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Sie keltern auch nur aus Trauben - Hotel & Gastro Union

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Pasquale Chiapparini,Rafz. Der Weinmacher <strong>aus</strong> Leidenschaft wohnt<br />

in einem idyllischen Dorf, versteht sich aber als Weltbürger.<br />

Junge Schweiz – neue Winzer<br />

<strong>Sie</strong> <strong>keltern</strong> <strong>auch</strong> <strong>nur</strong> <strong>aus</strong> <strong>Trauben</strong> –<br />

aber das machen sie verdammt gut<br />

Seit Jahren spricht die Weinwelt von Innovation. Meist verbergen<br />

sich hinter derartigen Schlagworten Marketing-Anstrengungen und<br />

weniger neue Ideen für Rebberge und Keller. 19 Jungwinzer <strong>aus</strong><br />

Deutschschweizer Betrieben wollen sich mit solchen Worthülsen<br />

nicht abfinden. <strong>Sie</strong> bringen neuen Saft in die Schweizer Weinproduktion.<br />

Susi Wehrli, Küttigen. Die zierliche Winzerin kennt jede ihrer Reben<br />

und hat genaue Vorstellungen, wie die Weine schmecken sollen.<br />

Riesling x Silvaner oder Müller-<br />

Thurgau, wie die weisse Hauptrebsorte<br />

in der Deutschschweiz<br />

<strong>auch</strong> genannt wird, könnte man <strong>aus</strong>reissen<br />

und durch interessantere Sorten<br />

ersetzen. Oder man kann die <strong>Trauben</strong><br />

so <strong>keltern</strong>, wie das Susi Wehrli in Kütti-<br />

22 Food & Beverage 2/2010<br />

Urs H<strong>aus</strong>ammann, Iselisberg. Der Jungwinzer beweist, dass <strong>auch</strong> in<br />

einem klinisch sauberen Keller lebendige Weine entstehen können.<br />

gen macht. Für ihren «Esprit» presst sie<br />

die Früchte der ältesten Riesling-Silvaner-Reben<br />

und vergärt den Saft in Barriques.<br />

«Sechs bis sieben Monate reift<br />

der Wein in den Fässern. Während der<br />

ersten Wochen nach dem Gärprozess<br />

rühre ich die Hefen regelmässig auf (Battonnage).<br />

Den biologischen Säureabbau<br />

überwache ich intensiv. Er soll <strong>nur</strong><br />

die kräftigsten Säuren etwas mildern»,<br />

erklärt Susi Wehrli. Ihr «Esprit Riesling x<br />

Silvaner Barrique», wie der Wein mit vollem<br />

Namen bezeichnet wird, zeigt sich<br />

im Glas überraschend elegant und finessenreich.<br />

Sein Duft erinnert an reife<br />

Früchte, Pfirsich und Mango. Der oft<br />

dominierende Muskatton des Ries-<br />

ling x Silvaner ist nicht <strong>aus</strong>zumachen.<br />

Das kaum spürbare Holz stützt den vollen<br />

Körper. Der Geschmack reifer <strong>Trauben</strong>beeren<br />

bleibt lange im Gaumen. Wer<br />

diesen Wein probiert, der kommt unweigerlich<br />

zum Schluss, dass das Ausreissen<br />

der Reben keine Option ist. Dazu<br />

sagt Susi Wehrli:<br />

«Heimat kann man riechen und<br />

schmecken. Heimat klingt im Glas.»<br />

Nach Praktika in Rebbaugebieten in<br />

Australien, Südfrankreich und im Burgund<br />

hat sie auf dem elterlichen Betrieb<br />

in Küttigen die Weinregion Aargau neu<br />

entdeckt. «Unsere zehn Hektaren Reb-<br />

Carina Kunz, Maienfeld. Die Quereinsteigerin personalisiert jede der<br />

1300 Etiketten ihres «Intuiva» mit handgeschriebenen Sprüchen.<br />

fläche sind über den ganzen Kanton<br />

verstreut. Die Reben wurzeln in neun<br />

verschiedenen Bodenarten. Und drei<br />

unterschiedliche Klimata beeinflussen<br />

die Vegetation», erklärt Susi Wehrli und<br />

ergänzt: «Das bestmögliche Resultat<br />

kann <strong>nur</strong> dann erzielt werden, wenn jede<br />

Rebsorte und jede Parzelle individuell<br />

verarbeitet wird.»<br />

Diese Ansicht teilt <strong>auch</strong> Pasquale<br />

Chiapparini. Er ist der Initiant der Interessengemeinschaft<br />

«Junge Schweiz –<br />

neue Winzer» (siehe Kasten auf Seite 25).<br />

Kurz vor der Ernte 2006 hat er im zürcherischen<br />

Rafz ein Weingut übernommen.<br />

«Ohne etwas umzustellen, konnte<br />

ich einen ansprechenden Wein ma-<br />

Food & Beverage 2/2010 23


Gemeinsam stark. Jeder dieser Winzer und Winzerinnen keltert eigenständige Weine. Ihr erster Streich, der gemeinsame Auftritt<br />

