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<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />

1. KBV: Keine Verhandlungschancen<br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 1 von 13<br />

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr.<br />

Andreas Köhler, sieht die Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen<br />

Krankenkassen (GKV) voll im Zeitplan. S. 4<br />

2. DMP: Noch keine umfassenden Daten zur Qualitätsverbesserung<br />

Die Disease-Management-Programme (DMPs) hätten sich flächendeckend<br />

durchgesetzt und seien so zu einem Erfolgsmodell geworden. So jedenfalls<br />

sieht es der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit (BMG),<br />

Franz Knieps. S. 5<br />

3. Oberarztvergütung: Erfolg des MB vor dem Arbeitsgericht<br />

Der Marburger Bund (MB) hatte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Kassel<br />

Erfolg, wonach ein Arzt, der die Funktion eines Oberarztes ausübt, auch als<br />

Oberarzt nach dem Tarifvertrag des MB bezahlt werden muss. S. 6<br />

4. Bundesversicherungsamt: Aufsichtspraxis bei den Wahltarifen<br />

Das Bundesversicherungsamt (BVA) arbeitet bei der Genehmigung von Wahltarifen<br />

nach dem „Vorsichtsprinzip“. S. 7<br />

5. Bundessozialgericht: Kein Geld nach dem Ausstieg<br />

Ärzte und Zahnärzte haben nach einem „kollektiven Systemausstieg“ aus der<br />

vertragsärztlichen–zahnärztlichen Versorgung keine Vergütungsansprüche gegenüber<br />

den gesetzlichen Krankenkassen (GKV). S. 8<br />

Verlag: Leo <strong>Schütze</strong> GmbH. Büro Berlin: Reinhardtstraße 18, 10117 Berlin, Telefon: 0 30 / 20 65 87-0, Fax: 0 30 / 20 65 87-29,<br />

E-Mail: Berlin@LeoSchuetze-Eurogroup.de. Büro Eifel: Kapellenweg 18, 54614 Dingdorf, Telefon: 0 65 53 / 9 21 10, Fax:<br />

0 65 53 / 9 21 13, E-Mail: Schuetze-Eifel@t-online.de.<br />

Redaktion: Leo <strong>Schütze</strong> (Chefredakteur), Dr. Rudolf Hammerschmidt (verantwortlich), Dr. Franz-Josef Bohle, Günther Sauerbrey,<br />

Erich Schwaiger, Heribert Wollenschläger. Freier Mitarbeiter: Klaus Stark. Alle Rechte liegen beim Verlag. Insbesondere sind die<br />

weitere Nutzung, die Vervielfältigung, die Speicherung und die Verbreitung des <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong>es (sb) nur mit seiner Zustimmung<br />

erlaubt. Dies gilt auch für einzelne Teile des <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong>es falls nicht vertragliche Abmachungen davon abweichen. Der <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong><br />

ist nur im Abonnement erhältlich. Der nächste <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> erscheint am 02. Juli 2007.


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6. Zahnärzte: Ersatzkassen fordern Vergütungsabsenkung<br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 2 von 13<br />

Die Ersatzkassen fordern, zeitgleich mit der Einführung des Gesundheitsfonds<br />

zum 1. Januar 2009, gesetzliche Regelungen zur Preisnivellierung in der zahnärztlichen<br />

Versorgung zu schaffen. S. 8<br />

7. Apotheken: Warten auf die Richter<br />

Der Pharmamarkt ist in eine große Unruhe geraten. Allenthalben rüsten sich die<br />

Akteure für den Einstieg in das Apothekengeschäft, sobald das in Deutschland<br />

geltende Fremd- und Mehrbesitzverbot vor den Schranken des Europäischen<br />

Gerichtshofes (EuGH) fallen sollten. S. 9<br />

8. Privatisierung: BÄK sieht Gefahr der Industrialisierung der Krankenhäuser<br />

Einen erheblichen Änderungsschub in der Krankenhauslandschaft durch die<br />

Privatisierung von Krankenhäusern hat die Bundesärztekammer (BÄK) ausgemacht.<br />

