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Interview mit Lothar Popp - Klaus und Renate Kuhl

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Bernd Michels: Kieler Matrosenaufstand von 1918 - „Wir waren<br />

keine Revolutionäre“, in „Sozialdemokrat Magazin“, Heft 11/12<br />

November /Dezember 1978<br />

Dieser Artikel basiert offensichtlich auf einem längeren Gespräch <strong>mit</strong> <strong>Lothar</strong> <strong>Popp</strong>.<br />

U.a. schreibt Michels Folgendes:<br />

Sein [Noskes, KK] Ziel: die Ausweitung des gewaltsamen Umsturzversuches<br />

vermeiden <strong>und</strong> in Kiel eine separate ,,neue Ordnung" unter den neuen Machtverhältnissen<br />

zu schaffen. Seine große Rednerbegabung <strong>und</strong> eine richtige Beurteilung der strategisch<br />

wichtigen Machtpositionen machen später seinen Erfolg aus.<br />

Mit dem USPD-Mann <strong>Popp</strong> handelt Noske eine Machtverteilung aus, die langfristig zu<br />

seinen Gunsten laufen muß: Noske wird als neuer Gouverneur von Kiel von den Matrosen<br />

akzeptiert, dafür wird <strong>Popp</strong> Vorsitzender des Obersten Soldatenrates - dem zu diesem<br />

Zeitpunkt eigentlichen Träger der Macht. Noske spekuliert richtig, daß letztlich entscheidend<br />

sein wird, wer die weiterbestehende Verwaltungsbürokratie in der Hand behält. Und das ist<br />

der Gouverneur. Zwar werden allen wichtigen Ämtern in der Folgezeit „befehlshabende"<br />

Abgeordnete des Soldatenrates zugeordnet <strong>und</strong> das Amt für Ernährung von den Soldaten 24<br />

voll übernommen, doch stellt sich bald heraus, daß die neuen Träger der Macht vor der<br />

Schwerfälligkeit <strong>und</strong> dem Informationsvorsprung der alten Apparate kapitulieren <strong>und</strong> die Lust<br />

am Regieren verlieren.<br />

Am 7. November 1918 fährt in Kiel die Straßenbahn wieder. Äußeres Zeichen einer<br />

beruhigenden Lage. Die Revolte in Kiel ist beendet.<br />

<strong>Lothar</strong> <strong>Popp</strong>, der später wieder zurück zur SPD ging, in den 30er Jahren nach<br />

Amerika emigrierte <strong>und</strong> nach dem Krieg zurückkam, sieht den Aufstand von Kiel - <strong>und</strong> auch<br />

seine eigene Rolle - heute ohne Verklärungen: „Wir waren keine Revolutionäre, denn wir<br />

kämpften nicht für eine Sache, sondern wir wollten eine verrückte Sache beenden. Als wir<br />

dann plötzlich die Macht in den Händen hatten, da wollte ich aus dem Zusammenbruch des<br />

Kaiserreichs was machen. In Abstimmungen konnte ich Noske - der gekommen war, um<br />

alles abzuwürgen - noch schlagen, aber in der praktischen Arbeit war meine Gruppe dem<br />

Noske unterlegen. Wir wurden müde. Die Revolutionäre wollten nicht die Revolution, sie<br />

wollten die Nationalversammlung in Berlin."<br />

<strong>Lothar</strong> <strong>Popp</strong> sieht in der Verlagerung der politischen Verantwortung von den Arbeiter-<br />

<strong>und</strong> Soldatenräten zu den politischen Machern der Nationalversammlung, die - wie er zugibt<br />

- von den Arbeitern <strong>und</strong> Soldaten gewollt war, den „ersten Schritt zum späteren Untergang<br />

der Weimarer Republik".<br />

<strong>Popp</strong>: ,,Man hätte mehr aus dem Kieler Aufstand machen können, aber", <strong>und</strong> der Ex-<br />

Anführer der Aufständischen von Kiel sagt das sehr zufrieden, ,,wenn ich mich heute<br />

umsehe, kann ich nur feststellen, es ist ja auch so etwas aus unseren Zielen in Deutschland<br />

geworden. Darauf könnte die SPD ruhig ein bißchen stolzer sein."<br />

24 Anm. KK: Der Arbeiterrat hatte das Ernährungsamt übernommen.<br />

<strong>Lothar</strong> <strong>Popp</strong> im Streitgespräch, September 1978, Hamburg Seite 30 von 60

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