09.03.2013 Aufrufe

Neues Pfingsten oder alte Gleise? - Missionszentrale der Franziskaner

Neues Pfingsten oder alte Gleise? - Missionszentrale der Franziskaner

Neues Pfingsten oder alte Gleise? - Missionszentrale der Franziskaner

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

In diesem Heft<br />

Vorwort |<br />

Stephan Ottenbreit OFM<br />

<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong><br />

<strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>? |<br />

Norbert Arntz<br />

Benedikt XVI. und die<br />

Option für die Armen |<br />

Gustavo Gutiérrez OP<br />

Die Große Kontinentale<br />

Mission |<br />

Cláudio Hummes OFM<br />

Das Martyrium ist <strong>der</strong><br />

Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

|<br />

Cláudio Hummes OFM<br />

Das Projekt Aparecida |<br />

José Comblin<br />

Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />

|<br />

Norbert Arntz<br />

ISSN 1618-9264<br />

III/2007 G21131F<br />

102<br />

Bischofsversammlung<br />

Aparecida 2007<br />

<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong><br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

Berichte<br />

Dokumente<br />

Kommentare<br />

missionszentrale<br />

<strong>der</strong> franziskaner


Bischofsversammlung<br />

Aparecida 2007<br />

missionszentrale<br />

<strong>der</strong> franziskaner<br />

2007<br />

<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong><br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?


Impressum<br />

Die Grüne Schriftenreihe „Berichte – Dokumente – Kommentare“<br />

erscheint vierteljährlich und kann abonniert werden.<br />

Herausgeber: <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> e.V.<br />

ISSN: 1618-9264<br />

Verantwortlich für Redaktion und Übersetzung:<br />

Pfarrer Norbert Arntz<br />

Layout und Satz: Jakina Ulrike Wesselmann, wDsign<br />

Fotos: Norbert Arntz / Markus Bücker<br />

Redaktion missionszentrale <strong>der</strong><br />

und Anschrift: franziskaner<br />

Albertus-Magnus-Str. 39<br />

53177 Bonn<br />

Postfach 20 09 53<br />

53139 Bonn<br />

Telefon: 02 28 / 9 53 54-0<br />

Telefax: 02 28 / 9 53 54-40<br />

E-Mail: post@missionszentrale.de<br />

http://www.mzf.org<br />

Verlag und Versand: <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> GmbH<br />

Bankverbindung:<br />

Bank für Orden und Mission<br />

BLZ 510 917 11<br />

Konto 80 0071 08<br />

Gedruckt auf EnviroTop Recycling Papier<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 5<br />

Die Bischofsversammlung 7<br />

von Aparecida – <strong>Neues</strong><br />

<strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

Benedikt XVI. und die 19<br />

Option für die Armen<br />

Die Große Kontinentale 27<br />

Mission<br />

Predigt: Das Martyrium ist 31<br />

<strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

Das Projekt von Aparecida 35<br />

Ein gefälschtes 48<br />

Schlussdokument?<br />

Bisher erschienene Titel 54<br />

Inhalt<br />

Stephan Ottenbreit OFM<br />

Norbert Arntz<br />

Gustavo Gutiérrez OP<br />

Cláudio Hummes OFM<br />

Cláudio Hummes OFM<br />

José Comblin<br />

Norbert Arntz


Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Vorwort<br />

Die V. Generalversammlung von Bischöfen<br />

aus Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik,<br />

vom 13. bis 31. Mai in den brasilianischen<br />

Wallfahrtsort Aparecida<br />

einberufen, hat die Hoffnung auf ein<br />

neues <strong>Pfingsten</strong> wie<strong>der</strong> erweckt. Unter<br />

dem Leitwort „Jünger und Missionare Jesu<br />

Christi, damit unsere Völker in ihm das<br />

Leben haben“ bekennt sich die lateinamerikanische<br />

Kirche in Aparecida zu ihrer<br />

Eigenständigkeit im vielgestaltigen Prozess<br />

<strong>der</strong> Weltkirche. Sie entdeckt, dass das<br />

Leitwort nicht nur ein gutes Thema für eine<br />

bedeutsame Konferenz darstellt, son<strong>der</strong>n<br />

die Quintessenz des Evangeliums<br />

ausmacht. Kurzum: Aparecida – als Dokument<br />

und Ereignis – verweist darauf,<br />

dass <strong>der</strong> Geist des Evangeliums Jesu die<br />

heutigen kulturellen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

und politischen Konstellationen durchwehen<br />

soll, „damit unsere Völker in ihm<br />

das Leben haben“.<br />

Mit dem vorliegenden Heft wollen<br />

wir „den Text“ von Aparecida kommentierend<br />

begleiten. Den Text von Aparecida<br />

bildet eben nicht nur das aus 554<br />

Abschnitten zusammengesetzte Schlussdokument,<br />

das die Versammlung am 31.<br />

Mai verabschiedete und das in Kürze in<br />

deutscher Übersetzung zur Verfügung<br />

stehen wird. „Der Text von Aparecida“<br />

besteht aus dem gesamten Ereignis, angefangen<br />

von <strong>der</strong> kontinentweiten Vorbereitung<br />

in Gemeinden, Diözesen und<br />

Organisationen über den Papstbesuch<br />

zur Eröffnung <strong>der</strong> Generalversammlung,<br />

die eigene Dynamik des Wallfahrtsortes<br />

Aparecida bis zu den Konflikten um<br />

die Manipulation des verabschiedeten<br />

Vorwort<br />

Stephan Ottenbreit OFM<br />

Pfarrer Norbert Arntz<br />

Schlussdokumentes und die Auswirkung<br />

von Aparecida auf die Gemeinden und<br />

Teilkirchen.<br />

Gustavo Gutiérrez, <strong>der</strong> peruanische<br />

Befreiungstheologe, betrachtet deshalb<br />

die Eröffnungsansprache des Papstes unter<br />

dem Blickwinkel <strong>der</strong> Option für die Armen.<br />

Der <strong>Franziskaner</strong> Claudio Hummes,<br />

bis 2006 Erzbischof von Sao Paulo, jetzt<br />

Präfekt <strong>der</strong> vatikanischen Kleruskongregation<br />

in Rom, beschreibt in Predigt und<br />

Statement das Projekt <strong>der</strong> „Kontinentalen<br />

Mission“. Der brasilianische Theologe<br />

José Comblin legt dar, inwiefern die<br />

„kontinentale Mission“ eine radikale Umkehr<br />

des gesamten kirchlichen Systems<br />

bedeutet.<br />

Norbert Arntz, <strong>der</strong> im Namen und<br />

Auftrag <strong>der</strong> <strong>Missionszentrale</strong> als akkreditierter<br />

Beobachter die V. Generalversammlung<br />

aus nächster Nähe verfolgen<br />

konnte, beschreibt ausführlich den von<br />

ihm erlebten Prozess und dokumentiert<br />

am Ende an Textbeispielen, wie das verabschiedete<br />

Schlussdokument manipuliert<br />

wurde.<br />

Mit unserem „Grünen Heft“ wollen<br />

wir den Leserinnen und Lesern eine Hilfe<br />

anbieten, besser verstehen zu lernen, was<br />

Aparecida für die Lateinamerikanische<br />

Kirche und für die Weltkirche bedeutet.<br />

Bonn Bad Godesberg, 3. November<br />

2007, am Festtag des Heiligen Martin de<br />

Porres, dem aus Peru stammenden heiligen<br />

Mestizen, an dessen Teller Hund, Katz und<br />

Maus gemeinsam tafeln.


Versammlungsort: die Basilika von Aparecida<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Die Bischofsversammlung von Aparecida –<br />

<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

Eine quasi fatalistische<br />

Haltung nach Santo<br />

Domingo (1992)<br />

Nach 1992 rechnete niemand mehr<br />

damit, dass es noch einmal eine Generalversammlung<br />

des Episkopats von Lateinamerika<br />

und <strong>der</strong> Karibik geben werde. Als<br />

Papst Johannes Paul II. bei <strong>der</strong> Eröffnungsansprache<br />

zur IV. Generalversammlung<br />

in Santo Domingo 1992 seine Absicht<br />

bekannt gab, eine Kontinentalsynode für<br />

die gesamte Kirche von Amerika einzuberufen,<br />

schien die Geschichte <strong>der</strong> „Generalversammlungen<br />

des Episkopats von<br />

Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik“ besiegelt.<br />

Der Prozess, <strong>der</strong> im Jahre 1955 mit <strong>der</strong><br />

ersten Versammlung in Rio de Janeiro und<br />

<strong>der</strong> Gründung des Lateinamerikanischen<br />

Bischofsrates (CELAM) begonnen hatte,<br />

<strong>der</strong> in Medellín 1968 mit <strong>der</strong> kreativen<br />

Rezeption des II. Vatikanums ein neues<br />

<strong>Pfingsten</strong> für Lateinamerika bewirkt und<br />

dann in Puebla (1979) trotz römischer Wi<strong>der</strong>stände<br />

die Kirche <strong>der</strong> Armen in Lateinamerika<br />

bestärkt hatte, schien beendet zu<br />

werden. Man gewann den Eindruck, dass<br />

römische „Kontinentalsynoden“, die nur<br />

beratende Funktion für den Papst haben,<br />

die Zukunft <strong>der</strong> Weltkirche bestimmen<br />

würden und dass deshalb die in Lateinamerika<br />

entstandene Tradition <strong>der</strong> „Generalversammlungen“<br />

mit ihrer relativen<br />

Autonomie aufgegeben werde. Dieser<br />

Eindruck bestätigte sich durch die Amerika-Synode,<br />

die <strong>der</strong> Papst für 1997 nach<br />

Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

Norbert Arntz<br />

geb. 1943 in Kleve, Pfarrer und<br />

Mitarbeiter in <strong>der</strong> <strong>Missionszentrale</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

Rom einberufen hatte. Damals galt als Losung<br />

„Ein einziges Amerika, eine einzige<br />

Kirche“.<br />

Ein überraschen<strong>der</strong><br />

Vorschlag<br />

Die quasi fatalistische Haltung <strong>der</strong><br />

lateinamerikanischen Gremien wurde<br />

im Jahre 2001 durchbrochen. Bei <strong>der</strong><br />

in Caracas einberufenen Versammlung<br />

des Lateinamerikanischen Bischofsrates<br />

(CELAM), des kontinentalen Kooperationsorgan<br />

für die nationalen Bischofskonferenzen,<br />

unterbreitete Kardinal Oscar<br />

Rodriguez Madariaga von Tegucigalpa/<br />

Honduras den Vorschlag, das fünfzigjährige<br />

Bestehen des CELAM im Jahre 2005<br />

zu nutzen, um eine weitere Generalversammlung<br />

einzuberufen, die die Aufgabe<br />

hätte, den bisherigen Weg <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Kirche zu überdenken<br />

und die neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen für<br />

die Kirche des Kontinents zu formulieren.<br />

Fast alle Teilnehmenden griffen den Vorschlag<br />

zustimmend auf und entwickelten<br />

ihn zu einem formellen Plan weiter.<br />

Dass es erst 2007 zur 5. Generalversammlung<br />

kam, lässt darauf schließen, welch<br />

schwierigen Weg <strong>der</strong> Vorschlag durchlaufen<br />

musste. Erst musste man die Phase<br />

des Undenkbaren hinter sich lassen, dann<br />

die Phase des Vorstellbaren absolvieren<br />

und schließlich ein realisierbares Projekt<br />

daraus machen, um die Zustimmung Johannes<br />

Pauls II. zu erlangen.


Dieser entscheidende Schritt ist dem<br />

Bemühen des damaligen CELAM-Präsidenten,<br />

Kardinal Errázuriz, zu verdanken.<br />

Er hat die Initiative ergriffen, die Kirche<br />

Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik offiziell<br />

zu konsultieren. Von 22 Bischofskonferenzen<br />

äußerten sich 20 zugunsten <strong>der</strong><br />

Durchführung einer „Generalversammlung“.<br />

Von 30 lateinamerikanischen Kardinälen<br />

waren 18 dafür. Als die Führung<br />

des CELAM dem Papst diese Daten vorlegte,<br />

entschied Johannes Paul II.: „Ich<br />

will das, was die Kirche Lateinamerikas<br />

will“. Das war das Signal zur Durchführung<br />

<strong>der</strong> Generalversammlung.<br />

Die Chance ergreifen<br />

Die Veröffentlichung des „documento<br />

de participación“ weckte zunächst<br />

nur geringes Interesse und wenig Begeisterung.<br />

Es entsprach we<strong>der</strong> den Problemen,<br />

mit denen die Bevölkerung zu<br />

kämpfen hatte, noch jenen, vor die sich<br />

die Kirche gestellt sah. Es spiegelte eher<br />

die in <strong>der</strong> Kirche stärker gewordenen Regressionstendenzen,<br />

die vor allem bei <strong>der</strong><br />

4. Generalversammlung in Santo Domingo<br />

1992 spürbar gewesen waren. Von <strong>der</strong><br />

Vitalität des II. Vatikanums <strong>o<strong>der</strong></strong> gar jener<br />

<strong>der</strong> Konferenz von Medellín (1968) war<br />

darin nichts mehr zu erkennen. Verständlich,<br />

dass anfangs Skepsis und Gleichgültigkeit<br />

das Empfinden gegenüber <strong>der</strong><br />

geplanten Generalversammlung stärker<br />

beherrschten als Wünsche und Hoffnungen.<br />

Man sollte die Chance nicht<br />

verpassen, eine lebendige,<br />

prophetische Kirche zu werden.<br />

Aber <strong>der</strong> Lateinamerikanische Bischofsrat<br />

(CELAM) hatte bei <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

des „documento de participación<br />

“ selbst kund getan, dass es sich<br />

nicht um den Entwurf einer Vorlage für<br />

ein mögliches Schlussdokument handele,<br />

son<strong>der</strong>n dass <strong>der</strong> Text die ganze Kirche<br />

in Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik provozieren<br />

solle, sich an <strong>der</strong> Vorbereitung aktiv<br />

zu beteiligen.<br />

Je mehr man auf den verschiedenen<br />

Ebenen <strong>der</strong> Kirche über die geplante Generalversammlung<br />

redete und sich mit Thema<br />

und Dokument auseinan<strong>der</strong> setzte, desto<br />

stärker breitete sich die Stimmung aus,<br />

man sollte die Chance nicht verpassen,<br />

die sich mit <strong>der</strong> geplanten 5. Generalversammlung<br />

bot, son<strong>der</strong>n die Gelegenheit<br />

beim Schopf ergreifen und darauf dringen,<br />

die Realität wie<strong>der</strong> zum Ausgangspunkt<br />

für die Arbeit <strong>der</strong> Versammlung zu<br />

machen, dem beson<strong>der</strong>en Markenzeichen<br />

lateinamerikanischer Pastoral in weiten<br />

Kreisen. Man wollte den Zusammenhang<br />

zwischen dem christlichen Glauben<br />

und einer befreienden Praxis erneut unterstreichen,<br />

um die hoffnungsstiftende Kraft<br />

des Glaubens zu bezeugen. Man wollte<br />

wie<strong>der</strong> eine lebendige, prophetische Kirche<br />

werden, in <strong>der</strong> die kirchlichen Basisgemeinschaften<br />

das neue Antlitz <strong>der</strong> Kirche<br />

zeigen, insofern sie jeweils mitten in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft den Zusammenhang von<br />

Glaube und Leben, von Utopie und wirksamem<br />

Handeln bezeugen.<br />

Man wollte die Option für die Armen<br />

erneut hervorheben und verlebendigen,<br />

um zu bestärken, dass man die<br />

Welt nicht nur mit den Augen <strong>der</strong> Armen<br />

zu sehen und dementsprechend zu handeln<br />

gewillt ist, son<strong>der</strong>n die Armen und<br />

Ausgeschlossenen auch als Subjekte einer<br />

neuen Gesellschaft zu verstehen und ihre<br />

Bedeutung für die Evangelisierung <strong>der</strong><br />

Kirche zu unterstreichen habe.<br />

In dem mehrjährigen Vorbereitungsprozess<br />

wurden immer mehr Menschen<br />

mobilisiert. Ortskirchen, Ordensgemeinschaften<br />

und Laiengremien, aber auch<br />

Einzelpersonen nützten die Gelegenheit,<br />

ihre Meinungen und Erwartungen<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Das Gnadenbild von Aparecida<br />

zu Thema und Dokument zu äußern. Die<br />

Bischofskonferenzen aller Län<strong>der</strong> Lateinamerikas<br />

und <strong>der</strong> Karibik fassten dann auf<br />

nationaler Ebene die eingegangenen Vorschläge<br />

und Anregungen zusammen und<br />

glie<strong>der</strong>ten sie nach Themen. Die schriftlich<br />

eingereichten Beiträge umfassten<br />

schließlich mehr als 2400 Seiten. Der CE-<br />

LAM veröffentlichte daraufhin ein Resümee<br />

aller von den Bischofskonferenzen<br />

Immer mehr Menschen nutzten<br />

die Gelegenheit, ihre Meinungen<br />

und Erwartungen zu Thema und<br />

Dokument zu äußern.<br />

weitergeleiteten Vorschläge (das sogenannte<br />

„documento de síntesis“), egal<br />

ob diese von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> Laien stammten. Dieses<br />

Dokument von 188 Seiten sollte ebenfalls<br />

als Arbeitsmaterial für die Versammlung<br />

dienen, nicht als Vorlage für ein Schlussdokument<br />

gewertet werden.<br />

Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

Die Dynamik des Versammlungsortes<br />

Aparecida<br />

Anfangs überlegte man die Versammlung<br />

in Rom einzuberufen, um dem kranken<br />

Papst die Teilnahme zu erleichtern.<br />

Nach dem Tod des Papstes waren Buenos<br />

Aires/Argentinien und Santiago de Chile im<br />

Gespräch. Da schlug Papst Benedikt überraschend<br />

das braslianische Aparecida vor,<br />

einen Marienwallfahrtsort von nationaler,<br />

ja kontinentaler Bedeutung. Sicherlich hatte<br />

diese Wahl in erster Linie kirchlich symbolische<br />

Bedeutung: Die Bedeutung Marias<br />

in <strong>der</strong> Volksfrömmigkeit des gesamten<br />

Kontinents; die lokale „Legende“, die erzählt,<br />

dass die Anfänge <strong>der</strong> Marienverehrung<br />

in Brasilien eng mit <strong>der</strong> „Mae Negra“<br />

– wie das Gnadenbild auch genannt wird<br />

– verbunden sind, und die pastoralen Auswirkungen<br />

eines Marienwallfahrtsortes auf<br />

die Kirche in Lateinamerika. Welche weiteren,<br />

vorher vielleicht nicht bedachten<br />

Implikationen die Wahl des Ortes haben<br />

könnten, sollte sich erst im Verlauf <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

herausstellen.


10<br />

Der Wallfahrtsort brachte es mit sich,<br />

dass diese Konferenz – im Unterschied zu<br />

den vorherigen in Santo Domingo, Puebla<br />

und Medellín – im ständigen Kontakt mit<br />

dem einfachen Volk stand, das in Scharen<br />

die Basilika aufsuchte. Die tägliche Eucharistiefeier<br />

<strong>der</strong> Konferenzteilnehmenden<br />

morgens um 8 Uhr wurde mit allen Pilgerinnen<br />

und Pilgern gefeiert, die zur Basilika<br />

kamen. An Samstagen und Sonntagen<br />

waren häufig bis zu 100 000 Menschen<br />

in und um die Basilika anzutreffen, in <strong>der</strong><br />

ca. 30.000 Menschen Platz haben, während<br />

<strong>der</strong> Ort Aparecida nur 40.000 Einwohner<br />

zählt. Nach den Gottesdiensten<br />

drängten sich die Menschen um die Bischöfe,<br />

um sie anzusprechen <strong>o<strong>der</strong></strong> einen<br />

persönlichen Segen für sich und ihre Kin<strong>der</strong><br />

zu erbitten. Die Leute ließen die Bischöfe<br />

nicht unbehelligt in die täglichen<br />

Sitzungen gehen, die im Untergeschoss<br />

<strong>der</strong> Basilika stattfanden. Ein lapidarer Satz<br />

im Schlussdokument spiegelt nur in dürren<br />

Worten, was die Bischöfe erlebt hatten:<br />

„Die vielen Menschen, die aus ganz<br />

Brasilien und aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n Amerikas<br />

zum Marienheiligtum pilgerten, haben<br />

uns gestärkt und evangelisiert.“<br />

Initiativen aus <strong>der</strong> Kirche<br />

Lateinamerikas<br />

Um den Versammlungsort herum<br />

brachten verschiedene Initiativen die<br />

Mit-Sorge des Gottesvolkes um das Gelingen<br />

<strong>der</strong> 5. Generalversammlung zum<br />

Ausdruck.<br />

Eine Fußwallfahrt in <strong>der</strong> Nacht<br />

vom 19. zum 20. Mai führte ca. 10.000<br />

Menschen vom 10 km entfernten Roseiras<br />

nach Aparecida. Die Basisgemeinden<br />

hatten sie zusammen mit den Verantwortlichen<br />

für die Sozialpastoral und <strong>der</strong><br />

Jugendpastoral organisiert. An vier Stationen<br />

wurden die vorangegangenen Versammlungen<br />

von Rio de Janeiro, Medellín,<br />

Puebla, und Santo Domingo in Erinne-<br />

rung gerufen, um den bisherigen Weg<br />

<strong>der</strong> lateinamerikanischen Kirche nachzuzeichnen<br />

und die Identität <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Kirche herauszustellen.<br />

Ein theologisches Seminar für Lateinamerika<br />

– vom Laienrat <strong>der</strong> brasilianischen<br />

Kirche getragen – hatte in dem<br />

Nachbarort mit dem schwer auszusprechenden<br />

Namen Pindamonhangaba ca.<br />

250 Vertreter und Vertreterinnen aus vielen<br />

brasilianischen Staaten und aus 16<br />

weiteren Län<strong>der</strong>n Lateinamerikas und<br />

Europas versammelt. Unter dem Leitwort<br />

„Das Volk Gottes mit Christus dem Befreier<br />

auf dem Weg nach Aparecida“ reflektierten<br />

sie über das Thema <strong>der</strong> 5. Generalversammlung<br />

und stellten in ihrem Brief<br />

an das Volk Gottes fest: „Die Menschheit<br />

Elisabeth macht die Menschenwürde<br />

<strong>der</strong>er bewusst, die für die<br />

Gesellschaft nicht mehr als Produktivkraft<br />

nützlich sind<br />

erlebt gegenwärtig eine System-Krise,....<br />

die das Gefüge <strong>der</strong> Beziehungen zwischen<br />

den Menschen und <strong>der</strong> Menschen mit <strong>der</strong><br />

gesamten Schöpfung aus dem Gleichgewicht<br />

bringt. ... Die Kirche durchläuft<br />

ebenfalls eine tiefe Krise: die Anzahl <strong>der</strong><br />

Gläubigen geht zurück; es gibt eine Spaltung<br />

zwischen Glaube und alltäglichem<br />

Leben; religiöse Sprache und Symbole<br />

werden nicht erneuert; die straffe pyramidale<br />

Struktur verhin<strong>der</strong>t die Anerkennung<br />

von allgemeinem Priestertum und<br />

Sendung des gesamten Gottesvolkes; die<br />

Laien und insbeson<strong>der</strong>e die Frauen werden<br />

we<strong>der</strong> als kirchliche Subjekte noch als<br />

Entscheidungsträger anerkannt.“<br />

Deshalb soll die Kirche so gest<strong>alte</strong>t<br />

werden, „dass sie zu einem Netzwerk lebendiger<br />

Gemeinschaften werde, in denen<br />

das Volk Gottes selbst seine Stimme<br />

laut werden lassen kann; dass die latein-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


amerikanischen und karibischen Ortskirchen<br />

ihre eigenen Strukturen mit den<br />

historisch entwickelten drei Säulen <strong>der</strong><br />

Basisgemeinden, <strong>der</strong> Sozialpastoral und<br />

<strong>der</strong> Bischofskonferenzen, wie<strong>der</strong> stärker<br />

zur Geltung bringen; dass die Kirche engen<br />

Kontakt zur Realität habe; dass sie<br />

Bündnisse mit den gesellschaftlichen Bewegungen<br />

schmiede und so als Sauerteig<br />

wirke in den Aktivitäten <strong>der</strong> Menschen,<br />

die an einer neuen Gesellschaft mitwirken.<br />

Denn eine an<strong>der</strong>e Welt, in <strong>der</strong> die Solidarität<br />

globalisiert wird, ist möglich“.<br />

Ein Zelt <strong>der</strong> Märtyrer war während<br />

<strong>der</strong> gesamten Dauer <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

wenige hun<strong>der</strong>t Meter von <strong>der</strong><br />

Basilika entfernt in <strong>der</strong> Nähe des Flusses<br />

Paraiba errichtet, wo <strong>der</strong> Legende nach<br />

das Gnadenbild <strong>der</strong> „Mae Negra“ von<br />

drei Fischern gefunden worden war. Das<br />

Zelt, in dem die Basisgemeinden und die<br />

Sozialpastoral ihr Verständnis des Kircheseins<br />

leben, die politisch-ökonomischen<br />

Verhältnisse diskutieren, nach ihrer Art<br />

die Bibel lesen, beten und Gottesdienst<br />

feiern konnten, war in Absprache mit<br />

dem CELAM aufgeschlagen worden. Ausgestattet<br />

mit einem großen Transparent,<br />

auf dem die Märtyrerinnen und Märtyrer<br />

von ganz Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik<br />

mit Fotografien und Namen in Erinnerung<br />

gerufen wurden, sowie mit Bil<strong>der</strong>n<br />

und Symbolen, die in Basisgemeinden<br />

entstanden waren und das Engagement<br />

<strong>der</strong> Kirche <strong>der</strong> Armen lebendig werden<br />

ließen, wurde das Zelt zum offenen Raum<br />

für den ständigen Dialog zwischen Pilgernden<br />

und Konferenzteilnehmern. Der<br />

Tag begann mit dem Morgenlob <strong>der</strong> Gemeinden.<br />

Nachmittags fanden Bibelgespräche<br />

statt, abends feierten eine Reihe<br />

von Bischöfen bzw. Teilnehmern <strong>der</strong><br />

Konferenz mit den Vertretern <strong>der</strong> Basisgemeinden<br />

Eucharistie. Das Zelt symbolisierte<br />

den Willen des einfachen Volkes,<br />

am kirchlichen Ereignis von Aparecida<br />

Anteil zu nehmen. Bischöfe, Ordensleu-<br />

Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

te, Priester, Diakone, Repräsentanten von<br />

Afrika, Asien, Europa, Kanada sind durch<br />

das Zelt gegangen; sie alle haben erfahren<br />

können, welche Hoffnungen und<br />

Wünsche im einfachen Volk leben. Täglich<br />

kamen Menschen vorbei, um für das<br />

Gelingen <strong>der</strong> 5. Generalversammlung zu<br />

beten und sich über das auszutauschen,<br />

was im Versammlungsraum geschah.<br />

Amerindia, eine Gruppe von ca. 30<br />

Theologinnen und Theologen, hatte in<br />

Absprache mit dem CELAM theologische<br />

Assistenz für die Teilnehmer <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

angeboten. Sie studierten<br />

gemeinsam mit den Bischöfen, die dies<br />

wünschten, vorgelegte Texte, unterstützten<br />

die Bischöfe bei <strong>der</strong> Erarbeitung<br />

eigener Texte und boten ein Forum für<br />

Die Christologie gehört tatsächlich<br />

heutzutage zu den wichtigsten<br />

theologischen Problemen.<br />

Austausch und Reflexion sowie methodische<br />

Hilfen an. Sie ließen sich von <strong>der</strong><br />

überraschenden Verurteilung <strong>der</strong> christologischen<br />

Werke von Jon Sobrino nicht<br />

das Denken verbieten. Die Notifikation<br />

<strong>der</strong> vatikanischen Glaubenskongregation<br />

über die Werke von Jon Sobrino wurde<br />

nicht zufällig am Vorabend <strong>der</strong> Konferenz<br />

von Aparecida publiziert. Sie sollte<br />

offenbar wie ein Warnschuss wirken. Die<br />

Christologie gehört tatsächlich heutzutage<br />

zu den wichtigsten theologischen Problemen.<br />

Eine entscheidende Frage lautet<br />

nämlich: Welche Bedeutung hat das<br />

Menschsein Jesu für Glauben und Praxis<br />

<strong>der</strong> Kirche? Welche Bedeutung haben die<br />

Worte und Taten Jesu, wie sie von den<br />

Evangelien erzählt werden? Worin besteht<br />

das Menschsein Jesu? Was heißt es<br />

überhaupt, ein Mensch zu sein?<br />

11


12<br />

Das Klima<br />

im Versammlungsraum<br />

Die 266 Delegierten <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

von Aparecida nahmen<br />

in unterschiedlicher Kompetenz an <strong>der</strong><br />

Versammlung teil: als Mitglie<strong>der</strong>, Gäste,<br />

Beobachter <strong>o<strong>der</strong></strong> Experten. Nur die Mitglie<strong>der</strong><br />

– Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe<br />

– hatten Stimmrecht. Die Gäste<br />

kamen aus den Bischofskonferenzen von<br />

Kanada, USA, Spanien, Portugal, Afrika,<br />

Europa und Asien, ferner Ordensobere,<br />

Vertreter <strong>der</strong> lateinamerikanischen Konferenz<br />

<strong>der</strong> Ordensleute (CLAR), Laienvertreter<br />

von kirchlichen Bewegungen und<br />

Vertreter kirchlicher Hilfswerke. Sie alle<br />

hatten zwar kein Stimmrecht, durften<br />

aber mit beraten und bei <strong>der</strong> Abfassung<br />

von Texten mitwirken. Anfangs schienen<br />

die Teilnehmer mit nur geringen Erwartungen<br />

zu kommen. Im Prozess des<br />

Kennenlernens und des Austausches vor<br />

allem in den Kommissionen öffnete sich<br />

aber mehr und mehr das Klima, so dass<br />

sich <strong>der</strong> Raum für einen neuen Geist auftat.<br />

Bereits in einer <strong>der</strong> ersten Abstimmungen<br />

entschieden sich die Delegierten<br />

für den Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln<br />

als Arbeitsmethode <strong>der</strong> V. Generalversammlung.<br />

Zugleich beschloss man,<br />

dass die Ergebnisse von Aparecida nach<br />

dem Beispiel <strong>der</strong> Versammlungen von<br />

Rio de Janeiro (1955), Medellin (1968),<br />

Puebla (1979) und Santo Domingo<br />

(1992) in einem Schlussdokument veröffentlicht<br />

werden sollten.<br />

Die erstmals anwesenden evangelischen<br />

Beobachter sorgten dafür, dass<br />

die katholischen Bischöfe sensibler für<br />

ihre Sprache wurden. Anfangs redeten<br />

die Bischöfe noch ziemlich leichtfertig<br />

davon, dass die „Sekten“ <strong>der</strong> Kirche die<br />

Gläubigen wegnehmen. Damit tat man<br />

nicht nur den historischen Kirchen Unrecht,<br />

son<strong>der</strong>n unternahm auch allzu<br />

offensichtlich den Versuch, die Verant-<br />

wortung für die eigene Lage auf an<strong>der</strong>e<br />

abzuschieben. Die vier evangelischen<br />

Beobachter richteten eine gemeinsame<br />

Botschaft an die Versammlung und appellierten<br />

an sie: „Damit unsere Anwesenheit<br />

als Christen aus an<strong>der</strong>en Konfessionen<br />

nicht von Konfrontation und Streit<br />

gekennzeichnet sei, scheint es uns notwendig,<br />

eine Sprache zu verwenden, die es gestattet,<br />

die bereits existierenden Kommunikationsstränge<br />

zu nutzen und weitere neue<br />

Brücken zu schlagen. Uns gegenseitig als<br />

Kirchen und christliche Gemeinschaften anzuerkennen,<br />

ist die Methode, die Türen für<br />

den Dialog offen zu h<strong>alte</strong>n, und <strong>der</strong> Dialog<br />

ist unverzichtbar, um gemeinsam jegliche<br />

sektiererische bzw. streitsüchtige Praxis verbannen,<br />

die jedem echten missionarischen<br />

Geist wi<strong>der</strong>spricht.“ Sie erinnerten daran,<br />

dass auch die evangelischen Kirchen zur<br />

Evangelisierung und zur Kultur in Lateinamerika<br />

und <strong>der</strong> Karibik beigetragen haben<br />

und dass auch in ihren Reihen Märtyrer<br />

zu finden sind.<br />

Dom Erwin Kräutler, Bischof von<br />

Xingú im Amazonas, <strong>der</strong> als Delegierter<br />

<strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />

teilnahm, stellte am Ende fest: „Es ist bewun<strong>der</strong>nswert,<br />

wie trotz <strong>der</strong> nationalen<br />

Unterschiede ein Konsens gefunden wurde<br />

und am Ende <strong>der</strong> Versammlung über ein<br />

118 Seiten starkes Schlussdokument abgestimmt<br />

werden konnte, von dem bei <strong>der</strong> Eröffnung<br />

<strong>der</strong> Konferenz keine einzige Seite<br />

existierte. Die Atmosphäre war durchweg<br />

herzlich und das gemeinsame Interesse, einen<br />

neuen Impuls für die Evangelisierung des<br />

Kontinentes zu geben, ließ die Bischöfe den<br />

gemeinsamen Nenner suchen. Ich bin <strong>der</strong><br />

Überzeugung, dass <strong>der</strong> Heilige Geist diese<br />

Versammlung inspirierte. Das Schlussdokument<br />

enthält Aussagen, die bei Beginn <strong>der</strong><br />

Versammlung kaum denkbar waren. Dennoch<br />

blieben heiße Eisen wie beispielsweise<br />

die Weihe Verheirateter weiterhin ausgespart,<br />

obwohl manche Bischöfe gerne darüber<br />

diskutiert hätten. Beson<strong>der</strong>s schade<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


ist es, dass die Märtyrer Lateinamerikas<br />

nur im einen <strong>o<strong>der</strong></strong> an<strong>der</strong>en Nebensatz aufscheinen.<br />

Viele von uns hätten sich eine angemessenere<br />

Würdigung dieser Frauen und<br />

Männer erwartet, die um des Reiches Gottes<br />

und seiner Gerechtigkeit willen ihr Blut<br />

vergossen haben.“<br />

Der Papst in Aparecida<br />

Papst Benedikt unterstrich durch seine<br />

Anwesenheit bei <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong><br />

Generalversammlung die weltkirchliche<br />

Bedeutung dieses Ereignisses. In seiner<br />

Predigt beim Eröffnungsgottesdienst am<br />

13. Mai auf dem Vorplatz <strong>der</strong> Kathedrale<br />

in Anwesenheit von ca. 250.000 Teilnehmenden<br />

griff er die Tageslesung aus<br />

<strong>der</strong> Apostelgeschichte über das „Apostelkonzil<br />

von Jerusalem“ auf und sagte: „Die<br />

führenden Kreise <strong>der</strong> Kirche streiten miteinan<strong>der</strong><br />

konfrontativ, aber stets in einer<br />

spirituellen Offenheit für das Wort Gottes,<br />

so dass sie am Ende feststellen können: ‚Es<br />

erschien dem Heiligen Geist und uns……’<br />

Das ist die ‚Methode’, die wir in kleinen<br />

und großen Versammlungen <strong>der</strong> Kirche<br />

anwenden.“ Mit dieser Auffor<strong>der</strong>ung,<br />

die verschiedenen Positionen ins Spiel zu<br />

bringen und miteinan<strong>der</strong> zu ringen, anerkannte<br />

er verschiedene, auch sich wi<strong>der</strong>sprechende<br />

Positionen grundsätzlich<br />

an, so dass viele Teilnehmende sich vom<br />

Druck befreit fühlten, sich selbst erst legitimieren<br />

zu müssen.<br />

Die Kirche ist Anwältin <strong>der</strong><br />

Gerechtigkeit und <strong>der</strong> Armen<br />

Bei <strong>der</strong> ersten Sitzung <strong>der</strong> Versammlung<br />

am Nachmittag des 13. Mai, die <strong>der</strong><br />

Papst mit einer Ansprache eröffnete, betonte<br />

<strong>der</strong> Papst, dass die Option für die<br />

Armen eine christologische Wurzel hat:<br />

„die bevorzugte Option für die Armen<br />

(ist) im christologischen Glauben an jenen<br />

Gott implizit enth<strong>alte</strong>n, <strong>der</strong> für uns<br />

Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

arm geworden ist, um uns durch seine<br />

Armut reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9).“<br />

„Die Kirche ist Anwältin <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />

und <strong>der</strong> Armen, eben dann wenn sie sich<br />

we<strong>der</strong> mit Politikern noch mit Partei-Interessen<br />

identifiziert.“ Mit diesen wenigen<br />

Sätzen hatte er die Option für die Armen<br />

<strong>der</strong> prinzipiellen Infragestellung entzogen<br />

und zum Kernbestand des Glaubens<br />

erklärt. Auch die Bemerkung zur Globalisierung<br />

ließ aufhorchen: Sie sei einerseits<br />

„eine Errungenschaft <strong>der</strong> gesamten<br />

Menschheitsfamilie und ein Hinweis auf<br />

den tiefen Wunsch nach Einheit, birgt in<br />

sich aber auch das Risiko großer Monopole<br />

und das Risiko, den Profit zum obersten<br />

Wert zu machen“. Im Großen und<br />

Ganzen herrschte am Konferenzort Erleichterung<br />

darüber, dass die Rede keine<br />

Verbote aussprach; sie machte vielmehr<br />

den Raum <strong>der</strong> Debatte weit auf. Im Hinblick<br />

auf den Verlauf <strong>der</strong> Konferenz war<br />

dies wohl einer <strong>der</strong> entscheidenden Vorzüge<br />

<strong>der</strong> Rede.<br />

Doch es gab auch die negative Überraschung:<br />

<strong>der</strong> Papst deutete die Evangelisierung<br />

Amerikas auf eine Weise, wie man<br />

sie nach <strong>der</strong> IV. Generalversammlung von<br />

1992 in Santo Domingo nicht mehr erwartet<br />

hatte. An<strong>der</strong>s als noch Johannes<br />

Paul II., <strong>der</strong> 1992 von den Licht- und<br />

Schattenseiten <strong>der</strong> Evangelisierung gesprochen<br />

und im Schuldbekenntnis um<br />

Vergebung gebeten hatte; an<strong>der</strong>s als das<br />

Schlussdokument <strong>der</strong> Bischofsversammlung<br />

von Santo Domingo, das seinerseits<br />

die „indigenen und afroamerikanischen<br />

Geschwister vor <strong>der</strong> grenzenlosen Heiligkeit<br />

Gottes“ um Vergebung gebeten hatte<br />

„für alles, was an Sünde, Unrecht und Gewalttat“<br />

bei <strong>der</strong> Eroberung und Erstevangelisierung<br />

geschehen war – an<strong>der</strong>s also<br />

als diese Dokumente des kirchlichen<br />

Lehramtes behauptete Papst Benedikt<br />

XVI. in seiner Eröffnungsrede: „Tatsächlich<br />

hat die Verkündigung Jesu und seines<br />

Evangeliums zu keiner Zeit eine Entfrem-<br />

13


1<br />

Bischöfe bei <strong>der</strong> Eucharistiefeier in <strong>der</strong> Basilika<br />

dung <strong>der</strong> präkolumbischen Kulturen mit<br />

sich gebracht und war auch nicht die Auferlegung<br />

einer fremden Kultur.“ „Christus<br />

war <strong>der</strong> Erlöser, nach dem sie sich im Stillen<br />

sehnten.“ Das Conquista-Unternehmen<br />

als schiedlich-friedliche Verkündigung<br />

zu kennzeichnen, aber alle Verbrechen,<br />

die gegen die Kulturen <strong>der</strong> Ureinwohnerinnen<br />

verübt wurden, schweigend zu<br />

übergehen, ist eine schlimme historische<br />

Entgleisung.<br />

Viele Indígena-Organisationen und<br />

eine Reihe von Politikern, unter ihnen<br />

die Präsidenten Chavez von Venezuela<br />

und Morales von Bolivien, waren über<br />

die Behauptung des Papstes empört und<br />

for<strong>der</strong>ten eine Entschuldigung des Papstes.<br />

Auch viele Teilnehmende <strong>der</strong> Generalversammlung,<br />

Bischöfe, Priester und<br />

Laien, waren bestürzt und wehrten sich<br />

innerlich heftig gegen die einseitige Darstellung<br />

<strong>der</strong> Conquista durch den Papst,<br />

ohne dies nach außen kundzutun. Man<br />

fragte sich, wie die vatikanische Diplomatie<br />

einen solchen Text nach dem Bußakt<br />

von Santo Domingo 1992 und dem<br />

Bußakt vom 1. Fastensonntag 2000 hatte<br />

durchgehen lassen können.<br />

Ein Seufzer <strong>der</strong> Erleichterung ging<br />

durch die Versammlung von Aparecida,<br />

als am Mittwoch, 23. Mai, die Nachrichten<br />

von <strong>der</strong> Generalaudienz des Papstes<br />

in Rom eintrafen: Der Papst hatte seine<br />

Äußerungen über die Conquista korrigiert<br />

und präzisiert. Vor 25 000 Pilgern<br />

auf dem Petersplatz erinnerte <strong>der</strong> Papst<br />

an die Stationen seiner Brasilienreise und<br />

sagte dann über die Beziehung zwischen<br />

Glauben und Kultur: „Die Erinnerung<br />

an eine glorreiche Vergangenheit darf die<br />

Schatten, die das Werk <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

des lateinamerikanischen Kontinents begleiteten,<br />

nicht ignorieren: Es ist in <strong>der</strong> Tat<br />

nicht möglich, das Leid und die Ungerech-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


tigkeiten zu vergessen, die von den Kolonisatoren<br />

den oft in ihren grundlegenden<br />

Menschenrechten mit Füßen getretenen<br />

indigenen Völkern zugefügt worden sind.<br />

Aber die gebührende Erwähnung <strong>der</strong>artiger<br />

nicht zu rechtfertigen<strong>der</strong> Verbrechen<br />

– Verbrechen, die allerdings schon damals<br />

von Missionaren wie Bartolomeo de las Casas<br />

und von Theologen wie Francisco da Vitoria<br />

von <strong>der</strong> Universität Salamanca verurteilt<br />

wurden - darf nicht daran hin<strong>der</strong>n, voll<br />

Dankbarkeit das wun<strong>der</strong>bare Werk wahrzunehmen,<br />

das im Laufe dieser Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

von <strong>der</strong> göttlichen Gnade unter diesen<br />

Völkern vollbrachte wurde.“<br />

Von nun an durfte die Eröffnungsrede<br />

nur noch in Verbindung mit diesem Kommentar<br />

gelesen und zitiert werden. Daran<br />

hält sich auch das Schlussdokument.<br />

Die „Perlen“ im Schlussdokument<br />

Das Schlussdokument ist zwischen<br />

<strong>der</strong> Beschlussfassung und <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

durch den Vatikan und den CELAM<br />

an mehr als 200 Stellen verän<strong>der</strong>t worden.<br />

Solche Manipulationen hat es auch<br />

bei früheren Konferenzen gegeben. Die<br />

Empörung darüber macht sich in Lateinamerika<br />

bemerkbar. Die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

werden an an<strong>der</strong>er Stelle in diesem Heft<br />

dokumentiert. Aber auch das unmanipulierte<br />

Schlussdokument ist zu behandeln<br />

wie <strong>der</strong> berühmte Schatz im Acker<br />

aus dem Gleichnis Jesu. Es enthält kostbare<br />

Perlen, aber man muss dafür das<br />

gesamte Dokument in Kauf nehmen.<br />

Sicherlich wird man zugestehen, dass<br />

jedes Dokument, das aus solchen Versammlungen<br />

hervorgeht, spezifischen<br />

Begrenzungen unterliegt. Aus den unterschiedlichen<br />

Vorerfahrungen <strong>der</strong> Teilnehmenden,<br />

aus dem Zwang, zum Konsens<br />

zu finden, aus dem Zeitdruck, sozusagen<br />

aus dem Nichts ein Dokument erarbeiten<br />

zu müssen, das die unterschiedlichen<br />

Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

Lebenswirklichkeiten zu berücksichtigen<br />

hat – aus all diesen Begrenzungen kann<br />

nur ein provisorischer Text hervorgehen,<br />

<strong>der</strong> von sehr unterschiedlichen Handschriften<br />

geprägt ist. Aber eben deshalb<br />

beh<strong>alte</strong>n wichtige Aussagen, die die Konferenz<br />

per Abstimmung akzeptierte, auch<br />

ihre eigene Bedeutung. Eine detaillierte<br />

Analyse des Schlussdokumentes muss an<strong>der</strong>enorts<br />

erfolgen. Hier sollen einige Bemerkungen<br />

nur die Neugier auf das Dokument<br />

wecken.<br />

Im Text formuliert die Versammlung<br />

die Absicht, „die Gläubigen dieses Kontinents<br />

daran zu erinnern, dass sie kraft ihrer<br />

Taufe dazu berufen sind, Jünger und<br />

Missionare Jesu Christi zu sein.“ Unter<br />

Mission versteht sie, „die Aktualität des<br />

Evangeliums, das in unserer Geschichte<br />

verwurzelt ist, durch persönliche und<br />

gemeinschaftliche Begegnung mit Jesus<br />

Christus zu bestätigen, zu erneuern und<br />

wie<strong>der</strong> zu beleben, damit er Jünger und<br />

Missionare berufen kann.“ Es ist ein ehrgeiziges<br />

Projekt, die gesamte Kirche missionarisch<br />

ausrichten zu wollen. Es geht<br />

um nichts weniger als um eine radikale<br />

Umkehr des kirchlichen Systems. Deshalb<br />

redete man bei den Debatten auch immer<br />

wie<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Notwendigkeit einer<br />

pastoralen Umkehr. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

war die kirchliche Pastoral darauf konzentriert,<br />

das Erbe <strong>der</strong> Vergangenheit zu<br />

wahren. Alle Institutionen wurden diesem<br />

Zweck unterworfen. Und nun verlangt<br />

das Missionsprojekt <strong>der</strong> Bischöfe Mentalitätswandel<br />

und Verh<strong>alte</strong>nsän<strong>der</strong>ung.<br />

Die Missionstätigkeit soll Priorität haben<br />

und die Verwaltung <strong>der</strong> kleinen Min<strong>der</strong>heit,<br />

die noch die Pfarreien aufsucht, an<br />

die zweite Stelle rücken. Die praktische<br />

Umsetzung dieses Projektes wird vermutlich<br />

das gesamte XXI. Jahrhun<strong>der</strong>t in Anspruch<br />

nehmen.<br />

Kardinal Claudio Hummes, ehemals<br />

Erzbischof von São Paulo und nun Präfekt<br />

1


1<br />

<strong>der</strong> römischen Kleruskongregation, hatte<br />

im Laufe <strong>der</strong> Versammlung das Missionsprojekt<br />

vorgestellt und betont, dass<br />

die Bischöfe eine neue pastorale Etappe<br />

mit einem stärkeren missionarischen Engagement<br />

einleiten wollen. Die ersten<br />

Adressaten <strong>der</strong> Mission seien die Armen.<br />

Zu ihnen müsse die Kirche zuallererst gehen,<br />

aufmerksam auf sie hören, mit ihnen<br />

sprechen und mit ihnen solidarisch sein.<br />

Evangelisierung und menschliche För<strong>der</strong>ung<br />

dürften nie voneinan<strong>der</strong> getrennt<br />

werden.<br />

Die missionarische Perspektive bestimmt<br />

das gesamte Schlussdokument.<br />

Der methodische Dreischritt<br />

„Sehen-Urteilen-Handeln“, den die vorherige<br />

Konferenz in Santo Domingo und<br />

die Amerika-Synode in Rom verlassen<br />

hatten, greift Aparecida nicht mehr nur<br />

auf, son<strong>der</strong>n erklärt im Text, dass fast alle<br />

Bischofskonferenzen darauf bestanden<br />

hätten, zu dieser Methode zurückzukehren,<br />

weil sie dazu beigetragen habe, die<br />

Berufung und Sendung <strong>der</strong> Kirche intensiver<br />

zu leben, die theologisch-pastorale<br />

Arbeit zu verbessern und in <strong>der</strong> jeweiligen<br />

konkreten Situation Verantwortung zu<br />

übernehmen. Deshalb ist es verwun<strong>der</strong>lich,<br />

dass die Struktur des Gesamttextes<br />

nicht eindeutig nach diesem Dreischritt<br />

angelegt ist. Selbst wenn es in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit an<strong>der</strong>en Kräften<br />

in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Abfassung des Dokumentes<br />

schwierig schien, den Dreischritt<br />

durchzusetzen, ist <strong>der</strong> Wille <strong>der</strong> Bischöfe<br />

dazu nicht zu unterschätzen. Die Bedeutung<br />

dieser Entscheidung kann man<br />

nur ermessen, wenn man sie nicht allein<br />

auf eine Arbeitsmethode bezieht. Mit<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme des methodischen<br />

Dreischritts reklamiert die Versammlung<br />

vielmehr symbolisch, den eigenen Weg<br />

wie<strong>der</strong> aufnehmen und ihre eigene Identität<br />

zu entwickeln zu können. In diesem<br />

... den eigenen Weg wie<strong>der</strong> aufnehmen<br />

und ... eigene Identität<br />

entwickeln...<br />

Sinne lassen sich auch an<strong>der</strong>e thematische<br />

Abschnitte interpretieren, die in ihrer<br />

symbolischen Bedeutung den jeweils<br />

angesprochenen thematischen Einzelaspekt<br />

übersteigen.<br />

Die Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Basisgemeinden<br />

steht dafür sprichwörtlich.<br />

Im nicht verfälschten, ursprünglich beschlossenen<br />

Text von Aparecida heißt es<br />

über die Basigemeinden:<br />

„Die Erfahrung <strong>der</strong> Kirche von Lateinamerika<br />

und <strong>der</strong> Karibik zeigt uns, dass<br />

die Kirchlichen Basisgemeinden wahre Bildungsstätten<br />

sind, in denen die Jünger und<br />

Missionare des Herrn geformt werden, wie<br />

aus dem großzügigen Engagement vieler<br />

ihrer Mitglie<strong>der</strong> zu ersehen ist, das in manchen<br />

Fällen bis zum Martyrium geht. Sie<br />

leben nach dem Beispiel <strong>der</strong> Urgemeinde,<br />

wie es in <strong>der</strong> Apostelgeschichte beschrieben<br />

ist (Apg 2,42-47). (...) Im Herzen <strong>der</strong><br />

Welt verwurzelt, sind sie privilegierte Orte<br />

des gemeinschaftlichen Lebens aus dem<br />

Glauben, Quellen <strong>der</strong> Geschwisterlichkeit<br />

und Solidarität, Alternativen für die heutige<br />

Gesellschaft, die auf Egoismus und einem<br />

umbarmherzigen Wettkampf gründet. Entschieden<br />

wollen wir die kirchlichen Basisgemeinden<br />

bejahen (...). Für die Kirche Lateinamerikas<br />

und <strong>der</strong> Karibik sind sie seit dem II<br />

Vatikanischen Konzil eine <strong>der</strong> großen Gnadengaben<br />

des Heiligen Geistes“. (Nr. 193)<br />

Die Option für die Armen und<br />

Ausgeschlossenen – wie es im Dokument<br />

heißt – wird mit neuen Worten stark<br />

unterstrichen: „Was immer mit Christus<br />

zu tun hat, hat mit den Armen zu tun und<br />

alles, was mit den Armen zu tun hat, weist<br />

auf Jesus Christus hin: „Was ihr für meine<br />

geringsten Schwestern und Brü<strong>der</strong> ge-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Wallfahrende in Aparecida<br />

tan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,<br />

40)“ (Nr. 393).<br />

Die Ökologie <strong>o<strong>der</strong></strong> die Sorge um<br />

die bedrohte Schöpfung, die auf bisherigen<br />

Bischofsversammlungen kaum<br />

thematisiert worden war, spielt diesmal<br />

eine ganz beson<strong>der</strong>e Rolle. Die Ursachen<br />

<strong>der</strong> Umweltzerstörung, des Klimawandels,<br />

des Treibhauseffektes werden analysiert<br />

und die For<strong>der</strong>ung erhoben, sensibler<br />

die Mitwelt als Auftrag Gottes zu<br />

bearbeiten und zu bewahren. Es gehe<br />

darum „ein <strong>alte</strong>rnatives, ganzheitlich-solidarisches<br />

Entwicklungsmodell anzustreben.<br />

Es muss gegründet sein auf einer<br />

Ethik, die Verantwortung für einen authentisch<br />

ökologischen Umgang mit dem<br />

Menschen und <strong>der</strong> Natur einschließt, die<br />

im Evangelium <strong>der</strong> Gerechtigkeit, <strong>der</strong> Solidarität<br />

und <strong>der</strong> universalen Bestimmung<br />

aller Güter ihren Grund hat und alle uti-<br />

Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />

litaristische bzw. individualistische Logik<br />

hinter sich lässt.“ (Nr. 474 c)<br />

Zusammenfassend könnte man sagen,<br />

dass sich vor allem zwei Tendenzen<br />

im Schlussdokument ausmachen lassen:<br />

eine Tendenz, in <strong>der</strong> die Bischöfe stärker<br />

die kontinentale Realität im Blick haben<br />

und dennoch die Einheit <strong>der</strong> Kirche<br />

als Gemeinschaft von Gemeinschaften<br />

suchen, und die an<strong>der</strong>e, in <strong>der</strong> die „römische<br />

