Kirchenkreuze, Geisterwege, Machtsymbole - Hagia Chora Journal
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Kirchenkreuze, Geisterwege, Machtsymbole - Hagia Chora Journal
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<strong>Kirchenkreuze</strong>, <strong>Geisterwege</strong>,<br />
<strong>Machtsymbole</strong><br />
Was wir wirklich<br />
über Leys wissen<br />
Eine kontroverse Position zu<br />
energetischen Konzepten<br />
bringt Ulrich Magin in die<br />
Leyline-Diskussion ein. Er<br />
betrachtet das Phänomen der<br />
geraden Linien als Ausdruck<br />
symbolischer Landschafts-<br />
gestaltung der jeweiligen<br />
Kultur. Anhand von Belegen<br />
aus historischer Zeit schließt<br />
Magin auf analoge Motive,<br />
die auch unsere Ahnen aus<br />
der megalithischen Epoche<br />
dazu bewegt haben könnten,<br />
ihre Bauwerke – sakrale wie<br />
profane – auf den rätselhaf-<br />
ten Geraden aufzureihen.<br />
Vor 5000 Jahren schleppten Menschen<br />
in Grundoldendorf bei Hamburg<br />
mächtige Steinblöcke herbei,<br />
um vier riesige Hünenbetten zu errichten,<br />
Gemeinschaftsgräber für ihre Sippe. Drei<br />
dieser Megalithgräber liegen in einer geraden<br />
Linie hintereinander. In der gleichen<br />
Epoche wurde aus Felsplatten das<br />
Steinkammerngrab von Züschen in Nordhessen<br />
errichtet. Am Kopfende des Grabes<br />
wird eine Platte von einem „Seelenloch“<br />
durchbrochen. Das Loch liegt auf der<br />
Achse des Grabes, und seine Verlängerung<br />
zielt genau auf den fünf Kilometer entfernten<br />
Wartberg. Dort lebten die Menschen,<br />
die die Megalithen errichtet hatten.<br />
Drei Jahrtausende später wurde ein<br />
keltischer Fürst unter einem gewaltigen<br />
Grabhügel im hessischen Glauberg bestat-<br />
44<br />
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Ulrich Magin<br />
tet. Der Tumulus war von einem Ringgraben<br />
umgeben, von dem aus zwei kerzengerade<br />
Gräben 300 Meter weit nach Südwest<br />
liefen, die eine knapp siebeneinhalb<br />
Meter breite Prozessionsstraße begrenzten.<br />
Das Danewerk bei Schleswig war eine<br />
der großen Grenzanlagen des Mittelalters.<br />
Mehrere Gräben und Wälle trennten das<br />
Frankenreich von Dänemark, darunter der<br />
6,5 Kilometer lange, gerade Kograben,<br />
dessen Wall immerhin anderthalb Meter<br />
Höhe erreichte. Bei seiner Konstruktion<br />
war die Geradlinigkeit wichtiger als jede<br />
Rücksicht auf die Topographie, wie der<br />
Ausgräber Herbert Jankuhn feststellte.<br />
Im Leistruper Wald bei Detmold befindet<br />
sich eine der merkwürdigsten archäologischen<br />
Anlagen Deutschlands: Wie im<br />
bretonischen Carnac laufen zwei Steinreihen<br />
parallel zueinander neben zwei<br />
hufeisenförmigen Steinsetzungen, einem<br />
Steinkreis sowie zahlreichen Hügelgräbern.<br />
Ob sie aus der Steinzeit, der<br />
Bronzezeit oder gar aus einer viel späteren<br />
Epoche stammen, weiß niemand zu<br />
sagen. Eines der Gräber wurde 1979 geöffnet,<br />
es datiert aus der Bronzezeit.<br />
Profane und sakrale Linien<br />
Immer wieder kann man feststellen, daß<br />
Kirchen, Menhire und Kultplätze auf geraden<br />
Linien liegen, die ungeachtet der Topographie<br />
quer über Berg und Tal ziehen<br />
– den Leys. Was diese Leys bedeuten, darüber<br />
gehen die Ansichten auseinander:<br />
„Leylines“ seien Kanäle von Erdstrahlen,<br />
