Neues Pfingsten oder alte Gleise? - Missionszentrale der Franziskaner
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Neues Pfingsten oder alte Gleise? - Missionszentrale der Franziskaner
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In diesem Heft<br />
Vorwort |<br />
Stephan Ottenbreit OFM<br />
<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong><br />
<strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>? |<br />
Norbert Arntz<br />
Benedikt XVI. und die<br />
Option für die Armen |<br />
Gustavo Gutiérrez OP<br />
Die Große Kontinentale<br />
Mission |<br />
Cláudio Hummes OFM<br />
Das Martyrium ist <strong>der</strong><br />
Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
|<br />
Cláudio Hummes OFM<br />
Das Projekt Aparecida |<br />
José Comblin<br />
Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />
|<br />
Norbert Arntz<br />
ISSN 1618-9264<br />
III/2007 G21131F<br />
102<br />
Bischofsversammlung<br />
Aparecida 2007<br />
<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong><br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
Berichte<br />
Dokumente<br />
Kommentare<br />
missionszentrale<br />
<strong>der</strong> franziskaner
Bischofsversammlung<br />
Aparecida 2007<br />
missionszentrale<br />
<strong>der</strong> franziskaner<br />
2007<br />
<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong><br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?
Impressum<br />
Die Grüne Schriftenreihe „Berichte – Dokumente – Kommentare“<br />
erscheint vierteljährlich und kann abonniert werden.<br />
Herausgeber: <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> e.V.<br />
ISSN: 1618-9264<br />
Verantwortlich für Redaktion und Übersetzung:<br />
Pfarrer Norbert Arntz<br />
Layout und Satz: Jakina Ulrike Wesselmann, wDsign<br />
Fotos: Norbert Arntz / Markus Bücker<br />
Redaktion missionszentrale <strong>der</strong><br />
und Anschrift: franziskaner<br />
Albertus-Magnus-Str. 39<br />
53177 Bonn<br />
Postfach 20 09 53<br />
53139 Bonn<br />
Telefon: 02 28 / 9 53 54-0<br />
Telefax: 02 28 / 9 53 54-40<br />
E-Mail: post@missionszentrale.de<br />
http://www.mzf.org<br />
Verlag und Versand: <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> GmbH<br />
Bankverbindung:<br />
Bank für Orden und Mission<br />
BLZ 510 917 11<br />
Konto 80 0071 08<br />
Gedruckt auf EnviroTop Recycling Papier<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 5<br />
Die Bischofsversammlung 7<br />
von Aparecida – <strong>Neues</strong><br />
<strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
Benedikt XVI. und die 19<br />
Option für die Armen<br />
Die Große Kontinentale 27<br />
Mission<br />
Predigt: Das Martyrium ist 31<br />
<strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
Das Projekt von Aparecida 35<br />
Ein gefälschtes 48<br />
Schlussdokument?<br />
Bisher erschienene Titel 54<br />
Inhalt<br />
Stephan Ottenbreit OFM<br />
Norbert Arntz<br />
Gustavo Gutiérrez OP<br />
Cláudio Hummes OFM<br />
Cláudio Hummes OFM<br />
José Comblin<br />
Norbert Arntz
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Vorwort<br />
Die V. Generalversammlung von Bischöfen<br />
aus Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik,<br />
vom 13. bis 31. Mai in den brasilianischen<br />
Wallfahrtsort Aparecida<br />
einberufen, hat die Hoffnung auf ein<br />
neues <strong>Pfingsten</strong> wie<strong>der</strong> erweckt. Unter<br />
dem Leitwort „Jünger und Missionare Jesu<br />
Christi, damit unsere Völker in ihm das<br />
Leben haben“ bekennt sich die lateinamerikanische<br />
Kirche in Aparecida zu ihrer<br />
Eigenständigkeit im vielgestaltigen Prozess<br />
<strong>der</strong> Weltkirche. Sie entdeckt, dass das<br />
Leitwort nicht nur ein gutes Thema für eine<br />
bedeutsame Konferenz darstellt, son<strong>der</strong>n<br />
die Quintessenz des Evangeliums<br />
ausmacht. Kurzum: Aparecida – als Dokument<br />
und Ereignis – verweist darauf,<br />
dass <strong>der</strong> Geist des Evangeliums Jesu die<br />
heutigen kulturellen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
und politischen Konstellationen durchwehen<br />
soll, „damit unsere Völker in ihm<br />
das Leben haben“.<br />
Mit dem vorliegenden Heft wollen<br />
wir „den Text“ von Aparecida kommentierend<br />
begleiten. Den Text von Aparecida<br />
bildet eben nicht nur das aus 554<br />
Abschnitten zusammengesetzte Schlussdokument,<br />
das die Versammlung am 31.<br />
Mai verabschiedete und das in Kürze in<br />
deutscher Übersetzung zur Verfügung<br />
stehen wird. „Der Text von Aparecida“<br />
besteht aus dem gesamten Ereignis, angefangen<br />
von <strong>der</strong> kontinentweiten Vorbereitung<br />
in Gemeinden, Diözesen und<br />
Organisationen über den Papstbesuch<br />
zur Eröffnung <strong>der</strong> Generalversammlung,<br />
die eigene Dynamik des Wallfahrtsortes<br />
Aparecida bis zu den Konflikten um<br />
die Manipulation des verabschiedeten<br />
Vorwort<br />
Stephan Ottenbreit OFM<br />
Pfarrer Norbert Arntz<br />
Schlussdokumentes und die Auswirkung<br />
von Aparecida auf die Gemeinden und<br />
Teilkirchen.<br />
Gustavo Gutiérrez, <strong>der</strong> peruanische<br />
Befreiungstheologe, betrachtet deshalb<br />
die Eröffnungsansprache des Papstes unter<br />
dem Blickwinkel <strong>der</strong> Option für die Armen.<br />
Der <strong>Franziskaner</strong> Claudio Hummes,<br />
bis 2006 Erzbischof von Sao Paulo, jetzt<br />
Präfekt <strong>der</strong> vatikanischen Kleruskongregation<br />
in Rom, beschreibt in Predigt und<br />
Statement das Projekt <strong>der</strong> „Kontinentalen<br />
Mission“. Der brasilianische Theologe<br />
José Comblin legt dar, inwiefern die<br />
„kontinentale Mission“ eine radikale Umkehr<br />
des gesamten kirchlichen Systems<br />
bedeutet.<br />
Norbert Arntz, <strong>der</strong> im Namen und<br />
Auftrag <strong>der</strong> <strong>Missionszentrale</strong> als akkreditierter<br />
Beobachter die V. Generalversammlung<br />
aus nächster Nähe verfolgen<br />
konnte, beschreibt ausführlich den von<br />
ihm erlebten Prozess und dokumentiert<br />
am Ende an Textbeispielen, wie das verabschiedete<br />
Schlussdokument manipuliert<br />
wurde.<br />
Mit unserem „Grünen Heft“ wollen<br />
wir den Leserinnen und Lesern eine Hilfe<br />
anbieten, besser verstehen zu lernen, was<br />
Aparecida für die Lateinamerikanische<br />
Kirche und für die Weltkirche bedeutet.<br />
Bonn Bad Godesberg, 3. November<br />
2007, am Festtag des Heiligen Martin de<br />
Porres, dem aus Peru stammenden heiligen<br />
Mestizen, an dessen Teller Hund, Katz und<br />
Maus gemeinsam tafeln.
Versammlungsort: die Basilika von Aparecida<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Die Bischofsversammlung von Aparecida –<br />
<strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
Eine quasi fatalistische<br />
Haltung nach Santo<br />
Domingo (1992)<br />
Nach 1992 rechnete niemand mehr<br />
damit, dass es noch einmal eine Generalversammlung<br />
des Episkopats von Lateinamerika<br />
und <strong>der</strong> Karibik geben werde. Als<br />
Papst Johannes Paul II. bei <strong>der</strong> Eröffnungsansprache<br />
zur IV. Generalversammlung<br />
in Santo Domingo 1992 seine Absicht<br />
bekannt gab, eine Kontinentalsynode für<br />
die gesamte Kirche von Amerika einzuberufen,<br />
schien die Geschichte <strong>der</strong> „Generalversammlungen<br />
des Episkopats von<br />
Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik“ besiegelt.<br />
Der Prozess, <strong>der</strong> im Jahre 1955 mit <strong>der</strong><br />
ersten Versammlung in Rio de Janeiro und<br />
<strong>der</strong> Gründung des Lateinamerikanischen<br />
Bischofsrates (CELAM) begonnen hatte,<br />
<strong>der</strong> in Medellín 1968 mit <strong>der</strong> kreativen<br />
Rezeption des II. Vatikanums ein neues<br />
<strong>Pfingsten</strong> für Lateinamerika bewirkt und<br />
dann in Puebla (1979) trotz römischer Wi<strong>der</strong>stände<br />
die Kirche <strong>der</strong> Armen in Lateinamerika<br />
bestärkt hatte, schien beendet zu<br />
werden. Man gewann den Eindruck, dass<br />
römische „Kontinentalsynoden“, die nur<br />
beratende Funktion für den Papst haben,<br />
die Zukunft <strong>der</strong> Weltkirche bestimmen<br />
würden und dass deshalb die in Lateinamerika<br />
entstandene Tradition <strong>der</strong> „Generalversammlungen“<br />
mit ihrer relativen<br />
Autonomie aufgegeben werde. Dieser<br />
Eindruck bestätigte sich durch die Amerika-Synode,<br />
die <strong>der</strong> Papst für 1997 nach<br />
Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
Norbert Arntz<br />
geb. 1943 in Kleve, Pfarrer und<br />
Mitarbeiter in <strong>der</strong> <strong>Missionszentrale</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />
Rom einberufen hatte. Damals galt als Losung<br />
„Ein einziges Amerika, eine einzige<br />
Kirche“.<br />
Ein überraschen<strong>der</strong><br />
Vorschlag<br />
Die quasi fatalistische Haltung <strong>der</strong><br />
lateinamerikanischen Gremien wurde<br />
im Jahre 2001 durchbrochen. Bei <strong>der</strong><br />
in Caracas einberufenen Versammlung<br />
des Lateinamerikanischen Bischofsrates<br />
(CELAM), des kontinentalen Kooperationsorgan<br />
für die nationalen Bischofskonferenzen,<br />
unterbreitete Kardinal Oscar<br />
Rodriguez Madariaga von Tegucigalpa/<br />
Honduras den Vorschlag, das fünfzigjährige<br />
Bestehen des CELAM im Jahre 2005<br />
zu nutzen, um eine weitere Generalversammlung<br />
einzuberufen, die die Aufgabe<br />
hätte, den bisherigen Weg <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />
Kirche zu überdenken<br />
und die neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen für<br />
die Kirche des Kontinents zu formulieren.<br />
Fast alle Teilnehmenden griffen den Vorschlag<br />
zustimmend auf und entwickelten<br />
ihn zu einem formellen Plan weiter.<br />
Dass es erst 2007 zur 5. Generalversammlung<br />
kam, lässt darauf schließen, welch<br />
schwierigen Weg <strong>der</strong> Vorschlag durchlaufen<br />
musste. Erst musste man die Phase<br />
des Undenkbaren hinter sich lassen, dann<br />
die Phase des Vorstellbaren absolvieren<br />
und schließlich ein realisierbares Projekt<br />
daraus machen, um die Zustimmung Johannes<br />
Pauls II. zu erlangen.
