Gesamtes Livebook als PDF - Börsenblatt des deutschen ...
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Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />
lages. rilke schrieb ende mai 1909: »Vor einer<br />
stunde sind die Pakete eingetroffen, und ich will<br />
ihnen gleich sagen, daß ich mich an den frühen<br />
Gedichten freue und die form sehr bewundere,<br />
die sie dem requiem gegeben haben.« 61 Wohl<br />
ohne dass rilke es ahnte, trägt dieses ›requiem‹ 62<br />
auf dem deckel eine Vignette von Vogeler – ein<br />
stilisierter tulpenkranz. sie wurde vom Verlag<br />
seit 1901 bei drei weiteren Büchern verwendet.<br />
im laufe der Zeit überließ rilke die Ausstattung<br />
der Bücher immer stärker Kippenberg.<br />
seine reaktion auf die Gestaltung und Ausstattung<br />
<strong>des</strong> ›malte‹, der am 31. mai 1910 erschien,<br />
lautete:<br />
mein lieber dr Kippenberg, wer ein wenig ahnt, was<br />
es heißt, ein Buch herauszubringen, der muß ihnen<br />
ehre geben, wenn er im aufschlagen und blättern<br />
sich bewußt macht, was an überlegung, an verwendeter<br />
erfahrung, an gutem Gewissen in der Verfügung<br />
und überaus endgültigen Ordnung dieser seiten<br />
im spiele steht. das titelblatt ist vollkommen in der<br />
Vertheilung und so alles im innern mit Geistesgegenwart<br />
und Produktivität organisiert. 63<br />
Scheitern einer erneuten<br />
Zusammenarbeit<br />
– Das Marien-Leben<br />
der Verleger Anton Kippenberg schrieb rilke<br />
am 4. Januar 1912:<br />
neulich war heinrich Vogeler bei mir und sprach<br />
unter anderem die Absicht aus, ihre etwa 10 marienlieder<br />
in einer von ihm geschmückten Ausgabe<br />
herauszugeben. er brachte mir einige titel-skizzen<br />
mit, die mich recht angesprochen haben, wenn ich<br />
auch, unter uns gesagt, finde, dass Vogelers Kunst<br />
zurückgeschritten ist. Aber ich möchte ihm aus<br />
mancherlei Gründen seinen Wunsch nicht abschlagen<br />
und sie werden es ebensowenig wollen. sagen<br />
sie mir <strong>als</strong>o bitte, ob sie mit Vogelers Absicht einverstanden<br />
sind. 64<br />
rilke antwortete zwei tage später aus duino:<br />
heinrich Vogeler kommt da auf einen ganz alten<br />
Plan zurück, den ich, offen gestanden, für aufgegeben<br />
hielt, umsomehr <strong>als</strong> ich seit Jahren die fühlung<br />
mit seinen Arbeiten verloren habe, wie auch er das,<br />
was ich jetzt mache, wahrscheinlich völlig an sich<br />
muß vorübergehen lassen. diese thatsache hat freilich<br />
an den alten Grundsätzen der freundschaft, die<br />
uns verbindet, nichts verdorben, und da er uns mit<br />
diesem Vorschlag kommt, so fühle ich mich min<strong>des</strong>tens<br />
angetrieben, seine intentionen mit ihnen auf<br />
das genaueste zu bedenken […] ich schreibe ihm<br />
vielleicht nächstens, wäre ihnen aber dankbar, wenn<br />
sie ihn schon jetzt wissen ließen, daß ich mich für<br />
die sache interessiere. 65<br />
doch rilke ist unklar, welche Gedichte Vogeler<br />
meint. in der sammlung ›in und nach Worpswede‹<br />
hatte es, wie schon erwähnt, lediglich zwei<br />
auf marias leben bezogene Gedichte gegeben:<br />
›Verkündigung über den hirten‹ und ›rast auf<br />
der flucht‹. Zusätzlich kamen allenfalls das Gedicht<br />
›die heiligen drei Könige‹ aus der ›insel‹<br />
und ›Verkündigung mariä‹ aus der Weihnachtsbeilage<br />
der Zeitschrift ›Bohemia‹ (Prag 1901) in<br />
Betracht. rilke kann sich nicht vorstellen, dass<br />
wirklich genügend Gedichte für ein ›marienleben‹<br />
vorhanden sind, auch zweifelt er daran,<br />
dass sie sich für eine Zusammenstellung eignen.<br />
er fährt in seinem Brief fort:<br />
die Vogeler’sche Kunst ist vielleicht nie mehr gewesen,<br />
<strong>als</strong> sie jetzt ist, nur daß wir sie eben gleichsam<br />
immer unter der verschwiegenen Bedingung hinnahmen,<br />
daß sie noch etwas mehr werde. darum scheint<br />
sie uns nun, in ihrem stehengebliebensein, gleich<br />
unzu länglich und, unter uns gesagt, auch ich halte es<br />
Entwurf zu Rilkes<br />
Marien-Leben,<br />
1912<br />
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