellung in der Fabrik<br />
Gebrüder Nielsen wurde nicht aufgegeben,<br />
musste aber verändert werden und basierte im<br />
Krieg auf Kastanien als Rohstoff. Die Hammerbroker<br />
Reiswerke verarbeiteten in den Kriegs-<br />
Jahren erst Reisfuttermehl und später Gerste. Die<br />
einst größte Bremer Reismühle der Rickmers-<br />
Reiswerke wurde stillgelegt. Die Packhäuser<br />
wurden zur Lagerung von Lebensmitteln verwendet,<br />
unter anderem wurden dort alle Bremer<br />
Kartoffelvorräte untergebracht. Später wurde<br />
dort auch <strong>die</strong> Produktion von Kartoffelflocken<br />
begonnen. Entsprechend der Produktions- und<br />
Geschäftseinschränkungen wurde das Stammkapital<br />
der Reis- und Handels AG 1916 auf<br />
3.500.000 Mark, später sogar auf nur 2 Millionen<br />
Mark herabgesetzt.*^“<br />
So wie <strong>die</strong> Reis- und Handels AG ihre Besitzungen<br />
im britischen Birma verlor, mussten <strong>die</strong><br />
englischen Verschiffer in Deutschland ihre Geschäfte<br />
einstellen und ihre Mühle im Hamburger<br />
Freihafen, <strong>die</strong> Allgemeine Reisgesellschaft Ltd.,<br />
im Krieg aufgeben. Der Ablauf ist leider nicht<br />
zu rekonstruieren, so dass nicht verglichen werden<br />
kann, ob <strong>die</strong> Vorgänge in Hamburg stark<br />
von denen in Birma abwichen. Klar ist aber, dass<br />
im April 1919 der Handelskammer in Hamburg<br />
bestätigt wurde, dass <strong>die</strong> Löschung der Allgemeinen<br />
Reisgesellschaft Ltd. vollzogen sei.*^^<br />
2. Der deutsche <strong>Reishandel</strong> nach 1918<br />
Ein veränderter Weltmarkt<br />
1918 hatte sich der internationale Reismarkt gegenüber<br />
der Vorkriegszeit deutlich verändert.<br />
Neue Handelswege und Zentren der globalen<br />
Reisindustrie waren entstanden und <strong>die</strong> Marktmechanismen<br />
hatten sich entsprechend gewandelt.<br />
Deutschland hatte seine Position als europäischer<br />
Marktführer verloren, und statt weniger<br />
Zentren gab es nun in Europa und auch auf anderen<br />
Kontinenten mehrere Standorte der Reisindustrie.<br />
Die Versorgung der Welt mit Reis war<br />
nicht länger allein von den Fabriken in Deutschland<br />
und England sowie den Reismühlen in Birma<br />
und Siam abhängig. Zudem wurden um 1930<br />
nur noch fünf Prozent des weltweit gehandelten<br />
241
Reises in Europa konsumiert.*^* Ägypten, Italien<br />
und Spanien traten als neue Reisproduzenten<br />
und Exporteure auf dem Weltmarkt auf. Die Vereinigten<br />
Staaten belieferten erstmals seit über<br />
50 Jahren wieder den internationalen Reismarkt.<br />
In Brasilien wurde Reis angebaut und auch in<br />
Kuba und Peru entstanden eigenständige Reisindustrien.<br />
“The Western branch was up till 1913-14 supplied<br />
mainly by the better grades of Burma<br />
(Ngasein) and by Garden Siam rices for medium<br />
quality, but the demand in Europe has<br />
changed since the Great War and Burma rice<br />
no longer occupies the predominant position<br />
it held in 1913-14, on account of the competition<br />
from the higher grades that have been<br />
produced in increasing quantities in Spain,<br />
Italy and America, and are now in demand in<br />
the European market, as they are of good<br />
milling qualities and attractive appearance<br />
when milled and polished.”*^*<br />
Deutschland war nach dem Ersten Weltkrieg vorerst<br />
noch von den Exportmärkten in Birma, Siam<br />
und Indochina abgeschnitten. Um dort wieder<br />
einen Zugang zu erhalten, gründete <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG 1921 <strong>die</strong> N.V. Mercantile en<br />
Industrieele Compagnie, kurz Mico, mit einem<br />
nominellen Kapital von 1.500.000 Gulden. Diese<br />
Gesellschaft erwarb eine Reismühle in Zandaam,<br />
<strong>die</strong> für den Reisabsatz in Westdeutschland produzierte.<br />
Die Mühle des deutschen Konzerns<br />
war auch <strong>die</strong> erste Reismühle in den Niederlanden,<br />
<strong>die</strong> nach dem Krieg eine Ladung Reis in<br />
das Land holen kormte. Außerdem ging <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG eine Beteiligung in Portugal<br />
bei der Companhia Arrozeira Mercantil S.A.R.L.<br />
ein.*^®<br />
Trotz der schwierigen Lage in der Nachkriegszeit<br />
gelang es der deutschen Reisindustrie, sich wieder<br />
eine wichtige Position im großen Wettbewerb<br />
des internationalen <strong>Reishandel</strong>s zu erarbeiten:<br />
“After the war, the Germans returned [to Burma]<br />
and by the early 1920’s had completely<br />
recovered their pre-war position. [...]<br />
About 1925, the German rice milling industry<br />
suffered a setback. The reason was the prohibitive<br />
differential duties between polished<br />
and cargo rice which had been imposed by<br />
neighbouring countries to encourage their<br />
own rice milling industries. German intake<br />
of Burma rice therefore decreased considerably.<br />
This was also due to the increasing competition<br />
of Italien rice in southern Gerтапу.”*зо<br />
Neue Mühlen und der <strong>Reishandel</strong><br />
in Deutschland<br />
Von der Weimarer Republik <strong>bis</strong> in <strong>die</strong><br />
1930er Jahre<br />
In der Rückschau von 1951 wurde <strong>die</strong> Lage der<br />
deutschen Reisindustrie und besonders <strong>die</strong> Situation<br />
auf dem deutschen Markt nach dem Ersten<br />
Weltkrieg als sehr schwierig bewertet:<br />
„Deutschland wurde zu einem Kampffeld für<br />
<strong>die</strong> nach Absatz suchenden alten und neuen<br />
Erzeugungsländer, und <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
wurde dadurch in ihren Daseinsgrundlagen<br />
aufs schwerste gefährdet, zumal nicht<br />
nur Deutschland, sondern überhaupt Europa<br />
als Zwischenhändler mehr und mehr ausgeschaltet<br />
war.“**'<br />
Dennoch gelang es auch auf dem Binnenmarkt,<br />
<strong>die</strong> Reisindustrie wieder in Gang zu bringen und<br />
Reismühlen zu errichten. Die Strukturen veränderten<br />
sich jedoch gegenüber der Situation von<br />
<strong>1914</strong>.<br />
Die Reis- und Handels AG veräußerte ihre Mühle<br />
im Hamburger Zollausland und bot, weil sie das<br />
Reisgeschäft auf das Zollinland beschränken<br />
wollte, auf <strong>die</strong> Mühle der liqui<strong>die</strong>rten Allgemeinen<br />
Reisgesellschaft, da <strong>die</strong>s <strong>die</strong> letzte Mühle<br />
im Freihafengebiet war. Der Hamburger Senat<br />
verkaufte aber an andere Bieter, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Mühle<br />
an <strong>die</strong> Firma Rudolf Meyerkort verpachtete und<br />
als Hamburger Reismühle A.G. betrieben. Die<br />
Mitarbeiter der Firma Meyerkort waren vorher<br />
mehrheitlich bei der Burma Rice & Trading Co.<br />
beschäftigt, also Kenner des Reisgeschäfts. Zusätzlich<br />
konnte <strong>die</strong>se neue Firma in Bremen mit<br />
einer Ausnahmegenehmigung eine Reismühle<br />
242
im Freihafen errichten, was seit dem Zollbeitritt<br />
1888 keinem Unternehmen gelungen war.<br />
Zum Anschub des <strong>Reishandel</strong>s nach dem Krieg<br />
erfolgte 1919 <strong>die</strong> Gründung der Reiseinkaufsgesellschaft<br />
m.b.H. mit einem Stammkapital von<br />
500.000 Mark. Davon wurden 250.000 Mark<br />
durch <strong>die</strong> Reismühlen aufgebracht. Der Anteil<br />
der Reis- und Handels AG belief sich auf<br />
150.000 Mark. Eine neue Konkurrenzsituation<br />
entstand, weil Importeure verkaufsfertigen Reis<br />
direkt von englischen Verschiffern kauften und<br />
ohne weitere Bearbeitung in einer Mühle in<br />
Deutschland in den Handel brachten. Erstmals<br />
waren in Deutschland Reishändler aktiv, <strong>die</strong> keine<br />
Verbindung zu den deutschen Reismühlen<br />
hatten. Die Reismüller wehrten sich dagegen,<br />
indem sie ihren Reis in Asien von Mühlen mit<br />
asiatischen Besitzern kauften. Dabei erwarben<br />
sie Loonzain-Reis, der nur noch zwei Prozent<br />
Rohreis enthielt. Nun kamen <strong>die</strong> gleichen Mechanismen<br />
zum Tragen, wie sie 1906 zu beobachten<br />
waren, als sich <strong>die</strong> Reis- und Handels<br />
AG von den englischen Verschiffern in Birma<br />
unabhängig machte: Die englischen Verlader errichteten<br />
wieder eine Mühle im Hamburger Ereihafengebiet<br />
und nannten sie Neue Allgemeine<br />
Reisgesellschaft.®^^<br />
Das Aktienkapital der Reis- und Handels AG<br />
entwickelte sich mit der Geldentwicklung. 1921<br />
wurde es auf 31.600.000 Mark erhöht, nach der<br />
Inflation der frühen 1920er Jahre wurde das Kapital<br />
1925 auf 4.532.000 Reichsmark umgestellt<br />
und 1941 auf 6.000.000 Reichsmark erhöht. Die<br />
Hamburger Reiswerke wurden 1920 veräußert<br />
und 1927 <strong>die</strong> Gebäude und Grundstücke der<br />
Flensburger Reismühle für 312.500 Reichsmark<br />
verkauft.Die Hammerbroker Reiswerke<br />
brannten 1931 ab und wurden nicht wieder aufgebaut.<br />
Stattdessen wurde dort eine Siedlung<br />
mit kleinen Wohnungen errichtet, <strong>die</strong> vor allem<br />
von den Arbeitern der Norddeutschen Reismühle<br />
mbH in Hamburg bezogen wurden. 1931 waren<br />
nur noch wenige Fabriken der Reis- und Handels<br />
AG in Betrieb. Die Norddeutsche Reismühle<br />
m.b.H. in Hamburg hatte 1.000 Tonnen Verarbeitungskapazität<br />
pro Tag und ein Lager, das<br />
50.000 Tonnen fasste. Die Fabrik Gebr. Nielsen,<br />
Reismühle und Stärkefabrik AG konnte täglich<br />
450 Tonnen Reis und 220 Tonnen Hafer verarbeiten<br />
sowie 60.000 Tonnen lagern. Die Rickmers-Mühle<br />
mit ihrem 40.000-Tonnen-Lager<br />
hatte 1924 kurzzeitig <strong>die</strong> Produktion von Reismehl<br />
aufgenommen, wurde dann aber nur noch<br />
zum Speichern von Getreide genutzt. In den Betrieben<br />
der Reis- und Handels AG wurde nicht<br />
mehr in jeder Fabrik sowohl Reis als auch Stärke<br />
hergestellt, sondern eine Spezialisierung der<br />
Standorte festgelegt. Die Osterholzer Reiswerke<br />
nahmen 1924 <strong>die</strong> Produktion von Teigwaren auf<br />
und dort wurde auch nach 1930 <strong>die</strong> gesamte<br />
Stärkeproduktion des Konzerns vorgenommen.<br />
Fast 70 Prozent der produzierten Stärke gingen<br />
ins Ausland. Insgesamt wurden 39 Länder beliefert.*^“*<br />
1927 wurde der Verein Hamburger und Bremer<br />
Reismühlen gegründet. Die innerdeutsche Konkurrenz<br />
wurde 1931 gemildert, als der Reis- und<br />
Handels AG mit zwei anderen Mühlen eine Produktionsabsprache<br />
gelang. Die Firma Rudolf<br />
Meyerkort gab im Zuge <strong>die</strong>ser eingerichteten<br />
Arbeitsgemeinschaft ihre Freihafenmühlen in<br />
Bremen und Hamburg auf.**^ Die Reisverarbeitung<br />
wurde in den Fabriken der Norddeutschen<br />
Reismühle m.b.H. und der Gebr. Nielsen, Reismühle<br />
und Stärkefabriken AG zusammengefasst.<br />
Wiederum hatte <strong>die</strong> Reis- und Handels AG zur<br />
Stärkung ihrer Marktposition einen Konzentrationsprozess<br />
erfolgreich umgesetzt.<br />
Von der Zeit des Nationalsozialismus <strong>bis</strong> zum<br />
Ende der deutschen Reisindustrie 1970<br />
1933 wurden alle deutschen Reismühlen<br />
zwangsweise zusammengeschlossen. Noch vor<br />
dem Zweiten Weltkrieg formulierte Friedrich<br />
Prüser das in einer der nationalsozialistischen<br />
Ideologie angepassten Weise:<br />
„Die deutschen Reismühlen mußten sich 1933<br />
in Erkenntnis der wirtschaftlichen Grundsätze<br />
des Nationalsozialismus, <strong>die</strong> den Zusammenklang<br />
der Erfordernisse der Ernährung<br />
von eigener Scholle und des Warenaus-<br />
243
ш<br />
tausches mit anderen Ländern erstreben, zu<br />
einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen.<br />
Das bedingt einen gemeinschaftlichen<br />
Ein- und Verkauf unter Preis- und Absatzaufsicht<br />
der Reichsstelle für Getreide und eines<br />
vom Reichsnährungsministerium ernannten<br />
Schlichters.“®^*<br />
Unter solch ideologischen Gesichtspunkten gab<br />
es Stimmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Einfuhr eines nicht-deutschen<br />
Lebensmittels, wie es Reis war, komplett<br />
ablehnten. Dieses Ansinnen wurde aber durch<br />
eine Veröffentlichung des Reichsbauernführers<br />
und Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft,<br />
Walther Darré, eindeutig zurückgewiesen.*^’<br />
Die zur Reis- und Handels AG gehörende<br />
Mühle der Gebr. Nielsen, Reismühle und<br />
Stärkefabrik AG, wurde 1937 zu einem nationalsozialistischen<br />
Musterbetrieb.®®® Im Zweiten<br />
Weltkrieg wurden alle Mühlen des Bremer Reiskonzerns<br />
in Hamburg und Bremen sowie <strong>die</strong> Arbeiterwohnungen<br />
in Hamburg durch Luftangriffe<br />
zerstört. Der entstandene Schaden an Maschinen<br />
und Gebäuden wurde auf 10.000.000 Deutsche<br />
Mark beziffert.<br />
1947 wurde mit dem Wiederaufbau einer deutschen<br />
Reisindustrie begonnen und <strong>die</strong> Eabrik<br />
der Gebrüder Nielsen an der Weser war <strong>die</strong> erste<br />
Mühle, <strong>die</strong> wieder Reis schälte. 1948 nach der<br />
Währungsreform wurde auch in Hamburg der<br />
Neubeginn bei der Norddeutschen Reismühle<br />
m.b.H. angebahnt und in Osterholz-Scharmbeck<br />
wurden Maschinenemeuerungen vorgenommen.<br />
Asien war vorerst kein Reisausfuhrgebiet mehr,<br />
<strong>die</strong> innerasiatische Nachfrage hatte <strong>die</strong> Produktion<br />
des Kontinents überschritten. Von den<br />
60.000 Tonnen Reis, <strong>die</strong> 1949 vor allem aus Italien<br />
nach Deutschland kamen, wurde ein Drittel<br />
nach Bremen geliefert, im folgenden Jahr erreichten<br />
25.000 Tonnen Reis <strong>die</strong> Mühlen an der<br />
Weser, was ein Viertel der deutschen Importe<br />
ausmachte.®®^ Doch <strong>die</strong> Größe und Bedeutung<br />
der Vorkriegszeit und vor allem zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts erreichte <strong>die</strong> deutsche Reisindustrie<br />
nicht wieder.<br />
1961 baute <strong>die</strong> Reis- und Handels AG eine neue<br />
Siloanlage auf dem Werksgelände an der Weser<br />
und wurde so wieder zur größten Reismühle<br />
Europas. Im Folgejahr übernahm der Bremer<br />
Konzern den Vertrieb von Kellogg-Produkten in<br />
Deutschland und <strong>die</strong> Kellogg Company übernahm<br />
Aktien des Reiskonzerns. 1963 folgte <strong>die</strong><br />
Gründung der Kellogg Deutschland GmbH und<br />
es wurden schrittweise mehr Anteile der Reisund<br />
Handels AG durch Erstgenannte übernommen.<br />
1964 wurde eine Mühle in Weil am Rhein<br />
erworben, um sich besser gegenüber den Konkurrenten<br />
aus den Niederlanden und Italien zu<br />
positionieren. Mit der Beteiligung durch Kellogg<br />
wurden <strong>die</strong> seit 1901 bestehende Aktiengesellschaft<br />
in eine GmbH umgewandelt und 95 Prozent<br />
des Stammkapitals von der Kellogg<br />
Deutschland GmbH 1966 übernommen. 1970<br />
schließlich ging <strong>die</strong> Reis- und Handels GmbH<br />
vollständig in der Firma Kellogg auf und <strong>die</strong><br />
Geschichte der deutschen Reismüllerei in Bremen<br />
endete.<br />
Das Reisgeschäft wurde in einem kleinen Rahmen<br />
weitergeführt und mit dem Verkauf der Markenrechte<br />
„Rickmers-Reismühle“ an eine italienische<br />
Reisfirma 1988 firmiert mit der Rickmers<br />
Reismühle GmbH wieder ein Reisunternehmen<br />
mit klangvollem Namen am Bremer Weserufer.®^°<br />
Im Jahr 2011 verließen nahezu 30.000<br />
Tonnen Reis <strong>die</strong> Rickmers-Reismühle.<br />
244
Schlussbetrachtung<br />
Reis war Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland<br />
eine alltägliche Speise geworden. Als Nahrungsmittel<br />
war er in Europa seit Jahrhunderten<br />
bekannt, auf den Speiseplänen des Bürgertums<br />
und des einfachen Volks hatte er <strong>bis</strong>lang aber<br />
nicht gestanden. Was hatte Reis von einer besonderen<br />
Köstlichkeit, einem Fürstenessen und<br />
einer Hochzeitsspeise, zu einem gewöhnlichen<br />
Grundnahrungsmittel gemacht? Was machte besonders<br />
Bremen zum Nabel der Reiswelt?<br />
In Bremen wurde Reis ein Stapelartikel, als <strong>die</strong><br />
Stadt an der Weser zum größten deutschen Auswandererhafen<br />
wuchs. Viele Schiffe steuerten<br />
den Süden der Vereinigten Staaten an und setzten<br />
ihre menschliche Fracht in South Carolina oder<br />
Georgia an Land. Die dort angebauten Produkte<br />
wurden als Rückfracht für Europa geladen. Nach<br />
Tabak und Baumwolle wurde Reis so zum drittgrößten<br />
Stapelartikel Bremens. Die Reisindustrie<br />
in den Vereinigten Staaten prosperierte um <strong>1850</strong>.<br />
Bewässerungssysteme auf den Feldern und Verarbeitungsmaschinen<br />
in den Mühlen wurden stetig<br />
verbessert, <strong>die</strong> Erträge stiegen und mit ihnen<br />
auch <strong>die</strong> Exportmengen. Dennoch war der Anbau<br />
von Reis so arbeitsintensiv und mühsam, dass<br />
er sich nicht mit weißen Lohnarbeitern realisieren<br />
ließ. Die amerikanischen Reisplantagen<br />
waren nur durch <strong>die</strong> schwarzen Sklaven wirtschaftlich<br />
zu betreiben. Mit dem amerikanischen<br />
Bürgerkrieg änderte sich <strong>die</strong>se Situation grundlegend,<br />
weil <strong>die</strong> Sklaverei abgeschafft wurde.<br />
Innerhalb weniger Jahre wurden <strong>die</strong> Vereinigten<br />
Staaten vom wichtigsten Reislieferanten Europas<br />
zu einem Reiseinfuhrland. Der Aufstieg Asiens<br />
zum Reislieferanten für <strong>die</strong> Welt folgte. Schon<br />
bevor <strong>die</strong> Geschichte des deutschen <strong>Reishandel</strong>s<br />
begann, wurde Reis über Kontinente hinweg gehandelt.<br />
Erstaunlich bleibt einzig, dass sich in<br />
der Folgezeit deutsche Unternehmer in <strong>die</strong>sem<br />
- vorerst nicht mit Deutschland verbundenen -<br />
Markt nachhaltig etablieren sollten. Deutschland<br />
besaß Mitte des 19. Jahrhunderts keine Kolonien<br />
und doch waren deutsche Kaufleute an der wirtschaftlichen<br />
Erschließung der Welt stark beteiligt.<br />
Obwohl es <strong>1850</strong> in In<strong>die</strong>n und Asien noch keine<br />
großen Produktionsüberschüsse an Reis gab und<br />
<strong>die</strong> britischen Häfen für Händler anderer europäischer<br />
Nationen durch <strong>die</strong> <strong>bis</strong> 1849 gültigen<br />
britischen Navigationsgesetze kaum Handel zuließen,<br />
ergänzten einzelne Reisladungen <strong>die</strong> flächendeckende<br />
Versorgung aus Amerika. Auch<br />
deutsche Kapitäne sammelten in <strong>die</strong>ser Zeit, kurz<br />
vor der rasanten Beschleunigung des internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong>s, erste Erfahrungen mit dem<br />
asiatischen Handelsraum. Mit der britischen Eroberung<br />
Birmas 1852 änderten sich <strong>die</strong> Strukturen<br />
des globalen <strong>Reishandel</strong>s grundsätzlich.<br />
Die Erschließung Birmas durch <strong>die</strong> britische Kolonialmacht<br />
war eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />
für <strong>die</strong> Entwicklung des deutschen <strong>Reishandel</strong>s.<br />
Staatlich geförderte Projekte zur Landkultivierung<br />
machten Birma in wenigen Jahren<br />
zum weltgrößten Reisproduzenten und -exporteur.<br />
Auch in Birma waren Migranten, zumeist<br />
aus In<strong>die</strong>n und China, <strong>die</strong> Träger der Reisindustrie.<br />
Die Bauern waren oft Geldverleihern, Zwischenhändlern<br />
und Großeinkäufern ausgeliefert,<br />
<strong>die</strong> Kulis in den Reismühlen arbeiteten unter<br />
sklavereiähnlichen Bedingungen. Die Nutznießer<br />
der neuen Reiswirtschaft waren in erster Linie<br />
englische Reisverlader, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Pioniere der industriellen<br />
Reismüllerei in den Häfen Birmas<br />
waren. Deutsche Kaufleute gehörten zu den Ersten,<br />
<strong>die</strong> sich neben den Engländern in der Wirtschaft<br />
Birmas etablierten.<br />
Dies taten deutsche Händler einerseits im innerasiatischen<br />
Handel, indem sie Tee und Gewürze<br />
von Ostasien Richtung Westen brachten und Reis<br />
von Birma nach Osten <strong>bis</strong> nach China verschifften.<br />
Andererseits gelang es den Deutschen in<br />
Birma, sich dort gut zu integrieren. Deutsche<br />
bildeten <strong>die</strong> zweitgrößte europäische Minderheit<br />
in Birma nach den Engländern. Im Gegensatz<br />
zu <strong>die</strong>sen waren sie aber eher bereit, <strong>die</strong> einheimische<br />
Sprache zu lernen und sich auf <strong>die</strong> lokale<br />
245
Kultur einzulassen. Der wirtschaftliche Imperialismus<br />
der deutschen Reishändler bewahrte<br />
sich einen Respekt vor der einheimischen Kultur<br />
und Bevölkerung. Dies erleichterte den Deutschen<br />
den Zugang auf den Reismarkt Birmas.<br />
Die Reismiiller in London und Liverpool mussten<br />
sich einen neuen Rohstoffmarkt suchen und<br />
intensivierten ihren Auftritt in Akyab, in Rangun,<br />
Bassein und Moulmein. In Akyab war bereits<br />
1837 <strong>die</strong> deutsche Firma Mohr Brothers & Co.<br />
gegründet worden. 1858 und 1859 gründete <strong>die</strong>se<br />
Firma, <strong>die</strong> von Deutschen betrieben wurde, aber<br />
als englische Firma nach englischem Recht arbeitete,<br />
Niederlassungen in den drei anderen<br />
wichtigen Reishäfen Birmas. Dieser Umweg<br />
deutscher Firmen über London war bezeichnend.<br />
Wenn es keinen direkten Weg in das internationale<br />
Reisgeschäft gab, scheuten deutsche Geschäftsleute<br />
nicht davor zurück, sich auf kleinen<br />
Umwegen eine besondere Marktposition zu erarbeiten.<br />
Die Stellung englischer Firmen in Birma<br />
war überragend, den deutschen Händlern gelang<br />
es nicht, eigene Großmühlen in den Häfen<br />
zu betreiben. In Asien spielten <strong>die</strong> deutschen<br />
Reishändler nur <strong>die</strong> zweite europäische Geige,<br />
<strong>die</strong> Positionierung Deutschlands in der Spitze<br />
des internationalen <strong>Reishandel</strong>s nahm seinen<br />
Anfang in Bremen.<br />
In Bremen entstanden zur Jahrhundertmitte mehrere<br />
Reismühlen. Die Bremer Brüder Anton und<br />
Carl Friedrich Nielsen gehörten zu den Pionieren<br />
der Dampfmüllerei an der Weser und betrieben<br />
eine Dampfmühle seit 1839. Mit <strong>die</strong>sen technischen<br />
Fähigkeiten ausgestattet gründete Anton<br />
Nielsen 1855 eine eigene Reismühle. Das<br />
Stammhaus Nielsen nahm erst 1862 als dritte<br />
Bremer Mühle <strong>die</strong> Reisvermahlung auf. Der<br />