an der Expovina Primavera, wurde vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen.<br />

chen», sagt der damals noch in der Winzer<strong>aus</strong>bildung<br />

steckende Quereinsteiger.<br />

«Doch <strong>nur</strong> ‹ansprechende Weine› zu<br />

<strong>keltern</strong>, war nie mein Ziel», ergänzt Pasquale<br />

Chiapparini. Der schweizerischitalienische<br />

Doppelbürger wollte eigentlich<br />

Künstler werden. Weil es mit der<br />

Kunstgewerbeschule nicht geklappt<br />

hat, jobbte er im Service. Dort entdeckte<br />

er seine Leidenschaft für Wein und<br />

wollte wissen, wie ein guter Tropfen gemacht<br />

wird. Nach Stationen in Winterthur,<br />

im Tessin, im Piemont und am Gardasee<br />

hat es den Weinmacher <strong>aus</strong> Leidenschaft<br />

nach Rafz verschlagen. Er<br />

könnte seine Vision aber gen<strong>aus</strong>o gut in<br />

einer anderen Ecke der Schweiz umsetzen.<br />

«Der Wein wird zu einem grossen<br />

Teil im Rebberg gemacht», sagt<br />

Pasquale Chiapparini und ergänzt:<br />

«Deshalb habe ich intensiv in den Reben<br />

gearbeitet.» Die Einheimischen tippten<br />

sich mit dem Finger an die Stirn, als sie<br />

sahen, wie viele <strong>Trauben</strong> der Neue<br />

zwecks Ertragsregulierung <strong>aus</strong> den Stöcken<br />

schnitt. Auch im Keller geht er unkonventionelle<br />

Wege. «Ich verzichte auf<br />

die vielpraktizierte Maischenerwärmung.<br />

Deshalb ist mein Wein nicht fruchtsüss<br />

und jung trinkbar, sondern konzentriert<br />

und kräftig. Einige Jahre in der Flasche<br />

bekommen ihm gut», sagt Chiapparini.<br />

Für seinen Pinot Noir «Sofern» zieht er<br />

20 Prozent des noch weissen Mostes<br />

ab und vergärt diesen mit einem Teil<br />

Chardonnay zum «Soweiss». Die auf<br />

natürliche Art konzentrierte Pinot-Maische<br />

– Saft, Kerne und Beerenhäute –<br />

gärt und extrahiert dann während 26 Tagen<br />

vor dem Pressen. Üblich sind acht<br />

bis zehn Tage. Bei der Fassprobe des<br />

2009ers, der junge Wein reift zwölf Monate<br />

in neuen und gebr<strong>auch</strong>ten Barriques,<br />

funkeln die Augen von Pasquale<br />

Chiapparini.<br />

«Finanziell waren die vergangenen<br />

Jahre nicht einfach. Aber der Einsatz<br />

hat sich gelohnt.»<br />

Gerechnet wird <strong>auch</strong> bei der Familie<br />

H<strong>aus</strong>ammann im thurgauischen Uesslingen.<br />

Mit der Güterzusammenlegung<br />

am Iselisberg im Jahr 1974 spezialisierten<br />

sich Urs H<strong>aus</strong>ammanns Eltern auf<br />

den Weinbau. Ohne Subventionen und<br />

Direktzahlungen schafften sie es, sich<br />

eine Existenz aufzubauen. Auf dem<br />

Weingut wurde einst der Zehntenwy<br />

gekeltert. Der zehnte Teil der Ernte war<br />

die Abgeltung für die Pacht der Besitztümer<br />

an die Kart<strong>aus</strong>e Ittingen.<br />

Heute ist das Weingut der Familie<br />

H<strong>aus</strong>ammann ein perfekt organisierter<br />

Vorzeigebetrieb. Sohn Urs soll im Jahr<br />

2012 das Erbe antreten. Er will <strong>aus</strong> den<br />

traditionellen Rebsorten Müller-Thurgau<br />

und Blauburgunder das Beste her<strong>aus</strong>holen.<br />

Und wie sein Vater setzt <strong>auch</strong><br />

er auf den Schraubverschluss. «Der ist<br />

einiges günstiger als Korken», sagt<br />

Urs H<strong>aus</strong>ammann und erklärt einen weiteren<br />

Vorteil: «Im Rebberg unternehmen<br />

wir alles, dass wir gesunde reife <strong>Trauben</strong><br />

ernten können und leisten super Arbeit<br />

im Keller. Das wollen wir uns nicht<br />

von fehlerhaften Korken verderben lassen.»<br />

Weder für <strong>Gastro</strong>kunden noch für<br />

die Privatkundschaft sei das je ein<br />

Problem gewesen. «Im Gegenteil, die<br />

Kunden können damit rechnen, dass<br />

sie genau das geniessen, was wir ab-<br />

Handarbeit. Trotz zunehmender Mechanisierung erfordern die Arbeiten in den Reben<br />

und im Keller über 700 Handarbeitsstunden pro Hektare.<br />

24 Food & Beverage 2/2010<br />

gefüllt haben. Und das spricht sich herum.»<br />

Was für die Weine der Familie<br />

H<strong>aus</strong>ammann gilt, trifft <strong>auch</strong> auf die Weine<br />

