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Fotos: Annette Breuel<br />
6 <strong><strong>Mainz</strong>er</strong> <strong>Neustadt</strong>-Anzeiger · Januar 2013<br />
Eduard Kreyßig – <strong>de</strong>r Name<br />
zur Straße<br />
(ab) Die Straße, die nach Eduard Wilhelm<br />
Christian Kreyßig, <strong>de</strong>m wohl berühmtesten<br />
Stadt baumeister von <strong>Mainz</strong> (1864 bis 1896)<br />
benannt wur<strong>de</strong>, ist keine <strong>de</strong>r Prachtstraßen und<br />
Boulevards, die er in seinem Leben plante und<br />
bauen ließ. Sie liegt, eher verborgen, in <strong>de</strong>r<br />
Denkmalzone Bismarckplatz im nördlichen<br />
Teil <strong>de</strong>r <strong>Neustadt</strong> zwischen Goetheplatz und<br />
Kaiser-Karl-Ring.<br />
Eduard Kreyßig wur<strong>de</strong> 1830 im Kreis<br />
Schotten als Sohn eines großherzoglich hessischen<br />
Forstbeamten geboren. Als er 1864 <strong>de</strong>n<br />
Ruf zum Stadtbaumeister von <strong>Mainz</strong> erhielt,<br />
hatte er bei renommierten Lehrmeistern bereits<br />
fundierte Erfahrungen erworben: im Tiefbau<br />
und im Eisenbahnbau, im Straßen- und<br />
Brückenbau sowie in <strong>de</strong>r Flussregulierung.<br />
Er kam zu einer Zeit nach <strong>Mainz</strong>, als die<br />
Stadt im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes aus <strong>de</strong>n<br />
Nähten platzte. Die Stadt war seit 1825 formell<br />
Festung <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>s und von einem<br />
gewaltigen Festungsgürtel „eingeschnürt“, <strong>de</strong>r<br />
entlang <strong>de</strong>r heutigen Kaiserstraße verlief.<br />
Außerhalb <strong>de</strong>r Festungsmauern durften aus<br />
militärischen Interessen (freies Schussfeld)<br />
keine Gebäu<strong>de</strong> errichtet wer<strong>de</strong>n. Ausweichmöglichkeiten<br />
gab es zwar im Nor<strong>de</strong>n, im<br />
„Gartenfeld“, aber die Häuser waren nur mit<br />
Ausnahmegenehmigung gebaut. Als „Son<strong>de</strong>rnutzungsgebiet“<br />
gestattet waren dort die Gärten<br />
für <strong>de</strong>n Anbau von Gemüse, Obst, Hopfen,<br />
Flachs und Kräutern. Die industrielle Entwicklung<br />
jedoch löste in <strong>de</strong>r 2. Hälfte <strong>de</strong>s 19.<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts ein rasantes Bevölke rungs wachstum<br />
aus. Um 1870 war die Einwohnerzahl von<br />
<strong>Mainz</strong> fast drei Mal so groß wie die von Frankfurt<br />
o<strong>de</strong>r Berlin.<br />
Ein ausgezeichneter Stadtplaner<br />
Bereits bei seinem Amtsantritt 1864 hatte<br />
Eduard Kreyßig die Dringlichkeit einer Stadterweiterung<br />
erkannt und entwarf 1867 sein<br />
erstes Bebauungskonzept. Ihm schwebte das<br />
Bild einer Stadt vor, die sich im Laufe <strong>de</strong>r Zeit<br />
sowohl nach Nor<strong>de</strong>n wie nach Sü<strong>de</strong>n über die<br />
Grenzen <strong>de</strong>r Wallanlagen vergrößern und entlang<br />
<strong>de</strong>s Rheins entwickeln konnte. Doch erst<br />
nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utsch-französischen<br />
Krieges, als <strong>Mainz</strong> seine militärische Be<strong>de</strong>utung<br />
als Grenzstadt verlor, gelang <strong>de</strong>r Stadt<br />
1872 nach schwierigen Verhandlungen mit <strong>de</strong>m<br />
Schaut von seinem Sockel in <strong>de</strong>r Kaiserstraße auf<br />
sein Werk: Eduard Kreyßig<br />
Festungsgouvernement ein Stadterweite rungsvertrag,<br />
<strong>de</strong>r die Auflassung <strong>de</strong>r nordwestlichen<br />
Gartenfeldfront ermöglichte.<br />
Mit seinen Entwürfen prägte Eduard Kreyßig<br />
das architektonische und städtebau liche<br />
Gesicht <strong>de</strong>r <strong>Neustadt</strong>. Er plante ein großzügiges<br />
symmetrisches Straßennnetz, in <strong>de</strong>m die Straße<br />
nachsen in zentrale Plätze strahlenförmig<br />
einmün<strong>de</strong>n und freie Sicht auf <strong>de</strong>n Dom bieten.<br />
Von dieser Vision blieb allerdings nach fortwähren<strong>de</strong>n<br />
