Der Parlamentarische Rat und das Grundgesetz - Mitmischen.de
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Tra dition hat Deutschland nicht zubieten.<br />
So wie <strong>de</strong>r berühmten Gie bel inschrift<br />
DEM DEUTSCHEN VOLKE<br />
am stark zerstörten Reichs tagsgebäu<strong>de</strong><br />
einige Buchstaben fehlen, fehlt vielen<br />
Men schen eine klare Orientierung.<br />
Kein W<strong>und</strong>er: Das kaiserliche Deutschland<br />
unter Wilhelm II. war ein monarchi<br />
scher Obrig keitsstaat; die kurzen<br />
14 Jahre <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n Weimarer<br />
Republik (1919 bis 1933) mit ihren<br />
permanent wechseln<strong>de</strong>n Regierungen,<br />
ihren institutionellen Schwächen <strong>und</strong><br />
ihrer mangeln<strong>de</strong>n positiven Verankerungen<br />
im Bewusstsein <strong>de</strong>r Bürger eigneten<br />
sich auch nicht so recht als Vorbild;<br />
schließlich die Ka tas tro phe <strong>de</strong>s<br />
nationalsozialistischen Regimes un ter<br />
Adolf Hitler. Auf welche L e it b i ld e r s ol -<br />
lte da zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n?<br />
Vor dieser Frage steht auch <strong>de</strong>r<br />
Sach verständigenausschuss, <strong>de</strong>r zur<br />
Vor bereitung <strong>de</strong>s <strong>Parlamentarische</strong>n<br />
Ra tes vom 10. bis 23. August 1948 im<br />
Kloster von Herrenchiemsee zusammentritt<br />
<strong>und</strong> später <strong>de</strong>n Titel Ve r f a s <br />
sungskonvent erhält. In <strong>de</strong>r Insel abge<br />
schie<strong>de</strong>nheit erarbeiten elf Politi-<br />
ker <strong>und</strong> Sachverständige – unter ihnen<br />
Adolf Süster henn <strong>und</strong> Carlo Schmid –<br />
wichtige Prinzipien für <strong>das</strong> neue Gr<strong>und</strong>gesetz,<br />
etwa die, <strong>das</strong>s die neue Republik<br />
eine „wehrhafte Demo kratie“ sein müsse,<br />
die Regierung von einer „arbeitsfähigen<br />
Mehrheit“ im Par la ment abhängig<br />
<strong>und</strong> <strong>das</strong> Staats ober haupt neutral sein<br />
müsse.<br />
Umstritten ist zunächst, wie verbind<br />
lich die Herren chiemseer Be schlüsse<br />
sein sollen. Vor allem die SPD sieht<br />
in ihnen höchs tens „Vor ar beiten“, an<br />
die sich <strong>de</strong>r Par la mentarische <strong>Rat</strong> nicht<br />
zu halten habe. Doch die Ge schich te<br />
bestimmt an<strong>de</strong>rs: Viele Ge dan ken <strong>de</strong>r<br />
Klosterr<strong>und</strong>e wer<strong>de</strong>n später im Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
aufgenommen. ■<br />
i<br />
Frankfurter Dokumente<br />
im Volltext unter:<br />
www.b<strong>und</strong>estag.<strong>de</strong>/<br />
geschichte/parlhist/<br />
dokumente<br />
DeR PaRlaMenTaRisCHe RaT<br />
Die Rolle <strong>de</strong>r alliierten<br />
Deutschland – eine<br />
befohlene Demokratie?<br />
Wer hat <strong>de</strong>n Anstoß gegeben, <strong>das</strong>s nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Welt krieges<br />
aus <strong>de</strong>n völlig rechtlosen <strong>und</strong> besetzten drei Westzonen wie<strong>de</strong>r ein Staat<br />
wur<strong>de</strong>? Waren es die besiegten Deutschen selbst o<strong>de</strong>r mussten sie von außen,<br />
von <strong>de</strong>n alliierten Mächten, zu ihrem Glück gedrängt wer<strong>de</strong>n? Ist die<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland eine „befohlene Demokratie“?<br />
Die Antwort auf diese Frage ist zwiespältig. Denn natürlich gab es bei<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Politikern <strong>de</strong>r ersten St<strong>und</strong>e <strong>de</strong>n heißen Wunsch, möglichst<br />
rasch wie<strong>de</strong>r zu eigenständigen Strukturen <strong>und</strong> größtmöglicher Souveränität<br />
zu kommen. Beson<strong>de</strong>rs die Ministerpräsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r drängten auf eine<br />
von <strong>de</strong>n Deutschen selbst zu schaffen<strong>de</strong> neue Ordnung.<br />
Aber ebenso richtig ist, <strong>das</strong>s die Handlungsfähigkeit <strong>de</strong>r Ministerpräsi<strong>de</strong>nten<br />
durch die Besatzung beschränkt blieb. Außer<strong>de</strong>m hatten sie<br />
Sorge, mit einer einseitigen Ausrufung <strong>de</strong>r Westzonen zu einem neuen Staat<br />
die Einheit Deutschlands zu gefähr<strong>de</strong>n. Diese Skrupel hatten die Westmächte<br />
nicht; sie ergriffen energisch mit <strong>de</strong>n Frankfurter Dokumenten die Initiative<br />
<strong>und</strong> machten konkrete Zeit- <strong>und</strong> Verfassungsvorgaben. So verlangten sie eine<br />
fö<strong>de</strong>ralistische Ordnung, eine angemessene Zentralmacht <strong>und</strong> Garantien für<br />
individuelle Rechte <strong>und</strong> Freiheiten. Kritiker sprachen von Anweisungen,<br />
Wohlwollen<strong>de</strong> von Hilfestellung.<br />
Die Militärgouverneure <strong>de</strong>r Westzonen bei einer sitzung <strong>de</strong>s <strong>Parlamentarische</strong>n <strong>Rat</strong>es, von<br />
rechts: Marie-Pierre Kœnig (F), Brian H. Robertson (GB), lucius D. Clay (Usa)<br />
sPezial BliCKPUnKT BUnDesTaG 5<br />
Foto: Erna Wagner-Hehmke/HDG