Sie sorgt sich, dass die Ärzte zu Objekten ökonomischer Prozesse werden<br />

könnten. S. 10<br />

9. Medikamente: Mehr als 5.000 Wechselwirkungen möglich<br />

Nach einer Mitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände<br />

(ABDA) sind Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln weiter verbreitet als<br />

bisher angenommen. S. 11<br />

10. Impfung: KKH zahlt Reiseschutzimpfung<br />

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) und Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein<br />

(KVNO) haben eine Impfvereinbarung geschlossen, wonach die KKH zahlreiche<br />

Reiseschutzimpfungen für den Auslandsurlaub unmittelbar über die Versichertenkarte<br />

abrechnet. S. 12


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28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 3 von 13<br />

11. Protestaktion: Demonstration gegen Regress in Niedersachsen<br />

Mit einer Demonstration vor dem Verwaltungsgebäude der AOK Niedersachsen<br />

sollen die niedergelassenen Ärzte nach den Vorstellungen der Freien Ärzteschaft<br />

(FÄ) gegen die Regressforderungen der gesetzlichen Krankenkassen<br />

(GKV) protestieren. S. 12<br />

Dokumentation Nr. 40/2007: Der Auszug Kap. 16/17 der Untersuchung der<br />

Bundesärztekammer mit dem Thema: „Zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern<br />

in Deutschland“.


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1. KBV: Keine Verhandlungschancen<br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 4 von 13<br />

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas<br />

Köhler, sieht die Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen<br />

(GKV) voll im Zeitplan.<br />

Die Turbulenzen auf der Führungsetage der KBV haben, so scheint es, keinen Einfluss<br />

auf die Verhandlungen mit den GKV-Spitzenverbänden zur Vergütungs-reform.<br />

Der gesetzliche Zeitplan ist außerordentlich eng. Die Verhandlungen müssen bis zum<br />

31. Oktober 2007 abgeschlossen sein, damit der neue Bewertungsmaßstab am 1.<br />

Januar 2008 pünktlich in Kraft treten kann.<br />

Die KBV sieht offensichtlich keine Chancen, ihre Vorstellungen zur Vergütungsreform<br />

in den Verhandlungen mit den GKV-Kassen durchzusetzen. In einem aktuellen Interview<br />

ließ Köhler keine Zweifel daran, dass nach seiner Ansicht der Erweiterte Bewertungsausschuss<br />

mit der Stimme des unparteiischen Vorsitzenden über die Vergütungsreform<br />

entscheiden müsse. Dieses Gremium soll so rechtzeitig einberufen werden,<br />

dass die abschließenden Entscheidungen noch vor dem 31. Oktober 2007 getroffen<br />

werden.<br />

In früheren Stellungnahmen hatte Köhler noch die Erwartung geäußert, dass es auf<br />

dem verminten Gelände der Vergütungsreform letztlich zu einer „Ersatzvornahme“<br />

des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) kommen werde. Davon ist im Moment<br />

nicht mehr die Rede, zumal die „Unterstützung“ des BMG nach der Konzeption des<br />

Gesetzes erst dann in Betracht kommen dürfte, wenn die Vertragsverhandlungen<br />

auch im Erweiterten Bewertungsausschuss scheitern sollten.<br />

Dann allerdings ist davon auszugehen, dass das BMG nicht untätig bleibt und zum<br />

Instrument der Ersatzvornahme greift. Angesichts des Versagens der Selbstverwaltung<br />

müsse dann die Politik handeln, so die Begründung.<br />

Im Lager der GKV hat man die Äußerungen des KBV-Vorstandsvorsitzenden mit einem<br />

gewissen Unbehagen zur Kenntnis genommen. Was sollen noch weitere Verhandlungen,<br />

wenn die KBV doch vor den Erweiterten Bewertungsausschuss ziehen<br />

möchte, so wird gefragt.<br />

Tatsächlich liegen aber die Vorstellungen zur Vergütungsreform meilenweit auseinander,<br />

so dass eine Einigung ohne einen neutralen Vermittler als aussichtslos erscheinen<br />

muss. Die Vergütungsforderungen der Ärzte summieren sich auf 18 Mrd.<br />

Euro, während die GKV-Kassen eine „kostenneutrale“ Reform vorziehen.