Än<strong>de</strong>rungsauflagen nur wenig<br />
übrig. Einzig <strong>de</strong>r 60 m breite „Boulevard“, <strong>de</strong>r<br />
1888 zu Ehren Kaiser Wilhelms I. in „Kaiserstraße“<br />
umbenannt wur<strong>de</strong>, sowie die heutige<br />
Hin<strong>de</strong>nburgstraße lassen das System noch erahnen,<br />
das Kreyßig vorschwebte. In <strong>de</strong>r Kaiserstraße<br />
erinnert eine Kreyßig-Büste <strong>de</strong>s <strong><strong>Mainz</strong>er</strong><br />
Bildhauers Eduard Lipp (1904) an <strong>de</strong>n vielfach<br />
ausgezeichneten Stadtplaner und Architekten.<br />
Prägen<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rungen<br />
Eine <strong>de</strong>r weitreichendsten Überlegungen in<br />
Kreyßigs Bebauungskonzept war die Verlegung<br />
<strong>de</strong>r Eisenbahntrasse vom Rheinufer an die<br />
Westseite <strong>de</strong>r Stadt (1874), die damit verbun<strong>de</strong>ne<br />
Untertunnelung <strong>de</strong>r Zita<strong>de</strong>lle und die Errichtung<br />
<strong>de</strong>s Hauptbahnhofs. Damit öffnete er die<br />
Stadt zum Fluss hin. Mit <strong>de</strong>m Bau einer zweiten<br />
Eisenbahnbrücke Richtung Wiesba<strong>de</strong>n<br />
tauchten auch erste Entwürfe auf für <strong>de</strong>n Bau<br />
eines Zoll- und Binnenhafen (1887) mit <strong>de</strong>m<br />
großen Lagerhaus, <strong>de</strong>m Verwaltungsgebäu<strong>de</strong><br />
und <strong>de</strong>m Maschinen- und Kesselhaus. Kreyßig<br />
veranlasste weitere Fluss-Anschüttungen, die<br />
Erhöhung <strong>de</strong>s gesamten Niveaus zum Hochwasserschutz<br />
sowie die Anlage einer Uferpromena<strong>de</strong>.<br />
Sein erstes umfangreicheres Wohnprojekt<br />
war die Anlage Schottenhof (1873 bis 1876), in<br />
<strong>de</strong>r er selbst von 1876 bis zu seinem Tod lebte.<br />
Zu<strong>de</strong>m plante er <strong>de</strong>n Umbau <strong>de</strong>s Stadthauses<br />
(1874/75) und <strong>de</strong>s Stadttheaters (1876), die<br />
Restaurierung <strong>de</strong>s Kurfürstlichen Schlosses,<br />
<strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r orthodoxen Synagoge (1877) in<br />
<strong>de</strong>r Margaretenstraße und <strong>de</strong>r jüdischen Friedhofshalle<br />
(1880/81) neben <strong>de</strong>m Hauptfriedhof.<br />
Als sein Hauptwerk gilt die Errichtung <strong>de</strong>r<br />
Christuskirche für die evangelische Gemein<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>r er selbst angehörte. Er begann <strong>de</strong>n Bau<br />
1896 im Stil <strong>de</strong>r italienischen Hochrenaissance,<br />
wobei die Kuppel an <strong>de</strong>n Petersdom in Rom<br />
erinnert. Die Vollendung <strong>de</strong>s Bauwerks (1903)<br />
erlebte er nicht mehr mit. Er starb am 11. März<br />
1897. Seine Grabstätte liegt auf <strong>de</strong>m Hauptfriedhof<br />
in <strong>Mainz</strong>.<br />
Die Benennung <strong>de</strong>r Straße ihm zu Ehren<br />
erfolgte am 19. Oktober 1989.<br />
Ums Eck Haddocks<br />
Treffpunkt <strong>de</strong>r Hobby-Ermittler<br />
(nh) Er begleitet uns seit unserer Kindheit. Er<br />
läutet unumstößlich <strong>de</strong>n Sonntag Abend und<br />
damit das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wochenen<strong>de</strong>s ein. Und er<br />
führt uns quer durch die Republik von Hamburg<br />
nach Münster über Frankfurt nach Stuttgart und<br />
München. Es ist klar, es kann nur von einem die<br />
Re<strong>de</strong> sein: <strong>de</strong>m Tatort!<br />
Wer glaubt, <strong>de</strong>r sonntägliche Tatort sei eine<br />
Institution aus <strong>de</strong>n 70er und 80er Jahren und<br />
heute kaum mehr relevant, irrt. Hört man sich<br />
um, scheint die Tradition <strong>de</strong>s Tatort Schauens<br />
ungebrochen zu sein. Wirft man einen Blick auf<br />
die Statistiken <strong>de</strong>r letzten bei<strong>de</strong>n Jahre, liegen<br />
die Zuschauerzahlen abhängig vom Ermittlerteam<br />
bei sieben bis hin zu elf Millionen.<br />
Tatort in Wohlfühlatmosphäre<br />
