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Homosexual's Film Quarterly - Sissy

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kino<br />

Dass auch Liebende ertrinken<br />

von Jan gymPel<br />

„Mit geschlossenen Augen“ von bodewijn Koole in der Gay-<strong>Film</strong>nacht.<br />

s Die Suche nach dem verschollenen Vater<br />

scheint ein sehr bewegender Stoff zu sein.<br />

Jedenfalls sollte es allen Erfahrungen nach<br />

keine großen Probleme bereiten, öffentliches<br />

Geld zu erhalten für einen schönen, langen<br />

<strong>Film</strong>: Über die Suche nach dem Mann,<br />

der eigentlich nur Ihr Miterzeuger ist, und<br />

mit dem Sie nicht mehr verbindet als ein paar<br />

Gene.<br />

Da die Fahndung nach dem unbekannten<br />

Samenspender ein so beliebtes Kinothema<br />

ist, erwartet man von diesem fünfzigminütigen<br />

Werk des Niederländers Boudewijn<br />

Koole wenig Neues. Doch der Regisseur, der<br />

bislang mit Dokumentationen auf sich aufmerksam<br />

gemacht hat, schildert in seinem<br />

ersten Spielfilm eine ungewöhnliche Vatersuche<br />

auf ungewöhnliche Art.<br />

Felix, vermutlich in seinen frühen Zwanzigern<br />

und bei seiner Oma lebend, will vor<br />

Antritt einer langen, gefährlichen Motorradtour<br />

in ferner Fremde endlich seinen Vater<br />

kennenlernen und so eine Leerstelle in seiner<br />

Biographie ausfüllen – auf eigenwillige<br />

Weise, wie sich bald zeigt. Er weiß: Johan,<br />

der mit Felix’ verstorbener Mutter nur eine<br />

kurze Affäre hatte, führt eine kleine Kneipe,<br />

in der viel Jazz gespielt und dazu, wie es sich<br />

gehört, viel geraucht wird. Und er ist schwul,<br />

wohl im Gegensatz zu Felix, der zwischendurch<br />

mit einer Arbeitskollegin im Bett landet.<br />

Letzterer versucht, seinem alten Herrn<br />

– der von seiner Vaterschaft gar nichts weiß,<br />

geschweige denn, wer der junge Biker ist,<br />

welcher da seine Aufmerksamkeit erregen<br />

möchte – zunächst durch demonstratives<br />

Interesse an Jazz und alten Vinylscheiben<br />

nahezukommen. Und dann, als dies nicht<br />

recht fruchtet, ihn zu verführen.<br />

Oder ist vielleicht alles ganz anders? Boudewijn<br />

Koole erzählt seine Geschichte eher<br />

bruchstückhaft und deutet vieles nur an. So<br />

bleibt Raum für die Fantasie des Zuschauers,<br />

der andererseits womöglich auf falsche<br />

Fährten gelockt und dazu gebracht wird,<br />

Verbindungen herzustellen, die es gar nicht<br />

gibt, und sich Falsches zusammenzureimen.<br />

Ist Johan beispielsweise wirklich allein und<br />

will er dies womöglich bleiben, zumal nach<br />

dem zwanzig Jahre zurückliegenden Tod<br />

eines Jazzmusikers, mit dem er eng befreundet<br />

war – auf welche Weise auch immer?<br />

Dessen Ertrinken spielt an auf das Schicksal<br />

des bedeutenden Free-Jazz-Saxophonisten<br />

Albert Ayler, der 1970 aus New yorks East<br />

River gezogen wurde, wobei die näheren<br />

Umstände seines Ablebens nie geklärt werden<br />

konnten. Von Ayler gespielte Musik ist<br />

in Mit geschlossenen Augen zu hören, von<br />

einem ertrunkenen Liebespaar wird erzählt,<br />

William Butler yeats’ Gedicht „Die Nixe“<br />

von Johan rezitiert. Andererseits trifft dieser<br />

sich wiederholt mit einem netten, nicht mehr<br />

ganz jungen Schwarzen. Nur auf geschäftlicher<br />

Basis?<br />

Letztendlich bleibt vieles offen in diesem<br />

<strong>Film</strong> und die Neugierde des Zuschauers<br />

in mancher Hinsicht ungestillt. Immerhin<br />

bekommt Felix nicht nur höchst intimen<br />

Kontakt mit Johan. Er kann auch erleben,<br />

wie dieser sich bei einem Mädchen aus der<br />

Nachbarschaft doch als guter Vater erweist,<br />

und so seine Suche zu einem befriedigenden<br />

Ende bringen. s<br />

Mit geschlossenen Augen<br />

von Bodewijn Koole<br />

NL 2007, 52 Minuten, OmU<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

im Kino<br />

Gay-<strong>Film</strong>nacht im März<br />

www.gay-filmnacht.de<br />

s Zu entspannten Gitarrenklängen rollt ein<br />