Dieser entscheidende Schritt ist dem<br />
Bemühen des damaligen CELAM-Präsidenten,<br />
Kardinal Errázuriz, zu verdanken.<br />
Er hat die Initiative ergriffen, die Kirche<br />
Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik offiziell<br />
zu konsultieren. Von 22 Bischofskonferenzen<br />
äußerten sich 20 zugunsten <strong>der</strong><br />
Durchführung einer „Generalversammlung“.<br />
Von 30 lateinamerikanischen Kardinälen<br />
waren 18 dafür. Als die Führung<br />
des CELAM dem Papst diese Daten vorlegte,<br />
entschied Johannes Paul II.: „Ich<br />
will das, was die Kirche Lateinamerikas<br />
will“. Das war das Signal zur Durchführung<br />
<strong>der</strong> Generalversammlung.<br />
Die Chance ergreifen<br />
Die Veröffentlichung des „documento<br />
de participación“ weckte zunächst<br />
nur geringes Interesse und wenig Begeisterung.<br />
Es entsprach we<strong>der</strong> den Problemen,<br />
mit denen die Bevölkerung zu<br />
kämpfen hatte, noch jenen, vor die sich<br />
die Kirche gestellt sah. Es spiegelte eher<br />
die in <strong>der</strong> Kirche stärker gewordenen Regressionstendenzen,<br />
die vor allem bei <strong>der</strong><br />
4. Generalversammlung in Santo Domingo<br />
1992 spürbar gewesen waren. Von <strong>der</strong><br />
Vitalität des II. Vatikanums <strong>o<strong>der</strong></strong> gar jener<br />
<strong>der</strong> Konferenz von Medellín (1968) war<br />
darin nichts mehr zu erkennen. Verständlich,<br />
dass anfangs Skepsis und Gleichgültigkeit<br />
das Empfinden gegenüber <strong>der</strong><br />
geplanten Generalversammlung stärker<br />
beherrschten als Wünsche und Hoffnungen.<br />
Man sollte die Chance nicht<br />
verpassen, eine lebendige,<br />
prophetische Kirche zu werden.<br />
Aber <strong>der</strong> Lateinamerikanische Bischofsrat<br />
(CELAM) hatte bei <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
des „documento de participación<br />
“ selbst kund getan, dass es sich<br />
nicht um den Entwurf einer Vorlage für<br />
ein mögliches Schlussdokument handele,<br />
son<strong>der</strong>n dass <strong>der</strong> Text die ganze Kirche<br />
in Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik provozieren<br />
solle, sich an <strong>der</strong> Vorbereitung aktiv<br />
zu beteiligen.<br />
Je mehr man auf den verschiedenen<br />
Ebenen <strong>der</strong> Kirche über die geplante Generalversammlung<br />
redete und sich mit Thema<br />
und Dokument auseinan<strong>der</strong> setzte, desto<br />
stärker breitete sich die Stimmung aus,<br />
man sollte die Chance nicht verpassen,<br />
die sich mit <strong>der</strong> geplanten 5. Generalversammlung<br />
bot, son<strong>der</strong>n die Gelegenheit<br />
beim Schopf ergreifen und darauf dringen,<br />
die Realität wie<strong>der</strong> zum Ausgangspunkt<br />
für die Arbeit <strong>der</strong> Versammlung zu<br />
machen, dem beson<strong>der</strong>en Markenzeichen<br />
lateinamerikanischer Pastoral in weiten<br />
Kreisen. Man wollte den Zusammenhang<br />
zwischen dem christlichen Glauben<br />
und einer befreienden Praxis erneut unterstreichen,<br />
um die hoffnungsstiftende Kraft<br />
des Glaubens zu bezeugen. Man wollte<br />
wie<strong>der</strong> eine lebendige, prophetische Kirche<br />
werden, in <strong>der</strong> die kirchlichen Basisgemeinschaften<br />
das neue Antlitz <strong>der</strong> Kirche<br />
zeigen, insofern sie jeweils mitten in<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft den Zusammenhang von<br />
Glaube und Leben, von Utopie und wirksamem<br />
Handeln bezeugen.<br />
Man wollte die Option für die Armen<br />
erneut hervorheben und verlebendigen,<br />
um zu bestärken, dass man die<br />
Welt nicht nur mit den Augen <strong>der</strong> Armen<br />
zu sehen und dementsprechend zu handeln<br />
gewillt ist, son<strong>der</strong>n die Armen und<br />
Ausgeschlossenen auch als Subjekte einer<br />
neuen Gesellschaft zu verstehen und ihre<br />
Bedeutung für die Evangelisierung <strong>der</strong><br />
Kirche zu unterstreichen habe.<br />
In dem mehrjährigen Vorbereitungsprozess<br />
wurden immer mehr Menschen<br />
mobilisiert. Ortskirchen, Ordensgemeinschaften<br />
und Laiengremien, aber auch<br />
Einzelpersonen nützten die Gelegenheit,<br />
ihre Meinungen und Erwartungen<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Das Gnadenbild von Aparecida<br />
zu Thema und Dokument zu äußern. Die<br />
Bischofskonferenzen aller Län<strong>der</strong> Lateinamerikas<br />
und <strong>der</strong> Karibik fassten dann auf<br />
nationaler Ebene die eingegangenen Vorschläge<br />
und Anregungen zusammen und<br />
glie<strong>der</strong>ten sie nach Themen. Die schriftlich<br />
eingereichten Beiträge umfassten<br />
schließlich mehr als 2400 Seiten. Der CE-<br />
LAM veröffentlichte daraufhin ein Resümee<br />
aller von den Bischofskonferenzen<br />
Immer mehr Menschen nutzten<br />
die Gelegenheit, ihre Meinungen<br />
und Erwartungen zu Thema und<br />
Dokument zu äußern.<br />
weitergeleiteten Vorschläge (das sogenannte<br />
„documento de síntesis“), egal<br />
ob diese von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten<br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> Laien stammten. Dieses<br />
Dokument von 188 Seiten sollte ebenfalls<br />
als Arbeitsmaterial für die Versammlung<br />
dienen, nicht als Vorlage für ein Schlussdokument<br />
gewertet werden.<br />
Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
Die Dynamik des Versammlungsortes<br />
Aparecida<br />
Anfangs überlegte man die Versammlung<br />
in Rom einzuberufen, um dem kranken<br />
Papst die Teilnahme zu erleichtern.<br />
Nach dem Tod des Papstes waren Buenos<br />
Aires/Argentinien und Santiago de Chile im<br />
Gespräch. Da schlug Papst Benedikt überraschend<br />
das braslianische Aparecida vor,<br />
einen Marienwallfahrtsort von nationaler,<br />
ja kontinentaler Bedeutung. Sicherlich hatte<br />
diese Wahl in erster Linie kirchlich symbolische<br />
Bedeutung: Die Bedeutung Marias<br />
in <strong>der</strong> Volksfrömmigkeit des gesamten<br />
Kontinents; die lokale „Legende“, die erzählt,<br />
dass die Anfänge <strong>der</strong> Marienverehrung<br />
in Brasilien eng mit <strong>der</strong> „Mae Negra“<br />
– wie das Gnadenbild auch genannt wird<br />
– verbunden sind, und die pastoralen Auswirkungen<br />
eines Marienwallfahrtsortes auf<br />
die Kirche in Lateinamerika. Welche weiteren,<br />
vorher vielleicht nicht bedachten<br />
Implikationen die Wahl des Ortes haben<br />
könnten, sollte sich erst im Verlauf <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
herausstellen.
