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Inhalt Ausgabe 54.indd - beim Hebelbund Lörrach

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ganz grundsätzlich ein tiefsitzendes Bedürfnis, ihre Zeitgenossen im Namen der<br />

Rettung der Welt oder anderer hehrer Dinge mit moralischen Peitschenhieben<br />

zu traktieren.<br />

Auch wenn jene dörfliche Welt, der wir in Hebels Geschichten begegnen, verglichen<br />

mit der heutigen etwas Idyllisches ausstrahlt und die damaligen Verhältnisse<br />

mit den jetzigen nur schwer zu vergleichen sind, muss man feststellen, dass Hebel<br />

nichts fremder als ein solcher Maximalismus war, der nur das Gelingen oder das<br />

Scheitern, aber kaum etwas dazwischen kennt. Anders als sein schwäbischer<br />

Zeitgenosse Hölderlin, der sich nach der Wiederkehr der antiken Götter sehnte,<br />

da ihm die Gegenwart vor allem öd und sinnentleert erschien, lässt Hebel sich<br />

schwerlich nachsagen, dass er über die Welt, so wie sie ist, klagte. Zwar lassen<br />

sich die beiden in so gut wie nichts miteinander vergleichen und Hölderlin ist<br />

auch kein Apokalyptiker, doch ein solcher Blick nach Tübingen an den Neckar<br />

hinüber kann trotzdem verdeutlichen, wie vollkommen anders bei dem einen<br />

und <strong>beim</strong> andern die Haltung zur Wirklichkeit ausfällt. Was man an Hebel zuweilen<br />

gediegen und bieder empfinden mag, hat vor allem mit diesem gütigen,<br />

freundlichen Blick auf das Leben und die Leute zu tun. Schließlich begegnen<br />

wir bei ihm auch keiner Figur wie jenem Kleistschen Michael Kohlhaas, der<br />

aus einem zum Wahn gewordenen Gerechtigkeitsdrang halbe Städte und ganze<br />

Dörfer in Schutt und Asche legt und damit zahllose Unschuldige tötet, so dass<br />

man am Ende den Eindruck gewinnt, die Welt sei tatsächlich aus den Fugen<br />

und es lasse sich da vermutlich auch nichts mehr einrenken.<br />

Als Aufklärer kann man – wie es ja häufig geschieht – Hebel in einem allerweitesten<br />

Sinne sicherlich bezeichnen, zumal das schon die Allgemeine<br />

Betrachtung über das Himmelsgebäude nahe legt. Doch an die Verbesserung<br />

des Menschengeschlechts glaubte er gewiss nicht. Und überhaupt, was heißt<br />

schon Aufklärung? Weder war Hebel ein Voltairescher Pfaffenhasser noch ein<br />

Rousseauscher Sozialromantiker und schon zweimal kein Robespierrescher<br />

Gleichheitsfanatiker. Als einen eingefleischten Rationalisten, der einzig und<br />

allein die Stimme der Vernunft gelten lässt, kann man ihn ebenfalls kaum<br />

bezeichnen, und dass die Natur nur gut ist, glaubte er sowieso nicht, und zwar<br />

sicherlich nicht nur deshalb, weil die Erbsündenlehre davon ausgeht, dass wir<br />

keineswegs nur mit edlen Anlagen geboren werden, sondern auch mit einem<br />

immensen Neid-, Eifersuchts- und Rachsuchtspotential.<br />

Hebels geselliger Ton, bei dem man stets das Gefühl hat, der Erzähler stehe<br />

auf Du und Du mit einem, verdankt sich einer Entspanntheit, die wiederum der<br />

Gewissheit geschuldet ist, dass das Leben keinen Wunschbildern entspricht. Das<br />

kann man durchaus als konservativen Zug an ihm empfinden, zumal Hebel jede<br />

Art von utopischer Überspanntheit fremd ist und man ihn gewiss nichts mit solchen<br />

Aufklärern wie jenem Marquis de Condorcet in Verbindung bringen kann,<br />

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