Während es sich viele Fans am Abend auf <strong>de</strong>r<br />
Couch gemütlich machen, bietet das Haddocks<br />
eine Alternative an. Was wür<strong>de</strong> auch näher liegen<br />
für eine Kneipe, die sich selbst als „Wohnzimmer<br />
<strong>de</strong>r <strong>Neustadt</strong>“ bezeichnet. In gemütlicher<br />
Run<strong>de</strong> bei wohliger Atmosphäre fährt das<br />
Haddocks nun schon seit über zehn Jahren<br />
je<strong>de</strong>n Sonntag eine Leinwand neben <strong>de</strong>r Bar<br />
herunter. Mit einem Gefühl irgendwo zwischen<br />
Kino-Abend und vertrauter Fernsehrun<strong>de</strong> mit<br />
Freun<strong>de</strong>n, verfallen die Gäste um 20.15 Uhr in<br />
plötzliches Schweigen und starren gebannt zur<br />
Leinwand.<br />
Vor allem in <strong>de</strong>n Wintermonaten, wenn die<br />
neuen Folgen ausgestrahlt wer<strong>de</strong>n, freut sich<br />
das Haddocks über die hohen Besucherzahlen.<br />
Wer einen Platz ergattern möchte, sollte in dieser<br />
Zeit bis etwa 18.30 Uhr da sein. Reservierungen<br />
gibt es an solchen Aben<strong>de</strong>n nicht.<br />
Zusammengerückt wird aber allemal, was<br />
zusätz liche Wohfühlatmosphäre schafft. Wem<br />
trotz guter Atmosphäre noch zu kühl sein sollte,<br />
für <strong>de</strong>n gibt es sogar eine Decke. Mehr Wohnzimmer-Gefühl<br />
geht nun wirklich nicht.<br />
Kenner unter sich<br />
An diesem Abend ist das Ermittler-Team aus<br />
München unterwegs. Die eingefleischten Fans<br />
wissen natürlich, dass es sich dabei nur um<br />
Batic und Leitmayr han<strong>de</strong>ln kann. Bevor es<br />
richtig losgeht, wird sich noch kurz am Tisch<br />
bekannt gemacht. Wenn man schon so kuschelig<br />
sitzt, kann man ja auch etwas voneinan<strong>de</strong>r<br />
erfahren. Am Tisch sitzt ein Tatort-Kenner. Er<br />
ist mit seiner Freundin häufiger im Haddocks<br />
und genießt das Flair an einem Sonntag. Heute<br />
hat er sogar seine Eltern mitgebracht, die gar<br />
nicht in <strong>Mainz</strong> wohnen. Aber selbst für sie ist<br />
dieser Tatort-Abend im Haddocks nicht <strong>de</strong>r<br />
erste. Welch ein generationsübergreifen<strong>de</strong>s<br />
Kom pliment für die Kneipe.<br />
Reduzierte Speisekarte an Tatort-Aben<strong>de</strong>n<br />
Natürlich wird ebenso über die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Tatort-Kommissare gesprochen und nochmal<br />
über die vergangenen Folgen diskutiert.<br />
Pünktlich zum Vorspann verstummen alle<br />
Gäste. In München geht es diesmal um eine<br />
ver<strong>de</strong>ckte Ermittlung im Umfeld einer<br />
Drückerkolonne. Gebanntes Schweigen über<br />
die gesamten 90 Minuten. Während<strong>de</strong>ssen<br />
schleichen die Bedienungen fast ungesehen<br />
zwischen <strong>de</strong>n Reihen hindurch und bringen hier<br />
und da etwas zu trinken.<br />
Nachbereitung am Tisch<br />
Zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tatorts das große Aufatmen.<br />
Nun steht natürlich die Nachbereitung an. Wie<br />
spannend war es? Wie glaubwürdig waren die<br />
Personen? War <strong>de</strong>r Plot realistisch? Relativ<br />
schnell beginnt dann aber auch schon die<br />
Verabschiedungsrun<strong>de</strong>.<br />
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass gera<strong>de</strong><br />
an solchen Tatort-Aben<strong>de</strong>n das Haddocks <strong>de</strong>n<br />
Titel „Wohnzimmer <strong>de</strong>r <strong>Neustadt</strong>“ absolut verdient<br />
hat. Es macht Spaß vorher und nachher zu<br />
diskutieren und <strong>de</strong>n Tatort auf <strong>de</strong>r großen<br />
Leinwand zu schauen. Je nach Stimmung dazu<br />
ein kühles Bier o<strong>de</strong>r einen heißen Kakao, was<br />
wünscht man sich mehr für einen Sonntagabend.<br />
Einziger Wehrmutstropfen: <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong><br />
Weg durch die Kälte nach Hause.<br />
Haddocks<br />
Frauenlobstraße 29a<br />
Tel. 678751<br />
mail@haddocks-mainz.<strong>de</strong><br />
Foto: Nina Hattaß