von Carina Kunz <strong>aus</strong> Maienfeld zu.<br />

<strong>Sie</strong> sagt:<br />

«Ehrlicher Wein von engagierten<br />

Winzern sucht sich seine Kunden.»<br />

Carina Kunz ist Quereinsteigerin. Die<br />

Tourismus- und PR-Fachfrau kam durch<br />

einen Schicksalsschlag zum Wein. Im<br />

Jahr 2002 kommt ihr Bruder bei einem<br />

Unfall ums Leben und drei Jahre später,<br />

kurz vor der Ernte, erkrankt ihr Vater<br />

schwer. Erstmals steht sie allein im Keller.<br />

«Obwohl ich als Winzertochter mit<br />

Wein aufgewachsen bin, war das Selbermachen<br />

dann aber doch eine sehr<br />

grosse Her<strong>aus</strong>forderung», sagt Carina<br />

Kunz und philosophiert, «eigentlich<br />

muss man gar nicht viel machen. Mit den<br />

Zutaten gesunde <strong>Trauben</strong> und Liebe<br />

entsteht der Wein fast von selbst.» Stück<br />

für Stück sammelt sie Erfahrungen, wird<br />

durch Bündner Winzerkollegen unterstützt<br />

und absolviert nach den ersten erfolgreich<br />

abgefüllten Jahrgängen Fachkurse<br />

in Wädenswil. Carina Kunz ist Perfektionistin.<br />

<strong>Sie</strong> pflegt ihre zwei Hektaren<br />

Reben wie andere Leute Zierpflanzen.<br />

Im Keller arbeitet sie zu leiser Musik.<br />

Überall begegnet dem Besucher Poesie.<br />

Ein Kärtchen mit dem Spruch «Alles<br />

Gute entsteht langsam» hängt am Gärtank.<br />

«So entspannt bin ich nicht immer»,<br />

sagt Carnia Kunz und erklärt: «Ende<br />

März habe ich den ‹Pinot Noir Intuiva<br />

2008› abgefüllt. Und das Abfüllen ist<br />

immer ein Nervenkrieg, wie auf dem<br />

Hochseil der letzte Schritt vor dem Podest.»<br />

Ihre Weine sind Ausdruck vom<br />

Leben und der Liebe, vom Menschen<br />

und seinen Wurzeln. Deshalb gibt Carina<br />

Kunz ihnen eine Stimme. Von Hand<br />

geschriebene Sprüche auf dem Etikett<br />

sollen Geniesser zum Schmunzeln oder<br />

Nachdenken anregen. Zum Beispiel:<br />

«Der Korkenzieher ist ein Schlüssel zum<br />

Paradies» oder «Der Weintrinker vollendet<br />

das Werk des Winzers».<br />

Text: gabriel.tinguely@gastronews.ch<br />

Bilder: joerg.ruppelt@gastronews.ch<br />

Die Interessengemeinschaft «Junge Schweiz – neue Winzer»<br />

Früher wären sie Konkurrenten gewesen.<br />

Doch heute ist die Konkurrenz<br />

nicht mehr der Nachbarbetrieb, sondern<br />

das international bestückte<br />

Weinregal im Fach- und Lebensmittelhandel.<br />

Deshalb zieht es die junge<br />

Winzergeneration vor zu kooperieren.<br />

Die 19 Winzerinnen und Winzer der Interessengemeinschaft<br />

(IG) «Junge<br />

Schweiz – neue Winzer» haben sich<br />

an der Weinb<strong>aus</strong>chule in Wädenswil<br />

kennen gelernt. Regelmässig treffen<br />

sie sich zu Degustationen. Jeder Winzer<br />

bringt jeweils aktuelle Fassmuster<br />

Mathias Bechtel, Bad Zurzach:<br />

Sauvignon Blanc 2008<br />