so die einen, prähistorische Fluglinien, so<br />
andere, oder astronomische Sichtlinien<br />
und „prähistorische Observatorien“. Nur<br />
wenige Autoren, so scheint es, kümmert,<br />
was die Erbauer oder Konstrukteure von<br />
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Liniensystemen über ihre Absicht sagten.<br />
Wie die wenigen Beispiele schon zeigen,<br />
haben diese Linien, die – konkret oder<br />
symbolisch – schnurgerade über die Landschaft<br />
laufen, ganz unterschiedliche<br />
Funktionen. Viele scheinen sakraler Natur<br />
gewesen zu sein – häufig Bestandteil eines<br />
Totenkults – wie die Leys von Züschen<br />
oder vom Glauberg. Andere wieder<br />
waren wohl vollkommen profan (etwa<br />
Römerstraßen, der Limes und das Danewerk).<br />
Theorien über Leys der Vorgeschichte<br />
bleiben jedoch reine Mutmaßung.<br />
Wenn wir uns nicht auf die Subjektivität<br />
menschlicher Empfindung verlassen wollen,<br />
sollten wir die geraden Landschaftslinien<br />
des Mittelalters betrachten, über die<br />
es schriftliche Dokumente gibt, um das<br />
Phänomen zu begreifen und einzuordnen.<br />
Die Salischen <strong>Kirchenkreuze</strong><br />
Das 11. Jahrhundert war die Zeit der salischen<br />
Kaiser. Ihr Anspruch – bis zum<br />
Gang nach Canossa – war es, Stellvertreter<br />
Christi auf Erden zu sein. Mit gewaltigen<br />
Dombauten und der Anlage riesiger<br />
symbolischer Landschaften – der<br />
„<strong>Kirchenkreuze</strong>“ – verliehen sie dieser<br />
Idee Ausdruck. In der salischen Stadt, in<br />
Worms, Goslar und Paderborn, wohl auch<br />
in Würzburg und Zürich, wird der streng<br />
von Ost nach West ausgerichtete Dom<br />
durch vier außenliegende Kirchen ergänzt,<br />
die mit der Kathedrale im Mittelpunkt ein<br />
stadtumspannendes Kreuz bilden.<br />
Im niederländischen Utrecht beauftragte<br />
Kaiser Heinrich III. Bischof Bernold<br />
(1027–1054) mit dem Bau von vier neuen<br />
Kirchen. Die durch diese Kirchen gebildeten<br />
Linien schneiden sich genau in der<br />
Vierung des Utrechter Doms und verlän-<br />
G E O M A N T I E D E S H A U S E S <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999
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MAGIN<br />
gern so die Bischofskirche, die wie alle romanischen<br />
und gotischen Kirchen in<br />
Kreuzform angelegt ist, symbolisch. Unter<br />
der Vierung lag das Herz von Konrad II.<br />
begraben, sein Körper wurde in Speyer<br />
bestattet. Dort kann man möglicherweise<br />
die Weiterentwicklung der salischen<br />
<strong>Kirchenkreuze</strong> beobachten.<br />
Von der Stadt in die Landschaft<br />
In Speyer wird auf den Nord-Süd-Arm der<br />
Kreuzlinien verzichtet, dafür aber die<br />
Domachse in die Landschaft hinein verlängert.<br />
Sie zeigt auf die Kalmit im Westen,<br />
den höchsten Gipfel der Pfalz, und<br />
auf ihrem Weg folgt ihr die Hauptstraße.<br />
Der Ley verlässt die Stadt durch das<br />
prachtvolle Stadttor Altpörtel, die Kirchen<br />
von Dudenhofen und Hanhofen liegen auf<br />
der Linie, ebenso Marientraut, die Burg<br />
des Bischofs von Speyer. In Verlängerung<br />
dieser Linie nach Osten befindet sich am<br />
Rhein die Stelle, an der der Sage nach die<br />
Geister der im Dom begrabenen Kaiser mit<br />
einem Nachen über den Rhein setzen,<br />
wenn immer Deutschland in Gefahr ist.<br />
