download - Deutsch-Rumänische Gesellschaft
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Wilhelm Knechtels Familie und Nachkommen<br />
Nach seiner Ankunft in Bukarest 1870 fand Knechtel zunächst<br />
eine Wohnung, später erwarb er das Haus an der<br />
Strada Aesculap, (dann Strada Lueger und heute Strada<br />
Pictor Stahi,) ein stattliches Gebäude mit Obergeschoss.<br />
Das Haus wurde in der kommunistischen Ära enteignet.<br />
Der Enkeltochter Lenchen wurde im Haus ihres Großvaters<br />
ein kleines Zimmer ohne eigene Küche zugewiesen,<br />
das sie bis zu ihrem Tod bewohnte. Gegenüber dem Haus<br />
befand sich das Palais des katholischen Erzbischofs, später<br />
die päpstliche Nuntiatur. Knechtel war auch mit dem<br />
1905 zum Erzbischof ernannten Benediktinerpater Raymund<br />
Netzhammer befreundet.<br />
Wilhelm Knechtel lebte sich schnell in der Bukarester<br />
<strong>Gesellschaft</strong> ein, nicht zuletzt wegen seines Talents für<br />
Sprachen. Schnell erlernte das <strong>Rumänische</strong>; neben seiner<br />
Muttersprache <strong>Deutsch</strong> beherrschte er auch Tschechisch,<br />
Italienisch, Spanisch und Latein.<br />
Er trat verschiedenen Vereinen und <strong>Gesellschaft</strong>en bei,<br />
so der <strong>Deutsch</strong>en Liedertafel und der Numismatischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong>, deren Gründungsmitglied er war. Die rumänische<br />
Staatsbürgerschaft wurde ihm wegen juristischer<br />
Probleme erst 1893 verliehen, während der Dienstvertrag<br />
das Datum des 1. April 1870 trägt. Knechtel war<br />
nicht dem Hofstaat, sondern dem Finanzministerium zugeordnet.<br />
Sein Wirken als Chef der öffentlichen Gärten<br />
und Parks verbunden mit seinen profunden botanischen<br />
Kenntnissen brachte ihm die Berufung als Dozent an die<br />
landwirtschaftliche Hochschule in Herăstrău ein. In Anerkennung<br />
seiner Lehrtätigkeit und seiner Forschungen<br />
auf dem Gebiet der Insektenkunde wurde er 1909 zum<br />
Professor ernannt.<br />
1881 heiratete Knechtel die 25 Jahre jüngere Helene<br />
Diercke, die aus Brandenburg stammte. Die Trauung erfolgte<br />
in der evangelischen Kirche in Bukarest. Die Kinder<br />
wurden ebenfalls evangelisch getauft, obwohl er katholisch<br />
blieb. Der Ehe entsprossen fünf Kinder, von<br />
denen zwei früh starben.<br />
Tochter Emmy heiratete den kroatischen Zahnarzt Dr.<br />
Teodor Marovici. Die einzige Tochter der beiden, Helene<br />
Marovici, „Lenchen“ gerufen, lebte weiter in Bukarest<br />
und arbeitete als Redakteurin einer deutschsprachigen<br />
Zeitung; sie verstarb dort 1992.<br />
Knechtels Tochter Olga heiratete einen ungarischen Offizier,<br />
mit dem sie ebenfalls als einziges Kind eine Tochter<br />
hatte. Diese Tochter namens Nora wurde in Neusohl (slowakisch:<br />
Baňská Bystrica, ungarisch: Besztercebánya)<br />
geboren, das damals „Oberungarn“ war und jetzt in der<br />
Slowakischen Republik liegt. Sie lebte in Fünfkirchen/<br />
Pécs und später in Budapest, wo sie 1994 verstarb.<br />
Drittes Kind von Knechtel und seiner Frau Helene war<br />
Wilhelm Carol. Wie sein Vater war er Botaniker. Er<br />
studierte an der landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim<br />
bei Stuttgart, in Berlin sowie in Montpellier.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt er eine Berufung an<br />
die Universität Kischinew/Chişinău in Bessarabien, das<br />
wieder zu Rumänien gehörte, heute Hauptstadt der Republik<br />
Moldau. Dort heiratete er die Rumänin Mathilde<br />
Broşteanu. Der Ehe entstammte Sohn Ekkehard Knechtel,<br />
der als Leutnant der rumänischen Gebirgsjäger bei<br />
den Kämpfen gegen die vordringende Sowjetarmee verwundet<br />
wurde und 1944 in Tulcea im Donaudelta in einem<br />
Lazarett verstarb. Nach dem Krieg zog sich Wilhelm<br />
Carol Knechtel mit seiner Frau in die Berge nach<br />
Sinaia zurück und setzte seine Forschungstätigkeit fort.<br />
Sie brachte ihm Weltruhm ein. Er wurde 1955 als achtes<br />
Mitglied in die bis heute bestehende <strong>Rumänische</strong> Akademie<br />
berufen und wird auch im Verzeichnis der lebenden<br />
und verstorbenen Mitglieder aufgeführt, wie ein Blick ins<br />
Internet (http://www.acad.ro/bdar/armembri.php) zeigt.<br />
Noch vor seinem Tod im Jahre 1967 wurde er für seine<br />
grundlegenden Forschungen zur Schädlingsbekämpfung<br />
mit staatlichen Orden und Medaillen ausgezeichnet.<br />
Knechtel ging 1914 im hohen Alter von 77 Jahren in<br />
Pension, nach 44-jähriger ununterbrochener Tätigkeit<br />
als Gartendirektor. Er erfreute sich guter Gesundheit und<br />
war geistig aktiv, wovon nicht nur seine im Alter von 86<br />
Jahren verfassten Aufzeichnungen über sein Wirken in<br />
Rumänien zeugen, sondern auch seine Schilderung eines<br />
unfreiwilligen Aufenthalts in Ungarn 1918/19, die mit<br />
klarer Hand in ein Notizbuch eingetragen ist.<br />
Am 22. Oktober 1924 verstarb Wilhelm Knechtel im Alter<br />
von 87 Jahren. Die Beerdigung auf dem evangelischen<br />
Friedhof in Bukarest nahm ein katholischer Geistlicher<br />
vor. An seinem Grabe wurden seine Leistungen in<br />
zahlreichen Nachrufen gewürdigt. Hervor gehoben wurde,<br />
dass er als „<strong>Deutsch</strong>böhme“ sein langes Leben jenem<br />
Land widmete, in dem zu leben ihm beschieden war. Er<br />
sei ein vorbildlicher Fürstendiener im besten Sinne des<br />
Wortes gewesen.<br />
Von Erhard Knechtel, ein Großneffe von Wilhelm Knechtel,<br />
ist zuletzt erschienen „Wilhelm Knechtel – Von Nordböhmen<br />
über Mexiko nach Rumänien. Vom Gärtnerlehrling<br />
zum königlichen Gartendirektor in Bukarest“.<br />
Familiengrab Diercke-Knechtel auf dem evangelischen Friedhof<br />
in Bukarest. Auf den Tafeln sind die Namen von Wilhelm,<br />
seiner Frau Helene Knechtel und den fünf Kindern aufgeführt<br />
sowie der Name der zweiten Frau von Knechtels Schwiegervater<br />
(nachdem dessen erste Frau verstorben war) Josephine<br />
Diercke, geb. Kaletzky. Foto: Archiv Erhard Knechtel<br />
DRH 1/2012 | 11