10<br />
Der Wallfahrtsort brachte es mit sich,<br />
dass diese Konferenz – im Unterschied zu<br />
den vorherigen in Santo Domingo, Puebla<br />
und Medellín – im ständigen Kontakt mit<br />
dem einfachen Volk stand, das in Scharen<br />
die Basilika aufsuchte. Die tägliche Eucharistiefeier<br />
<strong>der</strong> Konferenzteilnehmenden<br />
morgens um 8 Uhr wurde mit allen Pilgerinnen<br />
und Pilgern gefeiert, die zur Basilika<br />
kamen. An Samstagen und Sonntagen<br />
waren häufig bis zu 100 000 Menschen<br />
in und um die Basilika anzutreffen, in <strong>der</strong><br />
ca. 30.000 Menschen Platz haben, während<br />
<strong>der</strong> Ort Aparecida nur 40.000 Einwohner<br />
zählt. Nach den Gottesdiensten<br />
drängten sich die Menschen um die Bischöfe,<br />
um sie anzusprechen <strong>o<strong>der</strong></strong> einen<br />
persönlichen Segen für sich und ihre Kin<strong>der</strong><br />
zu erbitten. Die Leute ließen die Bischöfe<br />
nicht unbehelligt in die täglichen<br />
Sitzungen gehen, die im Untergeschoss<br />
<strong>der</strong> Basilika stattfanden. Ein lapidarer Satz<br />
im Schlussdokument spiegelt nur in dürren<br />
Worten, was die Bischöfe erlebt hatten:<br />
„Die vielen Menschen, die aus ganz<br />
Brasilien und aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n Amerikas<br />
zum Marienheiligtum pilgerten, haben<br />
uns gestärkt und evangelisiert.“<br />
Initiativen aus <strong>der</strong> Kirche<br />
Lateinamerikas<br />
Um den Versammlungsort herum<br />
brachten verschiedene Initiativen die<br />
Mit-Sorge des Gottesvolkes um das Gelingen<br />
<strong>der</strong> 5. Generalversammlung zum<br />
Ausdruck.<br />
Eine Fußwallfahrt in <strong>der</strong> Nacht<br />
vom 19. zum 20. Mai führte ca. 10.000<br />
Menschen vom 10 km entfernten Roseiras<br />
nach Aparecida. Die Basisgemeinden<br />
hatten sie zusammen mit den Verantwortlichen<br />
für die Sozialpastoral und <strong>der</strong><br />
Jugendpastoral organisiert. An vier Stationen<br />
wurden die vorangegangenen Versammlungen<br />
von Rio de Janeiro, Medellín,<br />
Puebla, und Santo Domingo in Erinne-<br />
rung gerufen, um den bisherigen Weg<br />
<strong>der</strong> lateinamerikanischen Kirche nachzuzeichnen<br />
und die Identität <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />
Kirche herauszustellen.<br />
Ein theologisches Seminar für Lateinamerika<br />
– vom Laienrat <strong>der</strong> brasilianischen<br />
Kirche getragen – hatte in dem<br />
Nachbarort mit dem schwer auszusprechenden<br />
Namen Pindamonhangaba ca.<br />
250 Vertreter und Vertreterinnen aus vielen<br />
brasilianischen Staaten und aus 16<br />
weiteren Län<strong>der</strong>n Lateinamerikas und<br />
Europas versammelt. Unter dem Leitwort<br />
„Das Volk Gottes mit Christus dem Befreier<br />
auf dem Weg nach Aparecida“ reflektierten<br />
sie über das Thema <strong>der</strong> 5. Generalversammlung<br />
und stellten in ihrem Brief<br />
an das Volk Gottes fest: „Die Menschheit<br />
Elisabeth macht die Menschenwürde<br />
<strong>der</strong>er bewusst, die für die<br />
Gesellschaft nicht mehr als Produktivkraft<br />
nützlich sind<br />
erlebt gegenwärtig eine System-Krise,....<br />
die das Gefüge <strong>der</strong> Beziehungen zwischen<br />
den Menschen und <strong>der</strong> Menschen mit <strong>der</strong><br />
gesamten Schöpfung aus dem Gleichgewicht<br />
bringt. ... Die Kirche durchläuft<br />
ebenfalls eine tiefe Krise: die Anzahl <strong>der</strong><br />
Gläubigen geht zurück; es gibt eine Spaltung<br />
zwischen Glaube und alltäglichem<br />
Leben; religiöse Sprache und Symbole<br />
werden nicht erneuert; die straffe pyramidale<br />
Struktur verhin<strong>der</strong>t die Anerkennung<br />
von allgemeinem Priestertum und<br />
Sendung des gesamten Gottesvolkes; die<br />
Laien und insbeson<strong>der</strong>e die Frauen werden<br />
we<strong>der</strong> als kirchliche Subjekte noch als<br />
Entscheidungsträger anerkannt.“<br />
Deshalb soll die Kirche so gest<strong>alte</strong>t<br />
werden, „dass sie zu einem Netzwerk lebendiger<br />
Gemeinschaften werde, in denen<br />
das Volk Gottes selbst seine Stimme<br />
laut werden lassen kann; dass die latein-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
amerikanischen und karibischen Ortskirchen<br />
ihre eigenen Strukturen mit den<br />
historisch entwickelten drei Säulen <strong>der</strong><br />
Basisgemeinden, <strong>der</strong> Sozialpastoral und<br />
<strong>der</strong> Bischofskonferenzen, wie<strong>der</strong> stärker<br />
zur Geltung bringen; dass die Kirche engen<br />
Kontakt zur Realität habe; dass sie<br />
Bündnisse mit den gesellschaftlichen Bewegungen<br />
schmiede und so als Sauerteig<br />
wirke in den Aktivitäten <strong>der</strong> Menschen,<br />
die an einer neuen Gesellschaft mitwirken.<br />
Denn eine an<strong>der</strong>e Welt, in <strong>der</strong> die Solidarität<br />
globalisiert wird, ist möglich“.<br />
Ein Zelt <strong>der</strong> Märtyrer war während<br />
<strong>der</strong> gesamten Dauer <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
wenige hun<strong>der</strong>t Meter von <strong>der</strong><br />
Basilika entfernt in <strong>der</strong> Nähe des Flusses<br />
Paraiba errichtet, wo <strong>der</strong> Legende nach<br />
das Gnadenbild <strong>der</strong> „Mae Negra“ von<br />
drei Fischern gefunden worden war. Das<br />
Zelt, in dem die Basisgemeinden und die<br />
Sozialpastoral ihr Verständnis des Kircheseins<br />
leben, die politisch-ökonomischen<br />
Verhältnisse diskutieren, nach ihrer Art<br />
die Bibel lesen, beten und Gottesdienst<br />
feiern konnten, war in Absprache mit<br />
dem CELAM aufgeschlagen worden. Ausgestattet<br />
mit einem großen Transparent,<br />
auf dem die Märtyrerinnen und Märtyrer<br />
von ganz Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik<br />
mit Fotografien und Namen in Erinnerung<br />
gerufen wurden, sowie mit Bil<strong>der</strong>n<br />
und Symbolen, die in Basisgemeinden<br />
entstanden waren und das Engagement<br />
<strong>der</strong> Kirche <strong>der</strong> Armen lebendig werden<br />
ließen, wurde das Zelt zum offenen Raum<br />
für den ständigen Dialog zwischen Pilgernden<br />
und Konferenzteilnehmern. Der<br />
Tag begann mit dem Morgenlob <strong>der</strong> Gemeinden.<br />
Nachmittags fanden Bibelgespräche<br />
statt, abends feierten eine Reihe<br />
von Bischöfen bzw. Teilnehmern <strong>der</strong><br />
Konferenz mit den Vertretern <strong>der</strong> Basisgemeinden<br />
Eucharistie. Das Zelt symbolisierte<br />
den Willen des einfachen Volkes,<br />
am kirchlichen Ereignis von Aparecida<br />
Anteil zu nehmen. Bischöfe, Ordensleu-<br />
Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
te, Priester, Diakone, Repräsentanten von<br />
Afrika, Asien, Europa, Kanada sind durch<br />
das Zelt gegangen; sie alle haben erfahren<br />
können, welche Hoffnungen und<br />
Wünsche im einfachen Volk leben. Täglich<br />
kamen Menschen vorbei, um für das<br />
Gelingen <strong>der</strong> 5. Generalversammlung zu<br />
beten und sich über das auszutauschen,<br />
was im Versammlungsraum geschah.<br />
Amerindia, eine Gruppe von ca. 30<br />
Theologinnen und Theologen, hatte in<br />
Absprache mit dem CELAM theologische<br />
Assistenz für die Teilnehmer <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
angeboten. Sie studierten<br />
gemeinsam mit den Bischöfen, die dies<br />
wünschten, vorgelegte Texte, unterstützten<br />
die Bischöfe bei <strong>der</strong> Erarbeitung<br />
eigener Texte und boten ein Forum für<br />
Die Christologie gehört tatsächlich<br />
heutzutage zu den wichtigsten<br />
theologischen Problemen.<br />
Austausch und Reflexion sowie methodische<br />
Hilfen an. Sie ließen sich von <strong>der</strong><br />
überraschenden Verurteilung <strong>der</strong> christologischen<br />
Werke von Jon Sobrino nicht<br />
das Denken verbieten. Die Notifikation<br />
<strong>der</strong> vatikanischen Glaubenskongregation<br />
über die Werke von Jon Sobrino wurde<br />
nicht zufällig am Vorabend <strong>der</strong> Konferenz<br />
von Aparecida publiziert. Sie sollte<br />
offenbar wie ein Warnschuss wirken. Die<br />
Christologie gehört tatsächlich heutzutage<br />