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28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 5 von 13<br />

2. DMP: Noch keine umfassenden Daten zur Qualitätsverbesserung<br />

Die Disease-Management-Programme (DMPs) hätten sich flächendeckend durchgesetzt<br />

und seien so zu einem Erfolgsmodell geworden. So jedenfalls sieht es der Abteilungsleiter<br />

im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Franz Knieps.<br />

Es fehlt aber derzeit noch an überzeugenden Belegen, dass sich aufgrund der „Chroniker-Programme“<br />

auch die Qualität bei den eingeschriebenen Patienten verbessert<br />

hat. Das wurde bei einer Fachtagung der „AOK im Dialog“ deutlich. Von den über 3<br />

Mio. in DMPs eingeschriebenen Patienten sind rund die Hälfte AOK-Versicherte.<br />

Knieps kündigte an, dass auch nach der Einführung des Gesundheitsfonds ab dem<br />

Jahr 2009 die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) weiterhin finanziell von Programmen<br />

für chronisch Kranke profitieren. Sie sollen dann je eingeschriebenen Versicherten<br />

Zuweisungen für die Programmkosten erhalten. „Von einem Abschied von einer<br />

sehr erfolgreichen Versorgungsform kann also keine Rede sein“, so Knieps.<br />

Die Qualitätsverbesserungen, die sich aus einer ersten und vorläufigen Auswertung<br />

einer von infas, Prognos AG und WIAD durchgeführten Studie ergeben, sind nach<br />

Ansicht von Experten eher bescheiden. Positive Entwicklungen gab es bei den Teilnehmern<br />

des DMP Diabetes mellitus Typ 2. Der Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) sei<br />

beim Eintritt in das DMP im Durchschnitt bereits bemerkenswert gut eingestellt gewesen.<br />

In der ersten Phase der DMP-Teilnahme sei er noch weiter gesenkt worden;<br />

über mehrere Jahre betrachtet sei allerdings ein leichter, verlaufsbedingter Anstieg<br />

zu beobachten.<br />

Der untere (diastolische) Blutdruckwert sei im Auswertungszeitraum von drei Jahren<br />

im Durchschnitt von 83,8 auf 79,5 mm Hg gesunken. Zudem sei unter den teilnehmenden<br />

Patienten die Zahl der Raucher um etwa ein Drittel gesunken; ein Wiederanstieg<br />

sei nicht beobachtet worden. Ausgewertet wurden die Daten von etwa 1,25<br />

Mio. Teilnehmern aus allen Bundesländern.<br />

Die ersten Zwischenergebnisse der ELSID-Studie des Universitätsklinikums Heidelberg<br />

lassen erkennen, dass Ärzte die Vorgaben der DMP zum Vorteil ihrer Patienten<br />

umsetzen. In der ELSID-Studie werden die Behandlungsergebnisse von DMP-<br />

Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern verglichen.<br />

Für den Leiter des Stabsbereichs Medizin im AOK-Bundesverband, Bernhard Egger,<br />

ist klar, dass diese Evaluation nicht den Beweis erbringen könne, dass die DMP der