Das ist ein interessanter Punkt, denn er<br />
verbindet die salischen Leys mit den viel<br />
späteren Traditionen von „<strong>Geisterwege</strong>n“.<br />
Denn Leys sind diese salischen Linien<br />
wirklich. Sie sind durch einzelne Punkte<br />
von sakraler Bedeutung markiert und laufen<br />
– im Fall der salischen Städte – kilometerweit,<br />
im Falle des Speyerer Leys sogar<br />
25 km weit. In Ostfrankreich ist die<br />
salische Idee des Kathedralenkreuzes dann<br />
in die Landschaft projiziert, hier kann<br />
man noch heute das ursprüngliche „Lothringer<br />
Kreuz“ finden. Im Schnittpunkt der<br />
Linien liegt die Benediktinerabtei St.<br />
Hydulphe von Moyenmouthier (das „mittlere<br />
Münster“), im Westen Notre-Dame<br />
von Etival-Clairefontaine, im Osten die im<br />
7. Jahrhundert gegründete St. Gondelbert<br />
in Senones, im Süden die Kathedrale von<br />
Saint-Di‚ und im Norden Bonmouthier.<br />
Jeder der Arme ist zwischen drei und fünf<br />
Kilometer lang.<br />
Möglicherweise ist die Idee der christlichen<br />
heiligen Landschaft älter als die Zeit<br />
der Salier, denn die Abtei von Moyenmouthier<br />
wurde um 800 von St. Hydulphe<br />
als Hauptkirche von vier weiteren Kirchen<br />
gegründet: eben Saint-Di, Etival, Senones<br />
und Bonmouthier.<br />
<strong>Geisterwege</strong><br />
Vielleicht mit diesen mittelalterlichen<br />
Leys verknüpft ist die aus dem letzten<br />
Jahrhundert bezeugte Sage der <strong>Geisterwege</strong>,<br />
die allerdings auch noch weitere<br />
Ursprünge haben könnte. Der „Geisterweg“,<br />
definiert das „Handwörterbuch des<br />
deutschen Aberglaubens“, „ist immer derselbe,<br />
auf ihm begegnet man sehr oft den<br />
Geistern. Stets zieht er in gerader Linie<br />
über Berg und Tal, über Wasser und durch<br />
Sümpfe (Irrlichter!), in den Dörfern hart<br />
über die Häuser hin oder mitten durch sie<br />
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hindurch. Entweder geht er von einem<br />
Friedhof aus oder endet daselbst. Diese<br />
Vorstellung hängt mit dem früher verbreiteten<br />
Brauch zusammen, die Leiche auf<br />
besonderen Totenwegen zum Friedhof zu<br />
fahren, so dass also diesem Weg dieselbe<br />
Eigenschaft zukommt wie dem Friedhof<br />
selbst, er ist ein Tummelplatz der Totengeister.“<br />
Einzelne <strong>Geisterwege</strong> wurden aus<br />
dem Vogtland, der Oberpfalz und dem<br />
Schweizer Kanton Unterwalden gemeldet.<br />
Recht anschaulich berichtet eine Sage<br />
von 1840 aus dem ostpreußischen Ragnit<br />
von einem Geisterweg, der uns zugleich<br />
einen Einblick in das Weltbild der Menschen<br />
gewährt, die an diese Linien glaubten.<br />
Eine „Leichenflugbahn“ verband den<br />
deutschen mit dem litauischen Friedhof<br />
der Stadt. Sie war nur wenige Fuß breit<br />
und befand sich knapp über dem Erdboden.<br />
Auf dem Strich zwischen beiden<br />
Keine historische Quelle<br />
spricht von Erdstrahlen<br />
Friedhöfen „leidet es weder Baum noch<br />
Strauch, weder Haus, noch Mauer, noch<br />
Zaun oder Hecke, denn die Toten ... besuchen<br />
sich in stürmischen Nächten und<br />
fliegen in der Luft von einem Gottesacker<br />
zum anderen. Sie fliegen aber nicht hoch<br />
über der Erde, und deshalb leiden sie auch<br />
keinen nur wenige Ellen hohen Gegenstand<br />
auf ihrem Weg.“ In der Sage baut<br />
ein Städter, der den Einheimischen keinen<br />