zweite Bremer Reismüller war Friedrich Konitzky<br />
1858. Zwei Jahre später übernahm Louis<br />
Ichon <strong>die</strong>se Mühle, <strong>die</strong> zur Keimzelle bremischer<br />
Weltgeltung im <strong>Reishandel</strong> wurde. Im Jahr 1872<br />
trafen zwei Entwicklungen in der Mühle von<br />
Louis Ichon zusammen; Einerseits bestand für<br />
<strong>die</strong> Reismühle ein dringender Modernisierungsbedarf,<br />
für den Louis Ichon einen Investor suchte.<br />
Andererseits hielt der Bremerhavener Schiffbauer<br />
und Reeder Rickmer Ciasen Rickmers nach<br />
einer Beteiligung an einer Reismühle Ausschau.<br />
Die Rickmers-Werft fand auf dem freien Markt<br />
keine Käufer für ihre Schiffe, stellte sie daher in<br />
den eigenen Reederei<strong>die</strong>nst ein und transportierte<br />
immer regelmäßiger Reis. Dieser bot der Reederei<br />
eine siehere Fracht. Ein Gewinn konnte aber<br />
erst bei einem ebenso regelmäßigen Absatz des<br />
Reises in Bremen erzielt werden. Die Stellung<br />
Bremens im internationalen <strong>Reishandel</strong> kam<br />
nicht zuletzt deshalb zustande, weil <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers ihre unrentable Werft durch das Zusatzgeschäft<br />
im <strong>Reishandel</strong> subventionierte.<br />
20 Jahre nach dem zweiten Britisch-Birmanischen<br />
Krieg von 1852, nach dem der Reisexport<br />
Birmas in <strong>die</strong> Welt begann, und 17 Jahre nachdem<br />
<strong>die</strong> erste Reismühle in Bremen gegründet<br />
worden war, erarbeiteten sieh Rickmer Ciasen<br />
Rickmers und sein Sohn Andreas einen wichtigen<br />
Platz im internationalen Reisgesehäft. Innerhalb<br />
weniger Jahre vergrößerten sie <strong>die</strong> Kapazitäten<br />
der Firma Ichon & Rickmers und<br />
drängten <strong>die</strong> Familie Ichon aus dem Geschäft.<br />
Andreas Rickmers nutzte <strong>die</strong> wirtschaftlichen<br />
Möglichkeiten der globalisierten Welt des späten<br />
19. Jahrhunderts konsequent und wurde <strong>die</strong> prägende<br />
Gestalt des deutschen <strong>Reishandel</strong>s. Die<br />
Einfuhr, Verarbeitung und Ausfuhr von Reis erreichte<br />
in Bremen industrielle Maßstäbe. Die<br />
traditionellen europäischen Reisplätze in London<br />
und Liverpool waren 1888 von Bremen und<br />
Hamburg überholt worden.<br />
Als Reeder, Reishändler und Reismüller war Andreas<br />
Rickmers in einem Geschäftsfeld aktiv,<br />
das von der wirtschaftlich enger werdenden Vernetzung<br />
der Welt profitierte. Ohne Kontinente<br />
überspannenden Handel hätte es keine Reisindustrie<br />
geben können, auch nicht ohne <strong>die</strong> Schifffahrt,<br />
<strong>die</strong> Träger <strong>die</strong>ses Handels war. Rickmer<br />
Ciasen Rickmers und Andreas Rickmers nutzten<br />
den <strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> Verarbeitung, um den<br />
Fortbestand der Werft und der Reederei zu sichern.<br />
Sie waren Nutznießer davon, dass Asien<br />
durch vielerlei Entwicklungen näher an Europa<br />
heranrückte. Gleiches galt natürlich für <strong>die</strong> Absatzmärkte<br />
des in England und Deutschland ver-
arbeiteten Reises in Europa, der Karibik, Nordund<br />
Südamerika. Durch <strong>die</strong> Verbesserung der<br />
Segeleigenschaften von Schiffen und <strong>die</strong> Durchsetzung<br />
der Dampfschifffahrt verloren Entfernungen<br />
an Bedeutung. Besonders der Suezkanal<br />
ist dafür ein Sinnbild. Die Gewinnspannen des<br />
weltweiten Handels wuchsen, je günstiger Entfernungen<br />
überbrückt werden konnten. Dazu<br />
kam, dass <strong>die</strong> verbesserte Kommunikation durch<br />
ein geregeltes Postwesen, <strong>die</strong> Telegrafie sowie<br />
<strong>die</strong> schrittweise Vereinheitlichung von Maßen<br />
und Gewichten dem Handel entgegenkamen. Die<br />
Ablösung Englands durch Bremen und Hamburg<br />
an der Spitze des internationalen <strong>Reishandel</strong>s<br />
lag auch daran, dass <strong>die</strong> Bremer Reishändler und<br />
-müller <strong>die</strong> Möglichkeiten <strong>die</strong>ser Entwicklungen<br />
besser nutzten. Sie reagierten zielgerichtet auf<br />
Angebots- und Nachfrageschwankungen, nutzten<br />
ihre Kommunikationsmittel und Marktkenntnisse<br />
konsequent und erzielten durch <strong>die</strong> bestmögliche<br />
Nutzung der Mahltechniken bessere Ergebnisse<br />
in ihren Fabriken. Dass wirtschaftlicher Erfolg<br />
von einem Informationsvorsprung abhängen<br />
kann, ist keine Erfahrung des digitalen Zeitalters<br />
im späten 20. und im 21. Jahrhundert, sondern<br />
wurde schon in der weltwirtschaftlichen Vernetzung<br />
des 19. Jahrhunderts gesehen.<br />
Andreas Rickmers erkannte, dass der <strong>Reishandel</strong><br />
zwischen Asien und Europa einen Umfang erreichen<br />
würde, der <strong>die</strong> Kapazitäten seiner eigenen<br />
Reederei überstieg. Norddeutschland war<br />
ein Nachzügler in der Dampfschifffahrt, sowohl<br />
im Bau von Dampfschiffen auf den dortigen<br />
Werften als auch in der Dampfschiffsreederei.<br />
In Bremen gab es als einzige große Dampfschiffsreederei<br />
den Norddeutschen Lloyd. Dieser<br />
transportierte Reis durchaus als Beiladung. Andreas<br />
Rickmers trug 1881 wesentlich zur Gründung<br />
der DDG „Hansa“ bei, <strong>die</strong> sehr regelmäßig,<br />
später sogar fahrplanmäßig, Frachtfahrten zwischen<br />
Bremen und Birma unternahm. Damit<br />
stärkte Andreas Rickmers zwar <strong>die</strong> Konkurrenz<br />
in der Reisschifffahrt, doch er stärkte auch den<br />
Standort Bremen als Zentrum des internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong>s und vernetzte Rohstoffmarkt und<br />
Veredelungsort enger. Inzwischen ging es im internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> nicht mehr nur um Angebot<br />
in Asien und Nachfrage in Europa und<br />
den anderen Kontinenten. Es waren Warenterminbörsen<br />
entstanden. Händler spekulierten Monate<br />
im Voraus auf fallende oder steigende Kurse<br />
oder auf Schwankungen der indischen Weizenpreise,<br />
<strong>die</strong> Einfluss auf <strong>die</strong> Reispreise hatten,<br />
oder auf den Zustand der kommenden Reisernte.<br />
Ebenfalls 1881 lagen in Bremen <strong>die</strong> Pläne für<br />
<strong>die</strong> Weserkorrektion vor. Ab 1887 wurde <strong>die</strong> Weser<br />
begradigt und vertieft, 1888 wurde der Freihafen<br />
I eingeweiht und seegängige Schilfe konnten<br />
<strong>die</strong> Stadt Bremen anlaufen. Mit Abschluss<br />
der Weserkorrektion 1895 rückte Bremen noch<br />
enger an <strong>die</strong> internationalen Handels- und Schifffahrtsrouten.<br />
Gute Kenntnisse der Angebots- und<br />
Nachfragemärkte, hochwertige Reisverarbeitung<br />
der Bremer Mühlen und <strong>die</strong> gute Verkehrsinfrastruktur<br />
Bremens führten dazu, dass dort 1888<br />
mehr Reis eingeführt wurde als in London. Bremen<br />
war endgültig zu dem internationalen Umschlags-<br />
und Verarbeitungsplatz für Reis geworden.<br />
In den 1880er Jahren endete in Europa ein Vierteljahrhundert<br />
des Wirtschaftsliberalismus. Während<br />
<strong>die</strong> Industrialisierung durch das Ende vieler<br />
zunftständischen Gewerbezwänge erleichtert<br />
worden war, hatte der Abbau von Zollschranken<br />
den internationalen Handel beflügelt. Davon hatte<br />
Bremen, dessen Eliten sich immer zum Freihandel<br />
bekannt hatten, besonders profitiert. Nach<br />
1879 wurden schrittweise protektionistische<br />
Zollschranken in ganz Europa errichtet und dennoch<br />
wuchs der internationale Handel weiter.<br />
Die deutschen Nachbarländer, besonders <strong>die</strong> Niederlande<br />
und Österreich, bauten eigene Reisund<br />
Reisstärkeindustrien auf und erhoben Einfuhrzölle<br />
zu deren Schutz. Der Rohstoffbezug<br />
wurde für <strong>die</strong> deutschen Reismüller immer einfacher,<br />
<strong>die</strong> Konkurrenz um den Absatz des polierten<br />
Produkts aber zugleich größer. Der Handel<br />
mit Reis über Kontinente hinweg war keine<br />
Pionierleistung mehr, sondern das weltweite<br />
Handelsnetz war so eng verflochten, dass auch<br />
andere Länder außer England und Deutschland<br />
247
an ihm teilnehmen konnten. Die Niederländer<br />
erreichten über den Rhein den deutschen Markt<br />
sehr gut und konkurrierten hier erfolgreich mit<br />
den norddeutschen Reismühlen. Aus Triest und<br />
Fiume wurden <strong>die</strong> grenznahen deutschen Märkte<br />
beliefert. Dies zwang Andreas Rickmers zu einer<br />
neuen Geschäftsstrategie.<br />
Mit dem Zollanschluss Bremens und Hamburgs<br />
gehörten <strong>die</strong> Reismühlen an der Weser auf einen<br />
Schlag dem deutschen Zollgebiet an und mussten<br />
entsprechende Abgaben leisten. Der Reexport<br />
wurde erschwert. In Hamburg konnte sich <strong>die</strong><br />
kleine Reisindustrie hingegen ohne Zollbeschränkungen<br />
entwickeln. Daher beteiligte sich<br />
Andreas Rickmers 1893 an der Reismühle Anton<br />
Deppe & Co. in Hamburg und fasste so auf dem<br />
zweiten Standort der deutschen Reisindustrie<br />
Fuß. Ähnlich ging er in den Ländern vor, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> deutschen Reismüller wegen der Zollschranken<br />
und der dortigen Konkurrenz als Absatzmärkte<br />
verloren hatten. Trotz verschiedener Freihandelsabkommen<br />
kommt es auch heute des Öfteren<br />
zu Handelsblockaden. Ein Beispiel sei der<br />
Import von asiatischen Autos in <strong>die</strong> Vereinigten<br />
Staaten von Amerika, an dem sich regelmäßig<br />
Konflikte entzünden. Das Gefühl einer Benachteiligung<br />
durch eine dichte, Kontinente übergreifende<br />
wirtschaftliche Verbundenheit und daraus<br />
entstehende Abschottungstendenzen, gab es<br />
schon vor über 120 Jahren. Die Lösung lag früher<br />
wie heute in der Erschließung alter Märkte<br />
auf neuen Wegen oder der Schaffung neuer Absatzgebiete.<br />
1895 gelang Andreas Rickmers ein Vertragsabschluss,<br />
nach dem <strong>die</strong> Rickmers AG und <strong>die</strong> halb<br />
zu Rickmers gehörende Hamburger Reismühle<br />
gemeinsame Gesellschafter der Ersten Triester<br />
Reisschälfabrik wurden. Der in den Jahren zuvor<br />
zunehmend verlorene wichtigste Absatzmarkt in<br />
Europa, Österreich-Ungarn, wurde so für den<br />
deutschen <strong>Reishandel</strong> neu erschlossen. Gemeinsam<br />
mit der Triester Reismühle gründeten <strong>die</strong><br />
beiden zur Rickmers AG gehörenden Mühlen<br />
aus Bremen und Hamburg 1898 eine weitere Fabrik<br />
in Aussig an der Elbe. So festigte Andreas<br />
Rickmers <strong>die</strong> Marktposition in Österreich, erreichte<br />
deutsche Grenzregionen, <strong>die</strong> nicht mehr<br />
von Norddeutschland aus mit poliertem Reis beliefert<br />
werden konnten und erhöhte <strong>die</strong> Bedeutung<br />
Hamburgs als Reisstandort in Deutschland.<br />
Von dort aus wurde <strong>die</strong> Aussiger Fabrik sowohl<br />
mit ihren technischen Anlagen ausgerüstet als<br />
auch der Rohstoff immer elbaufwärts nach Aussig<br />
gebracht.<br />
Solche Verschiebungen sind ein deutlicher Hinweis,<br />
dass der Reismarkt hochentwickelt war.<br />
Um Gewinne zu realisieren, mussten alle Vorteile<br />
eines Standortes ausgeschöpft werden oder eben<br />
Standorte gewechselt werden. Dabei kann eindeutig<br />
auch davon gesprochen werden, dass der<br />
Reismarkt ein globalisierter Reismarkt war. Das<br />
galt nicht nur, weil <strong>die</strong> Rohstoffmärkte sich von<br />
Amerika nach Asien verschoben. Seit dem frühen<br />
20. Jahrhundert wurde auch wieder in Amerika<br />
und teilweise sogar in Europa nennenswert<br />
Reis angebaut. Die internationale Verflechtung<br />
des <strong>Reishandel</strong>s wurde auch dadurch aufgezeigt,<br />
dass mit der Rickmers AG zum ersten Mal ein<br />
nicht-britisches Unternehmen aus Europa eine<br />
Reismühle in Asien erwarb. Die Rickmers AG<br />
erwarb 1894 <strong>die</strong> Reismühle Markwald & Co. in<br />
Bangkok und baute <strong>die</strong>se zur größten Reisfabrik<br />
Siams aus. Adolph Markwald, der vermutete<br />
Gründer der Reismühle, war zwar ein <strong>Deutscher</strong>,<br />
der in Siam als Kaufmann lebte, aber kein Reishändler.<br />
Somit war der Kauf der Rickmers AG<br />
<strong>die</strong> erste Niederlassung eines deutschen Reishändlers<br />
in Asien.<br />
Der Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert<br />
brachte einen Bedeutungsverlust des gesamten<br />
europäischen Kontinents für den internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong> mit sich. Infolge der engen Vernetzung<br />
zwischen Europa und Asien gelang es asiatischen<br />
Firmen, Techniken und Fähigkeiten der<br />
Europäer zu übernehmen. Durch verkürzte Reisezeiten<br />
konnte inzwischen sogar vollständig in<br />
Asien polierter Reis in guter Qualität nach<br />
Europa und Amerika verschifft werden. Die europäischen<br />
Reismühlen waren damit zwar noch<br />
nicht vollständig überflüssig, für einen internationalen<br />
Reismarkt aber nicht länger zwingend<br />
notwendig.
г<br />
Die Rickmers AG reagierte darauf, indem sie<br />
eine Vereinigung aller deutschen Reismüller anstrebte.<br />
Dies gelang 1901 mit der Gründung der<br />
Reis- und Handels AG. Ein wirkliches Monopol<br />
konnte der Bremer Reiskonzem nie aufbauen.<br />
Zu groß war <strong>die</strong> Angst auch in Deutschland,<br />
dann einem Preisdiktat unterworfen zu werden.<br />
Eine monopolähnliche Stellung hielt <strong>die</strong> Reisund<br />
Handels AG dennoch <strong>bis</strong> etwa 1910. Erst<br />
danach gelang es mehreren kleinen Reismühlen<br />
in Hamburg, sich eine nennenswerte Stellung<br />
innerhalb der deutschen Reisindustrie zu erarbeiten.<br />
Andreas Rickmers verbesserte mit der<br />
Reis- und Handels AG <strong>die</strong> Stellung der deutschen<br />
Reishändler gegenüber den englischen Verschiffern<br />
in Birma. Ein Abkommen wurde erzielt,<br />
nachdem <strong>die</strong> Verschiffer keinen polierten Reis<br />
nach Deutschland brachten. Das sicherte den<br />
deutschen Reismühlen ihr Auskommen. Im Gegenzug<br />
mussten sie aber ihren gesamten Rohstoffbedarf<br />
bei dem Kartell der Verschiffer ankaufen.<br />
Dennoch wurde der weltweite <strong>Reishandel</strong><br />
immer weniger über Deutschland und<br />
zunehmend direkter über Birma abgewickelt.<br />
1906 pachtete <strong>die</strong> Reis- und Handels AG eine<br />
Reismühle in Rangun, kaufte <strong>die</strong> alteingesessene,<br />
vormals von Deutschen gegründete englische<br />
Firma Krüger & Co., <strong>die</strong> mehrere Reismühlen<br />
besaß, und schuf sich so eine eigene Stellung<br />
auf dem wichtigsten asiatischen Markt. In der<br />
Folge gründeten <strong>die</strong> englischen Verschiffer aus<br />
Birma eine Reismühle in Hamburg und trugen<br />
<strong>die</strong> Konkurrenz so auch nach Deutschland. Bis<br />
zum Ersten Weltkrieg zeigten sich nun drei<br />
grundsätzliche Entwicklungen. Erstens gab es<br />
in Deutschland ständige Konflikte zwischen den<br />
zollinländischen Reismühlen, fast ausschließlich<br />
der Reis- und Handels AG zugehörig und den<br />
Mühlen im Hamburger Freihafengebiet über <strong>die</strong><br />
bestmögliche deutsche Zollpolitik im Interesse<br />
des deutschen Reisgewerbes. Zweitens bestätigte<br />
<strong>die</strong> Gründung der Reis- und Handels AG durch<br />
Andreas Rickmers, dass er und das Rickmers’sche<br />
Familienimperium <strong>die</strong> entscheidenden<br />
Akteure des deutschen <strong>Reishandel</strong>s zwischen<br />
<strong>1850</strong> und <strong>1914</strong> waren. Das änderte sich auch<br />
nach dem erzwungenen Ausscheiden von Andreas<br />
Rickmers 1910 nicht. Drittens aber zeigte<br />
sich auch, dass Andreas Rickmers und alle Großaktionäre<br />
<strong>die</strong> Reis- und Handels AG ausnutzen.<br />
Hohe Dividenden, Tantiemen und Gehälter wurden<br />
wichtiger genommen als nachhaltiges Wirtschaften.<br />
Der deutsche <strong>Reishandel</strong> und <strong>die</strong> Familie Rickmers<br />
erlangten im globalen Wettbewerb eine herausragende<br />
Spitzenposition. Der technische<br />
Fortschritt, <strong>die</strong> Vernetzung und Verflechtung des<br />
Reismarktes und der internationalen Wirtschaft<br />
waren dafür eine notwenige Grundbedingung.<br />
Zugleich waren <strong>die</strong>se positiv wahrgenommenen<br />
Eigenschaften einer globalisierten Welt aber auch<br />
der Grundstein für den schnell folgenden Bedeutungsverlust<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s in<br />
der Welt. Nach etwas mehr als zehn Jahren Weltmarktführung<br />
ging <strong>die</strong>se an den innerasiatischen<br />
<strong>Reishandel</strong> zwischen Rangun, Bangkok und Singapur<br />
über. Nun wurde <strong>die</strong> Welt von dort mit<br />
Reis versorgt. Eine wichtige Stellung hatten<br />
deutsche Reishändler und Reismüller <strong>bis</strong> zum<br />
Ersten Weltkrieg weiterhin inne. Keine andere<br />
europäische Nation war in <strong>die</strong>sem Wirtschaftszweig<br />
erfolgreicher. Doch seit 1894 waren Deutsche<br />
nicht mehr Taktgeber des internationalen<br />
<strong>Reishandel</strong>s, sondern behaupteten sich, indem<br />
sie <strong>die</strong> Mechanismen einer globalisierten Wirtschaft<br />
erkannten und <strong>die</strong> gebotenen Spielräume<br />
in ihrem Interesse bestmöglich zu nutzen suchten.<br />
Mit dem Ersten Weltkrieg brach <strong>die</strong> deutsche<br />
Reiswirtschaft zusammen. Die asiatischen Produktionsmärkte<br />
wurden nicht mehr erreicht, <strong>die</strong><br />
Mühlen in Hamburg und Bremen wurden stillgelegt<br />
oder für <strong>die</strong> Verarbeitung anderer Nahrungsmittel<br />
umgerüstet. Nach dem Krieg war<br />
<strong>die</strong> Spitzenposition im europäischen und im globalen<br />
<strong>Reishandel</strong> verloren. Doch der Wirtschaftszweig<br />
konnte sich neu etablieren. Ersten Mühlen<br />
in Deutschland folgten Tochterunternehmen in<br />
den Niederlanden und Ende der 1920er Jahre<br />
gab es auch wieder eine bedeutende Stellung<br />
deutscher Reishändler in Birma.<br />
Die durch den Ersten Weltkrieg entstandene Zä-<br />
249
sur im deutschen <strong>Reishandel</strong> ist ein Hinweis darauf,<br />
dass sich <strong>die</strong> Welt - zumindest doch viele<br />
Aspekte der menschlichen Lebenswelt - seit<br />
<strong>1850</strong> einer zunehmend engeren Vernetzung ausgesetzt<br />
sah. Globalisierung ist kein Kind des 20.<br />
oder 21. Jahrhunderts. Oft wird Globalisierung<br />
als ökonomisches Phänomen wahrgenommen,<br />
von dem einige Menschen profitieren und dem<br />
sich viele andere Menschen hilflos ausgeliefert<br />
fühlen. All <strong>die</strong> Prozesse, <strong>die</strong> unter Globalisierung<br />
zusammengefasst werden, können mit der Geschichte<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s nicht erklärt<br />
oder gar bewertet werden. Aber <strong>die</strong> Geschichte<br />
des deutschen <strong>Reishandel</strong>s von <strong>1850</strong> <strong>bis</strong> <strong>1914</strong><br />
zeigt, dass globale Verflechtungen verständlich<br />
gemacht werden können. Die Benennung von<br />
einzelnen Akteuren und Prozessen sowie deren<br />
Wechselwirkungen miteinander ist auch für das<br />
Verständnis gegenwärtiger globaler Entwicklungen<br />
eine gute Strategie. Dem Gefühl, Globalisierung<br />
hilflos ausgesetzt zu sein, kann ein sachliches<br />
Verständnis entgegengesetzt werden.<br />
250
Quellenverzeichnis<br />
1. Ungedruckte Quellen<br />
Státní oblastni archiv Litomefice, Podnikovy<br />
archiv Severoceskych tukovych tukovych<br />
závodu Usti nad Labem, fond Bohemia<br />
Reiswerke-Aktiengesellschaft in Aussig<br />
1899-1941.<br />
Protokoll der Verwaltungsratssitzung der „Austria“<br />
Reiswerke-Actiengesellschaft im Hotel<br />
Englischer Hof in Aussig, 5.6.1900.<br />
Vereinbarung der Zusammenarbeit zwischen der<br />
Ersten Triester Reisschälfabrik und der „Austria“<br />
Reiswerke Aussig, 3.12.1901.<br />
Protokoll der 5. ordentlichen Generalversammlung<br />
der „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft<br />
im Bureau der Anglo-Österr. Bankfiliale<br />
in Aussig, 4.6.1904.<br />
Verzeichnis der bei der 6ten General-Versammlung<br />
der „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft<br />
in Aussig am 20. Mai 1905 anwesenden<br />
Herren Actionäre.<br />
Stadtarchiv Bad Salzuflen<br />
H VI 249, Reismaklerbericht 1875.<br />
H V I250, Statistisches Handbuch für den Artikel<br />
Reis 1882.<br />
Bundesarchiv Berlin<br />
R 1001/7918 Reis in Togo.<br />
R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in Siam<br />
1907-10.<br />
R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in Siam<br />
1910-12.<br />
R 901/76695 Schifffahrtsverhältnisse in Siam<br />
1912-14.<br />
R 901/76892 Schifffahrtsberichte deutsches Konsulat<br />
Rangun.<br />
R 1001/7916 Reis in Kamerun.<br />
R 8024/115 Ulanga Reis- & Handels-Gesellschaft.<br />
R 1001/7920 Reis in Deutsch-Neuguinea.<br />
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz,<br />
Berlin<br />
I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe<br />
C V III1 Nr. 90, Akte Handel mit Reis.<br />
I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe<br />
C XIII 18 Nr. 27, Akten betreffend<br />
Anam und Indo-China.<br />
I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe<br />
C X III18 Nr. 8 Bd. I, Akten betreffend<br />
Siam.<br />
III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten<br />
II Nr. 54563, Akten betreffend<br />
Schifffahrtsverhältnisse zwischen den Hansestädten<br />
und Siam 1859-1861.<br />
Archiv der Handelskammer Bremen<br />
900 01 К 14 Reis- und Handels AG.<br />
C VI 87 Handel mit Reis.<br />
Protokollbuch der Handelskammer Vili 1863<br />
<strong>bis</strong> 1865.<br />
WI128 1875-1934, 1938, Akte <strong>Reishandel</strong> und<br />
Schlussschein.<br />
Staatsarchiv Bremen<br />
4,75/5 - HRB 720, Band 1, Reis- und Handels<br />
AG.<br />
4,75/5 - HRB S654II, Schröder, Smidt & Co.<br />
Universitäts- und Forschungsbibliothek<br />
Erfurt/Gotha<br />
Pol 2° 01778/13 (20). Schöllkopf, Johann, Hoher<br />
Zollbundesrath!: Johann Schöllkopf, Eabrikant<br />
von Reisstärke bittet ehrfurchtsvoll um<br />
Beseitigung der Anomalie in der Zollbelegung,<br />
Ulm, 3. April 1870.<br />
Stadtarchiv Flensburg<br />
IIE, 02431 (NV), Verkauf der Elensburger Reismühle.<br />
XII Hs, 01422 (S). Luise Kallsen, „Reismühle“.
