© Schütze-Brief • Gesundheitspolitischer Info-Dienst
© Schütze-Brief • Gesundheitspolitischer Info-Dienst
© Schütze-Brief • Gesundheitspolitischer Info-Dienst
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
1. KBV: Keine Verhandlungschancen<br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 1 von 13<br />
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr.<br />
Andreas Köhler, sieht die Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen<br />
Krankenkassen (GKV) voll im Zeitplan. S. 4<br />
2. DMP: Noch keine umfassenden Daten zur Qualitätsverbesserung<br />
Die Disease-Management-Programme (DMPs) hätten sich flächendeckend<br />
durchgesetzt und seien so zu einem Erfolgsmodell geworden. So jedenfalls<br />
sieht es der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit (BMG),<br />
Franz Knieps. S. 5<br />
3. Oberarztvergütung: Erfolg des MB vor dem Arbeitsgericht<br />
Der Marburger Bund (MB) hatte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Kassel<br />
Erfolg, wonach ein Arzt, der die Funktion eines Oberarztes ausübt, auch als<br />
Oberarzt nach dem Tarifvertrag des MB bezahlt werden muss. S. 6<br />
4. Bundesversicherungsamt: Aufsichtspraxis bei den Wahltarifen<br />
Das Bundesversicherungsamt (BVA) arbeitet bei der Genehmigung von Wahltarifen<br />
nach dem „Vorsichtsprinzip“. S. 7<br />
5. Bundessozialgericht: Kein Geld nach dem Ausstieg<br />
Ärzte und Zahnärzte haben nach einem „kollektiven Systemausstieg“ aus der<br />
vertragsärztlichen–zahnärztlichen Versorgung keine Vergütungsansprüche gegenüber<br />
den gesetzlichen Krankenkassen (GKV). S. 8<br />
Verlag: Leo <strong>Schütze</strong> GmbH. Büro Berlin: Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin, Telefon: 0 30 / 20 65 87-0, Fax: 0 30 / 20 65 87-29,<br />
E-Mail: Berlin@LeoSchuetze-Eurogroup.de. Büro Eifel: Kapellenweg 18, 54614 Dingdorf, Telefon: 0 65 53 / 9 21 10, Fax:<br />
0 65 53 / 9 21 13, E-Mail: Schuetze-Eifel@t-online.de.<br />
Redaktion: Leo <strong>Schütze</strong> (Chefredakteur), Dr. Rudolf Hammerschmidt (verantwortlich), Dr. Franz-Josef Bohle, Günther Sauerbrey,<br />
Erich Schwaiger, Heribert Wollenschläger. Freier Mitarbeiter: Klaus Stark. Alle Rechte liegen beim Verlag. Insbesondere sind die<br />
weitere Nutzung, die Vervielfältigung, die Speicherung und die Verbreitung des <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong>es (sb) nur mit seiner Zustimmung<br />
erlaubt. Dies gilt auch für einzelne Teile des <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong>es falls nicht vertragliche Abmachungen davon abweichen. Der <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong><br />
ist nur im Abonnement erhältlich. Der nächste <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> erscheint am 02. Juli 2007.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
6. Zahnärzte: Ersatzkassen fordern Vergütungsabsenkung<br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 2 von 13<br />
Die Ersatzkassen fordern, zeitgleich mit der Einführung des Gesundheitsfonds<br />
zum 1. Januar 2009, gesetzliche Regelungen zur Preisnivellierung in der zahnärztlichen<br />
Versorgung zu schaffen. S. 8<br />
7. Apotheken: Warten auf die Richter<br />
Der Pharmamarkt ist in eine große Unruhe geraten. Allenthalben rüsten sich die<br />
Akteure für den Einstieg in das Apothekengeschäft, sobald das in Deutschland<br />