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28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 6 von 13<br />

besseren Versorgung dienen würde, schon weil die Kontrollgruppe fehle. Man müsse<br />

bestimmten Vorgaben des Bundesversicherungsamtes folgen.<br />

3. Oberarztvergütung: Erfolg des MB vor dem Arbeitsgericht<br />

Der Marburger Bund (MB) hatte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Kassel Erfolg,<br />

wonach ein Arzt, der die Funktion eines Oberarztes ausübt, auch als Oberarzt<br />

nach dem Tarifvertrag des MB bezahlt werden muss.<br />

Das beklagte Klinikum Kassel hatte den Oberarzt eine Stufe tiefer in die Entgeltgruppe<br />

für Fachärzte eingruppiert, obwohl der betroffene Arzt Oberarzttätigkeiten ausübte<br />

(AZ 5 Ca 116/07). "Das Urteil ist eine harte juristische Ohrfeige für alle Klinikarbeitgeber,<br />

die die arztspezifischen Tarifverträge bewusst falsch umsetzen und Oberärzte<br />

um ihr zustehendes Gehalt prellen", so MB-Vorsitzender Dr. Frank Ulrich Montgomery.<br />

Die Arbeitgeber und insbesondere deren Dachverbände Vereinigung der kommunalen<br />

Arbeitgeberverbände (VKA) und Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sollten<br />

Lehren aus dem Urteil ziehen und die „unerträgliche Falschmünzerei" in Sachen Oberarztvergütung<br />

einstellen. Der MB kündigte an, er sei bereit, weiterhin den juristischen<br />

Weg zu beschreiten und für jeden Oberarzt die ihm zustehende Bezahlung<br />

einzuklagen.<br />

Es geht bei der Auseinandersetzung um eine Passage in den neuen Ärzte-<br />

Tarifverträgen, die die Ärztegewerkschaft mit den Arbeitgebern des öffentlichen<br />

<strong>Dienst</strong>es im Jahr 2006 vereinbart hatte. Demnach ist Oberarzt derjenige, dem die<br />

medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik<br />

bzw. Abteilung ausdrücklich übertragen worden ist. Etliche Arbeitgeber, so der MB,<br />

hätten aber den oftmals schon langjährig als Oberärzten tätigen Medizinern die niedriger<br />

bezahlte Facharztgruppe zugewiesen, da es angeblich eine ausdrückliche Übertragung<br />

nicht gegeben habe. Der Marburger Bund argumentiert jedoch, dass es für<br />

eine „Übertragung" im Gegensatz zu einer „Anordnung" keiner schriftliche Form bedürfe.


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28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 7 von 13<br />

4. Bundesversicherungsamt: Aufsichtspraxis bei den Wahltarifen<br />

Das Bundesversicherungsamt (BVA) arbeitet bei der Genehmigung von Wahltarifen<br />

nach dem „Vorsichtsprinzip“.<br />

In der Verbandszeitschrift der Ersatzkassenverbände „Die Ersatzkasse“ hat der Leiter<br />

der Abteilung Kranken- und Pflegeversicherung im BVA, Hartmut Beckschäfer, einen<br />

Überblick über die Aufsichtspraxis der Aufsichtsbehörde für die bundesunmittelbaren<br />

gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gegeben. Ohne die Einführung der neuen Instrumente<br />

zu behindern, möchte das BVA die finanziellen Risiken der Wahltarife, die<br />

nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen dürfen, möglichst engmaschig überwachen.<br />

Die wichtigsten Aspekte zur Genehmigung von Wahltarifen:<br />

<strong>•</strong> Das BVA akzeptiert bei Selbstbehalttarifen Satzungsregelungen, die Leistungen<br />

der Früherkennung und Prävention nicht anrechnen. Weitere Ausnahmen<br />

möchte das Amt nicht zulassen.<br />

<strong>•</strong> Strittig zwischen Amt und GKV-Kassen ist die Frage, ob in Anspruch genommene<br />