Archiv der Handelskammer Hamburg<br />
ll.D.40.4 Das handelsübliche Gewicht eines<br />
Sackes Reis.<br />
1 l.D.40.6 Gewichtsschwankungen bei Reis, Gewichtsschwund<br />
bei Reis.<br />
ll.D.40.14 Begriff Sack bzw. Ballen im <strong>Reishandel</strong>.<br />
20.H.2.1 Die Verhandlungen zur Schaffung eines<br />
Zollregulativs (1881-1888).<br />
20.H.2.3.1 Änderung des Zollregulativs für Reisschälmühlen.<br />
24.C.2.5. Hamburger Preisstatistik über Reis.<br />
Staatsarchiv Hamburg<br />
111-1 CI. VI Nr. 14І Voi. 1 Fase. 1 Handelsvertrag<br />
mit Birma 1877-1885.<br />
132 6/5 1 Konsulat Bassein.<br />
132-H 208 Beschlagnahmung einer Reissendung<br />
der Fa. Horn & Samsche, Hamburg, auf dem<br />
deutschen D „Mudros“ durch griechische Seestreitkräfte<br />
1913-1915.<br />
132-11 1244 Bd. 1 Änderung Zollregulative geschälter<br />
Reis 1906.<br />
132-H 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative geschälter<br />
Reis 1907-1913.<br />
132-112339 Einfuhr von Paddy-Reis 1899.<br />
132-11 3939 Enteignung Ea. Cuno Hering.<br />
Rickmers-Familieuarchiv, Hamburg<br />
Kopierbuch VI, Reisetagebuch Paul Rickmers.<br />
PK 1/7, Austritt Andreas Rickmers.<br />
PK 1/11, Rickmers AG - 1910 Unregelmäßigkeiten<br />
Reis- & Handels AG Korrespondenz<br />
Robert und Paul Rickmers.<br />
PK 1/13, Dossier Andreas Rickmers, Anhang<br />
Rickmers AG 1908-1910.<br />
PK 7/16,1883,1885 u. 1886 Dokumentensammlung<br />
Rickmers AG.<br />
PK 8/2,1889-1909 Beteiligungen der Rickmers<br />
AG an anderen Unternehmen.<br />
PK 10/7, Kopien von Zusammenfassungen biographischer<br />
Eorschungen zu Rickmer Ciasen<br />
Rickmers (1807-1886).<br />
PK 11/13, Personenakte Robert Henry Rickmers<br />
1864-1948.<br />
PK 12/7, Sammelbox Willi Heinrich Rickmers<br />
Asienreiseberichte 1876-1877.<br />
PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891.<br />
ST 7, Manuskripte Pestschrift.<br />
ST 7Я1, Manuskripte Pestschrift.<br />
ST 9, Diverse Korrespondenzen.<br />
Liverpool Record Office and History Library<br />
MD 285.1, Rice Cargoes.<br />
MD 285.3, Eraser & Co.’s Review of the Rice<br />
Trade for 1885.<br />
Kreisarchiv Osterholz<br />
989/11, Landkauf zwischen Gastwirt Müller und<br />
Maurer Steeneck für Lange 12.10.1876.<br />
989/20, Kauf Pfarrweide 1877.<br />
989/6, Landkauf Ziegelkampe 1877.<br />
989/66, Arbeitsordnung ab dem 14.1.1910.<br />
989/67, 67a, 67d, 67e, Verträge der Vereinigten<br />
Reisstärke Fabriken.<br />
989/67b, Statut der Deutschen Reisstärke-Verkaufs-Gesellschaft<br />
vom 14.6.1911.<br />
989/67f, Brief Joseph Colman Limited et al. an<br />
Gebr. Nielsen vom 22.7.1908.<br />
989/80, Artikel Osterholzer Kreisblatt 6./7. Januar<br />
1979, 60 Jahre Osterholzer Reiswerke.<br />
989/82, Konzessionsurkunde vom 5.10.1875.<br />
Onlinequellen<br />
http://www.bitterfeld-online.de/index.php?<br />
id= 111303000513&cid= 111303000213<br />
(zuletzt abgerufen am 29.7.2011).<br />
h ttp://w w w .peter-hug.ch/lexikon/fium e?<br />
Typi^PDF<br />
(zuletzt abgerufen am 11.10.2011).<br />
http://faostat.fao.org/site/535/DesktopDefault.as<br />
px?PagelD=535#ancor<br />
(Statistiken der Food and Agriculture Organization<br />
of the United Nations, zuletzt abgerufen<br />
am 4.1.2012).<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/<br />
Sites/destatis/lnternet/DE/Content/Statisti<br />
ken/lnternationalesЯnternationaleStatistik/Th<br />
ema/Landwirtschaft/TabJB 1l_A_13_2,property=file.pdf<br />
252
(Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch<br />
2011, S. 708, zuletzt abgerufen am 4.1.<br />
2012).<br />
http://de.academic.ru/dic.nsf/konversations_lexikon/56765/Pikul<br />
(Brockhaus 1911, zuletzt abgerufen am 28.1.<br />
2012).<br />
http://en.wikipedia.org/wiki/Cambodian_tical<br />
(Wikipedia, zuletzt abgerufen am 11.4.2011).<br />
Verhandlungen der Bremischen Bürgerschaft<br />
vom Jahre 1858, Stenographisch aufgezeichnet,<br />
Bremen 1858.<br />
Zeitungen<br />
Weser-Zeitung vom 10.2.1846.<br />
The Straits Times, 22.11.1910, S. 7. Zitiert nach:<br />
http://newspapers.nl.sg/Digltised/Article/<br />
straitstimesl9101122.2.68.aspx<br />
(zuletzt abgerufen am 1.11.2011).<br />
The Straits Times, 29.11.1910, S. 7. Zitiert nach:<br />
http://newspapers.nl.sg/Digitised/Article/straitstimesl9101129.2.57.aspx<br />
(zuletzt abgerufen am 1.11.2011).<br />
2. Gedruckte Quellen<br />
Böckh, Richard (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch<br />
der Stadt Berlin, 8. Jahrgang 1880 <strong>bis</strong> 25.<br />
Jahrgang 1898, Berlin 1882 <strong>bis</strong> 1900.<br />
Bremisches Statistisches Amt (Hrsg.), Jahrbuch<br />
für Bremische Statistik, Jahrgang 1848 <strong>bis</strong><br />
Jahrgang 1916, Bremen 1849 <strong>bis</strong> 1917.<br />
Hirschberg, Ernst (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch<br />
der Stadt Berlin, 29. Jahrgang 1904, Berlin<br />
1905.<br />
Kaiserlich Statistisches Amt (Hrsg.), Statistisches<br />
Jahrbuch für das Deutsche Reich, Zehnter<br />
Jahrgang 1889 <strong>bis</strong> Vierunddreißigster Jahrgang<br />
1913, Berlin 1889 <strong>bis</strong> 1913.<br />
Kunis, Karl W. u.a. (Hrsg.), Die Mühle. Wochenschrift<br />
zur Förderung der Deutschen<br />
Mühlenindustrie. Amtliches Vereinsblatt des<br />
Verbandes deutscher Müller und der Müllerei<br />
Berufsgenossenschaft, 17. Jahrgang 1880 <strong>bis</strong><br />
33. Jahrgang 1896, Leipzig 1880 <strong>bis</strong> 1896.<br />
Silbergleit, Heinrich (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch<br />
der Stadt Berlin, 31. Jahrgang 1906/07,<br />
Berlin 1909.<br />
253
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle II. 4.1, Reissorten mit ihren äußeren Eigenschaften ....................................................... 70<br />
Tabelle II. 4.2, Handelsnamen von R e is......................................................................................... 72<br />
Tabelle II. 4.3, Reisverbrauch pro Kopf in Deutschland 1836-1910 ........................................... 73<br />
Tabelle II. 4.4, Reisverbrauch gesamt in Deutschland 1897-1913 ................. 74<br />
Tabelle II. 4.5, Reispreise in Rangun 1845-1916 ........................................................................... 76<br />
Tabelle II. 4.6, Großhandelspreise für Reis in Deutschland 1879-1912 .................................... 77<br />
Tabelle II. 4.7, Vergleich der Einkaufspreise in Rangun mit Großhandelspreisen in<br />
Bremen 1880-1912 ........................................................................................................................... 78<br />
Tabelle II. 4.8, Kleinhandelspreise für Reis in Berlin 1878-1907 ............................................... 79<br />
Tabelle III. 2.1, Chemische Analyse und Stärkegehalt von Reis, Weizen, Mais und<br />
Kartoffeln 1893 .................................................................................................................................... 118<br />
Tabelle III. 2.2, Zollpolitische Eingaben und Entscheidungen im Zusammenhang mit<br />
Reisstärke 1869-1906 ......................................................................................................................... 122<br />
Tabelle 111. 2.3, Einfuhrzölle auf Stärke in Deutschland 1868-1906 ........................................... 123<br />
Tabelle III. 2.4, Reisstärkefabriken in Deutschland 1885 .............................................................. 130<br />
Tabelle III. 2.5, Absatz von deutscher Reisstärke im In- und Ausland 1890-1913 ................... 131<br />
Tabelle III. 2.6, Einfuhrzölle auf deutsche Reisstärke in Europa zwischen 1879 und 1892 . . . 133<br />
Tabelle III. 2.7, Nettoschutz deutscher Reisstärke in Deutschland im Vergleich zum Ausland 133<br />
Tabelle III. 2.8, Verkaufspreise für Reisstärke 1887-<strong>1914</strong> ............................................................ 135<br />
Tabelle III. 3.1, Reisexport aus Birma je Hafen und Gesamt 1880-1889 .................................. 138<br />
Tabelle III. 4.1, Import von Rohreis, Produktion von poliertem Reis und Export von<br />
poliertem Reis in Bremen 1844-1874 .............................................................................................. 145<br />
Tabelle III. 4.2, Import von Rohreis, Produktion von poliertem Reis und Export von<br />
poliertem Reis in Bremen 1874-1881 .............................................................................................. 147<br />
Tabelle III. 4.3, Reisexport Birmas nach Europa 1876-1885 ....................................................... 151<br />
Tabelle III. 4.4, Reisexport Bengalens nach Europa 1876-1885 ................................................. 151<br />
Tabelle III. 4.5, Reisexporte Birmas und anderer asiatischer Häfen 1880-1885 ........................ 151<br />
Tabelle III. 4.6, Import von Rohreis sowie Verbrauch und Export von poliertem Reis<br />
in Bremen 1881-1885 ....................................................................................................................... 152<br />
Tabelle III. 4.7, Reisexporte Birmas per Dampfschiff 1886-1889 ............................................... 152<br />
Tabelle III. 4.8, Reisexporte Birmas nach Europa 1886-1889 ..................................................... 153<br />
Tabelle III. 4.9, Reisexporte aller asiatischen Häfen 1868-1874 ................................................. 155<br />
Tabelle III. 4.10, Reisexporte aller asiatischen Häfen nach Europa 1868-1881 ........................ 155<br />
Tabelle III. 4.11, Gesamte Reisexporte Birmas nach Europa 1868-1874 .............................. 156<br />
Tabelle III. 4.12, Gesamte Reisexporte Birmas nach Europa 1877-1890 .............................. 156<br />
Tabelle III. 4.13, Vergleichende Darstellung der Reisimporte in Bremen, Hamburg, London<br />
und Liverpool 1877-1895 ................................................................................................................... 156<br />
Tabelle III. 4.14, Vergleichende Darstellung der Reisexporte von Bremen, Hamburg und<br />
aus England 1872-1895 ..................................................................................................................... 157<br />
Tabelle III. 5.1, Reisausfuhr der vier Reishäfen Birmas 1859-1890 ........................................... 158<br />
Tabelle III. 5.2, Export von poliertem Reis aus London und Liverpool 1881-1885 ................ 159<br />
Tabelle III. 5.3, Reisexporte Bremens nach Preußen und in ausgewählte Länder 1872-1887 . . 160<br />
Tabelle III. 5.4, Reisexporte deutscher Reismüller auf <strong>die</strong> wichtigsten Absatzmärkte<br />
nach 1900 ............................................................................................................................................. 161
Tabelle IV. 2.1, Verluste der „Austria“ Reiswerke-Actiengesellschaft in Aussig 1900-1905 . . 180<br />
Tabelle IV. 2.2, Aktionäre und Stimmen der Generalversammlung der „Austria“<br />
Reiswerke-Actiengesellschaft in Aussig 1904/05 ........................................................................ 180<br />
Tabelle IV. 2.3, Internationale Beteiligungen der Rickmers AG 1898 ........................................ 185<br />
Tabelle V. 1.1, Reissorten für <strong>die</strong> asiatischen Konsummärkte inklusive des maximalen<br />
Anteils von Bruchreis....................................................................................................................... 200<br />
Tabelle V. 1.2, Reisexporte aus Birma in tons nach Europa, andere westliche Märkte<br />
und asiatische Märkte 1870-1917 .................................................................................................. 200<br />
Tabelle V. 1.3, Anstieg der Zahl der Reismühlen in Birma 1861-1919 ...................................... 202<br />
Tabelle V. 1.4, Nationalität der Mühlenbesitzer in Birma 1881-1921 ......................................... 202<br />
Tabelle V. 1.5, Zahl der Angestellten je Nationalität der Mühlenbesitzer in B irm a................... 202<br />
Tabelle V. 1.6, Verhältnis kleiner zu großen Reismühlen in Birma ............................................. 203<br />
Tabelle V. 1.7, Jährliche Durchschnittsmengen und Verhältnisse im Export von Cargoreis<br />
und weißem Reis aus Birma 1881-1902 ....................................................................................... 204<br />
Tabelle V. 2.1, Liste der in <strong>die</strong> Reis- und Handels AG eingebrachten Mühlen mit W e rt........... 211<br />
Tabelle V. 2.2, Aufteilung der Hamburger Reiseinfuhr 1911 ........................................................ 221<br />
Tabelle V. 2.3, Stand der Verbindlichkeiten der Reis- und Handels AG 1908 ............................ 223<br />
Tabelle V. 2.4, Die von Paul und Robert Rickmers während der Rickmers-Affäre verwendeten<br />
Decknamen........................................................................................................................................ 225<br />
Tabelle V. 2.5, Bilanz der Reis- und Handels AG 1902-<strong>1914</strong> ..................................................... 226<br />
Tabelle V. 2.6, Aktienzahl, -werte und Dividenden der Reis- und Handels AG im Besitz der<br />
Rickmers AG 1901-<strong>1914</strong> ................................................................................................................. 227<br />
Tabelle V. 3.1, Positionen des Schälregulativs 1906 ........................................................................ 229<br />
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Wasch- und Toiletten-Stärke und des künstlichen<br />
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der Stärkefabrikation sich ergebenden Abfälle,<br />
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4 Menniger, Annero.se, Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee,<br />
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2008. Siehe auch: Jacob, Heinrich-Eduard, Kaffee: Die Biographie<br />
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5 Roder, Hartmut (Hrsg.), Schokolade. Geschichte, Geschäft und<br />
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6 Niehoff, Lydia, Bremer Bier im Baltikum? Eine Suche nach<br />
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7 Foster, Robert J., Cola: Coca-Globalization Following Soft<br />
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8 Ein Beispiel für eine moderne Wirtschaftsgeschichtsschreibung:<br />
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9 Seling-Biehusen, Petra, Kaffee-Handel und Kaffee-Genuß in der<br />
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1995. Siehe auch: Engel, Karin, Die Kaffeeprinzessin, München<br />
2008.<br />
10 Schildknecht, Karl-Heinz, Bremer Baumwollbörse: Bremen und<br />
Baumwolle im Wandel der Zeiten, Bremen 1999.<br />
11 Zum Beispiel: Engelsing, Rolf, Herrn. Dauelsberg. Schiffsmakler<br />
1857-1957, Bremen 1957. Oder: Wätjen, Hans, Weißes W im<br />
blauen Feld. Die bremische Reederei und Überseehandlung D.<br />
H. Wätjen & Co. 1821-1921, Wolfsburg 1983.<br />
12 Roder, Hartmut, Reis-Weltmarkt Bremen: Aufstieg und Niedergang.<br />
In: Ders. (Hrsg.), Bremen - Handelsstadt am Ruß, Bremen<br />
1995,8.231-237.<br />
13 Zum Beispiel: Prüser, Friedrich, Aus der Geschichte der Reisund<br />
Handels-Aktiengesellschaft Bremen, Bremen 1937. Oder<br />
auch: Ders., 1000 Jahre Bremer Kaufmann, Bremen 1965.<br />
14 Oppel, Alwin, Der Reis, Bremen 1891.<br />
15 Schuhmacher, Hermann, Der Reis in der Weltwirtschaft, München,<br />
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16 Blankenburg, Paul, Der Reis. Eine wirtschaftsgeographische Untersuchung,<br />
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19 Chamey, Michael W., A History of Modem Burma, Cambridge<br />
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20 Fuhse, Georg, Die Freie Hansestadt Bremen in wirtschaftsgeschichtlicher<br />
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21 Rauers, Friedrich, Bremer Handelsgeschichte im 19. Jahrhundert:<br />
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Statistik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,<br />
Bremen 1913.<br />
22 Für eine Zusammenfassung der Argumente unterschiedlicher<br />
Globalisierungsepochen in der Geschichte siehe: Steams, Peter<br />
N., Globalization in World History, New York 2010.<br />
23 Siehe: Miller, James Innés, The Spiee Trade of the Roman Empire,<br />
Oxford 1998.<br />
24 Siehe: Osterhammel, Jürgen und Niels P. Pelersson, Geschichte<br />
der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, München<br />
2006'.<br />
25 Siehe: Pohl, Hans, Aufbruch der Weltwirtschaft. Geschichte der<br />
Weltwirtschaft von der Mitte des 19. Jahrhunderts <strong>bis</strong> zum Ersten<br />
Weltkrieg, Stuttgart 1989.<br />
26 Conrad, Sebastian und Andreas Eckert, Globalgeschichte, Globalisierung,<br />
multiple Modernen: Zur Geschichtsschreibung der<br />
modernen Welt. In: Freitag, Ulrike u.a. (Hrsg.), Globalgeschichte.<br />
Theorien, Ansätze, Themen, Frankfurt 2007, S. 20.<br />
27 Ebd„ S. 37.<br />
28 Conrad, Sebastian, Globalisierung und Nation im Deutschen<br />
Kaiserreich, München 2006, S. 33.<br />
29 Torp, Cornelius, Die Herausforderung der Globalisierung. Wirtschaft<br />
und Politik in Deutschland 1860-<strong>1914</strong>, Göttingen 2005,<br />
S. 21, 356, 363.<br />
30 „Rickmers Rhederei, Reismühlen und Schiffbau A.G.“ ist ein<br />
Eigenname und „Rhederei“ daher in seiner altertümlichen<br />
Schreibweise belassen. In Zitaten und bei der Nutzung von Eigennamen<br />
werden <strong>die</strong>se auch künftig in der ursprünglichen<br />
Schreibweise wiedergegeben.<br />
31 Historiker nutzen in der Analyse zumeist „Kategorien“ oder<br />
„Chiffren“, um Vemetzungs- und Verdichtungsprozesse zu benennen.<br />
Einen guten Überblick der „Chiffren“, unter denen Globalisiemng<br />
im 19. Jahrhundert erkennbar wird, bieten Nussbaumer<br />
und Exenberger. Siehe: Nussbaumer, Josef und Andreas<br />
Exenberger, Chiffren zur Globalisierung in der zweiten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts (ca. <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong>), Innsbruck 2003. Beitrag<br />
zur Tagung „Geschichten der Globalisierung“ an der FH Kufstein-Tirol,<br />
9./10. Jänner 2003. Siehe: http://homepage.uibk.<br />
ac.at/~c43207/<strong>die</strong>/papers/globchiff.pdf (zuletzt abgerufen am<br />
12.3.2010).<br />
32 Migration bedeutete vielfach Arbeitsmigration und war in mehrfacher<br />
Hinsicht wichtig für <strong>die</strong> Entstehung eines internationalen<br />
Reismarktes. Dennoch sollen in <strong>die</strong>ser Arbeit nicht explizit Ansätze<br />
der Global Labour History im Vordergrund stehen. Dies<br />
würde dem Faceltenreichtum an Prozessen, <strong>die</strong> auf den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> Einfluss nahmen, nicht gerecht und den Fokus der<br />
Arbeit zu einseitig ausrichten. Zu Global Labour History siehe:<br />
van der Linden, Marcel, Workers of the World. Essay towards a<br />
Globa! Labor History, Leiden 2(Ю8.<br />
33 Blankenburg, Der Reis, S. 4.<br />
34 Witthöft, Harald, Deutsche Maße und Gewichte des 19. Jahrhunderts:<br />
Nach Gesetzen, Verordnungen und autorisierten Publikationen<br />
deutscher Staaten, Territorien und Städte, St. Katharinen<br />
1993. S. 108.<br />
35 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 25.<br />
36 Grant, Rice Crop in Burma, S. 52.<br />
37 Dethloff, Henry C., A History of the American Rice Industry<br />
1685-1985, Texas 1988,5.26.<br />
38 Nach Roche begann der Reisbau in Nordamerika bereits im frühen<br />
17. Jahrhundert, Schneider spricht vom Jahr 1694, weist<br />
aber darauf hin, dass es bereits 1647 erfolglose Versuche im Anbau<br />
von Reis gegeben habe. Siehe: Roche, Julian, The International<br />
Rice Trade, Cambridge 1992, S. 18. Sowie: Schneider,<br />
Heinz, Der Reisbau in den Vereinigten Staaten unter dem Einfluß<br />
des Welthandels, Berlin 1938, S. 26, besonders FN 45.<br />
39 Wenig überzeugt <strong>die</strong> Angabe aus einer Warenkunde und Rezeptschrift<br />
der Rickmers Reismühlen GmbH, <strong>die</strong> aus der Zeit<br />
zwischen 1988 und 1993 stammt, nach der spanische Eroberer<br />
den Reis um 1690 nach Nordamerika brachten. Siehe: Rice<br />
Council of America (Hrsg.), Reis: Warenkund-Rezepte: Kochen<br />
mit amerikanischem Langkomreis, ohne Ort, ohne Jahr, S. 7.<br />
265
40 Schönfeldl nennt zwar keine Jahreszahl, schildert den möglichen<br />
Ablauf der Ereignisse aber sehr anschaulich. Während der Reparatur<br />
einer holländischen Brigg aus Madagaskar habe sich der<br />
Gouverneur besonders interessiert an Reis gezeigt und daher einen<br />
Sack Reis geschenkt bekommen, auf dem sich <strong>die</strong> amerikanische<br />
Reisindustrie gründete. Siehe: Schönfeld, Sybil Gräfin,<br />
Dem Reis auf der Spur. Historisches, ln: Lampe, Klaus u.a.<br />
(Hrsg.), Das große Buch vom Reis, Füssen 1997, S. 6-9, hier<br />
S. 6.<br />
41 Dethloff. American Rice Industry, S. 8 f.<br />
42 Ebd., S. 10. Davon abweichende Angaben von 76,5 Millionen<br />
Pfund exportiertem Reis 1770 und jährliche Exportmengen<br />
1717-1838 siehe: Smith, Julia Floyd, Slavery and Rice Culture<br />
in Low Country Georgia 1750-1860, Knoxville 1985, S. 214.<br />
43 Stopel, Ursula, Der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag<br />
der Hansestädte mit Sansibar 1859-61. In: Rektor der<br />
Karl-Marx-Universität Leipzig (Hrsg.), Wissenschaftliche Zeitschrift<br />
der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschafts- und<br />
Sprachwissenschaftliche Reihe Heft 1/2, 4. Jg., 1954/55, S. 95-<br />
124, hierS.97,F N 20.<br />
44 Damit dürfte <strong>die</strong> Angabe Krügers, dass erst 1844 das erste direkt<br />
nach Bremen klarierte Reisschiff <strong>die</strong> Weser erreichte, kaum stimmen.<br />
Die früheren Schiffe mögen ihre Reisladung eventuell nicht<br />
als solche angegeben haben, dass Bremen aber schon früher auf<br />
direktem Weg Reis aus Nordamerika erreichte, ist unzweifelhaft.<br />
Siehe: Krüger, Almut, Die Konsuln der Freien Hansestadt Bremen<br />
in den englischen Kolonien in Amerika, Asien und Australien<br />
im 19. Jahrhundert (1840-1870), Göttingen 1960, S. 20.<br />
45 Mitte des 17. Jahrhunderts verlor London seine Stellung als alleiniger<br />
wichtiger Hafen im englischen Atlantikhandel und <strong>die</strong><br />
wirtschaftliche Bedeutung der Häfen in Bristol und Liverpool<br />
wuchs. Siehe: Haan, Heiner, Gottfried Niedhart, Geschichte<br />
Englands vom 16. <strong>bis</strong> zum 18. Jahrhundert. Geschichte Englands<br />
in 3 Bänden, Bd. II, München 1993, S. 106.<br />
Dethloff, American Rice Industry, S. 13 ff., 27.<br />
62. Brief aus Bremerhaven an N. Gloystein Söhne, Bremen,<br />
vom 23.8.1849. In: Buller<strong>die</strong>k, Jöm und Daniel Tilgner (Hrsg.),<br />
„Was ferner vorkömmt werde ich prompt berichten.“ Der Auswanderer-Kapitän<br />
Heinrich Wieting. Briefe 1847-1856, Bremen<br />
2008, S. 91.<br />
48 35. Brief aus Grimsby/Hull an N. Gloystein Söhne, Bremen,<br />
vom 31.8./1.9.1848. In; Buller<strong>die</strong>k, Der Auswanderer-Kapitän<br />
Heinrich Wieting, S. 63.<br />
49 1 Morgen entspricht etwa Ѵл Hektar. 50 Morgen entsprechen<br />
also 12,5 Hektar.<br />
Dethloff, American Rice Industry, S. 17.<br />
Smith, Slavery and Rice Culture in Low Country Georgia, S.<br />
18.<br />
Ebd.,S. 18 ff.<br />
Ebd., S. 22.<br />
Dethloff, American Rice Industry, S. 19.<br />
Smith, Slavery and Rice Culture in Low Country Georgia, S.<br />
30 ff.<br />
Dethloff, American Rice Industry, S. 18.<br />
57 Smith, Slavery and Rice Culture in Low Country Georgia, S.<br />
61 f.<br />
Dethloff, American Rice Industry, S. 20.<br />
Smith, Slavery and Rice Culture in Low Country Georgia, S.<br />
43. Siehe auch: Dethloff, American Rice Industry, S. 23.<br />
Ebd., S. 36. Siehe auch: Smith, Slavery and Rice Culture in<br />
Low Country Georgia, S. 18.<br />
70. Brief aus Charleston an N. Gloystein Söhne, Bremen, vom<br />
23.1.1851. In: Buller<strong>die</strong>k, Der Auswanderer-Kapitän Heinrich<br />
Wieting, S. 115.<br />
Dethloff, American Rice Industry, S. 38. Siehe auch: Smith,<br />
Slavery and Rice Culture in Low Country Georgia, S. 76.<br />
63<br />
64<br />
65<br />
66<br />
67<br />
68<br />
69<br />
70<br />
71<br />
72<br />
73<br />
74<br />
75<br />
Bremisches Statistisches Amt (Hrsg.): Jahrbuch für Bremische<br />
Statistik, Jahrgang 1851, Bremen 1852.<br />
Archiv Handelskammer Bremen, C V I87 Handel mit Reis, Brief<br />
der Agricultural Society of South Carolina an das Collegium<br />
der Äldermänner in Bremen, Januar 1828, S. 1.<br />
Ebd.<br />
Ebd., S. 2.<br />
Ebd., S. 3.<br />
Französisch-Indochina führte seinen Reis vornehmlich nach<br />
Frankreich aus. In China, Japan, auf Java und den Philippinen<br />
wurde auch Reis angebaut, zumeist wurde aber zur Deckung<br />
des Bedarfs noch zusätzlicher Reis eingeführt. Siehe: Schuhmacher,<br />
Reis in der Weltwirtschaft, S. 32-50.<br />
Hunter, William, Kurze Nachricht von dem Königreich Pegu.<br />
Dessen Klima, Erzeugnissen, Handel und Regierung, wie auch<br />
den Sitten und Gebräuchen der Einwohner; gesammelt auf einer<br />
dem Befehl der ostindischen Kompanie zufolge unternommenen<br />
Seereise von W. Hunter der Weltweisheit Doktor und Wundarzt.<br />
Aus dem Englischen übersetzt, Hamburg 1787.<br />
Zugleich wird aber später im Text behauptet, dass das Schiff<br />
Hunters nur auf Grund eines Sturms und nötig gewordener Reparaturen<br />
den Fluss Syrinam in Pegu anlief. Siehe S. 14.<br />
Allerdings wurde bereits in Zcdlcrs Univcrsallcxikon von 1742,<br />
also noch vor dem Reisebericht Hunters, unter dem Stichwort<br />
Reis davon berichtet, dass in Pegu Alkohol aus Reis gewonnen<br />
wird: „[...] und in Pegu ein starckes Wasser, welches unserm<br />
Aquavite kaum nachgiebet.“ Siehe: Ze<strong>die</strong>r, Johann Heinrich,<br />
Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Band 31, Leipzig,<br />
Halle 1742. Nachdruck Graz 1961, S. 352.<br />
Hunter, Kurze Nachricht von dem Königreich Pegu, S. 11.<br />
Hunter, Kurze Nachricht von dem Königreich Pegu, S. 16 f.<br />
Wahrscheinlich um das Jahr 1757. Siehe: Siok-Hwa, The Rice<br />
Industry of Burma, S. 1, bes. FN 3.<br />
Singer, Noel F., Old Rangoon: City of Shwedagon, Gartmore<br />
1995, S. 34. Siehe auch: Hunter, Kurze Nachricht von dem Königreich<br />
Pegu, S. 63.<br />
Ebd., S. 40 f.<br />
Barbosa, Duarte, A Description of the Coasts of East Africa and<br />
Malabar in the Beginning of the Sixteenth Century. Translated<br />
from an Early Spanish Manuscript in the Barcelona Library,<br />
with Notes and Preface by the hon. E. J. Stanley, London 1866,<br />
S. 183.<br />
Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 2.<br />
Zöllner, Hans Bemd, Birma zwischen „Unabhängigkeit Zuerst -<br />
Unabhängigkeit Zuletzt“. Die birmanische Unabhängigkeitsbewegung<br />
und ihre Sicht der zeitgenössischen Welt am Beispiel<br />
der birmanisch-deutschen Beziehungen zwischen 1920 und 1948,<br />
Hamburg 2000, S. 190. Johann Wilhelm Helfer stammte aus<br />
Prag. Auch wenn er der deutschsprachigen Mehrheit angehörte,<br />
war er korrekt formuliert Österreicher. Dies ist jedoch von untergeordneter<br />
Bedeutung, da <strong>die</strong> Beschreibung von Helfers Reisen,<br />
in Leipzig veröffentlicht, einer preußischen Prinzessin sowie<br />
deren Töchtern gewidmet wurde und damit deutsche Leser ansprach.<br />
Zur Widmung und der Herkunft Helfers siehe: Nostitz,<br />
Pauline Gräfin, Johann Wilhelm Heifer’s Reisen in Vorderasien<br />
und In<strong>die</strong>n, Leipzig 1873, S. V sowie S. 1.<br />
Zöllner, Birma zwischen „Unabhängigkeit Zuerst - Unabhängigkeit<br />
Zuletzt“, S. 191.<br />
Akyab war durch den Vertrag von Yandaboo in Folge des ersten<br />
Britisch-Birmanischen Krieges von 1824-1826 bereits 1826<br />
unter britische Herrschaft geraten.<br />
102. Brief aus Bremerhaven an N. Gloystein Söhne, Bremen,<br />
vom 26.8.1852. In; Buller<strong>die</strong>k, Der Auswanderer-Kapitän Heinrich<br />
Wieting, S. 154.<br />
Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 4.
