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Anlagen zur Begutachtungsanleitung ... - MDS

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<strong>Anlagen</strong> <strong>zur</strong> <strong>Begutachtungsanleitung</strong> Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität<br />

BVerfG-Beschluss vom 26.01.1993 – 1 BvL 38/92<br />

Vornamensänderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres<br />

Begrenztheit des Erkenntnisvermögens könne es dem Gesetzgeber nicht verwehrt werden, zusätzlich<br />

eine Altersgrenze einzuführen, um eine vorzeitige Fixierung zu vermeiden. Anderenfalls<br />

ginge das Prognoserisiko zu Lasten der Betroffenen; in deren wohlverstandenem Interesse solle<br />

die gesetzliche Regelung dem vorbeugen.<br />

Die Festlegung der Grenze auf 25 Jahre könne unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative<br />

des Gesetzgebers nicht als offensichtlich fehlsam bezeichnet werden. Für sie gebe es vielmehr<br />

vernünftige, einleuchtende Gründe. Etwas anderes gelte auch nicht deshalb, weil die große<br />

Lösung nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1982 unterhalb dieser Grenze<br />

möglich sei. Anders als bei der Feststellung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit, die operative<br />

Eingriffe voraussetze, gebe es bei der bloßen Vornamensänderung in aller Regel keine vergleichbaren<br />

Indizien für eine irreversible Entscheidung.<br />

2. Die Antragsteller der Ausgangsverfahren zu 1 BvL 40/92 und 1 BvL 43/92 haben vorgetragen:<br />

Das Argument des Bundesministers des Innern, die Altersgrenze für die Vornamensänderung verhindere<br />

eine vorzeitige Fixierung auf den Transsexualismus bei noch nicht ausgereiften Persönlichkeiten,<br />

beruhe auf unzutreffenden Annahmen über die Entstehung der Geschlechtsidentität.<br />

Angesichts der seit 1982 bestehenden Möglichkeit für jüngere Transsexuelle, nach geschlechtsumwandelnden<br />

medizinischen Behandlungen die Personenstandsänderung zu erreichen, sei nicht<br />

ersichtlich, inwiefern die zusätzliche Möglichkeit, vor Vollendung des 25. Lebensjahres die Vornamen<br />

zu ändern, zu einer größeren Zahl von Transsexuellen führen könnte.<br />

Die Altersgrenze habe keinen Bezug zu etwaigen diagnostischen Schwierigkeiten; die Diagnose<br />

sei bei jüngeren Transsexuellen sogar leichter. Auch die Therapie hänge nicht vom Lebensalter<br />

des Betroffenen ab, sondern von den Umständen des Einzelfalles. Auf eine Einschätzungsprärogative<br />

könne sich der Gesetzgeber auch deshalb nicht stützen, weil die Altersgrenze von 25 Jahren<br />

außerhalb dessen liege, was in den fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen diskutiert werde.<br />

Wie sich aus den Antworten auf die Anfrage des Bundesministers für Jugend, Familie und<br />

Gesundheit von 1983 ergebe, hielten die maßgeblichen Fachleute eine Altersgrenze von 18 Jahren<br />

für wünschenswert und eine solche von 21 Jahren für vertretbar, ein Mindestalter von 25 Jahren<br />

aber eindeutig für zu hoch. Dass der Gesetzgeber nach Einholung dieser Stellungnahmen<br />

bewusst von der Einführung einer Altersgrenze für die medizinischen Eingriffe abgesehen habe,<br />

lasse auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 TSG in einem neuen Licht erscheinen.<br />

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 TSG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.<br />

B.<br />

I.<br />

1. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen<br />

unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot<br />

bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung<br />

der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang<br />

mit anderen Verfassungsnormen.<br />

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