Leistungen mit ihren tatsächlichen Kosten vollständig auf den Selbstbehalt<br />

anzurechnen sind, oder ob die GKV-Kasse mehr oder weniger realistische<br />

Pauschalbeträge ansetzen darf. Das BVA lehnt Leistungs-pauschalen ab, ausgenommen<br />

sind nur die Kosten einer Krankenhaus-behandlung im Ausland.<br />

<strong>•</strong> Ein spannendes Thema verspricht die Ausgestaltung der Tarife für die Kostenerstattung<br />

nach § 53 Abs. 4 SGB V zu werden. Beckschäfer stellt klar: Kostenerstattungstarife<br />

dürfen nur für Leistungen der GKV angeboten werden. Strittig<br />

ist, ob sich diese Tarife auch auf die Chefarztbehandlung im Krankenhaus,<br />

die Unterbringung im Zweibett-/Einzelzimmer oder die Auslandsreisekrankenversicherung<br />

beziehen darf. Das BVA würde solche Tarife mit der gebotenen<br />

Sorgfalt abwägen. Aber: „Allein der ‚Casus belli’ – also ein Kostenerstattungstarif,<br />

der eine solche umstrittene Leistung mit umfasste – liege dem BVA bisher<br />

nicht zur Genehmigung vor“.<br />

Das BVA hat inzwischen – so die Zwischenbilanz – 10 Tarife der GKV genehmigt, allerdings<br />

keinen Tarif uneingeschränkt, sondern alle mit gewissen Ausnahmen und<br />

Auflagen, wie Beckschäfer berichtet. Manchen Vorlagen sei die Genehmigung vollständig<br />

versagt worden.


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5. Bundessozialgericht: Kein Geld nach dem Ausstieg<br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 8 von 13<br />

Ärzte und Zahnärzte haben nach einem „kollektiven Systemausstieg“ aus der vertragsärztlichen–zahnärztlichen<br />

Versorgung keine Vergütungsansprüche gegenüber<br />

den gesetzlichen Krankenkassen (GKV).<br />

Mit 3 Entscheidungen zur Vergütung kieferorthopädischen Leistungen hat das Bundessozialgericht<br />

(BSG) in letzter Instanz die rechtliche Aufarbeitung des „Zahnärztestreiks“<br />

in Niedersachsen im Jahre 2004 abgeschlossen. Seinerzeit hatten 40 Kieferorthopäden<br />

ihre vertragsärztliche Kassenzulassung zurückgegeben. Sie behandelten<br />

aber weiterhin ihre GKV-Patienten und rechneten die Leistungen unmittelbar mit den<br />

GKV-Kassen ab.<br />

Das BSG hat in seinen Urteilen vom 27. Juni 2007 entschieden, dass die Zahnärzte<br />

nach dem „Systemausstieg“ keine Vergütungsansprüche gegenüber den GKV-Kassen<br />

– und zwar auch nicht zu verminderten Konditionen der Privatgebührenordnung –<br />

geltend machen können. Nach dem kollektiven Zulassungsverzicht gebe es keine<br />

Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung mehr und damit, so folgerten<br />

die BSG-Richter, entstehe auch kein Vergütungsanspruch gegenüber den GKV-<br />

Kassen (Az.: B 6 KA 37/06 R u. a.).<br />

Damit geht das Urteil des BSG noch über die Sanktionen des Gesetzes beim „Systemausstieg“<br />

hinaus. In § 95 b Abs. 3 SGB V heißt es: „Nimmt ein Versicherter einen<br />

Arzt oder Zahnarzt in Anspruch, der auf seine Zulassung verzichtet hat, zahlt die<br />

Krankenkasse die Vergütung mit befreiender Wirkung an den Arzt oder Zahnarzt. Der<br />

Vergütungsanspruch wurde auf den 1,0-fachen Satz der GOÄ/GOZ beschränkt. Ein<br />

Vergütungsanspruch des Arztes oder Zahnarztes gegen den Versicherten besteht<br />

nicht. Abweichende Vereinbarungen sind nichtig.“<br />

6. Zahnärzte: Ersatzkassen fordern Vergütungsabsenkung<br />

Die Ersatzkassen fordern, zeitgleich mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 1.<br />