82 Zur Aufhebung der Navigationsakte siehe: Lührs, Wilheim, Die<br />
Freie Hansestadt Bremen und England in der Zeit des Deutschen<br />
Bundes 1815-1867, Kiel 1955, S. 146-149.<br />
83 Wende, Peter, Das Britische Empire. Geschichte eines Weltreichs,<br />
München 2008, S. 133.<br />
84 Magee, Gary B. and Andrew S. Thompson, Empire and Globalisation.<br />
Networks of People, Goods and Capital in the British<br />
World, c. <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong>, Cambridge 2010, S. 13.<br />
85 Chamey, Modern Burma, S. 10.<br />
86 Glade, Dieter, Bremen und der Ferne Osten, Bremen 1966, S.<br />
28.<br />
87 Magee, Empire and Globalisation, S.26.<br />
88 Baker, Chris, Phongpaichit, Pasuk (Hrsg.), A History of Thailand,<br />
Cambridge 2009, S. 18.<br />
89 Ebd., S. 33.<br />
90 Ebd., S. 33.<br />
91 Ebd., S. 45.<br />
92 Glade, Bremen und der Ferne Osten, S. 33.<br />
93 Siehe zu Deutschen in der Vereinigten Ostindischen Kompanie:<br />
van Gelder, Roelof, Das ostindische Abenteuer. Deutsche in<br />
Diensten der Vereinigten Ostindischen Kompanie der Niederlande<br />
(VOC), 1600-1800, Hamburg 2004, S. 42-56. Sowie zu<br />
Bremern in der Vereinigten Ostindischen Kompanie: Glade, Bremen<br />
und der Feme Osten, S. 12 ff.<br />
94 Ebd., S. 17 ff.<br />
95 Nach einer Festschrift der Reis- und Handels AG gehörte Reis<br />
„angeblich“ zur Ladung der Schiffe. Siehe: Handelskammer<br />
Bremen (Hrsg.), Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft in<br />
Bremen. 50 Jahre deutscher Reisindustrie 1901-1951, Bremen<br />
1952, S. 5.<br />
96 Glade, Bremen und der Ferne Osten, S. 29 f., 35.<br />
97 Weser-Zeitung vom 10.2.1846, S. 1.<br />
98 Lührs, Bremen und England, S. 141. Sowie: Glade, Bremen und<br />
der Ferne Osten, S. 27, S. 29 f.<br />
99 Lührs, Bremen und England, S. 125, 132. Sowie: Glade, Bremen<br />
und der Ferne Osten, S. 27.<br />
100 Lührs, Bremen und England, S. 188.<br />
101 Ebd., S. 179.<br />
102 Ebd., S. 195.<br />
103 Glade, Bremen und der Feme Osten, S. 32.<br />
104 Ebd., S.51.<br />
105 Teilweise war es trotz Hafengebühren billiger, beladene Schiffe<br />
im Hafen liegen zu lassen, als <strong>die</strong> Ladung an Land zu lagern,<br />
nur weil der endgültige Abnehmer noch nicht festsland. Siehe:<br />
Kennedy, Alston, A North West European Shipping Communication<br />
and Servicing Hub: Falmouth for Orders, Repair and Supply,<br />
1881-1935. Paper for the 5"'International Congress of Maritime<br />
History, Greenwich 2008, University of Plymouth 2009.<br />
106 Mager, Johannes u.a.. Die Kulturgeschichte der Mühlen, Tübingen<br />
1989, S. 121 ff.<br />
107 Engelsing, Rolf, Bremisches Unternehmertum. Sozialgeschichte<br />
1780/1870. In: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, Bd. 2, Hannover<br />
1958,8.7-112, hier S. 97.<br />
108 Pust, Dieter, Flensburger Straßennamen, Flensburg 1995^, S.<br />
155.<br />
109 Stadtarchiv Flensburg, Xll Hs, 01422 (S). Luise Kallsen, „Reismühle“,<br />
S. 2 ff. Maschinengeschriebene Erinnemng an <strong>die</strong> Reismühle<br />
in Flensburg von Rektorin Luise Kallsen, Urenkelin des<br />
Reismühlenkäufers H. C. Kallsen. Siehe auch: Pust, Flensburger<br />
Straßennamen, S. 155.<br />
110 Schwarzwälder, Herbert, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen<br />
II. Von der Franzosenzeit <strong>bis</strong> zum Ersten Weltkrieg<br />
(1810-1918), Bremen 1995, S. 232 f.<br />
111 Schäfer, Max, Bremen und <strong>die</strong> Kontinentalsperre. In: Verein für<br />
Hansische Geschichte (Hrsg.), Hansische Geschichtsblätter, Bd.<br />
XX, <strong>1914</strong>, S. 4 13^62, hier S. 459.<br />
112 Hardegen, Friedrich und Käthi Smidt, H. H. Meier. Der Gründer<br />
des Norddeutschen Lloyd. Lebensbild eines Bremer Kaufmanns<br />
1809-1898, Berlin, Leipzig 1920, S. 38. Sowie: Schwarzwälder,<br />
Geschichte der Freien Hansestadt Bremen II, S. 73.<br />
113 Verhandlungen der Bremischen Bürgerschaft vom Jahre 1858,<br />
Stenographisch aufgezeichnet, Bremen 1858, Sitzung vom 3.<br />
März 1858, S. 32 ff.<br />
114 Schulz, Andreas, Vormundschaft und Protektion. Eliten und Bürger<br />
in Bremen 1750-1880, München 2002, S. 579.<br />
115 Prüser, Friedrich, Aus der Geschichte der Reis- und Handels-<br />
Aktiengesellschaft Bremen, Bremen 1937, S. 8, 13 ff. Siehe<br />
auch: Bargmann, Robert, 700 Jahre Bremer Mühlen, Bremen<br />
1937.<br />
116 Schuhmacher, Der Reis in der Weltwirtschaft, S. 98.<br />
117 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 17 ff.<br />
118 Über den Erfolg Buschmanns als Müller zeigt sich ein Widerspruch<br />
in der Literatur. Engelsing berichtet davon, dass <strong>die</strong> 1826<br />
gegründete Mühle Buschmanns trotz zwischenzeitlicher Blüte<br />
kein langfristig erfolgreiches Geschäft war. 1844 habe sich<br />
Buschmann daher zum Schiffsmakler wählen lassen. Andererseits<br />
hat er laut Prüser aber eine Mühle gegründet und aus dem guten<br />
Geschäft <strong>die</strong> Idee der Reismüllerei gewonnen. Dieser Widerspruch<br />
lässt sich hier nicht auflösen, ist aber andererseits für <strong>die</strong><br />
Geschichte des bremischen <strong>Reishandel</strong>s nicht von großem Belang,<br />
da Buschmann nur ein Grundstück verkaufte, auf dem später<br />
<strong>die</strong> Reismühle der Rickmers’ stand. Siehe dazu: Engelsing,<br />
Bremisches Unternehmertum, S. 97. Sowie: Prüser, Reis- und<br />
Handels-Aktiengesellschaft, S. 21.<br />
119 Lee, Robert, Regionale Strukturen: Seehandel und <strong>die</strong> Beziehungen<br />
zwischen Hafen und Hinterland in Bremen, 1815-<strong>1914</strong>.<br />
ln: Bremisches Jahrbuch, Band 86, Bremen 2007, S. 136-175,<br />
hierS. 149.<br />
120 Engelsing, Bremisches Unternehmertum, S. 98.<br />
121 Schäfer, Bremen und <strong>die</strong> Kontinentalsperre, S. 437 f., 442. Vergleiche<br />
auch: Nielsen, Friedrich Carl Ferdinand, Meine Lebensbeschreibung.<br />
Ergänzungen von Niels Rodewald 1996, Bremen<br />
1877-78,5.6.<br />
122 Leonhard, Melanie, Die Untemehmerfamilie Rickmers<br />
1834-1918, Bremen 2009, S. 17 f.<br />
123 Kellner-Stoll, Rita, Bremerhaven 1827-1888. Politische, wirtschaftliche<br />
und soziale Probleme einer Stadtgründung, Bremen<br />
1982, S. 74. Zur Gründungsgeschichte Bremerhavens siehe ebd.<br />
S .2 1 -^ .<br />
124 Ein Fuß entspricht etwa 0,305 Metern.<br />
125 Leonhard, Rickmers, S. 19-26.<br />
126 Nachfolgend nur DDG „Hansa“ genannt.<br />
127 Nachfolgend nur NDL genannt.<br />
128 Prager, Hans Georg, DDG Hansa. Vom Linien<strong>die</strong>nst <strong>bis</strong> zur Spezialschiffahrt,<br />
Herford 1976, S. 9. Zu einer Definition siehe<br />
auch: Schamow, Ulrich, Transpress Lexikon. Seefahrt, Berlin<br />
1988.<br />
129 Leonhard, Rickmers, S. 35—41.<br />
130 Scholl, Lars U., Im Schlepptau Großbritanniens. Abhängigkeit<br />
und Befreiung des deutschen Schiffbaus von britischem Knowhow<br />
im 19. Jahrhundert. In: Verein <strong>Deutscher</strong> Ingenieure (Hrsg.):<br />
Technikgeschichte, Bd. 50, 1983, S. 213-223, hier S. 215 f.<br />
131 Vergleiche: Kozian, Walter, Klipperschiffe und Schneilsegler,<br />
Wien, Graz 2002, bes. S. 166.<br />
132 Leonhard, Rickmers, S. 4L<br />
133 Karting, Herbert, Die Ida Ziegler. Der erste von R. C. Rickmers<br />
gebaute Klipper (Teil 1 und 2). In: Arbeit.skreis Historischer<br />
Schiffbau e.V. (Hrsg.), Das Logbuch. Zeitschrift für Schiffbaugeschichte<br />
und Schiffsmodellbau, 45. Jahrgang, Heft 2/2009, S.<br />
80-88, Heft 3/2009, S. 119-125.<br />
134 Zur Weltwirtschaftskrise 1857 siehe; Hahn, Hans-Werner, Die<br />
industrielle Revolution in Deutschland. Enzyklopä<strong>die</strong> Deutsche<br />
Geschichte Bd. 49, München 201U.<br />
267
135 Leonhard, Rickmers, S. 52-55, 60 f.<br />
136 Scholl, Lars U., Im Schlepptau Großbritanniens, S. 213.<br />
137 Behrens, Georg, Geschichte der Stadt Geestemünde, Wesermünde<br />
1928, S. 63.<br />
138 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 89. Die Bedeutung<br />
von Kohle für <strong>die</strong> Entwicklung hatte <strong>die</strong> East India Company<br />
bereits 1836 erkannt, da Johann Helfer bei der Erkundung Tenasserims<br />
besonders nach Kohleflözen suchen sollte. Siehe: Nostitz,<br />
Heifer’s Reisen in Vorderasien und In<strong>die</strong>n, Teil II, S. 69.<br />
139 Leonhard, Rickmers, S. 63 f., 84.<br />
140 Das International Rice Research Institute wurde 1959/60 durch<br />
zwei amerikanische Stiftungen, <strong>die</strong> Ford- und <strong>die</strong> Rockefeller-<br />
Stiftung, auf den Philippinen gegründet. Ziel war es, <strong>die</strong> erwarteten<br />
Emährungskrisen in In<strong>die</strong>n und Asien abzuwenden. Bereits<br />
1965 stellte das Reisforschungsinslitut mit der Züchtung IR8<br />
den ersten Hochertragsreis vor. Siehe: Lampe, Klaus u.a. (Hrsg.),<br />
Das große Buch vom Reis, Füssen 1997, S. 15 f. Siehe auch:<br />
http://irri.org/ (zuletzt abgerufen am 16.12.2010).<br />
141 Lampe, Buch vom Reis, S. 18.<br />
142 Brockhaus, Enzyklopä<strong>die</strong> in 30 Bänden. 21., völlig neu bearbeitete<br />
Auflage, Band 22, Leipzig, Mannheim 2006, S. 755 f.<br />
143 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 11. Siehe auch:<br />
Schönfeld, Dem Reis auf der Spur, S. 6.<br />
144 Brockhaus, Band 22, S. 756.<br />
145 Ze<strong>die</strong>r, Johann Heinrich, Grosses vollständiges Universal-Lexikon,<br />
Band 31, Leipzig, Halle 1742, Nachdruck Graz 1961, S.<br />
351-358, hier S. 352.<br />
146 Siehe Kapitel I.<br />
147 Ze<strong>die</strong>r, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Band 31, S.<br />
353.<br />
148 Ebd., S. 352.<br />
149 Ebd., S. 356.<br />
150 Ebd.<br />
151 Flörke, Heinrich Gustav (Hrsg.), D. Johann Georg Krünitz’s<br />
ökonomisch-technologische Encyklopä<strong>die</strong> oder allgemeines System<br />
der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft und der Kunstgeschichte<br />
in alphabetischer Ordnung, Band 122, Berlin 1813,<br />
S. 222-268.<br />
152 Ebd., S. 232.<br />
153 Schönfeld, Dem Reis auf der Spur, S. 8.<br />
154 Flörke, Krünitz’s Encyklopä<strong>die</strong>, Band 122, S. 235.<br />
155 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891, Reisfuttermehl<br />
aus den Reisdampfmühlen von R. C. Rickmers Bremen, S. 15.<br />
156 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 3 f.<br />
157 Blankenburg. Der Reis, S. 50-54.<br />
158 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 110.<br />
159 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 3. Siok-Hwa gibt<br />
den Gewichtsverlust mit <strong>bis</strong> zu 21 Prozent an. Siehe: Siok-Hwa,<br />
The Rice Industry of Burma, S. 109.<br />
160 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 8 f.<br />
161 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 30.<br />
162 Bachmann, Carl, Der Reis: Geschichte, Kultur und geographische<br />
Verbreitung, seine Bedeutung für <strong>die</strong> Wirt.schaft und den Handel,<br />
Berlin 1912, S. 326.<br />
163 Ebd.<br />
164 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 28 f.<br />
165 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 10.<br />
166 Ebd.,S. 15 f.<br />
167 Teuteberg, Nahrungsgewohnheilen.<br />
168 Wiegelmann, Günter, Alltags- und Festspeisen in Mitteleuropa.<br />
Innovationen. Strukturen und Regionen vom späten Mittelalter<br />
<strong>bis</strong> zum 20. Jahrhundert. Münster u.a. 2СЮ6^, S. 42 f.<br />
169 Ebd., S.41,45.<br />
170 Schönfeld, Dem Reis auf der Spur, S. 8.<br />
171 Ebd.,S. 9.<br />
172 Teuteberg, Nahrungsgewohnheiten, S. 227 f.<br />
173 Ze<strong>die</strong>r, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Band 31, S.<br />
353.<br />
174 Flörke, Krünitz’s Encyklopä<strong>die</strong>, Band 122, S. 243.<br />
175 Ebd., S. 248-268.<br />
176 Wiegelmann, Alltags- und Festspeisen in Mitteleuropa, S. 65.<br />
177 Spiekermann, Uwe, Historischer Wandel der Ernährungsziele<br />
in Deutschland - Ein Überblick. Vortrag zur 22. Wissenschaftlichen<br />
Jahrestagung der AGEV, Karlsruhe, 11.-13. Oktober 2000.<br />
Siehe: www.agev-rosenheim.de/wissenswertes/ev/historie.htm<br />
(zuletzt abgerufen am 4.9.2009).<br />
178 Siehe FN 35.<br />
179 Büsing, Eduard, Der Reis in seiner Bedeutung für <strong>die</strong> Volksernährung.<br />
Reis- und Handels Aktiengesellschaft Bremen-Hamburg<br />
aus Anlaß der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden<br />
1911,Bremen 1911,S. lOff.<br />
180 Ebd., S. 11.<br />
181 Zu den Wechselkursen von Rupie zu Pfund siehe Abschnitt 4,<br />
Jährlicher deutscher Reiskonsum und Rohstoffpreise.<br />
182 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 2-7.<br />
183 Für einen kurzen Überblick über <strong>die</strong> Entwicklung des Reisexports<br />
siehe auch: Grant, Rice Crop in Burma, S. 35.<br />
184 Charney, Modem Burma, S. 10.<br />
185 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 113.<br />
186 Ebd.,S. 114f.<br />
187 Charney, Modem Burma, S. 8.<br />
188 Siok-Hwa, The Rice Indu.stry of Burma, S. 118.<br />
189 Ebd., S. 119f.<br />
190 Charney, Modem Burma, S. 19.<br />
191 Rickmers Familienarchiv, Kopierbuch VI, Reisetagebuch Paul<br />
Rickmers, Bericht vom 14. Dezember 1899.<br />
192 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 120 ff.<br />
193 Ebd., S. 123 f.<br />
194 Singer, Old Rangoon, S. 141.<br />
195 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 131.<br />
196 Blankenburg, Der Reis, S. 78.<br />
197 Charney, Modem Burma, S. 24.<br />
198 Ebd., S. 23.<br />
199 Charney, Modem Burma, S. 24 f.<br />
200 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma 1852, S. 133-136.<br />
201 Ebd.,S. 137 f.<br />
202 Ebd., S. 138 f.<br />
203 In In<strong>die</strong>n war Patta ein gebräuchlicher Ausdruck für <strong>die</strong> Zuteilung<br />
von Land. Siehe: Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S.<br />
139, FN 6.<br />
204 Ebd., S. 139 f.<br />
205 Ebd.. S. 141.<br />
206 Ebd., Tabelle VI.5, S. 157.<br />
207 Ebd., S. 141 f.<br />
208 Blankenburg, Der Reis, S. 81 f.<br />
209 Ebd., S. 95.<br />
210 Siok-Hwa, The Rice Indu.stry of Burma, Tabelle IX.4, S. 227.<br />
211 Tsubouchi, Yoshihiro, Types of Rice Cultivation and Types of<br />
Society in Asia. In: Hayami, Akira and Yoshihiro Tsubouchi<br />
(eds.). Economic and Demographic Development in Rice Producing<br />
Societies: Some Aspects of East Asian Economic History<br />
(1500-19СЮ). Tenth International Economic History Congress<br />
Leuven 1990, p. 6-20, hierS. 18.<br />
212 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 124.<br />
213 Bei Siok-Hwa wird <strong>die</strong> Fläche des Reisbaugebiets in Fünfjahresdurchschnitten<br />
angegeben, während Grant anfangs ebenfalls<br />
Fünfjahresdurchschnitte nennt und ab dem Jahr 19(Ю jährliche<br />
Werte anbietet. Allerdings ist Grant eine der Quellen für Siok-<br />
Hwa. Siehe: Siok-Hwa, The Rice Indu.stry of Burma, Tabelle<br />
II.5, S. 25. Sowie: Grant, Rice Crop in Burma, Appendix I, S.<br />
44.