geltende Fremd- und Mehrbesitzverbot vor den Schranken des Europäischen<br />
Gerichtshofes (EuGH) fallen sollten. S. 9<br />
8. Privatisierung: BÄK sieht Gefahr der Industrialisierung der Krankenhäuser<br />
Einen erheblichen Änderungsschub in der Krankenhauslandschaft durch die<br />
Privatisierung von Krankenhäusern hat die Bundesärztekammer (BÄK) ausgemacht.<br />
Sie sorgt sich, dass die Ärzte zu Objekten ökonomischer Prozesse werden<br />
könnten. S. 10<br />
9. Medikamente: Mehr als 5.000 Wechselwirkungen möglich<br />
Nach einer Mitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände<br />
(ABDA) sind Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln weiter verbreitet als<br />
bisher angenommen. S. 11<br />
10. Impfung: KKH zahlt Reiseschutzimpfung<br />
Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) und Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein<br />
(KVNO) haben eine Impfvereinbarung geschlossen, wonach die KKH zahlreiche<br />
Reiseschutzimpfungen für den Auslandsurlaub unmittelbar über die Versichertenkarte<br />
abrechnet. S. 12
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 3 von 13<br />
11. Protestaktion: Demonstration gegen Regress in Niedersachsen<br />
Mit einer Demonstration vor dem Verwaltungsgebäude der AOK Niedersachsen<br />
sollen die niedergelassenen Ärzte nach den Vorstellungen der Freien Ärzteschaft<br />
(FÄ) gegen die Regressforderungen der gesetzlichen Krankenkassen<br />
(GKV) protestieren. S. 12<br />
Dokumentation Nr. 40/2007: Der Auszug Kap. 16/17 der Untersuchung der<br />
Bundesärztekammer mit dem Thema: „Zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern<br />
in Deutschland“.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
1. KBV: Keine Verhandlungschancen<br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 4 von 13<br />
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas<br />
Köhler, sieht die Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen<br />
(GKV) voll im Zeitplan.<br />
Die Turbulenzen auf der Führungsetage der KBV haben, so scheint es, keinen Einfluss<br />
auf die Verhandlungen mit den GKV-Spitzenverbänden zur Vergütungs-reform.<br />
Der gesetzliche Zeitplan ist außerordentlich eng. Die Verhandlungen müssen bis zum<br />
31. Oktober 2007 abgeschlossen sein, damit der neue Bewertungsmaßstab am 1.<br />
Januar 2008 pünktlich in Kraft treten kann.<br />
Die KBV sieht offensichtlich keine Chancen, ihre Vorstellungen zur Vergütungsreform<br />
in den Verhandlungen mit den GKV-Kassen durchzusetzen. In einem aktuellen Interview<br />
ließ Köhler keine Zweifel daran, dass nach seiner Ansicht der Erweiterte Bewertungsausschuss<br />
mit der Stimme des unparteiischen Vorsitzenden über die Vergütungsreform<br />
entscheiden müsse. Dieses Gremium soll so rechtzeitig einberufen werden,<br />
dass die abschließenden Entscheidungen noch vor dem 31. Oktober 2007 getroffen<br />
werden.<br />
In früheren Stellungnahmen hatte Köhler noch die Erwartung geäußert, dass es auf<br />
dem verminten Gelände der Vergütungsreform letztlich zu einer „Ersatzvornahme“<br />
des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) kommen werde. Davon ist im Moment<br />
nicht mehr die Rede, zumal die „Unterstützung“ des BMG nach der Konzeption des<br />
Gesetzes erst dann in Betracht kommen dürfte, wenn die Vertragsverhandlungen<br />
auch im Erweiterten Bewertungsausschuss scheitern sollten.<br />