Pinot Noir 2008 im Vintage-Stil<br />

www.bechtel-weine.ch<br />

Tom Litwan/Maja Ueltschi, Schinznach:<br />

Chardonnay Schinznacher Wanne 2008<br />

Pinot Noir Talheim Chalofe 2008<br />

www.litwanwein.ch<br />

Pirmin Umbricht, Untersiggenthal:<br />

Pinot Noir Sélection Barrique 2007<br />

Kerner Sélection 2009<br />

www.wugu.ch<br />

Susi Wehrli, Küttigen:<br />

Esprit, Riesling-Silvaner Barrique 2008<br />

Hasenbergler Malbec Barrique 2007<br />

www.wehrli-weine.ch<br />

Carina Kunz, Maienfeld:<br />

Pinot Noir 2008<br />

Pinot Noir Intuiva Barrique 2007<br />

www.kunz-keller.ch<br />

Jürg Marugg, Fläsch:<br />

Sauvignon Blanc 2008<br />

Pinot Noir 2008<br />

www.marugg-weinbau.ch<br />

Stefan Gysel, Hallau:<br />

Pinot Blanc/Chardonnay 2008<br />

Pinot Noir Spätlese 2008<br />

www.aagne.ch<br />

Urs H<strong>aus</strong>ammann, Uesslingen:<br />

Müller-Thurgau Zehntewy 2008<br />

Blauburgunder Zehntewy Auslese 2008<br />

www.iselisberger.ch<br />

Martin Wolfer, Weinfelden:<br />

Pinot Gris 2008<br />

Blauburgunder Barrique 2008<br />

www.wolferwein.ch<br />

von zwei <strong>aus</strong>gewählten Weinen mit.<br />

So können die Winzer deren Entwicklung<br />

mitverfolgen, von den reichen<br />

Erfahrungen der anderen profitieren<br />

oder gar Tipps und Ratschläge<br />

einholen. Mit dabei sind Quereinsteiger<br />

und Kleinwinzer wie Tom Litwan<br />

<strong>aus</strong> Schinznach-Dorf ebenso wie Stefan<br />

Gysel, der Winzer des Jahres<br />

2009. Ihren ersten gemeinsamen Auftritt<br />

hatten die jungen Winzer im vergangenen<br />

Frühling an der Zürcher<br />

Weinmesse «Expovina Primavera».<br />

www.junge-winzer.ch<br />

Pasquale Chiapparini, Rafz:<br />

Soweiss Blanc de Pinot/Chardonnay<br />

Sofern Pinot Noir Barrique 2006<br />

www.chiapparinip.ch<br />

Erich Meier, Uetikon am See:<br />

Rhein Riesling AOC 2008<br />

Pinot Noir Barrique 2008<br />

www.erichmeier.ch<br />

Diederik Michel, Herrliberg:<br />

Schipf Freisamer 2007<br />

Cuvée Noire (Pinot, Garanoir, Diolinoir )<br />

www.schipf.ch<br />

Ralf Oberer, Meilen:<br />

Neftenbacher Sauvignon Blanc 2008<br />

Weininger Kerner 2008<br />

www.ralf-oberer.ch<br />

Nadine Saxer, Neftenbach:<br />

Création Nadine, Sauvignon Blanc 2008<br />

Tête de Cuvée, Pinot Noir Barrique 2007<br />

www.juergsaxer.ch<br />

Andreas Schwarz, Freienstein:<br />

Riesling x Silvaner Auslese 2008<br />

Pinot Noir 2007 <strong>aus</strong> dem Holzfass<br />

www.weingutschwarz.ch<br />

Alain Schwarzenbach, Meilen:<br />

Meilener Räuschling 2009<br />

Lemberger Barrique 2007<br />

www.reblaube.ch<br />

Nadine und Cédric Strasser Besson,<br />

Uhwiesen:<br />

Uhwieser Räuschling 2008<br />

Zweigelt 2007 <strong>aus</strong> dem Holzfass<br />

www.wein.ch<br />

Food & Beverage 2/2010 25

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