Fraktion“ stärker besorgt ist um<br />

die Einheit <strong>der</strong> Lehre und die Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Gesamtkirche.<br />

Zögerliche Einsicht in den<br />

Epochenwechsel<br />

Angesichts <strong>der</strong> neuen Megastädte,<br />

<strong>der</strong> Globalisierung und des Internet, angesichts<br />

<strong>der</strong> selbstbewusster auftretenden<br />

neuen gesellschaftlichen Subjekte, <strong>der</strong><br />

Frauen, <strong>der</strong> Indígena- und <strong>der</strong> afrika-<br />

1


1<br />

nisch-stämmigen Bevölkerung, angesichts<br />

<strong>der</strong> neuen politischen Prozesse, die<br />

sich in Argentinien, Brasilien, Uruguay,<br />

Chile, Bolivien, Ecuador, Venezuela und<br />

Nicaragua getan haben, - angesichts von<br />

gesellschaftlichen und ökologischen Problemen<br />

dieses Ausmaßes müsste die Kirche<br />

es wagen, sich in konkreten Fragen<br />

<strong>der</strong> gesellschaftlichen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

zu stellen und dabei auch das Risiko<br />

eingehen, sich zu irren, statt sich durch<br />

Schweigen <strong>o<strong>der</strong></strong> spiritualisierende Allgemeinheiten<br />

aus <strong>der</strong> Affäre zu ziehen.<br />

Nur daran, wie die Kirche die konkreten<br />

Fel<strong>der</strong> bearbeitet, kann man erkennen,<br />

ob ihre Reden und Dokumente zugunsten<br />

<strong>der</strong> Armen von Treue zum Evangelium<br />

und von Kohärenz bestimmt sind.<br />

Nur an konkreten Maßstäben lässt sich<br />

prüfen, ob es <strong>der</strong> Kirche wirklich darum<br />

geht, dass alle das Leben haben, <strong>o<strong>der</strong></strong> ob<br />

sie nur darum ringt, Prestige und Macht<br />

<strong>der</strong> Hierarchie gegenüber Staat und Gesellschaft<br />

zu behaupten.<br />

Allen Teilnehmenden war klar,<br />

dass <strong>der</strong> Epochenwechsel einen<br />

tiefgreifenden Wandel <strong>der</strong> Kirche<br />

erfor<strong>der</strong>lich macht<br />

Allen Teilnehmenden war klar, dass<br />

<strong>der</strong> Epochenwechsel einen tiefgreifenden<br />

Wandel <strong>der</strong> Kirche erfor<strong>der</strong>lich macht,<br />

aber noch zögerten sie, die nötigen<br />

Schritte zu tun. Es steht mehr Ahnung<br />

im Raum, als klare Strategie. Noch bestimmt<br />

Ängstlichkeit das Dokument, die<br />

kirchlichen Strukturen so umzugest<strong>alte</strong>n,<br />

dass sie den neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

entsprechen und allen Christen mehr<br />

Mitentscheidungsmöglichkeiten einräumen.<br />

Die erwähnten neuen Prozesse, die<br />

den Nachweis erbringen, dass eine an<strong>der</strong>e<br />

Welt möglich ist, werden auch darauf<br />

dringen, dass eine an<strong>der</strong>e Kirche möglich<br />

ist. Aber offenbar wagt man es eben<br />

noch nicht, sich dem vielberedeten Epochenwechsel<br />

mit einem eindeutigen pastoralen<br />

Paradigmenwechsel zu stellen.<br />

Immerhin lassen sich die Anzeichen für<br />

Realismus und Willen zur Umkehr in <strong>der</strong><br />

Kirche erkennen, wenn die Versammlung<br />

formuliert:<br />

„Seit <strong>der</strong> ersten Evangelisierung bis in<br />

die jüngste Zeit hinein hat die Kirche Erfahrungen<br />

von Licht und Schatten durchlebt.<br />

Sie schrieb Seiten unserer Geschichte mit<br />

großer Weisheit und Heiligkeit. Sie hat auch<br />

schwierige Zeiten erlitten, sowohl durch<br />

Bedrängnisse und Verfolgungen als auch<br />

durch menschliche Schwächen, Komplizenschaft<br />

mit <strong>der</strong> Welt und fehlende Übereinstimmung<br />

von Wort und Tat, mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten durch die Sünde ihrer Kin<strong>der</strong>, die<br />

entstellten, was am Evangelium neu war:<br />

die Leuchtkraft <strong>der</strong> Wahrheit und die Praxis<br />

von Gerechtigkeit und Liebe.“ (Nr. 5)<br />

Die echte Erneuerung verlangt, wie<br />

Kardinal Oscar Rodriguez bei einer Pressekonferenz<br />

erklärte, dass die Kirche<br />

nicht nur dieses <strong>o<strong>der</strong></strong> jenes innerhalb<br />

des Hauses verän<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n dass das<br />

gesamte Haus umgebaut wird. Überraschen<strong>der</strong>weise<br />

steht Aparecida – trotz<br />

<strong>der</strong> Manipulationsversuche – für diese<br />

Einsicht. Und Einsicht ist bekanntlich <strong>der</strong><br />

erste Schritt zur Besserung.<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />

Die Eröffnungsansprache zur Fünften<br />

Generalversammlung des Episkopats<br />

aus Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik war<br />

für Papst Benedikt XVI. eine gute Gelegenheit,<br />

eine bedeutsame Aussage über<br />

die vorrangige Option für die Armen zu<br />

machen, indem er sie mit <strong>der</strong> Jünger-<br />

Existenz und folglich auch <strong>der</strong> missionarischen<br />

Existenz jedes Christen in Verbindung<br />

brachte.<br />

Auf den folgenden Seiten behandle<br />

ich allein diesen Punkt <strong>der</strong> Rede. Zuerst<br />

werden wir darauf achten, wie <strong>der</strong> Papst<br />

die Beziehung zwischen dem Glauben an<br />

Christus und <strong>der</strong> Option für die Armen<br />

bedenkt; dann werden wir uns fragen,<br />

von welchen Armen <strong>der</strong> Papst spricht,<br />

und schließlich folgen – im Sinne einer<br />

Schlussfolgerung – einige Anmerkungen<br />

zum Verhältnis zwischen Evangelisierung<br />

und För<strong>der</strong>ung des Menschen.<br />

Der christologische Glaube<br />

– Grundlage <strong>der</strong> Option für<br />

die Armen<br />

Aufschlussreich ist, dass <strong>der</strong> Papst das<br />

Thema bei seinem ersten Besuch anlässlich<br />

einer bedeutsamen kirchlichen Versammlung<br />

auf jenem Kontinent aufgreift,<br />

auf dem dieser Ausdruck Ende <strong>der</strong> 60er<br />

Jahre des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts entwickelt<br />

wurde. Seit damals hatten christliche<br />

Gemeinden, Pastoralpläne, Bischofsdokumente<br />

– auch weit über die Grenzen<br />

Lateinamerikas hinaus –, Texte an<strong>der</strong>er<br />

Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />

Gustavo Gutiérrez Merino,<br />

geb. 1928 in Lima/Peru, war<br />

Mitbegrün<strong>der</strong> und Namensgeber<br />

<strong>der</strong> Befreiungstheologie, heute<br />

Mitglied des Dominikanerordens in<br />

Lima/Peru<br />

christlicher Konfessionen und das Lehramt<br />

von Papst Johannes Paul II. diese Formel<br />

und die mit ihr verbundene biblisch<br />

verwurzelte Perspektive übernommen.<br />

In einem solchen Prozess blieben jedoch<br />

Missverständnisse und Verdrehungen<br />

nicht aus, ebenso wenig wie Verän<strong>der</strong>ungen<br />

durch Hinzufügungen und Streichungen,<br />

in <strong>der</strong> Absicht ihren Inhalt zu<br />

präzisieren, aber auch unterschwelliger<br />

Wi<strong>der</strong>stand bzw. Versuche, ihre Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

abzuschwächen.<br />

Die Rede des Papstes war dazu bestimmt,<br />

einen wegweisenden Einfluss auf<br />

die Versammlung auszuüben, an die sie<br />

sich richtete. Bei dieser Gelegenheit also<br />

spricht Benedikt XVI. von <strong>der</strong> Option<br />

und macht auf ihre theologische Tragweite<br />

aufmerksam: „Die bevorzugte Option<br />

für die Armen (ist) im christologischen<br />

Glauben an jenen Gott implizit enth<strong>alte</strong>n,<br />

<strong>der</strong> für uns arm geworden ist, um<br />

uns durch seine Armut reich zu machen<br />

(vgl. 2 Kor 8,9)“ (Eröffnungsansprache<br />

Nr. 3) 1 . Hier liegen die Wurzeln für ihren<br />

evangelisierenden und gesellschaftlich<br />

verpflichtenden Charakter. In <strong>der</strong> Tat ist<br />

ihr theologischer Ursprung glasklar; letztlich<br />

ist sie die Option Gottes, die in Jesus<br />

offenbar wird. Deswegen habe ich sie als<br />

theozentrische Option bezeichnet. Diesen<br />

theologischen Ursprung zu behaupten,<br />

nimmt <strong>der</strong> Option nichts – das sei<br />

eindringlich hervorgehoben – von ihrem<br />

konkreten und verlässlich genauen Cha-<br />

1


20<br />

rakter einer Solidarität mit Menschen, die<br />

unter Unrecht und gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit<br />

leiden; im Gegenteil:<br />

diese Solidarität erfährt dadurch ihre aus<br />

dem Evangelium stammende Radikalität<br />

und erhält damit ihr solides Fundament.<br />

„Im Geringsten begegnen wir<br />

Jesus selbst, und in Jesus begegnen<br />

wir Gott.“<br />

Wir glauben an einen Gott, <strong>der</strong> sich<br />

in <strong>der</strong> Geschichte zeigt und alles Menschliche<br />

zu schätzen weiß. In diesem Sinne<br />

konnte Karl Barth sagen: Insofern Gott<br />

Mensch geworden ist, ist <strong>der</strong> Mensch das<br />

Maß aller Dinge. Im Rückgriff auf einen<br />

<strong>der</strong> interessantesten Texte seiner Enzyklika<br />

Deus Caritas est erinnert Papst Benedikt<br />

XVI.: „Gottes- und Nächstenliebe verschmelzen:<br />

Im Geringsten begegnen wir<br />

Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir<br />

Gott. (Nr. 15) (Ebenda Nr. 3). Wenig später<br />

heißt es in <strong>der</strong> Enzyklika „Gottes- und<br />

Nächstenliebe sind untrennbar: Es ist nur<br />

ein Gebot.“ (Nr. 18). Offenkundig sind<br />

diese Bekenntnisse durch den beson<strong>der</strong>s<br />

wichtigen Evangelientext Mt 25, 31-46<br />

inspiriert (<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Enzyklika Deus Caritas<br />

est Nr. 15 ausdrücklich zitiert wird) 2 .<br />

Dieser Abschnitt des Evangeliums ist für<br />

die theologische Reflexion in Lateinamerika<br />

und in <strong>der</strong> Karibik von zentraler Bedeutung.<br />

In Puebla hat er den Text beseelt,<br />

<strong>der</strong> davon spricht, dass wir auf den Antlitzen<br />

<strong>der</strong> Armen das Antlitz Jesu Christi erkennen<br />

sollten. Santo Domingo ergänzte<br />

die in dieser Liste erwähnten Antlitze. Es<br />

ist von großer Bedeutung, dass die fünfte<br />

Generalversammlung den Text wie<strong>der</strong><br />

aufnimmt und dabei die neuen Formen<br />

von Armut berücksichtigt. Auf diese Weise<br />

wird die Kontinuität <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Bischofsversammlungen wirksam<br />

zum Ausdruck gebracht.<br />

Durch Jesus Christus ist die Option<br />

für die Armen ein Weg zu dem Gott, <strong>der</strong><br />

die Liebe ist, ein fundamentaler Bestandteil<br />

für die Nachfolge Jesu, ein Zeichen<br />

dafür, dass Gottes Reich lebendig wirksam<br />

ist und seine For<strong>der</strong>ungen praktiziert<br />

werden. Diese Option hat Priorität und<br />

wird deshalb als vorrangig bezeichnet.<br />

Denn Gottes Liebe ist universal, niemand<br />

wird von ihr ausgeschlossen. Aber diese<br />

Universalität ist nicht abstrakt bzw. nichts<br />

sagend: in ihr werden vielmehr die Letzten<br />

die Ersten sein – also all jene, die im<br />

Wi<strong>der</strong>spruch zum Willen Gottes an den<br />

Rand gedrängt werden und Unrecht erleiden.<br />

Nur so lieben wir, wie Jesus geliebt<br />

hat (vgl. Joh 13, 34), und machen sein<br />

Zeugnis zum Leitfaden für unser Leben<br />

und unser Engagement.<br />

Gottes Liebe ist universal ...<br />

Aber diese Universalität ist nicht<br />

abstrakt.<br />

Mit Nachdruck verweist <strong>der</strong> Papst<br />

auf die spezifisch christliche Perspektive<br />

von Inkarnation, die <strong>der</strong> entscheidende<br />

Beleg für das Gesagte ist. So sagt er wenige<br />

Zeilen, bevor er die Option für die Armen<br />

erwähnt: „Gott ist die grundlegende<br />

Wirklichkeit, nicht ein nur gedachter <strong>o<strong>der</strong></strong><br />

hypothetischer Gott, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gott<br />

mit dem menschlichen Antlitz; er ist <strong>der</strong><br />

Gott-mit-uns, <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Liebe bis zum<br />

Kreuz.“ Der menschgewordene Gott, <strong>der</strong><br />

sich „bis zum letzten“ einsetzt und die<br />

Treue zum Auftrag <strong>der</strong> Verkündigung des<br />

Reiches Gottes mit dem Preis des Leidens<br />

bezahlt. Ein „Gott, <strong>der</strong> den Armen und<br />

Leidenden nahe ist“ (Nr. 1).<br />

Wenn <strong>der</strong> Papst von den Werten<br />

spricht, die notwendig sind, um eine gerechte<br />

Gesellschaft zu schaffen, kommt<br />

er auf diesen Punkt zurück und unterstreicht:<br />

„Wo Gott fehlt – Gott mit dem<br />

menschlichen Antlitz Jesu Christi –, zeigen<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Der Papst in Aparecida<br />

sich diese Werte nicht mit ihrer ganzen<br />

Kraft und es kommt auch nicht zu einem<br />

Einvernehmen über sie“ (Nr. 4). Es geht<br />

um den Immanuel – ein weiteres bedeutsames<br />

Thema im Matthäusevangelium –,<br />

den Gott mit uns, den wir erkennen, wenn<br />

wir tagtäglich in seinen Spuren gehen 3 .<br />

Mit Hilfe einer Formulierung, die in den<br />

vergangenen Jahren noch einige als Immanentismus<br />

diskriminierten, bekräftigt<br />

<strong>der</strong> Papst in diesem Zusammenhang:<br />

„Das Wort Gottes ist, als es in Jesus Christus<br />

Fleisch wurde, auch Geschichte und<br />

Kultur geworden“ (Nr. 1), einer von uns,<br />

<strong>der</strong> wie wir einer bestimmten menschlichen<br />

Geschichte und einer bestimmten<br />

Kultur angehört. Seine Liebe und seine<br />

völlige Hingabe, seine Verkündigung vom<br />

Reich Gottes und sein Gehorsam gegenüber<br />

dem Vater offenbaren ihn zu gleicher<br />

Zeit als Sohn und als Wort Gottes.<br />

In <strong>der</strong> Geschichte wird die Liebe des<br />

Vaters offenbar. Der Heilige Geist, <strong>der</strong> Geist<br />

<strong>der</strong> Wahrheit, den <strong>der</strong> Vater im Namen<br />

des menschgewordenen Wortes den Anhängern<br />

Jesu sendet, soll uns „in die ganze<br />

Wahrheit einführen“ (vgl. Joh 14,26<br />

Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />

und 16, 13). Sein Wirken in <strong>der</strong> Geschichte<br />

legt den Grund dafür, dass wir die Zeichen<br />

<strong>der</strong> Zeit unterscheiden können. In<br />

diesem Kontext und in dieser Bedeutung<br />

muss das Sehen <strong>der</strong> gesellschaftlich-historischen<br />

Wirklichkeit mit den Augen des<br />

Glaubens verstanden werden, wie es von<br />

Anfang an in <strong>der</strong> sogenannten Methode<br />

„Sehen – Urteilen – Handeln“ eine Rolle<br />

spielte, die von Gaudium et Spes und<br />

vielen an<strong>der</strong>en kirchlichen Dokumenten<br />

übernommen worden war.<br />

Es ist wichtig darauf zu verweisen,<br />

dass die Perspektive des Glaubens nicht<br />

erst beim „Urteilen“ ins Spiel kommt. Die<br />

Sicht des Glaubens begleitet den gesamten<br />

Prozess. Das soll jedoch nicht heißen,<br />

dass man die legitime Autonomie und Eigenständigkeit<br />

<strong>der</strong> weltlichen Realitäten<br />

nicht respektiert 4 . Daran hält sich die Kirche<br />

und das reklamiert sie in Praxis und<br />

Texten. Deshalb sagt Gaudium et Spes:<br />

„Es gilt also, die Welt, in <strong>der</strong> wir leben,<br />

[…] zu erfassen und zu verstehen“ (Nr.<br />

4). Die Perspektiven, die <strong>der</strong> christliche<br />

Glaube eröffnet, und zwar sowohl die<br />

transzendenten als auch die historischen,<br />

21


22<br />

können bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Realität<br />

nicht ausgeklammert werden, wenn es<br />

darum geht, die Anfragen an Erfahrung<br />

und Übermittlung des Evangeliums zu<br />

prüfen. Darin besteht das Alphabet <strong>der</strong><br />

Methode, aber es führt uns zugleich zu<br />

einer gründlichen und respektvollen Analyse<br />

<strong>der</strong> Lage, die es zu studieren gilt.<br />

Um <strong>der</strong> Armen willen und<br />

gegen das Unrecht<br />

Wie bereits vor Jahren genau dargelegt<br />

wurde, haben wir es mit einer freien<br />

und konsequenten Option zu tun, vergleichbar<br />

mit den bedeutsamen Entscheidungen<br />

unseres Lebens, insbeson<strong>der</strong>e<br />

mit jenen, die von <strong>der</strong> Suche nach dem<br />

Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit bestimmt<br />

sind. Wir haben es also nicht mit<br />

etwas Optionalem (beliebig Wählbarem)<br />

zu tun, wie das aus dem Substantiv hergeleitete<br />

Adjektiv nahe legen könnte 5 .<br />

Diese Entscheidung sollten alle Christen<br />

treffen, auch die Armen selbst. Die Option<br />

für die Armen richtet sich gegen die<br />

Armut und das Unrecht, das ihnen zu<br />

schaffen macht. Es sind die zwei Seiten<br />

ein und <strong>der</strong>selben Medaille. Doch dabei<br />

kann es nicht bleiben. Zugleich muss<br />

diese Verpflichtung von <strong>der</strong> gesamten<br />

Kirche übernommen werden. In diesem<br />

Sinne bezeichnet Benedikt XVI die Kirche<br />

als „Anwältin <strong>der</strong> Gerechtigkeit und <strong>der</strong><br />

Armen“ (Nr. 4) und sagt einige Zeilen<br />

später: „Die Gewissen zu bilden, Anwältin<br />

<strong>der</strong> Gerechtigkeit und <strong>der</strong> Wahrheit zu<br />

sein, zu den individuellen und politischen<br />

Tugenden zu erziehen – das ist die grundlegende<br />

Berufung <strong>der</strong> Kirche in diesem<br />

Bereich.“ (Nr. 4). Man bemerke die Anspielung<br />

auf die „politischen“ Tugenden;<br />

an an<strong>der</strong>er Stelle spricht er von den „gesellschaftlichen“<br />

Tugenden (Nr. 3).<br />

Aber darin verbirgt sich noch mehr;<br />

auch das bringt die Rede in Erinnerung.<br />

Von wem ist die Rede, wenn man vom Ar-<br />

men spricht? Hier wird die Rede unmissverständlich.<br />

Die Armen sind jene Menschen,<br />

die in realer, materieller Armut<br />

leben; eine solche Lebenslage bezeichnet<br />

Medellín als „unmenschlich“ und Puebla<br />

als „im Wi<strong>der</strong>spruch zum Evangelium“.<br />

Diese Armut stellt eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

von einschneiden<strong>der</strong> Bedeutung für das<br />

mensch-christliche Gewissen dar. Der<br />

Papst stellt deshalb die Frage: „Wie kann<br />

die Kirche […] auf die große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Armut und des Elends antworten?“<br />

(Nr. 4). Er stützt sich auf ein Zitat<br />

aus <strong>der</strong> Enzyklika Populorum Progressio,<br />

<strong>der</strong>en Erscheinen vor 40 Jahren wir<br />

in diesem Jahr gedenken und die in <strong>der</strong><br />

Bischofsversammlung von Medellín eine<br />

große Rolle gespielt hat, wenn er sagt:<br />

„Die Völker Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik<br />

haben das Recht auf ein erfülltes Leben<br />

unter menschlicheren Verhältnissen,<br />

wie es den Kin<strong>der</strong>n Gottes zukommt: frei<br />

von den Bedrohungen durch Hunger und<br />

jeglicher Form von Gewalt.“ Dann erinnert<br />

er daran, dass die Enzyklika alle auffor<strong>der</strong>t,<br />

„die schwerwiegenden sozialen<br />

Ungleichheiten und die enormen Unterschiede<br />

beim Zugang zu den Gütern zu<br />

beseitigen“ (Nr. 4; vgl. PP Nr. 21).<br />

Diese beson<strong>der</strong>s gravierende Lage<br />

kennen wir gut; sie macht Lateinamerika<br />

und die Karibik zu dem Kontinent mit <strong>der</strong><br />

größten Ungleichheit auf dem Planeten.<br />

Das ist umso gravieren<strong>der</strong> und skandalöser,<br />

als die meisten Menschen, die hier<br />

leben, katholisch sind. Dieser Zustand<br />

stellt die Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Kirche lei<strong>der</strong><br />

immer noch auf die Probe. Es bedarf<br />

konsequenter Beharrlichkeit, um allen<br />

Gläubigen das Evangelium und dessen<br />

unvermeidlichen Konsequenzen nahe zu<br />

bringen; man braucht aber ebenso eine<br />

starke Dosis Demut, um die eigenen Fehler<br />

und Grenzen anzuerkennen und mit<br />

Menschen an<strong>der</strong>er Orientierung in den<br />

Dialog zu treten, mit dem Ziel, „alle aufzufor<strong>der</strong>n“,<br />

gemeinsam die Aufgabe an-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


zugehen, soziale Gerechtigkeit anzustreben<br />

und die Freiheit des Menschen zu respektieren.<br />

6<br />

Dieser Focus lässt keinen Zweifel zu:<br />

Die Armen, die Solidarität von uns verlangen,<br />

sind jene, denen das Notwendigste<br />

fehlt, um ihre Grundbedürfnisse zu sichern,<br />

<strong>der</strong>en Würde als Menschen sowie<br />

als Töchter und Söhne Gottes nicht respektiert<br />

wird. Am Anfang <strong>der</strong> Rede verweist<br />

<strong>der</strong> Papst bereits auf die Gründe für<br />

diese Situation und mahnt: „Die liberale<br />

Wirtschaft mancher lateinamerikanischer<br />

Län<strong>der</strong> (muss) auch die Gerechtigkeit berücksichtigen,<br />

da die sozialen Bereiche,<br />

die sich immer mehr von einer enormen<br />

Armut unterdrückt <strong>o<strong>der</strong></strong> sogar ihrer natürlichen<br />

