- 1 - Mythologie und Philosophie: Esoterik und Exoterik der „neuen ...
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sich zunächst als Umkehrung von ‚Weisheit‘ <strong>und</strong> ‚Narrheit‘ äußert. Der vergnügungssüchtige,<br />
sorglose Kaiser, <strong>der</strong> das bevorstehende Karnevalsfest ungeduldig erwartet, hört dem Bericht im<br />
Staatsrat über die Missstände des Reichs nur mit halbem Ohr zu <strong>und</strong> greift sofort zu, als Mephisto<br />
ihm einen Sanierungsplan anbietet. Die Schlussworte Mephistos, ad spectatores gerichtet, kündigen<br />
an, dass <strong>der</strong> ‚Stein <strong>der</strong> Weisen‘, <strong>der</strong> Rat, den <strong>der</strong> Narr gab, in den Händen <strong>der</strong> echten Narren nur ein<br />
bloßer Stein bleiben würde.<br />
Im „Mummenschanz― wird <strong>der</strong> Kaiser, als großer Pan maskiert, von den glühenden Goldkesseln<br />
fasziniert, die <strong>der</strong> Reichtumsgott Plutus herbeibrachte. Er schaut gierig in die Feuerquelle des<br />
Goldgefäßes, sein Maskenbart fällt, <strong>und</strong> er fängt Feuer, das die höfische Welt samt seiner ganzen<br />
Kaiserpracht zu verbrennen droht. Die Heiterkeit des höfischen Festes ist also nur Fassade, hinter<br />
<strong>der</strong> die schwerste Not des Reichs zum Vorschein kommt. Parallel zu dem langen Maskenzug, <strong>der</strong><br />
ein sinnloses Spiel zu sein scheint, verläuft heimlich etwas Aktuelles: <strong>der</strong> Zerfall <strong>der</strong> alten, feudalen<br />
Welt im Zuge <strong>der</strong> ‚neuen Ökonomie‘, durch das Eindringen des mo<strong>der</strong>nen Geldwesens verkörpert.<br />
Und hier ist es wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Narr Mephisto, <strong>der</strong> dabei ist <strong>und</strong> diesen Prozess auslöst.<br />
Vor den Prologen „Vorspiel auf dem Theater― <strong>und</strong> „Prolog im Himmel― ist noch einer platziert:<br />
„Zueignung―. Dieser Prolog, in dem <strong>der</strong> Dichter in Bezug auf das zu vollendende Stück selbst den<br />
imaginativen Schaffensprozess thematisiert, hat den Charakter einer Metafiktion, einer Dichtung<br />
über die Dichtung. Indem die „Zueignung― vorausgeschickt wird, soll alles Folgende einschließlich<br />
des „Vorspiels― <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> des ‚schreibenden Narren‘ Goethe unterliegen, <strong>der</strong> stets die Perspektive<br />
wechselt <strong>und</strong> das Werk polydimensioniert. Wenn das genus sublime <strong>der</strong> Erzengel <strong>und</strong> das genus<br />
humile des Mephisto im „Prolog― die beiden Stilpole des Werkes bilden <strong>und</strong> dazwischen sich das<br />
Drama des unter dem Konflikt <strong>der</strong> zwei Seelen leidenden Faust abspielt, so hat Goethe das Stück<br />
<strong>der</strong> f<strong>und</strong>amentalen Gespaltenheit des menschlichen Daseins entsprechend durchstrukturiert. Und in<br />
dieser Paradoxie <strong>der</strong> menschlichen Existenz besteht ein an<strong>der</strong>er wesentlicher Gr<strong>und</strong> dafür, dass <strong>der</strong><br />
Narr gefor<strong>der</strong>t wird. Die „tragische Paradoxie, dass <strong>der</strong> Mensch nur durch den Teufel zu Gott<br />
gelangen kann―, for<strong>der</strong>t den Narren. Daher kommt es, dass die Faust-Dichtung als „sehr ernste<br />
Scherze― bezeichnet wird. Die Fe<strong>der</strong> des ‚schreibenden Narren‘, die mit dem Narren Mephisto<br />
durch alle Szenen gelaufen ist, kehrt das ‚theatrum m<strong>und</strong>i‘ (Welttheater) in die ‚Welt des<br />
Theaters‘ um <strong>und</strong> beschließt die ganze Faust-Dichtung, das „Vergängliche― <strong>und</strong> das<br />
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