25.02.2013 Aufrufe

Kirchenkreuze, Geisterwege, Machtsymbole - Hagia Chora Journal

Kirchenkreuze, Geisterwege, Machtsymbole - Hagia Chora Journal

Kirchenkreuze, Geisterwege, Machtsymbole - Hagia Chora Journal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Kirchenkreuze</strong>, <strong>Geisterwege</strong>,<br />

<strong>Machtsymbole</strong><br />

Was wir wirklich<br />

über Leys wissen<br />

Eine kontroverse Position zu<br />

energetischen Konzepten<br />

bringt Ulrich Magin in die<br />

Leyline-Diskussion ein. Er<br />

betrachtet das Phänomen der<br />

geraden Linien als Ausdruck<br />

symbolischer Landschafts-<br />

gestaltung der jeweiligen<br />

Kultur. Anhand von Belegen<br />

aus historischer Zeit schließt<br />

Magin auf analoge Motive,<br />

die auch unsere Ahnen aus<br />

der megalithischen Epoche<br />

dazu bewegt haben könnten,<br />

ihre Bauwerke – sakrale wie<br />

profane – auf den rätselhaf-<br />

ten Geraden aufzureihen.<br />

Vor 5000 Jahren schleppten Menschen<br />

in Grundoldendorf bei Hamburg<br />

mächtige Steinblöcke herbei,<br />

um vier riesige Hünenbetten zu errichten,<br />

Gemeinschaftsgräber für ihre Sippe. Drei<br />

dieser Megalithgräber liegen in einer geraden<br />

Linie hintereinander. In der gleichen<br />

Epoche wurde aus Felsplatten das<br />

Steinkammerngrab von Züschen in Nordhessen<br />

errichtet. Am Kopfende des Grabes<br />

wird eine Platte von einem „Seelenloch“<br />

durchbrochen. Das Loch liegt auf der<br />

Achse des Grabes, und seine Verlängerung<br />

zielt genau auf den fünf Kilometer entfernten<br />

Wartberg. Dort lebten die Menschen,<br />

die die Megalithen errichtet hatten.<br />

Drei Jahrtausende später wurde ein<br />

keltischer Fürst unter einem gewaltigen<br />

Grabhügel im hessischen Glauberg bestat-<br />

44<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

Ulrich Magin<br />

tet. Der Tumulus war von einem Ringgraben<br />

umgeben, von dem aus zwei kerzengerade<br />

Gräben 300 Meter weit nach Südwest<br />

liefen, die eine knapp siebeneinhalb<br />

Meter breite Prozessionsstraße begrenzten.<br />

Das Danewerk bei Schleswig war eine<br />

der großen Grenzanlagen des Mittelalters.<br />

Mehrere Gräben und Wälle trennten das<br />

Frankenreich von Dänemark, darunter der<br />

6,5 Kilometer lange, gerade Kograben,<br />

dessen Wall immerhin anderthalb Meter<br />

Höhe erreichte. Bei seiner Konstruktion<br />

war die Geradlinigkeit wichtiger als jede<br />

Rücksicht auf die Topographie, wie der<br />

Ausgräber Herbert Jankuhn feststellte.<br />

Im Leistruper Wald bei Detmold befindet<br />

sich eine der merkwürdigsten archäologischen<br />

Anlagen Deutschlands: Wie im<br />

bretonischen Carnac laufen zwei Steinreihen<br />

parallel zueinander neben zwei<br />

hufeisenförmigen Steinsetzungen, einem<br />

Steinkreis sowie zahlreichen Hügelgräbern.<br />

Ob sie aus der Steinzeit, der<br />

Bronzezeit oder gar aus einer viel späteren<br />

Epoche stammen, weiß niemand zu<br />

sagen. Eines der Gräber wurde 1979 geöffnet,<br />

es datiert aus der Bronzezeit.<br />

Profane und sakrale Linien<br />

Immer wieder kann man feststellen, daß<br />

Kirchen, Menhire und Kultplätze auf geraden<br />

Linien liegen, die ungeachtet der Topographie<br />

quer über Berg und Tal ziehen<br />

– den Leys. Was diese Leys bedeuten, darüber<br />

gehen die Ansichten auseinander:<br />

„Leylines“ seien Kanäle von Erdstrahlen,<br />

so die einen, prähistorische Fluglinien, so<br />

andere, oder astronomische Sichtlinien<br />

und „prähistorische Observatorien“. Nur<br />

wenige Autoren, so scheint es, kümmert,<br />

was die Erbauer oder Konstrukteure von<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