Januar 2009, gesetzliche Regelungen zur Preisnivellierung in der zahnärztlichen Versorgung<br />

zu schaffen.<br />

Der stellv. Vorstandsvorsitzende des VdAK/AEV, Dr. Werner Gerdelmann, fordert eine<br />

gesetzliche Regelung zum Abbau der im zahnärztlichen Bereich noch bestehenden<br />

Vergütungsunterschiede zwischen den Kassenarten. Historisch bedingt existieren re-


<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 9 von 13<br />

gionale Punktwertunterschiede im Vergleich der Ersatzkassen zu anderen Kassenarten<br />

von durchschnittlich rund 7,7 %. Bezogen auf die Punktwertunter-schiede im<br />

gesamten Bundesgebiet im Jahre 2005 ergeben sich für die VdAK-Kassen für die<br />

gleichen Leistungen Mehrausgaben von über 200 Mio. Euro.<br />

Im Zeitalter des Gesundheitsfonds mit einer einheitlichen Mittelzuweisung an die gesetzlichen<br />

Krankenkassen (GKV) aus dem Gesundheitsfonds und der Erhebung von<br />

Zusatzbeiträgen allein bei den Versicherten, haben derartige strukturelle Mehrausgaben<br />

verheerende Auswirkungen im Wettbewerb der GKV-Kassen. Gerdelmann<br />

rechnet vor, das von den Ersatzkassen pro Mitglied allein für den zahnärztlichen Bereich<br />

ein Zusatzbeitrag in Höhe von mehr als 12 Euro pro Jahr bei den Versicherten<br />

erhoben werden müsste.<br />

Die Initiative der Ersatzkassen lenkt den Blick auf einen „Webfehler“ im GKW-WSG.<br />

Der Gesetzgeber hat hier im ärztlichen Bereich im Rahmen der Vergütungsreform<br />

eine gesetzliche Angleichung des Punktwertniveaus über alle Kassenarten hinweg<br />

vorgenommen. Eine vergleichbare Regelung für den zahnärztlichen Bereich fehlt<br />

noch.<br />

7. Apotheken: Warten auf die Richter<br />

Der Pharmamarkt ist in eine große Unruhe geraten. Allenthalben rüsten sich die Akteure<br />

für den Einstieg in das Apothekengeschäft, sobald das in Deutschland geltende<br />

Fremd- und Mehrbesitzverbot vor den Schranken des Europäischen Gerichtshofes<br />

(EuGH) fallen sollten.<br />

Die Experten auf dem Pharmamarkt gehen davon aus, dass noch eine geraume Zeit<br />

ins Land gehen wird, bis die Richter endgültig entscheiden. Die mündliche Verhandlung<br />

vor dem EuGH wird voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Die<br />

Urteilsbegründung ist damit frühestens Ende 2008 zu erwarten. Die Bundesregierung<br />

hat wiederholt erklärt, dass sie über Änderungen im nationalen Recht erst auf der<br />

Grundlage einer EuGH-Entscheidung nachdenken werde.<br />

Diese realistische Einschätzung des weiteren Zeitplanes hindert die Akteure in keiner<br />

Weise, sich schon heute für die Zeit nach dem Urteil zu rüsten. Europas größter Internet-Arzneimittelhändler,<br />

DocMorris, baut in Deutschland ein Apothekennetz mit<br />

überraschend hoher Geschwindigkeit aus, berichtet das „Handelsblatt“. „Wir werden


<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 10 von 13<br />

zum Jahresende unser Ziel von 100 neuen Standorten erreichen“, so der Vorstandschef<br />

von DocMorris, Ralf Däinghaus.<br />

Das Unternehmen baut damit sein Netz mit franchise-ähnlichen Markenpartnerschaften<br />

aus. Däinghaus lässt aber keinen Zweifel daran, dass sein Unternehmen mit<br />

eigenen Filialen auf den Markt gehen wird, sofern und sobald der EuGH den Weg für<br />