Glauben schenkt, sein Haus mitten auf der<br />
Bahn. Die Strafe folgt sogleich, denn immer<br />
wieder reißen die in der stürmischen<br />
Nacht vorbeiziehenden Toten das Haus<br />
ein. Als der Bauherr schließlich aufgibt,<br />
„baute (er) sein Haus ein wenig seitab, so<br />
dass es nicht mehr zwischen den Gottesäckern<br />
lag. Dort hat es viele stürmische<br />
Nächte ausgehalten und steht heute<br />
noch.“ Ein anderer Bauherr beobachtete<br />
den Flug der Leichen und steckte ihre<br />
Bahn mit Fähnchen ab. Er vermied so,<br />
dass sein Haus niedergerissen wurde.<br />
Machtdemonstration<br />
Die letzten Leys, die in Deutschland konstruiert<br />
wurden, sind allerdings jeder spirituellen<br />
Bedeutung beraubt und ganz auf<br />
den Ausdruck der Macht des Regenten<br />
konzentriert. Die Landschaftslinien des<br />
Barock sind als die jüngsten Leys noch<br />
heute auf Landkarten einfach zu finden.<br />
Am faszinierendsten, weil sie sich auf den<br />
viel früheren Ley von Speyer bezieht, ist<br />
die um 1720 angelegte Linie von Schwetzingen.<br />
Die Achse des Schlossparks ist als<br />
Straße in der Landschaft angelegt, sie verbindet,<br />
auch optisch, sehr eindrucksvoll<br />
die beiden höchsten Erhebungen auf dem<br />
Gebiet der Kurpfalz, den Königstuhl bei<br />
Heidelberg und die Kalmit in der Pfalz.<br />
Das Schloss im badischen Rastatt, 1699<br />
durch Markgraf Ludwig Wilhelm erbaut,<br />
<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999 G E O M A N T I E D E S H A U S E S 45<br />
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Auf dem Wurmberg im Harz findet sich ein vorgeschichtliches<br />
Steinkistengrab. Im 11. Jahrhundert,<br />
zur Zeit der Salier, wurde ein ca. hundert Meter langer<br />
Platttenweg schnurgerade nach Osten angelegt.<br />
ist mit seiner Achse, die auch als 15 km<br />
lange schnurgerade Allee in der Landschaft<br />
angelegt ist, ausgerichtet auf die<br />
markgräfliche Nachbarstadt Ettlingen.<br />
Rund um Stuttgart ließ Ende des 18.<br />
Jahrhunderts Herzog Carl Eugen seine<br />
Schlösser Solitude, Ludwigsburg, Favorite,<br />
Monrepos und Bärenschlössle durch ein<br />
gewaltiges Liniensystem mit Einzelgeraden<br />
von bis zu 13 Kilometern miteinander<br />
verbinden. Alleen überziehen ebenso<br />
schnurgerade die Felder und die Wälder;<br />
sie wurden zur Jagd benutzt.<br />
Geomantie im Dritten Reich<br />
Den Begriff „Ley“ prägte 1922 der englische<br />
Hobbyforscher Alfred Watkins in seinem<br />
Buch „Early British Trackways“; er<br />
sollte geradlinige steinzeitliche Handelsrouten<br />
beschreiben. Unabhängig davon<br />
hatte der nationalistische Träumer Wilhelm<br />
Teudt ähnliche Alignements bemerkt,<br />
die von den Externsteinen ausgingen<br />
und die er „heilige Linien“ nannte.<br />
Aufgrund seiner völkischen Gesinnung<br />
frohlockte Teudt über den Sieg des Nationalsozialismus;<br />
schnell bot er sich den<br />
Machthabern an, ihre Rassentheorie durch<br />
seine Entdeckung „germanischer Sternwarten“<br />
zu untermauern. Er integrierte<br />
seine Forschungen rasch in das „Ahnenerbe“,<br />
das pseudowissenschaftliche Institut<br />
der SS. „Heilige Linien“ wurden bald<br />
zum Dogma und zu einer mächtigen<br />
Waffe im Kampf gegen das „verjudete<br />
Christentum“. Völkische Forscher fanden<br />
in jedem Gau germanische Sternwarten<br />
