BIBER - Magazin für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
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ELDINA SLIPAC IST IN WIEN GEBOREN, SIE STUDIERT DEUTSCHE PHILOLOGIE,<br />
LEKTORIERT "<strong>BIBER</strong>" UND SIEHT ÖSTERREICH ALS IHRE HEIMAT. TROTZDEM HAT<br />
SIE KEINEN ÖSTERREICHISCHEN PASS. IM BRIEF AN DEN INTEGRATIONSSTAATS-<br />
SEKRETÄR SEBASTIAN KURZ STELLT SIE DESWEGEN DIE FRAGE: "WARUM WIRD<br />
MIR DIE STAATSBÜRGERSCHAFT VERWEHRT?"<br />
Sehr geehrter Herr Kurz,<br />
Mein Name ist Eldina, ich wurde 1988 in Österreich geboren <strong>und</strong> habe hier insgesamt 22<br />
meiner 25 Lebensjahre verbracht. Trotzdem habe ich kein Anrecht auf die österreichische<br />
Staatsbürgerscha <strong>und</strong> nun frage ich Sie – warum eigentlich?<br />
Ich wurde in Wien als Tochter einer bosnischstämmigen Gastarbeiterfamilie geboren<br />
<strong>und</strong> lebte von da an in einem beschaulichen Dorf in Niederösterreich. Ich besuchte drei<br />
Jahre lang den Kindergarten, beendete hier die Volksschule <strong>und</strong> wurde schließlich in eine<br />
AHS eingeschult. Ich passte mich überall problemlos an <strong>und</strong> fand schnell Anschluss, aber<br />
wieso auch nicht? Immerhin empfand ich dieses Land samt seinen Einw<strong>ohne</strong>rn nicht als<br />
fremd, sondern war meines Erachtens eine von ihnen, oder um es anders auszudrücken,<br />
ich war vollständig integriert. Bosnien kannte ich nur von den kurzen Urlauben ein- bis<br />
zweimal im Jahr, mein Lebens<strong>mit</strong>telpunkt lag jedoch eindeutig in Österreich, hier waren<br />
meine Fre<strong>und</strong>e, hier ging ich zur Schule <strong>und</strong> selbst die deutsche Sprache war <strong>für</strong> mich<br />
quasi meine Muttersprache. Zuhause sprachen meine Eltern ausschließlich bosnisch, ich<br />
hingegen eine Mischung aus beidem. Sicherlich spürte ich o mals an den Blicken <strong>und</strong><br />
Kommentaren meiner Mitmenschen, wenn ich zum Beispiel ein Telefonat <strong>mit</strong> meiner<br />
Mutter führte oder jemanden aus meiner Klasse zu mir nach Hause einlud, dass ich<br />
<strong>für</strong> viele keine „waschechte“ Österreicherin bin, doch mich kümmerte das nie. Für mich<br />
stand fest – dies war meine Heimat <strong>und</strong> hier wollte ich bleiben. Doch wie das Leben so<br />
spielt, wandte sich das Blatt <strong>mit</strong> der Pensionierung meiner Eltern. Nach 40 Jahren harter<br />
Arbeit im Bau- <strong>und</strong> Gastronomiegewerbe wollten sie nun ihren Lebensabend in Bosnien<br />
verbringen <strong>und</strong> die Strapazen der letzten Jahrzehnte hinter sich lassen. Im Alter von 17<br />
Jahren stand ich also vor der Wahl <strong>und</strong> war zwiegespalten – soll ich <strong>mit</strong>gehen <strong>und</strong> <strong>mit</strong><br />
ihnen ganz von vorne anfangen oder alleine in Österreich zurückbleiben <strong>und</strong> sehen, wie<br />
ich mich zurecht nde?<br />
Nach reichlicher Überlegung erkannte ich jedoch, dass ich noch nicht bereit war, vollkommen<br />
alleine <strong>für</strong> mich zu sorgen <strong>und</strong> ich wollte ehrlich gesagt auch nicht auf meine<br />
Familie verzichten müssen. So wanderte ich 2005 <strong>mit</strong> meinen Eltern aus <strong>und</strong> erfüllte<br />
ihnen da<strong>mit</strong> einen Herzenswunsch. Doch ihr Glück sollte nicht lange währen, denn nach<br />
kurzer Zeit verstarben sie <strong>und</strong> folglich war ich nun doch auf mich alleine gestellt <strong>und</strong><br />
stand erneut vor derselben Frage – bleiben, wo ich bin, oder wieder zurückkehren? Nach<br />
langem Hin <strong>und</strong> Her begri ich schließlich, dass <strong>für</strong> mich <strong>und</strong> meine Zukun eine Rückkehr<br />
am sinnvollsten wäre. Lange Rede, kurzer Sinn, ich inskribierte Deutsche Philologie<br />
an der Universität Wien <strong>und</strong> fand ein Zuhause bei meiner Schwester in Niederösterreich.<br />
Schnell wurde mir aber klar, dass man <strong>ohne</strong> eine EU/EWR-Staatsbürgerscha nicht weit<br />
POLITIKA & GESELLSCHAFT<br />
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