27.02.2013 Aufrufe

Praxisbeispiele – GBM Wohnen - Diakonie Dresden

Praxisbeispiele – GBM Wohnen - Diakonie Dresden

Praxisbeispiele – GBM Wohnen - Diakonie Dresden

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Liebe Anwender, liebe Gäste,<br />

<strong>Praxisbeispiele</strong> stehen in der Gefahr, schnell langweilig zu werden. Jeder von uns<br />

hat gelernt, mit der Vielschichtigkeit des <strong>GBM</strong> auf seine Weise und den<br />

spezifischen Gegebenheiten seiner Einrichtung entsprechend umzugehen und in<br />

einer guten Weise angepasste Lösungen gefunden. Deshalb möchte ich meinen<br />

Beitrag zum Einstieg des heutigen Tages thematisch etwas erweitern und in aller<br />

Kürze versuchen einen Bogen zu schlagen, der mit Blick auf die folgenden<br />

Referate die Entwicklung des <strong>GBM</strong> in unserer Einrichtung mit den sächsischen<br />

Rahmenbedingungen und nicht zuletzt der Geschichte unserer Anwendertreffen<br />

verbindet.<br />

Falls jemand an mir den typisch sächsischen Dialekt vermisst: Das Martinshof<br />

Rothenburg <strong>Diakonie</strong>werk liegt etwa 120 km östlich von <strong>Dresden</strong>, direkt an der<br />

deutsch <strong>–</strong> polnischen Grenze. Den Ausführungen Herrn Stoltes vom gestrigen Tag<br />

zufolge also direkt am Fuße des Urals. Unsere Region hat eine bewegte<br />

Geschichte und nicht wenige Geschichtsversierte meinen, dass es ihr immer dann<br />

schlecht ging, wenn sie der sächsischen Verwaltung unterstand. Legt man die<br />

durchschnittlichen Vergütungssätze für die sächsischen Einrichtungen zu Grunde,<br />

findet sich diese Einschätzung bestätigt. Eine vergleichende Studie von 2006 <strong>–</strong><br />

aktuellere Zahlen ließen sich leider nicht recherchieren <strong>–</strong> sieht Sachsen bei den<br />

durchschnittlichen Entgeltsätzen als Schlusslicht. Aber trotz bescheidener<br />

Voraussetzungen wird in unserer Einrichtung hervorragende Arbeit geleistet. Aus<br />

meiner Sicht hat das unmittelbar mit dem <strong>GBM</strong> als fachlicher Grundlage zu tun.<br />

Und wer weiß, vielleicht ist der heutige Tag ja der Beginn einer wunderbaren<br />

Freundschaft. Herr Egloff vom Amt für Soziale Sicherheit des Kantons Solothurn<br />

in der Schweiz hat uns im vergangenen Jahr bei der Stiftung Scheuern in Nassau<br />

an der Lahn ja sehr lebendig vermittelt, wie eine zukunftsweisende


Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen und Einrichtungen aussehen kann. Nun,<br />

in Sachsen haben wir da noch ein Stück Weg vor uns.<br />

Erlauben Sie mir, dass ich mit meiner Darstellung im Jahr 1990 beginne, dem<br />

Jahr, als sich hier in diesem Festsaal der sächsische Landtag konstituierte und in<br />

der Folge die Rahmenbedingungen sächsischer Sozialpolitik entwickelte. Zu<br />

dieser Zeit bestand der Wohnstandard in dem Haus, in dem ich damals arbeitete<br />

aus 7 <strong>–</strong> Mann <strong>–</strong> Zimmern, in denen außer den Betten nur noch je ein Hocker zum<br />

Ablegen der Kleidung stand <strong>–</strong> der alte Wilhelmshof; Hr. Schnabel, vielleicht<br />

erinnern Sie sich noch daran. Vergleichbar sah es vielerorts aus. In den neunziger<br />

Jahren stellte das Staatsministerium daher viel Geld für die stationäre<br />

Behindertenhilfe zur Verfügung, um die Wohnbedingungen der<br />

Heimmindestbauverordnung gerecht zu machen. Manche Bauvorgaben waren<br />

dabei allerdings wenig zukunftsträchtig. Eine geplante 48-ger Wohnstätte musste<br />

auf 60 Plätze aufgestockt werden und noch 2002 eröffneten wir ein Haus mit<br />

mehrheitlich Doppelzimmerplätzen. Nun, es ist bekannt dass in den 90ger Jahren<br />

nicht wenige Westbeamte der 3., 4. und 5. Garnitur ihr Unterkommen in<br />

ostdeutschen Verwaltungen fanden <strong>–</strong> betrachten wir es als unseren Beitrag zum<br />

Solidarpakt.<br />

Ich erwähne die Ausgangssituation aus zwei Gründen:<br />

Zum einen diskutierte die Fachwelt zu diesem Zeitpunkt bereits über<br />

Deinstitutionalisierung und Ambulantisierung. Doch nach Abschluss dieses<br />

gewaltigen, auf stationäre Betreuung ausgerichteten Bauprogramms setzte das<br />

Land Sachsen seine Prioritäten in der Folge in anderen Bereichen. Für eine<br />

Anschubfinanzierung Ambulanter Dienste wie in anderen Bundesländern stand<br />

vergleichsweise wenig Geld zur Verfügung.


