- 1 - Mythologie und Philosophie: Esoterik und Exoterik der „neuen ...
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Kriegstheorie, die den Jungenverlust <strong>der</strong> Schlacht bei Sedemünde um 1260 zuschreibt (C. F. Fein<br />
1749), die Ostkolonisationstheorie (W. Wann 1984), die den Jungenauszug <strong>der</strong> Sage auf die<br />
Immigration zur Besiedlung Mährens zurückführt, o<strong>der</strong> die Katastrophentheorie (W. Woeller 1961),<br />
nach <strong>der</strong> die in Panik geratenen Kin<strong>der</strong> am 26. Juni 1284 in einem Teich vesunken seien.<br />
Doch die Forscher, die verschiedene Hypothesen vom Verschwinden <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> aufstellten,<br />
scheinen eine wichtige Frage nicht ausreichend beantwortet zu haben: Warum entwickelte sich ein<br />
geschichtliches Ereignis zu einer so eindrucksvollen Sage <strong>und</strong> wurde bis Ende <strong>der</strong> Neuzeit<br />
nacherzählt? Im Mittelalter gab es noch an<strong>der</strong>e merkwürdige Kin<strong>der</strong>auszüge, etwa <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>kreuzzug von Köln (1212) o<strong>der</strong> die Kin<strong>der</strong>tanzwut von Erfurt (1237). Doch diese Ereignisse<br />
entwickelten sich nicht zur Sage.<br />
Meines Erachtens spielte bei <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> Rattenfängersage vielmehr <strong>der</strong> Volksglauben von<br />
<strong>der</strong> Sommersonnenwende (24. Juni, Johannistag) eine große Rolle. Denn in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />
Sommersonnenwende – so glaubten die Leute früher – tauchen die verschiedensten Dämonen auf<br />
<strong>und</strong> locken die Menschen in ihre Welt, während sich die Unterwelt in den Bergen öffnet. Wie A.<br />
Feilhauer (2000) bemerkt, galt <strong>der</strong> Johannistag, an dem das große Fest früher gefeiert wurde, nicht<br />
nur als heiliger Tag, son<strong>der</strong>n auch als gefährlicher Tag, denn nach dem alten Volksglauben verlangt<br />
<strong>der</strong> heilige Johannes an diesem Tag drei Opfer.<br />
Manche Sagen, die über Ereignisse am Johannistag bzw. an <strong>der</strong> Zeit von <strong>der</strong><br />
Sommersonnenwende erzählen, spiegeln diesen Glauben wi<strong>der</strong> <strong>und</strong> beschreiben auch <strong>der</strong><br />
Rattenfängersage ähnliche Geschichten, zum Beispiel: Zwei Mädchen gingen am Johannistag zu<br />
einem Berg <strong>und</strong> begegneten dort einer schwarzen Frau, die sie in ein Erdloch lockt (A. Kuhn /<br />
W.Schwartz, 1848); o<strong>der</strong> es soll ein Schäfer am Johannistag zum Berg gegangen <strong>und</strong> dort samt<br />
seinen Schafen im Erdboden versunken sein (J. D. H. Temme, 1840). Trotzdem scheint mir, dass es<br />
noch kaum Untersuchungen gibt, die die Rattenfängersage den mehr als 100 existierenden<br />
deutschsprachigen Sagen über die Sommersonnenwende zuordnen. Ziel meines Beitrags ist es also,<br />
nicht das tatsächliche Ereignis hinter <strong>der</strong> Rattenfängersage von Hameln aufzudecken, son<strong>der</strong>n die<br />
Entwicklung dieser Sage im Zusammenhang mit dem Glauben von <strong>der</strong> Sommersonnenwende zu<br />
begreifen.<br />
Im ersten Kapitel dieses Aufsatzes werden die alte Rattenfängersage von Hameln aus dem 13.-15.<br />
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