AEA Nr. 1/2012 - Chorvereinigung Spandau
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04.01.<strong>2012</strong> Tagesspiegel Von Daniela Martens<br />
Singen für Nichtsänger PflÄck’ dir die TÇne<br />
So tanzen NichtsÖnger. Die hundert Chorteilnehmer Çben nicht nur Tonfolgen, sondern machen dazu<br />
auch Bewegungsspiele. - Foto: Paul Zinken<br />
Wer keine Stimme hat und trotzdem trÉllern will, geht zum „Ich-kann-nicht-singen-Chor“ im<br />
Radialsystem. Nicht nur Kehlkopf-, sondern voller KÇrpereinsatz ist gefragt.<br />
Fremde Pobacken berÇhren sich. GroÉe und kleine, junge und alte, mÖnnliche und weibliche. Und<br />
die dazugehÑrigen MÇnder juchzen bei jedem Kontakt von zwei KÑrpern frÑhlich einen Ton: „HÑy!“.<br />
Etwa hundert Leute laufen so durch den groÉen Saal des Radialsystems V in Friedrichshain. In der<br />
Mitte steht ein Mann mit ergrautem Pferdeschwanz und dirigiert die anderen: „Das Weitergehen<br />
nicht vergessen“, sagt er und lacht ins Mikrofon, das er direkt am Kopf trÖgt. Michael Betzner-<br />
Brandt ist Chorleiter. Und die HÑy-Sager sind sein Chor – zumindest fÇr diesen Sonntagmorgen,<br />
etwa drei Stunden lang.<br />
NotenblÖtter in den HÖnden, gerade RÇcken, Aufstellung in Reih und Glied – der Sopran nach links,<br />
der Alt nach rechts – all das wird man hier nicht finden.<br />
Wer hierher kommt, springt nicht ins kalte Wasser, sondern ins NichtsÖngerbecken: „Ich-kann-nichtsingen-Chor“<br />
ist der Titel der Veranstaltung des deutschen Chorverbands und des Radialsystems V.<br />
Einmal im Monat findet sie sonntags an der HolzmarktstraÉe 33 statt. Jeder darf kommen.<br />
Hier trifft man Leute wie Christian, 49, der sagt: „Mein Musiklehrer in der Schule meinte, ich solle<br />
lieber Steine klopfen statt zu singen und hat mir damit fÇr lange Zeit das Interesse am Musikmachen<br />
vergÖllt.“ Jetzt will er es doch noch mal versuchen. Bei Walter, 50, liegt der Fall anders. Er ist in<br />
einem richtigen Chor, mÑchte aber mal beim Singen „die blÑden Noten beiseite lassen“.<br />
Da ist er bei Betzner-Brandt genau richtig: Der studierte Kirchenmusiker, der Chor- und<br />
Ensembleleitung in Leipzig und Berlin unterrichtet, Stummfilmpianist und GrÇnder des Jazz-Pop-<br />
Chors der UniversitÖt der KÇnste ist, hat gerade ein Buch verÑffentlicht: „Chor kreativ – singen ohne<br />
Noten“. Eins stellt Betzner-Brandt gleich zu Anfang der Veranstaltung richtig: „Ich kann nicht<br />
singen ist eine Aussage, die so nicht stimmt.“ Bei niemandem. Denn: „Jeder, der sprechen kann,<br />
kann auch singen. Singen geht Çbers FÇhlen – es soll sich gut anfÇhlen im KÑrper.“<br />
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