Zum anderen hatten unsere Mitarbeitenden in den Neunzigern im wahrsten<br />

Sinne des Wortes schlichtweg an mehreren Baustellen zu arbeiten <strong>–</strong> <strong>GBM</strong> war<br />

eben nur eine unter vielen.<br />

In der 2. Hälfte der 90-ger Jahre hatte auch in Sachsen die Auseinandersetzung<br />

mit dem <strong>GBM</strong>-Verfahren begonnen. Das Diakonische Amt Radebeul richtete dazu<br />

damals eine Koordinierungsstelle ein, die es insbesondere den kleineren<br />

Einrichtungen ermöglichen sollte, gemeinsam am Verfahren zu partizipieren.<br />

Daraus erwuchs das damals 3. Anwendertreffen in Kleinwachau, dem heutigen<br />

Sächsisches Epilepsiezentrum Radeberg. Wir hören nachher Herrn Mittmann als<br />

Vertreter dieser Einrichtung. Wer noch einmal nachlesen möchte, mit welchen<br />

Fragen wir uns damals beschäftigten, ich habe hier den alten Tagungsreader.<br />

Noch deutlich steht mir vor Augen, wie Prof. Haisch seinerzeit von Manfred<br />

Ramoth (Manfred, wo bist du heute Morgen?) nach der Veröffentlichung seines<br />

Buches gefragt wurde. … Ihre Reaktion zeigt, dass manches nicht an Aktualität<br />

verliert.<br />

Aus Gründen, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte, hatte das<br />

Koordinierungsprojekt keinen langen Bestand. Unsere Einrichtung wurde<br />

freundlich in der Brandenburger Regionalgruppe <strong>–</strong> stellvertretend nenne ich<br />

Marianne Kowoll und Heike Buzek <strong>–</strong> aufgenommen. Seit etwa 2 Jahren gibt es<br />

eine gemeinsame Regionalgruppe Ost mit mehreren kernsächsischen<br />

Einrichtungen. Und zu einem Teil ist das diesjährige Anwendertreffen auch Frucht<br />

dieser Regionalgruppenarbeit.<br />

Aber zurück: Damals lernten wir zunächst einmal den FIL zu verstehen und<br />

erhoben einen FOB <strong>–</strong> ernüchternd angesichts der hinterlegten Vergleichssätze;<br />

wer es selbst einmal gemacht hat, weiß was ich meine. Aber bereits damals<br />

konnte das <strong>GBM</strong> etwas leisten, was heute aktueller denn je durch die UN <strong>–</strong>


Behindertenrechtskonvention von uns gefordert wird: personenzentrierte<br />

Hilfeplanung einschließlich der Bemessung der erforderlichen Ressourcen.<br />

Die Fehler und Erfahrungen in unserer Einrichtung sind sicher vergleichbar mit<br />

denen vieler Anderer; frustrierend und ernüchternd damals, im Rückblick aber<br />

eher eine unbeschwerte Zeit. 2004 trafen wir uns in Brandenburg zum vorerst<br />

letzten Anwendertreffen in Ostdeutschland. Klaus Ehrmann eröffnete die Tagung<br />

mit den Worten: „Die Familie ist wieder zusammengekommen“, und beschrieb<br />

damit meines Erachtens treffend den Geist unserer damaligen Treffen. Zu diesem<br />

Anwendertreffen konnte ich auch den Sozialdienst unserer Werkstätten<br />

gewinnen; auf Grund des ausgeprägten pädagogischen Anspruchs konnte sich die<br />

WfbM in der Folge aber nicht zu einer Einführung durchringen. Dafür entstanden<br />

in den folgenden Jahren andere Anwendungsmöglichkeiten, dazu komme ich<br />

gleich.<br />

2005 trafen wir uns in Schwäbisch Hall. Inzwischen verdunkelten Metzler <strong>–</strong><br />

Wolken die heitere <strong>GBM</strong> <strong>–</strong> Landschaft. Warum diese Art der<br />

Hilfebedarfsbemessung nicht zukunftsträchtig ist, muss ich in diesem Gremium<br />

nicht erläutern. Prof. Haisch hat damals einen Konvertierungsmodus entwickelt<br />

und uns vorgestellt. Das Zauberwort hieß Äquiperzeptilverfahren; der Begriff ist<br />

mir noch gegenwärtig, inhaltlich kann ich es nicht mehr nachvollziehen. Werner<br />

Nauerth hat später eine Konvertierung für uns Normalsterbliche entwickelt.<br />

Sachsen hat erst 2009 im größeren Stil mit der Umstellung nach HMB-W<br />

begonnen; unter der besonderen Maßgabe, dass budgetneutrale Umstellung sich<br />

nicht auf die Einrichtung, sondern auf das Gesamtbudget des Kommunalen<br />

Sozialverbandes bezieht. Indessen arbeiten die ersten Bundesländer angesichts<br />

der unbehebbaren Mängel wieder an der Abschaffung von Metzler. Die<br />

sächsische <strong>Diakonie</strong> hat lange Widerstand geleistet, stand aber zunehmend<br />

isoliert da und die Reihen begannen zu bröckeln.