Dann allerdings ist davon auszugehen, dass das BMG nicht untätig bleibt und zum<br />
Instrument der Ersatzvornahme greift. Angesichts des Versagens der Selbstverwaltung<br />
müsse dann die Politik handeln, so die Begründung.<br />
Im Lager der GKV hat man die Äußerungen des KBV-Vorstandsvorsitzenden mit einem<br />
gewissen Unbehagen zur Kenntnis genommen. Was sollen noch weitere Verhandlungen,<br />
wenn die KBV doch vor den Erweiterten Bewertungsausschuss ziehen<br />
möchte, so wird gefragt.<br />
Tatsächlich liegen aber die Vorstellungen zur Vergütungsreform meilenweit auseinander,<br />
so dass eine Einigung ohne einen neutralen Vermittler als aussichtslos erscheinen<br />
muss. Die Vergütungsforderungen der Ärzte summieren sich auf 18 Mrd.<br />
Euro, während die GKV-Kassen eine „kostenneutrale“ Reform vorziehen.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 5 von 13<br />
2. DMP: Noch keine umfassenden Daten zur Qualitätsverbesserung<br />
Die Disease-Management-Programme (DMPs) hätten sich flächendeckend durchgesetzt<br />
und seien so zu einem Erfolgsmodell geworden. So jedenfalls sieht es der Abteilungsleiter<br />
im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Franz Knieps.<br />
Es fehlt aber derzeit noch an überzeugenden Belegen, dass sich aufgrund der „Chroniker-Programme“<br />
auch die Qualität bei den eingeschriebenen Patienten verbessert<br />
hat. Das wurde bei einer Fachtagung der „AOK im Dialog“ deutlich. Von den über 3<br />
Mio. in DMPs eingeschriebenen Patienten sind rund die Hälfte AOK-Versicherte.<br />
Knieps kündigte an, dass auch nach der Einführung des Gesundheitsfonds ab dem<br />
Jahr 2009 die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) weiterhin finanziell von Programmen<br />
für chronisch Kranke profitieren. Sie sollen dann je eingeschriebenen Versicherten<br />
Zuweisungen für die Programmkosten erhalten. „Von einem Abschied von einer<br />
sehr erfolgreichen Versorgungsform kann also keine Rede sein“, so Knieps.<br />
Die Qualitätsverbesserungen, die sich aus einer ersten und vorläufigen Auswertung<br />
einer von infas, Prognos AG und WIAD durchgeführten Studie ergeben, sind nach<br />
Ansicht von Experten eher bescheiden. Positive Entwicklungen gab es bei den Teilnehmern<br />
des DMP Diabetes mellitus Typ 2. Der Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) sei<br />
beim Eintritt in das DMP im Durchschnitt bereits bemerkenswert gut eingestellt gewesen.<br />
In der ersten Phase der DMP-Teilnahme sei er noch weiter gesenkt worden;<br />
über mehrere Jahre betrachtet sei allerdings ein leichter, verlaufsbedingter Anstieg<br />
zu beobachten.<br />
Der untere (diastolische) Blutdruckwert sei im Auswertungszeitraum von drei Jahren<br />
im Durchschnitt von 83,8 auf 79,5 mm Hg gesunken. Zudem sei unter den teilnehmenden<br />
Patienten die Zahl der Raucher um etwa ein Drittel gesunken; ein Wiederanstieg<br />
sei nicht beobachtet worden. Ausgewertet wurden die Daten von etwa 1,25<br />
Mio. Teilnehmern aus allen Bundesländern.<br />
Die ersten Zwischenergebnisse der ELSID-Studie des Universitätsklinikums Heidelberg<br />
lassen erkennen, dass Ärzte die Vorgaben der DMP zum Vorteil ihrer Patienten<br />
umsetzen. In der ELSID-Studie werden die Behandlungsergebnisse von DMP-<br />
Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern verglichen.<br />
Für den Leiter des Stabsbereichs Medizin im AOK-Bundesverband, Bernhard Egger,<br />
