Pfarrbrief - St. Brigida
Pfarrbrief - St. Brigida
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KURZGESChiChtE<br />
Völlig entspannt liegt das Kind da. Den <strong>St</strong>ich der<br />
injektionsnadel hat es ruhig hingenommen.<br />
Sekunden nur währt die Dunkelheit. Sie verliert<br />
sich in einem strahlenden licht. Mühelos<br />
verlässt der Geist den kleinen Körper, will in die<br />
helligkeit hinein tauchen. Eine <strong>St</strong>imme, ungleich<br />
schöner als das licht, fordert die kleine Seele<br />
auf, zu bleiben.<br />
„halt! Warte mein Kind! Entscheide dich nicht zu<br />
früh. nutze die Zeit, die dir gegeben wurde. Eine<br />
Reise in die Vergangenheit wird dich zum Ursprung<br />
des Seins führen.“ „Was ist ein Ursprung<br />
des Seins?“, fragt das Kind scheu. „Die liebe!<br />
Sie zu finden ist der Sinn deiner Reise“, erklärt<br />
die <strong>St</strong>imme.<br />
Verzweifelt schüttelt das Kind den Kopf, stöhnt<br />
laut auf. „Bitte, bitte! nie mehr will ich liebe. Sie<br />
tut so weh!“ Ein leichtes, sanftes <strong>St</strong>reicheln über<br />
die zarte Wange beruhigt das Kind. „nicht liebe!<br />
leid hat dein leben bestimmt! Doch diese Zeit<br />
liegt hinter dir. leb wohl, kleiner Mensch!“<br />
Einige augenblicke verharrt das Kind im zeitlosen<br />
Raum. Dann läuft es los. Schwerelos<br />
gleitet es durch die Jahrhunderte und sieht Men-<br />
schen in der lebensart ihrer Zeit. Soldaten, die<br />
mit Begeisterung - aus liebe zum Vaterland - in<br />
den Krieg ziehen. herrscher, die ihr Volk aus<br />
purer liebe unterdrücken. Kirchenfürsten, die<br />
den Menschen mit aller Gewalt den Glauben an<br />
die nächstenliebe aufdrängen. Kinder, deren<br />
leid nicht enden will. Menschen deren liebe<br />
mit Füßen getreten wird. andere, die an verschwendeter<br />
liebe zerbrechen. Der Geist des<br />
Kindes öffnet sich, wird groß und weit. Es versucht,<br />
die Menschen in ihrer Mannigfaltigkeit<br />
zu begreifen. Denn nicht nur Schlechtes sieht<br />
es: Menschen, die aufrichtig lieben. Kinder, die<br />
glücklich sind. Selbstlos liebende. Menschen,<br />
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die ohne Dank zu erwarten anderen helfen. Das<br />
leben in seiner unendlichen Vielfalt bietet sich<br />
dem Kind dar. angst, aber auch Freude erfüllen<br />
sein Denken. Unerwartet schnell ist die Reise zu<br />
Ende. Das Kind befindet sich im Jahre null unserer<br />
Zeit. <strong>St</strong>ernenklar ist die nacht. Menschen<br />
wandern über ein Feld. ihr Ziel ist eine Grotte in<br />
den aufsteigenden Felsen. Ein freundliches Paar<br />
nimmt das Kind in seine Mitte.<br />
„Komm mit uns, Kleines! Siehst du den hellen<br />
<strong>St</strong>ern hoch über der Grotte? Er ist ein Zeichen!<br />
Zeichen für das Wunder dieser nacht. Der, auf<br />
den wir so lange gewartet haben, ist heute zur<br />
Welt gekommen. Wir, du und all ‘die anderen“,<br />
der Fremde zeigt zu den vielen Menschen vor<br />
der Grotte, „sind auserwählt, ihn zu begrüßen.“<br />
Wohlmeinende hände schieben nun das Kind<br />
durch die Menge bis zum Eingang der Felsenhöhle.<br />
herzklopfen stellt sich ein. lange betrachtet<br />
das Kind die drei Menschen in der höhle.<br />
Das neugeborene schläft in einer alten mit<br />
<strong>St</strong>roh ausgelegten Krippe. Seine Eltern knieen<br />
rechts und links vor der armseligen lagerstätte.<br />
Umgeben vom habitus des Glücks. Die junge<br />
Mutter schaut zum höhleneingang, entdeckt das<br />
fremde Kind in der wartenden Menge. Schlagartig<br />
erlischt der Glanz in den ausdrucksstarken<br />
augen der Frau.<br />
Voller Mitleid winkt sie dem Kind zu. „nun<br />
mach schon! Sie möchte, dass du in die Grotte<br />
gehst!“, flüstert jemand. Zaghaft zuerst. Kleine<br />
Schritte. Doch dann gibt das Kind seiner Sehnsucht<br />
nach. Bedenkenlos nimmt es die hand<br />
der Fremden und klettert auf ihren Schoß. nie<br />
gekannte Gefühle erfüllen das kleine herz.<br />
„Schau!“, sagt die junge Frau, „das Baby erwacht!<br />
Du darfst es gerne einmal streicheln.“<br />
Das Kind berührt die winzige hand des Säug-