Immerhin ist es uns gelungen, mit den technischen Möglichkeiten des<br />

Behindertenhilfeassistenten den Aufwand der Umstellung abzufedern. Nun leben<br />

wir wie viele Andere auch im Spannungsfeld zwischen Metzler <strong>–</strong> Erhebung und<br />

<strong>GBM</strong> - Verfahren, Fr. Kern von <strong>Diakonie</strong>sozialwerk Lausitz wird zu diesem Thema<br />

heute einen Workshop anbieten.<br />

Den Behindertenhilfeassistenten als technisches Instrument zur Umsetzung des<br />

<strong>GBM</strong> <strong>–</strong> Verfahrens habe ich eben bereits erwähnt. Unsere Einrichtung arbeitet<br />

seit gut 8 Jahren mit der Software und bei allen Schwierigkeiten und<br />

Verbesserungspotentialen ist es m.E. an der Zeit, dem Team der Systema (ich<br />

sehe da hinten Herrn von Tomkewitsch) einmal für die geleistete Arbeit zu<br />

danken. Auch durch die Innovation des BA<br />

arbeiten unsere Tagesstätten heute mit einem eigenen FIL,<br />

dokumentieren die Ambulanten Dienste ihre Leistungserbringung, auch<br />

wenn sie angesichts der Vorgaben des Kommunalen Sozialverbandes den<br />

Hilfebedarf nicht auf der Grundlage des Modells der Lebensformen erheben,<br />

evaluiert unsere Wohnpflegeeinrichtung nach SGB XI die Zielverwirklichung<br />

ihrer heilpädagogischen Arbeit<br />

und führt der Intensivpädagogische Bereich systematisch seine<br />

Aufzeichnungen zu Besonderem Betreuungsbedarf und Krisenintervention.<br />

Freilich stößt das Programm damit nicht selten an seine Grenzen und gern hätten<br />

wir Ihnen heute die Umstellung auf das neue Programm P&D vorgestellt. Aber<br />

das Controlling unseres Trägers hat festgestellt, dass das nicht erforderlich ist.<br />

Damit ist belegt, dass das Modell der Arbeitsweise sozialer Organisationen als<br />

Bestandteil des <strong>GBM</strong> nicht an Aktualität verloren hat.<br />

Dennoch spielen Struktur- und Teammodell sowie das Modul zum Persönlichen<br />

Stil bei der täglichen Arbeitsgestaltung in unserer Einrichtung weniger eine Rolle.


Vorrangig nutzen wir das Modell der Lebensformen, um Betreuungsplanungen,<br />

zukünftig vielleicht besser Teilhabeplanungen zu erstellen. Wohnstätten,<br />

Tagestätten bzw. WfbM treffen sich turnusmäßig, nach Möglichkeit mit dem<br />

betroffenen Menschen und der gesetzlichen Betreuung zu Fachgesprächen, um<br />

Leistungen abzugleichen und weiterzuentwickeln.<br />

Das Gesamtplanverfahren ist in Sachsen längst nicht so weit entwickelt. Die<br />

derzeit meines Erachtens eher formal proklamierte Selbstbestimmung lässt sich<br />

durchaus auch als Zementierung der Unkenntnis bei Privatfernsehen und<br />

Fertigpizza verstehen, aller Ambulantisierung zum Trotz oder auch gerade<br />

deswegen.<br />

Unser Hilfeplanungsverfahren misst sich an den Wünschen und Bedürfnissen der<br />

Betroffenen; nicht als Selbstzweck, sondern als Medium neuer Erfahrungen,<br />

lebenslangen Lernens und persönlicher Reife. Insofern kann es nicht befriedigen,<br />

die Lebenssituation von Menschen in Leistungstypen und Hilfebedarfsgruppen zu<br />

verwalten. Wir haben den Anspruch, das Konzept und das Know-how,<br />

Lebensqualität zu gestalten. Das ist mehr.<br />

Was die Zukunft des <strong>GBM</strong> in unserer Einrichtung betrifft: Seit 2010 ist unser<br />

Fachbereich nach ISO 9001 zertifiziert. Das <strong>GBM</strong> ist seitdem als fachliche<br />

Grundlage des Prozessmanagements festgeschrieben. Wir kommen also nicht<br />

davon los - in Freud und Leid.<br />

Lieber Klaus, wenn ich es ordentlich als Zitat kennzeichne, lass mich deinen<br />

Ausspruch noch einmal verwenden: Die Familie ist wieder zusammengekommen.<br />

Schön, dass dieses Mal so viele Martinshöfer dabei sind.<br />

Euch ein großes Dankeschön für das gemeinsame Ringen und Reiben in all den<br />

Jahren und allen hier jetzt vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!