Güter beraubt sehen, weiter<br />

zunehmen“(Nr. 2) 7 . Sie werden häufig<br />

sogar ihrer menschlichen Würde und ihrer<br />

Rechte beraubt.<br />

Armut, stets identisch mit<br />

gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit,<br />

ist kein Missgeschick, son<strong>der</strong>n<br />

Unrecht.<br />

Armut, stets identisch mit gesellschaftlicher<br />

Bedeutungslosigkeit, ist kein<br />

Missgeschick, son<strong>der</strong>n Unrecht. Das Wort<br />

verweist auf eine komplexe Realität mit<br />

sehr unterschiedlichen Aspekten, die bereits<br />

im biblischen Begriff <strong>der</strong> Armut enth<strong>alte</strong>n<br />

sind und auf die wir gegenwärtig<br />

täglich stoßen. Verschiedene Faktoren –<br />

über den wirtschaftlichen hinaus – spielen<br />

dabei eine Rolle. Armut resultiert aus <strong>der</strong><br />

Art und Weise, wie die Gesellschaft sich<br />

organisiert. Zweifellos spielen die ökonomischen<br />

Strukturen eine entscheidende<br />

Rolle, aber auch mentale und kulturelle<br />

Strukturen, gesellschaftliche Atavismen,<br />

rassistisch-kulturelle Vorurteile (Ignoranz<br />

gegenüber den indigenen und afroamerikanischen<br />

Völkern), geschlechtsspezifische<br />

Vorurteile (die Armut ist mehrheit-<br />

Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />

lich weiblich) und religiöse Vorurteile, die<br />

sich im Lauf <strong>der</strong> Geschichte aufgetürmt<br />

haben. Wir reden also von einer Lage, die<br />

durch das Handeln von Menschen entstand,<br />

und daher also auch von Menschen<br />

verän<strong>der</strong>bar ist. Vom Standpunkt<br />

des Glaubens aus betrachtet werden so<br />

viele Menschen marginalisiert, weil Liebe<br />

und Solidarität verweigert werden. Diese<br />

Verweigerung nennen wir Sünde. Bis auf<br />

diesen Kern und dessen Nachwirkungen<br />

muss man zurückgehen, um die umfassende<br />

Befreiung in Christus begreifen zu<br />

können.<br />

Im „Kampf um das Recht“sind<br />

Wahrhaftigkeit und Wirksamkeit<br />

erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Die unglaubliche Armut und ihre Ursachen,<br />

die zunehmende Ungleichheit<br />

und Ungerechtigkeit, stehen zur Debatte.<br />

Diese hat die Dinge in ihrem jeweiligen<br />

Zusammenhang zu betrachten: Die<br />

Notlage, <strong>der</strong>etwegen man nicht menschenwürdig<br />

leben kann, muss zweifellos<br />

aufgezeigt und aufgedeckt werden. Aber<br />

das allein reicht nicht aus. Man muss bis<br />

zu den Wurzeln <strong>der</strong> Notlage vorstoßen,<br />

wenn man sie beenden will 8 . Im „Kampf<br />

um das Recht“ – um eine bekannte Formel<br />

von Papst Pius XI. aufzugreifen – sind<br />

Wahrhaftigkeit und Wirksamkeit erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Wird die gesellschaftliche Ungleichheit<br />

nicht beendet, kann das leichte<br />

Wirtschaftswachstum, das sich in einigen<br />

Län<strong>der</strong>n des Kontinents bemerkbar<br />

macht, bei den Ärmsten <strong>der</strong> Armen nicht<br />

ankommen.<br />

Bei diesem Punkt angelangt glaubt<br />

Benedikt XVI., dass angesichts dieser Situation<br />

und aus <strong>der</strong> Perspektive des Glaubens<br />

„die grundlegende Frage“ zu stellen<br />

wäre, „wie die vom Glauben an Christus<br />

erleuchtete Kirche angesichts dieser Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

reagieren solle“. Daher<br />

23


2<br />

Märtyrer in <strong>der</strong> Papstmesse „presentes“<br />

fügt er hinzu: „In diesem Zusammenhang<br />

ist es unvermeidlich, das Problem<br />

<strong>der</strong> Strukturen, vor allem jener, die Ungerechtigkeit<br />

verursachen, anzusprechen.“<br />

Ein ausführlicher Abschnitt <strong>der</strong> Rede ist<br />

eben diesem Punkt gewidmet. Positiv gewendet<br />

muss man sagen: „Die gerechten<br />

Strukturen [sind] eine Voraussetzung,<br />

ohne die eine gerechte Ordnung in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft nicht möglich ist.“ [...] „Sowohl<br />

<strong>der</strong> Kapitalismus als auch <strong>der</strong> Marxismus“<br />

haben solche versprochen, aber<br />

– sagt <strong>der</strong> Papst – dieses ideologische Versprechen<br />

hat sich als falsch erwiesen, weil<br />

sie die persönliche Würde und die moralischen<br />

Grundwerte außer Acht ließen<br />

(Nr. 4), ohne die ein humanes und gerechtes<br />

gesellschaftliches Zusammenleben<br />

nicht möglich ist.<br />

Es ist nicht die Aufgabe <strong>der</strong> Kirche,<br />

diese gerechten Strukturen zu schaffen,<br />

aber das hin<strong>der</strong>t sie nicht daran, ein<br />

Wort zu den wirtschaftlich-sozialen Problemen<br />

zu sagen 9 . Aufgabe <strong>der</strong> Kirche<br />

ist es, „die Gewissen zu bilden“. Daran<br />

hatte ich oben bereits erinnert. Der Papst<br />

vertritt hier eine klassische Position, die<br />

jede Theologie, die sich mit diesen Themen<br />

befasst, zu berücksichtigen hat. Das<br />

bedeutet jedoch nicht, sich zurückzuziehen<br />

und <strong>der</strong> Verantwortlichkeit in gesellschaftlich-politischer<br />

Hinsicht aus dem<br />

Weg zu gehen 10 . Im Gegenteil, darauf<br />

zu dringen, dass die Menschen und ihre<br />

Rechte als Personen und Völker Sinn und<br />

Zweck des sozialen Zusammenlebens<br />

in <strong>der</strong> Gesellschaft ausmachen, hat sehr<br />

präzise und konkrete Folgen 11 . Das zeigen<br />

die Schwierigkeiten, denen das Wort<br />

des Evangeliums begegnet, sobald es jenen<br />

verkündet wird, die ihre Interessen in<br />

Frage gestellt sehen. Exemplarisch dafür<br />

stehen die Reaktionen auf die Predigten<br />

von Bischof Romero und auf viele an<strong>der</strong>e<br />

Beispiele im Kontinent.<br />

Bei <strong>der</strong> Aufzählung <strong>der</strong> Ursachen von<br />

Armut verweist <strong>der</strong> Papst auch auf die Rolle,<br />

die die Globalisierung spielt. Er aner-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


kennt, dass dieses Phänomen seine positive<br />

Seite hat und eine Errungenschaft für<br />

die Menschheit bedeuten kann. Aber er<br />

warnt ebenso davor, dass sie „zweifellos<br />

auch das Risiko <strong>der</strong> großen Monopole und<br />

damit die Umdeutung des Gewinns zum<br />

höchsten Wert mit sich“ bringt (Nr. 2). Das<br />

brandmarken gegenwärtig viele. Die internationalen<br />

Zusammenhänge bedingen, ja<br />

bestimmen sogar zahlreiche Vorgänge im<br />

Inneren je<strong>der</strong> einzelnen Nation. Daher ist<br />

<strong>der</strong>en Analyse unverzichtbar.<br />

Evangelisierung und<br />

För<strong>der</strong>ung des Menschen<br />

Die praktische Solidarität mit den<br />

Armen, die unter unmenschlichen Lebensbedingungen<br />

und unter Ausschluss<br />

leiden, lässt erfahren, inwiefern das Evangelium<br />

eine Botschaft ist, die befreiend<br />

wirkt und menschlicher macht und ebendeshalb<br />

Gerechtigkeit einklagt. Benedikt<br />

XVI. erinnert daran, „daß sich die Evangelisierung<br />

immer zusammen mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

des Menschen und <strong>der</strong> echten<br />

christlichen Befreiung entf<strong>alte</strong>t hat“ (Nr.<br />

3). Dann folgt in <strong>der</strong> Rede <strong>der</strong> bereits zitierte<br />

Text aus <strong>der</strong> Enzyklika Deus Caritas<br />

est von <strong>der</strong> „Verschmelzung“ zwischen<br />

Das Eintreten für Gerechtigkeit<br />

und für die För<strong>der</strong>ung des Menschen<br />

als unverzichtbarer Bestandteil“<br />

zur Evangelisierungsaufgabe<br />

<strong>der</strong> Kirche<br />

Gottes- und Nächstenliebe. För<strong>der</strong>ung<br />

des Menschen ist also we<strong>der</strong> eine Vorphase<br />

<strong>der</strong> Evangelisierung noch davon sauber<br />

zu trennen. In den vergangenen Jahrzehnten<br />

ist das Bewusstsein dafür, dass<br />

beide engstens miteinan<strong>der</strong> verbunden<br />

sind, gewachsen. In diesen Zusammenhang<br />

gehört, dass Papst Johannes Paul II.<br />

in Puebla sagte, dass „das Eintreten für<br />

Gerechtigkeit und für die För<strong>der</strong>ung des<br />

Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />

Menschen als unverzichtbarer Bestandteil“<br />

zur Evangelisierungsaufgabe <strong>der</strong> Kirche<br />

gehöre (Johannes Paul II, Eröffnungsansprache,<br />

III.2) 12 .<br />

Mit seinem Verweis auf die Emmaus-<br />

Erzählung des Evangeliums erinnert Benedikt<br />

XVI. daran, dass die Eucharistie<br />

„Zentrum des christlichen Lebens“ sei<br />

(Nr. 4). Beim Brechen des Brotes gedenken<br />

wir des Lebens, des Zeugnisses, des<br />

Todes und <strong>der</strong> Auferstehung Jesu. Deshalb<br />

ist die Eucharistie kein Akt, <strong>der</strong> sich<br />

im privaten Innenraum abspielt; sie ruft<br />

uns vielmehr dazu auf, allen Menschen<br />

zu bezeugen und zu verkündigen, dass<br />

Jesus „Weg, Wahrheit und Leben“ ist. Sie<br />

„löst das Engagement für die Evangelisierung<br />

aus und gibt <strong>der</strong> Solidarität Auftrieb;<br />

sie weckt im Christen den starken<br />

Wunsch, das Evangelium zu verkünden<br />

und von ihm in <strong>der</strong> Gesellschaft Zeugnis<br />

zu geben, um sie gerechter und menschlicher<br />

zu machen“ (ebenda) 13 . Die Eucharistie<br />

wird zum Zeichen <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

und zum Werkzeug ihrer vollständigen<br />

Verwirklichung. Wenn wir mit Christus<br />

verbunden sind, wenn wir einan<strong>der</strong> als<br />

Söhne und Töchter Gottes anerkennen,<br />

fühlen wir uns unumgänglich dazu gedrängt,<br />

für Geschwisterlichkeit und Gerechtigkeit<br />

einzutreten.<br />

Es zeigt sich also, dass die Aussage<br />

des Papstes über die vorrangige Option<br />

für die Armen keine Nebenrolle spielt,<br />

son<strong>der</strong>n einen zentralen Punkt <strong>der</strong> Rede<br />

darstellt. Sie erhält in dem dargestellten<br />

pastoralen, sozialen, theologischen<br />

und spirituellen Gesamtzusammenhang<br />

einen solchen Platz, dass ihre tiefe Bedeutung,<br />

ihre Reichweite und ihre For<strong>der</strong>ungen<br />

erst sichtbar werden können.<br />

Das macht es möglich, auch an<strong>der</strong>e, aus<br />

Gründen <strong>der</strong> Zeit und <strong>der</strong> Umstände in<br />

<strong>der</strong> Rede nur kurz angeschnittene Themen<br />

neu zu deuten, die nach Vertiefung<br />

2


2<br />

und Präzisierung verlangen. Das muss<br />

noch geschehen.<br />

Das Thema wurde aufgeworfen und<br />

auf die Tagesordnung <strong>der</strong> Versammlung<br />

von Aparecida gesetzt. Es ist, wie ich am<br />

Anfang bereits sagte, eine <strong>der</strong> Hauptverbindungslinien<br />

zu den vorherigen Bischofsversammlungen.<br />

Diese Kontinuität<br />

haben Papst und Bischöfe in diesen<br />

Tagen nachdrücklich betont. Dass es im<br />

Kontext <strong>der</strong> aktuellen Lage von Lateinamerika<br />

und <strong>der</strong> Karibik wie<strong>der</strong> behandelt<br />

Endnoten<br />

1 Das Pauluszitat findet sich auch im Dokument von<br />

Medellín, im Abschnitt Armut <strong>der</strong> Kirche Nr. 18<br />

2 Ich hatte Gelegenheit, eine detaillierte Studie zu diesem<br />

Text aus dem Matthäus-Evangelium vorzulegen<br />

in: Páginas 201 (Okt. 2001) S. 6-21, „Donde está el<br />

pobre, está Jesucristo“ („Wo <strong>der</strong> Arme ist, da ist Jesus<br />

Christus“).<br />

3 „Außerhalb <strong>der</strong> Nachfolge gibt es keine hinreichende<br />

Nähe zum Ziel des Glaubens, so dass man nicht wissen<br />

kann, wovon man spricht, wenn man sich zu Christus<br />

bekennt!“ (Orig.: Jon Sobrino, Jesúcristo Liberador.<br />

Lectura historica-teologica de Jesús de Nazaret<br />

– San Salvador UCA 1991, S. 103; dt. Übersetzung:)<br />

Christologie <strong>der</strong> Befreiung. Mainz 1998, S. 86<br />

4 Vgl. diesbezüglich die auf die Praxis <strong>der</strong> Methode gestützten<br />

Überlegungen von Luis Fernando Crespo Revision<br />

de vida y seguimiento de Jesús (Lima UNEC-CEP,<br />

1991)<br />

5 M. Diaz Mateos sagt: „Es geht um eine nicht optionale<br />

Option; denn sie verifiziert unsere christlichkirchliche<br />

Identität“ („El grito del pobre atraviesa las<br />

nubes“ (Der Schrei <strong>der</strong> Armen durchdringt die Wolken)<br />

in: El rostro de Dios en la historia, S. 159)<br />

6 vgl. Felipe Zegarra, „La quinta Conferencia del episcopado<br />

de America Latine y el Caribe” en Páginas<br />

200 (August 2006), vor allem die Seiten 16-17.<br />

7 Zu diesen natürlichen Gütern gehören heute – über<br />

jene, die uns bei diesem Satz spontan einfallen, hinaus<br />

– auch Wasser und Luft, wenn wir an die Verschmutzung<br />

und die Erwärmung des Planeten denken und<br />

allgemein an die durch hemmungslose Ausbeutung<br />

hervorgerufene Schädigung <strong>der</strong> Umwelt. Die ökologische<br />

Frage interessiert die gesamte Menschheit,<br />

belastet aber vor allem den gebrechlichsten Teil <strong>der</strong><br />

Menschheit, die Armen.<br />

8 Benedikt XVI. bezieht sich nicht zum ersten Mal auf<br />

die Ursachen <strong>der</strong> Armut. In seiner Enzyklika „Deus ca-<br />

wird, ist von großer Bedeutung für die<br />

Versammlung.<br />

Was sich auch immer daraus ergibt,<br />

wenn wir die Option für die Armen in<br />

christologischer Perspektive tiefer erfassen,<br />

tragen wir dazu bei, unsere Existenz<br />

als Jünger und Missionare besser zu begründen.<br />

Wir werden klarer erkennen,<br />

welche dem Evangelium entstammende<br />

Radikalität <strong>der</strong> christlichen Praxis <strong>der</strong> Option<br />

und <strong>der</strong> Solidarität mit den Armen<br />

sowie dem Einsatz gegen das Unrecht<br />

zukommt, und durch sie zum Vater aller<br />

Menschen finden.<br />

ritas est“ sagte er: „Die Produktionsstrukturen und<br />

das Kapital waren nun [mit <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> Industriegesellschaft]<br />

die neue Macht, die, in die Hände weniger<br />

gelegt, zu einer Rechtlosigkeit <strong>der</strong> arbeitenden<br />

Massen führte, gegen die aufzustehen war.“ (Nr. 26)<br />

9 Wenige Monate zuvor hatte Benedikt XVI. seine Sorge<br />

um diese Fragen in einem Brief an die deutsche Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel zum Ausdruck gebracht.<br />

Darin schlägt er vor, dass „die Europäische Union eine<br />

Führungsrolle übernehmen“ solle, um das Ziel zu erreichen,<br />

„bis zum Jahr 2015 die extreme Armut zu<br />

beseitigen.“ Das sei „eine <strong>der</strong> wichtigsten Aufgaben<br />

unserer Zeit“. Und als unmittelbar dringliche Aufgabe<br />

bezeichnet er es, dass „Vorkehrungen für einen<br />

schnellen, vollständigen und vorbehaltlosen Erlaß <strong>der</strong><br />

Auslandsschulden <strong>der</strong> stark verschuldeten armen Län<strong>der</strong><br />

(heavily indebted poor countries – HIPC) und <strong>der</strong><br />

am wenigsten entwickelten Län<strong>der</strong> (least developed<br />

countries – LDC) getroffen werden.“ (Brief vom 16.<br />

Dezember 2006)<br />

10 In <strong>der</strong> Form einer rhetorischen Frage hatte <strong>der</strong> Papst<br />

in einem früheren Abschnitt bereits bemerkt, dass diese<br />

Einstellung keineswegs „eine Flucht in den Kult <strong>der</strong><br />

Innerlichkeit, in den religiösen Individualismus, eine<br />

Preisgabe <strong>der</strong> Dringlichkeit <strong>der</strong> großen wirtschaftlichen,<br />

sozialen und politischen Probleme Lateinamerikas<br />

und <strong>der</strong> Welt und eine Flucht aus <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />

in eine spirituelle Welt“ bedeute (Nr. 3).<br />

11 Auf dieser ethischen Ebene siedelt er ebenfalls die Soziallehre<br />

<strong>der</strong> Kirche an.<br />

12 Zuvor hatte die römische Bischofssynode über „Gerechtigkeit<br />

in <strong>der</strong> Welt“ (1971) hervorgehoben, dass<br />

die Sendung <strong>der</strong> Kirche auch darin bestehe, „die Würde<br />

und die fundamentalen Rechte <strong>der</strong> menschlichen<br />

Person zu schützen und zu för<strong>der</strong>n“ (Nr. 37).<br />

13 Die Eucharistie drängt jeden Christgläubigen dazu,<br />

„sich für eine gerechtere und geschwisterlichere Welt<br />

einzusetzen“ (Sacramentum Caritatis Nr. 88)<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Die Große Kontinentale Mission<br />

Die V. Generalversammlung möchte<br />

<strong>der</strong> Kirche Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik<br />

einen großen missionarischen Impuls<br />

geben. Wir wissen, wie sehr heute die<br />

Kirche in <strong>der</strong> ganzen Welt einen solchen<br />

Impuls braucht. Durch die V. Generalversammlung<br />

schenkt Christus uns die<br />

großartige Gelegenheit, über die Durchführung<br />

einer Großen Mission auf unserem<br />

Kontinent zu entscheiden. Diese<br />

Gelegenheit, diese Stunde <strong>der</strong> Gnade,<br />

dürfen wir nicht verpassen. Wir brauchen<br />

ein neues <strong>Pfingsten</strong>!<br />

Wir haben sie getauft, doch aus<br />

den verschiedensten Gründen ist<br />

es uns nicht gelungen, sie genügend<br />

zu evangelisieren.<br />

In Wirklichkeit ist es so, dass die große<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Katholiken unseres Kontinents<br />

nicht mehr am Leben unserer kirchlichen<br />

Gemeinschaften teilnimmt <strong>o<strong>der</strong></strong> es<br />

nie getan hat. Wir haben sie getauft, doch<br />

aus den verschiedensten Gründen ist es<br />

uns nicht gelungen, sie genügend zu<br />

evangelisieren. Der Papst sagte in seiner<br />

Ansprache an die brasilianischen Bischöfe<br />

in São Paulo am 11. Mai diesen Jahres in<br />

Bezug auf unsere Katholiken, die sich vom<br />

kirchlichen Leben abgewandt haben: „Es<br />

scheint klar, dass die Hauptursache für<br />

dieses Problem unter an<strong>der</strong>em auf das<br />

Fehlen einer Evangelisierung zurückzuführen<br />

ist, in <strong>der</strong> Christus und seine Kirche<br />

im Zentrum je<strong>der</strong> Erklärung stehen. Die<br />

Menschen, die für den aggressiven Pro-<br />

Hummes – Die Große Kontinentale Mission<br />

Cláudio Hummes<br />

geb. 1934 in Porto Alegre/Brasilien,<br />

bis Okt. 2006 Erzbischof von São<br />

Paulo, zur Zeit Präfekt <strong>der</strong> vatikanischen<br />

Kongregation für den Klerus<br />

selytismus <strong>der</strong> Sekten, <strong>der</strong> zu Recht Anlass<br />

zur Sorge gibt, am verwundbarsten<br />

sind und die nicht in <strong>der</strong> Lage sind, dem<br />

Ansturm des Agnostizismus, des Relativismus<br />

und Laizismus standzuh<strong>alte</strong>n, sind in<br />

<strong>der</strong> Regel Getaufte, die nicht genügend<br />

im Evangelium unterwiesen wurden und<br />

leicht zu beeinflussen sind, weil sie einen<br />

zerbrechlichen Glauben haben, <strong>der</strong><br />

manchmal verworren, schwankend und<br />

naiv ist, auch wenn sie eine angeborene<br />

Religiosität bewahren.“ 1<br />

In wenigen Worten ausgedrückt: Der<br />

Papst sagt uns, dass wir diejenigen, die<br />

wir getauft haben, nicht genügend evangelisiert<br />

haben. Dabei haben alle, die wir<br />

getauft haben, ein Recht darauf, durch<br />

uns evangelisiert zu werden, denn in<br />

dem Augenblick, da wir sie getauft haben,<br />

haben wir uns verpflichtet, sie zu<br />

evangelisieren und zu Jesus Christus zu<br />

führen. Eine Große Kontinentale Mission,<br />

bei <strong>der</strong> wir auf die Suche gehen nach<br />

jenen Katholiken, die zu wenig evangelisiert<br />

wurden, ist daher we<strong>der</strong> eine Form<br />

von Proselytismus noch bedeutet sie Anti-<br />

Ökumene, handelt es sich doch um jene<br />

Menschen, die wir bereits getauft haben.<br />

Natürlich müssen wir auch die Menschen<br />

evangelisieren, die Jesus Christus und sein<br />

Reich kaum <strong>o<strong>der</strong></strong> gar nicht kennen. Jesus<br />

Christus sandte seine Jünger aus, alle Völker<br />

zu evangelisieren und sie zu seinen<br />

Jüngern zu machen.<br />

In <strong>der</strong> gleichen Ansprache sagte Benedikt<br />

XVI.: „Erfor<strong>der</strong>lich ist, kurz gesagt,<br />

eine Mission <strong>der</strong> Evangelisierung, die al-<br />

2


2<br />

Nachtwallfahrt: „Schluss mit erzwungener Migration“<br />

le lebendigen Energien dieser immensen<br />

Herde hinzuziehen soll. Ich denke daher<br />

an die Priester, an die Ordensmänner, an<br />

die Ordensfrauen und an die Laien, die<br />

sich oftmals unter ungeheuren Schwierigkeiten<br />

für die Verbreitung <strong>der</strong> Wahrheit<br />

des Evangeliums aufopfern.“ 2 An<br />

an<strong>der</strong>er Stelle spricht <strong>der</strong> Papst von missionarischen<br />

Besuchen bei den Menschen<br />

zu Haus:<br />

Erfor<strong>der</strong>lich ist ... eine Mission<br />

<strong>der</strong> Evangelisierung, die alle<br />

lebendigen Energien dieser immensen<br />

Herde hinzuziehen soll.<br />

„In diesem angestrengten Bemühen<br />

um die Evangelisierung zeichnet sich die<br />

kirchliche Gemeinschaft durch pastorale<br />

Initiativen aus, vor allem durch die Entsendung<br />

ihrer Missionare, Laien und Ordensleute,<br />

in die Häuser an <strong>der</strong> Peripherie<br />

<strong>der</strong> Städte und im Landesinneren, die<br />

im Geist des Verständnisses und einfühlsamer<br />

Liebe mit allen in Dialog zu treten<br />

versuchen.“ 3<br />

In <strong>der</strong> gleichen Ansprache zeigt <strong>der</strong><br />

Papst auch auf, dass eine evangelisatorische<br />

Mission nicht getrennt werden<br />

kann von <strong>der</strong> Solidarität mit den Armen<br />

und ihrer ganzheitlichen För<strong>der</strong>ung. Er<br />

äußert dazu: „Wenn jedoch die Menschen,<br />

denen ihr begegnet, in Armut leben,<br />

muss man ihnen helfen, so wie es die<br />

ersten christlichen Gemeinden getan haben,<br />

indem man Solidarität übt, damit sie<br />

sich wirklich geliebt fühlen. Die arme Bevölkerung<br />

an den Rän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Großstädte<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> auf dem Land muss die Nähe <strong>der</strong><br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Kirche spüren, sei es als Hilfe für die dringendsten<br />