Liniensystemen über ihre Absicht sagten.<br />

Wie die wenigen Beispiele schon zeigen,<br />

haben diese Linien, die – konkret oder<br />

symbolisch – schnurgerade über die Landschaft<br />

laufen, ganz unterschiedliche<br />

Funktionen. Viele scheinen sakraler Natur<br />

gewesen zu sein – häufig Bestandteil eines<br />

Totenkults – wie die Leys von Züschen<br />

oder vom Glauberg. Andere wieder<br />

waren wohl vollkommen profan (etwa<br />

Römerstraßen, der Limes und das Danewerk).<br />

Theorien über Leys der Vorgeschichte<br />

bleiben jedoch reine Mutmaßung.<br />

Wenn wir uns nicht auf die Subjektivität<br />

menschlicher Empfindung verlassen wollen,<br />

sollten wir die geraden Landschaftslinien<br />

des Mittelalters betrachten, über die<br />

es schriftliche Dokumente gibt, um das<br />

Phänomen zu begreifen und einzuordnen.<br />

Die Salischen <strong>Kirchenkreuze</strong><br />

Das 11. Jahrhundert war die Zeit der salischen<br />

Kaiser. Ihr Anspruch – bis zum<br />

Gang nach Canossa – war es, Stellvertreter<br />

Christi auf Erden zu sein. Mit gewaltigen<br />

Dombauten und der Anlage riesiger<br />

symbolischer Landschaften – der<br />

„<strong>Kirchenkreuze</strong>“ – verliehen sie dieser<br />

Idee Ausdruck. In der salischen Stadt, in<br />

Worms, Goslar und Paderborn, wohl auch<br />

in Würzburg und Zürich, wird der streng<br />

von Ost nach West ausgerichtete Dom<br />

durch vier außenliegende Kirchen ergänzt,<br />

die mit der Kathedrale im Mittelpunkt ein<br />

stadtumspannendes Kreuz bilden.<br />

Im niederländischen Utrecht beauftragte<br />

Kaiser Heinrich III. Bischof Bernold<br />

(1027–1054) mit dem Bau von vier neuen<br />

Kirchen. Die durch diese Kirchen gebildeten<br />

Linien schneiden sich genau in der<br />

Vierung des Utrechter Doms und verlän-<br />

G E O M A N T I E D E S H A U S E S <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999