214 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 22.<br />
215 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 28 f. Grant nennt<br />
ebenfalls den Ertrag von 1.500 Pfund je Hektar um 1900. Siehe:<br />
Grant, Rice Crop in Burma, S. 18. Sowie Zahlen für <strong>die</strong> einzelnen<br />
Regionen Birmas: Ebd., Appendix III, S. 46 f.<br />
216Ebd„ S. 19 f.<br />
217 Die Reisexporte von Nieder- nach Oberbirma schwankten zwischen<br />
1865 und 1896 stark von etwa 5.000 <strong>bis</strong> zu 150.000 Tonnen<br />
pro Jahr. Siehe: Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, Appendix<br />
Vili, S. 275.<br />
218 Ebd., Appendix V.C, S. 265.<br />
219 Alle nach Siok-Hwa. Siehe: Siok-Hwa, The Rice Industry of<br />
Burma, Tabelle II.5, S. 25.<br />
220 Grant, Rice Crop in Burma, S. 35.<br />
221 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 45.<br />
222 Ebd., S. 45 ff.<br />
223 Ebd., S. 77 f.<br />
224 Ebd., S. 77, FN 1.<br />
225 Ebd., S. 9 f.<br />
226 Ebd., Appendix I.B, S. 239.<br />
227 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.1, Rice<br />
Cargoes.<br />
228 Die Zahlen entstammen der eigenen Auswertung der vorgenannten<br />
Quelle.<br />
229 Grant, Rice Crop in Burma, S. 29.<br />
230 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 79.<br />
231 K. W. Kunis (Hrsg.), Die Mühle. Wochenschrift zur Förderung<br />
der Deutschen Mühlenindustrie. Amtliches Vereinsblatt des Verbandes<br />
deutscher Müller und der Müllerei Berufsgenossenschaft,<br />
Leipzig 1878-1964. Im Folgenden nur Die Mühle genannt. Hier:<br />
ohne No., 17. Jg., 1880. Vergleiche dazu auch Kapitel IV 1.<br />
232 Singer, Old Rangoon, S. 140.<br />
233 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 95.<br />
234 Die Mühle, No. 28, 29. Jg., 1892, S. 455 f.<br />
235 Shway Yoe [Sir James George Scott], The Burman: His Life<br />
and Notions, 2 Vols., London 1882, S. 249. Zitiert nach: Siok-<br />
Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 65.<br />
236 Ebd., S. 64 ff.<br />
237 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 27.<br />
238 Singer, Old Rangoon, S. 96.<br />
239 Blankenburg. Der Reis, S. 55-68, 75.<br />
240 Latham, A. J. H. and Larry Neal, The International Market in<br />
Rice and Wheat, 1868-<strong>1914</strong>, University College of Swansea<br />
1983. In: Economic History Review, 36, 1983, p. 260-280, hier<br />
S. 266.<br />
241 Siehe Kapitel V 1.<br />
242 Latham, The International Market in Rice and Wheat, S. 267,<br />
274.<br />
243 Siehe Kapitel III 4.<br />
244 Latham, The International Market in Rice and Wheat, S. 270,<br />
272 f.<br />
245 Zur stückweisen Besetzung Vietnams durch Frankreich siehe:<br />
Giesenfeld, Günter, Land der Reisfelder. Vietnam, Laos, Kampuchea.<br />
Geschichte und Gegenwart, Köln 1981, S. 54-72, besonders<br />
S. 59.<br />
246 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 30, 32 f.<br />
247 Blankenburg, Der Reis, S. 96, 104 f.<br />
248 Ebd., S. 103-109.<br />
249 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C XIII 18 Nr. 27, Akten<br />
betreffend Anam und Indo-China.<br />
250 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.3, Fraser<br />
& Co.’s Review of The Rice Trade for 1885, S. 2.<br />
251 Die Mühle, No. 12, Zweites Blatt, 28. Jg., 1891, S. 190 f. Sowie<br />
ebd., No. 16, Zweites Blatt, 28. Jg., 1891, S. 263.<br />
252 Die Mühle, No. 35, Zweites Blatt, 28. Jg., 1891, S. 567.<br />
253 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C ХПІ 18 Nr. 27, Akten<br />
betreffend Anam und Indo-China.<br />
254 Baker, A History of Thailand, S. 90.<br />
255 Ebd., S. 81 ff.<br />
256 Blankenburg, Der Reis, S. 119-123.<br />
257 Baker, A History of Thailand, S. 83.<br />
258 Ebd., S. 86.<br />
259 Ebd., S. 89 f., 93.<br />
260 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 54.<br />
261 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 207.<br />
262 In Asien wurde fast überall, also in mehr als den zuvor genannten<br />
Gebieten, Reis angebaut. Für <strong>die</strong> indonesischen Inseln beispielsweise<br />
gilt, dass qualitativ hochwertiger Java-Reis nur zur Kolonialmacht<br />
in <strong>die</strong> Niederlande exportiert wurde. Die ebenfalls in<br />
Indonesien angebauten anderen Reissorten waren nicht für den<br />
Export und <strong>die</strong> industrielle Verarbeitung geeignet und wurden<br />
daher nur für den Eigenbedarf angebaut. Da <strong>die</strong> Quantitäten an<br />
Java-Reis, <strong>die</strong> Europa erreichten, keinen Einfluss auf den deutschen<br />
<strong>Reishandel</strong> hatten, wurde hier ebenso wie bei weiteren<br />
Regionen auf eine noch detailliertere Betrachtung asiatischer<br />
Reisanbaugebiete verzichtet.<br />
263 Bremisches Statistisches Amt (Hrsg.), Jahrbuch für Bremische<br />
Statistik, Jahrgänge 1896 <strong>bis</strong> 1906, Bremen 1897-1907.<br />
264 Blankenburg, Der Reis, S. 234, 237.<br />
265 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 54.<br />
266 Bremisches Statistisches Amt (Hrsg.), Jahrbuch für Bremische<br />
Statistik, Jahrgänge 1892 und 1913, Bremen 1893 und <strong>1914</strong>.<br />
267 Blankenburg, Der Reis, S. 215-218.<br />
268 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 54. Sowie: Bremisches<br />
Statistisches Amt (Hrsg.), Jahrbuch für Bremische Statistik,<br />
Jahrgang 1911, Bremen 1912.<br />
269 Bachmann, Der Reis: Geschichte, Kultur und geographische<br />
Verbreitung, S. 320 f.<br />
270 Ebd., S. 323 ff.<br />
271 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 6 f.<br />
272 Bachmann, Der Reis: Ge.schichte, Kultur und geographische<br />
Verbreitung, S. 355.<br />
273 Blankenburg, Der Reis, S. 46.<br />
274 Grant, Rice Crop in Burma, S. 26 f.<br />
275 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 171 f.<br />
276 Ebd., S. 54 f.<br />
277 Ebd., S. 56.<br />
278 Ebd.,S. 55,FN 17.<br />
279 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C XIII 18 Nr. 27, Akten<br />
betreffend Anam und Indo-China.<br />
280 Brockhaus 1911 (http://de.academic.ru/dic.nsf/konversations_lexikon/56765/Pikul,<br />
zuletzt abgerufen am 28.1.2012).<br />
281 Zur Definition des Coyan siehe: http://www.sizes.com/units/coyan.htm<br />
(zuletzt abgerufen am 10.2.2011).<br />
282 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 23 f.<br />
283 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 57.<br />
284 Ebd., S. 58.<br />
285 Ebd., S. 58 f.<br />
286 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 25.<br />
287 Flörke, Krünitz’s Encyklopä<strong>die</strong>, Band 122, S. 224.<br />
288 Grant, Rice Crop in Burma, S. 8. Sowie: Siok-Hwa, The Rice<br />
Industry of Burma, S. 36 f.<br />
289 Grant, Rice Crop in Burma, Tabelle S. 9. Siehe auch: Siok-Hwa,<br />
The Rice Industry of Burma, S. 38. Siok-Hwa bezieht sich auf<br />
ein Bulletin des landwirtschaftlichen Forschungsinstituts von<br />
1927. Der einzige Unterschied beider Tabellen ist das Verhältnis<br />
von Länge zu Breite bei enthülstem Reis der Gruppe E, Byat.<br />
Die Obergrenze <strong>die</strong>ses Verhältnisses wird bei Grant mit 2,50<br />
Millimetern um 0,25 Millimeter höher angegeben als bei Siok-<br />
Hwa. Dieser Unterschied dürfte zu vernachlässigen sein.<br />
269
290 Über <strong>die</strong> Eigenschaft der einzelnen Sorten siehe: Siok-Hwa, The<br />
Rice Industry of Burma, S. 38 f. Sowie ebenfalls und unter der<br />
Nennung mehrerer Namen von Unterarten der jeweiligen Gruppe:<br />
Grant, Rice Crop in Burma, S. 9 ff.<br />
291 Blankenburg, Der Reis, S. 49.<br />
292 Flörke, Krünitz’s Encyklopä<strong>die</strong>, Band 122, S. 238 ff., 242.<br />
293 Ebd., S. 241.<br />
294 Siehe zum „country trade“: Krieger, Martin: Konkurrenz und<br />
Kooperation in Ostin<strong>die</strong>n: Der europäische country trade auf<br />
dem Indischen Ozean zwischen 16. und 18. Jahrhundert, in:<br />
Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd.<br />
84, Stuttgart 1997, S. 322-355.<br />
295 Blankenburg, Der Reis, S. 49.<br />
296 Völlers, Arend, Christian Eduard Freye, Meine Lehrzeit bei der<br />
Überseefirma Schröder, Smidt & Co. in Bremen. In: Roder,<br />
Hartmut (Hrsg.), Bremen - Ostasien. Eine Beziehung im Wandel.<br />
100 Jahre Ostasiatischer Verein Bremen, Bremen 2001, S. 108-<br />
114, hierS. 113.<br />
297 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2, Änderung Zollregulativ<br />
geschälter Reis 1907-1913, Antrag Bremer Reismühlen<br />
auf Änderung der Ausbeutesätze vom 1.10.1906, S. 18.<br />
298 Siehe Kapitel V3.<br />
299 Siehe Kapitel V 2.<br />
300 Tabelle nach: Blankenburg, Der Reis, S. 292. Die gleichen Zahlen<br />
auch bei Herbert van der Borght nach der Reichsstatistik. Siehe:<br />
van der Borght, Herbert, Die Entwicklung der deutschen Reisstärkeindustrie,<br />
Berlin 1918, S. 7.<br />
301 Zahlen für den Zeitraum 1863-1883 bei Oppel weichen für den<br />
Durchschnitt der Jahre 1863/65 leicht auf einen Verbrauch von<br />
0,82 kg und 1883 auf 1,9 kg ab. Siehe: Oppel, Der Reis, S. 57.<br />
Ebenfalls leicht abweichend <strong>die</strong> Zahlen im Reismakler-Bericht<br />
von Huisken & Reuther 1875. Siehe: Stadtarchiv Bad Salzuflen,<br />
H VI 249, Reismaklerbericht 1875, Statistik IX.<br />
302 Blankenburg, Der Reis, S. 292.<br />
303 Tabelle nach: Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 76.<br />
304 Grant, Rice Crop in Burma, Appendix I, S. 44.<br />
305 Schneider, Jürgen u.a. (Hrsg.), Währungen der Welt IV. Asiatische<br />
und australische Devisenkurse im 19. Jahrhundert, Stuttgart<br />
1992, S. 4 3 ^ 8 .<br />
306 Ein Sovereign war eine Goldmünze im Wert von 1 Pfund Sterling.<br />
307 Denzel, Markus A., Handbook of World Exchange Rates, 1590-<br />
<strong>1914</strong>, Famham, Burlington 2010, S. 496 ff.<br />
308 Ebd.,S. 192-206, 242 ff.<br />
309 Kaiserlich Statistisches Amt (Hrsg.): Slatisli.sches Jahrbuch für<br />
das Deutsche Reich, Vierzehnter Jahrgang 1893, S. 120, Vierundzwanzigster<br />
Jahrgang 1903, S. 18, Achfundzwanzigster Jahrgang<br />
1907, S. 236, Vierunddreißigster Jahrgang 1913, S. 286,<br />
Berlin 1893-1913.<br />
310 Zu Preisen für ungeschälten Reis aus Rangun in Hamburg von<br />
1910 <strong>bis</strong> 1913, unverzollt, gab <strong>die</strong> Handelskammer Hamburg<br />
1928 folgende Werte an: 1910 = 18,90 Mark, 1911 = 20,40<br />
Mark, 1912 = 24,80 Mark, 1913 = 20,90 Mark. Siehe: Archiv<br />
der Handelskammer Hamburg, 24.C.2.5 Hamburger Preisslatistik<br />
über Reis.<br />
311 Böckh, Richard (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin,<br />
8. Jahrgang 1880, S. 155,21. Jahrgang 1894, S. 273,25. Jahrgang<br />
1898, S. 281, Berlin 1882 <strong>bis</strong> 1900. Sowie: Hirschberg, Emst<br />
(Hrsg.), Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin, 29. Jahrgang<br />
1904, Berlin 1905, S. 178 und Silbergleit, Heinrich (Hrsg.), Statistisches<br />
Jahrbuch der Stadt Berlin, 3 1. Jahrgang 1906/07, Berlin<br />
1909, S. 103.<br />
312 Krieger, Konkurrenz und Kooperation in Ostin<strong>die</strong>n, S. 325 ff.<br />
313 Krüger, Die Konsuln der Freien Hansestadt Bremen, S. 22-28.<br />
314 Prüser, Jürgen, Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck,<br />
Bremen und Hamburg mit überseeischen Staaten im 19. Jahrhundert,<br />
Bremen 1962, S. 108.<br />
315 Krüger, Die Konsuln der Freien Hansestadt Bremen, S. 45-57.<br />
316 Im Folgenden zeigt sich, dass Preußen, Österreich und <strong>die</strong> deutschen<br />
Kleinstaaten - oder auch einfach nur: Deutschland - auch<br />
in der Hochphase der Restauration des Deutschen Bundes nach<br />
der Revolution von 1848 und in der Zeit der Nationalstaatsbildung<br />
eben nicht nur mit sich selber und innenpolitischen Problemen<br />
befasst waren. Vielmehr wurden wirtschafts- und außenpolitische<br />
Notwendigkeiten erkannt und erfolgreiche Wege<br />
zur Stärkung der deutschen Wirtschaft in Übersee beschritten.<br />
Zum Deutschen Bund siehe: Angelow, Jürgen, Der Deutsche<br />
Bund, Darmstadt 2003.<br />
317 Krüger, Die Konsuln der Freien Han.sestadt Bremen, S. 32.<br />
318 Ebd.,S. 33 f.<br />
319 Archiv der Handelskammer Bremen, Protokollbuch der Handelskammer<br />
VIII 1863 <strong>bis</strong> 1865, 1. Sitzung, 2.1.1863, S. 2 f.<br />
320 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C XIII 18 Nr. 27, Akten<br />
betreffend Anam und Indo-China.<br />
321 Ebd.<br />
322 Glade, Bremen und der Feme Osten, S. 37.<br />
323 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C XIII 18 Nr. 27. Akten<br />
betreffend Anam und Indo-China.<br />
324 Möring, Maria, Siemssen & Co. 1846-1971, Hamburg 1971,<br />
S.46 f.<br />
325 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C XIII 18 Nr. 27, Akten<br />
betreffend Anam und Indo-China.<br />
326 Staatsarchiv Hamburg, 111-1 CI. VI Nr. 14i Voi. I Fase. I Handelsvertrag<br />
mit Birma 1877-1885.<br />
327 Die Geschenke waren im Einzelnen „vier Spiegel mit Rahmen,<br />
ein Frauenhofersches Teleskop, ein Satz Blasinstrumente für<br />
Militärmusik, drei farbenprächtige Uniformen preußischer Garderegimenter<br />
sowie Waffen und viele Säbel für <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Würdenträger“. Siehe: Prüser, Die Handelsverträge der Hansestädte<br />
Lübeck, Bremen und Hamburg mit überseeischen Staaten,<br />
S. 68,FN 190.<br />
328 Glade, Bremen und der Feme Osten, S. 57.<br />
329 Prüser, Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen<br />
und Hamburg mit überseeischen Staaten, S. 68 f.<br />
330 Ebd., S. 82.<br />
331 Ebd., S. 103-106.<br />
332 Tical war eine Gewichtseinheit für Edelmetalle und andere Güter<br />
in Siam. Darüber hinaus wurde es von Ausländem statt der einheimischen<br />
Bezeichnung Bäht auch als Begriff für <strong>die</strong> Währung<br />
verwendet. Ein Tical basierte auf einer 15-Gramm-Silber-Münze<br />
und hatte einen der indischen Rupie ähnlichen Wert. Siehe:<br />
http://en.wikipedia.org/wiki/Cambodian_tical (zuletzt abgerufen<br />
am 11.4.2011).<br />
333 Aus einem Anträge der Bürgerschaft an den Senat Hamburgs,<br />
den Vertrag mit Siam zu ratifizieren. In: Geheimes Staatsarchiv<br />
Preußischer Kulturbesitz, III. HA Ministerium der auswärtigen<br />
Angelegenheiten II Nr. 54563, Akten betreffend Schifffahrtsverhältnisse<br />
zwischen den Hansestädten und Siam 1859-1861.<br />
334 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C XIII 18 Nr. 8 Bd.<br />
1, Akten betreffend Siam.<br />
335 Prüser, Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen<br />
und Hamburg mit überseeischen Staaten, S. 72 ff., bes. FN 197.<br />
336 Stöpel, Schiffahnsvertrag der Hansestädte mit Sansibar, S.<br />
101-107, 118.<br />
337 Das Reglement der Konsuln der Freien Hansestadt Bremen von<br />
1855 legte in 21 Paragraphen <strong>die</strong> Pflichten eines Konsuls dar.<br />
Siehe: Krüger, Die Konsuln der Freien Hansestadt Bremen, S.<br />
133-147.<br />
338 Ebd., S. 35 f.
339 Siehe zu Carl Mohr den folgenden Abschnitt: Deutsche Gesellschaft<br />
und Bremer Reishändler in Birma.<br />
340 Nach Zöllner hieß der Konsul Ernst Sandorf und nicht Pandorf<br />
und begann seine Konsulzeit in Bassein bereits Ende 1859 und<br />
nicht erst 1860. Zudem soll laut Zöllner das erste Konsulat in<br />
Akyab 1853 und nicht 1854 eröffnet worden sein. Diese Widersprüche<br />
können hier nicht aufgelöst werden. Siehe: Zöllner, Birma<br />
zwischen „Unabhängigkeit Zuerst - Unabhängigkeit Zuletzt“,<br />
S. 191.<br />
341 Krüger, Die Konsuln der Freien Hansestadt Bremen, S. 124-127.<br />
342 Bechtloff, Dagmar, Bremer Kaufleute im Asienhandel während<br />
des 19. Jahrhunderts. In: Roder, Hartmut (Hrsg.), Bremen - Ostasien.<br />
Eine Beziehung im Wandel. 1(Ю Jahre Ostasiatischer Verein<br />
Bremen, Bremen 2001, S. 44—53, hier S. 48. Sowie: Glade,<br />
Bremen und der Ferne Osten, S. 100. Siehe auch: Chia, Joshua<br />
Yeong Jia, Behn, Meyer & Co., Singapur 2006. Siehe: http://infopedia.nl.sg/articles/SIP_1250_2008-10-08.html<br />
(zuletzt abgerufen<br />
am 11.4.2011).<br />
343 Zöllner, Birma zwischen „Unabhängigkeit Zuerst - Unabhängigkeit<br />
Zuletzt“, S. 191.<br />
344 Chamey, Modem Burma, S. 18.<br />
345 Fhd.. S. 18 f.<br />
346 Ebd., S. 23 f.<br />
347 Glade, Bremen und der Feme Osten, S. 52, FN 150.<br />
348 Singer, Old Rangoon, S. 153.<br />
349 Ebd., S. 153.<br />
350 Gerhard Altmann, Rezension: Magee. Gary B. and Andrew<br />
S. Thompson. Empire and Globalisation. Networks of People,<br />
Goods and Capital in the British World, c. <strong>1850</strong>-<strong>1914</strong>, Cambridge<br />
2010. In: H-Soz-u-Kult, 1.10.2010. Siehe: http://hsozkult.<br />
geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-4-001 (zuletzt abgemfen<br />
am 14.4.2011).<br />
351 Magee, Empire and Globalisation, S. 6.<br />
352 Ebd., S. 7f., 19.<br />
353 Ebd., S. 57.<br />
354 Ebd., S. 45-57.<br />
355 Historische Gesellschaft zu Bremen (Hrsg.), Bremische Biographie<br />
des 19. Jahrhunderts, Bremen 1912, S. 341 ff.<br />
356 Krüger, Die Konsuln der Freien Hansestadt Bremen, S. 128.<br />
357 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 77, FN 1.<br />
358 Siehe zum politischen Selbstverständnis der Kaufmannselite<br />
Bremens im 19. Jahrhundert: Schulz, Vormundschaft und Protektion.<br />
359 Zu den deutschen Besitzern von Mohr Brothers & Co. siehe:<br />
Zöllner, Birma zwischen „Unabhängigkeit Zuerst - Unabhängigkeit<br />
Zuletzt“, S. 191,FN43.<br />
360 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.1, Rice<br />
Cargoes, eigene Auswertung.<br />
361 van Oosten, F. C., Dampfer erobern <strong>die</strong> Meere. Die Anfänge der<br />
Dampfschiffahrt, Oldenburg 1975, S. 14—20.<br />
362 Scholl, Im Schlepptau Großbritanniens; S. 213. Siehe auch: van<br />
Oosten, Dampfer erobern <strong>die</strong> Meere, S. 112.<br />
363 Scholl, Im Schlepptau Großbritanniens, S. 215 f.<br />
364 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 234.<br />
365 van Oosten, Dampfer erobern <strong>die</strong> Meere, S. 24, 96 ff.<br />
366 Ebd., S. 108-111.<br />
367 Ebd., S. 79 ff. Sowie: Scholl, Im Schlepptau Großbritanniens,<br />
S. 217.<br />
368 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 214.<br />
369 Wende, Das Britische Empire. S. 128.<br />
370 Nachfolgend HAPAG genannt.<br />
371 Laas, Walter, Die grossen Segelschiffe. Ihre Entwicklung und<br />
Zukunft, Fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe 1908, Kassel<br />
1972,5.23-28, 38 ff.<br />
372 Rickmers-Famiiienarchiv, PK 1/7, Austritt Andreas Rickmers,<br />
Schreiben H. Schwetmann, Newcastle, an Rickmers-Reismühlen,<br />
Rhederei und Schiffbau AG über Ausbau der Hilfsmaschine der<br />
R ickm er C la sen R ick m ers vom 30. November 1910.<br />
373 Laas, Die grossen Segelschiffe, S. 40 ff. Siehe zur Entwicklung<br />
der Segelschifffahrt auch: Laas, Walter: Die Segelschiffahrt der<br />
Neuzeit. In: Paul Dinse (Hrsg.), Meereskunde. Sammlung volkstümlicher<br />
Vorträge zum Verständnis der nationalen Bedeutung<br />
von Meer und Seewesen, 3. Jg., 3. Heft 1909.<br />
374 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 214.<br />
375 Scholl, Im Schlepptau Großbritanniens, S. 214 f.<br />
376 Ebd., S.216.<br />
377 Leonhard, Rickmers, S. 67 f.<br />
378 Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen II,<br />
S.30I f.<br />
379 Zu Wilhelm Anton Riedemann siehe: Hieke, Emst, Wilhelm Anton<br />
Riedemann. Anfang und Aufstieg des Petroleumhandels in<br />
Geestemünde und Hamburg 1860-1894, Hamburg 1963.<br />
380 Leonhard, Rickmers, S. 88-93.<br />
381 Grant, Rice Crop in Burma, S. 27.<br />
382 Ebd., S. 26.<br />
383 Archiv der Handelskammer Hamburg, ll.D.40.14, Begriff Sack<br />
bzw. Ballen im <strong>Reishandel</strong>.<br />
384 Grant, Rice Crop in Burma, S. 27.<br />
385 van Oosten, Dampfer erobern <strong>die</strong> Meere, S. 51-55.<br />
386 Grant, Rice Crop in Burma, S. 2.<br />
387 Ebd., S. 27.<br />
388 Ebd., S. 2.<br />
389 Latham, The International Market in Rice and Wheat, S. 264 f.<br />
390 Ziegler, Heide, Bremens politische, ökonomische und soziokulturelle<br />
Beziehung zu China <strong>bis</strong> zum Ende des Ersten Weltkrieges,<br />
Göttingen 2003. Siehe: Ebd., Anhang, Tabelle Hongkong 1859,<br />
ohne Seite.<br />
391 Leonhard, Rickmers, S. 64.<br />
392 Möring, Siemssen & Co., S. 46 f., 57.<br />
393 Ebd., S. 66 f.<br />
394 Stielow, Frank, Deutsche Küstenschiffahrt in chinesischen Gewässern.<br />
In: Roder, Hartmut (Hrsg.), Bremen - Ostasien. Eine<br />
Beziehung im Wandel. КЮ Jahre Ostasiatischer Verein Bremen,<br />
Bremen 2(Ю1, S. 188 ff., hierS. 188.<br />
395 Deissmann, Gerhard, Theodor August Behn (1816-1886), erster<br />
bremischer Konsul in Singapur. In: Roder, Hartmut (Hrsg.), Brem<br />
en-Ostasien. Eine Beziehung im Wandel. 100 Jahre Ostasiatischer<br />
Verein Bremen, Bremen 2001, S. 78-82, hier S. 81.<br />
396 Ziegler, Bremens politische, ökonomische und soziokulturelle<br />
Beziehung zu China, Anhang, Tabelle Hongkong 1859, ohne<br />
Seite.<br />
397 Zahlen ad<strong>die</strong>rt nach: Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma,<br />
Tabelle ѴШ.5, S. 214, und Tabelle VIII.7, S. 217.<br />
398 Nostitz, Heifer’s Reisen in Vorderasien und In<strong>die</strong>n, Teil I, Kapitel<br />
7, bes. S. 182, 187, 216, 247-251.<br />
399 Brinton, John: Mr. Waghom’s Route To India. In: Aramco World,<br />
Voi. 19, No. 6 1968, p. 32-36. Zitiert nach: www.saudiaramcoworld.com/issue/196806/mr.waghom.s.route.to.india.htm<br />
(zuletzt<br />
abgerufen 8.6.2011).<br />
400 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 216 f.<br />
401 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 12 f.<br />
402 62. Brief aus Bremerhaven an N. Gloystein Söhne, Bremen,<br />
vom 23.8.1849. In: Buller<strong>die</strong>k, Der Auswanderer-Kapitän Heinrich<br />
Wieting, S. 91. Siehe auch: Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft,<br />
S. 25.<br />
403 Blankenburg, Der Reis, S. 47.<br />
404 Pawlik, Peter-Michael, Von der Weser in <strong>die</strong> Welt. Die Geschichte<br />
der Segelschiffe von Weser und Lesum und ihrer Bauwerften<br />
1770 <strong>bis</strong> 1893, Hamburg 1993, S. 442.<br />
405 Engelsing, Dauelsberg, Bremen 1957, bes. S. 68.<br />
406 Möring, Siemssen & Co., S. 56 f.<br />
407 Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt<br />
und starker Staat, München 1983, S. 193.<br />
271
; .î ü<br />
408 Möring, Siemssen & Co., S. 51 f. Siehe auch: Pohl, Aufbruch<br />
der Weltwirtschaft, S. 238.<br />
409 Nussbaumer, Josef und Andreas Exenberger, Chiffren zur Globalisierung<br />
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (ca. <strong>1850</strong>-<br />
<strong>1914</strong>), Innsbruck 2003. Beitrag zur Tagung „Geschichten der<br />
Globalisierung“ an der FH Kufstein-Tirol, 9./10. Jänner 2003,<br />
S. 9. Siehe: http://homepage.uibk.ac.at/~c43207/<strong>die</strong>/papers/globchiff.pdf<br />
(zuletzt abgerufen am 12.3.2010).<br />
410 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 237 f.<br />
411 Wieger, Hermann, Wievag-Code. <strong>Deutscher</strong> Depeschenkürzer<br />
für den Großhandel in Getreide, Hülsenfrüchten, Saaten, Mühlenfabrikaten,<br />
Reis und sonstigen Nährmitteln, Futter- und Düngemitteln,<br />
Düsseldorf 1912, S. 58.<br />
412 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 239.<br />
413 Nussbaumer, Chiffren zur Globalisierung, S. 10. Siehe auch:<br />
Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 215.<br />
414 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 86.<br />
415 Latham, The International Market in Rice and Wheat, S.<br />
270-273.<br />
416 Nussbaumer, Chiffren zur Globalisierung, S. 6. Seit 1947 ist der<br />
Weltostverein eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen.<br />
417 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 242.<br />
418 Nussbaumer, Chiffren zur Globalisierung, S. 4 f.<br />
419 Hirschfeld, Paul, Hannovers Gross-Industrie und Gross-Handel,<br />
ohne Ort, ohne Jahr, S. 139 f.<br />
420 Zur Entwicklung des Unternehmens nach 1872 siehe auch: Klencke,<br />
Anja, Unternehmensbiographie der Rickmers Reismühle<br />
GmbH, Bremen 1995, S. 1, 7. Sowie: Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft,<br />
S. 25.<br />
421 Siebs, Benno Eide, 125 Jahre Rickmers. Ein Buch von Schiffbau<br />
und Schiffahrt, Bremerhaven 1959, S. 28.<br />
422 Diese fünf Schiffe brachten es zusammen immerhin auf 6.220<br />
BRT und eine Tragfähigkeit von 9.080 Tonnen. Siehe: Siebs,<br />
125 Jahre Rickmers, S. 112.<br />
423 Leonhard, Rickmers 1834, S. 85 f.<br />
In der älteren Literatur wird von dem Konflikt der zur Mühlenübemahme<br />
führte, nur sehr verharmlosend gesprochen. Über<br />
Ichon hieß es: „[...] man vermochte dem atemberaubenden Rickmersschen<br />
Tempo nicht mehr zu folgen.“ Zum Schutz des Ansehens<br />
der Firma wurde das wirtschaftliche Risiko, das Rickmer<br />
Ciasen Rickmers einging, offensichtlich verschwiegen. Siehe:<br />
Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 25.<br />
424 Rickmers-Familienarchiv, PK 12/7, Sammelbox Willi Heinrich<br />
Rickmers’Asienreiseberichte 1876-1877, Brief Willy an Andreas<br />
Rickmers aus Rangun am 24. Februar 1877.<br />
Anmerkung: ln der Archivsignatur des Rickmers-Familienarchivs<br />
wird Wilhelm Rickmers als „Willi“ abgekürzt. Innerhalb der Familie<br />
wurde <strong>die</strong> Form „Willy“ verwandt, wie <strong>die</strong> Namen der<br />
1868 und 1895 in Dienst gestellten Schiffe mit den Namen<br />
W illy R ick m ers zeigen.<br />
425 Leonhard, Rickmers, S. 87.<br />
426 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 28. Während es stimmte, dass <strong>die</strong><br />
Rickmers-Reismühle <strong>die</strong> größte in Bremen war, scheinen <strong>die</strong><br />
Ausfuhrzahlen deutlich zu niedrig zu liegen.<br />
427 Die Mühle, No. 15, Zweites Blatt, 26. Jg., 1889, S. 238.<br />
428 Die Mühle, No. 10, 33. Jg., 1896, S. 157.<br />
429 Die Mühle, No. 2, 31. Jg., 1894, S. 22.<br />
430 Die Mühle, No. 10, 33. Jg., 1896, S. 157.<br />
431 Ebd.<br />
432 Die Mühle, No. 2, 31. Jg., 1894, S. 22.<br />
433 Die Mühle. No. 26, 24. Jg., 1887, S. 410.<br />
434 Die Mühle, No. 1, 24. Jg., 1887, ohne Seite. Siehe auch:<br />
hltp://www.bitterfeld-online.de/index.php?id=l 11303000513<br />
&cid=l 11303000213 (zuletzt abgerufen am 29.7.2011).<br />
435 Die Mühle, No. 10, 33. Jg., 1896, S. 158 f.<br />
436 Nielsen, Meine Lebensbeschreibung, S. 13.<br />
437 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 19.<br />
438 Zur Geschichte der Reismühlen von Friedrich Carl Ferdinand<br />
und Anton Heinrich Nielsen siehe: Prüser, Reis- und Handels-<br />
Aktiengesellschaft, S. 7-19. Sowie: Nielsen, Meine Lebensbeschreibung.<br />
439 Die Mühle, No. 8, 19. Jg., 1882, S. 122.<br />
440 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891, Prospekt vom<br />
8. November 1880.<br />
441 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891, Prospekt ohne<br />
Jahr.<br />
442 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891, Prospekt ohne<br />
Jahr.<br />
443 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891, Reisfutteimehl<br />
aus den Reisdampfmühlen von R. C. Rickmers.<br />
444 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 180.<br />
445 Ebd., S. 198.<br />
446 Steinbach, Peter, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter.<br />
Sozialstruktur und Industrialisierung des Fürstentums Lippe im<br />
19. Jahrhundert, Lemgo 1976, S. 103.<br />
447 van der Borghi, Herbert, Reisstärkeindustrie, Vorwort o. S.<br />
448 Otto Künne war Generaldirektor der Hoffmann’s Stärkefabriken<br />
AG. Siehe: Künne, Otto, Die Lage des deutschen Reisstärke-<br />
Gewerbes Ende 1934, Bad Salzuflen 1934.<br />
449 Den Namenszusatz „Bad“ erhielt <strong>die</strong> Stadt Salzuflen erst <strong>1914</strong>.<br />
450 Wiesekopsieker, Stefan, Hoffmann’s Stärkefabriken in Salzuflen,<br />
2005, S. 109. Ausführlich zum Forschungsstand sowie zur Übernahme<br />
des Firmenarchivs in den Bestand des Stadtarchivs Bad<br />
Salzuflen siehe: Ebd., S. 13-40.<br />
451 Zu den Anfängen der Stärkefabrik Salzuflen <strong>bis</strong> 1881 hier und<br />
im Folgenden siehe: Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken,<br />
S. 109-118.<br />
452 Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitaller, S. 103.<br />
453 Ebd., S. 114.<br />
454 Diese Zahl, zitiert von Wiesekopsieker nach Delpy, ist zu hinterfragen.<br />
80.(КЮ Zentner entsprechen 4.000 Tonnen. Dass auf<br />
dem gesamten Gelände <strong>bis</strong> zu 4.0(Ю Tonnen zugleich lagerten,<br />
wo wöchentlich nur 2,5 Tonnen Reis verarbeitet wurden, ist auszuschließen.<br />
Das würde bedeuten, dass <strong>die</strong> Verarbeitungsmenge<br />
von über 30 Jahren in der Fabrik zeilgleich gelagert wurde.<br />
Wahrscheinlicher sind 80.000 Pfund, was 40 Tonnen entsprechen<br />
würde. Siehe: Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S.<br />
117, bes. FN 267.<br />
455 Zur Geschichte der Stärkefabrik siehe: Wiesekopsieker, Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken, bes. S. 113-119, 125 ff., 140.<br />
456 Plinius der Ältere (23-79 n.Chr.), römischer Schriftsteller und<br />
Gelehrter, der in 37 Bänden der Naturalis historia das zeitgenössische<br />
naturkundliche Wissen zusammenfasste.<br />
457 Rehwald, Felix, Die Stärkefabrikation. Ein Handbuch für Stärke-<br />
und Traubenzuckerfabrikanlen, sowie für Ökonomiebesitzer<br />
und Branntweinbrenner, Wien 1895, S. 1.<br />
458 von Looz-Corswarem, Clemens, Stärkefabrikanten in Köln. Ein<br />
Problem des Umweltschutzes im 18. Jahrhundert. In: Hans Blum<br />
(Hrsg.), Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins, Band 48,<br />
Köln 1977, S. 81-112, hier S. 82, besonders FN 4.<br />
459 van der Borghi, Herbert, Reisslärkeindustrie, S. 6, 13 ff., 34.<br />
460 von Looz-Corswarem, Stärkefabrikanlen in Köln, S. 81-112,<br />
hier S. 85. (Abweichend gibt van der Borghi für <strong>die</strong> Einführung<br />
der Stärkeproduktion ohne Gärung das Jahr 1840 an.)<br />
461 van der Borghi, Herbert, Reisslärkeindustrie, S. 28-32.<br />
462 Rehwatd, Die Stärkefabrikation, S. 163, bes. Fig. 36.<br />
463 Ebd., S. 160 ff.<br />
464 van der Borghi, Herbert, Reisstärkeindustrie, S. 32 f.