Bedürfnisse, sei es in <strong>der</strong> Verteidigung<br />

ihrer Rechte und in <strong>der</strong> gemeinsamen<br />

För<strong>der</strong>ung einer Gesellschaft, die<br />

auf Gerechtigkeit und Frieden gegründet<br />

ist. Die Armen sind die ersten Adressaten<br />

des Evangeliums, und <strong>der</strong> Bischof muss –<br />

nach dem Bild des guten Hirten – beson<strong>der</strong>s<br />

darauf achten, den göttlichen Balsam<br />

des Glaubens anzubieten, ohne das<br />

»materielle Brot« zu vernachlässigen.“ 4<br />

Diese Große Kontinentale Mission<br />

muss ihren Ursprung darin haben, dass<br />

wir uns dem Impuls des Heiligen Geistes<br />

öffnen, damit sie sich zu einem neuen<br />

<strong>Pfingsten</strong> entwickeln kann. Deshalb<br />

ist sie angewiesen auf das entschiedene<br />

Handeln <strong>der</strong> Bischofskonferenzen, <strong>der</strong><br />

Diözesen, <strong>der</strong> Pfarreien und aller Art Vereinigungen<br />

<strong>der</strong> Gläubigen. Die Mission<br />

muss in die Pastoralpläne dieser verschiedenen<br />

kirchlichen Ebenen aufgenommen<br />

werden und darin sogar eine zentrale<br />

Stellung bekommen. Die Diözesen und<br />

Pfarreien müssen ihre Pastoralpläne überprüfen<br />

und in <strong>der</strong> Lage sein, ihre Gläubigen<br />

zusammenzurufen, vorzubereiten<br />

und auszusenden, damit sie in ihrem eigenen<br />

Territorium missionieren und so an<br />

<strong>der</strong> Mission „ad gentes“ teilnehmen können.<br />

Dieses missionarische Handeln muss<br />

zu einem dauerhaften Charakteristikum<br />

<strong>der</strong> Gemeinden werden. Die Große Mission<br />

auf dem gesamten Kontinent könnte<br />

sich bis zur Einberufung <strong>der</strong> VI. Generalversammlung<br />

erstrecken, nicht, um die<br />

missionarische Bewegung dann zu beenden,<br />

son<strong>der</strong>n um eine Bewertung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

vorzunehmen und danach über<br />

ihre Zukunft zu entscheiden.<br />

Diese Mission muss auf die ganze<br />

Gesellschaft ausgedehnt werden,<br />

auch wenn die Armen ihre privilegierten<br />

Adressaten sind ...<br />

Hummes – Die Große Kontinentale Mission<br />

Diese Mission muss auf die ganze<br />

Gesellschaft ausgedehnt werden, auch<br />

wenn die Armen ihre privilegierten Adressaten<br />

sind, wie <strong>der</strong> Papst sagte. Es geht<br />

um die Armen am Rand <strong>der</strong> Städte und<br />

im Landesinneren, aber auch um alle<br />

Menschen aus den unterschiedlichsten<br />

Schichten <strong>der</strong> Bevölkerung, aus allen Institutionen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, aus Politik<br />

und Wirtschaft, aus <strong>der</strong> Kultur und den<br />

gesellschaftlichen Kommunikationsmedien<br />

usw. Es ist aber gut, daran zu erinnern,<br />

dass es außer <strong>der</strong> Evangelisierung, die<br />

sich an die Gesellschaft als Ganzes richtet,<br />

wichtig ist, mit jedem Einzelnen Kontakt<br />

zu bekommen, insbeson<strong>der</strong>e heute,<br />

in <strong>der</strong> postm<strong>o<strong>der</strong></strong>nen und urbanen Gesellschaft,<br />

in <strong>der</strong> die Menschen sich sehr<br />

abseits fühlen und ganz persönliche Begegnungen<br />

brauchen, in denen sie Anerkennung<br />

und Wertschätzung finden,<br />

in denen sie Solidarität und geschwisterliche<br />

Liebe erfahren.<br />

Liebe Brü<strong>der</strong> und Schwestern, alles<br />

deutet darauf hin, dass Jesus Christus die<br />

Kirche Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik zu<br />

dieser Großen Kontinentalen Mission einlädt.<br />

Der Heilige Geist, Hauptakteur und<br />

Seele <strong>der</strong> Mission <strong>der</strong> Kirche, bietet uns<br />

sein Licht, seine Anregung, seine Stärke<br />

und seinen Segen dafür an. Habt keine<br />

Angst, sagt Jesus zu uns: „Stechen wir in<br />

See!“ Bringen wir unsere Boote aufs Meer.<br />

Jesus Christus wird mit uns sein bei diesem<br />

Fischfang, <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>bar sein wird.<br />

Übersetzung aus dem Spanischen:<br />

Maria Schwabe<br />

Endnoten<br />

1 Ansprache Benedikt XVI. an die brasilianischen Bischöfe,<br />

São Paulo, 11. Mai 2007<br />

2 ebd.<br />

3 ebd.<br />

4 ebd.<br />

2


30<br />

Kardinal Cláudio Hummes<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Das Martyrium<br />

ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

Meine Brü<strong>der</strong> und Schwestern,<br />

ich begrüße euch und alle, die uns<br />

durch Radio und Fernsehen begleiten;<br />

ganz beson<strong>der</strong>s begrüße ich alle Pilger<br />

und Pilgerinnen, die zu diesem Gottesdienst<br />

vor dem Pfingstfest gekommen<br />

sind. Bitten wir darum, dass <strong>der</strong> Heilige<br />

Geist mit neuer Kraft auf die Kirche Jesu<br />

Christi herabkomme. Möge er auf euch<br />

herabkommen, liebe Pilgerinnen und Pilger,<br />

die Ihr hierher gekommen seid, um<br />

Unsere Liebe Frau von Aparecida, die Patronin<br />

Brasiliens, zu grüßen. Euch, die ihr<br />

gekommen seid, um zu danken für die<br />

Gnade, die ihr empfangen habt; die ihr<br />

gekommen seid, um euren Glauben und<br />

eure Zugehörigkeit zu Jesus Christus zu<br />

erneuern. Ihr, die ihr auch gekommen<br />

seid, um eure Bitten vorzutragen, die ihr<br />

euer Leid mitgebracht habt, eure Ängste,<br />

eure Probleme, vielleicht auch die<br />

Armut, die euch bedrückt, <strong>o<strong>der</strong></strong> die Arbeitslosigkeit,<br />

von <strong>der</strong> ihr betroffen seid.<br />

Ich grüße euch, die ihr gekommen seid,<br />

um zu loben und zu beten. Ihr seid gekommen,<br />

um – wie es in dem Lied heißt<br />

– eure Verbundenheit mit <strong>der</strong> Mutter<br />

Gottes, Unserer Lieben Frau von Aparecida,<br />

auszudrücken. Sie empfängt jeden<br />

Einzelnen von euch mit großer Liebe und<br />

großer Zuwendung, sie hört eure Bitten<br />

und Ängste, eure Freuden und alles, was<br />

ihr vor Gott bringt durch die Vermittlung<br />

Unserer Lieben Frau.<br />

Hummes – Das Martyrium ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

Predigt von Kardinal Cláudio<br />

Hummes, während <strong>der</strong> V. Generalversammlung<br />

in Aparecida<br />

Wir Bischöfe, Priester, Laien, Ordensmänner<br />

und Ordensfrauen sind aus allen<br />

Län<strong>der</strong>n Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik<br />

gekommen, um an <strong>der</strong> V. Generalversammlung<br />

des Episkopats Lateinamerikas<br />

und <strong>der</strong> Karibik teilzunehmen. Der Papst<br />

hat uns zusammengerufen. Er, <strong>der</strong> vor<br />

wenigen Tagen hier in Brasilien war, hat<br />

uns alle tief beeindruckt. Er war für uns<br />

gleichsam ein Licht, mit seiner Liebenswürdigkeit,<br />

seiner Freundlichkeit und seinem<br />

Herzen, das das Herz eines Vaters,<br />

eines Bru<strong>der</strong>s, eines Freundes und eines<br />

Hirten ist. Er war bei uns, er hat uns die<br />

Richtung gewiesen, er hat uns mit seinen<br />

Worten erleuchtet und uns Mut gegeben,<br />

er hat bei den verschiedenen Begegnungen<br />

die Kirche Lateinamerikas auf ihrem<br />

Weg durch die Geschichte gestärkt.<br />

Für uns ergibt sich daraus eine große Verantwortung<br />

und eine große Hoffnung.<br />

Wir wissen, dass ihr um die Gegenwart<br />

des Heiligen Geistes betet und dafür, dass<br />

wir uns ihm öffnen mögen.<br />

Der Papst hat die Bitte geäußert,<br />

dass wir über etwas sehr Wichtiges für<br />

das Leben <strong>der</strong> Kirche Lateinamerikas, ja<br />

<strong>der</strong> ganzen Welt, nachdenken mögen:<br />

Wir sollen Jünger und Jüngerinnen Jesu<br />

Christi sein und unser getauftes Volk<br />

zu einer ganz persönlichen, starken und<br />

gemeinschaftlichen Hinwendung zu Jesus<br />

Christus führen. Wie soll das geschehen,<br />

jeden Einzelnen zu Jesus Christus zu<br />

führen, zu einer intensiven persönlichen<br />

31


32<br />

Begegnung, die dann zu einer gemeinschaftlichen<br />

Begegnung wird? Schon Johannes<br />

Paul II. hat uns gesagt, dass das<br />

Leben eines Christen mit einer intensiven<br />

Begegnung mit Jesus Christus beginnt.<br />

Wir, die wir als Kin<strong>der</strong> getauft wurden,<br />

durften die Gnade erfahren, dass jemand<br />

da war, <strong>der</strong> uns die erste Botschaft überbrachte<br />

von Jesus Christus, <strong>der</strong> gestorben<br />

ist und vom Tode auferstanden ist; jemand,<br />

<strong>der</strong> uns die Botschaft von seinem<br />

Reich brachte. Wir hatten die Gnade,<br />

dass wir eine solche persönliche Erfahrung<br />

mit ihm machen durften. Doch die<br />

meisten Menschen haben diese Gnade<br />

nicht erfahren. Sie hatten niemand, <strong>der</strong><br />

sie geführt hätte, und so blieben sie fern,<br />

mit einem Glauben, <strong>der</strong> unklar, schwankend,<br />

ja zerbrechlich ist. In einer solchen<br />

Begegnung mit Jesus Christus aber werden<br />

wir in <strong>der</strong> Tat zu Jüngern und Jüngerinnen<br />

Christi. Aus ihr geht man verwandelt<br />

hervor, wie die ersten Jünger, von<br />

denen im Johannesevangelium berichtet<br />

wird, dass sie Jesus fragten: „Meister, wo<br />

wohnst du?“ Seine Antwort ist: „Kommt<br />

und seht“, und sie blieben einen ganzen<br />

Nachmittag bei ihm und kehrten verwandelt<br />

und begeistert zurück und haben<br />

Christus niemals mehr verlassen. Sie<br />

folgten ihm und gaben sogar ihr Leben<br />

für ihn hin. So verwandelt er jene, die ihm<br />

offenen Herzens begegnen.<br />

In einer solchen Begegnung mit<br />

Jesus Christus aber werden wir in<br />

<strong>der</strong> Tat zu Jüngern und Jüngerinnen<br />

Christi. Aus ihr geht man<br />

verwandelt hervor<br />

Genau das sagte <strong>der</strong> Papst. Mögen<br />

wir es in unseren Gedanken fest verankern:<br />

die Kirche in Lateinamerika muss<br />

sich auf die Suche begeben nach all diesen<br />

Getauften, nach den vielen Menschen,<br />

die nicht am Leben unserer Ge-<br />

meinschaften teilnehmen, sei es in den<br />

Pfarrgemeinden, den Kirchlichen Basisgemeinden,<br />

in an<strong>der</strong>en gemeinschaftlichen<br />

Vereinigungen; auf die Suche nach<br />

jenen, die allein sind und keinen Kontakt<br />

haben; nach denen, die von sich sagen,<br />

dass sie katholisch sind und ihre Kirche<br />

lieben, doch für die die Kirche manchmal<br />

zu weit entfernt ist. Wir erreichen nicht<br />

alle, doch sie möchten, dass wir nahe bei<br />

ihnen sind, dass wir mit ihnen sprechen<br />

und ihnen zuhören. Sie möchten die Wärme<br />

und Liebe ihrer Kirche spüren.<br />

Genau das schlägt uns <strong>der</strong> Papst vor,<br />

wenn er uns aufruft, missionarische Jünger<br />

zu sein. Die Kirche muss sich in den<br />

Pfarreien und den Bewegungen mit den<br />

Laien zusammen in missionarische Gruppen<br />

aufteilen, die von ihren Priestern als<br />

Hirten angeleitet werden. Sie muss sich<br />

eine Struktur geben bei <strong>der</strong> Suche nach<br />

jenen, die in ihrem Territorium, in ihrem<br />

Pfarrgebiet leben. Unsere Pfarreien zählen<br />

zuweilen dreißig-, vierzig- <strong>o<strong>der</strong></strong> fünfzigtausend<br />

Getaufte, von denen nur tausend<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> zweitausend am Leben <strong>der</strong><br />

Kirche teilnehmen. Damit dürfen wir<br />

nicht zufrieden sein. Daher möchten wir<br />

bei dieser Konferenz die große Mission<br />

anregen, die ihr Augenmerk auch auf die<br />

Not unserer Menschen richtet, auf Armut<br />

und Arbeitslosigkeit, auf Leid und Krankheit<br />

und auf die Ängste des Volkes. Wir<br />

müssen mit ihm solidarisch sein.<br />

Der Papst sagte in seiner Ansprache:<br />

„Die bevorzugte Option für die Armen ist<br />

implizit enth<strong>alte</strong>n in unserem Glauben an<br />

Jesus Christus.“ Wir dürfen nicht nachlassen<br />

in unserem Bemühen, Elend und Hunger,<br />

Armut und Leid unseres Volkes zu bekämpfen.<br />

Die Kirche muss sich in dieser<br />

Hinsicht weiter zielstrebig im Namen Jesu<br />

Christi einsetzen. Die Evangelisierung<br />

kann von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Menschen<br />

nicht getrennt werden, von <strong>der</strong> Verteidigung<br />

<strong>der</strong> Menschenwürde und <strong>der</strong> Men-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


schenrechte. Das erste Recht ist jedoch<br />

das Recht auf Leben, das Recht, als Menschen<br />

würdig leben zu können.<br />

Die Evangelisierung kann von <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung des Menschen nicht<br />

getrennt werden, von <strong>der</strong> Verteidigung<br />

<strong>der</strong> Menschenwürde und<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte.<br />

Lassen wir uns von Paulus und seiner<br />

Begegnung mit Jesus Christus auf<br />

<strong>der</strong> Straße nach Damaskus inspirieren.<br />

Der heilige Paulus hat Jesus Christus niemals<br />

verlassen. Er sagte: „Ich war bereits<br />

von Jesus Christus ergriffen.“ So müssen<br />

auch wir die Menschen führen, dass sie<br />

von Jesus Christus ergriffen werden. Paulus<br />

wird in Rom das Martyrium erleiden,<br />

doch selbst im Gefängnis hatte er noch<br />

mutig Jesus Christus all jenen verkündet,<br />

die sich ihm näherten. Er hat sie alle empfangen<br />

und zu ihnen von Jesus Christus<br />

gesprochen. Ein starkes Feuer hörte nicht<br />

Hummes – Das Martyrium ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

auf zu brennen in ihm, bis hin zu seinem<br />

Martyrium. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: Das<br />

Martyrium ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung.<br />

Es gibt keine erhabenere Evangelisierung<br />

als die, sein Leben für Jesus<br />

Christus zu geben.<br />

Beten wir zum Heiligen Geist, dass er<br />

auf die Kirche herabkomme, dass er uns<br />

erleuchte und den Mut schenken möge,<br />

uns an dieser großen Mission <strong>der</strong> Kirche<br />

zu beteiligen. Wir dürfen es nicht zulassen,<br />

dass jemand ohne diese Begegnung<br />

mit Jesus Christus bleibt, denn er ist unsere<br />

Rettung.<br />

Beten wir auch zu Unserer Lieben<br />

Frau von Aparecida. Sie war die Erste, die<br />

ihren Sohn den an<strong>der</strong>en zeigte, und so<br />

müssen auch wir ihren Sohn heute allen<br />

Menschen zeigen, wir, die wir seine Jünger<br />

sind. Erneuern wir in uns diese Liebe<br />

und Zugehörigkeit zu Jesus Christus<br />

und überbringen wir unsere Freude, Katholiken<br />

und Katholikinnen zu sein, den<br />

an<strong>der</strong>en Menschen. Amen.<br />

Übersetzung aus dem Portugiesischen:<br />

Maria Schwabe<br />

33


3<br />

Das Volk Gottes mit Jesus dem Befreier unterwegs nach Aparecida<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Das Projekt von Aparecida<br />

Die Konferenz von Aparecida hat ein<br />

ehrgeiziges Projekt. Es geht um nichts<br />

weniger als um eine radikale Umkehr<br />

des kirchlichen Systems. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

ist die kirchliche Pastoral darauf<br />

konzentriert, das Erbe <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

zu wahren. Alle Institutionen wurden<br />

diesem Zweck unterworfen. Das System<br />

wurde im XII. Jahrhun<strong>der</strong>t installiert und<br />

seitdem nur unwesentlich verän<strong>der</strong>t. Mit<br />

dem Projekt von Aparecida wird nun alles<br />

auf die Mission hin orientiert. Die praktische<br />

Umsetzung dieses Projektes wird<br />

das gesamte XXI. Jahrhun<strong>der</strong>t in Anspruch<br />

nehmen. Denn die Bischöfe haben<br />

zwar das Projekt entworfen, aber das<br />

erste Problem besteht bereits darin, den<br />

Klerus zu überzeugen. Die heutige Generation<br />

ist auf diese völlige Umkehrung<br />

ihrer Aufgaben nicht vorbereitet. Es wird<br />

notwendig sein, die Ausbildung radikal<br />

zu verän<strong>der</strong>n und neue Generationen<br />

von Priestern vorzubereiten, die sich von<br />

den heutigen erheblich unterscheiden.<br />

Die gesamte Kirche missionarisch<br />

zu gest<strong>alte</strong>n, ist eine gigantische<br />

Aufgabe.<br />

Die gesamte Kirche missionarisch zu<br />

gest<strong>alte</strong>n, ist eine gigantische Aufgabe.<br />

Während des ersten Jahrtausends hatten<br />

die Mönche die Mission zu ihrer Aufgabe<br />

gemacht. Viele von ihnen wurden Bischöfe<br />

und berühmte Kirchengrün<strong>der</strong>.<br />

Die Kirche war überwiegend agrarisch<br />

strukturiert. Im XI. und XII. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

José Comblin<br />

geb. 1923 in Brüssel, seit 1958 in<br />

Brasilien leben<strong>der</strong> Theologe<br />

schuf man das Pfarreiensystem. Aber <strong>der</strong><br />

Pfarreiklerus war, da er keine Ausbildung<br />

erfahren hatte, ungebildet.<br />

Schon im XIII. Jahrhun<strong>der</strong>t beklagte<br />

sich Thomas von Aquin darüber, dass<br />

<strong>der</strong> Klerus nicht missionarisch sei und das<br />

Evangelium nicht verbreite, und wies darauf<br />

hin, dass im Gegensatz dazu aber die<br />

Bettelmönche an <strong>der</strong> Evangelisierung arbeiteten.<br />

Dieselbe Klage ist in allen Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

bis heute zu hören. Vom XIII.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t an übernahmen die Bettelmönche<br />

die Missionstätigkeit und danach<br />

Gesellschaften von Missionspriestern,<br />

wie z.B. die Missionsgemeinschaft<br />

von Vinzenz von Paul, die Redemptoristen<br />

des Alfons von Ligouri und an<strong>der</strong>e.<br />

In Lateinamerika übernahmen zunächst<br />

vor allem die <strong>Franziskaner</strong> die<br />

Missionstätigkeit; sie stellten mehr als die<br />

Hälfte <strong>der</strong> Missionare. Die Dominikaner<br />

waren am stärksten im XVI. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

aktiv. Die Karmeliten und Augustiner,<br />

ebenso wie die Benediktiner kamen mit<br />

weniger Missionaren. Später kamen noch<br />

verschiedene an<strong>der</strong>e Orden hinzu.<br />

Im XX. Jahrhun<strong>der</strong>t übernahmen<br />

die Orden und Kongregationen die Pfarreien,<br />

so dass nur eine kleine Min<strong>der</strong>heit<br />

sich <strong>der</strong> Missionstätigkeit widmete. Außerdem<br />

verwendeten sie Methoden aus<br />

dem XVII. und XVIII. Jahrhun<strong>der</strong>t, die für<br />

das XX. Jahrhun<strong>der</strong>t völlig ungeeignet<br />

waren. Sie kümmerten sich um die ländlichen<br />

Zonen, während 80 % <strong>der</strong> lateina-<br />

3


3<br />

merikanischen Bevölkerung sich auf den<br />

Weg in die Städte begab.<br />

Die Missionstätigkeit soll Priorität<br />

haben und die Verwaltung<br />

<strong>der</strong> kleinen Min<strong>der</strong>heit, die noch<br />

die Pfarreien aufsucht, an die<br />

zweite Stelle rücken.<br />

Und nun gibt es ein Projekt <strong>der</strong> Bischöfe,<br />

das einen Mentalitätswandel und<br />

eine Verh<strong>alte</strong>nsän<strong>der</strong>ung verlangt. Die<br />

Missionstätigkeit soll Priorität haben und<br />

die Verwaltung <strong>der</strong> kleinen Min<strong>der</strong>heit,<br />

die noch die Pfarreien aufsucht, an die<br />

zweite Stelle rücken. Dafür muss die Priesterausbildung<br />

radikal verän<strong>der</strong>t werden.<br />

Die Ordensleute müssen dann zu ihrer<br />

ursprünglichen Berufung zurückkehren<br />

und aufhören, Pfarreien bzw. Hilfswerke<br />

zu verw<strong>alte</strong>n.<br />

Vor einigen Jahren habe ich geschrieben,<br />

dass ich Dom Hel<strong>der</strong> Camara für den<br />

exemplarischen Bischof des XXI. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

h<strong>alte</strong>. Dom Hel<strong>der</strong> war ein Missionar<br />

und hatte einen exzellenten Mitarbeiter<br />

für die Verwaltungsaufgaben. Vor allem<br />

nach seiner Bekehrung im Jahr 1955 und<br />

<strong>der</strong> neuerlichen Bekehrung, nachdem er<br />

das Bischofsamt in Recife übernommen<br />

hatte, wurde Dom Hel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch<br />

des persönlichen Kontaktes, ein Mensch,<br />

<strong>der</strong> Menschen, mit denen er in Kontakt<br />

trat, in seinen Bann ziehen und verän<strong>der</strong>n<br />

konnte, so dass sie die Notwendigkeit<br />

verspürten, ihr Leben zu än<strong>der</strong>n. Er besaß<br />

die Gabe, in den Menschen die Berufung<br />

zum christlichen Missionar zu wecken.<br />

1. Die bedeutendsten Themen<br />

des Schlussdokuments<br />

Erstens müssen wir das Hauptthema<br />

hervorheben, das für die Gesamte<br />

Generalversammlung gewählt worden<br />

war. Vor 30 Jahren sprach man In Latein-<br />

amerika überhaupt nicht von Mission. Im<br />

Bewusstsein des einfachen Volkes waren<br />

Missionare die Ordensleute, die von Europa<br />

und Nordamerika kamen, um den<br />

Klerus <strong>der</strong> Ortskirchen zu verstärken,<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> es waren die Prediger bei „Volksmissionen“.<br />

Das war ein Erbe <strong>der</strong> Kolonialzeit.<br />

Missiologie gehörte nicht einmal zum<br />

Programm <strong>der</strong> Priesterausbildung. Missiologie<br />

war das Spezialgebiet einiger<br />

weniger, die sich den entferntesten bzw.<br />

am wenigsten bevölkerten Gebieten widmen<br />

wollten, z.B. dem Amazonasgebiet.<br />

Als Missionare g<strong>alte</strong>n alle, die die Indios<br />

evangelisieren wollten, und die Mehrheit<br />

von ihnen waren Auslän<strong>der</strong>.<br />

Das soll nicht heißen, dass es keine<br />

missionarisch gesinnten und tätigen Katholiken,<br />

Priester, Ordensleute und vor<br />

allem Laien gab. Ihnen war vielmehr gar<br />

nicht bewusst, dass sie Missionare waren;<br />

denn diese missionarisch gesinnten Menschen<br />

waren nicht äußerlich erkennbar<br />

und verfügten über keinen definierten<br />

Status. Sie waren vielmehr anonyme Missionare.<br />

Gegenwärtig ist das Bewusstsein<br />

dafür, dass in einer immer<br />

stärker säkularisierten Gesellschaft<br />

Mission notwendig ist, sehr<br />

ausgeprägt.<br />

Seitdem gab es immer mehr Erfahrungen,<br />

die als missionarisch erlebt wurden.<br />

Das Wort Missionar selbst wurde<br />

vom einfachen Volk immer mehr verwendet,<br />

weil es bestimmte Menschen<br />

als Missionarinnen und Missionare identifizierte.<br />

Viele Gruppen charakterisierten<br />

sich selbst als missionarisch. Gegenwärtig<br />

ist das Bewusstsein dafür, dass in einer<br />

immer stärker säkularisierten Gesellschaft<br />

Mission notwendig ist, sehr ausgeprägt.<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Die V. Generalversammlung von Aparecida<br />

hat aufgegriffen, was sich in den letzten<br />

30 Jahren entwickelt hat.<br />

Zweitens müssen wir hervorheben,<br />

dass die Konferenz sich dafür entschied,<br />

zur Methode von Puebla und Medellín<br />

zurückzukehren, also das Schema „Sehen-Urteilen-Handeln“<br />

<strong>der</strong> katholischen<br />

Aktion wie<strong>der</strong> aufzugreifen (Nr. 19). Mit<br />

starkem Nachdruck wird diese Kontinuität<br />

betont (Nr. 391-398). Es fällt nicht<br />

schwer, in dieser nachdrücklichen Erinnerung<br />

so etwas wie ein stillschweigendes<br />

Eingeständnis von Bekenntnis und Reue<br />

zu entdecken. Es ist nicht zu leugnen,<br />

dass <strong>der</strong> Einfluss von Medellín und Puebla<br />

in den letzten Jahren nachgelassen hatte.<br />

Es fehlte auch nicht an Priestern, die ganz<br />

einfach behaupteten, Medellín gehöre<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit an und spiele für die<br />

heutige Kirche keine Rolle mehr. Deshalb<br />

ist es umso opportuner, hervorzuheben,<br />

dass die Konferenz von Aparecida nachdrücklich<br />

daran erinnert.<br />

Die Kontinuität mit Medellín<br />

und Puebla wird vor allem an den<br />

beiden Grundthemen „Option für<br />

die Armen“ und „Kirchliche<br />

Basisgemeinden“ erkennbar.<br />

Die Kontinuität mit Medellín und<br />

Puebla wird vor allem an den beiden<br />

Grundthemen „Option für die Armen“<br />

und „Kirchliche Basisgemeinden“ erkennbar.<br />

Eben diese Themen wurden ja entwe<strong>der</strong><br />

heftig attackiert <strong>o<strong>der</strong></strong> als Ladenhüter<br />

beiseite geschoben. Bei <strong>der</strong> römischen<br />

Synode von 1997 „Ecclesia in America“<br />

waren sie ganz verschwunden. Wenn<br />

auch in bestimmten Län<strong>der</strong>n (vor allem<br />

in Brasilien) offizielle Texte noch von <strong>der</strong><br />

Option für die Armen und den Basisgemeinden<br />

sprachen, war die generelle Lage<br />

doch völlig an<strong>der</strong>s. Es genügt an das<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

