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036 Storys<br />
Songtitel<br />
Der längste bisher veröffentlichte<br />
Songtitel, der Sufjans<br />
ästhetische Megalomanie unterstreicht,<br />
stammt vom Album<br />
»Illinois« und heißt: »The Black<br />
Hawk War, Or, How To Demolish An<br />
Entire Civilization And Still<br />
Feel Good About Yourself In The<br />
Morning, Or, We Apologize For The<br />
Inconvenience But You’re Going To<br />
Have To Leave Now, Or, ›I Have<br />
Fought The Big Knives And Will<br />
Continue To Fight Them Until They<br />
Are Off Our Lands!‹«. Ende.<br />
Mit so viel Detailreichtum, Ideen und Songs (allein<br />
die Sessions zu »Illinois« warfen 2006 ein komplettes<br />
Outtakes-Album ab) konnten die 50 nie voll werden.<br />
Sogar die Songtitel wurden gigantomanisch. Sufjan<br />
Stevens verlor das Interesse.<br />
Eine Liebe zur Musik, eine Liebe<br />
zu den Texten<br />
Die Veröffentlichungspause, die – den sinfonisch<br />
angelegten Instrumental-Soundtrack zu seinem Film<br />
»The BQE« mal ausgenommen – bis jetzt andauerte,<br />
hat ihre Gründe. Aber nicht, wie vielfach zu lesen war,<br />
in einer klassischen Schreibblockade. Sufjan schrieb<br />
und produzierte vier Jahre lang wie besessen neue<br />
Songs fertig – einige wenige erschienen jetzt als »All<br />
Delighted People«-EP –, er wusste sie nur partout nicht<br />
zu bündeln. »Ich wollte damals einfach nur Songs<br />
schreiben. Über Liebe, Krieg, Gefühle – worüber jeder<br />
schreibt. Doch ich fühlte mich nach dem Wechseln<br />
meiner Schreibstrategie plötzlich unangenehm un-<br />
»Die Massen mit<br />
meiner Musik<br />
anzuziehen wäre für<br />
mich ein Desaster.«<br />
Sufjan Stevens<br />
beschränkt, formlos. Ich sah keine Deadlines, keine<br />
Ziele mehr.«<br />
Das Hauptproblem für Sufjan: Das Texten ist ihm<br />
seit jeher wertvoller als das Komponieren. Musik sei<br />
beruflich nur »eine Art Plan B« gewesen, der besser<br />
funktioniert habe, sagt er allen Ernstes. Schon einmal,<br />
nach seinem Debüt »A Sun Came«, hatte er mit der<br />
Musik ganz aufgehört. War von Michigan nach New<br />
York gezogen und hatte Schreibkurse belegt, um Autor<br />
zu werden: »Damals erschien mir Prosa gegenüber<br />
der Musik als die viel überlegenere, anspruchsvollere<br />
Kunstform. Musik war für mich wegen der einfachen<br />
Möglichkeiten, sein Gegenüber emotional zu manipulieren,<br />
viel wertloser. Ein Teil von mir glaubt, dass<br />
nicht beides zur gleichen Zeit geht. Denn Schreiben<br />
fordert Isolation, und Musik ist eine sehr gesellige<br />
Angelegenheit. Die beiden Welten passen einfach<br />
nicht zusammen.«<br />
Immer weiter durcharrangieren<br />
Ende 2010 biegt Sufjan Stevens mit »The Age Of Adz«<br />
um die nächste Ecke. Inspiriert von »The BQE«, besinnt<br />
er sich auf ambitioniertere Strukturen und auf<br />
seine neu entdeckte Liebe: Synthesizer. Schon 2001<br />
hatte er mit »Enjoy Your Rabbit« ein elektronisches,<br />
wenn auch wenig überzeugendes Album über die<br />
chinesischen Tierkreiszeichen veröffentlicht. »The<br />
Age Of Adz« ist hingegen – entgegen zahlreichen<br />
Pressemeldungen und trotz Sufjans Problem, ohne<br />
Konzept ein Ziel vor Augen sehen zu können – kein<br />
Konzeptalbum geworden. Das Werk spielt nur ästhetisch<br />
mit den Arbeiten des Künstlers Royal Robertson.<br />
Die Texte handeln unverblümt von Sufjan selbst.<br />
»Das ist ein sehr primitives Album in Bezug auf<br />
den Inhalt. Ich wollte die Dinge impulsiv und explizit<br />
verhandeln. Meine alten Texte waren wegen ihres<br />
Überbaus oft sehr restriktiv. Ich musste mich dort<br />
inszenieren, als sei ich jemand anders«, bedauert<br />
Sufjan. »Das war ein weiterer Grund für<br />
die Abkehr von den Staaten – ich hatte<br />
das Gefühl, mich selbst zu kompromittieren.<br />
Ich habe mich für diese<br />
Musik selbst aufgegeben. Jetzt fühle<br />
ich mich sicherer, wo ich so explizit<br />
bin. Und ich bin nicht so verschüchtert,<br />
weil ich auch ein bisschen das<br />
Gefühl habe, mir das Recht, so direkt<br />
zu sein, verdient zu haben.«<br />
Stilistisch ist das Album, das mit Loops,<br />
Stimmeffekten und sogar Autotune (besser<br />
bekannt als »Cher-Effekt«) daherkommt, eine<br />
klare Absage an den Folk vergangener Jahre, auch<br />
wenn hinter jedem Track immer ein Song lauert. Im<br />
Gespräch schwärmt Sufjan regelrecht von den großen<br />
Komponisten, die ihn Zeit seines Lebens und auch auf<br />
»The Age Of Adz« beeinflusst haben. Von den polyrhythmischen<br />
Techniken Igor Strawinskys etwa, die<br />
dieser in »Le Sacre Du Printemps« angewendet hat.<br />
Von den amorphen Stimmungen Neuer Musik, die sich<br />
Sufjan für das neue Album bisweilen zu eigen machte.<br />
Die EP »All Delighted People« ist vor dem Hintergrund<br />
auch ein Zugeständnis an die Fans: »Ich<br />
empfinde es als meine Verantwortung, das jeweilige<br />
Material immer eigenständig und exakt zu formen.