г<br />
465 Ebd., S. 40 ff.<br />
466 Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 104.<br />
467 An <strong>die</strong>ser Stelle sind Steinbach und Wiesekopsieker widersprüchlich.<br />
Nach Steinbach hatte Hoffmann beim preußischen<br />
Finanzminister eine Senkung des Eingangszolls für Reis auf<br />
1,50 M/Zentner gefordert, nach Wiesekopsieker jedoch eine totale<br />
Zollfreiheit für Bruchreis unter Zollaufsicht gefordert, soweit<br />
<strong>die</strong> gewonnene Stärke exportiert würde. Siehe: Steinbach, Der<br />
Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 104. Sowie: Wiesekopsieker,<br />
Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 113.<br />
468 Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Pol 2°<br />
01778/13 (20). Schöllkopf, Johann, Hoher Zollbundesrath!: Johann<br />
Schöllkopf, Fabrikant von Reisstärke bittet ehrfurchtsvoll<br />
um Beseitigung der Anomalie in der Zollbelegung, Ulm, 3. April<br />
1870.<br />
469 Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 104 f.<br />
470 Eigene Tabelle, zusammengestellt nach Peter Steinbach und Herbert<br />
van der Borght.<br />
471 Eigene Tabelle nach: van der Borght, Herbert, Reissiärkeindustrie,<br />
S. 55-60.<br />
472 Reis zum Brauen erfreute sich Ende des 19. Jahrhunders zunehmender<br />
Beliebtheit und in Deutschland machte er etwa fünf Prozent<br />
der Braustoffe, in einzelnen Brauereien <strong>bis</strong> zu einem Drittel<br />
der Braustoffe aus. Der jährliche Verbrauch stieg von 968 Tonnen<br />
1887 auf 10.225 Tonnen 1898. Mit der Übernahme des süddeutschen<br />
Reinheitsgebots in ein Reichsgesetz 1906 endete <strong>die</strong> Karriere<br />
des Braureises, der nur noch für Exportbier verwendet werden<br />
durfte. 1907-13 sank der jährliche Verbrauch auf 35 Tonnen.<br />
Siehe: Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 123-127.<br />
473 Prüser, Friedrich, <strong>Reishandel</strong> und Reisindustrie in Bremen. In:<br />
Ders. und Wilhelm Treue (Hrsg.), Beiträge zur bremischen Firmengeschichte.<br />
Tradition, Beiheft 5, 1966, S. 7-19, hier S. 13.<br />
474 Ein hannoverscher Morgen entsprach nach 1836 2.621 m^. 30<br />
Morgen entsprachen also 78.630 m^ beziehungsweise rund 7,9<br />
Hektar.<br />
475 Leonhard berichtet von 140 Arbeitskräften im ersten Betriebsjahr.<br />
Siehe: Leonhard, Rickmers, S. 101.<br />
476 Brethauer, Karl, Münden. Gesammelte Aufsätze. Erste Folge,<br />
Münden 1981, S. 89 f.<br />
477 von Pezold, Johann Dietrich, Die Industrialisierung, Münden<br />
1981,5.51 f.<br />
478 Kludas, Arnold, 150 Jahre Rickmers. 1834/1984, Herford 1984,<br />
S. 114.<br />
479 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891, Prospekt von<br />
1884.<br />
480 Rickmers Familienarchiv PK 7/16, 1883, 1885 u. 1886 Dokumentensammlung<br />
Rickmers AG, Schreiben der Stärkefabrik<br />
„Union“ an ihre Vertreter zur Versicherung der Leistungsfähigkeit<br />
der eigenen Fabrik vom 15.9.1883.<br />
481 Ebd.<br />
482 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 119, bes. FN<br />
273.<br />
483 von Pezold, Die Industrialisierung, S. 52.<br />
484 Leonhard, Rickmers, S. 101.<br />
485 Wiesekopsieker gibt kein genaues Datum des Firmeneintritts<br />
Georg Woldes bei Hoffmann’s Stärkefabriken AG an. Dem Aufsichtsrat<br />
gehörte Georg Wolde seit 1887 an. Siehe: Wiesekopsieker,<br />
Stefan, Die Bremer Aufsichtsratsmitglieder der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG Bad Salzuflen. Eine kaum bekannte<br />
Beziehung Bremer Kaufleute und Bankiers zu Lippes größtem<br />
Industrieunternehmen. In: Lippische Mitteilungen, 67. Bd., 1998,<br />
S. 91-125, hierS. 104 f.<br />
486 von Pezold, Die Industrialisierung, S. 52.<br />
487 Kreisarchiv Osterholz, 989/82, Konzessionsurkunde vom<br />
5.10.1875.<br />
488 Kreisarchiv Osterholz, 989/11, Landkauf zwischen Gastwirt<br />
M üllerund Maurer Steeneck für Lange 12.10.1876.<br />
489 Kreisarchiv Osterholz, 989/6, Landkauf Ziegelkampe 1877 und<br />
989/20, Kauf Pfarrweide 1877.<br />
490 von Looz-Corswarem, Stärkefabrikanten in Köln, S. 81, 93.<br />
491 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 123.<br />
492 Archiv der Handelskammer Hamburg, 20. H. 2.1 Die Verhandlungen<br />
zur Schaffung eines Zollregulativs (1881-1888), Brief<br />
Rudolf Lichtenberg an Georg Woermann, 4.8.1883.<br />
493 Gesetzliche Verankerung der Krankenversicherung 1883, der<br />
Unfallversicherung 1884 und der Invaliditätsversicherung 1889.<br />
Siehe: Metzler, Gabriele, Der deutsche Sozialstaat. Vom <strong>bis</strong>marckschen<br />
Erfolgsmodell zum Pflegefall, Stuttgart 2003, S.<br />
20.<br />
494 Kreisarchiv Osterholz, 989/66, Arbeitsordnung ab dem<br />
14.1.1910.<br />
495 Die Mühle, No. 48, Zweites Blatt, 30. Jg., 1893, S. 784.<br />
496 Zur Geschichte der Stärkefabrik siehe besonders: Kreisarchiv<br />
Osterholz, 989/80, Artikel Osterholzer Kreisblatt 6./7. Januar<br />
1979, 60 Jahre Osterholzer Reiswerke.<br />
497 Kreisarchiv Osterholz, 989/80, Artikel Osterholzer Kreisblatt<br />
6./7. Januar 1979, 60 Jahre Osterholzer Reis werke.<br />
498 Tabelle nach: Wiesekopsieker, Stefan, Hoffmann’s Stärkefabriken<br />
in Salzuflen, 2005, S. 119, FN 273.<br />
499 Die Fabrik Haartja ist bei van der Borght abweichend von Wiesekopsieker<br />
Hartje geschrieben. Siehe: van der Borght, Herbert,<br />
Reisstärkeindustrie, S. 34.<br />
500 Pierenkemper, Toni, Untemehmensgeschichte. Eine Einführung<br />
in ihre Methoden und Ergebnisse, Stuttgart 2000, S. 177.<br />
501 Zum Vergleich der Stärkesorten: 1911 wurden 255.644 DZ Reisstärke<br />
im Wert von 10,87 Millionen Mark, 2.343.456 DZ Kartoffelstärke<br />
im Wert von 41,73 Millionen Mark und 180.451 DZ<br />
im Wert von 5,14 Millionen Mark produziert. Siehe: van der<br />
Borght, Herbert, Reisstärkeindustrie, S. 45.<br />
502 Ebd., S. 85.<br />
503 Tabelle nach: Sartorius, Otto, 100 Jahre Hoffmann’s Stärkefabriken<br />
Bad Salzuflen, Bielefeld 1950, S. 56.<br />
504 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 119, 137 ff.<br />
505 Zur Entwicklung der deutschen Zollpolitik sowie zu deren Zusammenhang<br />
mit der globalisierten deutschen Wirtschaft im 19.<br />
Jahrhundert siehe: Torp, Die Herausforderung der Globalisierung.<br />
506 Ebd., S. 271.<br />
507 Eigene Tabelle nach: van der Borght, Herbert, Reisstärkeindustrie,<br />
S. 55-60.<br />
508 Tabelle siehe: van der Borght, Herbert, Reisstärkeindustrie, S.<br />
63.<br />
509 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, Tabelle 8: Jahresüberschuss<br />
in Mark und Dividendenzahlung der Hoffmann's<br />
Stärkefabriken AG (1887-<strong>1914</strong>) nach den Geschäftsberichten,<br />
S. 124.<br />
510 Ebd., S. 122 ff.<br />
511 Kreisarchiv Osterholz, 989/67, 67a, 67d, 67e, Verträge der Vereinigten<br />
Reisstärke Fabriken.<br />
512 Kreisarchiv Osterholz, 989/67e, Verträge der Vereinigten Rei.sstärke<br />
Fabriken.<br />
513 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 136.<br />
514 Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 111.<br />
515 Kreisarchiv Osterholz, 989/67b, Statut der Deutschen Reisstärke-Verkaufs-Gesellschaft<br />
vom 14.6.1911.<br />
516 van der Borght, Herbert, Reisstärkeindustrie, S. 17, 53.<br />
517 Kreisarchiv Osterholz, 989/67 f., Brief Joseph Colman Limited<br />
et al. an Gebr. Nielsen vom 22.7.1908.<br />
518 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 139. Siehe auch:<br />
van der Borght, Herbert, Reisstärkeindustrie, Tabelle S. 79.<br />
273
w<br />
519 Zu den bremischen Debatten über den Zollanschluss und der<br />
Position der politischen Eliten siehe: <strong>Dannhauer</strong>, Sören, Der Politiker<br />
Hermann Henrich Meier - Mehr als Kaufmann und Reeder?,<br />
unveröffentlichte Magisterarbeit, Bremen 2008, S. 80 f.<br />
520 Zum Zollanschluss, Bau des Freihafens und der Weserkorrektion<br />
siehe: Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen<br />
II, S. 349-354.<br />
Zu Ludwig Franzius siehe auch: Hofmeister, Adolf, Ludwig<br />
Franzius korrigierte den Weserstrom. In : ЮоЛ, Hans u.a. (Hrsg.),<br />
Innovationen aus Bremen. Persönlichkeiten aus Kultur, Technik<br />
und Wirtschaft. Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 2006/2(Ю7,<br />
Bremen 2008, S. 71-82.<br />
521 Die Mühle, No. 26, Zweites Blatt, 27. Jg., 1890, ohne Seite.<br />
522 Die Mühle, No. 26, Zweites Blatt, 27. Jg., 1890, S. 77.<br />
523 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 112 f.<br />
524 Christoph Hellwig Papen<strong>die</strong>ck (1839-1891) gehörte zu den einflussreichsten<br />
Bremer Kaufleuten und war 1886 auch Gründungsmitglied<br />
der Bremer Schleppschiffahrtsgesellschaft. Seine<br />
politische Führungsposition in Bremen zeigt sich auch in seiner<br />
Mitgliedschaft in der Bremer Handelskammer von 1875 <strong>bis</strong> 1889<br />
sowie in der Bremer Bürgerschaft von 1868 <strong>bis</strong> 1891.<br />
525 Prager, DDG Hansa, S. 13.<br />
526 Ebd., S. 16-27.<br />
527 Roder, Hartmut, Bremen - Handelsstadt am Fluß, Bremen 1995,<br />
S. 175.<br />
528 Magee, Empire and Globalisation, S. 7 f.<br />
529 Ebd., S. 100.<br />
530 Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 249, Reismaklerbericht 1875.<br />
Darin auch <strong>die</strong> nachfolgenden Inhaltsbeschreibungen und Zitate.<br />
531 Die Maßeinheit Ballen ist aus den Statistiken nicht genau in Kilogramm<br />
umzurechnen. Im vorliegenden Reismaklerbericht ergeben<br />
sich im statistischen Anhang Hinweise darauf, dass <strong>die</strong><br />
angegebenen Tons eine metrische Tonne bezeichneten und <strong>die</strong>se<br />
wiederum 10,5 Ballen hatte. Damit ergäbe sich für einen Ballen<br />
ein Gewicht von 95,24 Kilogramm.<br />
Die Größe der Ballen oder Säcke scheint nicht immer identisch<br />
gewesen zu sein. 1915 fragte beispielsweise <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Hamburg bei einer Hamburger Mühle an, ob der Handel mit<br />
Reis in Säcken zu 100 Kilogramm rechtens sei, da sonst ja mit<br />
Säcken zu 110 Kilogramm gehandelt würde und sich daher eine<br />
Preissteigenmg von zehn Prozent ergebe. Laut der Hamburger<br />
Firma, der Allgemeinen Reis-Gesellschaft Limited, war der Handel<br />
mit den größeren Säcken üblich. Siehe: Archiv der Handelskammer<br />
Hamburg, 11 .D.40.4 Das handelsübliche Gewicht eines<br />
Sackes Reis.<br />
532 Quellen von 1894 und 1899 nennen fünf Reismühlen in Hamburg.<br />
Das waren nach der Menge ihrer Reiseinfuhren von 1899,<br />
bei der Größten beginnend: Die Norddeutsche Reismühle m.b.H.;<br />
Schuhmacher, Deppe & Co.; Brock & Schnars; Hermann Berkan<br />
& Co.; Völckers & Richers.<br />
Siehe: Staatsarchiv Hamburg, 132-11 2339 Einfuhr von Paddy-<br />
Reis 1899. Sowie: Archiv der Handelskammer Hamburg, 20. H.<br />
2.3.1 Änderung des Zollregulativs für Reisschälmühlen.<br />
533 Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 249, Reismaklerbericht 1875,<br />
Tabelle III. Aufgrund der Lagerbestände übertraf der Export in<br />
einzelnen Jahren <strong>die</strong> im selben Jahr polierte Menge Reis.<br />
534 Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 250, Statistisches Handbuch<br />
für den Artikel Reis 1882.<br />
535 Ebd., S. 5-10.<br />
536 Ebd., S. 11-16.<br />
537 Ebd., S. 17-19.<br />
538 Ebd., S. 22.<br />
539 Ebd., S. 21.<br />
540 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.3, Fraser<br />
& Co.’s Review of the Rice Trade for 1885. Darin auch <strong>die</strong><br />
nachfolgenden Inhaltsbeschreibungen und Zitate.<br />
541 Zur Umrechnung von Pfund in Mark siehe Kapitel II. Angenommen<br />
ist hier, dass ein britisches Pfund zu 20 Schillingen beziehungsweise<br />
240 Pence dem Wert von 20,25 Mark entsprach.<br />
542 In der Quelle sind keine Angaben gemacht, auf welche Menge<br />
Reis sich <strong>die</strong> Frachtraten beziehen. Dies kann hier nur vermutet<br />
werden. Nach Kapitel II, Tabelle II 4.5, ergibt sich für 1885 ein<br />
Einkaufspreis von knapp unter 60 Schillinge je Tonne. Demnach<br />
hätten <strong>die</strong> Frachtraten <strong>bis</strong> zu zwei Drittel des Warenwertes ausgemacht.<br />
Für 1912 wurden Frachtraten <strong>bis</strong> zu etwa 20 Prozent<br />
des Warenwertes festgestellt (ebenfalls Kapitel II4). Nussbaumer<br />
und Exenberger stellten fest, dass <strong>die</strong> Frachtraten für Reis von<br />
Birma nach Europa zwischen 1882 und <strong>1914</strong> von 74 Prozent<br />
auf 18 Prozent des Warenwertes fielen (Siehe: Nussbaumer,<br />
Chiffren zur Globalisierung, S. 8.). Diese Angabe sowie <strong>die</strong> eigene<br />
Berechnung in Kapitel II 4 lassen vermuten, dass sich <strong>die</strong><br />
angegebenen Frachtraten auf je eine Tonne beziehen.<br />
543 Kennerly, Shipping Communication and Servicing Hub, S. 9.<br />
544 Ebd., Table 5, S. 8.<br />
545 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.3, Fraser<br />
& Co.’s Review of the Rice Trade for 1885. Darin auch <strong>die</strong><br />
nachfolgenden Tabellen, Inhaltsbe.schreibungen und Zitate.<br />
546 Siok-Hwa, Rice Industry of Burma, S. 203 f.<br />
547 Die Mühle, No. 26, Zweites Blatt, 27. Jg., 1890, ohne Seite.<br />
Darin auch <strong>die</strong> nachfolgenden Tabellen, Inhaltsbeschreibungen<br />
und Zitate.<br />
548 Die Mühle, No. 26, Zweites Blatt, 27. Jg., 1890, ohne Seite.<br />
549 Die Mühle, No. 12, Zweites Blatt, 28. Jg., 1891, S. 190 f. Darin<br />
auch <strong>die</strong> nachfolgenden Inhaltsbeschreibungen und Zitate.<br />
550 Die Mühle, No. 3, 33. Jg., 1896, S. 49. Darin auch <strong>die</strong> nachfolgenden<br />
Tabellen, Inhaltsbeschreibungen und Zitate.<br />
551 Zahlen entnommen aus: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 249,<br />
Reismaklerbericht 1875.<br />
552 Zahlen entnommen aus: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 249,<br />
Reismaklerbericht 1875. Sowie: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H<br />
VI 250, Statistisches Handbuch für den Artikel Reis 1882, S.<br />
11-16. Zahlen für <strong>die</strong> Jahre 1875 und 1876 fehlen.<br />
553 Zahlen entnommen aus: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 249,<br />
Reismaklerbericht 1875.<br />
554 Zahlen entnommen aus: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 250,<br />
Statistisches Handbuch für den Artikel Reis 1882, S. 5-16. Sowie:<br />
Die Mühle, No. 26, Zweites Blatt, 27. Jg., 1890, ohne Seite,<br />
No. 12, Zweites Blatt, 28. Jg., 1891, S. 190 f.<br />
555 Zahlen entnommen aus: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 250,<br />
Statistisches Handbuch für den Artikel Reis 1882, S. 11-16. Sowie:<br />
Die Mühle, No. 8, 33. Jg., 1896, ohne Seite.<br />
556 Zahlen entnommen aus: Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 250,<br />
Statistisches Handbuch für den Artikel Reis 1882, S. 21 f. Sowie:<br />
Die Mühle, No. 8,33. Jg., 1896, ohne Seite. Teilweise übersteigen<br />
<strong>die</strong> genannten Exportzahlen <strong>die</strong> Importzahlen. Teile des Exports<br />
wurden über vorhandene Lagerbestände gedeckt und <strong>die</strong> Einfuhrzahlen<br />
beziehen sich eventuell teilweise nur auf rohen Reis,<br />
während in den Exportzahlen auch Reis mitgezählt ist, der bereits<br />
in Asien geschält wurde und vor dem weiteren Verkauf in den<br />
europäischen Mühlen nur noch poliert wurde.<br />
557 Oppel, Der Reis, S. 52.<br />
558 Blankenburg, Der Reis, S. 278.<br />
559 Liverpool Record Office and History Library, MD 285,3, Fraser<br />
& Co.’s Review of the Rice Trade for 1885.<br />
560 Stadtarchiv Bad Salzuflen, H VI 250, Statistisches Handbuch<br />
für den Artikel Reis 1882, S. 25.<br />
561 Bremisches Statistisches Amt (Hrsg.), Jahrbuch für Bremische<br />
Statistik, Jahrgang 1887, Bremen 1888, S. 167 f., 182.<br />
562 Oppel, Der Reis, S. 58.<br />
563 Bremisches Statistisches Amt (Hrsg.), Jahrbuch für Bremische<br />
Statistik, Jahrgang 1887, Bremen 1888, S. 168.<br />
564 Siehe Kapitel IV 2.
565 Blankenburg, Der Reis, S. 287.<br />
566 Grant, Rice Crop in Burma, Appendix VI, S. 52.<br />
567 Leonhard, Rickmers, S. 105 ff.<br />
568 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 112 f.<br />
569 Leonhard, Rickmers, S. 112 ff.<br />
570 Ebd.,S. 116.<br />
571 Ebd.,S. 116-122.<br />
572 „[...] und es verstand sich einfach von selbst, daß der Sohn, Robert,<br />
für den Reis aufgezogen wurde wie sein jüngerer Bruder<br />
Paul für <strong>die</strong> Schiffe und <strong>die</strong> Werft.“ Siehe: Priiser, Friedrich,<br />
Robert Rickmers. 1864-1948. Sonderdruck aus Niedersachsi.sche<br />
Lebensbilder 8, Hildesheim 1973. In: Rickmers Familienarchiv,<br />
PK 11/13, Personenakte Robert Henry Rickmers 1864—1948.<br />
573 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 112 f., 116 f. Sowie: Leonhard,<br />
Rickmers, S. 116, 125 ff.<br />
574 Ebd., S. 82.<br />
575 Zur Geschichte der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert siehe:<br />
Schnorr, Tanja, Historie und Recht des Aufsichtsrats - Deutsche<br />
Erfahrungen als Beitrag zum Statut der Europäischen Aktiengesellschaft<br />
1991, Dissertation, Würzburg 2000, S. 10-39.<br />
576 Pierenkemper, Untemehmensgeschichte, S. 91, 100.<br />
577 Leonhard, Rickmers, S. 87.<br />
578 Zur Auflösung von Strukturen in der Bremer Gesellschaft und<br />
der politischen Elite siehe: Schulz, Vormundschaft und Protektion.<br />
Sowie: <strong>Dannhauer</strong>, Der Politiker Hermann Henrich Meier<br />
- Mehr als Kaufmann und Reeder?<br />
579 Loose, Hans-Dieter (Hrsg.), Hamburg. Geschichte der Stadl und<br />
ihrer Bewohner. 1. Von den Anfängen <strong>bis</strong> zur Reichsgründung.<br />
Hamburg 1982, S. 24.<br />
580 Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt Bremen II,<br />
S. 349.<br />
581 Zur Geschichte des Zollanschlusses Bremens siehe: Schwarzwälder,<br />
Geschichte der Freien Hansestadt Bremen II, S. 345-351.<br />
Sowie: Herms, Doris, Die Anfänge der bremischen Industrie.<br />
Vom 17. Jahrhundert <strong>bis</strong> zum Zollanschluß (1888), Bremen<br />
1952, S. 27.<br />
582 Kunz, Andreas und Lars U. Scholl (Hrsg.), Die Deutsche Seeschifffahrt<br />
1821-1989. Ein Datenhandbuch, Bremen 2011,<br />
S. 13 f.<br />
583 Weder in der Literatur noch im Staatsarchiv oder im Archiv der<br />
Handelskammer Hamburg finden sich Hinweise oder Akten, <strong>die</strong><br />
auf eine ähnlich wichtige Stellung des <strong>Reishandel</strong>s in Hamburg<br />
vor 1888 hinweisen, wie sie Bremen hatte.<br />
584 Prüser, <strong>Reishandel</strong> und Reisindustrie in Bremen, S. 17.<br />
585 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Antrag Bremer Reismühlen<br />
auf Änderung der Ausbeutesätze vom 1.10.1906.<br />
586 Archiv der Handelskammer Hamburg, 20. H. 2.1. DieVerhandlungen<br />
zur Schaffung des Zollregulativs für Reisschälmühlen<br />
(1881-1888).<br />
Ort und Zweck des Abdrucks aus dem Bremer Gesetzblatt lassen<br />
sich aus der Akte nicht erschließen.<br />
587 Archiv der Handelskammer Hamburg, 20. H. 2.1. Die Verhandlungen<br />
zur Schaffung des Zollregulativs für Reisschälmühlen<br />
(1881-1888).<br />
588 Ebd.<br />
589 Ebd.<br />
590 Die Mühle, ohne No., 17. Jg., 1880, ohne Seite.<br />
591 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 117.<br />
592 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 26.<br />
593 Rickmers Familienarchiv. PK 8/2, 1889-1909 Beteiligungen an<br />
anderen Unternehmen.<br />
594 Leonhard, Rickmers, S. 132, besonders FN 573. Zum Wert der<br />
Norddeutschen Reismühle m.b.H. im Jahr 1901 siehe: Bargmann,<br />
700 Jahre Bremer Mühlen, S. 65.<br />
595 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 117 f.<br />
596 von Pezold, Die Industrialisierung, S. 52 f. Siehe auch: Leonhard,<br />
Rickmers, S. 136 f.<br />
597 Weser-Zeitung, kurz vor dem 28.10.1893. Siehe: Geheimes<br />
Staatsarchiv Preußischer Kullurbesitz, I. HA Rep. 120 Ministerium<br />
für Handel und Gewerbe C VIII 1 Nr. 90, Akte Handel mit<br />
Reis.<br />
598 Torp, Die Herausforderung der Globalisierung, S. 84.<br />
599 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep.<br />
120 Ministerium für Handel und Gewerbe C Vili 1 Nr. 90, Akte<br />
Handel mit Reis.<br />
600 Torp, Die Herausforderung der Globalisierung, S. 182 f.<br />
601 Weser-Zeitung vom 1.11.1893, Morgenausgabe. Siehe: Geheimes<br />
Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 120 Ministerium<br />
für Handel und Gewerbe C VIII 1 Nr. 90, Akte Handel mit<br />
Reis.<br />
602 Nationalzeitung vom 29.10.1893. Siehe: Geheimes Staatsarchiv<br />
Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel<br />
und Gewerbe C VIII 1 Nr. 90, Akte Handel mit Reis.<br />
603 http://www.peter-hug.ch/lexikon/fiume?Typ=:PDF (zuletzt abgerufen<br />
am 11.10.2011).<br />
604 Die Mühle, No. 09, Zweites Blatt, 30. Jg., 1893, S. 143.<br />
605 Leonhard, Rickmers, S. 135, bes. FN 586.<br />
606 Im Archiv der Stadt Ústí nad Labern.<br />
607 Der Gulden wurde 1892 durch <strong>die</strong> österreichisch-ungarische<br />
Goldkrone ersetzt. Ein Gulden entsprach zwei Kronen. Eine<br />
Goldkrone wiederum hatte im Wechsel auf <strong>die</strong> Mark (Goldmark)<br />
den Wert von 0,85 Mark. Demnach waren 18.337 Gulden =<br />
36.674 Kronen = 31.172,90 Mark.<br />
608 Státní oblastni archiv Litoméîice, Podnikovÿ archiv Severoôeskÿch<br />
tukovych tukovych zävodö Ústí nad Labern, fond Bohemia<br />
Reiswerke-Aktiengesellschaft in Aussig 1899-1941. Alle<br />
Angaben über <strong>die</strong> Reismühle in <strong>die</strong>sem Abschnitt entstammen<br />