Dokument zu erinnern, das P. Maríns, <strong>der</strong><br />

unermüdliche Apostel <strong>der</strong> Basisgemeinden<br />

in ganz Lateinamerika, einmal veröffentlichte.<br />

Es war ein Dokument bitterer<br />

Trauer. In Brasilien kann man sich nur<br />

schwer vorstellen, wie weit bereits in verschiedenen<br />

(wenn nicht vielen) an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n die Option für die Armen und die<br />

Basisgemeinden verschwunden waren.<br />

Die Generalversammlung von Aparecida<br />

erneuert die Option für die Armen<br />

(Nr. 397/398/399). Sie verwendet dafür<br />

keine konventionelle Formel. Der Text<br />

sagt eindeutig: „Wir greifen die Option<br />

für die Armen mit neuer Entschiedenheit<br />

auf“ (399). Auch hier erkennt man ein bescheidenes<br />

Indiz für Reue und für die Einsicht,<br />

dass diese Option in <strong>der</strong> kirchlichen<br />

Pastoral ihre Dringlichkeit verloren hatte;<br />

sie besaß im praktischen Leben keine Priorität<br />

mehr. Darüber hinaus anerkennt <strong>der</strong><br />

Text, dass die Armen Subjekte <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

und <strong>der</strong> menschlichen Entwicklung<br />

sind (398). Man vergleiche dazu den<br />

gesamten Abschnitt 391 bis 398.<br />

Der Text verwendet sogar zwei Mal<br />

das Wort „Befreiung“, das auf dem Index<br />

<strong>der</strong> verbotenen Wörter stand. Zwar wird<br />

das Wort „Befreiung“ durch das Adjektiv<br />

„authentisch“ (399) bzw. „ganzheitlich“<br />

nuanciert, aber zumindest steht es im<br />

Text. Und das bedeutet, dass man es in<br />

Zukunft wie<strong>der</strong> verwenden darf (385).<br />

Das Schlussdokument spricht ausdrücklich<br />

von den kirchlichen Basisgemeinden<br />

(Nr. 178-179). Dieser Teil hat<br />

unter den Korrekturen aus Rom am stärksten<br />

gelitten; denn <strong>der</strong> Text <strong>der</strong> Bischöfe<br />

war viel eindeutiger. Außerdem erwähnt<br />

<strong>der</strong> Text alle positiven Früchte <strong>der</strong> Basisgemeinden,<br />

indem er anerkennt, dass sie<br />

die Option für die Armen symbolisch darstellten.<br />

Die Bischöfe hatten geschrieben:<br />

„Das Leben sowie die prophetische und hei-<br />

3


3<br />

Der Weg <strong>der</strong> Erinnerung an Rio 1955, Medellin 1968, Puebla 1979, Santo Domingo 1992<br />

ligmachende Sendung <strong>der</strong> Kirchlichen Basisgemeinden<br />

in <strong>der</strong> missionarischen Nachfolge<br />

Jesu wollen wir mit Entschiedenheit<br />

bestätigen und mit neuen Impulsen ausstatten.<br />

Die Basisgemeinden waren nach<br />

dem II. Vatikanischen Konzil bedeutsame<br />

Wirkungen des Heiligen Geistes in <strong>der</strong> Kirche<br />

von Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik.“<br />

(194) Diese Sätze fielen <strong>der</strong> Zensur zum<br />

Opfer, so dass <strong>der</strong> Text erheblich abgeschwächt<br />

wurde. An<strong>der</strong>e Korrekturen befinden<br />

sich auf <strong>der</strong> gleichen Linie. Aber<br />

es gibt eben auch den Text <strong>der</strong> Bischöfe,<br />

<strong>der</strong> zu Rate gezogen werden kann. Und<br />

dieser ist für das Bewusstsein in Lateinamerika<br />

von größerer Bedeutung als die<br />

Zensuren.<br />

Im Text <strong>der</strong> Bischöfe wird zugestanden,<br />

dass die CEBs sich trotz ihrer großen Bedeutung<br />

nicht angemessen entf<strong>alte</strong>n konnten,<br />

weil eben viele Bischöfe sie restriktiv behandelten.<br />

Jetzt wollen die Bischöfe diese Restriktionen<br />

aufheben und den Gemeinden<br />

<strong>der</strong> Armen neues Leben geben.<br />

Trotz <strong>der</strong> einschränkenden Eingriffe<br />

in den Schlusstext lohnt es sich, die<br />

Nummern 178 und 179 aufmerksam zu<br />

lesen.<br />

Die besten Kapitel des Dokuments<br />

sind die Kapitel 7 und 8 über die Mission.<br />

Darin finden wir die stärksten Aussagen.<br />

„Die Kirche muss heftig erschüttert werden,<br />

damit sie die Armen nicht mehr marginalisiert,<br />

indem sie es sich bequem macht,<br />

stagniert und halbherzig agiert.“ (362)<br />

„Die pastorale Umkehr unserer Gemeinden<br />

macht er erfor<strong>der</strong>lich, dass wir<br />

von einer nur bewahrenden Pastoral zu einer<br />

entschieden missionarischen Pastoral<br />

übergehen.“ (370)<br />

„Die Pastoral <strong>der</strong> Kirche darf den historischen<br />

Kontext nicht aus den Augen verlieren“<br />

(367)<br />

Man lese aufmerksam die Nummer<br />

362 bis 370.<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Die Verän<strong>der</strong>ung muss alle Institutionen<br />

<strong>der</strong> Kirche erfassen. Das beginnt<br />

mit <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> Pfarrei. Sie muss in<br />

kleinere Einheiten unterteilt werden<br />

(372), in kleinen Gruppen, in denen Beziehungen<br />

eher möglich sind. Wir sollten<br />

aufmerksam dafür sein, dass diese kleinen<br />

Gemeinden nicht die Struktur und das<br />

Vorgehen <strong>der</strong> Pfarrei reproduzieren. Aber<br />

es ist schon sehr gut, dass die Generalversammlung<br />

andeutet, wie schlecht die<br />

Pfarrei funktioniert und dass sie für unsere<br />

Zeiten zunehmen<strong>der</strong> Urbanisierung und<br />

Säkularisierung keine adäquate Institution<br />

mehr darstellt.<br />

Das Kapitel 8 arbeitet daran, dass<br />

die Sozialpastoral erneut bestätigt und<br />

verstärkt werden soll (401-404). Das<br />

Dokument zählt die neuen Kategorien<br />

von Armen auf, die in den letzten Jahren<br />

aufgetaucht sind bzw. sich entwickelt<br />

haben.<br />

Schließlich greift das Dokument die<br />

aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen auf: die<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

Ökologie, die Umweltprobleme und die<br />

Stadtpastoral. Das Programm für die<br />

Stadtpastoral ist ziemlich komplett; es<br />

umreißt Aufgaben, die nur durch die Mitarbeit<br />

von Millionen ausgebildeter Menschen<br />

zu verwirklichen sind. Die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

durch die Stadtpastoral haben<br />

katholische Soziologen bereits am Ende<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts definiert. Jetzt, hun<strong>der</strong>t<br />

Jahre später, macht sich die Hierarchie<br />

diese Herausfor<strong>der</strong>ung zu eigen. Die<br />

katholische Kirche steckt immer noch in<br />

einer agrarischen Mentalität und in agrarischen<br />

Strukturen. In <strong>der</strong> agrarischen<br />

Gesellschaft sind Pfarrei und Gesellschaft<br />

nahezu identisch. Jetzt hat sich die Lage<br />

so grundlegend verän<strong>der</strong>t, dass die allermeisten<br />

Bürger am Rande <strong>der</strong> Kirche leben<br />

und nur bei Geburts- <strong>o<strong>der</strong></strong> Sterbefällen<br />

zu ihr kommen bzw. im Krankheitsfall<br />

sich an die Heiligen wenden.<br />

Im zweiten Kapitel wird die Realität<br />

Lateinamerikas ausführlich behandelt.<br />

Diese Darstellung ist auf die Hilfe von<br />

Experten und Wissenschaftlern zurückzuführen;<br />

sie bietet sehr ausführliche<br />

und detaillierte Informationen. Hier haben<br />

wir ein Beispiel für die Zusammenarbeit<br />

von Hierarchie und Laien. Dennoch<br />

schafft es das Dokument nicht, den Kapitalismus<br />

und das heutige System <strong>der</strong><br />

Globalisierung zu verurteilen, obwohl<br />

es seine Schändlichkeiten beim Namen<br />

nennt. Das Dokument konnte eben nicht<br />

weiter gehen als die Kirchliche Soziallehre,<br />

die in jüngster Zeit so laut beschwiegen<br />

wurde.<br />

Auch in den an<strong>der</strong>en Kapiteln stecken<br />

noch viele wichtige Anregungen für<br />

die Realisierung des gesamten Projektes.<br />

Aber <strong>der</strong> Platz eines Artikels reicht nicht,<br />

um all diese Anstöße zu kommentieren.<br />

Sicherlich werden noch weitere ausführliche<br />

Kommentare zum Dokument von<br />

Aparecida publiziert, die das Gesamtdokument<br />

analysieren werden.<br />

3


0<br />

2. Einige Zweifel<br />

Das Projekt von Aparecida ist so radikal,<br />

dass sich Zweifel melden: Wer soll<br />

das Programm in die Praxis umsetzen?<br />

Die Geschichte beweist, dass alle tiefgreifenden<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Kirche von<br />

neuen Menschen durchgesetzt wurden,<br />

die stets aus <strong>der</strong> Entscheidung für ein Leben<br />

in Armut neue Gruppen bildeten und<br />

einen neuen Lebensstil kreierten. Die Verän<strong>der</strong>ungen<br />

gingen nie von den etablierten<br />

Führungsschichten <strong>o<strong>der</strong></strong> den installierten<br />

Strukturen aus. Diese schaffen es<br />

einfach nicht, ihre traditionellen Rollen<br />

hinter sich zu lassen. Deshalb die Vermutung,<br />

dass <strong>der</strong> heutige Klerus nicht in <strong>der</strong><br />

Lage ist, dieses Programm umzusetzen.<br />

Die Verän<strong>der</strong>ungen gingen nie<br />

von den etablierten Führungsschichten<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> den installierten<br />

Strukturen aus.<br />

Nie werde ich vergessen, was sich an<br />

<strong>der</strong> Wende vom XII. zum XIII. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

ereignete. Damals gab es eine Lawine von<br />

religiösen Phänomenen ähnlich den um<br />

sich greifenden Pfingstbewegungen von<br />

heute. Neue religiöse Animateure traten<br />

in Erscheinung, denen es gelang, eine<br />

große Anzahl von Katholiken anzusprechen<br />

und zu bekehren. In kürzester Zeit<br />

entstand eine Netz von Gemeinden unter<br />

verschiedensten Bezeichnungen, <strong>der</strong> gebräuchlichste<br />

wurde <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Albigenser.<br />

Niemandem gelang es, diese Bewegung<br />

zu stoppen. Papst Innozenz III.<br />

bat den Zisterzienser-Orden, zur damaligen<br />

Zeit <strong>der</strong> mächtigste Orden, die Mission<br />

zu übernehmen, um die Häretiker zu<br />

bekehren <strong>o<strong>der</strong></strong> zumindest die Expansion<br />

<strong>der</strong> Bewegung zu stoppen. Dieses Bemühen<br />

scheiterte völlig. Die Zisterzienser<br />

kamen aus reichen Klöstern und wussten<br />

nicht, wie man mit Armen zu reden hat.<br />

Sie waren reiche Missionare ohne missionarische<br />

Fähigkeiten.<br />

Fast gleichzeitig traten Franz von Assisi<br />

in Italien und Domingo de Guzman in<br />

Spanien auf den Plan. Sie entschieden sich<br />

für den Weg <strong>der</strong> Armut und lebten wirklich<br />

ein dem Evangelium entsprechendes<br />

Leben. Sie evangelisierten das einfache<br />

Volk auf dem Land und in den Städten.<br />

Ihnen gelang, was die mächtigen Orden<br />

nicht schafften. In wenigen Jahren entstanden<br />

durch sie die sogenannten <strong>Franziskaner</strong><br />

(Min<strong>der</strong>brü<strong>der</strong>) und die Dominikaner<br />

(Predigerbrü<strong>der</strong>), die in kurzer<br />

Zeit Tausende zählten. Sie lebten mitten<br />

unter den einfachen Leuten und wurden<br />

zu Wan<strong>der</strong>missionaren, die immer wie<strong>der</strong><br />

die armen Leute aufsuchten. Sie gaben<br />

<strong>der</strong> Kirche ein an<strong>der</strong>es Gesicht. Sie lebten<br />

eine an<strong>der</strong>e Struktur, in <strong>der</strong> sich die armen<br />

Leute wie<strong>der</strong> erkannten. Das war bei<br />

den monastischen Orden nicht <strong>der</strong> Fall.<br />

Der Pfarreiklerus griff zwar die von den<br />

Bettelmönchen bewirkten Bekehrungen<br />

auf, war aber selbst nicht zu einer solchen<br />

Verän<strong>der</strong>ung fähig.<br />

Heutzutage gibt es in <strong>der</strong> Kirche ähnliche<br />

Christen, die in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Armen<br />

mitleben. Aber sie sind kaum bekannt und<br />

wenig geschätzt, eher toleriert als unterstützt,<br />

weil sie nicht dem offiziellen Schema<br />

entsprechen; sie haben im Kirchenrecht<br />

keinen Platz. Meist sind es Laien,<br />

aber es gibt auch Bischöfe und Priester,<br />

die ihre Bekehrung erlebt haben und sich<br />

von <strong>der</strong> Struktur lösten, in die sie verwickelt<br />

waren.<br />

Persönlich glaube ich, dass die Missionare,<br />

die fähig sind, in Zukunft die Physiognomie<br />

<strong>der</strong> Kirche zu än<strong>der</strong>n, Laienmissionare<br />

sein werden.<br />

Wie soll man mit <strong>der</strong> Umsetzung des<br />

Programms von Aparecida beginnen?<br />

Man wird es nicht von oben nach unten<br />

durchsetzen können. Man wird nicht mit<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


einem theoretischen Entwurf anfangen<br />

können. Die Umsetzung wird nur mit freiwilligen<br />

Menschen beginnen können, die<br />

bereit sind, ein Abenteuer auf sich zu nehmen,<br />

diesmal mit Unterstützung durch<br />

die Hierarchie. Man sollte ihnen kein ausgearbeitetes<br />

Programm mitgeben, weil<br />

<strong>der</strong> heilige Geist ihnen zeigen wird, was<br />

zu tun ist. Wenn ihr missionarisches Handeln<br />

nicht von ihnen selbst kommt, wird<br />

es keine Wirkung zeigen, weil es kein lebendiges<br />

menschliches Zeugnis ist; das<br />

allein aber kann die Herzen <strong>der</strong> Zuhörer<br />

erreichen.<br />

Die Umsetzung wird nur mit<br />

freiwilligen Menschen beginnen<br />

können, die bereit sind, ein<br />

Abenteuer auf sich zu nehmen,<br />

diesmal mit Unterstützung<br />

durch die Hierarchie.<br />

Durch das Aufstellen von Plänen<br />

kommt man nicht schneller voran. Niemand<br />

hat die Geburt bzw. das Leben<br />

eines Franz von Assisi geplant. Er trat auf<br />

und <strong>der</strong> Papst bestätigte ihn. In den letzten<br />

Jahren haben viele Diözesen an vielen<br />

Orten Missionsjahre und Volksmissionen<br />

durchgeführt – ohne jeden Erfolg.<br />

Alles blieb nur Papier, denn man überließ<br />

die Mission den Pastoralen Akteuren <strong>der</strong><br />

Diözesan- und Pfarrei-Struktur, statt sich<br />

auf freiwillige Menschen zu stützen; diese<br />

fühlten sich wenig geschätzt sowie in<br />

ihrer missionarischen Berufung eher toleriert<br />

als unterstützt. Die Mission darf<br />

nicht auf die Pfarrgemeinde konzentriert<br />

werden, weil die Armen die Pfarrgemeinde<br />

kaum aufsuchen. Die Armen spüren<br />

auch, dass die Pfarrgemeinde nicht zu ihrer<br />

Kultur gehört.<br />

Man kommt auch nicht schneller voran,<br />

wenn man Kurse hält, um die kirchliche<br />

Lehre zu verbreiten; denn <strong>der</strong> Hei-<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

lige Geist wird den Missionaren zeigen,<br />

was sie sagen und was sie tun sollen. Was<br />

man dagegen tun kann, ist, gemeinsam<br />

auf die Stimme des Geistes zu warten.<br />

Die Hauptaufgabe <strong>der</strong> Hierarchie besteht<br />

darin, mit Hilfe <strong>der</strong> christlichen Tradition<br />

herauszufinden, wo <strong>der</strong> Heilige Geist<br />

wirkt, und eine Spiritualität anzustoßen,<br />

die aufmerksam darauf wartet, was <strong>der</strong><br />

Geist sagt, und sich ihm verpflichtet.<br />

<strong>der</strong> Heilige Geist wird den Missionaren<br />

zeigen, was sie sagen und<br />

was sie tun sollen.<br />

In Lateinamerika ist die Unterstützung<br />

durch die Bischöfe und Priester<br />

wichtig. Insbeson<strong>der</strong>e die Katholiken unter<br />

den Armen sind ängstlich, unsicher,<br />

trauen ihren eigenen Begabungen nicht.<br />

Man muss sie darin unterstützen, zeitweilig<br />

auch Fehler und Scheitern auszuh<strong>alte</strong>n.<br />

Es wird nicht gleich beim ersten<br />

Mal klappen. Die Hierarchie wird alle verschiedenen<br />

Charismen aufeinan<strong>der</strong> abstimmen<br />

müssen.<br />

Wie soll die Ausbildung aussehen?<br />

Was versteht man unter Ausbildung von<br />

Missionaren? Die heutige Ausbildung in<br />

den Seminaren bzw. den theologischen<br />

Fakultäten betreibt exakt das Gegenteil.<br />

Das heutige System betreibt eine akademische<br />

bzw. eine akademisch orientierte<br />

Ausbildung. In Brasilien legte man größten<br />

Wert darauf, dass die Seminarstudien<br />

vom Bildungsministerium anerkannt<br />

würden. Das Bildungsministerium wird<br />

mit Sicherheit kein missionarisches Projekt<br />

verfolgen.<br />

Offizielle Diplome scheinen geradezu<br />

die Garantie für alle jene, die keine starke<br />

Berufung zu missionarischen Dasein<br />

empfinden. Ich habe nichts gegen akademische<br />

Diplome, aber diese haben mit<br />

<strong>der</strong> Mission nichts zu tun. Akademische<br />

1


2<br />

Ausbildung entfernt vom einfachen Volk<br />

und macht die Predigt leer. Die Priester<br />

wurden dazu vorbereitet, kleine Theologieprofessoren<br />

zu sein. Das erklärt bereits<br />

viel über die Probleme <strong>der</strong> Kirche, die das<br />

Dokument von Aparecida beim Namen<br />

nennt.<br />

Missionarische Bildung braucht<br />

zuallererst eine eindeutig radikale<br />

Spiritualität ...<br />

Missionarische Bildung braucht zuallererst<br />

eine eindeutig radikale Spiritualität,<br />

die sich auf die Bibel im allgemeinen<br />

und auf die Evangelien im beson<strong>der</strong>en<br />

konzentriert, das heißt auf das irdische<br />

Leben Jesu.<br />

Zweitens besteht diese Bildung darin,<br />

sich ganz häufig mit Menschen, Familien<br />

und Gruppen zu treffen. Der Missionar<br />

muss lernen, an allen Orten des<br />

gesellschaftlichen Lebens präsent zu<br />

sein als Symbol für ein neues Leben, das<br />

von Glaube, Hoffnung und Liebe getragen<br />

wird. Es geht nicht darum, bei gesellschaftlichen<br />

Ereignissen aufzutreten,<br />

son<strong>der</strong>n Menschen zu finden und zu<br />

kennen, die für den Anruf des Heiligen<br />

Geistes sensibel sind, und die Worte zu<br />

sagen, die ins Schwarze treffen.<br />

Jesus offenbart sich durch das<br />

Leben bestimmter Menschen,<br />

nicht durch die kirchliche Lehre.<br />

Unterricht in kirchlicher Lehre hat<br />

niemals jemanden bekehrt. Jesus offenbart<br />

sich durch das Leben bestimmter<br />

Menschen, nicht durch die kirchliche<br />

Lehre. Missionare werden nicht durch<br />

Kurse, Seminare bzw. abstrakte Debatten<br />

gebildet. Man muss die Sprache des einfachen<br />

Volkes lernen. Einige Priester und<br />

Bischöfe machen das beispielhaft; sie sind<br />

Missionare, die sich durch die Gnade<br />

Gottes verwandelten und die Schemata<br />

akademischer Bildung, die sie erlernten,<br />

hinter sich ließen. Ein Beispiel dafür ist<br />

Fray Carlos Mesters.<br />

Die Ausbildung durch Indoktrinierung<br />

tauchte nach <strong>der</strong> Französischen Revolution<br />

auf, um den Glauben <strong>der</strong> Priester<br />

zu festigen, da sie lernen sollten, den Häresien<br />

<strong>der</strong> Zeit zu wi<strong>der</strong>stehen. Der Wi<strong>der</strong>stand<br />

gegen Häresien hat seine Dringlichkeit<br />

verloren.<br />

Die westliche Kirche ignoriert den<br />

Heiligen Geist.<br />

Ich darf es nicht unterlassen, auf ein<br />

Problem aufmerksam zu machen, das<br />

nicht allein das von Aparecida ist, son<strong>der</strong>n<br />

das <strong>der</strong> gesamten Kirche des Okzidents,<br />

<strong>der</strong> westlichen Konzilien, <strong>der</strong> Dokumente<br />

des Lehramts, sogar jener des II.<br />

Vatikanums. Die westliche Kirche ignoriert<br />

den Heiligen Geist. Zwar wird <strong>der</strong> Heilige<br />

Geist – auch im Dokument von Aparecida<br />

– sehr häufig erwähnt, allerdings<br />

nur, um den Standpunkt <strong>der</strong> Hierarchie<br />

bzw. des Klerus zu stützen. Die Hierarchie<br />

definiert, was die Kirche zu tun hat, und<br />

anschließend verlangt sie vom Heiligen<br />

Geist, dass er die getroffenen Entscheidungen<br />

umsetzen möge. An<strong>der</strong>s gesagt:<br />

Man unterstellt, dass alles, was von <strong>der</strong><br />

Hierarchie kommt, vom Heiligen Geist<br />

stammt, es ist sozusagen ein und dasselbe.<br />

Der Heilige Geist wirkt in <strong>der</strong> Welt und<br />

gibt eindeutige Hinweise darauf, was er<br />

will, aber man beeilt sich nicht, darum zu<br />

beten, dass <strong>der</strong> heilige Geist komme, um<br />

meinen Geist zu erleuchten.<br />

Die Ostkirchen sind in dieser Hinsicht<br />

viel sensibler als die Westkirche. In Lateinamerika<br />

ist die Ostkirche kaum präsent<br />

und fast ohne jeden Einfluss. Die Lateina-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Im Zelt <strong>der</strong> Märtyrer<br />

merikanische Kirche ist fast ausschließlich<br />

ein Kind des Westens.<br />

Die Lehre des Neuen Testamentes,<br />

sowohl in <strong>der</strong> Theologie des Paulus als<br />

auch in <strong>der</strong> des Johannes unterscheidet<br />

sich davon erheblich. Für Paulus wird<br />

die Kirche durch die Gaben des Heiligen<br />

Geistes geführt (1 Kor 12,4-11; 27-30).<br />

Die erste Gabe ist die des Apostolats (1<br />

Kor 12,28). Wenn Paulus von Aposteln<br />

spricht, meint er nicht die Zwölf, son<strong>der</strong>n<br />

all jene Jünger, die – wie er – zu Missio-<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

naren wurden, weil <strong>der</strong> Heilige Geist sie<br />

ausgesandt hatte.<br />

Die Gabe <strong>der</strong> Leitung wird erst an siebenter<br />

Stelle erwähnt. An zweiter Stelle<br />

stehen die Propheten, die eine große Bedeutung<br />

haben (1 Kor 14). Diese Gaben<br />

sind ausgeteilt und tauchen unvorhergesehen<br />

plötzlich auf. Niemand hat Paulus<br />

zum Missionar ausgebildet, niemand hat<br />

ihn darauf vorbereitet, ein Missionar zu<br />

werden. Er hat eine Gabe des Heiligen<br />

Geistes empfangen und dem Volk <strong>der</strong> Jesusgemeinde,<br />

die er zusammengeführt<br />

3


hatte, einen glaubwürdigen, gewissen<br />

Weg gewiesen.<br />

Wie stets ist <strong>der</strong> Heilige Geist auch in<br />

<strong>der</strong> heutigen Kirche präsent. Er weist Wege<br />

in die Nachfolge Jesu. Die Theologie<br />

des Evangelisten Johannes hebt hervor,<br />

dass <strong>der</strong> Heilige Geist darüber belehrt,<br />

wohin das Leben in <strong>der</strong> Nachfolge Jesu in<br />

den verschiedensten Lebenslagen führen<br />

kann. Jesus hat kein Apostolatsprogramm<br />

hinterlassen, son<strong>der</strong>n verheißen, dass <strong>der</strong><br />