Kapitalgesellschaften und Filialbildungen im Apothekenmarkt frei macht.<br />

8. Privatisierung: BÄK sieht Gefahr der Industrialisierung der<br />

Krankenhäuser<br />

Einen erheblichen Änderungsschub in der Krankenhauslandschaft durch die Privatisierung<br />

von Krankenhäusern hat die Bundesärztekammer (BÄK) ausgemacht. Sie<br />

sorgt sich, dass die Ärzte zu Objekten ökonomischer Prozesse werden könnten.<br />

Die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen könne angesichts des erhöhten Wettbewerbsdrucks<br />

verloren gehen. Sie sei aber ein wichtiges Qualitätsmerkmal, so der<br />

Vorsitzender der Krankenhausgremien der BÄK, Rudolf Henke. Krankenhäuser seien<br />

keine Fabriken und Patienten keine Werkstücke, „die man wie auf dem Fließband<br />

durch industrielle Wertschöpfungsprozesse schieben“ dürfe. Die humanitäre Zielsetzung<br />

der ärztlichen Hilfe dürfe nicht in den „Schraubstock der betrieblichen Rationalität“<br />

geraten.<br />

Henke schloss nicht aus, dass die Privatisierungswelle angesichts des so entstandenen<br />

Wettbewerbs auch positive Folgen im Organisationsablauf der Krankenhäuser<br />

ganz allgemein gebracht habe. Kritisch merkte er an, dass die stärkere Betonung des<br />

Ökonomischen allerdings auch schon ihren Niederschlag bei den kommunalen und<br />

privaten Trägern gefunden habe.<br />

Ärztinnen und Ärzte seien, so Henke, durchaus bereit zur Mitgestaltung auch ökonomischer<br />

Prozesse. Sie dürften aber nicht zum „kritiklosen Objekt standardisierter Produktionsprozesse<br />

werden“. Damit ärztliche Führungskräfte den medizinischen Erfordernissen<br />

einer individuell ausgerichteten Patientenversorgung und den wirtschaftlichen<br />

Erfordernissen des Krankenhauses gleichermaßen gerecht werden könnten,<br />

brauchen sie genügend Entscheidungsautonomie, sagte Henke.


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28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 11 von 13<br />

Auch seien vielfach die Fragen von Fort- und Weiterbildung nicht geklärt. Bei der Privatisierung<br />

von Universitätskliniken stelle sich die Frage nach der Freiheit von Forschung<br />

und Lehre.<br />

Überlegungen im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), wonach die Möglichkeit<br />

zum Abschluss von Einzelverträgen zwischen gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und<br />

Krankenhäusern geschaffen werden sollte, erteilte Henke eine klare Absage. Der<br />

Kontrahierungszwang müsse erhalten bleiben.<br />

Der Auszug der Kapitel 16/17 der Untersuchung der Bundesärztekammer mit dem<br />

Thema: „Zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern in Deutschland“ ist diesem<br />

<strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> als Dokumentation Nr. 40/2007 beigefügt.<br />

9. Medikamente: Mehr als 5.000 Wechselwirkungen möglich<br />

Nach einer Mitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)<br />

sind Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln weiter verbreitet als bisher angenommen.<br />

Etwa 5.000 Wechselwirkungen mit unterschiedlichem Schweregrad seien bislang bekannt,<br />

etwa 20 % davon seien schwerwiegend. Die klinische Relevanz müsse im Einzelfall<br />

kritisch hinterfragt und der Nutzen gegen das Risiko abgewogen werden. Aufgrund<br />

schwerwiegender Wechselwirkungen seien in den vergangenen Jahren mehrere<br />

Arzneimittel vom Markt genommen worden.<br />

Am häufigsten, so die ABDA, seien Wechselwirkungen bei älteren Patienten, die viele<br />

Medikamente einnehmen würden oder wenn verschiedene Ärzte und Apotheken an<br />

der Versorgung beteiligt seien. Rheumamittel seien die Arzneistoffgruppe mit den<br />

meisten Wechselwirkungen. Ebenfalls problematisch seien viele Medikamente gegen<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum Beispiel Digitalis, Calciumkanalblocker oder Diuretika.<br />