zu den wichtigsten theologischen Problemen.<br />
Eine entscheidende Frage lautet<br />
nämlich: Welche Bedeutung hat das<br />
Menschsein Jesu für Glauben und Praxis<br />
<strong>der</strong> Kirche? Welche Bedeutung haben die<br />
Worte und Taten Jesu, wie sie von den<br />
Evangelien erzählt werden? Worin besteht<br />
das Menschsein Jesu? Was heißt es<br />
überhaupt, ein Mensch zu sein?<br />
11
12<br />
Das Klima<br />
im Versammlungsraum<br />
Die 266 Delegierten <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
von Aparecida nahmen<br />
in unterschiedlicher Kompetenz an <strong>der</strong><br />
Versammlung teil: als Mitglie<strong>der</strong>, Gäste,<br />
Beobachter <strong>o<strong>der</strong></strong> Experten. Nur die Mitglie<strong>der</strong><br />
– Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe<br />
– hatten Stimmrecht. Die Gäste<br />
kamen aus den Bischofskonferenzen von<br />
Kanada, USA, Spanien, Portugal, Afrika,<br />
Europa und Asien, ferner Ordensobere,<br />
Vertreter <strong>der</strong> lateinamerikanischen Konferenz<br />
<strong>der</strong> Ordensleute (CLAR), Laienvertreter<br />
von kirchlichen Bewegungen und<br />
Vertreter kirchlicher Hilfswerke. Sie alle<br />
hatten zwar kein Stimmrecht, durften<br />
aber mit beraten und bei <strong>der</strong> Abfassung<br />
von Texten mitwirken. Anfangs schienen<br />
die Teilnehmer mit nur geringen Erwartungen<br />
zu kommen. Im Prozess des<br />
Kennenlernens und des Austausches vor<br />
allem in den Kommissionen öffnete sich<br />
aber mehr und mehr das Klima, so dass<br />
sich <strong>der</strong> Raum für einen neuen Geist auftat.<br />
Bereits in einer <strong>der</strong> ersten Abstimmungen<br />
entschieden sich die Delegierten<br />
für den Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln<br />
als Arbeitsmethode <strong>der</strong> V. Generalversammlung.<br />
Zugleich beschloss man,<br />
dass die Ergebnisse von Aparecida nach<br />
dem Beispiel <strong>der</strong> Versammlungen von<br />
Rio de Janeiro (1955), Medellin (1968),<br />
Puebla (1979) und Santo Domingo<br />
(1992) in einem Schlussdokument veröffentlicht<br />
werden sollten.<br />
Die erstmals anwesenden evangelischen<br />
Beobachter sorgten dafür, dass<br />
die katholischen Bischöfe sensibler für<br />
ihre Sprache wurden. Anfangs redeten<br />
die Bischöfe noch ziemlich leichtfertig<br />
davon, dass die „Sekten“ <strong>der</strong> Kirche die<br />
Gläubigen wegnehmen. Damit tat man<br />
nicht nur den historischen Kirchen Unrecht,<br />
son<strong>der</strong>n unternahm auch allzu<br />
offensichtlich den Versuch, die Verant-<br />
wortung für die eigene Lage auf an<strong>der</strong>e<br />
abzuschieben. Die vier evangelischen<br />
Beobachter richteten eine gemeinsame<br />
Botschaft an die Versammlung und appellierten<br />
an sie: „Damit unsere Anwesenheit<br />
als Christen aus an<strong>der</strong>en Konfessionen<br />
nicht von Konfrontation und Streit<br />
gekennzeichnet sei, scheint es uns notwendig,<br />
eine Sprache zu verwenden, die es gestattet,<br />
die bereits existierenden Kommunikationsstränge<br />
zu nutzen und weitere neue<br />
Brücken zu schlagen. Uns gegenseitig als<br />
Kirchen und christliche Gemeinschaften anzuerkennen,<br />
ist die Methode, die Türen für<br />
den Dialog offen zu h<strong>alte</strong>n, und <strong>der</strong> Dialog<br />
ist unverzichtbar, um gemeinsam jegliche<br />
sektiererische bzw. streitsüchtige Praxis verbannen,<br />
die jedem echten missionarischen<br />
Geist wi<strong>der</strong>spricht.“ Sie erinnerten daran,<br />
dass auch die evangelischen Kirchen zur<br />
Evangelisierung und zur Kultur in Lateinamerika<br />
und <strong>der</strong> Karibik beigetragen haben<br />
und dass auch in ihren Reihen Märtyrer<br />
zu finden sind.<br />
Dom Erwin Kräutler, Bischof von<br />
Xingú im Amazonas, <strong>der</strong> als Delegierter<br />
<strong>der</strong> Brasilianischen Bischofskonferenz<br />
teilnahm, stellte am Ende fest: „Es ist bewun<strong>der</strong>nswert,<br />
wie trotz <strong>der</strong> nationalen<br />
Unterschiede ein Konsens gefunden wurde<br />
und am Ende <strong>der</strong> Versammlung über ein<br />
118 Seiten starkes Schlussdokument abgestimmt<br />
werden konnte, von dem bei <strong>der</strong> Eröffnung<br />
<strong>der</strong> Konferenz keine einzige Seite<br />
existierte. Die Atmosphäre war durchweg<br />
herzlich und das gemeinsame Interesse, einen<br />
neuen Impuls für die Evangelisierung des<br />
Kontinentes zu geben, ließ die Bischöfe den<br />
gemeinsamen Nenner suchen. Ich bin <strong>der</strong><br />
Überzeugung, dass <strong>der</strong> Heilige Geist diese<br />
Versammlung inspirierte. Das Schlussdokument<br />
enthält Aussagen, die bei Beginn <strong>der</strong><br />
Versammlung kaum denkbar waren. Dennoch<br />
blieben heiße Eisen wie beispielsweise<br />
die Weihe Verheirateter weiterhin ausgespart,<br />
obwohl manche Bischöfe gerne darüber<br />
diskutiert hätten. Beson<strong>der</strong>s schade<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
ist es, dass die Märtyrer Lateinamerikas<br />
nur im einen <strong>o<strong>der</strong></strong> an<strong>der</strong>en Nebensatz aufscheinen.<br />
Viele von uns hätten sich eine angemessenere<br />
Würdigung dieser Frauen und<br />
Männer erwartet, die um des Reiches Gottes<br />
und seiner Gerechtigkeit willen ihr Blut<br />
vergossen haben.“<br />
Der Papst in Aparecida<br />
Papst Benedikt unterstrich durch seine<br />
Anwesenheit bei <strong>der</strong> Eröffnung <strong>der</strong><br />
Generalversammlung die weltkirchliche<br />
Bedeutung dieses Ereignisses. In seiner<br />
Predigt beim Eröffnungsgottesdienst am<br />
13. Mai auf dem Vorplatz <strong>der</strong> Kathedrale<br />
in Anwesenheit von ca. 250.000 Teilnehmenden<br />
griff er die Tageslesung aus<br />
<strong>der</strong> Apostelgeschichte über das „Apostelkonzil<br />
von Jerusalem“ auf und sagte: „Die<br />
führenden Kreise <strong>der</strong> Kirche streiten miteinan<strong>der</strong><br />
konfrontativ, aber stets in einer<br />
spirituellen Offenheit für das Wort Gottes,<br />
so dass sie am Ende feststellen können: ‚Es<br />
erschien dem Heiligen Geist und uns……’<br />
Das ist die ‚Methode’, die wir in kleinen<br />
und großen Versammlungen <strong>der</strong> Kirche<br />
anwenden.“ Mit dieser Auffor<strong>der</strong>ung,<br />
die verschiedenen Positionen ins Spiel zu<br />
bringen und miteinan<strong>der</strong> zu ringen, anerkannte<br />
er verschiedene, auch sich wi<strong>der</strong>sprechende<br />
Positionen grundsätzlich<br />
an, so dass viele Teilnehmende sich vom<br />
Druck befreit fühlten, sich selbst erst legitimieren<br />
zu müssen.<br />
Die Kirche ist Anwältin <strong>der</strong><br />
Gerechtigkeit und <strong>der</strong> Armen<br />
Bei <strong>der</strong> ersten Sitzung <strong>der</strong> Versammlung<br />
am Nachmittag des 13. Mai, die <strong>der</strong><br />
Papst mit einer Ansprache eröffnete, betonte<br />
<strong>der</strong> Papst, dass die Option für die<br />
Armen eine christologische Wurzel hat:<br />
„die bevorzugte Option für die Armen<br />
(ist) im christologischen Glauben an jenen<br />
Gott implizit enth<strong>alte</strong>n, <strong>der</strong> für uns<br />
Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
arm geworden ist, um uns durch seine<br />
Armut reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9).“<br />
„Die Kirche ist Anwältin <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />
und <strong>der</strong> Armen, eben dann wenn sie sich<br />
we<strong>der</strong> mit Politikern noch mit Partei-Interessen<br />
identifiziert.“ Mit diesen wenigen<br />
Sätzen hatte er die Option für die Armen<br />
<strong>der</strong> prinzipiellen Infragestellung entzogen<br />
und zum Kernbestand des Glaubens<br />
erklärt. Auch die Bemerkung zur Globalisierung<br />
ließ aufhorchen: Sie sei einerseits<br />
„eine Errungenschaft <strong>der</strong> gesamten<br />
Menschheitsfamilie und ein Hinweis auf<br />
den tiefen Wunsch nach Einheit, birgt in<br />
sich aber auch das Risiko großer Monopole<br />
und das Risiko, den Profit zum obersten<br />
Wert zu machen“. Im Großen und<br />
Ganzen herrschte am Konferenzort Erleichterung<br />