ist klar, dass diese Evaluation nicht den Beweis erbringen könne, dass die DMP der
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 6 von 13<br />
besseren Versorgung dienen würde, schon weil die Kontrollgruppe fehle. Man müsse<br />
bestimmten Vorgaben des Bundesversicherungsamtes folgen.<br />
3. Oberarztvergütung: Erfolg des MB vor dem Arbeitsgericht<br />
Der Marburger Bund (MB) hatte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Kassel Erfolg,<br />
wonach ein Arzt, der die Funktion eines Oberarztes ausübt, auch als Oberarzt<br />
nach dem Tarifvertrag des MB bezahlt werden muss.<br />
Das beklagte Klinikum Kassel hatte den Oberarzt eine Stufe tiefer in die Entgeltgruppe<br />
für Fachärzte eingruppiert, obwohl der betroffene Arzt Oberarzttätigkeiten ausübte<br />
(AZ 5 Ca 116/07). "Das Urteil ist eine harte juristische Ohrfeige für alle Klinikarbeitgeber,<br />
die die arztspezifischen Tarifverträge bewusst falsch umsetzen und Oberärzte<br />
um ihr zustehendes Gehalt prellen", so MB-Vorsitzender Dr. Frank Ulrich Montgomery.<br />
Die Arbeitgeber und insbesondere deren Dachverbände Vereinigung der kommunalen<br />
Arbeitgeberverbände (VKA) und Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sollten<br />
Lehren aus dem Urteil ziehen und die „unerträgliche Falschmünzerei" in Sachen Oberarztvergütung<br />
einstellen. Der MB kündigte an, er sei bereit, weiterhin den juristischen<br />
Weg zu beschreiten und für jeden Oberarzt die ihm zustehende Bezahlung<br />
einzuklagen.<br />
Es geht bei der Auseinandersetzung um eine Passage in den neuen Ärzte-<br />
Tarifverträgen, die die Ärztegewerkschaft mit den Arbeitgebern des öffentlichen<br />
<strong>Dienst</strong>es im Jahr 2006 vereinbart hatte. Demnach ist Oberarzt derjenige, dem die<br />
medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik<br />
bzw. Abteilung ausdrücklich übertragen worden ist. Etliche Arbeitgeber, so der MB,<br />
hätten aber den oftmals schon langjährig als Oberärzten tätigen Medizinern die niedriger<br />
bezahlte Facharztgruppe zugewiesen, da es angeblich eine ausdrückliche Übertragung<br />
nicht gegeben habe. Der Marburger Bund argumentiert jedoch, dass es für<br />
eine „Übertragung" im Gegensatz zu einer „Anordnung" keiner schriftliche Form bedürfe.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 7 von 13<br />
4. Bundesversicherungsamt: Aufsichtspraxis bei den Wahltarifen<br />
Das Bundesversicherungsamt (BVA) arbeitet bei der Genehmigung von Wahltarifen<br />
nach dem „Vorsichtsprinzip“.<br />
In der Verbandszeitschrift der Ersatzkassenverbände „Die Ersatzkasse“ hat der Leiter<br />
der Abteilung Kranken- und Pflegeversicherung im BVA, Hartmut Beckschäfer, einen<br />
Überblick über die Aufsichtspraxis der Aufsichtsbehörde für die bundesunmittelbaren<br />
gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gegeben. Ohne die Einführung der neuen Instrumente<br />
zu behindern, möchte das BVA die finanziellen Risiken der Wahltarife, die<br />
nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen dürfen, möglichst engmaschig überwachen.<br />
Die wichtigsten Aspekte zur Genehmigung von Wahltarifen:<br />
<strong>•</strong> Das BVA akzeptiert bei Selbstbehalttarifen Satzungsregelungen, die Leistungen<br />
der Früherkennung und Prävention nicht anrechnen. Weitere Ausnahmen<br />
möchte das Amt nicht zulassen.<br />