Auch bei rezeptfreien Medikamenten seien Wechselwirkungen möglich. So könne Johanniskraut<br />

die Wirkung der Antibabypille beeinträchtigen und Kalzium die Wirkung<br />

von Medikamenten gegen Osteoporose hemmen. Wenn der Apotheker alle eingenommenen<br />

Arzneimittel kenne, könnten auch die Wechselwirkungen umfassend erkannt<br />

werden. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um vom Arzt verschriebene Arzneimittel<br />

handle oder aus der Selbstmedikation.


<strong>©</strong> <strong>Schütze</strong>-<strong>Brief</strong> <strong>•</strong> <strong>Gesundheitspolitischer</strong> <strong>Info</strong>-<strong>Dienst</strong><br />

28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 12 von 13<br />

Bei Patienten, die sich in eine Hausapotheke eingeschrieben hätten, würden Wechselwirkungen<br />

am leichtesten erkannt. In vielen Fällen könne der Apotheker zusammen<br />

mit dem Arzt Wechselwirkungen vermeiden, zum Beispiel durch das Ausweichen<br />

auf einen alternativen Wirkstoff oder den Hinweis auf die zeitlich getrennte Einnahme<br />

der Medikamente.<br />

10. Impfung: KKH zahlt Reiseschutzimpfung<br />

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) und Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein<br />

(KVNO) haben eine Impfvereinbarung geschlossen, wonach die KKH zahlreiche Reiseschutzimpfungen<br />

für den Auslandsurlaub unmittelbar über die Versichertenkarte<br />

abrechnet.<br />

Der Vertrag tritt am 1. Juli 2007 in Kraft und gilt für Impfungen gegen die Krankheiten<br />

Typhus, Gelbfieber, Cholera, Hepatitis A und B, Tollwut, Meningokokken-<br />

Meningitis (Hirnhautentzündung) und Frühsommermeningoenzephalitis - FSME (Zecken-Hirnhaut-Entzündung).<br />

Die KKH hat – nach eigenen Angaben – als erste gesetzliche Krankenkasse im Mai<br />

2007 mit einer vom Bundesversicherungsamt genehmigten Satzungsänderung den<br />

Weg dafür frei gemacht, Reiseimpfungen als Präventionsmaßnahme vor dem Auslandsaufenthalt<br />

als Satzungsleistung zu erstatten.<br />

11. Protestaktion: Demonstration gegen Regress in Niedersachsen<br />

Mit einer Demonstration vor dem Verwaltungsgebäude der AOK Niedersachsen sollen<br />

die niedergelassenen Ärzte nach den Vorstellungen der Freien Ärzteschaft (FÄ) gegen<br />

die Regressforderungen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) protestieren.<br />

Durch die Strafzahlungen, so die FÄ, würden hunderte von Praxen in die Insolvenz<br />

getrieben. Der Begriff Regress sei ohnehin nicht zutreffend. Der Arzt habe von diesem<br />

Geld nicht einen Euro mehr erhalten. Deshalb zahle er auch nichts zurück. Er<br />

werde bestraft, weil er im Interesse der Patienten, mehr Medikamente verschrieben<br />

habe, als die GKV-Kassen vorgesehen hätten.


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28. Juni 2007<br />

Nr. 48/2007 / Seite 13 von 13<br />

Erst seien viel zu niedrige Medikamenten-Budgets vereinbart bzw. vom Schiedsamt<br />

angeordnet worden und dann habe das Geld für die medikamentöse Versorgung der<br />

Patienten nicht ausgereicht. Der Arzt müsse die Strafe aus seinem eigenen Vermögen<br />

bezahlen. Mehr als 800 niedergelassene Ärzte in Niedersachsen sehen sich Regressforderungen<br />

von rund 100 Mio. Euro ausgesetzt.

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