darüber, dass die Rede keine<br />
Verbote aussprach; sie machte vielmehr<br />
den Raum <strong>der</strong> Debatte weit auf. Im Hinblick<br />
auf den Verlauf <strong>der</strong> Konferenz war<br />
dies wohl einer <strong>der</strong> entscheidenden Vorzüge<br />
<strong>der</strong> Rede.<br />
Doch es gab auch die negative Überraschung:<br />
<strong>der</strong> Papst deutete die Evangelisierung<br />
Amerikas auf eine Weise, wie man<br />
sie nach <strong>der</strong> IV. Generalversammlung von<br />
1992 in Santo Domingo nicht mehr erwartet<br />
hatte. An<strong>der</strong>s als noch Johannes<br />
Paul II., <strong>der</strong> 1992 von den Licht- und<br />
Schattenseiten <strong>der</strong> Evangelisierung gesprochen<br />
und im Schuldbekenntnis um<br />
Vergebung gebeten hatte; an<strong>der</strong>s als das<br />
Schlussdokument <strong>der</strong> Bischofsversammlung<br />
von Santo Domingo, das seinerseits<br />
die „indigenen und afroamerikanischen<br />
Geschwister vor <strong>der</strong> grenzenlosen Heiligkeit<br />
Gottes“ um Vergebung gebeten hatte<br />
„für alles, was an Sünde, Unrecht und Gewalttat“<br />
bei <strong>der</strong> Eroberung und Erstevangelisierung<br />
geschehen war – an<strong>der</strong>s also<br />
als diese Dokumente des kirchlichen<br />
Lehramtes behauptete Papst Benedikt<br />
XVI. in seiner Eröffnungsrede: „Tatsächlich<br />
hat die Verkündigung Jesu und seines<br />
Evangeliums zu keiner Zeit eine Entfrem-<br />
13
1<br />
Bischöfe bei <strong>der</strong> Eucharistiefeier in <strong>der</strong> Basilika<br />
dung <strong>der</strong> präkolumbischen Kulturen mit<br />
sich gebracht und war auch nicht die Auferlegung<br />
einer fremden Kultur.“ „Christus<br />
war <strong>der</strong> Erlöser, nach dem sie sich im Stillen<br />
sehnten.“ Das Conquista-Unternehmen<br />
als schiedlich-friedliche Verkündigung<br />
zu kennzeichnen, aber alle Verbrechen,<br />
die gegen die Kulturen <strong>der</strong> Ureinwohnerinnen<br />
verübt wurden, schweigend zu<br />
übergehen, ist eine schlimme historische<br />
Entgleisung.<br />
Viele Indígena-Organisationen und<br />
eine Reihe von Politikern, unter ihnen<br />
die Präsidenten Chavez von Venezuela<br />
und Morales von Bolivien, waren über<br />
die Behauptung des Papstes empört und<br />
for<strong>der</strong>ten eine Entschuldigung des Papstes.<br />
Auch viele Teilnehmende <strong>der</strong> Generalversammlung,<br />
Bischöfe, Priester und<br />
Laien, waren bestürzt und wehrten sich<br />
innerlich heftig gegen die einseitige Darstellung<br />
<strong>der</strong> Conquista durch den Papst,<br />
ohne dies nach außen kundzutun. Man<br />
fragte sich, wie die vatikanische Diplomatie<br />
einen solchen Text nach dem Bußakt<br />
von Santo Domingo 1992 und dem<br />
Bußakt vom 1. Fastensonntag 2000 hatte<br />
durchgehen lassen können.<br />
Ein Seufzer <strong>der</strong> Erleichterung ging<br />
durch die Versammlung von Aparecida,<br />
als am Mittwoch, 23. Mai, die Nachrichten<br />
von <strong>der</strong> Generalaudienz des Papstes<br />
in Rom eintrafen: Der Papst hatte seine<br />
Äußerungen über die Conquista korrigiert<br />
und präzisiert. Vor 25 000 Pilgern<br />
auf dem Petersplatz erinnerte <strong>der</strong> Papst<br />
an die Stationen seiner Brasilienreise und<br />
sagte dann über die Beziehung zwischen<br />
Glauben und Kultur: „Die Erinnerung<br />
an eine glorreiche Vergangenheit darf die<br />
Schatten, die das Werk <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
des lateinamerikanischen Kontinents begleiteten,<br />
nicht ignorieren: Es ist in <strong>der</strong> Tat<br />
nicht möglich, das Leid und die Ungerech-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
tigkeiten zu vergessen, die von den Kolonisatoren<br />
den oft in ihren grundlegenden<br />
Menschenrechten mit Füßen getretenen<br />
indigenen Völkern zugefügt worden sind.<br />
Aber die gebührende Erwähnung <strong>der</strong>artiger<br />
nicht zu rechtfertigen<strong>der</strong> Verbrechen<br />
– Verbrechen, die allerdings schon damals<br />
von Missionaren wie Bartolomeo de las Casas<br />
und von Theologen wie Francisco da Vitoria<br />
von <strong>der</strong> Universität Salamanca verurteilt<br />
wurden - darf nicht daran hin<strong>der</strong>n, voll<br />
Dankbarkeit das wun<strong>der</strong>bare Werk wahrzunehmen,<br />
das im Laufe dieser Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
von <strong>der</strong> göttlichen Gnade unter diesen<br />
Völkern vollbrachte wurde.“<br />
Von nun an durfte die Eröffnungsrede<br />
nur noch in Verbindung mit diesem Kommentar<br />
gelesen und zitiert werden. Daran<br />
hält sich auch das Schlussdokument.<br />
Die „Perlen“ im Schlussdokument<br />
Das Schlussdokument ist zwischen<br />
<strong>der</strong> Beschlussfassung und <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
durch den Vatikan und den CELAM<br />
an mehr als 200 Stellen verän<strong>der</strong>t worden.<br />
Solche Manipulationen hat es auch<br />
bei früheren Konferenzen gegeben. Die<br />
Empörung darüber macht sich in Lateinamerika<br />
bemerkbar. Die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
werden an an<strong>der</strong>er Stelle in diesem Heft<br />
dokumentiert. Aber auch das unmanipulierte<br />
Schlussdokument ist zu behandeln<br />
wie <strong>der</strong> berühmte Schatz im Acker<br />
aus dem Gleichnis Jesu. Es enthält kostbare<br />
Perlen, aber man muss dafür das<br />
gesamte Dokument in Kauf nehmen.<br />
Sicherlich wird man zugestehen, dass<br />
jedes Dokument, das aus solchen Versammlungen<br />
hervorgeht, spezifischen<br />
Begrenzungen unterliegt. Aus den unterschiedlichen<br />
Vorerfahrungen <strong>der</strong> Teilnehmenden,<br />
aus dem Zwang, zum Konsens<br />
zu finden, aus dem Zeitdruck, sozusagen<br />
aus dem Nichts ein Dokument erarbeiten<br />
zu müssen, das die unterschiedlichen<br />
Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
Lebenswirklichkeiten zu berücksichtigen<br />
hat – aus all diesen Begrenzungen kann<br />
nur ein provisorischer Text hervorgehen,<br />
<strong>der</strong> von sehr unterschiedlichen Handschriften<br />
geprägt ist. Aber eben deshalb<br />
beh<strong>alte</strong>n wichtige Aussagen, die die Konferenz<br />
per Abstimmung akzeptierte, auch<br />
ihre eigene Bedeutung. Eine detaillierte<br />
Analyse des Schlussdokumentes muss an<strong>der</strong>enorts<br />
erfolgen. Hier sollen einige Bemerkungen<br />
nur die Neugier auf das Dokument<br />
wecken.<br />
Im Text formuliert die Versammlung<br />
die Absicht, „die Gläubigen dieses Kontinents<br />
daran zu erinnern, dass sie kraft ihrer<br />
Taufe dazu berufen sind, Jünger und<br />
Missionare Jesu Christi zu sein.“ Unter<br />
Mission versteht sie, „die Aktualität des<br />
Evangeliums, das in unserer Geschichte<br />
verwurzelt ist, durch persönliche und<br />
gemeinschaftliche Begegnung mit Jesus<br />
Christus zu bestätigen, zu erneuern und<br />
wie<strong>der</strong> zu beleben, damit er Jünger und<br />
Missionare berufen kann.“ Es ist ein ehrgeiziges<br />
Projekt, die gesamte Kirche missionarisch<br />
ausrichten zu wollen. Es geht<br />
um nichts weniger als um eine radikale<br />
Umkehr des kirchlichen Systems. Deshalb<br />
redete man bei den Debatten auch immer<br />
wie<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Notwendigkeit einer<br />
pastoralen Umkehr. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />
war die kirchliche Pastoral darauf konzentriert,<br />
das Erbe <strong>der</strong> Vergangenheit zu<br />
wahren. Alle Institutionen wurden diesem<br />
Zweck unterworfen. Und nun verlangt<br />
das Missionsprojekt <strong>der</strong> Bischöfe Mentalitätswandel<br />
und Verh<strong>alte</strong>nsän<strong>der</strong>ung.<br />
Die Missionstätigkeit soll Priorität haben<br />
und die Verwaltung <strong>der</strong> kleinen Min<strong>der</strong>heit,<br />
die noch die Pfarreien aufsucht, an<br />
die zweite Stelle rücken. Die praktische<br />
Umsetzung dieses Projektes wird vermutlich<br />
das gesamte XXI. Jahrhun<strong>der</strong>t in Anspruch<br />
nehmen.<br />
Kardinal Claudio Hummes, ehemals<br />
Erzbischof von São Paulo und nun Präfekt<br />
1
1<br />
<strong>der</strong> römischen Kleruskongregation, hatte<br />
