- 1 - Mythologie und Philosophie: Esoterik und Exoterik der „neuen ...
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― Zur Bedeutung <strong>der</strong> narrenhaften Perspektive im Faust ―<br />
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Iwao TANAKA<br />
In einigen bedeutenden Faust-Kommentaren <strong>und</strong> -Forschungen <strong>der</strong> letzten Jahre, wie bei A.<br />
Schöne, U. Gaier <strong>und</strong> J. Schmidt, ist auf die Beson<strong>der</strong>heit von Goethes Faust hingewiesen worden.<br />
So macht Gaier auf die Vieldimensionalität des Textes aufmerksam, <strong>der</strong> viele Perspektiven als<br />
Sinnschichten in sich enthalte, <strong>und</strong> führt demnach sieben thematisch verschiedene „Lesarten― vor.<br />
Dieser neue Ansatz ist bemerkenswert, ihm fehlt jedoch fast ganz <strong>der</strong> Blick auf das Scherzhafte als<br />
konstitutives Element des Textes, was auch bei Schöne <strong>und</strong> bei Schmidt <strong>der</strong> Fall ist. Goethe hat in<br />
seinem letzten Brief an Humboldt den Faust als „diese sehr ernsten Scherze― bezeichnet, <strong>und</strong> ein<br />
Paralipomenon zum „Vorspiel auf dem Theater― lautet: „Und wenn <strong>der</strong> Narr durch alle Szenen läuft,<br />
/ So ist das Stück genug verb<strong>und</strong>en.― Mit dem „Stück― ist selbstverständlich Faust selbst gemeint,<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> „Narr― kann nur Mephisto sein. Goethe erteilt dem Narren Mephisto die Aufgabe, das<br />
Ganze zusammenzuhalten. Wenn man Mephisto als Narren <strong>und</strong> das Scherzhafte für den Faust als<br />
konstitutiv auffasst, werden neue Horizonte <strong>der</strong> Faust-Interpretation eröffnet. Im vorliegenden<br />
Aufsatz soll herausgearbeitet werden, dass gerade die narrenhafte Perspektive <strong>der</strong> „ernsten<br />
Scherze― die Vieldeutigkeit <strong>und</strong> Vielschichtigkeit des Textes bewirkt <strong>und</strong> zugleich das ganze Stück<br />
zusammenhält.<br />
Als Hintergr<strong>und</strong> des Narren Mephisto sind einige Elemente zu nennen: die komische Tradition<br />
des Faust-Stoffes im Volksbuch <strong>und</strong> Puppenspiel, die nahe Verwandtschaft des „Urfaust― mit Farcen<br />
<strong>und</strong> Schwänken, die teuflische Herkunft des Narren im geistlichen Spiel des Mittelalters <strong>und</strong> vor<br />
allem die Tradition <strong>der</strong> barocken Theaterkunst, <strong>der</strong> geistlichen Bühne <strong>und</strong> <strong>der</strong> Commedia dell’arte.<br />
Als Herkunft des Narren Mephisto kann man nicht eine einzige benennen, da hier verschiedene<br />
komische Traditionen miteinan<strong>der</strong> verschmelzen. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass sich<br />
Goethe gerade in den Jahren um 1800 des Narren Mephisto methodisch bewusst wurde, als er drei<br />
Prologe zum Faust konzipierte.<br />
Wörter wie Schalk, Narr <strong>und</strong> Narrheit usw. werden erst in den um 1800 entstandenen Textpartien