<strong>•</strong> Strittig zwischen Amt und GKV-Kassen ist die Frage, ob in Anspruch genommene<br />
Leistungen mit ihren tatsächlichen Kosten vollständig auf den Selbstbehalt<br />
anzurechnen sind, oder ob die GKV-Kasse mehr oder weniger realistische<br />
Pauschalbeträge ansetzen darf. Das BVA lehnt Leistungs-pauschalen ab, ausgenommen<br />
sind nur die Kosten einer Krankenhaus-behandlung im Ausland.<br />
<strong>•</strong> Ein spannendes Thema verspricht die Ausgestaltung der Tarife für die Kostenerstattung<br />
nach § 53 Abs. 4 SGB V zu werden. Beckschäfer stellt klar: Kostenerstattungstarife<br />
dürfen nur für Leistungen der GKV angeboten werden. Strittig<br />
ist, ob sich diese Tarife auch auf die Chefarztbehandlung im Krankenhaus,<br />
die Unterbringung im Zweibett-/Einzelzimmer oder die Auslandsreisekrankenversicherung<br />
beziehen darf. Das BVA würde solche Tarife mit der gebotenen<br />
Sorgfalt abwägen. Aber: „Allein der ‚Casus belli’ – also ein Kostenerstattungstarif,<br />
der eine solche umstrittene Leistung mit umfasste – liege dem BVA bisher<br />
nicht zur Genehmigung vor“.<br />
Das BVA hat inzwischen – so die Zwischenbilanz – 10 Tarife der GKV genehmigt, allerdings<br />
keinen Tarif uneingeschränkt, sondern alle mit gewissen Ausnahmen und<br />
Auflagen, wie Beckschäfer berichtet. Manchen Vorlagen sei die Genehmigung vollständig<br />
versagt worden.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
5. Bundessozialgericht: Kein Geld nach dem Ausstieg<br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 8 von 13<br />
Ärzte und Zahnärzte haben nach einem „kollektiven Systemausstieg“ aus der vertragsärztlichen–zahnärztlichen<br />
Versorgung keine Vergütungsansprüche gegenüber<br />
den gesetzlichen Krankenkassen (GKV).<br />
Mit 3 Entscheidungen zur Vergütung kieferorthopädischen Leistungen hat das Bundessozialgericht<br />
(BSG) in letzter Instanz die rechtliche Aufarbeitung des „Zahnärztestreiks“<br />
in Niedersachsen im Jahre 2004 abgeschlossen. Seinerzeit hatten 40 Kieferorthopäden<br />
ihre vertragsärztliche Kassenzulassung zurückgegeben. Sie behandelten<br />
aber weiterhin ihre GKV-Patienten und rechneten die Leistungen unmittelbar mit den<br />
GKV-Kassen ab.<br />
Das BSG hat in seinen Urteilen vom 27. Juni 2007 entschieden, dass die Zahnärzte<br />
nach dem „Systemausstieg“ keine Vergütungsansprüche gegenüber den GKV-Kassen<br />
– und zwar auch nicht zu verminderten Konditionen der Privatgebührenordnung –<br />
geltend machen können. Nach dem kollektiven Zulassungsverzicht gebe es keine<br />
Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung mehr und damit, so folgerten<br />
die BSG-Richter, entstehe auch kein Vergütungsanspruch gegenüber den GKV-<br />
Kassen (Az.: B 6 KA 37/06 R u. a.).<br />
Damit geht das Urteil des BSG noch über die Sanktionen des Gesetzes beim „Systemausstieg“<br />
hinaus. In § 95 b Abs. 3 SGB V heißt es: „Nimmt ein Versicherter einen<br />
Arzt oder Zahnarzt in Anspruch, der auf seine Zulassung verzichtet hat, zahlt die<br />
Krankenkasse die Vergütung mit befreiender Wirkung an den Arzt oder Zahnarzt. Der<br />
Vergütungsanspruch wurde auf den 1,0-fachen Satz der GOÄ/GOZ beschränkt. Ein<br />
Vergütungsanspruch des Arztes oder Zahnarztes gegen den Versicherten besteht<br />
nicht. Abweichende Vereinbarungen sind nichtig.“<br />
6. Zahnärzte: Ersatzkassen fordern Vergütungsabsenkung<br />
