swissherdbook bulletin 2-2011-1-d
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Andreas Bigler<br />
Weltweit wird kräftig in die Technologie<br />
der genomischen Selektion<br />
investiert und die Zucht der grossen<br />
Milchviehrassen wird zunehmend<br />
durch genomische Zuchtwerte<br />
beeinflusst. Wo stehen wir heute in<br />
der Schweiz? Wie können die Züchter<br />
von der genomischen Selektion<br />
profitieren?<br />
In der Forschung dreht sich im<br />
Bereich der Rindviehzucht weltweit<br />
alles um ein Thema: die genomische<br />
Selektion. Während vielen Jahren<br />
basierte die Selektion der Zuchttiere<br />
– und damit der Zuchtfortschritt – für<br />
die Kälber auf Abstammungszuchtwerten<br />
und für ältere KB-Stiere auf<br />
der Nachzuchtprüfung. Viele Jahrzehnte<br />
haben die Forscher davon<br />
geträumt, direkt vom Genom der Tiere<br />
Informationen für die Zucht ableiten<br />
zu können. Seit einigen Monaten<br />
sind die Möglichkeiten im Bereich<br />
der Genotypisierung so weit fortgeschritten,<br />
dass aus diesen Träumen<br />
I 12<br />
<strong>swissherdbook</strong> <strong>bulletin</strong> I nummer 2/<strong>2011</strong><br />
Genomische Selektion<br />
Genomische Zuchtwerte beeinflussen die<br />
Zucht<br />
Tabelle 1: Beispiele für die Berechnung des GOZW Milch<br />
Jungstier geprüfter KB-Stier<br />
BURTON MANHATTAN-ET<br />
B% ZW Milch kg B% ZW Milch kg<br />
Traditioneller ZW 38 +694 84 +385<br />
DGZW 56 +1009 56 +508<br />
GOZW 63 +902 86 +409<br />
ein Stück Realität geworden ist. Allerdings<br />
basiert auch die genomische<br />
Zuchtwertschätzung weiterhin auf<br />
statistischen Modellen und auf der<br />
Annahme, dass sich die meisten Leistungen<br />
unserer Nutztiere als Summe<br />
von sehr vielen Genwirkungen<br />
erklären lassen. Wir stehen erst ganz<br />
am Anfang dieser neuen Technologie<br />
und doch wirkt sie sich bereits im<br />
züchterischen Alltag aus.<br />
Genomisch optimierte Zuchtwerte<br />
Im Dezember 2010 sind zum ersten<br />
Mal offizielle genomisch optimierte<br />
Zuchtwerte (GOZW) gerechnet und<br />
publiziert werden. Die GOZW werden<br />
aus den direkt genomischen Zucht-<br />
Plattery Rustler MANHATTAN CH 120.0350.2277.7 RH ist ein Beispiel eines nachzuchtgeprüften KB-Stiers,<br />
der heute offiziell einen GOZW ausgewiesen hat. Der GOZW für Milchleistung liegt nur unwesentlich<br />
höher als der traditionell geschätzte Zuchtwert.<br />
werten (DGZW) und den traditionell<br />
geschätzten Zuchtwerten berechnet,<br />
wobei diese in Abhängigkeit des<br />
Bestimmtheitsmasses (B%) gewichtet<br />
werden. Sie werden auf den<br />
Zuchtdokumenten mit „genomisch“<br />
oder „G“ gekennzeichnet. Besonders<br />
interessant sind die GOZW für neu<br />
geborene Kälber, weil die Sicherheit<br />
(B%) deutlich höher ist als allein mit<br />
Abstammungszuchtwerten (Beispiel<br />
Jungstier BURTON in Tabelle 1). Daraus<br />
versuchen heute in erster Linie<br />
die KB-Organisationen Profit zu ziehen,<br />
indem bereits vor dem Ankauf<br />
der Jungstiere eine starke Vorselektion<br />
vorgenommen wird. Die am<br />
schlechtesten typisierten Stierkälber<br />
werden gar nicht aufgezogen und die<br />
besten Jungstiere gelangen sofort in<br />
den Breiteinsatz, zu ähnlichen Tarifen<br />
wie die nachzuchtgeprüften Altstiere.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass<br />
die meisten dieser genomisch vorselektierten<br />
Jungstiere auch später,<br />
mit Resultaten der Nachzucht, noch<br />
zur Spitze ihres Jahrgangs gehören<br />
werden. Die Züchter werden jedoch<br />
darauf hingewiesen, dass es auch<br />
einzelne negative Überraschungen<br />
geben wird. Für die geprüften Stiere,<br />
welche für die Schätzung der<br />
DGZW gebraucht werden, liegen die<br />
GOZW sehr nahe bei den traditionellen<br />
Zuchtwerten basierend auf der<br />
Nachzucht (Beispiel MANHATTAN-ET<br />
in Tabelle 1).<br />
Welche Tiere typisieren?<br />
Für die Zuchtorganisationen sind<br />
neben den Stierkälbern auch die<br />
heutigen Wartestiere sehr wichtig.