○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ S<br />

MAGIN<br />

gern so die Bischofskirche, die wie alle romanischen<br />

und gotischen Kirchen in<br />

Kreuzform angelegt ist, symbolisch. Unter<br />

der Vierung lag das Herz von Konrad II.<br />

begraben, sein Körper wurde in Speyer<br />

bestattet. Dort kann man möglicherweise<br />

die Weiterentwicklung der salischen<br />

<strong>Kirchenkreuze</strong> beobachten.<br />

Von der Stadt in die Landschaft<br />

In Speyer wird auf den Nord-Süd-Arm der<br />

Kreuzlinien verzichtet, dafür aber die<br />

Domachse in die Landschaft hinein verlängert.<br />

Sie zeigt auf die Kalmit im Westen,<br />

den höchsten Gipfel der Pfalz, und<br />

auf ihrem Weg folgt ihr die Hauptstraße.<br />

Der Ley verlässt die Stadt durch das<br />

prachtvolle Stadttor Altpörtel, die Kirchen<br />

von Dudenhofen und Hanhofen liegen auf<br />

der Linie, ebenso Marientraut, die Burg<br />

des Bischofs von Speyer. In Verlängerung<br />

dieser Linie nach Osten befindet sich am<br />

Rhein die Stelle, an der der Sage nach die<br />

Geister der im Dom begrabenen Kaiser mit<br />

einem Nachen über den Rhein setzen,<br />

wenn immer Deutschland in Gefahr ist.<br />

Das ist ein interessanter Punkt, denn er<br />

verbindet die salischen Leys mit den viel<br />

späteren Traditionen von „<strong>Geisterwege</strong>n“.<br />

Denn Leys sind diese salischen Linien<br />

wirklich. Sie sind durch einzelne Punkte<br />

von sakraler Bedeutung markiert und laufen<br />

– im Fall der salischen Städte – kilometerweit,<br />

im Falle des Speyerer Leys sogar<br />

25 km weit. In Ostfrankreich ist die<br />

salische Idee des Kathedralenkreuzes dann<br />

in die Landschaft projiziert, hier kann<br />

man noch heute das ursprüngliche „Lothringer<br />

Kreuz“ finden. Im Schnittpunkt der<br />

Linien liegt die Benediktinerabtei St.<br />

Hydulphe von Moyenmouthier (das „mittlere<br />

Münster“), im Westen Notre-Dame<br />

von Etival-Clairefontaine, im Osten die im<br />

7. Jahrhundert gegründete St. Gondelbert<br />

in Senones, im Süden die Kathedrale von<br />

Saint-Di‚ und im Norden Bonmouthier.<br />

Jeder der Arme ist zwischen drei und fünf<br />

Kilometer lang.<br />

Möglicherweise ist die Idee der christlichen<br />

heiligen Landschaft älter als die Zeit<br />

der Salier, denn die Abtei von Moyenmouthier<br />

wurde um 800 von St. Hydulphe<br />

als Hauptkirche von vier weiteren Kirchen<br />

gegründet: eben Saint-Di, Etival, Senones<br />

und Bonmouthier.<br />

<strong>Geisterwege</strong><br />

Vielleicht mit diesen mittelalterlichen<br />

Leys verknüpft ist die aus dem letzten<br />

Jahrhundert bezeugte Sage der <strong>Geisterwege</strong>,<br />

die allerdings auch noch weitere<br />

Ursprünge haben könnte. Der „Geisterweg“,<br />

definiert das „Handwörterbuch des<br />

deutschen Aberglaubens“, „ist immer derselbe,<br />

auf ihm begegnet man sehr oft den<br />

Geistern. Stets zieht er in gerader Linie<br />

über Berg und Tal, über Wasser und durch<br />

Sümpfe (Irrlichter!), in den Dörfern hart<br />

über die Häuser hin oder mitten durch sie<br />

T I C H W O R T L E Y L I N E S<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