(deren Liniensysteme einer Überprüfung<br />
nicht standhalten), viele schreckten auch<br />
vor Fälschungen nicht zurück.<br />
Zwar setzten die Nationalsozialisten<br />
die entdeckten „heiligen Linien“ gerne<br />
ein, um die Überlegenheit des germanischen<br />
Menschen zu beweisen, doch wussten<br />
sie genau, dass es sich dabei um Humbug<br />
handelte. So hatte kein einziger Vertreter<br />
des Ahnenerbes Bedenken, als 1937<br />
ein „germanischer Sternentempel“ im badischen<br />
Rastatt zerstört wurde, weil das<br />
46<br />
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Ein Totenweg in der Heide von Laren bei Hilversum<br />
in den Niederlanden. Der Weg führt über mehrere<br />
Kilometer hinweg geradlinig auf eine Kapelle aus<br />
dem 16. Jahrhundert zu.<br />
Gelände als Truppenübungsplatz gebraucht<br />
wurde. Ein herbeigeholter Geologe<br />
erklärte die Riesenwälle flugs – übrigens<br />
richtig – zu einer Laune der Natur.<br />
Die „Forschungen“ des Ahnenerbes<br />
blieben nicht ohne Widerhall in der nationalsozialistischen<br />
Architektur. So wurde<br />
das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg<br />
bereits 1934 „geomantisch“ konzipiert.<br />
Die Anlage zitiert Teudts Idee der heiligen<br />
Linien, indem die „Große Straße“, die geradlinige<br />
Parade- und Aufmarschachse,<br />
auf die Nürnberger Kaiserburg orientiert<br />
wurde. So bietet dieses zwei Kilometer<br />
lange und 40 Meter breite Monstrum<br />
nicht nur ausreichend Platz für Massenaufmärsche<br />
und Militärparaden, sie verbindet<br />
zudem ein Herzstück des Dritten<br />
Reiches symbolisch mit dem mittelalterlichen<br />
Kaiserreich. Die Achse übernimmt<br />
symbolische Ausdrucksformen des Barock<br />
und drückt gleichzeitig imperialen Machtwillen<br />
und historische Kontinuität zur<br />
Vorzeit aus. Errichtet wurde die Große<br />
Straße von Sklavenarbeitern; auch hier ist<br />
die geomantische Landschaftsarchitektur<br />
also Ausdruck des Weltbildes, das sie<br />
schuf. Eine gerade Linie führt vom fanatischen<br />
Judenhasser Teudt und dem Ahnenerbe,<br />
das im KZ für Menschenversuche<br />
zuständig war, zur konkreten Umsetzung<br />
seiner „völkischen Entdeckungen“. Aus<br />
diesem Grund kann es nur erstaunen, wie<br />
unkritisch in Geomantiebüchern immer<br />
wieder die deutsche „Forschung“ der 30er<br />
Jahre aufgegriffen wird.<br />
Der Ley – kein Ding an sich<br />
Selbst wenn man nur jene geraden Landschaftslinien<br />
als Ley bezeichnet, die ihr<br />
Entdecker Alfred Watkins so genannt hat,<br />
wird schnell klar, dass es einen „Ley“ an<br />
sich nicht gibt. Wohl aber – in allen Zeiten<br />
und in ganz unterschiedlicher Ausprägung<br />
– jeweils eigene Konzepte symbolischer<br />
Landschaften, die durch Leys ausgedrückt<br />
werden. Zwischen diesen verschiedenen<br />
Formen der Leys gibt es wohl keine<br />
durchgehende, verknüpfende Tradition;<br />
T I C H W O R T L E Y L I N E S<br />
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Schloßanlage Schleißheim, Miniatur von Maximilian<br />
de Geer, um 1730. Die geradlinige Anlage des<br />
Parks und der weiterführenden Straße demonstriert<br />
den absolutistischen Machtwillen.<br />
der Gedanke ist immer wieder von neuem<br />
aufgetaucht und umgesetzt worden. Die<br />
Linien dienten den unterschiedlichsten<br />
