AEA Nr. 1/2012 - Chorvereinigung Spandau
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Zum Dirigentenwechsel<br />
In Schiller’s Glocke heiÇt es<br />
So lasst uns denn mit FleiÇ betrachten, was durch die schwache Kraft entspringt.<br />
Den schlechten Mann muss man verachten, der nie bedacht, was er vollbringt.<br />
Das ist’s ja, was den Menschen zieret, und dazu ward ihm der Verstand,<br />
dass er im innern Herzen spÄret, was er erschafft mit seiner Hand.<br />
Wir haben nach 35 Jahren einen neuen Dirigenten, und das ist Anlass genug, auch mal<br />
nach rÄckwárts zu schauen auf die Geschichte unserer bisherigen Dirigenten. NatÄrlich<br />
leben wir im „Hier und Heute“, aber was wir heute als Chor sind, ist auch eine 153 Jahre<br />
alte Geschichte unserer Dirigenten, auf die wir mehr als stolz sein dÄrfen.<br />
1859 war es der Rohrdreher der KÅniglichen Gewehrfabrik<br />
<strong>Spandau</strong> Friedrich Hoffmann, auf dessen Initiative<br />
aus der Gesangsabteilung des <strong>Spandau</strong>er Handwerkervereins<br />
1847 sich die 22 Sánger starke „Hoffmann’sche<br />
Liedertafel“ grÄndete. Was Hoffmann als musikalischer<br />
Autodidakt leistete, ist nach heutigen MaÇstáben unglaublich.<br />
Nach einem zwÅlfstÄndigen Arbeitstag schrieb<br />
Hoffmann nachts die Noten fÄr seine 22 Sánger, studierte<br />
die ChÅre ein und gab jedes Jahr mehrere Benezifkonzerte<br />
zu Gunsten armer BevÅlkerungsschichten. Auch<br />
Text und Musik des damaligen Wahlspruchs „Treu unsere<br />
Herzen und deutsch die Lieder“ stammen von ihm. All<br />
seine Leistungen erbrachte er ehrenamtlich. Welch ein<br />
Schock, als er 1868 einen Ruf als Leiter der KÅniglichen<br />
GeschÄtzfabrik im serbischen Kragujewatz annahm. Dort<br />
Äbernahm er sofort den Kirchenchor und als er am 17.<br />
Márz 1908 starb, war er Vorsitzender der Gesangvereine serbischer Nation. Im Kondolenzchreiben<br />
des Kirchenvereins Kragujewatz an die Hoffmann’sche Liedertafel heiÇt es<br />
u.a.: „Die Gesangvereine serbischer Nation sind stolz darauf, im Gesang zur Liebe fÄr<br />
Vaterland, Glaube, Familie und Freundschaft ihn ihren treuen Freund nennen zu dÄrfen.“<br />
Diese Worte sagen wohl alles Äber die PersÅnlichkeit unseres VereinsgrÄnders.<br />
In den Jahren 1869 bis 1906 versuchten nicht weniger als 11 Chormeister ihr GlÄck bei<br />
den „Hoffmánnern“, vor allem Lehrer und Organisten. Da die Liedertafel der renommierteste<br />
<strong>Spandau</strong>er Chor war, ist der háufige Wechsel vermutlich darauf zurÄckzufÄhren,<br />
dass die Sánger vergeblich einen zweiten Friedrich Hoffmann suchten.<br />
Den fanden die Hoffmánner endlich 1907 im Organisten<br />
der <strong>Spandau</strong>er Garnisonskirche, Manfred Langer. Er<br />
war mit Sicherheit der feinfÄhligste und nach meinem<br />
DafÄrhalten der beste Chormeister unserer Geschichte.<br />
Er fÄhrte den Chor in den damals Äblichen Gesangswettbewerben<br />
von Erfolg zu Erfolg, und als es mal „nur“ ein 3.<br />
Platz wurde, schrieb der Rezensent der Deutschen<br />
Sángerzeitung „Tonkunst: „FÄr mich war es der 1. Platz.“<br />
Es waren eher die zarten Tonfarben, das unglaubliche<br />
Pianissimo und die guten Legati und Crescendi, die das<br />
Publikum immer wieder zu BeifallsstÄrmen hinrissen. Die<br />
Sánger hingen mit allen Sinnen an ihrem Dirigenten und<br />
folgten ihm auf den leisesten Wink. Seine FeinfÄhligkeit<br />
fÄhrte wohl auch zu einem Nervenzusammenbruch und<br />
zur Trennung von den Hoffmánnern am 31. Dezember<br />
1924. Manfred Langer blieb Organist an der Lutherkirche