Die Ersatzkassen fordern, zeitgleich mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 1.<br />
Januar 2009, gesetzliche Regelungen zur Preisnivellierung in der zahnärztlichen Versorgung<br />
zu schaffen.<br />
Der stellv. Vorstandsvorsitzende des VdAK/AEV, Dr. Werner Gerdelmann, fordert eine<br />
gesetzliche Regelung zum Abbau der im zahnärztlichen Bereich noch bestehenden<br />
Vergütungsunterschiede zwischen den Kassenarten. Historisch bedingt existieren re-
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 9 von 13<br />
gionale Punktwertunterschiede im Vergleich der Ersatzkassen zu anderen Kassenarten<br />
von durchschnittlich rund 7,7 %. Bezogen auf die Punktwertunter-schiede im<br />
gesamten Bundesgebiet im Jahre 2005 ergeben sich für die VdAK-Kassen für die<br />
gleichen Leistungen Mehrausgaben von über 200 Mio. Euro.<br />
Im Zeitalter des Gesundheitsfonds mit einer einheitlichen Mittelzuweisung an die gesetzlichen<br />
Krankenkassen (GKV) aus dem Gesundheitsfonds und der Erhebung von<br />
Zusatzbeiträgen allein bei den Versicherten, haben derartige strukturelle Mehrausgaben<br />
verheerende Auswirkungen im Wettbewerb der GKV-Kassen. Gerdelmann<br />
rechnet vor, das von den Ersatzkassen pro Mitglied allein für den zahnärztlichen Bereich<br />
ein Zusatzbeitrag in Höhe von mehr als 12 Euro pro Jahr bei den Versicherten<br />
erhoben werden müsste.<br />
Die Initiative der Ersatzkassen lenkt den Blick auf einen „Webfehler“ im GKW-WSG.<br />
Der Gesetzgeber hat hier im ärztlichen Bereich im Rahmen der Vergütungsreform<br />
eine gesetzliche Angleichung des Punktwertniveaus über alle Kassenarten hinweg<br />
vorgenommen. Eine vergleichbare Regelung für den zahnärztlichen Bereich fehlt<br />
noch.<br />
7. Apotheken: Warten auf die Richter<br />
Der Pharmamarkt ist in eine große Unruhe geraten. Allenthalben rüsten sich die Akteure<br />
für den Einstieg in das Apothekengeschäft, sobald das in Deutschland geltende<br />
Fremd- und Mehrbesitzverbot vor den Schranken des Europäischen Gerichtshofes<br />
(EuGH) fallen sollten.<br />
Die Experten auf dem Pharmamarkt gehen davon aus, dass noch eine geraume Zeit<br />
ins Land gehen wird, bis die Richter endgültig entscheiden. Die mündliche Verhandlung<br />
vor dem EuGH wird voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Die<br />
Urteilsbegründung ist damit frühestens Ende 2008 zu erwarten. Die Bundesregierung<br />
hat wiederholt erklärt, dass sie über Änderungen im nationalen Recht erst auf der<br />
Grundlage einer EuGH-Entscheidung nachdenken werde.<br />
Diese realistische Einschätzung des weiteren Zeitplanes hindert die Akteure in keiner<br />
Weise, sich schon heute für die Zeit nach dem Urteil zu rüsten. Europas größter Internet-Arzneimittelhändler,<br />
DocMorris, baut in Deutschland ein Apothekennetz mit<br />
überraschend hoher Geschwindigkeit aus, berichtet das „Handelsblatt“. „Wir werden
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 10 von 13<br />
zum Jahresende unser Ziel von 100 neuen Standorten erreichen“, so der Vorstandschef<br />
von DocMorris, Ralf Däinghaus.<br />
Das Unternehmen baut damit sein Netz mit franchise-ähnlichen Markenpartnerschaften<br />
aus. Däinghaus lässt aber keinen Zweifel daran, dass sein Unternehmen mit<br />
eigenen Filialen auf den Markt gehen wird, sofern und sobald der EuGH den Weg für<br />
Kapitalgesellschaften und Filialbildungen im Apothekenmarkt frei macht.<br />