im Laufe <strong>der</strong> Versammlung das Missionsprojekt<br />
vorgestellt und betont, dass<br />
die Bischöfe eine neue pastorale Etappe<br />
mit einem stärkeren missionarischen Engagement<br />
einleiten wollen. Die ersten<br />
Adressaten <strong>der</strong> Mission seien die Armen.<br />
Zu ihnen müsse die Kirche zuallererst gehen,<br />
aufmerksam auf sie hören, mit ihnen<br />
sprechen und mit ihnen solidarisch sein.<br />
Evangelisierung und menschliche För<strong>der</strong>ung<br />
dürften nie voneinan<strong>der</strong> getrennt<br />
werden.<br />
Die missionarische Perspektive bestimmt<br />
das gesamte Schlussdokument.<br />
Der methodische Dreischritt<br />
„Sehen-Urteilen-Handeln“, den die vorherige<br />
Konferenz in Santo Domingo und<br />
die Amerika-Synode in Rom verlassen<br />
hatten, greift Aparecida nicht mehr nur<br />
auf, son<strong>der</strong>n erklärt im Text, dass fast alle<br />
Bischofskonferenzen darauf bestanden<br />
hätten, zu dieser Methode zurückzukehren,<br />
weil sie dazu beigetragen habe, die<br />
Berufung und Sendung <strong>der</strong> Kirche intensiver<br />
zu leben, die theologisch-pastorale<br />
Arbeit zu verbessern und in <strong>der</strong> jeweiligen<br />
konkreten Situation Verantwortung zu<br />
übernehmen. Deshalb ist es verwun<strong>der</strong>lich,<br />
dass die Struktur des Gesamttextes<br />
nicht eindeutig nach diesem Dreischritt<br />
angelegt ist. Selbst wenn es in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit an<strong>der</strong>en Kräften<br />
in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Abfassung des Dokumentes<br />
schwierig schien, den Dreischritt<br />
durchzusetzen, ist <strong>der</strong> Wille <strong>der</strong> Bischöfe<br />
dazu nicht zu unterschätzen. Die Bedeutung<br />
dieser Entscheidung kann man<br />
nur ermessen, wenn man sie nicht allein<br />
auf eine Arbeitsmethode bezieht. Mit<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme des methodischen<br />
Dreischritts reklamiert die Versammlung<br />
vielmehr symbolisch, den eigenen Weg<br />
wie<strong>der</strong> aufnehmen und ihre eigene Identität<br />
zu entwickeln zu können. In diesem<br />
... den eigenen Weg wie<strong>der</strong> aufnehmen<br />
und ... eigene Identität<br />
entwickeln...<br />
Sinne lassen sich auch an<strong>der</strong>e thematische<br />
Abschnitte interpretieren, die in ihrer<br />
symbolischen Bedeutung den jeweils<br />
angesprochenen thematischen Einzelaspekt<br />
übersteigen.<br />
Die Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Basisgemeinden<br />
steht dafür sprichwörtlich.<br />
Im nicht verfälschten, ursprünglich beschlossenen<br />
Text von Aparecida heißt es<br />
über die Basigemeinden:<br />
„Die Erfahrung <strong>der</strong> Kirche von Lateinamerika<br />
und <strong>der</strong> Karibik zeigt uns, dass<br />
die Kirchlichen Basisgemeinden wahre Bildungsstätten<br />
sind, in denen die Jünger und<br />
Missionare des Herrn geformt werden, wie<br />
aus dem großzügigen Engagement vieler<br />
ihrer Mitglie<strong>der</strong> zu ersehen ist, das in manchen<br />
Fällen bis zum Martyrium geht. Sie<br />
leben nach dem Beispiel <strong>der</strong> Urgemeinde,<br />
wie es in <strong>der</strong> Apostelgeschichte beschrieben<br />
ist (Apg 2,42-47). (...) Im Herzen <strong>der</strong><br />
Welt verwurzelt, sind sie privilegierte Orte<br />
des gemeinschaftlichen Lebens aus dem<br />
Glauben, Quellen <strong>der</strong> Geschwisterlichkeit<br />
und Solidarität, Alternativen für die heutige<br />
Gesellschaft, die auf Egoismus und einem<br />
umbarmherzigen Wettkampf gründet. Entschieden<br />
wollen wir die kirchlichen Basisgemeinden<br />
bejahen (...). Für die Kirche Lateinamerikas<br />
und <strong>der</strong> Karibik sind sie seit dem II<br />
Vatikanischen Konzil eine <strong>der</strong> großen Gnadengaben<br />
des Heiligen Geistes“. (Nr. 193)<br />
Die Option für die Armen und<br />
Ausgeschlossenen – wie es im Dokument<br />
heißt – wird mit neuen Worten stark<br />
unterstrichen: „Was immer mit Christus<br />
zu tun hat, hat mit den Armen zu tun und<br />
alles, was mit den Armen zu tun hat, weist<br />
auf Jesus Christus hin: „Was ihr für meine<br />
geringsten Schwestern und Brü<strong>der</strong> ge-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Wallfahrende in Aparecida<br />
tan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,<br />
40)“ (Nr. 393).<br />
Die Ökologie <strong>o<strong>der</strong></strong> die Sorge um<br />
die bedrohte Schöpfung, die auf bisherigen<br />
Bischofsversammlungen kaum<br />
thematisiert worden war, spielt diesmal<br />
eine ganz beson<strong>der</strong>e Rolle. Die Ursachen<br />
<strong>der</strong> Umweltzerstörung, des Klimawandels,<br />
des Treibhauseffektes werden analysiert<br />
und die For<strong>der</strong>ung erhoben, sensibler<br />
die Mitwelt als Auftrag Gottes zu<br />
bearbeiten und zu bewahren. Es gehe<br />
darum „ein <strong>alte</strong>rnatives, ganzheitlich-solidarisches<br />
Entwicklungsmodell anzustreben.<br />
Es muss gegründet sein auf einer<br />
Ethik, die Verantwortung für einen authentisch<br />
ökologischen Umgang mit dem<br />
Menschen und <strong>der</strong> Natur einschließt, die<br />
im Evangelium <strong>der</strong> Gerechtigkeit, <strong>der</strong> Solidarität<br />
und <strong>der</strong> universalen Bestimmung<br />
aller Güter ihren Grund hat und alle uti-<br />
Arntz – Die Bischofsversammlung von Aparecida – <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong> <strong>Gleise</strong>?<br />
litaristische bzw. individualistische Logik<br />
hinter sich lässt.“ (Nr. 474 c)<br />
Zusammenfassend könnte man sagen,<br />
dass sich vor allem zwei Tendenzen<br />
im Schlussdokument ausmachen lassen:<br />
eine Tendenz, in <strong>der</strong> die Bischöfe stärker<br />
die kontinentale Realität im Blick haben<br />
und dennoch die Einheit <strong>der</strong> Kirche<br />
als Gemeinschaft von Gemeinschaften<br />
suchen, und die an<strong>der</strong>e, in <strong>der</strong> die „römische<br />
Fraktion“ stärker besorgt ist um<br />
die Einheit <strong>der</strong> Lehre und die Kontrolle<br />
<strong>der</strong> Gesamtkirche.<br />
Zögerliche Einsicht in den<br />
Epochenwechsel<br />
Angesichts <strong>der</strong> neuen Megastädte,<br />
<strong>der</strong> Globalisierung und des Internet, angesichts<br />
<strong>der</strong> selbstbewusster auftretenden<br />
neuen gesellschaftlichen Subjekte, <strong>der</strong><br />
Frauen, <strong>der</strong> Indígena- und <strong>der</strong> afrika-<br />
1
1<br />
nisch-stämmigen Bevölkerung, angesichts<br />
<strong>der</strong> neuen politischen Prozesse, die<br />
sich in Argentinien, Brasilien, Uruguay,<br />
Chile, Bolivien, Ecuador, Venezuela und<br />
Nicaragua getan haben, - angesichts von<br />
gesellschaftlichen und ökologischen Problemen<br />
dieses Ausmaßes müsste die Kirche<br />
es wagen, sich in konkreten Fragen<br />
<strong>der</strong> gesellschaftlichen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
zu stellen und dabei auch das Risiko<br />
eingehen, sich zu irren, statt sich durch<br />
Schweigen <strong>o<strong>der</strong></strong> spiritualisierende Allgemeinheiten<br />
aus <strong>der</strong> Affäre zu ziehen.<br />
Nur daran, wie die Kirche die konkreten<br />
Fel<strong>der</strong> bearbeitet, kann man erkennen,<br />
ob ihre Reden und Dokumente zugunsten<br />
<strong>der</strong> Armen von Treue zum Evangelium<br />
und von Kohärenz bestimmt sind.<br />
Nur an konkreten Maßstäben lässt sich<br />
prüfen, ob es <strong>der</strong> Kirche wirklich darum<br />
geht, dass alle das Leben haben, <strong>o<strong>der</strong></strong> ob<br />
sie nur darum ringt, Prestige und Macht<br />
<strong>der</strong> Hierarchie gegenüber Staat und Gesellschaft<br />
zu behaupten.<br />
Allen Teilnehmenden war klar,<br />
dass <strong>der</strong> Epochenwechsel einen<br />
tiefgreifenden Wandel <strong>der</strong> Kirche<br />
erfor<strong>der</strong>lich macht<br />
Allen Teilnehmenden war klar, dass<br />
<strong>der</strong> Epochenwechsel einen tiefgreifenden<br />
Wandel <strong>der</strong> Kirche erfor<strong>der</strong>lich macht,<br />
aber noch zögerten sie, die nötigen<br />
