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Gras oder einen neuen Haarschnitt mit einem Bild<br />
bezahlte. Demnach treffen sich die Galeristen auch<br />
heute noch mit zwielichtigen Typen auf dunklen<br />
Parkplätzen, um an ihren Banksy-Stoff zu kommen.<br />
Eine hübsche, wenn auch nicht hundertprozentig<br />
überzeugende Vorstellung. Egal, seine besten Arbeiten<br />
lassen sich ohnehin nicht kaufen oder verkaufen. Sie<br />
sind Teil der Stadt, zugänglich für jeden und zumeist<br />
nur für eine begrenzte Zeit zu bewundern. Für Banksy<br />
sind die besten Leinwände immer noch Häuserwände<br />
oder eine schöne Mauer wie die im Westjordanland.<br />
Die politischen Implikationen seiner Kunst haben<br />
Banksy zu dem gemacht, was er ist: Er ist, um es mit<br />
Wikipedia zu sagen, »gegen: Krieg, Kapitalismus,<br />
Faschismus, Imperialismus und Autoritarismus« und<br />
verbindet diese Haltung mit seiner eigenen Form von<br />
»Anarchismus, Nihilismus und Existenzialismus«. <strong>Als</strong><br />
Preis ist er scheinbar dazu verdammt, für immer brotlos<br />
sich selbst ausnutzen zu müssen, ständig in Gefahr,<br />
als das personifizierte gute Gewissen vereinnahmt zu<br />
werden. Ein Teufelkreislauf. Doch es sieht so aus, als<br />
habe Banksy nun einen Weg gefunden, offiziell und<br />
abseits der Parkplätze etwas Geld zu verdienen, ohne<br />
sich zu verkaufen, ohne seine Anonymität aufzugeben<br />
oder seinen Ruf weiter zu schädigen. Er hat einen Film<br />
gemacht, einen Banksy-Film, wie er mehr Banksy nicht<br />
sein könnte. Allein der Titel, »Exit Through The Gift<br />
Shop«, könnte gewieften Rätselfreunden schon den<br />
einen oder anderen Hinweis darauf geben, was sie<br />
erwartet. »Im Grunde hat sich da mit dieser neuen<br />
Kunst-Form eine echte globale Bewegung entwickelt.<br />
Die musste für die Nachwelt dokumentiert und konserviert<br />
werden. Und das ist der Film, den ich NICHT<br />
gemacht habe.« So ließ sich Banksy selbst in einem<br />
seiner seltenen Interviews zitieren.<br />
Der einzige Weg, in dieser Zeit als viel beachteter<br />
Künstler unsichtbar zu werden, ist, Verwirrung zu stiften.<br />
Wenn sich deine Spuren nicht mehr verwischen<br />
lassen, musst du eben eine Vielzahl an zusätzlichen<br />
Fährten legen. So viele, dass keiner mehr weiß, wie<br />
oder wo der Hase läuft. Banksy ist längst größer als<br />
Robin Gunningham, oder welcher realen Person auch<br />
immer der weltberühmte Name als Pseudonym dienen<br />
mag. Versteckspielen bringt nichts. Banksy bleibt auf<br />
der Oberfläche das Gegenteil von unsichtbar. Er ist die<br />
omnipräsente Galionsfigur einer Bewegung, die sich<br />
nahezu in jeder Stadt an allen Ecken zeigt und sich<br />
darum zu Recht Street Art bzw. Urban Art schimpft.<br />
Andere sprechen geschwollen vom Post-Structural<br />
Urban Symbolism oder einfach von Post-Graffiti, um<br />
eine Traditionslinie zu betonen, die aber längst droht,<br />
verschütt zu gehen. Womit wir uns dem eigentlichen<br />
Kern von »Exit Through The Gift Shop« nähern.<br />
Wenn Street Art wirklich, wie der Erzähler am<br />
Anfang des Films behauptet, mit der »größten gegenkulturellen<br />
Bewegung seit Punk« einhergeht, dann<br />
kommt »Exit Through The Gift Shop« so etwas wie<br />
dem legendär verkackten Sex-Pistols-Film »The Great<br />
Rock’n’Roll Swindle« nahe. Andere fühlen sich an die<br />
Metal-Mockumentary »This Is Spinal Tap« erinnert.<br />
Den besten Vergleich bemüht aber der Künstler selbst.<br />
Das Presseheft, ein Bündel Fotokopien, zitiert ihn<br />
mit den Worten: »Ich wollte einen Film machen,<br />
der für Street Art das bewirkt, was ›Karate Kid‹ für<br />
den Kampfsport bewirkt hat – einen Film, der jedes<br />
Schulkind dazu bewegen würde, eine Spraydose in<br />
die Hand zu nehmen und loszulegen. Aber wie sich<br />
herausstellt, haben wir einen Film gemacht, der für<br />
Street Art so viel getan hat wie ›Der weiße Hai‹ für<br />
den Wassersport.«<br />
Was als windige Dokumentation über Street Art<br />
beginnt, endet in einer bitterbösen Farce, mit der<br />
Banksy deutlicher als mit jedem anderen Werk und<br />
jeder seiner Aktionen die etablierte Kunst-Szene mit<br />
ihren teils mafiösen, teils römisch dekadenten Strukturen<br />
gnadenlos vorführt. Der ursprüngliche (Arbeits-)<br />
Titel bringt es mit aller Deutlichkeit an den Tag: »How<br />
To Sell Shit To Cunts«. Der wäre für seinen Verleiher<br />
Banksy<br />
1974 geboren, in Bristol aufgewachsen,<br />
mit bürgerlichem<br />
Namen Robert, Robden oder Robin<br />
Gunningham. Oder doch Robin<br />
Banks? Oder ist Banksy doch ein<br />
Kollektiv? Im Juni dieses Jahres<br />
behauptete die 89-jährige Rose<br />
Biggin aus dem Norden Londons,<br />
Banksy zu sein. Ihr Kommentar:<br />
»Diese Bilder? Oh ja, die sind<br />
von mir – das hilft mir mit<br />
Sicherheit, die Zeit besser rumzubringen.«<br />
Mockumentary<br />
Storys 043<br />
Ein fiktionaler Dokumentarfilm<br />
meist satirischer Natur. Eins der<br />
berühmtesten Beispiele ist der<br />
1984 bei seiner Veröffentlichung<br />
kaum beachtete Film »This Is Spinal<br />
Tap« um eine vorerst fiktive<br />
glücklose Heavy-Metal-Band. Grund<br />
für den anfänglichen Misserfolg<br />
war, dass viele Zuschauern<br />
dachten, sie hätten eine echte<br />
Dokumentation gesehen.