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Anlagen zur Begutachtungsanleitung ... - MDS

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<strong>Anlagen</strong> <strong>zur</strong> <strong>Begutachtungsanleitung</strong> Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität<br />

BVerfG-Beschluss vom 26.01.1993 – 1 BvL 38/92<br />

Vornamensänderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres<br />

3. Da § 1 Abs. 1 Nr. 3 TSG schon wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist,<br />

kann offenbleiben, ob die Regelung auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1<br />

Abs. 1 GG Bedenken begegnet.<br />

II.<br />

Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären<br />

(§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Etwas anderes gilt mit Rücksicht auf die Gestaltungsfreiheit<br />

des Gesetzgebers, wenn ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auf verschiedene Weise<br />

behoben werden kann. Ist aber mit Sicherheit anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei Beachtung<br />

des allgemeinen Gleichheitssatzes die nach der Nichtigerklärung verbleibende Regelung<br />

wählen würde, so darf das Bundesverfassungsgericht eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Regelung<br />

für nichtig erklären (vgl. BVerfGE 27, 391 [399]).<br />

Ein solcher Fall liegt hier vor. Da der Gesetzgeber - nach Einholung von Stellungnahmen - davon<br />

abgesehen hat, eine Altersgrenze für geschlechtsanpassende Operationen vorzusehen, ist nicht<br />

davon auszugehen, dass er für die Vornamensänderung eine neue Altersgrenze einführen würde.<br />

Ob eine deutlich niedrigere Altersgrenze als die bisher in § 1 Abs. 1 Nr. 3 TSG vorgesehene mit<br />

dem Gleichheitssatz vereinbar wäre, bedarf deshalb keiner Prüfung.<br />

Es kann auch ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber <strong>zur</strong> Beseitigung der Verfassungswidrigkeit<br />

den Weg wählen würde, die Regelung über die Vornamensänderung völlig aufzuheben<br />

und das Transsexuellengesetz auf die große Lösung zu beschränken; die Frage, ob eine solche<br />

Entscheidung dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hinreichend Rechnung tragen würde, braucht<br />

deshalb auch in diesem Zusammenhang nicht geklärt zu werden. Die Entscheidung, die kleine<br />

Lösung neben der großen Lösung vorzusehen, wurde 1980 nach eingehender Diskussion getroffen.<br />

Anhaltspunkte dafür, dass diese Regelung sich nicht bewährt oder zu Missbräuchen geführt<br />

hat, sind nicht erkennbar. Die Stellungnahmen der Bundesärztekammer und der Deutschen Gesellschaft<br />

für Sexualforschung aus den Jahren 1983 und 1984 sprechen gegen eine solche Annahme;<br />

auch der Bundesminister des Innern hat in seiner Äußerung zu diesem Verfahren keine<br />

Anhaltspunkte für nachteilige Auswirkungen der kleinen Lösung genannt. Die mit dieser Lösung<br />

verbundene Erwartung, dass eine erleichterte Vornamensänderung dazu beitragen könnte, die<br />

Situation Transsexueller schon vor einer Operation wesentlich zu verbessern und den Entscheidungsspielraum<br />

der behandelnden Ärzte wie auch des Transsexuellen selbst zu erweitern, scheint<br />

sich eher bestätigt zu haben (vgl. Cabanis, in: Festschrift für Horst Leithoff, 1985, S. 487 [491];<br />

Pfäfflin, StAZ 1986, S. 199 [201 f.]). Von einer positiven Wertung ist offenbar auch der Gesetzgeber<br />

ausgegangen, als er die kleine Lösung bei der Neufassung des Passgesetzes im Jahre 1986<br />

noch einmal bestätigt hat. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 PaßG enthält der vorläufige Pass abweichend<br />

von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 PaßG keine Angabe über das Geschlecht; damit soll die Situation<br />

Transsexueller, die bereits eine Vornamensänderung erreicht haben, bei denen jedoch das personenstandsrechtliche<br />

Feststellungsverfahren nach § 8 TSG noch nicht durchgeführt ist, erleichtert<br />

werden (vgl. BTDrucks. 10/5128, S. 5).<br />

Herzog, Henschel, Grimm, Kühling, Söllner, Seibert, Dieterich<br />

(Der Richter Seidl ist durch Krankheit an der Unterschrift gehindert. Herzog)<br />

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