Schritte zu tun. Es steht mehr Ahnung<br />
im Raum, als klare Strategie. Noch bestimmt<br />
Ängstlichkeit das Dokument, die<br />
kirchlichen Strukturen so umzugest<strong>alte</strong>n,<br />
dass sie den neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
entsprechen und allen Christen mehr<br />
Mitentscheidungsmöglichkeiten einräumen.<br />
Die erwähnten neuen Prozesse, die<br />
den Nachweis erbringen, dass eine an<strong>der</strong>e<br />
Welt möglich ist, werden auch darauf<br />
dringen, dass eine an<strong>der</strong>e Kirche möglich<br />
ist. Aber offenbar wagt man es eben<br />
noch nicht, sich dem vielberedeten Epochenwechsel<br />
mit einem eindeutigen pastoralen<br />
Paradigmenwechsel zu stellen.<br />
Immerhin lassen sich die Anzeichen für<br />
Realismus und Willen zur Umkehr in <strong>der</strong><br />
Kirche erkennen, wenn die Versammlung<br />
formuliert:<br />
„Seit <strong>der</strong> ersten Evangelisierung bis in<br />
die jüngste Zeit hinein hat die Kirche Erfahrungen<br />
von Licht und Schatten durchlebt.<br />
Sie schrieb Seiten unserer Geschichte mit<br />
großer Weisheit und Heiligkeit. Sie hat auch<br />
schwierige Zeiten erlitten, sowohl durch<br />
Bedrängnisse und Verfolgungen als auch<br />
durch menschliche Schwächen, Komplizenschaft<br />
mit <strong>der</strong> Welt und fehlende Übereinstimmung<br />
von Wort und Tat, mit an<strong>der</strong>en<br />
Worten durch die Sünde ihrer Kin<strong>der</strong>, die<br />
entstellten, was am Evangelium neu war:<br />
die Leuchtkraft <strong>der</strong> Wahrheit und die Praxis<br />
von Gerechtigkeit und Liebe.“ (Nr. 5)<br />
Die echte Erneuerung verlangt, wie<br />
Kardinal Oscar Rodriguez bei einer Pressekonferenz<br />
erklärte, dass die Kirche<br />
nicht nur dieses <strong>o<strong>der</strong></strong> jenes innerhalb<br />
des Hauses verän<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n dass das<br />
gesamte Haus umgebaut wird. Überraschen<strong>der</strong>weise<br />
steht Aparecida – trotz<br />
<strong>der</strong> Manipulationsversuche – für diese<br />
Einsicht. Und Einsicht ist bekanntlich <strong>der</strong><br />
erste Schritt zur Besserung.<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
Die Eröffnungsansprache zur Fünften<br />
Generalversammlung des Episkopats<br />
aus Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik war<br />
für Papst Benedikt XVI. eine gute Gelegenheit,<br />
eine bedeutsame Aussage über<br />
die vorrangige Option für die Armen zu<br />
machen, indem er sie mit <strong>der</strong> Jünger-<br />
Existenz und folglich auch <strong>der</strong> missionarischen<br />
Existenz jedes Christen in Verbindung<br />
brachte.<br />
Auf den folgenden Seiten behandle<br />
ich allein diesen Punkt <strong>der</strong> Rede. Zuerst<br />
werden wir darauf achten, wie <strong>der</strong> Papst<br />
die Beziehung zwischen dem Glauben an<br />
Christus und <strong>der</strong> Option für die Armen<br />
bedenkt; dann werden wir uns fragen,<br />
von welchen Armen <strong>der</strong> Papst spricht,<br />
und schließlich folgen – im Sinne einer<br />
Schlussfolgerung – einige Anmerkungen<br />
zum Verhältnis zwischen Evangelisierung<br />
und För<strong>der</strong>ung des Menschen.<br />
Der christologische Glaube<br />
– Grundlage <strong>der</strong> Option für<br />
die Armen<br />
Aufschlussreich ist, dass <strong>der</strong> Papst das<br />
Thema bei seinem ersten Besuch anlässlich<br />
einer bedeutsamen kirchlichen Versammlung<br />
auf jenem Kontinent aufgreift,<br />
auf dem dieser Ausdruck Ende <strong>der</strong> 60er<br />
Jahre des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts entwickelt<br />
wurde. Seit damals hatten christliche<br />
Gemeinden, Pastoralpläne, Bischofsdokumente<br />
– auch weit über die Grenzen<br />
Lateinamerikas hinaus –, Texte an<strong>der</strong>er<br />
Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
Gustavo Gutiérrez Merino,<br />
geb. 1928 in Lima/Peru, war<br />
Mitbegrün<strong>der</strong> und Namensgeber<br />
<strong>der</strong> Befreiungstheologie, heute<br />
Mitglied des Dominikanerordens in<br />
Lima/Peru<br />
christlicher Konfessionen und das Lehramt<br />
von Papst Johannes Paul II. diese Formel<br />
und die mit ihr verbundene biblisch<br />
verwurzelte Perspektive übernommen.<br />
In einem solchen Prozess blieben jedoch<br />
Missverständnisse und Verdrehungen<br />
nicht aus, ebenso wenig wie Verän<strong>der</strong>ungen<br />
durch Hinzufügungen und Streichungen,<br />
in <strong>der</strong> Absicht ihren Inhalt zu<br />
präzisieren, aber auch unterschwelliger<br />
Wi<strong>der</strong>stand bzw. Versuche, ihre Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
abzuschwächen.<br />
Die Rede des Papstes war dazu bestimmt,<br />
einen wegweisenden Einfluss auf<br />
die Versammlung auszuüben, an die sie<br />
sich richtete. Bei dieser Gelegenheit also<br />
spricht Benedikt XVI. von <strong>der</strong> Option<br />
und macht auf ihre theologische Tragweite<br />
aufmerksam: „Die bevorzugte Option<br />
für die Armen (ist) im christologischen<br />
Glauben an jenen Gott implizit enth<strong>alte</strong>n,<br />
<strong>der</strong> für uns arm geworden ist, um<br />
uns durch seine Armut reich zu machen<br />
(vgl. 2 Kor 8,9)“ (Eröffnungsansprache<br />
Nr. 3) 1 . Hier liegen die Wurzeln für ihren<br />
evangelisierenden und gesellschaftlich<br />
verpflichtenden Charakter. In <strong>der</strong> Tat ist<br />
ihr theologischer Ursprung glasklar; letztlich<br />
ist sie die Option Gottes, die in Jesus<br />
offenbar wird. Deswegen habe ich sie als<br />
theozentrische Option bezeichnet. Diesen<br />
theologischen Ursprung zu behaupten,<br />
nimmt <strong>der</strong> Option nichts – das sei<br />
eindringlich hervorgehoben – von ihrem<br />
konkreten und verlässlich genauen Cha-<br />
1
20<br />
rakter einer Solidarität mit Menschen, die<br />
unter Unrecht und gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit<br />
leiden; im Gegenteil:<br />
diese Solidarität erfährt dadurch ihre aus<br />
dem Evangelium stammende Radikalität<br />
und erhält damit ihr solides Fundament.<br />
„Im Geringsten begegnen wir<br />
Jesus selbst, und in Jesus begegnen<br />
wir Gott.“<br />
Wir glauben an einen Gott, <strong>der</strong> sich<br />
in <strong>der</strong> Geschichte zeigt und alles Menschliche<br />
zu schätzen weiß. In diesem Sinne<br />
konnte Karl Barth sagen: Insofern Gott<br />
Mensch geworden ist, ist <strong>der</strong> Mensch das<br />
Maß aller Dinge. Im Rückgriff auf einen<br />
<strong>der</strong> interessantesten Texte seiner Enzyklika<br />
Deus Caritas est erinnert Papst Benedikt<br />
XVI.: „Gottes- und Nächstenliebe verschmelzen:<br />
Im Geringsten begegnen wir<br />
Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir<br />
Gott. (Nr. 15) (Ebenda Nr. 3). Wenig später<br />
heißt es in <strong>der</strong> Enzyklika „Gottes- und<br />
Nächstenliebe sind untrennbar: Es ist nur<br />
ein Gebot.“ (Nr. 18). Offenkundig sind<br />
diese Bekenntnisse durch den beson<strong>der</strong>s<br />
wichtigen Evangelientext Mt 25, 31-46<br />
inspiriert (<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Enzyklika Deus Caritas<br />
est Nr. 15 ausdrücklich zitiert wird) 2 .<br />
Dieser Abschnitt des Evangeliums ist für<br />
die theologische Reflexion in Lateinamerika<br />
und in <strong>der</strong> Karibik von zentraler Bedeutung.<br />
In Puebla hat er den Text beseelt,<br />
<strong>der</strong> davon spricht, dass wir auf den Antlitzen<br />
<strong>der</strong> Armen das Antlitz Jesu Christi erkennen<br />
sollten. Santo Domingo ergänzte<br />
die in dieser Liste erwähnten Antlitze. Es<br />
ist von großer Bedeutung, dass die fünfte<br />
Generalversammlung den Text wie<strong>der</strong><br />
aufnimmt und dabei die neuen Formen<br />
von Armut berücksichtigt. Auf diese Weise<br />
wird die Kontinuität <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />
Bischofsversammlungen wirksam<br />
zum Ausdruck gebracht.<br />
Durch Jesus Christus ist die Option<br />
für die Armen ein Weg zu dem Gott, <strong>der</strong><br />
die Liebe ist, ein fundamentaler Bestandteil<br />
für die Nachfolge Jesu, ein Zeichen<br />
dafür, dass Gottes Reich lebendig wirksam<br />
