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Hanife Gashi Mein Schmerz trägt deinen Namen - Rowohlt

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nem Kosenamen. «Hanni, wir wollen gehen. Es ist spät geworden,<br />

unsere Eltern warten.»<br />

Hastig packte ich mein Zeug zusammen und rannte zu den anderen.<br />

Mit den auf Ästen gespießten Fischen machten wir uns auf<br />

den zwei Kilometer langen Weg in unser Dorf. Fröhlich lachend<br />

grüßten wir die Bäuerinnen und Bauern in den Paprikafeldern. Bald<br />

würde die Ernte reif sein, Krusha Madhe war bekannt für seine<br />

leckere Paprika.<br />

Wir verabschiedeten uns vor der Tankstelle. Ich winkte. Die<br />

Abendsonne warf ihr warmes Licht über die Straßen des 5000-Einwohner-Dorfes.<br />

Bald würden die drei Lebensmittelgeschäfte und<br />

das kleine Einkaufszentrum schließen. Auf der geteerten Hauptstraße,<br />

die noch weich von der Sonne war, ließ ich das Rathaus<br />

hinter mir, die große Ärzte-Ambulanz, die Bibliothek und die Konzerthalle<br />

mit dem Jugendzentrum. Weil ich mich beeilen musste,<br />

konnte ich keinen Blick mehr in die Eisdiele werfen, in der ich mich<br />

oft mit Freundinnen traf. Ich hastete die gepfl asterte Seitenstraße<br />

hinauf und bog um die letzte Ecke. Die Straße war aus Erde. Als ich<br />

das gewölbte, schwarze Ziegeldach unseres 300 Jahre alten Hauses<br />

sah, beschleunigte ich meine Schritte noch. Es war in den Hang gebaut<br />

und hatte zwei Geschosse. Vor der Haustür wuchsen Blumen.<br />

Eilig riss ich die Tür auf, meine Mutter wartete bereits. «Na, das<br />

war ja mal wieder im letzten Augenblick», sagte sie.<br />

<strong>Mein</strong>e Familie: Von fünf Schwestern und drei Brüdern war ich das<br />

fünfte Kind. Die kräftigen schwarzen Haare und den dunklen Teint<br />

hatte ich von meiner Mutter. Deshalb nannten mich die Kinder<br />

manchmal neckend «die Zigeunerin» oder «die Schwarze».<br />

Man sagte, ich hätte auch ihr Lächeln und ihre dunklen Augen<br />

geerbt. Mit ihren fünfundvierzig Jahren war sie zupackend und<br />

bodenständig. Sie war Herr und Frau im Haus. Sie entschied und<br />

organisierte, wachte über die Finanzen und erzog uns Kinder. In<br />

der Erziehung hatte sie Prinzipien und legte Wert auf eine klare Linie.<br />

Zum Beispiel auf Pünktlichkeit. Aber trotz ihrer gelegentlichen<br />

Strenge erzog sie uns offen und tolerant.<br />

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