download - Deutsch-Rumänische Gesellschaft
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Von der Blütezeit zum Niedergang der jüdischen Gemeinde in Klausenburg<br />
Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Siebenbürgen<br />
Von Mariana Hausleitner<br />
Der kleine Gabriele Schäfer Verlag brachte die Übersetzung<br />
dieses Buches heraus, dessen umfangreichere ungarische<br />
Ausgabe bereits zweimal erschien. Der aus Klausenburg/Cluj/Kolosvár<br />
stammende Autor Dániel Lőwy<br />
erwähnt kurz, dass er als Kind der Vernichtung entkam,<br />
weil er 1944 in die Schweiz ausreisen konnte. Mit viel<br />
Mühe hat er 76 Überlebende aus Klausenburg ausfindig<br />
gemacht, die in Rumänien, Ungarn, <strong>Deutsch</strong>land,<br />
den USA, Israel, Schweden und in anderen Staaten leben.<br />
Durch Zitate aus ihren Schilderungen bekommt man<br />
Einblick, was Menschen fühlten und dachten, als sie aus<br />
ihrem Leben plötzlich herausgerissen wurden.<br />
Im ersten Drittel referiert Lőwy die Ergebnisse seiner<br />
langjährigen Recherchen zur Geschichte der jüdischen<br />
Gemeinde von Klausenburg seit dem 18. Jahrhundert.<br />
Neben der orthodoxen Gemeinde entwickelte sich seit<br />
1868 die neologe Strömung, welche die Ausübung der<br />
Religionsgesetze modernisierte. Sehr viele Juden strebten<br />
die Akkulturation an und schickten ihre Kinder in ungarische<br />
Schulen. Viele Söhne aus der Ober- und Mittelschicht<br />
konnten studieren. An der Franz-Josef-Universität<br />
lehrten zwanzig jüdische Professoren. Die Juden begründeten<br />
sehr viele Handels- und Industrieunternehmen in<br />
Klausenburg. Die Wohlhabenden spendeten Geld für jüdische<br />
Wohltätigkeitsverbände und Sportvereine. Aufgrund<br />
ihrer großen Steuerbeiträge gelangten einige Juden<br />
seit den 1880er Jahren in die Führungsgremien der<br />
Stadt. Durch ihre jüdische Herkunft und ungarische Muttersprache<br />
war ihr sozialer Aufstieg aber nach 1918, nach<br />
dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien behindert.<br />
Von staatlicher Seite wurden die Klausenburger Juden vor<br />
allem verfolgt, als Nordsiebenbürgen nach dem Zweiten<br />
Wiener Schiedsspruch 1940 wieder zu Ungarn kam. Dort<br />
waren Juden bereits seit 1938 durch Sondergesetze diskriminiert<br />
und aus vielen Tätigkeitsbereichen hinausgedrängt.<br />
Seit 1941 mussten junge Männer zum Arbeitsdienst.<br />
Viele kamen an der Ostfront um oder gerieten in<br />
sowjetische Kriegsgefangenschaft.<br />
Das furchtbarste Kapitel begann, als am 27. März 1944<br />
eine deutsche Einheit nach Klausenburg kam. Sie veranlasste<br />
die sofortige Verhaftung von 150 angesehenen Juden,<br />
aus deren Reihen der Judenrat gebildet wurde. Er<br />
musste Befehle bekannt geben und die Namen von Juden<br />
zusammenstellen, bei denen Wertgegenstände gefunden<br />
werden konnten. Um die genaue Anzahl der Juden festzustellen,<br />
wurden am 14. April Listen für jüdische Lebensmittelkarten<br />
ausgelegt, in die sich alle nichts ahnend eintrugen.<br />
Am 2. Mai besprach der Bürgermeister mit dem<br />
Polizeichef, dem Kommandeur der Gendarmerie und<br />
150 Leuten vom Ortsvorstand die Zusammentreibung aller<br />
Juden und ihre Ausplünderung. Auf dem Gelände einer<br />
Ziegelfabrik wurden über 16.000 Klausenburger Juden<br />
vor ihrer Verschickung nach Auschwitz konzentriert.<br />
Dorthin brachte man auch 2.300 Juden aus dem Komitat<br />
Kolozs. Lőwy befragte die Überlebenden, warum nur<br />
so wenige versuchten, über die nahe gelegene Grenze in<br />
das rumänische Südsiebenbürgen zu fliehen, wo viele<br />
Verwandte hatten. Sie erzählten, der Judenrat habe verbreitet,<br />
sie würden in Lager in Transdanubien gebracht,<br />
um dort landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Auf<br />
Flucht stand jedoch die Todesstrafe.<br />
Das letzte Drittel des Buches ist dem Verhalten der Mitglieder<br />
des Judenrates gewidmet, die für sich und ihre<br />
Angehörigen das Überleben organisierten, während die<br />
anderen Gemeindemitglieder deportiert wurden. Lőwy<br />
referiert wie der neologe Rabbiner Mózes Weinberger<br />
(später Carmilly-Weinberger) vor der Flucht warnte, sich<br />
aber am Abend vor der Ghettoisierung mit seiner Frau<br />
in Richtung Rumänien absetzte. Als er später in Israel<br />
deswegen kritisiert wurde, behauptete er, dass er Rettung<br />
von außen organisieren wollte. Ein wirkungsvolles Netz<br />
für untergetauchte Juden baute aber nur der ebenfalls geflüchtete<br />
Ernö Marton von Bukarest aus auf. Marton erhielt<br />
Unterstützung von Aurel Socol, dem rumänischen<br />
Konsul aus Klausenburg. Lőwy skizziert auch die Rettungsaktion<br />
des Klausenburger Anwaltes Rezsö Kasztner<br />
(Rudolf Kastner). Nach zähen Verhandlungen mit den<br />
<strong>Deutsch</strong>en und der Übergabe eines großen Geldbetrages<br />
erreichte er, dass 1944 eine Gruppe von 1.684 Juden in<br />
die Schweiz ausreisen konnte. Die meisten stammten aus<br />
Budapest, aber es waren auch 388 Klausenburger dabei.<br />
Der prominenteste war Kasztners Schwiegervater Jószef<br />
Fischer, der Präsident des Jüdischen Nationalverbandes<br />
und ehemalige Abgeordnete im rumänischen Parlament.<br />
Zu den Privilegierten gehörten wohlhabende Juden, Rabbiner<br />
und Intellektuelle mit ihren Familien.<br />
Abschließend stellt Lőwy kurz die Lage der Klausenburger<br />
Juden nach 1945 dar. Bis 1947 stieg ihre Zahl langsam<br />
wieder auf 6.500, wobei viele aus anderen Gebieten<br />
Rumäniens kamen.<br />
Dániel Lőwy: Von der Ziegelfabrik bis zum Viehwaggon.<br />
Der Untergang einer jüdischen Gemeinde im siebenbürgischen<br />
Klausenburg. Aus dem Ungarischen<br />
von Tibor Schäfer. Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2011<br />
(= Studien zur Geschichte Ost- und Ostmitteleuropas,<br />
10), 392 Seiten, 33,90 €.<br />
DRH 1/2012 | 33