8. Privatisierung: BÄK sieht Gefahr der Industrialisierung der<br />
Krankenhäuser<br />
Einen erheblichen Änderungsschub in der Krankenhauslandschaft durch die Privatisierung<br />
von Krankenhäusern hat die Bundesärztekammer (BÄK) ausgemacht. Sie<br />
sorgt sich, dass die Ärzte zu Objekten ökonomischer Prozesse werden könnten.<br />
Die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen könne angesichts des erhöhten Wettbewerbsdrucks<br />
verloren gehen. Sie sei aber ein wichtiges Qualitätsmerkmal, so der<br />
Vorsitzender der Krankenhausgremien der BÄK, Rudolf Henke. Krankenhäuser seien<br />
keine Fabriken und Patienten keine Werkstücke, „die man wie auf dem Fließband<br />
durch industrielle Wertschöpfungsprozesse schieben“ dürfe. Die humanitäre Zielsetzung<br />
der ärztlichen Hilfe dürfe nicht in den „Schraubstock der betrieblichen Rationalität“<br />
geraten.<br />
Henke schloss nicht aus, dass die Privatisierungswelle angesichts des so entstandenen<br />
Wettbewerbs auch positive Folgen im Organisationsablauf der Krankenhäuser<br />
ganz allgemein gebracht habe. Kritisch merkte er an, dass die stärkere Betonung des<br />
Ökonomischen allerdings auch schon ihren Niederschlag bei den kommunalen und<br />
privaten Trägern gefunden habe.<br />
Ärztinnen und Ärzte seien, so Henke, durchaus bereit zur Mitgestaltung auch ökonomischer<br />
Prozesse. Sie dürften aber nicht zum „kritiklosen Objekt standardisierter Produktionsprozesse<br />
werden“. Damit ärztliche Führungskräfte den medizinischen Erfordernissen<br />
einer individuell ausgerichteten Patientenversorgung und den wirtschaftlichen<br />
Erfordernissen des Krankenhauses gleichermaßen gerecht werden könnten,<br />
brauchen sie genügend Entscheidungsautonomie, sagte Henke.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 11 von 13<br />
Auch seien vielfach die Fragen von Fort- und Weiterbildung nicht geklärt. Bei der Privatisierung<br />
von Universitätskliniken stelle sich die Frage nach der Freiheit von Forschung<br />
und Lehre.<br />
Überlegungen im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), wonach die Möglichkeit<br />
zum Abschluss von Einzelverträgen zwischen gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und<br />
Krankenhäusern geschaffen werden sollte, erteilte Henke eine klare Absage. Der<br />
Kontrahierungszwang müsse erhalten bleiben.<br />
Der Auszug der Kapitel 16/17 der Untersuchung der Bundesärztekammer mit dem<br />
Thema: „Zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern in Deutschland“ ist diesem<br />
<strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> als Dokumentation Nr. 40/2007 beigefügt.<br />
9. Medikamente: Mehr als 5.000 Wechselwirkungen möglich<br />
Nach einer Mitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)<br />
sind Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln weiter verbreitet als bisher angenommen.<br />
Etwa 5.000 Wechselwirkungen mit unterschiedlichem Schweregrad seien bislang bekannt,<br />
etwa 20 % davon seien schwerwiegend. Die klinische Relevanz müsse im Einzelfall<br />
kritisch hinterfragt und der Nutzen gegen das Risiko abgewogen werden. Aufgrund<br />
schwerwiegender Wechselwirkungen seien in den vergangenen Jahren mehrere<br />
Arzneimittel vom Markt genommen worden.<br />
Am häufigsten, so die ABDA, seien Wechselwirkungen bei älteren Patienten, die viele<br />