junger Mann mit seinem Skateboard durch<br />

eine amerikanische Vorstadtlandschaft. Hier<br />

und da bleibt er stehen und sprüht Graffiti an<br />

Hauswände – mit Hilfe einer Schablone, die,<br />

wie sich herausstellt, den Ausblick von dem<br />

Haus zeigt, in dem er lebt: auf die Vincent<br />

Thomas Bridge von San Pedro, im Hafenareal<br />

von Los Angeles.<br />

Diese Aussicht scheint allerdings auch<br />

schon das Schönste am Leben des jungen<br />

Mannes, weshalb sie im weiteren Verlauf<br />

des <strong>Film</strong>s keine Rolle mehr spielt. Auch kann<br />

jener Zach nicht das Leben eines unbekümmerten<br />

US-Westküstenteenagers führen: Der<br />

kleine Junge im Haus ist zwar nur sein Neffe,<br />

doch Zachs Schwester hat mit Männern so<br />

ihre Probleme, deshalb hat ihr Bruder nicht<br />

nur häufig als Babysitter herzuhalten, sondern<br />

wird konsequenterweise von dem Kind<br />

auch als Vater betrachtet.<br />

Zachs Dasein, das dahindümpelt zwischen<br />

dem Job als Küchenhilfe in einem<br />

Diner, etwas mutlos verfolgten zeichen-<br />

Zuflucht<br />

von Jan gymPel<br />

„Shelter“ von Jonah Markowitz in der Gay-<strong>Film</strong>nacht.<br />

künstlerischen Ambitionen und eben der<br />

ständigen Sorge um den Neffen, erfährt eine<br />

entscheidende Wendung, als er beim Surfen<br />

einen alten Bekannten trifft: Der große Bruder<br />

seines wohlhabenderen besten Freundes<br />

will in der alten Heimat Abstand von seinen<br />

Problemen als Autor finden. Eigentlich ist<br />

Zach gewarnt oder könnte es zumindest sein:<br />

Shaun, hat man ihn wissen lassen, steht auf<br />

Männer. Trotzdem hängt Zach viel mit ihm<br />

herum, und so geschieht schließlich, was<br />

unvermeidlich scheint, zumal nach einem<br />

langen Abend mit viel Bier.<br />

Zunächst reagiert Zach verstört, zumal<br />

er spürt: Was er für Shaun empfindet, ist<br />

etwas ganz anderes als die zunehmend lustlos<br />

verfolgte Beziehung zu seiner Freundin.<br />

Dann gibt er seiner frisch entfachten Leidenschaft<br />

nach. Und bei einem romantischen<br />

Abendessen, zu welchem Zach notgedrungen<br />

seinen Neffen mitbringt, erweist sich<br />

Shaun als hervorragender zweiter Ersatz-<br />

Daddy. Doch allzu lang bleibt die Romanze<br />

der beiden Männer ihrer Umgebung nicht<br />

verborgen. Und Zachs Schwester zeigt sich<br />

wenig begeistert von der neu entdeckten<br />

Neigung ihres Bruders, zumal dieser seinem<br />

Neffen als Vorbild dienen soll. Allerdings<br />

hat sie ihrerseits gerade einen neuen Mann<br />

gefunden und dieser bald darauf eine Stelle<br />

im fernen Oregon.<br />

Wie sich schließlich alles für alle Beteiligten<br />

trefflich fügt, mag man als große<br />

Gunst des Schicksals betrachten – oder auch<br />

als unbedingten Willen des Drehbuchautors<br />

Jonah Markowitz zu einem umfassenden<br />

Happy End. Doch darüber sieht man gern<br />

hinweg, nicht nur wegen der – zumal in<br />

den von Kulturkämpfen geschüttelten USA<br />

– ausgesprochen politischen Botschaft, derzufolge<br />

Familie und ein ideales Umfeld für<br />

Kinder nicht unbedingt aus Mama und Papa<br />

zu bestehen brauchen. Auch erzählt Markowitz<br />

in seinem Spielfilmregieerstling seine<br />

Geschichte von einem Coming out, generellem<br />

Selbstfinden und Erwachsenenwerden,<br />

Aufopferung und Verantwortung einfühlsam<br />

und mit einer schönen Balance aus Zurückhaltung<br />

und Direktheit. Am Ende können<br />

Zach und seine Schwester das enge, wenig<br />

behaglich wirkende Heim verlassen, welches<br />

nichtsdestoweniger Sicherheit vermittelte.<br />

Als Ort des Schutzes und der Zuflucht, von<br />

dem der Titel des <strong>Film</strong>s spricht, hat nicht nur<br />

Zachs Neffe etwas Besseres gefunden. s<br />

Shelter<br />

von Jonah Markowitz<br />

USA 2007, 90 Minuten<br />

Pro-Fun Media,<br />

www.pro-fun.de<br />

im Kino<br />

Gay-<strong>Film</strong>nacht im April<br />

www.gay-filmnacht.de<br />

26 27<br />

kino

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