Kein Anfang und kein Ende eines Donau-Abenteuers Alles fließt … Von Claudiu Zippel Einen besonderen Urlaub erlebt zu haben, das bedeutet für viele Menschen gemütliche Erholung und südländisches dolce far niente, atemberaubende Landschaften mit sonnigen Stränden und majestätischen Berggipfeln, eben das, was ein Minimum an Anstrengung verlangt und ein Höchstmaß an Komfort verspricht. Anders jedoch stehen die Dinge für den 35-jährigen Autor Thomas Bauer, dessen 30-tägige Kajak-Expedition auf der Donau zwischen Donauwörth und Silistra an der bulgarisch-rumänischen Grenze alles anderes als gemütlich verlaufen war. Der Frage nach dem Sinn seiner ungewöhnlichen Urlaubsreise wird Bauer, studierter Diplom-Verwaltungswissenschaftler, während seines wagemutigen Unternehmens mehrfach begegnen. Die Menschen, die er trifft, fragen zwar nicht danach, aber er kann das Erstaunen in ihren Augen lesen. Er selbst stellt sich diese Frage ehrlicherweise gleich zu Beginn seines Abenteuers und so steht sie gleich am Anfang seines Buches. Es ist der anfangs geäußerte schlichte und etwas naive Wunsch, einfach etwas Großes leisten zu wollen. Die Voraussetzungen für seine Wasser-Reise sind insofern nicht optimal, als der ehemalige Greenpeace-Mitarbeiter und Journalist Bauer sich eher an Land, in seiner Wahlheimatstadt München, in seinem Element fühlt als auf dem Wasser. Das aquatische Ambiente lernt er aber trotz täglicher Strapazen und manch heftiger Wetterkapriolen im Verlaufe seines Urlaubs lieben. Auch die Geheimnisse und Heimtücken des Kajak-Fahrens, die man in keinem Crashkurs vermittelt bekommt, entdeckt er nach und nach bei wiederholtem Kräftemessen mit den Naturgewalten. Bauer beginnt seine Donaureise in einem auf dem Namen „PB Sulina“ getauften Paddelboot in deutschen Gewässern, bei Donauwörth, dort wo die Donau für einen drei Meter langen Kajak sich als durchaus befahrbarer Fluss zeigt. Sie sollte, so sein Plan, am Donau-Kilometer Null bei Sulina, in rumänischen Gewässern beendet werden. Doch die 30 Urlaubstage waren bereits bei Silistra in Bulgarien vorüber und der mittlerweile erfahrene Kajakfahrer musste eines der aufregendsten Wassergebiete Europas, das rumänische Donaugebiet mit dem unter Naturschutz gestellten Donaudelta, einem späteren Reiseprojekt überlassen. Der Leser erfährt viel über die Gefahren, die ein derartiges Unternehmen mit sich bringt, und im Verlauf der Geschichte dieser Donaureise schleichen sich melancholische und nachdenkliche Töne ein. Tagsüber kämpft Bauer einsam in seinem Kajak gegen heimtückische Wasserströmungen und brausende Gewitter, gegen Muskelkater oder Mücken, gegen Wind oder Betonschleusen. Aber er bleibt aufgeschlossen für die landschaftlichen 38 | DRH 1/2012 Besonderheiten, die er dem Leser wiederholt mit einem poetischen Unterton schildert. Seine Beschreibungen lassen einen aufmerksamen Beobachter und eine stilsichere Feder erkennen. In den acht Ländern, die er mit seinem Kajak überquert, verweilt Thomas Bauer in Großstädten wie Regensburg, Wien, Bratislava, Budapest oder Belgrad, was ihm jedesmal eine willkommene Gelegenheit für kleine historische Exkurse bietet. Aber auch eine kleine Insel oder eine kaum bewohnte Ufergegend dienen ihm nach den Strapazen des Tages im Kajak als Rastplatz. Am Abend findet er immer wieder einen ruhigen Augenblick, um seine Gedanken aufzuschreiben, und um mit der Kamera eine gerade gesichtete Sehenswürdigkeit festzuhalten. Bauer scheint eine jener unruhigen und neugierigen Naturen zu sein, die auf der Suche nach Neuem und Außergewöhnlichem keine Mühe scheuen und alle Strapazen in Kauf nehmen. Ihm gelingt es trotz Gefahren und Hindernissen, die ihm manchmal den Weiterweg sperren, die Freude an den einfachen Dingen des Lebens, die er unterwegs entdeckt, spannend und unterhaltsam dem Leser zu vermitteln. Dabei geht es ihm nicht unbedingt darum, unentdeckt gebliebene Landschaften aufzusuchen oder Rekorde zu brechen. Vielmehr scheint er ein Reisender zu sein, der sich instinktiv auf eine viel tiefer reichende Suche begibt, jene nach den geheimnisvollen Verbindungsfäden zwischen der menschlichen Seele und ihrer Umwelt. Die abenteuerliche Donaureise endet zwar nicht wie geplant im Donaudelta. Wer aber für eine Weile dem ewig fließenden Kreis des Lebens so nahe gestanden hat wie Thomas Bauer, der davon in seinem gleichermaßen spannenden und poetischen, unterhaltsamen und tiefsinnigen Buch berichtet, der stimmt auch seiner abschließenden Erkenntnis bedingungslos und anerkennend zu: „In Wahrheit war nichts zu Ende gegangen, und nichts Neues hatte begonnen.“ Thomas Bauer: Ostwärts. Zweitausend Kilometer Donau. Mit dem Paddelboot zum Schwarzen Meer. Wiesenburg Verlag, Schweinfurt 2011, 196 Seiten, 18,90 €.
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