Zwecken – manche waren spirituell, andere<br />
profan und symbolisierten Macht oder<br />
den Herrschaftsbereich des Fürsten.<br />
Kaum weniger zeitgebunden als die<br />
Vorstellungen der Erbauer von Leys und<br />
anderen geraden Landschaftslinien waren<br />
die Interpretation, mit denen Ley-Forscher<br />
ihre Entdeckungen zu erklären suchten.<br />
Für Watkins waren es Handelsrouten, für<br />
den völkischen Phantasten Teudt „germanische<br />
Heiligtümer“, in den sechziger Jahren<br />
hielt man sie für Ufo-Flugrouten, in<br />
den siebziger Jahren für Teile von „Steinzeitcomputern“<br />
oder Kalenderbauten. In<br />
den achtziger und neunziger Jahren mit<br />
ihrem großen Interesse an fernöstlichen<br />
Weisheiten schließlich gilt als abgemacht,<br />
dass Leys den „feinstofflichen Energielinien<br />
der Erde“ folgen und ihre Markierungspunkte<br />
wie Akupunkturnadeln wirken<br />
– eine Idee, die erstmals 1969 von<br />
John Michell vertreten wurde.<br />
Der gemeinsame Nenner und das einzige,<br />
das wir über Leys mit einiger Sicherheit<br />
sagen können, ist: Es sind Elemente<br />
symbolischer Landschaftsgestaltung,<br />
Versuche, die Natur nach dem jeweiligen<br />
Weltbild symbolisch zu gestalten, sei es<br />
nun religiös oder weltlich. So waren Leys<br />
ein Ausdruck von Totenkult in der Vorgeschichte,<br />
von Abgrenzung in der Antike,<br />
von Glauben und Gespensterfucht im Mittelalter,<br />
von fürstlicher Machtentfaltung<br />
im Barock. Und obwohl es eine Vielzahl<br />
von Leys gibt, die in geschichtlicher Zeit<br />
errichtet wurden und die daher dokumentarisch<br />
bezeugt sind, spricht keine Quelle<br />
von Erdstrahlen, geheimnisvollen Energien<br />
oder Erdakupunktur. 7<br />
Ulrich Magin ist Autor des Buches „Geheimwissenschaft<br />
Geomantie“, das 1996 in der Beck’schen Reihe,<br />
München, erschienen ist. Als Mitarbeiter von Paul<br />
Devereux hat er an verschiedenen Forschungsprojekten<br />
zum Ley-Phänomen teilgenommen und seine Recherchen<br />
im Magazin „The Ley Hunter“ veröffentlicht.<br />
G E O M A N T I E D E S H A U S E S <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999<br />
MAGIN, BAYER. SCHLÖSSERVERWALTUNG
K O L U M N E<br />
Neue Dimensionen<br />
der Wirklichkeit<br />
In der letzten Ausgabe von <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong><br />
beschrieb Marko Pogacnik seine Wahrnehmung<br />
von der Veränderung des Erdkörpers.<br />
Seit Frühjahr 1998 stellte er mehrere Wandlungen in<br />
dessen Ausstrahlung fest, die das bislang verborgene „Raum-<br />
Ursystem“ der Erde für die Menschen spürbar machen sollen.<br />
Für Pogacnik sind dies die Urkräfte der Erde, wie sie vor dem<br />
ersten Schöpfungstag bestanden – eine alles verbindende Kraft.<br />
Diesmal setzt er sich mit der Frage auseinander, wie diese Erkenntnis<br />
in unser heutiges Bewusstsein integriert werden kann.<br />
Eine weitere Gruppe von Träumen vermittelte mir die Botschaft, dass<br />
während der gegenwärtigen Phase der Erdwandlung die Kräfte des<br />
Ursystems in Erscheinung treten werden, um die Wandlung des Erdkörpers<br />
und eine Neustrukturierung des mehrdimensionalen Raumes<br />
zu ermöglichen. Sie haben sich, bildlich gesprochen, während der<br />
letzten Epoche der Erd- und Menschheitsentwicklung tief in das<br />
Erdinnere zurückgezogen, um dem Prozess der extremen Materialisierung<br />