Medikamente einnehmen würden oder wenn verschiedene Ärzte und Apotheken an<br />
der Versorgung beteiligt seien. Rheumamittel seien die Arzneistoffgruppe mit den<br />
meisten Wechselwirkungen. Ebenfalls problematisch seien viele Medikamente gegen<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum Beispiel Digitalis, Calciumkanalblocker oder Diuretika.<br />
Auch bei rezeptfreien Medikamenten seien Wechselwirkungen möglich. So könne Johanniskraut<br />
die Wirkung der Antibabypille beeinträchtigen und Kalzium die Wirkung<br />
von Medikamenten gegen Osteoporose hemmen. Wenn der Apotheker alle eingenommenen<br />
Arzneimittel kenne, könnten auch die Wechselwirkungen umfassend erkannt<br />
werden. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um vom Arzt verschriebene Arzneimittel<br />
handle oder aus der Selbstmedikation.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 12 von 13<br />
Bei Patienten, die sich in eine Hausapotheke eingeschrieben hätten, würden Wechselwirkungen<br />
am leichtesten erkannt. In vielen Fällen könne der Apotheker zusammen<br />
mit dem Arzt Wechselwirkungen vermeiden, zum Beispiel durch das Ausweichen<br />
auf einen alternativen Wirkstoff oder den Hinweis auf die zeitlich getrennte Einnahme<br />
der Medikamente.<br />
10. Impfung: KKH zahlt Reiseschutzimpfung<br />
Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) und Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein<br />
(KVNO) haben eine Impfvereinbarung geschlossen, wonach die KKH zahlreiche Reiseschutzimpfungen<br />
für den Auslandsurlaub unmittelbar über die Versichertenkarte<br />
abrechnet.<br />
Der Vertrag tritt am 1. Juli 2007 in Kraft und gilt für Impfungen gegen die Krankheiten<br />
Typhus, Gelbfieber, Cholera, Hepatitis A und B, Tollwut, Meningokokken-<br />
Meningitis (Hirnhautentzündung) und Frühsommermeningoenzephalitis - FSME (Zecken-Hirnhaut-Entzündung).<br />
Die KKH hat – nach eigenen Angaben – als erste gesetzliche Krankenkasse im Mai<br />
2007 mit einer vom Bundesversicherungsamt genehmigten Satzungsänderung den<br />
Weg dafür frei gemacht, Reiseimpfungen als Präventionsmaßnahme vor dem Auslandsaufenthalt<br />
als Satzungsleistung zu erstatten.<br />
11. Protestaktion: Demonstration gegen Regress in Niedersachsen<br />
Mit einer Demonstration vor dem Verwaltungsgebäude der AOK Niedersachsen sollen<br />
die niedergelassenen Ärzte nach den Vorstellungen der Freien Ärzteschaft (FÄ) gegen<br />
die Regressforderungen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) protestieren.<br />
Durch die Strafzahlungen, so die FÄ, würden hunderte von Praxen in die Insolvenz<br />
getrieben. Der Begriff Regress sei ohnehin nicht zutreffend. Der Arzt habe von diesem<br />
Geld nicht einen Euro mehr erhalten. Deshalb zahle er auch nichts zurück. Er<br />
werde bestraft, weil er im Interesse der Patienten, mehr Medikamente verschrieben<br />
habe, als die GKV-Kassen vorgesehen hätten.
<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />
28. Juni 2007<br />
Nr. 48/2007 / Seite 13 von 13<br />
Erst seien viel zu niedrige Medikamenten-Budgets vereinbart bzw. vom Schiedsamt<br />
angeordnet worden und dann habe das Geld für die medikamentöse Versorgung der<br />
Patienten nicht ausgereicht. Der Arzt müsse die Strafe aus seinem eigenen Vermögen<br />
bezahlen. Mehr als 800 niedergelassene Ärzte in Niedersachsen sehen sich Regressforderungen<br />
von rund 100 Mio. Euro ausgesetzt.