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wiggertal.ch – magazin – Nr. 12 / 21. April 2006 AKTUELL 11<br />
Hort für seltene Pflanzen<br />
Vor 100 Jahren war der Zofinger<br />
Heitern für Pflanzenfreunde<br />
eine Schatztruhe: Eine Klee-<br />
Art hatte dort gar ihren einzigen<br />
Standort in der Schweiz.<br />
Intensive Nutzung und der<br />
Einsatz von Dünger setzten<br />
dem aber ein Ende.<br />
Zum Beispiel gegen dem Bergli am Wege<br />
(1853 von meinem Vater entdeckt!),<br />
auch zwischen den Linden, Heiternplatz-Brunngraben»,<br />
schreibt der Botaniker<br />
Hermann Lüscher in seinem «Verzeichnis der<br />
Gefässpflanzen von Zofingen und Umgebung»<br />
aus dem Jahr 1886.<br />
Und: «In der Schweiz sonst<br />
nirgends!»<br />
Ornithopus perpusillus<br />
lautet der wissenschaftliche Name des Juwels,<br />
dessen Fundorte Lüscher hier mit solchem<br />
Enthusiasmus aufzählt. Zu Deutsch<br />
heisst die Pflanze «Kleiner Krallenklee» oder<br />
«Kleiner Vogelfuss». Die unscheinbare Klee-<br />
Art liebt sandige, saure Böden – so wie sie der<br />
Heitern eigentlich bietet.<br />
Allerdings braucht sie auch offene Stellen<br />
im Gelände. Der Krallenklee vertrage keine<br />
Konkurrenz anderer Pflanzen, weil die Keim-<br />
«In der Schweiz sonst<br />
nirgends zu entdecken!»<br />
linge der kleinen Pflanze so schwach seien,<br />
sagt Matthias Baltisberger, Professor am<br />
Geobotanischen Institut der ETH Zürich. Und<br />
genau dies ist der Grund, weshalb es die Seltenheit<br />
heute nicht mehr gibt auf dem Heitern.<br />
Vom Dünger vertrieben<br />
Früher säumten den Heitern Magerwiesen.<br />
Darauf gediehen laut Lüscher auch Orchideenarten<br />
wie die Grüne Hohlzunge (Coeloglossum<br />
viride) oder die Sommer-Wendelähre<br />
(Spiranthes aestivalis) und die<br />
Herbst-Wendelähre (Spiranthes spiralis).<br />
Heute dominieren zwischen den Linden gepflegter<br />
Rasen und rund um den Platz saftige,<br />
gedüngte Wiesen.<br />
Beides lässt diesen Pflanzen, die nährstoffarme<br />
Böden lieben, kei-<br />
ne Überlebenschance. Weil<br />
die Intensivierung der Landwirtschaft<br />
in den tieferen Lagen<br />
der Schweiz viel rascher voranschritt,<br />
gibt es viele dieser Arten heute nur noch in<br />
den Jurahöhen oder den Voralpen.<br />
Der Kleine Krallenklee existiert lustigerweise<br />
noch heute in der Schweiz. An einigen<br />
Standorten, irgendwo am unteren Zürichsee,<br />
wurde er in den letzten Jahren nachgewiesen.<br />
Lag Lüscher also mit seinem triumphierenden<br />
«sonst nirgends!» daneben? Nicht unbedingt,<br />
sagt Baltisberger – obwohl möglich<br />
S’Müsli vom Oftriger Wirtshüsli<br />
Der dritte WM-Titel des Fussballteams um<br />
Pelé lag noch nicht allzu weit zurück, die<br />
Mondlandung der Amerikaner ebenso we-<br />
nig: 35 Jahre sind vergangen,<br />
seit Eugenia Hofer-Suardi<br />
und ihr Ehemann das Oftringer<br />
Wirtshüsli aus den<br />
Händen der Schwiegereltern<br />
übernommen hatte. Und<br />
noch immer ist die 63-jährige<br />
gebürtige Italienierin in der<br />
kleinen Quartierbeiz für ihre<br />
Gäste da – seit der Trennung<br />
vom Mann vor 9 Jahren sogar<br />
alleine. Morgens früh gehts<br />
los, abends spät kann sie das Nachttischlämpchen<br />
wieder ausmachen. Dazwischen<br />
Arbeitstage einer Wirtin – mal hektisch, mal<br />
ruhig. Meist gleich, manchmal aber auch<br />
nicht: Wie in den 70ern, als Formel-1-Fahrer<br />
Clay Regazzoni oder die Schauspieler Margrit<br />
Rainer und Ruedi Walter das Restaurant<br />
besuchten. Stolz ist sie aber vor allem<br />
auf diejenigen Gäste, die seit<br />
O R I G I N A L Jahren kommen. Diese gaben<br />
ihr auch den Namen «Müsli».<br />
Wohl weil sie so klein sei, sagt<br />
Hofer. Das «Müsli» ist aber<br />
nicht nur klein, es ist auch flexibel:<br />
Wenn gewünscht, haut<br />
sie auch kurz vor Mitternacht<br />
noch ein Schnitzel in die Bratpfanne.<br />
Das letzte Mal könnte<br />
EUGENIA HOFER dies am 22. Dezember der Fall<br />
sein. Denn Ende Jahr läuft ihr<br />
Pachtvertrag aus. Danach will das «Müsli»<br />
mit ihrem Partner das Leben nochmals geniessen.<br />
Etwa im Haus am Thunersee oder<br />
beim Schnorcheln im Roten Meer.<br />
bbo@wiggertal.ch<br />
«Kleiner Vogelfuss» Früher eine botanische<br />
Exklusivität auf dem Zofinger Heitern. Foto: zVg<br />
sei, dass andere Standorte übersehen worden<br />
seien.<br />
Eingeschleppt oder versteckt<br />
Es könne aber durchaus sein, dass der<br />
Krallenklee seit dem Aussterben der Zofinger<br />
Exemplare neu in unser Land eingeschleppt<br />
worden sei, sagt Baltisberger. Denn die Pflanze<br />
sei klein und komme ausserhalb der<br />
Schweiz in Europa durchaus noch vor. Zudem<br />
könnte die Pflanze über extrem lang<br />
haltbare Samen verfügen. Die Botaniker hätten<br />
den Krallenklee dann vielleicht vor hundert<br />
Jahren am Zürichsee nicht finden können,<br />
weil seine Sämlinge aus irgendwelchen<br />
Gründen für Jahre nicht keimten.<br />
Wie der Krallenklee nach Zofingen kam,<br />
fragte sich schon Hermann Lüscher. Allerdings<br />
schien auch er etwas ratlos, wie aus einem<br />
seiner späteren Werke, der «Flora des<br />
Kantons Aargau» aus dem Jahr 1918, hervorgeht.<br />
Lüscher nennt hier noch zwei weitere<br />
Fundorte der seltenen Pflanze: Reiden und<br />
«Wykon». «Heitersplatz wurde 1712 abgeholzt»,<br />
schreibt er. «Die Ansiedelung ist also<br />
wohl erst seither (durch Vögel? Wind?), von<br />
Reiden oder Wykon her, erfolgt, sofern sie<br />
nicht schon früher von Deutschland aus geschah!»<br />
sik@wiggertal.ch