Umschlag 2008 final - Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Umschlag 2008 final - Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Umschlag 2008 final - Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Frank Bajohr • Hochburg des Internationalismus<br />
National-Zeitung“ bezeichnete den „l<strong>in</strong>ksstehenden CDU-Bundestagsabgeordneten“<br />
als „Vorkämpfer deutscher Verzichte“. Der „Landesverband der vertriebenen<br />
Deutschen <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> e. V.“ forderte alle Delegierten des CDU-Landesparteitages<br />
<strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> gar schriftlich auf, Blumenfeld nicht zu ihrem<br />
Vorsitzenden zu wählen, woraufh<strong>in</strong> der Justitiar des CDU-Landesverbandes den<br />
Vertriebenen rechtliche Gegenmaßnahmen androhte.<br />
In ke<strong>in</strong>em anderen Bundesland – so lassen sich diese Beobachtungen zusammenfassen<br />
– waren die Beziehungen der bürgerlichen Eliten zu den Vertriebenenorganisationen<br />
so heillos zerrüttet wie <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong>. Deren Forderungen<br />
nach e<strong>in</strong>er Revision der Nachkriegsgrenzen passten nicht zu den hamburgischen<br />
Vorstellungen e<strong>in</strong>er friedlichen und gedeihlichen Zusammenarbeit auch<br />
über die Länder- und Systemgrenzen h<strong>in</strong>weg. Auch deshalb gewannen die Vertriebenen<br />
auf die operative <strong>Hamburg</strong>er Politik kaum E<strong>in</strong>fluss. Dies h<strong>in</strong>g nicht<br />
zuletzt auch mit dem relativ ger<strong>in</strong>gen Anteil der Vertriebenen an der <strong>Hamburg</strong>er<br />
Gesamtbevölkerung zusammen, der angesichts der Zuzugssperren der Nachkriegszeit<br />
unter 10 % lag und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt<br />
blieb. Noch viel deutlicher lag der Vertriebenenanteil <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> unter dem der<br />
norddeutschen Nachbarländer Schleswig-Holste<strong>in</strong> und Niedersachsen.<br />
In den Konflikten zwischen <strong>Hamburg</strong>er Politikern und den Vertriebenenverbänden<br />
um die Ostpolitik und die Nachkriegsgrenzen spielten jedoch nicht<br />
alle<strong>in</strong> politische und wirtschaftliche Motive e<strong>in</strong>e Rolle, sondern auch Fragen der<br />
Vergangenheit bzw. der Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zur früheren<br />
nationalsozialistischen „Volksgeme<strong>in</strong>schaft“. Als ehemaliger Auschwitz-Häftl<strong>in</strong>g<br />
und „jüdischer Mischl<strong>in</strong>g 1. Grades“ verhehlte Erik Blumenfeld nicht, dass<br />
er viele Vertriebenenfunktionäre <strong>für</strong> <strong>in</strong> Wolle gefärbte Nationalsozialisten hielt.<br />
Mit deutlicher Ger<strong>in</strong>gschätzung sprach er von „enragierten Verbandsfunktionären,<br />
deren Lautstärke im umgekehrten Verhältnis zur Kraft ihrer politischen<br />
Argumente steht“. Dann fügte er h<strong>in</strong>zu: „Was bei vielen schon seit 1933 und<br />
früher der Fall war. Sie haben oder wollen diese Zeit ihrer bed<strong>in</strong>gungslosen Gefolgschaft<br />
Hitlers zwar vergessen – wir haben es nicht, und es wird hohe Zeit,<br />
die verbands- und landsmannschaftlichen Führungsorgane von diesen ‚Ehemaligen’<br />
zu säubern. Auch das wäre e<strong>in</strong> konstruktiver Beitrag zur Lösung der<br />
Oder/Neisse-Frage.“<br />
Umgekehrt nahm auch mancher Vertriebenenfunktionär subtil auf die Zugehörigkeit<br />
zur ehemaligen NS-Volksgeme<strong>in</strong>schaft Bezug: So zum Beispiel der<br />
35