dem genannten Bestand des Archivs der Stadt Ústí nad Labern.<br />
609 Im Folgenden nur „Austria“ genannt.<br />
610 Státní oblastni archiv Litoménce, Podnikovy archiv Severo&skych<br />
tukovych tukovych závodñ Ústí nad Labern, fond Bohemia<br />
Reiswerke-Aktiengesellschaft in Aussig 1899-1941. Protokoll<br />
der Verwaltungsratssitzung der „Austria“ Reiswerke-<br />
Actiengesellschaft im Hotel Englischer Hof in Aussig, 5.6.<br />
1900.<br />
611 Státní oblastni archiv Litoméfice, Podnikovy archiv Severoceskych<br />
tukovych tukovych zàvodÔ Ústí nad Labern, fond Bohemia<br />
Reiswerke-Aktiengesellschaft in Aussig 1899-1941. Vereinbarung<br />
der Zusammenarbeit zwischen der Ersten Triester<br />
Reisschälfabrik und der „Austria“ Reiswerke Aussig, 3.12.1901.<br />
612 Státní oblastni archiv Litoméfice, Podnikovÿ archiv Severoceskych<br />
tukovych tukovych zàvodô Ústí nad Labern, fond Bohemia<br />
Reis werke-Aktiengesellschaft in Aussig 1899-1941. Protokoll<br />
der 5. ordentlichen Generalversammlung der „Austria“<br />
Reiswerke-Actiengesellschaft im Bureau der Anglo-Österr.<br />
Bankfiliale in Aussig, 4.6.1904. Sowie: Verzeichnis der bei der<br />
6ten General-Versammlung der „Austria“ Reiswerke-Acliengesellschaft<br />
in Aussig am 20. Mai 1905 anwesenden Herren Actionäre.<br />
613 Prüser, <strong>Reishandel</strong> und Reisindustrie in Bremen, S. 15.<br />
614 Torp, Die Herausforderung der Globalisierung, S. 363.<br />
615 Leonhard, Rickmers, S. 133.<br />
616 Baker, A History of Thailand, S. 90.<br />
617 Schuhmacher, Reis in der Weltwirtschaft, S. 30.<br />
618 Rickmers-Familienarchiv, ST 7/II, Manuskripte Festschrift,<br />
S. 31f.<br />
619 Bargmann, 700 Jahre Bremer Mühlen, S. 66.<br />
620 Prüser, <strong>Reishandel</strong> und Reisinduslrie in Bremen, S. 14.<br />
621 Baker, A History of Thailand, S. 93.<br />
622 Siebs, 125 Jahre Rickmers. S. 116.<br />
623 Rickmers-Familienarchiv, PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers-Reismühlen 1880-1891.
624 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 35.<br />
625 Riedemann (1832-1920) war ein Pionier der Tankschifffahrl.<br />
1890 war er gemeinsam mit Franz und Carl Schütte sowie der<br />
Standard Oil Company von John D. Rockefeller <strong>die</strong> Deutsch-<br />
Amerikanische Petroleum Gesellschaft, aus der 1950 Esso hervorging.<br />
626 Rickmers-Familienarchiv, PK 8/2, 1889-1909 Beteiligungen an<br />
anderen Unternehmen.<br />
627 Eine Anfrage an das Archiv in Braila blieb ohne Auskunft.<br />
628 Bargmann, 700 Jahre Bremer Mühlen, S. 67.<br />
629 Fuchs, Eckhardt (Hrsg.), Weltausstellungen im 19. Jahrhundert,<br />
Leipzig 2000, S. 9.<br />
630 Leonhard, Rickmers, S. 41.<br />
631 Fuchs, Weltausstellungen, S. 87 f.<br />
632 Kom, Oliver, Hanseatische Gewerbeausstellungen im 19. Jahrhundert.<br />
Republikanische Selbstdarstellung, regionale Wirtschaftsförderung<br />
und bürgerliches Vergnügen, Opladen 1999,<br />
S. 138 ff.<br />
633 Roder, Hartmut, Bremen, Sommer 1890. Eine Stadt ganz im<br />
Zeichen einer Ausstellung. In: Ders. (Hrsg), Bremen - Handelsstadt<br />
am Fluß, Bremen 1995, S. 39,42.<br />
634 Kom, Hanseatische Gewerbeausstellungen, S. 145, 148.<br />
635 Bundesarchiv Berlin, R 1001/7918 Reis in Togo. Brief Andreas<br />
Rickmers an F. Wilhelm Delius vom 17.1.1890.<br />
636 Bundesarchiv Berlin, R КЮ1/7918 Reis in Togo. Brief aus Hamburg<br />
an Bismarck vom 24.2.1890.<br />
637 Bundesarchiv Berlin, R КЮ1/7918 Reis in Togo. Brief an Jesko<br />
von Puttkammer, ohne Datum.<br />
638 Die Mühle, No. 15, Zweites Blatt, 26. Jg., 1889, S. 238.<br />
639 Roder, Eine Stadt ganz im Zeichen einer Ausstellung, S. 41.<br />
640 Kom, Hanseatische Gewerbeausstellungen, S. 145 f.<br />
641 Rickmers Familienarchiv PK 13/10, Prospekte und Informationsmaterial<br />
Rickmers Reismühlen 1880-1891, Prospekt von<br />
1884.<br />
642 Leonhard, Rickmers, S. 189.<br />
643 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 17 ff.<br />
6 4 4 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 118.<br />
645 Staatsarchiv Hamburg, 132 6/5 1 Konsulat Bassein.<br />
646 Rickmers-Familienarchiv, Kopierbuch VI, Reisetagebuch Paul<br />
Rickmers.<br />
647 Leonhard, Rickmers, S. 133.<br />
648 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 34.<br />
649 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.1, Rice<br />
Cargoes. Siehe auch: Kellenbenz, Hermann, Der Bremer Kaufmann.<br />
Versuch einer sozialgeschichtlichen Deutung. In: Bremisches<br />
Jahrbuch, Band 51, 1969, S. 19-49, hier S. 4L<br />
650 Historische Gesellschaft zu Bremen (Hrsg.), Bremische Biographie<br />
1912-1962, Bremen 1969, S. 425.<br />
651 Magee, Empire and Globalisation, S. 171.<br />
652 Wiesekopsieker, Hoffmann’s Stärkefabriken, S. 118.<br />
653 Wätjen, Hans, Weißes W im blauen Feld. Die bremische Reederei<br />
und Überseehandlung D. H. Wätjen & Co. 1821-1921, Wolfsburg<br />
1983,5.96.<br />
654 Ebd.,S.98 ff.<br />
655 Wiesekopsieker, Die Bremer Aufsichtsratsmitglieder der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG, S. 100.<br />
656 Ebd.,S. 105 f., 114 ff.<br />
657 Prager, DDG Hansa. S. 20.<br />
658 Rickmers-Familienarchiv, PK 1/7, Austritt Andreas Rickmers.<br />
659 Leonhard, Rickmers, S. 187.<br />
660 Rickmers-Familienarchiv, PK 1/7, Austritt Andreas Rickmers.<br />
661 Siehe: Schulz, Vormundschaft und Protektion.<br />
662 Siehe: Brandes, Erika, Der Bremer Überseekaufmann in seiner<br />
gesellschaftsgeschichtlichen Bedeutung im „geschlossenen Heiratskreis“.<br />
In: Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte<br />
zu Berlin (Hrsg.), Genealogisches Jahrbuch, Bd.<br />
3, Neustadt an der Aisch 1963, S. 25-52.<br />
663 Wiesekopsieker, Die Bremer Aufsichtsratsmitglieder der Hoffmann’s<br />
Stärkefabriken AG, S. 110.<br />
664 Pohl, Aufbruch der Weltwirtschaft, S. 103.<br />
665 Baker. A History of Thailand, S. 84 f.<br />
666 Grant, James, Rice Crop in Burma, S. 35.<br />
667 Baker, A History of Thailand, S. 84-99.<br />
668 Grant, Rice Crop in Burma, S. 2.<br />
669 Ebd., S. 36.<br />
670 Nach anderen Angaben enthielt Big Mills Specials sogar <strong>bis</strong> zu<br />
45 Prozent Bruch und Small Mills Specials <strong>bis</strong> zu 42 Prozent<br />
und Straits Quality <strong>bis</strong> zu 35 Prozent Bruchreis. Siehe: Siok-<br />
Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 105, Tabelle IV.14.<br />
671 Grant, Rice Crop in Burma, S. 36 f.<br />
672 Latham, The International Market in Rice and Wheat, S. 262.<br />
673 Zur Reisnachfrage Chinas und dem Transport des Reises auf<br />
deutschen Schiffen siehe: Ziegler, Bremens politische, ökonomische<br />
und soziokulturelle Beziehung zu China, S. 179, bes.<br />
FN816.<br />
674 Grant, Rice Crop in Burma, S. 37.<br />
675 Latham, The International Market in Rice and Wheat, S. 262.<br />
676 Grant, Rice Crop in Burma, Appendix VI, S. 52.<br />
677 Baker, A History of Thailand. S. 101.<br />
678 Ebd., S. 92-94.<br />
679 Grant, Rice Crop in Burma, Appendix V, S. 48 f.<br />
680 Singer, Old Rangoon, S. 140.<br />
681 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 78, Tabelle IV. 1.<br />
682 Ebd., S. 78.<br />
683 Ebd., S. 83, Tabelle IV.4.<br />
684 Ebd., S. 85-91 sowie S. 92, Tabelle IV. 11.<br />
685 Ebd., S. 85, Tabelle IV.5.<br />
686 Ebd., S. 93, Tabelle IV. 12.<br />
687 Ebd., S. 97, Tabelle IV.13.<br />
688 Ebd., S. 96.<br />
689 Bundesarchiv Berlin, R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1907-10, Brief Kaiserlich Deutsches Konsulat Swatau an<br />
Reichskanzler von Bülow vom 18. März 1908.<br />
690 Bundesarchiv Berlin, R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1907-10, Brief Kaiserlich Deutsches Konsulat Bangkok<br />
an Reichskanzler von Bülow vom 24. März 1908.<br />
691 Baker, A History of Thailand, S. 91 f.<br />
692 Bundesarchiv Berlin, R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1907-10, Brief Kaiserlich Deutsches Generalkonsulat Singapur<br />
an Reichskanzler von Bethmann Hollweg vom 1. Februar<br />
1910.<br />
693 Bundesarchiv Berlin, R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1907-10, Brief Kaiserlich Deutsche Gesandtschaft Bangkok<br />
an Reichskanzler von Bethmann Hollweg vom 7. Februar<br />
1910.<br />
694 Bundesarchiv Berlin, R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1910-12, Brief Königlich Preußische Gesandtschaft in<br />
Mecklenburg und den Hansestädten an den Minister der Auswärtigen<br />
Angelegenheiten von Bethmann Hollweg vom 31. Dezember<br />
1910.<br />
695 The Straits Times. 22.11.1910, S. 7.<br />
Zitiert nach: http://newspapers.nl.sg/Digitised/Article/.straitstimesl9IOl<br />
122.2.68.aspx (zuletzt abgerufen am 1.11.2011).<br />
696 The Straits Times, 29.11.1910, S. 7.<br />
Zitiert nach: http://newspapers.nl.sg/Digitised/Article/slraitstim<br />
esl9101129.2.57.aspx (zuletzt abgerufen am 1.11.2011).<br />
697 Bundesarchiv Berlin, R 901/18001 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1910-12, Brief Kaiserlich Deutsche Gesandtschaft Bangkok<br />
an Reichskanzler von Bethmann Hollweg vom 24. April<br />
1911.<br />
698 Bundesarchiv Berlin, R 901/76695 Schifffahrtsverhältnisse in<br />
Siam 1912-14, Brief Kaiserlich Deutsches Konsulat Hongkong<br />
an Reichskanzler von Bethmann Hollweg vom 18. Juli 1913.
699 Baker, A History of Thailand, S. 89.<br />
700 Bundesarchiv Berlin, R 901/76892 Schifffahrtsberichle Deutsches<br />
Konsulat Rangun.<br />
701 Bargmann, 700 Jahre Bremer Mühlen, S. 64.<br />
702 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 11.<br />
703 Liverpool Record Office and History Library, MD 285.1, Rice<br />
Cargoes.<br />
704 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 67 f.<br />
705 Prüser, <strong>Reishandel</strong> und Reisindustrie in Bremen, S. 17.<br />
706 Die Mühle, No. 7, Zweites Blatt, 29. Jg., 1892, S. 111.<br />
707 Bamikel, Hans-Heinrich, Marktwirtschaft. Kartelle, Konzentration,<br />
Kontrolle, Heidelberg 1989, S. 12 f.<br />
708 Liefmann, Robert, Untemehmerverbände (Konventionen, Kartelle).<br />
Ihr Wesen und ihre Bedeutung, Freiburg 1897, S. 43 ff.,<br />
55.<br />
709 Ebd., S. 74 f., 83-89.<br />
710 Maschke, Erich, Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte <strong>bis</strong><br />
<strong>1914</strong>, Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte, Heft<br />
10, Dortmund 1964, S. 5.<br />
711 Ebd., S. 6.<br />
712 Ebd., S. 30-34.<br />
713 Liefmann, Robert, Die Unternehmungen und ihre Zusammenschlüsse.<br />
Bd. II Kartelle, Konzerne und Trusts, Stuttgart 1927,<br />
S. 315.<br />
714 Schnorr, Historie und Recht des Aufsichtsrals, S. 10.<br />
715 Ebd., S. 14-23.<br />
716 Thiäner, Frank, Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern<br />
in der rechtshistorischen Entwicklung <strong>bis</strong> 1937, Frankfurt<br />
2007, S. 77.<br />
717 Söhnchen, Markus, Die historische Entwicklung der rechtlichen<br />
Gründungsvoraussetzungen von Handels- und Aktiengesellschaften,<br />
Berlin 2005, S. 196-211.<br />
718 Thiäner, Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern,<br />
S. 77.<br />
719 Siehe auch: Schnorr, Historie und Recht des Aufsichtsrats, S.<br />
30-39.<br />
720 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 1-3.<br />
721 Zusammengestellt aus: Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720,<br />
Band 1, Reis und AG, Blatt 28-37. Sowie: Handelskammer Bremen,<br />
Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft in Bremen, S.<br />
12.<br />
722 Bargmann, 7(Ю Jahre Bremer Mühlen, S. 65.<br />
723 Eigene Tabelle nach: Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720,<br />
Band I, Reis- und Handels AG, Blatt 17, 26. Sowie: Bargmann.<br />
700 Jahre Bremer Mühlen, S. 65.<br />
724 Leonhard, Rickmers, S. 165.<br />
725 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 2.<br />
726 Ebd.<br />
727 Ebd.<br />
728 Staatsarchiv Flensburg, XII Hs, 01422 (S). Luise Kallsen, „Reismühle“,<br />
S. 15.<br />
729 Ebd., S. 16.<br />
730 Liefmann, Unternehmerverbände, S. 46.<br />
731 Staatsarchiv Flensburg, XII Hs, 01422 (S). Luise Kallsen, ,^eismühle“,<br />
S. 16.<br />
732 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 42 f.<br />
733 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Antrag Handelskammer Hamburg<br />
an <strong>die</strong> Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe vom<br />
20. November 1911.<br />
Hier wird als einzige Mühle der Reis- und Handels AG <strong>die</strong> der<br />
Hamburger Reiswerke mbH, <strong>bis</strong> 1908 Hamburg-Indische Reiswerke<br />
Paul Munckel & Co., genannt.<br />
734 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 91.<br />
735 Ebd., Blatt 68. Siehe auch: Prüser, <strong>Reishandel</strong> und Reisindustrie<br />
in Bremen, S. 18.<br />
736 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 105.<br />
737 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 14 f.<br />
738 1865 wurde <strong>die</strong> Maschinenfabrik „Nagel & Kaemp, Zivilingenieure“<br />
in Winterhude bei Hamburg gegründet und firmierte ab<br />
1889 als Eisenwerk (vorm. Nagel & Kaemp) AG. Ab 1890 wurden<br />
neben Reismühlen in erster Linie Kräne für Schiffe und Hafenanlagen<br />
produziert.<br />
739 Siehe dazu den Brief der Reis- und Handels AG an <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Bremen vom 15. Februar 1913. In: Archiv der Handelskammer<br />
Bremen, W II28 1875-1934, 1938, Akte <strong>Reishandel</strong><br />
und Schlussschein.<br />
740 Hamburgische Börsen-Halle, Abendausgabe, 15. April 1913. In:<br />
Rickmers Familienarchiv, ST 9, Diverse Korrespondenzen.<br />
741 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 63.<br />
742 Ebd., Blatt 114.<br />
743 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 34 ff.<br />
744 Melchers, Henning, Die Geschichte der Firma Melchers<br />
1806-2006. Bremen 2008, S. 23, 25.<br />
745 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 114.<br />
746 Leonhard, Rickmers, S. 149-153.<br />
747 Siebs, 125 Jahre Rickmers, S. 113 f.<br />
748 Leonhard, Rickmers, S. 158-164,<br />
749 Ebd., S. 165.<br />
750 Ebd., S. 165 ff.<br />
75! Vergleiche: Kludas, 150 Jahre Rickmers, S. 40.<br />
752 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 79.<br />
753 Steinbach, Der Eintritt Lippes in das Industriezeitalter, S. 111.<br />
754 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 34.<br />
755 Bargmann, 700 Jahre Bremer Mühlen, S. 67.<br />
756 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 71.<br />
757 Ebd,, Blatt 82.<br />
758 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Antrag Handelskammer Hamburg<br />
an <strong>die</strong> Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe vom<br />
20.11.1911.<br />
759 Archiv der Handelskammer Bremen, W II28 1875-1934, 1938,<br />
Akte <strong>Reishandel</strong> und Schlussschein.<br />
760 Ebd., Brief der Reis- und Handels AG an <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Bremen vom 20. Dezember 1904.<br />
761 Ebd., Brief Dr. Langfurth an <strong>die</strong> Reis- und Handels AG vom 17.<br />
Januar 1905.<br />
762 Ebd., Brief der Handelskammer Bremen an <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Hamburg vom 6. Februar 1905.<br />
763 Ebd., Brief der Reis- und Handels AG an <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Bremen vom 25. Juli 1905.<br />
764 Ebd., nach einem Brief der Handelskammer Bremen an <strong>die</strong> Marinestation<br />
der Nordsee in Wilhelmshaven vom 23. September<br />
1907.<br />
765 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 113.<br />
766 Rickmers-Familienarchiv, ST 9, Diverse Korrespondenzen, Stenographische<br />
Notizen vom 17. April zur General-Versammlung<br />
der Reis- und Handels AG in Bremen am 14. April 1913.<br />
767 Ebd.<br />
768 Leonhard, Rickmers, S. 176 ff., bes. FN 778.<br />
769 Rickmers-Familienarchiv, PK 1/13, Dossier Andreas Rickmers,<br />
Anhang Rickmers AG 1908-1910, Andreas Rickmers’ Offerte<br />
an Familie Peter Rickmers vom 14. September 1909.
770 Ebd., Paul Rickmers an Robert Rickmers im Oktober 1909.<br />
771 Siehe: Leonhard, Rickmers, Tabelle S. 181.<br />
772 Siehe: Rickmers-Familienarchiv, PK 1/11, Rickmers AG - 1910<br />
Unregelmäßigkeiten Reis- & Handels AG Korrespondenz Robert<br />
und Paul Rickmers.<br />
773 Leonhard, Rickmers, S. 185 ff.<br />
774 Ebd, S. 168, 187 ff.<br />
775 Eigene Auswertung nach: Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB<br />
720, Band I, Reis- und Handels AG.<br />
776 Die Zahlen sind auf Grundlage der oben abgebildeten Bilanzen<br />
berechnet. Das Aktienkapital ist auf Grund der Gründungsvorgänge<br />
berechnet worden. Nicht berücksichtigt sind weitere Aufkäufe<br />
von Aktien der Reis- und Handels AG durch <strong>die</strong> Familie<br />
Rickmers beziehungsweise <strong>die</strong> Rickmers AG. So sind laut Leonhard<br />
1908 nicht 7.687 Aktien, sondern 8.200 Aktien im Besitz<br />
der Rickmers AG. Damit wären <strong>die</strong> Einkünfte der Rickmers AG<br />
durch Dividenden ab 1908 um weitere 120.645 Mark und der<br />
Aktienbesitz um 513.000 Mark höher gewesen als in der Tabelle<br />
dargestellt.<br />
777 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Antrag Bremer Reismühlen<br />
auf Änderung der Ausbeutesätze vom 1. Oktober 1906, S. 18 f.<br />
778 Ebd., S. 18.<br />
779 Archiv der Handelskammer Hamburg, 20.H.2.3.1 Änderung des<br />
Zollregulativs für Reisschälmühlen - Antrag der zollinländischen<br />
Mühlen auf Herabsetzung der Ausbeutesätze durch den Verein<br />
<strong>Deutscher</strong> Reismüller in Bremen, 1. Februar 1894.<br />
Vorsitzender des Vereins war Julius Nielsen aus der Familie der<br />
Bremer Reismüller. Unterzeichnet haben in Bremen: Rickmers<br />
Reismühlen, Rhederei und Schiffbau Aktien-Gesellschaft; Gebr.<br />
Nielsen; Osterholzer Reiswerke m.b.H., Zweigniederlassung<br />
Bremen. In Hamburg Unterzeichneten <strong>die</strong> Mühlen Schumacher,<br />
Deppe & Co.; Anton Deppe für <strong>die</strong> Norddeutsche Reismühle<br />
m.b.H.; Hermann Berkan & Co.; Brock & Schnars; Völckers &<br />
Richers. In Flensburg zeichnete Heinrich Christian Kallsen den<br />
Antrag.<br />
780 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Antrag Bremer Reismühlen<br />
auf Änderung der Ausbeutesälze vom l. Oktober 1906, S. 19.<br />
781 Ebd., S. 19 f.<br />
782 Ebd., S. 20.<br />
783 Ebd., S. 22.<br />
784 Ebd., S. 35.<br />
785 Zu den Vor\^’ürfen der Firma Lüthke & Co. siehe den nachfolgenden<br />
Abschnitt über <strong>die</strong> Anträge und Eingaben der Hamburger<br />
Mühlen.<br />
786 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Erwiderung der Reis- und<br />
Handels AG vom 9. Mai 1912 an <strong>die</strong> Handelskammer Bremen<br />
auf <strong>die</strong> Eingabe der Firma Lüthke & Co. vom Dezember 1911.<br />
787 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Die Handelskammer Bremen<br />
über den Gegensatz hamburgischer und bremischer Reismüller<br />
am 18. Mai 1912.<br />
788 Die Großhandelspreise für Reis lagen in Hamburg immer etwas<br />
niedriger als in Bremen. Vergleiche dazu Kapitel II, 4. Handelsablauf,<br />
Handelsklassen/Reissorten, Rohstoffprei.se.<br />
789 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Die Handelskammer Hamburg<br />
an <strong>die</strong> Deputation für Handel und Schiffahrt am 2. März 1907,<br />
S. 33.<br />
790 Ebd., S. 34 f.<br />
791 Ebd., S. 35 f.<br />
792 Ebd., S. 36 f.<br />
793 Ebd., S. 37 f.<br />
794 Ebd., S. 39.<br />
795 Diese Vorwürfe sind der Erwiderung der Reis- und Handels AG<br />
entnommen. Siehe: Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2<br />
Änderung Zollregulative geschälter Reis 1907-1913. Erwiderung<br />
der Reis- und Handels AG an <strong>die</strong> Handelskammer Bremen am<br />
9. Mai 1912 auf <strong>die</strong> Eingabe der Firma Lüthke & Co. vom Dezember<br />
1911.<br />
796 Zur Erwiderung der Reis- und Handels AG siehe den vorstehenden<br />
Abschnitt über Anträge und Eingaben der Reis- und Handels<br />
AG.<br />
797 Archiv der Handelskammer Bremen, W II 28 1875-1934, 1938,<br />
Akte <strong>Reishandel</strong> und Schlussschein. Brief Michelsen & Co. an<br />
<strong>die</strong> Senatskommission für Reichs- und Auswärtige Angelegenheiten<br />
vom 28. Dezember 1904.<br />
798 Archiv der Handelskammer Bremen, Reis- und Handels AG an<br />
<strong>die</strong> Handelskammer Bremen vom 24. August 1905.<br />
799 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 1 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1906. Senat der Freien und Hansestadt<br />
Hamburg an den Reichskanzler am 3. Juni 190!.<br />
800 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 1 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1906. Senatskommission für Reichs- und<br />
Auswärtige Angelegenheiten Hamburg an den Reichskanzler<br />
am 12. Februar 1906.<br />
801 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Der Generalzolldirektor an<br />
<strong>die</strong> Senatskommission für Zollwesen in Hamburg am 8. August<br />
1907.<br />
802 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulalive<br />
geschälter Reis 1907-1913. Der Reichskanzler an den<br />
Bundesrat am 30. Oktober 1911.<br />
803 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulative<br />
geschälter Reis 1907-1913. Die Handelskammer Hamburg<br />
an den Senat am 20. November 1911.<br />
804 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 1244 Bd. 2 Änderung Zollregulalive<br />
geschälter Reis 1907-1913. Reichsschatzamt an den Senat<br />
in Hamburg am 6. März 1913.<br />
805 Bundesarchiv Berlin, R 1001/7918 Reis in Togo. Brief Victor<br />
an Delius vom 23.1.1890.<br />
806 Bundesarchiv Berlin, R 1001/7916 Reis in Kamerun. Briefe<br />
1903-1910.<br />
807 Bundesarchiv Berlin, R 1001/7916 Reis in Kamerun. Brief des<br />
Kaiserlichen Gouvernements Kamerun an das Reichskolonialamt<br />
vom 5. Mai 1913.<br />
808 Bundesarchiv Berlin, R 8024/115 Ulanga Reis- & Handelsgesellschaft.<br />
<strong>Deutscher</strong> Reichsanzeiger vom 16. Januar <strong>1914</strong>.<br />
809 Archiv der Handelskammer Bremen, W II 28 1875-1934, 1938,<br />
Akte <strong>Reishandel</strong> und Schlussschein. Brief Eisenwerk (vorm.<br />
Nagel & Kämp) an <strong>die</strong> Handelskammer Bremen vom 4. Februar<br />
1913.<br />
810 Archiv der Handelskammer Bremen, W 11 28 1875-1934,1938,<br />
Akte <strong>Reishandel</strong> und Schlussschein. Brief der Reis- und Handels<br />
AG an <strong>die</strong> Handelskammer Bremen vom 15. Februar 1913.<br />
811 Bundesarchiv Berlin, R 1001/7920 Reis in Deutsch-Neuguinea.<br />
Brief Kaiserlich Deutsches Konsulat an Reichskanzler Bülow<br />
vom 27. April 1909.<br />
812 Bundesarchiv Berlin, R 1001/7920 Reis in Deutsch-Neuguinea.<br />
Briefe 1913/14.<br />
813 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB S654II, Schröder, Smidt &<br />
Co.<br />
814 Staatsarchiv Bremen 4,75/5 - HRB 720, Band I, Reis- und Handels<br />
AG, Blatt 140.<br />
815 Ebd.<br />
816 Heinrich Huchting arbeitete seit 1899 für Krüger & Co. in Rangun.<br />
Seil 1908 war er Generalmanager der Burma Rice & Trading<br />
Company. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Huchting Teilhaber<br />
der Firma Rudolf Meyerkort und baute deren Reisabteilung auf.<br />
Siehe: Roder, Hartmut, Wie das Teakholz nach Europa kam. Ein
Bremer Kaufmann in den Wäldern Burmas. In: Ders. (Hrsg.),<br />
Bremen - Ostasien. Eine Beziehung im Wandel. 100 Jahre<br />
Ostasiatischer Verein Bremen, Bremen 2001, S. 256-260, hier<br />
S. 260.<br />
817 Archiv der Handelskammer Bremen, 900 01 К 14 Reis- und<br />
Handels AG, Brief Huchting an den Vorstand der Reis- und Handels<br />
AG vom 22. Juli 1915.<br />
818 Archiv der Handelskammer Bremen, 900 01 К 14 Reis- und<br />
Handels AG, Brief der Reis- und Handels AG an <strong>die</strong> Handelskammer<br />
Bremen vom 6. Juli 1916.<br />
819 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 39.<br />
820 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 22.<br />
821 Staatsarchiv Hamburg, 132-11 3939, Enteignung Fa. Cuno Hering.<br />
822 Staatsarchiv Hamburg, 132-11208, Beschlagnahmung einer Reissendung<br />
der Fa. Hom & Samsche, Hamburg auf dem deutschen<br />
D „Mudros“ durch griechische Seestreitkräfte 1913-1915.<br />
823 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 17.<br />
824 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 38 f., 42.<br />
825 Archiv der Handelskammer Hamburg, ll.D .40.6 Gewichtsschwankungen<br />
bei Reis, Gewichtsschwund bei Reis, Brief der<br />
Hamburger Reismühle AG an <strong>die</strong> Handelskammer Hamburg<br />
vom 9. April 1919.<br />
826 Robertson, C. J., The rice export from Burma, Siam and French<br />
Indo-China. In: Pacific Affairs, ѴЫ. 9, No. 2 1936, p. 243-253,<br />
hier S. 250.<br />
827 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 18. Siehe auch; Blankenburg, Der Reis, S.<br />
223 f.<br />
828 Grant, Rice Crop in Burma, S. 34.<br />
829 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 18. Siehe auch: Prüser, Reis- und Handels-<br />