hindurch. Entweder geht er von einem<br />

Friedhof aus oder endet daselbst. Diese<br />

Vorstellung hängt mit dem früher verbreiteten<br />

Brauch zusammen, die Leiche auf<br />

besonderen Totenwegen zum Friedhof zu<br />

fahren, so dass also diesem Weg dieselbe<br />

Eigenschaft zukommt wie dem Friedhof<br />

selbst, er ist ein Tummelplatz der Totengeister.“<br />

Einzelne <strong>Geisterwege</strong> wurden aus<br />

dem Vogtland, der Oberpfalz und dem<br />

Schweizer Kanton Unterwalden gemeldet.<br />

Recht anschaulich berichtet eine Sage<br />

von 1840 aus dem ostpreußischen Ragnit<br />

von einem Geisterweg, der uns zugleich<br />

einen Einblick in das Weltbild der Menschen<br />

gewährt, die an diese Linien glaubten.<br />

Eine „Leichenflugbahn“ verband den<br />

deutschen mit dem litauischen Friedhof<br />

der Stadt. Sie war nur wenige Fuß breit<br />

und befand sich knapp über dem Erdboden.<br />

Auf dem Strich zwischen beiden<br />

Keine historische Quelle<br />

spricht von Erdstrahlen<br />

Friedhöfen „leidet es weder Baum noch<br />

Strauch, weder Haus, noch Mauer, noch<br />

Zaun oder Hecke, denn die Toten ... besuchen<br />

sich in stürmischen Nächten und<br />

fliegen in der Luft von einem Gottesacker<br />

zum anderen. Sie fliegen aber nicht hoch<br />

über der Erde, und deshalb leiden sie auch<br />

keinen nur wenige Ellen hohen Gegenstand<br />

auf ihrem Weg.“ In der Sage baut<br />

ein Städter, der den Einheimischen keinen<br />

Glauben schenkt, sein Haus mitten auf der<br />

Bahn. Die Strafe folgt sogleich, denn immer<br />

wieder reißen die in der stürmischen<br />

Nacht vorbeiziehenden Toten das Haus<br />

ein. Als der Bauherr schließlich aufgibt,<br />

„baute (er) sein Haus ein wenig seitab, so<br />

dass es nicht mehr zwischen den Gottesäckern<br />

lag. Dort hat es viele stürmische<br />

Nächte ausgehalten und steht heute<br />

noch.“ Ein anderer Bauherr beobachtete<br />

den Flug der Leichen und steckte ihre<br />

Bahn mit Fähnchen ab. Er vermied so,<br />

dass sein Haus niedergerissen wurde.<br />

Machtdemonstration<br />

Die letzten Leys, die in Deutschland konstruiert<br />

wurden, sind allerdings jeder spirituellen<br />

Bedeutung beraubt und ganz auf<br />

den Ausdruck der Macht des Regenten<br />

konzentriert. Die Landschaftslinien des<br />

Barock sind als die jüngsten Leys noch<br />

heute auf Landkarten einfach zu finden.<br />

Am faszinierendsten, weil sie sich auf den<br />

viel früheren Ley von Speyer bezieht, ist<br />

die um 1720 angelegte Linie von Schwetzingen.<br />

Die Achse des Schlossparks ist als<br />

Straße in der Landschaft angelegt, sie verbindet,<br />

auch optisch, sehr eindrucksvoll<br />

die beiden höchsten Erhebungen auf dem<br />

Gebiet der Kurpfalz, den Königstuhl bei<br />

Heidelberg und die Kalmit in der Pfalz.<br />

Das Schloss im badischen Rastatt, 1699<br />

durch Markgraf Ludwig Wilhelm erbaut,<br />

<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999 G E O M A N T I E D E S H A U S E S 45<br />

