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Wie die Kinder Leben lernen Band 1 - Baeuml-rossnagl.de

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Ein lebensfeindliches Symptom unserer gegenwärtigen<br />

Alltagswelt zeigt sich in <strong>de</strong>r Dichotomie<br />

zwischen einer ganzheitlichen Liebesund<br />

Leibbeziehung und einer atomistischen Verkürzung<br />

<strong>de</strong>r Leib-Liebe-Erfahrung in isolierter<br />

körperlicher Liebeslustproduktion. Daß auch<br />

Kin<strong>de</strong>l- immel- offenkundigel- zu Lustobjekten<br />

mißbl-aucht wer<strong>de</strong>n. muß ein beson<strong>de</strong>res Warnzeichen<br />

sein.<br />

Je mehr von LUST <strong>die</strong> Re<strong>de</strong> war, <strong>de</strong>sto unlustiger.<br />

erschrecken<strong>de</strong>r, bedrohlicher wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong><br />

Darstellungen <strong>de</strong>r Kunst, auch und gera<strong>de</strong> wenn<br />

sie erotische Themen behan<strong>de</strong>lte: und je frenetischer<br />

man nach Freiheit verlangte, <strong>de</strong>sto ausgeklügelter<br />

waren <strong>die</strong> Fessel- und Foltermetho<strong>de</strong>n.<br />

<strong>de</strong>nen das organische Subjekt-Objekt unterwOl-fen<br />

wUI-<strong>de</strong>.<br />

Wenn das Publikum mit Entsetzen reagierte,<br />

wur<strong>de</strong> ihm erklärt. es handle sich hier um DENK­<br />

ANSTÖSSE. um Auffor<strong>de</strong>rungen also, mehr<br />

Glück. Freiheit. Menschenwür<strong>de</strong> einesteils zu<br />

for<strong>de</strong>rn, an<strong>de</strong>rnteils zu gewähren. Die Denkanstöße,<br />

so nötig und heilsam sie in vielen Fällen<br />

gewesen sein mögen, hagelten dann aber so<br />

dicht, daß sie schließlich - umgekehrt - zur Gewöhnung<br />

führten: Achselzuckend ließ man gewähren,<br />

was nun einmal nicht verän<strong>de</strong>rbar<br />

schien. Was sich anfangs als pädagogisches Engagement<br />

für <strong>de</strong>n Menschen angeboten hatte,<br />

verwan<strong>de</strong>lte sich bald in <strong>die</strong> graue Tapete eines<br />

zur Langeweile <strong>de</strong>gra<strong>die</strong>rten Nihilismus. unter<br />

<strong>de</strong>r man sich so ungestört wie möglich einzurichten<br />

suchte.<br />

Die befreite Geschlechtlichkeit hatte also<br />

(Ausnahmen immer zugegeben) im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Bil<strong>de</strong>nen Künste weniger Lust und lebendige<br />

Mitempfindungen als Abstumpfung und ein laxes<br />

Laissez-faire/Laissez-aller mit sich gebracht.<br />

Fussenegger, G.: Uns hebt <strong>die</strong> Welle. Liebe, Sex und<br />

Literatur. Ein Essay. Freiburg: Her<strong>de</strong>r 1984, S. 54<br />

EinAbschiedkann so weh tun wie ein Schnitt ins<br />

Fleisch. Umgekehrt hinterlassen körperliche Verletzungen<br />

auch seelische W"un<strong>de</strong>n.<br />

W" as ist Schmerz?<br />

Andreas hat Bauchweh. Er hat zuviel Kuchen<br />

gegessen. Mama zaubert das Bauchweh weg:<br />

"Das Bauchweh ist wie ein kleiner Vogel. Das<br />

Bauchweh fliegt ganz hoch, auf <strong>die</strong> Spitze eines<br />

Baumes. Dann fällt das Bauchweh runter in <strong>de</strong>n<br />

Fluß. Plumps! Ein Krokodil kommt angeschwommen<br />

und frißt das Bauchweh auf. Das<br />

hätte es lieber nicht tun sollen, <strong>de</strong>nn danach bekommt<br />

es ganz doll Bauchweh. »Aua, aua!«<br />

schreit es. Seine Mutter kommt ganz aufgeregt<br />

angeschwommen und sagt zu ihm: >,Dann<br />

spuck's doch aus!« Das tut es, und dann hat es<br />

kein Bauchweh mehr. Das Bauchweh schwimmt<br />

weiter - wie ein kleiner Fisch. Wer es frißt, bekommt<br />

selber Bauchweh. Nur Andreas und das<br />

Krokodil haben kein Bauchweh mehr."<br />

Zärtlichkeiten<br />

Die Arme ausbreiten<br />

Märchen erzählen<br />

Blätter samme In<br />

Bauchweh wegstreicheln<br />

Einmal hab ich Bauchweh gehabt. Das Bauchweil<br />

war das Diktat. das wir an <strong>de</strong>m Tag, an <strong>de</strong>m<br />

ich Bauchweh bekam, schreiben sollten. Als ich<br />

morgens aufwachte, hatte ich schon ein leises<br />

LEIDENSW"EGE<br />

Grummeln im Magen, "Ich habe Bauchweh", habe<br />

ich zu meiner Mutter gesagt.<br />

"Schreibst du eine Arbeit heute?" hat sie mich<br />

gefragt. Ich kann nicht lügen, höchstens mal ein<br />

bißchen flunkern. Aber dann kriege ich auch<br />

schon wie<strong>de</strong>r Bauchweh. Also laß ich das lieber<br />

sein. Dann schon lieber Bauchweh, weil ich irgen<strong>de</strong>ine<br />

Arbeit schreibe. "Ja, aber ich hab wirklich<br />

Bauchweh!" habe ich zu meiner Mutter gesagt.<br />

Da hat sie mir eine Entschuldigung geschrieben.<br />

Ich bin nicht zur Schule gegangen. Mutter<br />

hat gesagt, daß ich zu Hause bleiben soll, und<br />

sie hat mir eine Suppe gemacht und mit mir Diktat<br />

geübt. Als ich am nächsten Morgen zur<br />

Schule gegangen bin, hab ich kein Bauchweh<br />

mehr gehabt.<br />

Der Lehrer war auch krank gewesen. Er hatte<br />

auch Bauchweh gehabt. Er sagte, er hätte was<br />

Schlechtes gegessen. Dann hat er <strong>die</strong> Arbeit mit<br />

uns allen nachgeschrieben, und ich hab nur wenig<br />

Fehler gemacht. Seit<strong>de</strong>m hab ich kein<br />

Bauchweh mehr vor einer Arbeit. Mutter sagt,<br />

auch Bauchweh muß man mal haben. Man muß<br />

nur wissen, warum.<br />

V. Gelberg, H.-J.: Die Er<strong>de</strong> ist mein Haus. Jahrbuch<br />

<strong>de</strong>r <strong>Kin<strong>de</strong>r</strong>literatur. Weinheim/Basel: Beltz 1988,<br />

S. 215<br />

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