Heilige Geist kommen und zeigen werde,<br />

auf welche Weise wir Jesu Lebensweise in<br />

den unterschiedlichsten geschichtlichen<br />

Situationen aktualisieren können. Jesus<br />

wollte die Geschichte nicht in einen fixen<br />

Rahmen einsperren, son<strong>der</strong>n versprach,<br />

dass <strong>der</strong> Geist da sein werde, um in je<strong>der</strong><br />

Lage neu zu lehren, was Jesus in dem bestimmten,<br />

eng umgrenzten Kontext von<br />

Galiläa tat und lehrte (Joh 14, 26; 16,13-<br />

15).<br />

Es ist also nicht angemessen, <strong>der</strong><br />

Konferenz von Aparecida einen Vorwurf<br />

zu machen, weil die gesamte Kirchengeschichte<br />

des Westens von dieser Ignoranz<br />

geprägt ist. Um zu den Lehren des Neuen<br />

Testamentes über den Heiligen Geist zurückzukehren,<br />

ist also eine noch radikalere<br />

Bekehrung notwendig.<br />

3. Die problematischen<br />

Anteile des Textes<br />

Der aus meiner Sicht schwächste Teil<br />

des Dokumentes ist die Christologie. Das<br />

war zu erwarten. Die Notifikation über<br />

die Werke von Jon Sobrino wurde nicht<br />

zufällig am Vorabend <strong>der</strong> Konferenz von<br />

Aparecida publiziert. Die Christologie<br />

ist tatsächlich heutzutage das wichtigste<br />

theologische Problem. Die entscheidende<br />

Frage lautet: Welche Bedeutung<br />

hat das Menschsein Jesu? Welche Bedeutung<br />

haben die Worte und Taten Jesu, wie<br />

sie von den Evangelien erzählt werden?<br />

Worin besteht das Menschsein Jesu? Was<br />

heißt es überhaupt, ein Mensch zu sein?<br />

Der Text erinnert an viele schöne Dinge<br />

aus den Evangelien, die Jesus ausweisen<br />

als einen Weisheitslehrer mit einem Lebensstil,<br />

dem die Jünger folgen sollen. Da<br />

werden viele schöne Taten und Worte aus<br />

dem Leben Jesu aufgezählt. Aber sie werden<br />

nicht miteinan<strong>der</strong> verbunden und<br />

<strong>der</strong> Zusammenhang <strong>der</strong> einzelnen Worte<br />

und Taten mit dem menschlichen Leben<br />

Jesu nicht hergestellt. (129-135).<br />

Diese Aufzählung sagt nichts darüber<br />

aus, was das Leben des Menschen Jesus<br />

bedeutet, also nichts über sein missionarisches<br />

Amt. Das Leben <strong>der</strong> Menschen<br />

muss im jeweiligen historischen Kontext,<br />

in dem es sich ereignet, interpretiert werden.<br />

Aber in diesem Abschnitt spricht<br />

man über den historischen Kontext nicht,<br />

so als ob Jesus sich außerhalb <strong>der</strong> Geschichte<br />

bewege, wie ein Lehrer, <strong>der</strong> die<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te überfliegt. Je<strong>der</strong> Mensch arbeitet<br />

an seinem Lebensprojekt, indem er<br />

sich von seinem historischen Kontext herausfor<strong>der</strong>n<br />

und dazu bringen lässt, sich<br />

über Ziele und Mittel klar zu werden und<br />

zu entscheiden. Der Mensch verfolgt ein<br />

Projekt, indem er seinem Leben ein Ziel<br />

gibt. Wenn Jesus Mensch war, musste er<br />

sich auch so verh<strong>alte</strong>n.<br />

Der Mensch verfolgt ein Projekt,<br />

indem er seinem Leben ein Ziel<br />

gibt. Wenn Jesus Mensch war,<br />

musste er sich auch so verh<strong>alte</strong>n.<br />

Fangen wir mit <strong>der</strong> Verkündigung Jesu<br />

an, mit dem Reich Gottes (101-128).<br />

Was haben die campesinos von Galiläa<br />

unter Reich Gottes verstanden, als Jesus<br />

vor ihnen davon sprach? Sie litten unter<br />

dem schweren Joch des römischen<br />

Reiches, des Kaiserreiches. Da tritt Jesus<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


auf und verkündet, dass dieses Reich in<br />

sich zusammenbrechen werde. Eben darauf<br />

hofften alle, zumindest die Armen,<br />

die sich von <strong>der</strong> harten Hand römischer<br />

Gewalt unterdrückt fühlten. Die meisten<br />

Menschen glaubten aber, dass dies erst<br />

in einer neuen Welt geschehe, wenn diese<br />

Welt den apokalyptischen Vorhersagen<br />

entsprechend zerstört wäre. Jesus verkündet<br />

aber, dass es in dieser Welt geschehen<br />

werde. Das Reich Satans, das in <strong>der</strong><br />

römischen Macht Gestalt angenommen<br />

hatte, wird fallen und ein an<strong>der</strong>es Reich<br />

wird kommen.... Jesus wusste sehr<br />

Das Reich Satans, das in <strong>der</strong><br />

römischen Macht Gestalt angenommen<br />

hatte, wird fallen und<br />

ein an<strong>der</strong>es Reich wird kommen<br />

genau, worüber die einfachen Menschen<br />

seines Volkes sich unterhielten, worüber<br />

sie sich beklagten und worauf sie hofften.<br />

Zu diesen Menschen sprach er. Nur<br />

so versteht man, dass das einfache Volk<br />

von Galiläa ihn begeistert aufnahm und<br />

bejubelte.<br />

Nachdem er dies verkündet hatte,<br />

musste Jesus darlegen, welch radikaler<br />

Unterschied zwischen dem Reich Gottes<br />

und dem Reich des Kaisers besteht und<br />

welche Gestalt das Reich Gottes haben<br />

sollte. Sogar die Zwölfergruppe hatte<br />

großen Schwierigkeiten, das, was Jesus<br />

darlegte, zu akzeptieren.<br />

Im Dokument kommt überhaupt<br />

nicht vor, dass das Evangelium<br />

Jesu für die einen eine Gute<br />

Nachricht war und für die<br />

an<strong>der</strong>en eine schlechte.<br />

Im Dokument kommt überhaupt<br />

nicht vor, dass das Evangelium Jesu für<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

die einen eine Gute Nachricht war und<br />

für die an<strong>der</strong>en eine schlechte. Jesus hat<br />

nicht alle Menschen gleich behandelt.<br />

Die Gute Nachricht richtet sich an die Armen;<br />

die Schlechte Nachricht an die Reichen<br />

(Lk 6,20-26). Das Evangelium Marias<br />

spricht die gleiche Sprache: „Er stürzt<br />

die Mächtigen vom Thron und erhöht die<br />

Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er<br />

mit seinen Gaben und lässt die Reichen<br />

leer ausgehen.“ ( Lk 1,52-53)<br />

Die Compassion mit den Unterdrückten<br />

und die Empörung über die Unterdrücker<br />

kennzeichnet die psychologische<br />

Grundstruktur Jesu. Warum liest man davon<br />

nichts in einem Dokument, das die<br />

Option für die Armen erneuern will? Der<br />

zweite und <strong>der</strong> dritte Teil des Dokumentes<br />

stehen im Wi<strong>der</strong>spruch zueinan<strong>der</strong>.<br />

Zweitens, Jesu Konflikt mit den führenden<br />

Leuten des Staates, denen er vorwirft,<br />

sie seien Usurpatoren und Unterdrücker,<br />

kommt im Dokument nicht vor.<br />

Was für die Evangelien so wichtig ist – <strong>der</strong><br />

Konflikt mit den Hohenpriestern, mit den<br />

Gesetzeslehrern, mit den Pharisäern, mit<br />

Jesus entlarvt die Herrschaft <strong>der</strong><br />

mit den Römern verbündeten<br />

Granden und bleibt diesem<br />

Lebensauftrag treu, auch wenn<br />

sie ihn dafür umbringen.<br />

den damals bedeutenden Leuten (Mk 11-<br />

13; Mt 23; Lk 20; Joh 8) –, kommt im Dokument<br />

nicht vor. Dabei ist dieser Konflikt<br />

<strong>der</strong> Leitfaden für die Evangelien. Alle legen<br />

dar, wie Jesus durch seine Sendung<br />

in den Tod gerät. Bereits von Anfang an<br />

wollen ihn die Führungskräfte umbringen.<br />

Jesus entlarvt die Herrschaft <strong>der</strong> mit<br />

den Römern verbündeten Granden und<br />

bleibt diesem Lebensauftrag treu, auch<br />

wenn sie ihn dafür umbringen.


Der Tod Jesu ist eine Konsequenz<br />

seines Handelns, so etwas wie Ziel und<br />

Vollendung seines Dienstamtes. Das Dokument<br />

spricht von dem Jesus, <strong>der</strong> sein<br />

Leben hingibt (139). Jesus starb, weil er<br />

seiner Sendung treu bleiben wollte, die<br />

Korruption <strong>der</strong> Führungskräfte seines<br />

Volkes zu entlarven, weil sie dem einfachen<br />

Volk eine unerträgliche Last aufbürdeten.<br />

Jesus war Jude und als Jude darüber<br />

empört, wie die Führungskräfte mit<br />

dem Gesetz umgingen. Jesus wollte sein<br />

Volk von <strong>der</strong> Lüge und <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong><br />

Eliten befreien. Die Eliten unterdrückten<br />

durch ihre Gesetzesinterpretation das<br />

Volk <strong>der</strong> Armen.<br />

Darin bestand das Projekt Jesu. Denen,<br />

die ihm nachfolgen, schlägt er vor,<br />

in allen historischen Epochen den gleichen<br />

Weg einzuschlagen. Der Kern <strong>der</strong><br />

Sendung ist Verfolgung, Tod, Tod am<br />

Kreuz, ein schändlicher Tod.<br />

Das Dokument macht höchstens ein<br />

paar sehr zurückh<strong>alte</strong>nde Andeutungen<br />

zum Tode Jesu, ohne zu sagen, warum<br />

er starb und was dieser Tod menschlich<br />

bedeutet. Der Text macht nur ein paar<br />

Andeutungen zu den Märtyrern aus Lateinamerika,<br />

ohne jedoch zu erläutern,<br />

worin das Martyrium bestand (140 und<br />

98), als ob das Martyrium als solches einen<br />

Wert habe, als ein Beispiel heldenhaften<br />

Lebens. Das Dokument fügt die<br />

Martyrer nicht in ihren historischen Kontext<br />

ein, und deshalb wird auch Jesu Tod<br />

historisch nicht kontextualisiert. Es ist, als<br />

biete er ein tugendhaftes Beispiel ohne<br />

beson<strong>der</strong>es Motiv, ohne Bindung an sein<br />

prophetisches Amt.<br />

Das Dokument redet ganz einfach<br />

davon, dass Jesus sein Leben hingab. Das<br />

kann vieles bedeuten, aber ohne den historischen<br />

Kontext ins Gedächtnis zu rufen<br />

und den Platz, den <strong>der</strong> Tod im Leben<br />

des Menschen Jesus hatte.<br />

In den Evangelien steht das Kreuz im<br />

Zentrum <strong>der</strong> christologischen Darstellung<br />

des menschlichen Lebens Jesu. In<br />

<strong>der</strong> Christologie des Dokumentes steht<br />

es nicht im Zentrum. Wir haben den Eindruck,<br />

dass <strong>der</strong> Text jeglichem Bezug<br />

zum Konflikt mit den Römern bzw. mit<br />

den Autoritäten Israels aus dem Weg gehen<br />

wollte. Das Dokument bietet ein konfliktfreies,<br />

aus purer Güte bestehendes<br />

Evangelium an. Warum ein konfliktfreies<br />

Evangelium? Um nicht die Bedeutung<br />

des Martyriums anerkennen zu müssen,<br />

das so viele gekreuzigte Lateinamerikanerinnen<br />

und Lateinamerikaner in <strong>der</strong> zweiten<br />

Hälfte des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

erlitten. Die Eliten wollen ihre historische<br />

Verantwortung für dieses Martyrium im<br />

Die Eliten wollen ihre historische<br />

Verantwortung für dieses Martyrium<br />

im XX. Jahrhun<strong>der</strong>t verschleiern.<br />

XX. Jahrhun<strong>der</strong>t verschleiern. Die Erinnerung<br />

an diese Märtyrer erzürnt die führenden<br />

Kreise vielen Nationen.<br />

Deswegen sind die Hinweise auf die<br />

Märtyrer so zurückh<strong>alte</strong>nd. Die Märtyrer<br />

werden als Helden präsentiert, aber man<br />

sagt nicht, warum sie sterben mussten.<br />

Wer also will ein konfliktfreies Evangelium?<br />

Genau ein solches Evangelium stellt<br />

das Bürgertum zufrieden. Im Dokument<br />

findet sich eine bürgerlich inspirierte<br />

Christologie. Diese bringt nicht zum Ausdruck,<br />

was die Armen empfinden und<br />

wie sie Leben und Tod Jesu deuten. Wir<br />

befinden uns also in einem Konflikt zwischen<br />

zwei Christologien, einer bürgerlichen<br />

und einer aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Armen.<br />

Diesen Konflikt gibt es in <strong>der</strong> Kirche von<br />

Anfang an.<br />

Die gleiche unhistorische Darstellung<br />

findet sich in <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong><br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


kirchlichen Realität im ersten Teil des Dokuments.<br />

Der Text zählt positive und negative<br />

Aspekte <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Kirche auf (98-100), aber diese positiven<br />

und negativen Aspekte werden nicht mit<br />

dem historischen Kontext in Verbindung<br />

gebracht. Es scheint, als sei alles unterschiedslos<br />

gleich bedeutsam.<br />

Strukturen werden nicht analysiert.<br />

Der Text schreibt „einigen Katholiken, die<br />

sich gelegentlich vom Evangelium entfernt<br />

haben“ Verantwortung und Schuld<br />

zu (100 h). Die negativen Aspekte sind<br />

auf „Mängel und Zweideutigkeiten“ einiger<br />

Mitglie<strong>der</strong> (<strong>der</strong> Kirche) zurückzuführen.<br />

Wenn das wirklich das Problem<br />

gewesen wäre, dann hätte man keine gesamtkontinentale<br />

Versammlung durchführen<br />

müssen. Dann hätte es genügt,<br />

diesen wenigen Katholiken einen guten<br />

Beichtvater zu schicken.<br />

Es ist meist so, dass die kirchlichen Dokumente<br />

die Strukturen <strong>der</strong> Kirche nicht<br />

in Frage stellen. Ganz gewiss sind die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Kirche heute nicht schlimmer<br />

als früher. Es handelt sich nicht um die<br />

Probleme einzelner Menschen, son<strong>der</strong>n<br />

um strukturelle Probleme. Etwas davon ist<br />

im Dritten Teil des Dokumentes implizit<br />

zu erkennen, wenn es z. B. über die Pfarreien<br />

spricht. Aber eine tiefer reichende<br />

Analyse wäre sicher nützlich. Eines Tages<br />

wird man daran gehen müssen.<br />

Sehr überraschend ist, dass man über<br />

die Pfingstbewegungen fast gar nichts<br />

sagt. Einige wenige Andeutungen sind<br />

zu finden (100g). Harvey Cox hat einmal<br />

geschrieben, dass es sich dabei um<br />

das bedeutendste religiöse Phänomen<br />

des XX. Jahrhun<strong>der</strong>ts handle, fast ebenso<br />

bedeutsam wie die Reformation des<br />

XVI. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Dieses Phänomen<br />

wird überhaupt nicht analysiert, als ob es<br />

keine Sache von Bedeutung sei und kein<br />

Problem darstelle.<br />

Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />

Aber die Pfingstbewegung erlebt eine<br />

starke Expansion in allen Kontinenten<br />

und auch in Lateinamerika. Viele Katholiken<br />

verlassen die Kirche, um sich einer<br />

Pfingstgemeinde anzuschließen. Sie haben<br />

zahllose Pastoren. In den armen Zonen<br />

sind bereits mehr Pfingstler als Katholiken<br />

anzutreffen.<br />

Die Gründe für diese Auswan<strong>der</strong>ung<br />

von Katholiken müsste man gründlich<br />

analysieren. Die Pfingstbewegung weiß<br />

eine Antwort auf die Bedürfnisse eines<br />

großen Teils <strong>der</strong> einfachen Bevölkerung.<br />

Es lohnt sich, ihre Botschaft, ihre Methoden<br />

und ihre Organisationsformen zu<br />

studieren. Die Augen davor zu verschließen,<br />

als ob es das Phänomen nicht gebe,<br />

könnte eine Vogel-Strauß-Politik sein.<br />

Wenn man die heutige Gesellschaft,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die zeitgenössische Kultur<br />

beschreibt, übersehen viele, dass<br />

zwei stark voneinan<strong>der</strong> getrennte Gesellschaften<br />

und zwei sich deutlich voneinan<strong>der</strong><br />

unterscheidende Kulturen<br />

existieren. Da ist einerseits die von den<br />

Wissenschaftlern und Philosophen untersuchte<br />

Kultur, die Kultur <strong>der</strong>er, die zur<br />

Gesellschaft gehören, und da ist an<strong>der</strong>erseits<br />

die Kultur <strong>der</strong>er, die aus <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

ausgeschlossen sind.<br />

Aber die Versammlung von Aparecida<br />

stellt selbst ein unvorhergesehenes<br />

Ereignis dar. Es wächst<br />

ein neues Bewusstsein.<br />

Aber die Versammlung von Aparecida<br />

stellt selbst ein unvorhergesehenes Ereignis<br />

dar. Es wächst ein neues Bewusstsein.<br />

Die Bischöfe haben die Anliegen einer für<br />

die Zeichen <strong>der</strong> Zeit sehr sensiblen Min<strong>der</strong>heit<br />

aufgegriffen. Das Schlussdokument<br />

macht den Alten neue Hoffnung<br />

und bietet den Jungen einige klare Orientierungen.


Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />

Am Ende <strong>der</strong> fast dreiwöchigen Beratungen<br />

hatten die 164 stimmberechtigten<br />

Bischöfe – die 102 eingeladenen<br />

Gäste waren nicht stimmberechtigt –<br />

nahezu einhellig ein Dokument verabschiedet,<br />

das am 11. Juni dem Papst zur<br />

Approbation vorgelegt und nach <strong>der</strong> Zustimmung<br />

des Papstes am 12. Juli vom<br />

Lateinamerikanischen Bischofsrat (CE-<br />

LAM) bei einer Sitzung in Havanna/Cuba<br />

veröffentlicht wurde. Vergleicht man<br />

den in Aparecida beschlossenen Text mit<br />

dem vom CELAM veröffentlichten Text,<br />

stellt sich heraus, dass mehr als 200 Verän<strong>der</strong>ungen<br />

am Text vorgenommen<br />

wurden, ohne dass erkennbar wäre, wer<br />

mit welcher Autorisierung welche Verän<strong>der</strong>ungen<br />

veranlasst und durchgeführt<br />

hat. Aus <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen lassen<br />

sich drei Typen von Verän<strong>der</strong>ungen<br />

registrieren:<br />

Beschlussdokument von<br />

Aparecida (31. Mai 2007)<br />

Der unterdrückte Text ist in kursiver<br />

unterstrichener Schrift markiert.<br />

19. Dieses Dokument setzt die Praxis<br />

<strong>der</strong> Methode „Sehen – Urteilen – HandeIn“<br />

fort, die in früheren Generalversammlungen<br />

des Lateinamerikanischen Episkopats<br />

verwendet wurde. Viele in diesem<br />

Sinne verfasste Beiträge und Anregungen<br />

aus dem gesamten Kontinent sagen aus,<br />

dass diese Methode dazu beigetragen ha-<br />

Arntz – Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />

Norbert Arntz,<br />

geb. 1943 in Kleve, Pfarrer und<br />

Mitarbeiter in <strong>der</strong> <strong>Missionszentrale</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

1. redaktionelle, stilistische, grammatikalische<br />

Verän<strong>der</strong>ungen<br />

2. Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Platzierung von Abschnitten<br />

mit <strong>der</strong> Folge, dass die<br />

Nummerierung fast des gesamten<br />

Dokumentes verän<strong>der</strong>t wurde.<br />

3. Inhaltliche Än<strong>der</strong>ungen, die Aussagen<br />

des beschlossenen Schlussdokumentes<br />

zensieren, ergänzen, abschwächen,<br />

verdrehen <strong>o<strong>der</strong></strong> durch<br />

an<strong>der</strong>e Aussagen ersetzen.<br />

Eine ausführlichere Dokumentation<br />

muss an an<strong>der</strong>er Stelle erfolgen. Hier<br />

wollen wir nur an einigen Beispielen exemplarisch<br />

belegen, wie in den beschlossenen<br />

Text eingegriffen wurde<br />

Vom Vatikan veröffentlichter<br />

Text (11. Juli 2007)<br />

Hinzugefügte Textstellen sind in kursiver<br />

unterstrichener Schrift markiert.<br />

19. In Kontinuität mit den bisherigen<br />

Generalversammlungen des Lateinamerikanischen<br />

Episkopats wird auch in diesem<br />

Dokument die Methode „Sehen –<br />

Urteilen – Handeln“ angewendet. Diese<br />

Methode will mit dem Blick des Glaubens<br />

durch Gottes geoffenbartes Wort und durch<br />

den lebendig machenden Empfang <strong>der</strong> Sa-


0<br />

be, unsere Berufung und Sendung in <strong>der</strong><br />

Kirche intensiver zu leben, dass sie unsere<br />

theologisch-pastorale Arbeit verbessert<br />

und überhaupt dazu motiviert habe,<br />

die Verantwortung in <strong>der</strong> jeweiligen konkreten<br />

Situation unseres Kontinents zu<br />

übernehmen. Diese Methode macht uns<br />

fähig, in <strong>der</strong> Perspektive des Glaubens die<br />

Realität zu betrachten und systematisch<br />

darzulegen, zu ihrer von kritischer Sympathie<br />

bestimmten Beurteilung und Bewertung<br />

Kriterien zur Hand zu haben, die<br />

von Glaube und Vernunft bestimmt sind,<br />

und einen Plan zu entwickeln, um als Jünger<br />

und Missionare Jesu Christi handeln<br />

zu können. Unverzichtbare Voraussetzungen<br />

für die Tauglichkeit dieser Methode<br />

sind <strong>der</strong> überzeugte, frohe und vertrauensvolle<br />

Glaube an Gott Vater, Sohn<br />

und Heiliger Geist, sowie die Zugehörigkeit<br />

zur Kirche<br />

20. ...Die tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

die wir erfahren, bedrängen uns<br />

we<strong>der</strong> noch verwirren sie uns...<br />

89. ...Die Kirche begleitet die Indígenas<br />

und AfroamerikanerInnen beim<br />

Kampf für ihre Rechte....<br />

98. Die Katholische Kirche in Lateinamerika<br />

und <strong>der</strong> Karibik hat trotz ihrer<br />

menschlichen Schwächen und ihres zwiespältigen<br />

Verh<strong>alte</strong>ns Christus bezeugt<br />

104. ... Vielerorts lässt sich ein<br />

Aufblühen von kirchlichen Basisgemeinden<br />

feststellen, die in Verbundenheit<br />

mit den Bischöfen und dem<br />

kirchlichen Lehramt stehen....<br />

kramente Gott suchen, damit wir im täglichen<br />

Leben die Realität, die uns umgibt,<br />

im Licht seiner Verheißung betrachten, sie<br />

Jesus Christus – Weg, Wahrheit und Leben<br />

– entsprechend beurteilen, und als Kirche,<br />

mystischer Leib Christi und Sakrament des<br />

allumfassenden Heils, an <strong>der</strong> Ausbreitung<br />

des Reiches Gottes arbeiten, das auf <strong>der</strong><br />

Erde gesät und im Himmel geerntet wird.<br />

Viele in diesem Sinne verfasste Beiträge<br />

und Anregungen aus dem gesamten<br />

Kontinent sagen aus...<br />

... zu ihrer von kritischem Sinn bestimmten<br />

Beurteilung....<br />

Unverzichtbare Voraussetzungen für<br />

die Wirksamkeit dieser Methode<br />

20. ...Die tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

die wir erfahren, bedrängen uns,<br />

aber sie verwirren uns nicht....<br />

89. ...Die Kirche begleitet die Indígenas<br />

und AfroamerikanerInnen beim<br />

Kampf für ihre legitimen Rechte....<br />

98. Die Katholische Kirche in Lateinamerika<br />

und <strong>der</strong> Karibik hat trotz menschlicher<br />

Schwächen und zwiespältigen Verh<strong>alte</strong>ns<br />

einiger ihrer Mitglie<strong>der</strong> Christus<br />

bezeugt<br />

99-e. ... Mancherorts lässt sich ein<br />

Aufblühen von kirchlichen Basisgemeinden<br />

nach den Kriterien <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

Generalversammlungen feststellen,<br />

die in Verbundenheit mit den Bischöfen<br />

und dem kirchlichen Lehramt stehen....<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