ANZEIGE


Auf dem Wurmberg im Harz findet sich ein vorgeschichtliches<br />

Steinkistengrab. Im 11. Jahrhundert,<br />

zur Zeit der Salier, wurde ein ca. hundert Meter langer<br />

Platttenweg schnurgerade nach Osten angelegt.<br />

ist mit seiner Achse, die auch als 15 km<br />

lange schnurgerade Allee in der Landschaft<br />

angelegt ist, ausgerichtet auf die<br />

markgräfliche Nachbarstadt Ettlingen.<br />

Rund um Stuttgart ließ Ende des 18.<br />

Jahrhunderts Herzog Carl Eugen seine<br />

Schlösser Solitude, Ludwigsburg, Favorite,<br />

Monrepos und Bärenschlössle durch ein<br />

gewaltiges Liniensystem mit Einzelgeraden<br />

von bis zu 13 Kilometern miteinander<br />

verbinden. Alleen überziehen ebenso<br />

schnurgerade die Felder und die Wälder;<br />

sie wurden zur Jagd benutzt.<br />

Geomantie im Dritten Reich<br />

Den Begriff „Ley“ prägte 1922 der englische<br />

Hobbyforscher Alfred Watkins in seinem<br />

Buch „Early British Trackways“; er<br />

sollte geradlinige steinzeitliche Handelsrouten<br />

beschreiben. Unabhängig davon<br />

hatte der nationalistische Träumer Wilhelm<br />

Teudt ähnliche Alignements bemerkt,<br />

die von den Externsteinen ausgingen<br />

und die er „heilige Linien“ nannte.<br />

Aufgrund seiner völkischen Gesinnung<br />

frohlockte Teudt über den Sieg des Nationalsozialismus;<br />

schnell bot er sich den<br />

Machthabern an, ihre Rassentheorie durch<br />

seine Entdeckung „germanischer Sternwarten“<br />

zu untermauern. Er integrierte<br />

seine Forschungen rasch in das „Ahnenerbe“,<br />

das pseudowissenschaftliche Institut<br />

der SS. „Heilige Linien“ wurden bald<br />

zum Dogma und zu einer mächtigen<br />

Waffe im Kampf gegen das „verjudete<br />

Christentum“. Völkische Forscher fanden<br />

in jedem Gau germanische Sternwarten<br />

(deren Liniensysteme einer Überprüfung<br />

nicht standhalten), viele schreckten auch<br />

vor Fälschungen nicht zurück.<br />

Zwar setzten die Nationalsozialisten<br />

die entdeckten „heiligen Linien“ gerne<br />

ein, um die Überlegenheit des germanischen<br />

Menschen zu beweisen, doch wussten<br />

sie genau, dass es sich dabei um Humbug<br />

handelte. So hatte kein einziger Vertreter<br />

des Ahnenerbes Bedenken, als 1937<br />

ein „germanischer Sternentempel“ im badischen<br />

Rastatt zerstört wurde, weil das<br />

46<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ S<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

Ein Totenweg in der Heide von Laren bei Hilversum<br />

in den Niederlanden. Der Weg führt über mehrere<br />

Kilometer hinweg geradlinig auf eine Kapelle aus<br />

dem 16. Jahrhundert zu.<br />

Gelände als Truppenübungsplatz gebraucht<br />

wurde. Ein herbeigeholter Geologe<br />

erklärte die Riesenwälle flugs – übrigens<br />

richtig – zu einer Laune der Natur.<br />

Die „Forschungen“ des Ahnenerbes<br />

blieben nicht ohne Widerhall in der nationalsozialistischen<br />

Architektur. So wurde<br />

das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg<br />

bereits 1934 „geomantisch“ konzipiert.<br />

Die Anlage zitiert Teudts Idee der heiligen<br />

Linien, indem die „Große Straße“, die geradlinige<br />

Parade- und Aufmarschachse,<br />

auf die Nürnberger Kaiserburg orientiert<br />

wurde. So bietet dieses zwei Kilometer<br />

lange und 40 Meter breite Monstrum<br />

nicht nur ausreichend Platz für Massenaufmärsche<br />

und Militärparaden, sie verbindet<br />

zudem ein Herzstück des Dritten<br />

Reiches symbolisch mit dem mittelalterlichen<br />

Kaiserreich. Die Achse übernimmt<br />

symbolische Ausdrucksformen des Barock<br />

und drückt gleichzeitig imperialen Machtwillen<br />

und historische Kontinuität zur<br />

Vorzeit aus. Errichtet wurde die Große<br />

Straße von Sklavenarbeitern; auch hier ist<br />

die geomantische Landschaftsarchitektur<br />

also Ausdruck des Weltbildes, das sie<br />

schuf. Eine gerade Linie führt vom fanatischen<br />

Judenhasser Teudt und dem Ahnenerbe,<br />

das im KZ für Menschenversuche<br />

zuständig war, zur konkreten Umsetzung<br />

seiner „völkischen Entdeckungen“. Aus<br />

diesem Grund kann es nur erstaunen, wie<br />

unkritisch in Geomantiebüchern immer<br />

wieder die deutsche „Forschung“ der 30er<br />

Jahre aufgegriffen wird.<br />

Der Ley – kein Ding an sich<br />

Selbst wenn man nur jene geraden Landschaftslinien<br />

als Ley bezeichnet, die ihr<br />

Entdecker Alfred Watkins so genannt hat,<br />

wird schnell klar, dass es einen „Ley“ an<br />

sich nicht gibt. Wohl aber – in allen Zeiten<br />

und in ganz unterschiedlicher Ausprägung<br />

– jeweils eigene Konzepte symbolischer<br />

Landschaften, die durch Leys ausgedrückt<br />

werden. Zwischen diesen verschiedenen<br />

Formen der Leys gibt es wohl keine<br />

durchgehende, verknüpfende Tradition;<br />

T I C H W O R T L E Y L I N E S<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