des Erdkörpers und der Vernunftsentwicklung des Menschen<br />
Raum zu geben.<br />
In der gegenwärtigen Phase der Erdwandlung, die meiner Erfahrung<br />
nach am 29.9.1998 begonnen hat, wurde das zeitweilig „schlafende“<br />
Ursystem der Erde wiedererweckt, um sich auf eine neue Weise zu<br />
manifestieren. Ein Traum vom 24.9.1998 versuchte mir die Ursachen<br />
dieser Manifestation zu erklären. Ich sah die Menschen der Welt an<br />
verschiedenartigen Fallschirmen in der Luft schweben. Plötzlich begann<br />
sich eine besondere Schwingung über die Erde auszubreiten,<br />
die ich anhand der besonderen Wolkenformationen erkannte. Dies<br />
bewirkte, dass die Fäden all der Fallschirme ineinander verwickelt<br />
wurden, so dass die Menschen, die an ihnen hingen, zwar wider Willen,<br />
jedoch gewaltlos auf die Erde herabfielen.<br />
Das Traumbild zeigt den modernen Menschen in der Struktur seiner<br />
selbst geschaffenen, mentalen Systeme schwebend. Dies ist die sogenannte<br />
virtuelle Realität, in der wir als Zivilisation gegenwärtig<br />
funktionieren, ohne mit der Erde und dem Kosmos verbunden zu<br />
sein. Die Wiederaktivierung des geomantischen Ursystems der Erde<br />
erzeugt eine neue Schwingungsqualität, welche die Illusionsräume,<br />
in denen die Menschen zur Zeit verweilen, „enttarnen“ und damit<br />
auflösen wird. Als Folge fallen wir „gewaltlos auf die Erde herab“,<br />
d.h. wir erwachen mitten im wahren Leben.<br />
Die erste Erkenntnis über das Wesen der Kraftpunkte des Raum-Ursystems<br />
war, dass sie zwar einzeln im Gelände auftauchen, jedoch<br />
einer untereinander vernetzten Ganzheit angehören. Sie haben keine<br />
individuelle Funktion wie die Kraftzentren des vitalenergetischen<br />
Systems. Auch wenn es scheint, als habe ein Kraftpunkt des Ursystems<br />
in der Erdtiefe eine einzige Aufgabe, nämlich die Urkraft des<br />
Lebens zu konzentrieren, wirkt er zugleich bei der Ausgestaltung der<br />
Himmelssphäre. Auch hier zeigt sich der alogische und ganzheitliche<br />
Charakter des sich neu manifestierenden Urkraftsystems.<br />
Eine weitere Charakteristik dieser mir bislang unbekannten Kraftpunkte<br />
besteht darin, dass ihre Existenz durch die Wechselwirkung<br />
mit dem menschlichen Bewusstsein geprägt wird. Es scheint sogar,<br />
dass die erfolgreiche Manifestation des Ursystems davon abhängig<br />
ist, inwieweit sie durch das Bewusstsein einzelner Menschen und<br />
auch der Menschheit als Ganzes verstanden und unterstützt wird.<br />
Vor diesem Hintergrund kann ich mir erklären, warum ich in den<br />
letzten Monaten unentwegt auf meine Vorbehalte den neuen Kräften<br />
gegenüber aufmerksam gemacht wurde. Der Zeitgeist besteht<br />
darauf, dass der Mensch die Hürden beiseite räume, die ihn hindern,<br />
an der Aktivierung und Ausdehnung der neuen Kraft – die gleichzeitig<br />
auch Bewusstsein ist – teilzunehmen. Meine Intuition sagt, dass<br />
die Erde nur dann durch die Erschütterungen der bevorstehenden<br />
Wandlungen gehen kann – statt die vorausgesagten Katastrophen zu<br />
erleben – wenn die Menschheit in diesem Augenblick bereit ist, sich<br />
auf die wach werdenden Kräfte einzustimmen und eine Interaktion<br />
mit ihnen einzugehen.<br />
<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999 G E O M A N T I E D E S H A U S E S 47<br />
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