Aktiengesellschaft, S. 40.<br />
830 Siok-Hwa, The Rice Industry of Burma, S. 204 f.<br />
831 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 17 f.<br />
832 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 40.<br />
833 Staatsarchiv Flensburg, II E, 02431 (NV), Verkauf der Flensburger<br />
Reismühle.<br />
834 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 19 ff., 29.<br />
835 Roder, Wie das Teakholz nach Europa kam, S. 260.<br />
836 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 43.<br />
837 Bargmann, 700 Jahre Bremer Mühlen, S. 75.<br />
838 Prüser, Reis- und Handels-Aktiengesellschaft, S. 43.<br />
839 Handelskammer Bremen, Die Reis- und Handels-Aktiengesellschaft<br />
in Bremen, S. 22, 26.<br />
840 Roder, Reis-Weltmarkt Bremen, S. 237.
Personenregister<br />
Bandow, Johann Heinrich 83,188<br />
Behrends, Johannes 221-223<br />
Bismarck, Otto von 111,130,134,174<br />
Caprivi, Leo von 130, 173, 174<br />
Cassel, Carl Philipp 30<br />
Delius, Friedrich Wilhelm 185<br />
Deppe, Anton 171,176-178,188,189,<br />
208-211<br />
Duckwitz, deorg 98<br />
Escher, Alfred 175-179<br />
Franzius, Ludwig 134, 135<br />
Hachez, Joseph 115,188,191<br />
Heineken, Philipp Cornelius 204<br />
Helfer, Johann Wilhelm 27, 78, 84, 89, 96<br />
Hoffmann, Eduard 10, 112-115, 118-120,<br />
125, 127, 130, 188, 191, 193<br />
Hoffmann, Leberecht Fürchtegott 113, 114,<br />
191, 193<br />
Huchting, Heinrich 238, 239<br />
Hunter, William 26, 27, 78<br />
Hütterott, Georg Ritter von 177, 178<br />
Ichon, Louis Eduard 10, 33, 104, 165, 189,<br />
246<br />
Kallsen, Heinrich Christian 178, 208-210,<br />
212,213,219, 225,228<br />
Lange, Gerhard 124-126,128<br />
Markwald, Adolph 59, 60, 65, 80-82, 95,<br />
180, 181,248<br />
Mohr, Carl 83, 84, 86, 87, 188<br />
Morse, Samuel 99<br />
Munckel, Paul 218,222<br />
Nielsen, Anton Heinrich 33, 108, 109, 134,<br />
187, 246<br />
Nielsen, Friedrich Carl Ferdinand 31,33, 108,<br />
109, 187,246<br />
Papen<strong>die</strong>ck, Christoph Hellwig 136<br />
Pokrantz, Carl 114, 115, 187, 188, 191, 193<br />
Puttkammer, Jesko von 185<br />
Rickmers, Andreas Ciasen 21, 37, 39, 40, 91,<br />
92, 103-106, 123, 137, 138, 141, 161-167,<br />
171, 172, 175-177, 179-182, 185-190, 192,<br />
194, 203-208, 210-218, 221-223, 226, 233,<br />
236, 246-249<br />
Rickmers, Paul 48, 164, 166, 189, 214, 215,<br />
221-223, 236<br />
Rickmers, Peter 91, 123, 161, 162, 164—166,<br />
187,214, 221-223<br />
Rickmers, Rickmer Ciasen 13, 34, 36-39, 55,<br />
72, 92, 103-106, 109, 110, 121, 123, 137,<br />
138, 141, 161, 162, 165, 166, 187, 190, 206,<br />
246<br />
Rickmers, Robert 164, 166, 176, 177, 179,<br />
208-211, 214, 221-223, 228, 236<br />
Rickmers, Wilhelm (Willy) 105, 123, 124,<br />
161, 164-166, 172, 187, 191<br />
Riedemann, Wilhelm Anton 92,182<br />
Rosenkranz, Carl 189, 190, 213<br />
Smidt, Johann 36<br />
Soemmerring, Samuel Thomas 99<br />
Thörl,Friedrich 132<br />
Upmann, Hermann Friedrich 126, 209-211,<br />
213,215,220, 222<br />
Victor, Friedrich Karl 185,234<br />
Wätjen, Diedrich Heinrich 114, 191<br />
Wätjen, Eduard 114, 115, 188, 191<br />
Wieting, Heinrich 23, 24, 27, 98<br />
Wolde, August 123<br />
Wolde, Georg 122-124, 132, 137, 192
Summary:<br />
German Rice Trading from <strong>1850</strong> to <strong>1914</strong><br />
Background<br />
By the middle of the 19* Century, rice had become<br />
a standard cooking ingre<strong>die</strong>nt in Germany.<br />
It had been known in Europe for centuries as a<br />
foodstuff, but until then it had not featured on<br />
the menus of middle-class or working-class society.<br />
Now, however, as a result of the ever growing<br />
volume of rice imported, it was no longer<br />
considered exotic and had become a familiar<br />
household item.<br />
In Bremen rice became a standard commodity<br />
around the time that the city on the Weser advanced<br />
to become Germany’s biggest port of<br />
emigration. Many ships were leaving for the<br />
southern states of the USA with a cargo of slaves<br />
bound for South Carolina or Georgia. The crops<br />
cultivated there were then taken on board for the<br />
return voyage. After tobacco and cotton, rice became<br />
the third most important commodity in<br />
Bremen. The American rice industry was booming<br />
around <strong>1850</strong>. Irrigation systems and processing<br />
machinery in the mills were being constantly<br />
improved, and this led to improved harvests and<br />
higher export volumes. Nevertheless, cultivating<br />
rice was so labour-intensive and difficult that it<br />
could not be done using white labourers. Black<br />
slaves were the foundation on which the American<br />
rice plantations prospered. This situation<br />
changed dramatically with the onset of the Civil<br />
War. Within a few years, the USA changed from<br />
being Europe’s main supplier of rice to a country<br />
which had to import the same commodity. The<br />
emergence of Asia as the top supplier of rice to<br />
the world had begun. Even before the advent of<br />
German rice trading, the commodity had been<br />
bought and sold across continents. The surprising<br />
thing is that in the time that followed, German<br />
entrepreneurs were able to establish themselves<br />
sustainably in a market which had previously<br />
had no ties with Germany.<br />
Although there was no great surplus of rice from<br />
India and Asia in <strong>1850</strong>, and in spite of British<br />
navigation laws which until 1849 restricted access<br />
of foreign trading vessels to British territorial<br />
ports, occasional shipments of rice from Asia<br />
did sometimes complement the large-scale imports<br />
from America. At this time, German captains<br />
were also able to gather their first experience<br />
in the Asian trading zone shortly before the<br />
rapid growth of the rice trade. The structure of<br />
the global rice business changed fundamentally<br />
after the British took over Burma in 1852.<br />
Colonisation of Burma<br />
The British colonisation of Burma was a major<br />
step in the development of the German rice<br />
trade. Within a few years, state-subsidised cultivation<br />
projects transformed Burma into the<br />
world’s largest producer and exporter of rice. As<br />
in America, the rice industry here was also based<br />
on migrant labour, in this case mostly from India<br />
or China. Peasants were often at the mercy of<br />
money-lenders, middle-men and bulk buyers,<br />
while the labourers in the mills were forced to<br />
toil like slaves. The main beneficiaries of the<br />
new rice economy were British merchants, who<br />
played a pioneer role in establishing rice mills<br />
in the ports of Burma. German entrepreneurs<br />
were among the first to follow in setting up operations<br />
in the Burmese economy.<br />
German traders achieved this on the one hand<br />
through shipping activity within Asia - bringing<br />
tea and spices to the west from eastern Asia and<br />
returning with rice from Burma to points as far<br />
east as China. At the same time, the Germans<br />
managed to establish a strong foothold in Burma.<br />
After the British, the Germans made up the<br />
largest European minority group in Burma. Unlike<br />
the British, Germans were willing to learn<br />
the local language and assimilate the local culture,<br />
which in turn facilitated German access to<br />
the Burmese rice market.<br />
281
The rice mills in London and Liverpool were<br />
forced to look for new sources of raw material<br />
and expanded their presence in Akyab, Rangoon,<br />
Bassein and Moulmein. The German company<br />
Mohr Brothers & Co. had been founded in<br />
Akyab as early as 1837. In 1858 and 1859 this<br />
firm (which was run by Germans but operated<br />
under British law) set up branches in Burma’s<br />
three other major rice ports. This re-routing of<br />
German companies through London was significant.<br />
English companies dominated in Burma<br />
and German merchants were not able to operate<br />
their own mills in the ports. In Asia, German rice<br />
merchants played second fiddle and it was only<br />
through Bremen that they became established at<br />
the top of the global rice market.<br />
Changes in Bremen<br />
Around the middle of the century, several rice<br />
mills were established in Bremen. The brothers<br />
Anton and Carl Friedrich Nielsen were among<br />
the pioneers and they operated a steam-powered<br />
mill as from 1839. Using the skills he acquired<br />
there, Anton Nielsen founded his own rice mill<br />
in 1855. It was not until 1862 that the Nielsen<br />
parent company became Bremen’s third ricemilling<br />
enterprise. Friedrich Konitzky had inaugurated<br />
Bremen’s second rice-milling operation<br />
in 1858. This mill was taken over two years later<br />
by Louis Ichon and it was to play a crucial role<br />
in establishing Bremen’s position in the global<br />
rice market. In 1872, two events coincided at<br />
Louis Ichon’s mill: on the one hand Louis Ichon<br />
was searching for an investor as the mill was in<br />
urgent need of modernisation while at the same<br />
time the Bremerhaven-based shipper and shipbuilder<br />
Rickmer Ciasen Rickmers was looking<br />
for a shareholding in a rice mill. The Rickmers<br />
yard was experiencing difficulties in finding<br />
buyers for their ships in the free market and so<br />
they deployed the vessels in their own fleet for<br />
the ever more frequent transportation of rice. For<br />
the shipping line, this was a safe cargo but a<br />
profit could be made only if there was a steady<br />
turnover of rice in Bremen.<br />
Twenty years after the war between Britain and<br />
Burma in 1852 which led to the first exports of<br />
rice from that country, and seventeen years after<br />
the establishment of Bremen’s first rice mill,<br />
Rickmer Ciasen Rickmers and his son Andreas<br />
had secured a strong position in the international<br />
rice economy. Within a few years, the Ichon &<br />
Rickmers company had expanded their capacities<br />
and pushed the Ichon family out of the business.<br />
Andreas Rickmers took full advantage of<br />
the economic opportunities presented by the<br />
globalised market of the Nineteenth Century and<br />
became the most important figure in the German<br />
rice trade. The import, processing and export of<br />
rice was handled on an industrial scale in Bremen.<br />
The traditional rice-handling ports of London<br />
and Liverpool had been overtaken by Bremen<br />
and Hamburg by the year 1888.<br />
Andreas Rickmers takes advantage<br />
of globalisation<br />
As ship owner, rice merchant and rice miller,<br />
Andreas Rickmers was active in a business sector<br />
which benefitted from the economic effects<br />
of increased global networking. The rice industry<br />
would never have come about without intercontinental<br />
trade links and shipping. Rickmer<br />
Ciasen and Andreas Rickmers used the rice trade<br />
to secure the existence of their shipyard and<br />
shipping line. They also benefitted from many<br />
developments which brought Europe and Asia<br />
closer together. The same was true of course for<br />
the sales of German-processed rice in the markets<br />
of Europe, the Caribbean and North and<br />
South America. Improved sailing technology<br />
and the advent of steamships meant that distance<br />
was no longer a problem. This aspect was epitomised<br />
by the creation of the Suez Canal. The<br />
profit margins of global trade grew as shipping<br />
routes became less of a challenge. This trend<br />
was reinforced by improved communication<br />
channels resulting from a reliable postal service<br />
as well as the introduction of telegraphy and a<br />
gradual standardisation of the weights and measures<br />
system. England’s ousting from the top of
рпthe<br />
international rice trade by Bremen and Hamburg<br />
was also the result of Bremen rice merchants<br />
and millers being able to take better advantage<br />
of these developments. They did so by<br />
reacting appropriately to fluctuations in supply<br />
and demand. They also made better use of their<br />
market knowledge and communication technology.<br />
And they were also successful in improving<br />
factory production by optimising milling techniques.<br />
Andreas Rickmers recognised that there was a<br />
possibility that the rice trade between Europe<br />
and Asia would soon reach a level which would<br />
overstretch the capacity of his fleet. Northern<br />
Germany lagged behind as far as steam shipping<br />
was concerned - both in the construction of<br />
steam ships at the local yards and in the commissioning<br />
of steamships by the shipping lines.<br />
Norddeutscher Lloyd was the only shipping line<br />
in Bremen to operate steam vessels on a large<br />
scale and it did in fact transport rice as a secondary<br />
cargo. In 1881 Andreas Rickmers made an<br />
important contribution to the founding of the<br />
DDG „Hansa“, which was to offer initially a regular<br />
and later a scheduled cargo service between<br />
Bremen and Burma. In doing so, Andreas Rickmers<br />
may have strengthened the competition in<br />
the rice business, but he also reinforced Bremen’s<br />
position as the centre of the international<br />
rice trade and at the same time tightened ties between<br />
commodity suppliers abroad and processors<br />
in Germany. By this time it was not only a<br />
question of connecting producers in Asia with<br />
consumers in Europe and the other continents.<br />
Commodity futures markets had been created<br />
and traders were speculating months in advance<br />
on rising or falling prices or on fluctuations in<br />
the price of Indian wheat, which had an influence<br />
on the price of rice. They also speculated<br />
on the quality of the next rice crop.<br />
In 1881 there were also plans being made for<br />
dredging work on the River Weser. Beginning in<br />
1887, the channel was straightened and deepened.<br />
In 1888, Freihafen I was inaugurated,<br />
which then allowed ocean-going vessels to reach<br />
the city limits of Bremen. With the completion<br />
of this construction work in 1895, Bremen had<br />
easier access to international trading and shipping<br />
routes. A good knowledge of market conditions<br />
combined with excellent rice processing<br />
facilities and a good transport infrastructure all<br />
meant that by 1888 more rice was being imported<br />
to Bremen than to London. Bremen had finally<br />
become the most important international port<br />
in the handling and processing of rice.<br />
Changes in Europe<br />
The eighteen-eighties saw the end of a quarter<br />
century of economic liberalism in Europe. Industrialisation<br />
had been facilitated by the breaking<br />
down of many restrictions resulting from old<br />
labour demarcation rules while at the same time<br />
international commerce benefited from the relaxation<br />
of many import duties. Bremen’s business<br />
leaders had always advocated free trade and<br />
the town now became one of the main beneficiaries<br />
of this development. Some of Germany’s<br />
neighbours, in particular the Netherlands and<br />
Austria, had built up their own rice and starch<br />
industries which had been protected by import<br />
duties. The sourcing of raw material now became<br />
much easier for German millers, but at the<br />
same time competition intensified for sales of<br />
the finished product. The trading of rice across<br />
several continents was no longer restricted to a<br />
few pioneers. Global trade networks were now<br />
very tight and this allowed countries other than<br />
Germany and Britain to claim their share of the<br />
market. The Dutch could reach Germany easily<br />
by simply crossing the Rhine and were able to<br />
compete successfully with producers in Northern<br />
Germany. German markets close to the border<br />
were also supplied from Trieste and Fiume<br />
(Rijeka). This meant that Andreas Rickmers had<br />
to adopt a new business strategy.<br />
Through customs restructuring in Bremen and<br />
Hamburg, the rice mills on the Weser were<br />
placed within the German customs zone and at<br />
a stroke became subject to certain customs duties.<br />
The re-exporting of rice was thus made<br />
more difficult. In Hamburg, on the other hand.<br />
283
ш<br />
the small rice industry was able to develop without<br />
any customs barriers. For this reason, Andreas<br />
Rickmers acquired in 1893 a share of the<br />
Anton Deppe & Co. rice mill in Hamburg and<br />
thus secured a foothold in a second location in<br />
Germany. He proceeded with a similar strategy<br />
in those countries which had been lost to the<br />
German rice industry as a result of customs barriers<br />
or local competition. In 1895 Andreas Rickmers<br />
succeeded in completing a contract which<br />
saw the Rickmers AG and its 50% subsidiary<br />
Hamburger Reismühle becoming shareholders<br />
in the “Erste Triester Reisschälfabrik”. This led<br />
to the regaining of recently lost major markets<br />
in Europe and the Austro-Hungarian Empire. In<br />
cooperation with the plant in Trieste, the two<br />
Rickmers AG mills in Bremen and Hamburg<br />
founded another production unit in 1898 in Aussig<br />
on the Elbe. Andreas Rickmers thus consolidated<br />
his market position in Austria while at the<br />
same allowing himself access to border areas of<br />
Germany which had previously been beyond the<br />
reach of polished rice producers in northern Germany.<br />
This development also raised Hamburg’s<br />
importance as a rice producing location since it<br />
was from here that the Aussig facility (downstream<br />
from Hamburg, also on the Elbe) was<br />
supplied with both technical equipment and raw<br />
material.<br />
Changes like these are an indication of how<br />
highly developed the international rice market<br />
had become. In order to make a profit, the opportunities<br />
presented by any given location had<br />
to be exploited to the full; failing this, re-location<br />
was the only alternative. There can be no doubt<br />
that the rice market was a globalised market.<br />
This was not only because rice was sourced initially<br />
from America, then from Asia and finally<br />
in the Twentieth Century from America again.<br />
Another illustration of this intertwining within<br />
the rice market could be seen in the fact that<br />
Rickmers AG had become the first non-British<br />
company to acquire a rice mill in Asia. In 1894<br />
the company bought the Markwald & Co. rice<br />
mill in Bangkok and proceeded to make it the<br />
largest rice producing plant in Siam (Thailand).<br />
Adolph Markwald is assumed to have been the<br />
founder. He was a German and worked as a merchant<br />
in Siam, but he was not a rice trader. And<br />
so the purchase by Rickmers AG meant that<br />
theirs was the first operation of a German rice<br />
trader in Asia.<br />
Reis- und Handels AG<br />
The transition from the Nineteenth to the Twentieth<br />
Century involved a drop in prominence for<br />
the entire European continent in the international<br />
rice trade. As a result of the close ties between<br />
Europe and Asia, Asian firms were able to adopt<br />
European skills and technology. Shorter shipping<br />
times meant that fully processed rice from<br />
Asia could now be transported to Europe and<br />
America with little loss in quality. This did not<br />
make the European mills completely redundant,<br />
but it did mean that they were no longer essential<br />
to the international rice market.<br />
Rickmers AG reacted by advocating a union of<br />
all German rice milling companies. This was<br />
achieved in 1901 with the founding of the Reisund<br />
Handels AG. Nevertheless, the Bremenbased<br />
rice concern was not able to establish a<br />
true monopoly. This was due to the fear in Germany<br />
of being subject to uncontrolled pricing<br />
policies. But the Reis- und Handels AG did hold<br />
a quasi-monopoly until about 1910. It was only<br />
then that a few smaller rice mills in Hamburg<br />
succeeded in gaining any kind of foothold in the<br />
German rice industry. By founding the Reis- und<br />
Handels AG, Andreas Rickmers improved the<br />
position of German rice traders who were in<br />
competition with British shippers in Burma. An<br />
agreement was reached which banned British<br />
shippers from exporting polished rice to Germany.<br />
This guaranteed the survival of the German<br />
mills, but in return they were forced to<br />
source their entire supply of raw material from<br />
the shippers’ monopoly. In spite of this development,<br />
international rice trade via Germany continued<br />
to decline as more and more commerce<br />
was carried out directly with Burma.<br />
In 1906 the Reis- und Handels AG leased several
ice mills in Rangoon as well as purchasing<br />
Krüger & Co., a long-established British company<br />
which had been founded by Germans and<br />
at that time owned several rice mills. In doing so<br />
it claimed a strong position in the most important<br />
Asian market. The British shippers in Burma<br />
then took the competition to Germany by founding<br />
their own rice mill in Hamburg. There now<br />
followed three fundamental developments which<br />
continued until the outbreak of World War I. The<br />
first of these was the constant conflict in Germany<br />
between, on the one hand, the domestic<br />
mills which were subject to duty and almost all<br />
of which belonged to the Reis- und Handels AG,<br />
and, on the other, the mills located in the Hamburg<br />
harbour’s customs-free zone. These disputes<br />
centred around deciding on the best customs<br />
policy for the German rice industry as a<br />
whole. Secondly, the founding of the Reis- und<br />
Handels AG by Andreas Rickmers confirmed<br />
that he and the Rickmers family empire were the<br />
prime movers in the German rice trade between<br />
<strong>1850</strong> and <strong>1914</strong>. This remained the case even after<br />
Andreas Rickmers was forced out in 1910.<br />
Thirdly, it was also becoming apparent that Andreas<br />
Rickmers and all the major shareholders<br />
were exploiting their positions at the Reis- und<br />
Handels AG, by placing more importance on<br />
high dividends, royalties and salaries than on<br />
sustainable economic management.<br />
The German rice trade and the Rickmers family<br />
especially attained an outstanding position in the<br />
global market. Technological progress and increased<br />
networking of the rice market and the<br />
international economy were key factors in this<br />
development. These were considered positive aspects<br />
of a globalised world but at the same time<br />
they also triggered the rapid demise of the international<br />
German rice trade. After market leadership<br />
lasting a little more than ten years, this position<br />
was taken over by inner-Asian trade between<br />
Rangoon, Bangkok and Singapore. The<br />
world was now supplied with rice from these<br />
ports. German rice traders and producers held on<br />
to their position until World War I. No other European<br />
nation was more successful in this sector.<br />
But after 1894, Germans no longer set the tone<br />
in the international rice trade. Instead, they were<br />
forced to cling to their position by recognising<br />
the mechanisms of a globalised economy and<br />
exploiting the opportunities presented to their<br />
best advantage.<br />
The outbreak of World War I led to the closure<br />
of production facilities in Germany and the confiscation<br />
of German-owned rice mills in Asia,<br />
which in turn resulted in the collapse of the German<br />
rice economy.<br />
Bayerische<br />
Staatsbibliothek<br />
München<br />
285
Die auf der Karte<br />
Rangun vermerkten<br />
Firmen mit Bezug<br />
zum <strong>Reishandel</strong>;<br />
W-<br />
M A P O F<br />
CEM TRAL RANGOON<br />
1<br />
1, 6 Arracan Company<br />
Limited<br />
2, 11, 12, 14, 15, 16,<br />
23, 24, 25 Steel<br />
Brothers & Company<br />
Limited<br />
3,4,7, 8, 10, 20<br />
Bulloch Brothers &<br />
Company Limited<br />
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5 Anglo Burma Rice<br />
Company Limited<br />
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9, 19 Allerman Rice<br />
Mills Burma Limited<br />
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13, 18, 21 (gemeinsam)<br />
Bulloch<br />
Brothers & Company<br />
Limited -t<br />
Arracan Company<br />
Limited + Steel<br />
Brothers & Company<br />
Limited<br />
17 (gemeinsam) Steel<br />
Brothers & Company<br />
Limited + The<br />
Burma Company<br />
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22 Ellerman’s Rice<br />
Mill (wahrscheinlich<br />
= Allerman Rice Mills<br />
Burma Limited)<br />
Karte aus Privatbesitz<br />
Dr. Jürgen Schulze-<br />
Smidt, Ostasiatischer<br />
Verein Bremen<br />
Wahrscheinlich frühes<br />
20. Jahrhundert<br />
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dannhauer,<br />
Jahrgang 1983, stu<strong>die</strong>rte<br />
Politikwissenschaft<br />
an der Carl-von-Ossietzky-<br />
Universität Oldenburg<br />
und Geschichte an der<br />
Universität Bremen.<br />
Stu<strong>die</strong>nschwerpunkte<br />
waren politische Soziologie<br />
sowie <strong>die</strong> Geschichte<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts<br />
mit einem Fokus auf Politik-<br />
und Schifffahrtsgeschichte.<br />
Überraschenderweise<br />
der weltweit grSete Hai<br />
Einen entscheidenden<br />
Schiffbauer- und Ce?d<<br />
portgut für sich entdeck^<br />
Bremen in der Fo*ge lu<br />
tionalen Reisindustrie<br />
und Asien bezogen we<br />
<strong>zentrale</strong> Drehscheibe <strong>die</strong>ser!<br />
In einer globalisieruni<br />
es, ökonomische, noli<br />
und Zusammenhänge z ^ i<br />
lern, der entstehe<br />
gen. In <strong>die</strong>sem Buch wei<br />
ten betrachtet, <strong>die</strong> sieh<br />
machten, um sich im i |<br />
Andreas Ricumers sdM^^ilPlffîi<br />
Sinne des Wortes global Urtscb<br />
dete Reis- und Handeis Afr besad<br />
land weitere Reismöl<br />
sowie vor allem in Ь о тй і<br />
nicht nur Europa,<br />
Südamerika, in <strong>die</strong> Kartbl
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îsoren dannhauer DEUTSCHER REISHANDEL<br />
<strong>1850</strong> BIS <strong>1914</strong><br />
Die <strong>zentrale</strong> Rolle<br />
Bremens und der Familie Rickmers<br />
auf einem weltweiten<br />
Nahrungsmittelmarkt<br />
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I Schiffahrtsmuseum<br />
22<br />
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