Schloßanlage Schleißheim, Miniatur von Maximilian<br />

de Geer, um 1730. Die geradlinige Anlage des<br />

Parks und der weiterführenden Straße demonstriert<br />

den absolutistischen Machtwillen.<br />

der Gedanke ist immer wieder von neuem<br />

aufgetaucht und umgesetzt worden. Die<br />

Linien dienten den unterschiedlichsten<br />

Zwecken – manche waren spirituell, andere<br />

profan und symbolisierten Macht oder<br />

den Herrschaftsbereich des Fürsten.<br />

Kaum weniger zeitgebunden als die<br />

Vorstellungen der Erbauer von Leys und<br />

anderen geraden Landschaftslinien waren<br />

die Interpretation, mit denen Ley-Forscher<br />

ihre Entdeckungen zu erklären suchten.<br />

Für Watkins waren es Handelsrouten, für<br />

den völkischen Phantasten Teudt „germanische<br />

Heiligtümer“, in den sechziger Jahren<br />

hielt man sie für Ufo-Flugrouten, in<br />

den siebziger Jahren für Teile von „Steinzeitcomputern“<br />

oder Kalenderbauten. In<br />

den achtziger und neunziger Jahren mit<br />

ihrem großen Interesse an fernöstlichen<br />

Weisheiten schließlich gilt als abgemacht,<br />

dass Leys den „feinstofflichen Energielinien<br />

der Erde“ folgen und ihre Markierungspunkte<br />

wie Akupunkturnadeln wirken<br />

– eine Idee, die erstmals 1969 von<br />

John Michell vertreten wurde.<br />

Der gemeinsame Nenner und das einzige,<br />

das wir über Leys mit einiger Sicherheit<br />

sagen können, ist: Es sind Elemente<br />

symbolischer Landschaftsgestaltung,<br />

Versuche, die Natur nach dem jeweiligen<br />

Weltbild symbolisch zu gestalten, sei es<br />

nun religiös oder weltlich. So waren Leys<br />

ein Ausdruck von Totenkult in der Vorgeschichte,<br />

von Abgrenzung in der Antike,<br />

von Glauben und Gespensterfucht im Mittelalter,<br />

von fürstlicher Machtentfaltung<br />

im Barock. Und obwohl es eine Vielzahl<br />

von Leys gibt, die in geschichtlicher Zeit<br />

errichtet wurden und die daher dokumentarisch<br />

bezeugt sind, spricht keine Quelle<br />

von Erdstrahlen, geheimnisvollen Energien<br />

oder Erdakupunktur. 7<br />

Ulrich Magin ist Autor des Buches „Geheimwissenschaft<br />

Geomantie“, das 1996 in der Beck’schen Reihe,<br />

München, erschienen ist. Als Mitarbeiter von Paul<br />

Devereux hat er an verschiedenen Forschungsprojekten<br />

zum Ley-Phänomen teilgenommen und seine Recherchen<br />

im Magazin „The Ley Hunter“ veröffentlicht.<br />

G E O M A N T I E D E S H A U S E S <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999<br />

MAGIN, BAYER. SCHLÖSSERVERWALTUNG


K O L U M N E<br />

Neue Dimensionen<br />

der Wirklichkeit<br />

In der letzten Ausgabe von <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong><br />