106. ... Der ökumenische und interreligiöse<br />

Dialog ist nicht in allen Kirchen mit<br />

gleicher Intensität vorangebracht worden,<br />

so dass alle Teilnehmenden dadurch<br />

hätten bereichert werden können.<br />

109. Wir beklagen einen gewissen<br />

Klerikalismus, Bestrebungen, zu einer<br />

vorkonziliaren Ekklesiologie und Spiritualität<br />

zurückzukehren, bzw. die konziliare<br />

Erneuerung reduktionistisch zu deuten<br />

und zu verwenden; fehlenden Sinn<br />

für Selbstkritik, dass es keine dem Evangelium<br />

entsprechende Autoritätsausübung<br />

und keinen authentischen Gehorsam<br />

gibt; moralistische Einstellungen,<br />

die die zentrale Bedeutung Jesu Christi<br />

in den Hintergrund rücken;<br />

wir beklagen Unredlichkeiten gegenüber<br />

<strong>der</strong> Lehre, <strong>der</strong> Moral und <strong>der</strong><br />

kirchlichen Gemeinschaft;<br />

wir beklagen unsere kraftlose Weise, die<br />

Option für die Armen zu leben;<br />

wir beklagen, dass es in den Orden Tendenzen<br />

des Rückfalls in säkularisierende<br />

Verh<strong>alte</strong>nsweisen gibt; wir beklagen, dass<br />

Frauen diskriminiert werden und in den<br />

pastoralen Entscheidungsgremien häufig<br />

nicht zu finden sind.<br />

194. Das Leben sowie die prophetische<br />

und heiligmachende Sendung <strong>der</strong><br />

Kirchlichen Basisgemeinden in <strong>der</strong> missionarischen<br />

Nachfolge Jesu wollen wir mit<br />

Entschiedenheit bestätigen und mit neuen<br />

Impulsen ausstatten. Die Basisgemeinden<br />

waren nach dem II. Vatikanischen Konzil<br />

bedeutsame Wirkungen des Heiligen Geistes<br />

in <strong>der</strong> Kirche von Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik.<br />

Das Wort Gottes gilt ihnen als Quelle<br />

ihrer Spiritualität, die Orientierung durch<br />

die Hirten als Leitung, die sie mit <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

<strong>der</strong> Kirche verbindet. Sie setzen<br />

sich mit ihrem evangelisierend-missionarischen<br />

Engagement unter den ganz<br />

Arntz – Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />

99-g. ... Der ökumenische Dialog ist<br />

nicht in allen Kirchen mit gleicher Intensität<br />

vorangebracht worden. Auch <strong>der</strong> interreligiöse<br />

Dialog kann alle, die an den verschiedenen<br />

Treffen teilnehmen, bereichern,<br />

solange er den Leitlinien des kirchlichen<br />

Lehramtes folgt.<br />

100-b. Wir beklagen Bestrebungen,<br />

zu einer gewissen Art von Ekklesiologie<br />

und Spiritualität zurückzukehren,<br />

die <strong>der</strong> Erneuerung durch das II. Vatikanische<br />

Konzil wi<strong>der</strong>sprechen bzw.<br />

die konziliare Erneuerung reduktionistisch<br />

deuten und verwenden. Wir beklagen,<br />

dass es keine dem Evangelium<br />

entsprechende Autoritätsausübung und<br />

keinen authentischen Gehorsam gibt;<br />

wir beklagen Unredlichkeiten gegenüber<br />

<strong>der</strong> Lehre, <strong>der</strong> Moral und <strong>der</strong><br />

kirchlichen Gemeinschaft;<br />

wir beklagen unsere kraftlose Weise, die<br />

Option für die Armen zu leben ;<br />

wir beklagen, dass es in den Orden Tendenzen<br />

des Rückfalls in säkularisierende<br />

Verh<strong>alte</strong>nsweisen gibt, die von einer bloß<br />

soziologischen, aber nicht dem Evangelium<br />

entsprechenden Anthropologie beeinflusst<br />

sind.<br />

179. Den Kirchlichen Basisgemeinden<br />

in <strong>der</strong> missionarischen Nachfolge Jesu gilt<br />

das Wort Gottes als Quelle ihrer Spiritualität,<br />

die Orientierung durch die Hirten<br />

als Leitung, die sie mit <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

<strong>der</strong> Kirche verbindet. Sie setzen sich mit<br />

ihrem evangelisierend-missionarischen<br />

Engagement unter den ganz einfachen<br />

und am Rande <strong>der</strong> Gesellschaft lebenden<br />

Menschen ein; sie machen die vorrangige<br />

Option für die Armen sichtbar. Aus ihnen<br />

sind verschiedene Dienste und Ämter für<br />

das Leben in Kirche und Gesellschaft hervorgegangen.<br />

Wenn sie in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

mit ihrem Bischof bleiben und sich in<br />

1


2<br />

einfachen und <strong>der</strong> Kirche entfremdeten<br />

Menschen ein; sie machen die vorrangige<br />

Option für die Armen sichtbar. Aus ihnen<br />

sind verschiedene Dienste und Ämter für<br />

das Leben in Kirche und Gesellschaft hervorgegangen.<br />

195. Die kirchlichen Basisgemeinden,<br />

in Verbundenheit mit ihrem Bischof und<br />

dem Pastoralplan <strong>der</strong> Diözese sind ein Zeichen<br />

von Vitalität in <strong>der</strong> Kirche, Instrument<br />

für Bildung und Evangelisierung<br />

und ein wertvoller Ausgangspunkt für die<br />

andauernde Kontinentalmission. Sie können<br />

die Pfarreien von innen her lebendiger<br />

machen und dadurch zu einer Gemeinschaft<br />

von Gemeinschaften. Nach dem<br />

bisher zurückgelegten Weg mit Erfolgen<br />

und Rückschlägen ist <strong>der</strong> Moment einer tiefreichenden<br />

Erneuerung dieser ertragreichen<br />

Erfahrung <strong>der</strong> Kirche in unserem Kontinent<br />

gekommen, damit sie ihre missionarische<br />

Wirksamkeit nicht verlieren, son<strong>der</strong>n erweitern<br />

und vermehren entsprechend den stets<br />

neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zeit.<br />

196. Neben den CEBs, gibt es an<strong>der</strong>e<br />

verschiedenartige kleine kirchliche<br />

Gemeinschaften, Gruppen, für Leben,<br />

Gebet und Nachdenken über das Wort<br />

Gottes, und sogar Netzwerke solcher Gemeinschaften.<br />

Der Heilige Geist wird sie<br />

aufblühen lassen, um durch sie den neuen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

zu begegnen. Die positive Erfahrung dieser<br />

Gemeinschaften macht es erfor<strong>der</strong>lich, sich<br />

beson<strong>der</strong>s darum zu kümmern, dass sie in<br />

<strong>der</strong> Eucharistie den Mittelpunkt ihre Lebens<br />

finden können, dass sie kirchlich und gesellschaftlich<br />

in Solidarität und Integration<br />

wachsen.<br />

den Pastoralplan <strong>der</strong> Diözese einglie<strong>der</strong>n,<br />

werden die CEB’s zu einem Zeichen von<br />

Vitalität in <strong>der</strong> Ortskirche. Wenn sie so gemeinsam<br />

mit den Gruppen <strong>der</strong> Pfarrei, den<br />

kirchlichen Vereinen und Bewegungen handeln,<br />

können sie dazu beitragen, die Pfarreien<br />

lebendiger werden zu lassen und<br />

sie zu einer Gemeinschaft von Gemeinschaften<br />

machen. Bei ihrem Bemühen,<br />

sich den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> heutigen<br />

Zeit zu stellen, sollen die kirchlichen Basisgemeinden<br />

darauf achten, den kostbaren<br />

Schatz <strong>der</strong> Tradition und des kirchlichen<br />

Lehramtes nicht zu entstellen.<br />

180. Als Reaktion auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Evangelisierung gibt es<br />

neben den kirchlichen Basisgemeinden<br />

an<strong>der</strong>e gültige Formen kirchlicher Gemeinschaften,<br />

und sogar Netzwerke von<br />

Gemeinschaften, von Bewegungen, Gruppen<br />

für Leben, Gebet und Nachdenken<br />

über das Wort Gottes. Alle kirchlichen Gemeinschaften<br />

und Gruppen werden in dem<br />

Maße fruchtbar wirken, wie die Eucharistie<br />

Mittelpunkt ihres Lebens ist und das Wort<br />

Gottes Leuchte für ihren Weg und ihr Tun in<br />

<strong>der</strong> einzigen Kirche Jesu Christi.<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


191. Die Eucharistie, Zeichen <strong>der</strong><br />

Einheit (...) Geheimnis des Gottessohnes,<br />

<strong>der</strong> arm geworden,...<br />

406. ...Diese Option (für die Armen)<br />

stammt aus unserem Glauben<br />

an Jesus Christus, den menschgewordenen<br />

Gott, <strong>der</strong> unser Bru<strong>der</strong> geworden<br />

ist. (vgl. Hebr 2,11-12)<br />

Arntz – Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />

176. Die Eucharistie, Zeichen <strong>der</strong> Einheit<br />

(...) Geheimnis des Gottessohnes, <strong>der</strong><br />

Mensch geworden (vgl. Phil 2,6-8),...<br />

392. .... Diese Option (für die Armen)<br />

stammt aus unserem Glauben an Jesus<br />

Christus, den menschgewordenen Gott,<br />

<strong>der</strong> unser Bru<strong>der</strong> geworden ist. (vgl. Hebr<br />

2,11-12). Sie gilt aber we<strong>der</strong> exklusiv noch<br />

schließt sie jemanden aus.<br />

3


Bisher erschienene Titel zu den Themen …<br />

Befreiungstheologie<br />

Nr. 1, Leonardo Boff OFM,<br />

PUEBLAS HERAUSFORDERUNG AN DIE<br />

FRANZISKANER<br />

Nr. 5, Bernhardino Leers OFM (vergriffen),<br />

KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN<br />

Nr. 6, L. Boff OFM/U. Zankanella (vergriffen),<br />

KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN IM DIALOG<br />

Nr. 14, Honorio Rito OFM,<br />

THEOLOGIE DER BEFREIUNG - Eine kritische<br />

Wertung aus franziskanischer Sicht<br />

Nr. 27, Alosio Lorschei<strong>der</strong>, Paulo Evaristo Arns,<br />

Leonardo und Clodovis Boff,<br />

BEFREIUNG UND THEOLOGIE – Beiträge zur<br />

aktuellen Diskussion<br />

Nr. 30, Kardinal Paulo Evaristo Arns,<br />

VOLK GOTTES VON SAO PAULO – Auf dem<br />

Weg zu seiner Befreiung<br />

Nr. 31, Dom Valfredo Tepe, Clodovis und<br />

Leonardo Boff,<br />

ROM UND DIE BEFREIUNGSTHEOLOGIE –<br />

Schritte zur Verständigung<br />

Nr. 43,* ENDE EINER HOFFNUNG –<br />

Dokumentation des Konfliktes um das CLAR-<br />

Projekt „Wort und Leben“<br />

Nr. 57,* ARBEITERPASTORAL –<br />

Gottes befreiende Botschaft<br />

Nr. 62,* ANNÄHERUNG AN DIE ANDEREN –<br />

Befreiungstheologische Sommerschule<br />

Nr. 71,* QUO VADIS, KIRCHE IN AMERIKA? –<br />

Römische Bischofssynode - Hoffnungen und<br />

Enttäuschungen<br />

Nr. 82,* HOFFNUNGSTRÄGER BASISGEMEIN-<br />

DEN –<br />

Das 10. Treffen <strong>der</strong> brasilianischen Basisgemeinden<br />

im Juli 2000<br />

Nr. 89,* WENN LEBEN, GLAUBEN UND<br />

DENKEN EINS SIND ... –<br />

Befreiungstheologie aktuell<br />

Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />

Nr. 3, Englischsprachige Konferenz <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>, FRANZISKUS UND DER NEUE<br />

MATERIALISMUS –<br />

Eine franziskanische Antwort auf die Umweltkrise<br />

Nr. 26, Jan Groot Wassink,<br />

FRANZISKANISCHE BRUDERSCHAFT IN<br />

NATUR UND GESELLSCHAFT – Ausweg aus<br />

den Irrwegen einer wissenschaftlich-technischen<br />

Kultur<br />

Nr. 38,* UMKEHR ZUM LEBEN –<br />

Franziskanische Positionen zur atomaren<br />

Bedrohung<br />

Nr. 46,* UNSERE MUTTER ERDE –<br />

Lebensraum für alle<br />

Nr. 50,* INDIO-FRANZISKANISCHE UTOPIEN<br />

– Zur Strategie des Überlebens<br />

Nr. 65,* MUTTER ERDE - NEUE ERDE –<br />

Reflexionen und Texte aus Lateinamerika<br />

Nr. 70,* WENN LEBEN VERFÜGBAR WIRD –<br />

Überbevölkerung, Geburtenkontrolle und<br />

an<strong>der</strong>e Fragen<br />

Evangelisierung<br />

Nr. 8, Claudio Schnei<strong>der</strong> OFM, Brasilien,<br />

FRANZISKANISCHE GEMEINSCHAFTEN: EIN<br />

DIENST AN DER KIRCHE<br />

Nr. 11, Hermann Schalück OFM,<br />

SENSIBILITÄT UND SOLIDARITÄT – Impulse<br />

zur franziskanischen Evangelisation<br />

Nr. 19, Ordensrat OFM,<br />

DAS EVANGELIUM FORDERT UNS HERAUS –<br />

Überlegungen zur Evangelisierung in Bahia<br />

1983<br />

Nr. 21,* DAS LEBEN TEILEN –<br />

Franziskanischer Dialog in Asien<br />

Nr. 24, Anselm Moons OFM,<br />

EVANGELISIERUNG ALS LERNPROZESS –<br />

Auswertung und Dokumentation<br />

Nr. 29, Kilian Holland OFM,<br />

AFRIKAS DILEMMA – Betteln <strong>o<strong>der</strong></strong> das eigene<br />

Brot backen<br />

Nr. 33, Andreas Müller (Hrsg.),<br />

EVANGELISIERUNG FÜR EINE NEUE MENSCH-<br />

HEIT UND EINE NEUE GESELLSCHAFT –<br />

Internationaler Missionsrat <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>,<br />

Nairobi 1987<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Nr. 37,* WORT UND LEBEN –<br />

500 Jahre Evangelisierung<br />

Lateinamerikas,Umkehr und Neubesinnung<br />

Nr. 39,* DAS WORT BERUFT DAS GOTTES-<br />

VOLK –<br />

Erste Etappe des Projektes „Wort und Leben“<br />

<strong>der</strong> lateinamerikanischen Ordensleute<br />

Nr. 42,* 1992 KEIN GRUND ZUM FEIERN –<br />

Die Kirche und die Eroberung eines Kontinents<br />

Nr. 44,* DEIN WORT IST LEBEN –<br />

Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 45,* 500 JAHRE INDIOWIDERSTAND –<br />

500 Jahre Evangelisierung in Lateinamerika<br />

Nr. 47,* DEIN WORT IST LEBEN / 2 –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 48,* 500 - 1492 – 1992Nr. 49,* 1492 –<br />

1992,<br />

500 JAHRE - Gold und Gott<br />

Nr. 51, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.),<br />

NACH 500 JAHREN - NEUENTDECKUNG<br />

AMERIKAS – Zeugnisse vom Indio-Wi<strong>der</strong>stand<br />

Nr. 52,* DEIN WORT IST LEBEN /3 –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 53,* DEIN WORT IST LEBEN /3 (2. Teil) –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 54,* DEIN WORT IST LEBEN /3 (3. Teil) –<br />

Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />

Ordensleute<br />

Nr. 55,* SANTO DOMINGO 1992 –<br />

IV. Generalversammlung <strong>der</strong> Lateinamerikanischen<br />

Bischofskonferenz, Werden – Verlauf -<br />

Wertung<br />

Nr. 64,* FRANZISKANISCHE SPIRITUALITÄT<br />

UND EVANGELISATION -<br />

Dokumente <strong>der</strong> XIV. UCLAF<br />

Nr. 79,* 500 JAHRE BRASILIEN -<br />

Für die „Entdeckten eine schlimme Entdeckung“<br />

Nr. 83,* AUF DEM WEG ZU EINER INDISCHEN<br />

KIRCHE<br />

Facetten einer Studienreise<br />

Bisher erschienene Titel<br />

Nr. 92,* PFINGSTEN STATT BABEL -<br />

Zur Mystik und Spiritualität im Weltsozialforum<br />

Nr. 94,* „LÖSE DIE FESSELN VON DEINEM<br />

HALS“ (Jes 52,2) –<br />

Das Exodus-Motiv als Leitfaden für eine<br />

Bibelwerkstatt<br />

Nr. 96,* OSCAR ARNULFO ROMERO – ZUM<br />

25. JAHRESTAG SEINER ERMORDUNG.<br />

„Anti-imperiale“ Spiritualität<br />

Nr. 97,* IHR KÖNNT NICHT GOTT DIENEN<br />

UND DEM KAPITAL –<br />

Lateinamerikanische Bibelwerkstatt<br />

Franz und Klara von Assisi<br />

Nr. 17, Anton Rotzetter OFMCap,<br />

IMPULSE FÜR EINE FRIEDENSSTRATEGIE BEI<br />

FRANZ VON ASSISI<br />

Nr. 22,* FRANZ VON ASSISI IM KONTEXT<br />

DER KULTUREN<br />

Nr. 56,* 800 JAHRE KLARA –<br />

Die weibliche Wurzel <strong>der</strong> franziskanischen<br />

Familie<br />

Nr. 87,* FRANZISKUS DER SCHARNIER-<br />

MENSCH<br />

<strong>Franziskaner</strong>orden<br />

Nr. 7, Vinzenz Bohne OFM,<br />

FRANZISKANISCHE JUGEND, Brasilien<br />

Nr. 23,* DIE ZEICHEN DER ZEIT –<br />

Standortbestimmung für einen Orden<br />

Nr. 25,* STREIFLICHTER –<br />

<strong>Franziskaner</strong> auf neuen WegenNr. 63,*<br />

FRANZISKANER IM OSTEN – Verantwortung<br />

für eine neue Wirklichkeit<br />

Frieden<br />

Nr. 41,* AKTIVE GEWALTFREIHEIT –<br />

Eine franziskanische Initiative<br />

Nr. 61,* BURUNDI -<br />

Paradies im Untergang?<br />

Nr. 68,* SPIRITUALITÄT DER GEWALTFREIHEIT<br />

– Eine Grundpflicht des franziskanischen<br />

Charismas<br />

Nr. 69,* AUSWEG AUS DEM TRAUMA –<br />

Bosnien und Kroatien zwischen Machtpolitik<br />

und Glaubenskampf


Nr. 85,* FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER<br />

RELIGIONEN<br />

Das Engagement <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao<br />

/ Philippinen<br />

Nr. 90,* GEWALTFREI MIT FRANZISKUS -<br />

gewaltfrei durch Franziskus<br />

Nr. 98,* EUROPA FRANZISKANISCHE<br />

BEWEGEN<br />

Gerechtigkeit<br />

Nr. 18,* ZWISCHEN ANSPRUCH UND<br />

WIRKLICHKEIT – Franziskanische Menschen<br />

stellen sich <strong>der</strong> Armut<br />

Nr. 32,* DEN HUNGERNDEN DAS LAND –<br />

Die Kirche Brasiliens im Konflikt um die<br />

Landreform<br />

Nr. 35,* INTERNATIONALE VERSCHUL-<br />

DUNGSKRISE<br />

Nr. 40,* BERGPREDIGT ODER SACHZWÄNGE<br />

– T<br />

heologische Anfragen an die Eigengesetzlichkeit<br />

<strong>der</strong> Ökonomie<br />

Nr. 66,* NEOLIBERALISMUS –<br />

Das neue Kreuz des Südens<br />

Nr. 67,* MENSCHENRECHTE –<br />

Unsere Anwaltfunktion für die Entrechteten<br />

Nr. 74,* EIN „GNADENJAHR“ 2000 –<br />

Initiativen und Kampagnen für einen<br />

Schuldenerlaß zur Jahrtausendwende<br />

Nr. 75,* WOHNUNG, NAHRUNG, BILDUNG –<br />

... wirtschaftliche, soziale und kulturelle<br />

Menschenrechte schützen!<br />

Nr. 80,* DAS ERLASSJAHR 2000 DARF NICHT<br />

STERBEN<br />

Plädoyer aus dem Süden<br />

Nr. 81,* COLLOQUIUM 2000 –<br />

Glaubensgemeinschaften und soziale<br />

Bewegungen im Streit mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />

Nr. 84,* VERSCHWUNDEN IN ARGENTINIEN<br />

–<br />

Neue Wege gegen Straflosigkeit und<br />

Vergessen<br />

Nr. 86,* „PORTO ALEGRE“ IN AFRIKA –<br />

Alternativen zur neoliberalen Globalisierung<br />

im Südlichen Afrika<br />

Nr. 88,* VISION UND WIDERSTAND IM<br />

GLOBALISIERUNGSPROZESS<br />

Nr. 91,* BÜNDNIS GEGEN HUNGER –<br />

Brasiliens Kampf gegen Hunger und Verelendung<br />

Nr. 93,* GRUNDLEGENDE RECHTE INDIGE-<br />

NER VÖLKER STÄRKEN: BEITRITT ZUR ILO-<br />

KONVENTION 169! – Materialien zur<br />

Kampagne in Deutschland<br />

Nr. 95,* VERTRIEBEN IM EIGENEN LAND –<br />

„Demokratische Sicherheit“ in Kolumbien<br />

Interreligiöser Dialog<br />

Nr. 20,* MIT ANDEREN AUGEN SEHEN –<br />

Erfahrungen und Impulse zum Religionsdialog<br />

Nr. 60, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.),<br />

DER TRAUM VON EINER INDIANISCHEN<br />

KIRCHE – Versuch einer lnkulturation<br />

Nr. 73,* DIALOG DER RELIGIONEN –<br />

Wege zur Wahrheit<br />

Nr. 76,* INTERRELIGIÖSE BASISGEMEINDEN<br />

IM INDISCHEN KONTEXT<br />

Nr. 85,* FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER<br />

RELIGIONEN<br />

Das Engagement <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao<br />

/ Philippinen<br />

Nr. 99,* DAS EINE GEHEIMNIS UND DIE<br />

VIELEN<br />

RELIGIONEN<br />

Nr. 100,* ZUM DIALOG BERUFEN - Jubiläumsausgabe<br />

zum franziskanischen Auftrag in<br />

unserer Zeit<br />

Mission<br />

Nr. 2, Andreas Müller OFM,<br />

10 JAHRE MISSIONSZENTRALE DER FRANZIS-<br />

KANER<br />

Nr. 4, KOMM HERÜBER UND HILF UNS –<br />

Franziskanische Predigten zur Dialogmission<br />

Nr. 9, Killian Holland OFM,<br />

MIT DEN MASSAI UNTERWEGS<br />

Nr. 10, Anselm Moons OFM,<br />

FRANZISKANISCHE SENDUNG HEUTE –<br />

Skizzen zum gewandelten Missionsverständnis<br />

Nr. 13, Peter Amendt OFM,<br />

DEM EVANGELIUM HEUTE BEGEGNEN –<br />

Notizen vom Missionskongreß in Mainz/Juni<br />

1981<br />

Nr. 15,* DEN AUFBRUCH WAGEN –<br />

Die missionarische Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> heute<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007


Nr. 16,* SCHWESTERN OHNE KLOSTERMAU-<br />

ERN –<br />

<strong>Franziskaner</strong>innen inmitten <strong>der</strong> Armen<br />

Nr. 28, Karl Möhring OFM,<br />

MISSIONSLAND DEUTSCH-LAND – Erfahrungen<br />

und Reflexionen eines <strong>Franziskaner</strong>s<br />

aus dem Arbeitermilieu<br />

Nr. 34,* DIE ARMEN HABEN MICH BEKEHRT –<br />

Porträt des Erzbischofs von Fortaleza Kardinal<br />

Aloisio Lorschei<strong>der</strong><br />

Nr. 58,* DER FRANZISKANISCHE MISSIONS-<br />

AUFTRAG IN EINER VERÄNDERTEN WELT –<br />

Erinnerung und Erneuerung<br />

Nr. 59,* DIE SUCHE NACH GANZHEIT –<br />

Die feminine Dimension des franziskanischmissionarischen<br />

Charismas<br />

Bisher erschienene Titel<br />

Nr. 101,* CLARA, ELISABETH, AGNES –<br />

Franziskanische Frauen schreiben Geschichte<br />

Nr. 102,* BISCHOFSVERSAMMLUNG<br />

APARECIDA 2007– <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong><br />

<strong>Gleise</strong>?<br />

Ökumene<br />

Nr. 36,* FRANZISKANER IN SKANDINAVIEN –<br />

Öffnung zur Ökumene<br />

Nr. 72,* DIE NEUEN HEILSBRINGER –<br />

Ein Beitrag zur Sektenproblematik<br />

Alle mit *) gekennzeichneten Ausgaben: <strong>Missionszentrale</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.)


Schluss Punkt<br />

Was immer<br />

mit Christus zu tun hat,<br />

hat mit den Armen zu tun,<br />

und alles, was<br />

mit den Armen zu tun hat,<br />

weist auf<br />

Jesus Christus hin.<br />

Schlussdokument Aparecida Nr. 393

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!