beschrieb Marko Pogacnik seine Wahrnehmung<br />

von der Veränderung des Erdkörpers.<br />

Seit Frühjahr 1998 stellte er mehrere Wandlungen in<br />

dessen Ausstrahlung fest, die das bislang verborgene „Raum-<br />

Ursystem“ der Erde für die Menschen spürbar machen sollen.<br />

Für Pogacnik sind dies die Urkräfte der Erde, wie sie vor dem<br />

ersten Schöpfungstag bestanden – eine alles verbindende Kraft.<br />

Diesmal setzt er sich mit der Frage auseinander, wie diese Erkenntnis<br />

in unser heutiges Bewusstsein integriert werden kann.<br />

Eine weitere Gruppe von Träumen vermittelte mir die Botschaft, dass<br />

während der gegenwärtigen Phase der Erdwandlung die Kräfte des<br />

Ursystems in Erscheinung treten werden, um die Wandlung des Erdkörpers<br />

und eine Neustrukturierung des mehrdimensionalen Raumes<br />

zu ermöglichen. Sie haben sich, bildlich gesprochen, während der<br />

letzten Epoche der Erd- und Menschheitsentwicklung tief in das<br />

Erdinnere zurückgezogen, um dem Prozess der extremen Materialisierung<br />

des Erdkörpers und der Vernunftsentwicklung des Menschen<br />

Raum zu geben.<br />

In der gegenwärtigen Phase der Erdwandlung, die meiner Erfahrung<br />

nach am 29.9.1998 begonnen hat, wurde das zeitweilig „schlafende“<br />

Ursystem der Erde wiedererweckt, um sich auf eine neue Weise zu<br />

manifestieren. Ein Traum vom 24.9.1998 versuchte mir die Ursachen<br />

dieser Manifestation zu erklären. Ich sah die Menschen der Welt an<br />

verschiedenartigen Fallschirmen in der Luft schweben. Plötzlich begann<br />

sich eine besondere Schwingung über die Erde auszubreiten,<br />

die ich anhand der besonderen Wolkenformationen erkannte. Dies<br />

bewirkte, dass die Fäden all der Fallschirme ineinander verwickelt<br />

wurden, so dass die Menschen, die an ihnen hingen, zwar wider Willen,<br />

jedoch gewaltlos auf die Erde herabfielen.<br />

Das Traumbild zeigt den modernen Menschen in der Struktur seiner<br />

selbst geschaffenen, mentalen Systeme schwebend. Dies ist die sogenannte<br />

virtuelle Realität, in der wir als Zivilisation gegenwärtig<br />

funktionieren, ohne mit der Erde und dem Kosmos verbunden zu<br />

sein. Die Wiederaktivierung des geomantischen Ursystems der Erde<br />

erzeugt eine neue Schwingungsqualität, welche die Illusionsräume,<br />

in denen die Menschen zur Zeit verweilen, „enttarnen“ und damit<br />

auflösen wird. Als Folge fallen wir „gewaltlos auf die Erde herab“,<br />

d.h. wir erwachen mitten im wahren Leben.<br />

Die erste Erkenntnis über das Wesen der Kraftpunkte des Raum-Ursystems<br />

war, dass sie zwar einzeln im Gelände auftauchen, jedoch<br />

einer untereinander vernetzten Ganzheit angehören. Sie haben keine<br />

individuelle Funktion wie die Kraftzentren des vitalenergetischen<br />

Systems. Auch wenn es scheint, als habe ein Kraftpunkt des Ursystems<br />

in der Erdtiefe eine einzige Aufgabe, nämlich die Urkraft des<br />

Lebens zu konzentrieren, wirkt er zugleich bei der Ausgestaltung der<br />

Himmelssphäre. Auch hier zeigt sich der alogische und ganzheitliche<br />

Charakter des sich neu manifestierenden Urkraftsystems.<br />

Eine weitere Charakteristik dieser mir bislang unbekannten Kraftpunkte<br />

besteht darin, dass ihre Existenz durch die Wechselwirkung<br />

mit dem menschlichen Bewusstsein geprägt wird. Es scheint sogar,<br />

dass die erfolgreiche Manifestation des Ursystems davon abhängig<br />

ist, inwieweit sie durch das Bewusstsein einzelner Menschen und<br />

auch der Menschheit als Ganzes verstanden und unterstützt wird.<br />

Vor diesem Hintergrund kann ich mir erklären, warum ich in den<br />

letzten Monaten unentwegt auf meine Vorbehalte den neuen Kräften<br />

gegenüber aufmerksam gemacht wurde. Der Zeitgeist besteht<br />

darauf, dass der Mensch die Hürden beiseite räume, die ihn hindern,<br />

an der Aktivierung und Ausdehnung der neuen Kraft – die gleichzeitig<br />

auch Bewusstsein ist – teilzunehmen. Meine Intuition sagt, dass<br />

die Erde nur dann durch die Erschütterungen der bevorstehenden<br />

Wandlungen gehen kann – statt die vorausgesagten Katastrophen zu<br />

erleben – wenn die Menschheit in diesem Augenblick bereit ist, sich<br />

auf die wach werdenden Kräfte einzustimmen und eine Interaktion<br />

mit ihnen einzugehen.<br />

<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 3 | 1999 G E O M A N T I E D E S H A U S E S 47<br />

ANZEIGEN

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!