ist und seine For<strong>der</strong>ungen praktiziert<br />
werden. Diese Option hat Priorität und<br />
wird deshalb als vorrangig bezeichnet.<br />
Denn Gottes Liebe ist universal, niemand<br />
wird von ihr ausgeschlossen. Aber diese<br />
Universalität ist nicht abstrakt bzw. nichts<br />
sagend: in ihr werden vielmehr die Letzten<br />
die Ersten sein – also all jene, die im<br />
Wi<strong>der</strong>spruch zum Willen Gottes an den<br />
Rand gedrängt werden und Unrecht erleiden.<br />
Nur so lieben wir, wie Jesus geliebt<br />
hat (vgl. Joh 13, 34), und machen sein<br />
Zeugnis zum Leitfaden für unser Leben<br />
und unser Engagement.<br />
Gottes Liebe ist universal ...<br />
Aber diese Universalität ist nicht<br />
abstrakt.<br />
Mit Nachdruck verweist <strong>der</strong> Papst<br />
auf die spezifisch christliche Perspektive<br />
von Inkarnation, die <strong>der</strong> entscheidende<br />
Beleg für das Gesagte ist. So sagt er wenige<br />
Zeilen, bevor er die Option für die Armen<br />
erwähnt: „Gott ist die grundlegende<br />
Wirklichkeit, nicht ein nur gedachter <strong>o<strong>der</strong></strong><br />
hypothetischer Gott, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gott<br />
mit dem menschlichen Antlitz; er ist <strong>der</strong><br />
Gott-mit-uns, <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Liebe bis zum<br />
Kreuz.“ Der menschgewordene Gott, <strong>der</strong><br />
sich „bis zum letzten“ einsetzt und die<br />
Treue zum Auftrag <strong>der</strong> Verkündigung des<br />
Reiches Gottes mit dem Preis des Leidens<br />
bezahlt. Ein „Gott, <strong>der</strong> den Armen und<br />
Leidenden nahe ist“ (Nr. 1).<br />
Wenn <strong>der</strong> Papst von den Werten<br />
spricht, die notwendig sind, um eine gerechte<br />
Gesellschaft zu schaffen, kommt<br />
er auf diesen Punkt zurück und unterstreicht:<br />
„Wo Gott fehlt – Gott mit dem<br />
menschlichen Antlitz Jesu Christi –, zeigen<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Der Papst in Aparecida<br />
sich diese Werte nicht mit ihrer ganzen<br />
Kraft und es kommt auch nicht zu einem<br />
Einvernehmen über sie“ (Nr. 4). Es geht<br />
um den Immanuel – ein weiteres bedeutsames<br />
Thema im Matthäusevangelium –,<br />
den Gott mit uns, den wir erkennen, wenn<br />
wir tagtäglich in seinen Spuren gehen 3 .<br />
Mit Hilfe einer Formulierung, die in den<br />
vergangenen Jahren noch einige als Immanentismus<br />
diskriminierten, bekräftigt<br />
<strong>der</strong> Papst in diesem Zusammenhang:<br />
„Das Wort Gottes ist, als es in Jesus Christus<br />
Fleisch wurde, auch Geschichte und<br />
Kultur geworden“ (Nr. 1), einer von uns,<br />
<strong>der</strong> wie wir einer bestimmten menschlichen<br />
Geschichte und einer bestimmten<br />
Kultur angehört. Seine Liebe und seine<br />
völlige Hingabe, seine Verkündigung vom<br />
Reich Gottes und sein Gehorsam gegenüber<br />
dem Vater offenbaren ihn zu gleicher<br />
Zeit als Sohn und als Wort Gottes.<br />
In <strong>der</strong> Geschichte wird die Liebe des<br />
Vaters offenbar. Der Heilige Geist, <strong>der</strong> Geist<br />
<strong>der</strong> Wahrheit, den <strong>der</strong> Vater im Namen<br />
des menschgewordenen Wortes den Anhängern<br />
Jesu sendet, soll uns „in die ganze<br />
Wahrheit einführen“ (vgl. Joh 14,26<br />
Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
und 16, 13). Sein Wirken in <strong>der</strong> Geschichte<br />
legt den Grund dafür, dass wir die Zeichen<br />
<strong>der</strong> Zeit unterscheiden können. In<br />
diesem Kontext und in dieser Bedeutung<br />
muss das Sehen <strong>der</strong> gesellschaftlich-historischen<br />
Wirklichkeit mit den Augen des<br />
Glaubens verstanden werden, wie es von<br />
Anfang an in <strong>der</strong> sogenannten Methode<br />
„Sehen – Urteilen – Handeln“ eine Rolle<br />
spielte, die von Gaudium et Spes und<br />
vielen an<strong>der</strong>en kirchlichen Dokumenten<br />
übernommen worden war.<br />
Es ist wichtig darauf zu verweisen,<br />
dass die Perspektive des Glaubens nicht<br />
erst beim „Urteilen“ ins Spiel kommt. Die<br />
Sicht des Glaubens begleitet den gesamten<br />
Prozess. Das soll jedoch nicht heißen,<br />
dass man die legitime Autonomie und Eigenständigkeit<br />
<strong>der</strong> weltlichen Realitäten<br />
nicht respektiert 4 . Daran hält sich die Kirche<br />
und das reklamiert sie in Praxis und<br />
Texten. Deshalb sagt Gaudium et Spes:<br />
„Es gilt also, die Welt, in <strong>der</strong> wir leben,<br />
[…] zu erfassen und zu verstehen“ (Nr.<br />
4). Die Perspektiven, die <strong>der</strong> christliche<br />
Glaube eröffnet, und zwar sowohl die<br />
transzendenten als auch die historischen,<br />
21
22<br />
können bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Realität<br />
nicht ausgeklammert werden, wenn es<br />
darum geht, die Anfragen an Erfahrung<br />
und Übermittlung des Evangeliums zu<br />
prüfen. Darin besteht das Alphabet <strong>der</strong><br />
Methode, aber es führt uns zugleich zu<br />
einer gründlichen und respektvollen Analyse<br />
<strong>der</strong> Lage, die es zu studieren gilt.<br />
Um <strong>der</strong> Armen willen und<br />
gegen das Unrecht<br />
Wie bereits vor Jahren genau dargelegt<br />
wurde, haben wir es mit einer freien<br />
und konsequenten Option zu tun, vergleichbar<br />
mit den bedeutsamen Entscheidungen<br />
unseres Lebens, insbeson<strong>der</strong>e<br />
mit jenen, die von <strong>der</strong> Suche nach dem<br />
Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit bestimmt<br />
sind. Wir haben es also nicht mit<br />
etwas Optionalem (beliebig Wählbarem)<br />
zu tun, wie das aus dem Substantiv hergeleitete<br />
Adjektiv nahe legen könnte 5 .<br />
Diese Entscheidung sollten alle Christen<br />
treffen, auch die Armen selbst. Die Option<br />
für die Armen richtet sich gegen die<br />
Armut und das Unrecht, das ihnen zu<br />
schaffen macht. Es sind die zwei Seiten<br />
ein und <strong>der</strong>selben Medaille. Doch dabei<br />
kann es nicht bleiben. Zugleich muss<br />
diese Verpflichtung von <strong>der</strong> gesamten<br />
Kirche übernommen werden. In diesem<br />
Sinne bezeichnet Benedikt XVI die Kirche<br />
als „Anwältin <strong>der</strong> Gerechtigkeit und <strong>der</strong><br />
Armen“ (Nr. 4) und sagt einige Zeilen<br />
später: „Die Gewissen zu bilden, Anwältin<br />
<strong>der</strong> Gerechtigkeit und <strong>der</strong> Wahrheit zu<br />
sein, zu den individuellen und politischen<br />
Tugenden zu erziehen – das ist die grundlegende<br />
Berufung <strong>der</strong> Kirche in diesem<br />
Bereich.“ (Nr. 4). Man bemerke die Anspielung<br />
auf die „politischen“ Tugenden;<br />
an an<strong>der</strong>er Stelle spricht er von den „gesellschaftlichen“<br />
Tugenden (Nr. 3).<br />
Aber darin verbirgt sich noch mehr;<br />
auch das bringt die Rede in Erinnerung.<br />
Von wem ist die Rede, wenn man vom Ar-<br />
men spricht? Hier wird die Rede unmissverständlich.<br />
Die Armen sind jene Menschen,<br />
die in realer, materieller Armut<br />
leben; eine solche Lebenslage bezeichnet<br />
Medellín als „unmenschlich“ und Puebla<br />
als „im Wi<strong>der</strong>spruch zum Evangelium“.<br />
Diese Armut stellt eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
von einschneiden<strong>der</strong> Bedeutung für das<br />
mensch-christliche Gewissen dar. Der<br />
Papst stellt deshalb die Frage: „Wie kann<br />
die Kirche […] auf die große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Armut und des Elends antworten?“<br />
(Nr. 4). Er stützt sich auf ein Zitat<br />
aus <strong>der</strong> Enzyklika Populorum Progressio,<br />
<strong>der</strong>en Erscheinen vor 40 Jahren wir<br />
in diesem Jahr gedenken und die in <strong>der</strong><br />
Bischofsversammlung von Medellín eine<br />
große Rolle gespielt hat, wenn er sagt:<br />
„Die Völker Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik<br />
haben das Recht auf ein erfülltes Leben<br />
unter menschlicheren Verhältnissen,<br />
wie es den Kin<strong>der</strong>n Gottes zukommt: frei<br />
von den Bedrohungen durch Hunger und<br />
jeglicher Form von Gewalt.“ Dann erinnert<br />
er daran, dass die Enzyklika alle auffor<strong>der</strong>t,<br />
„die schwerwiegenden sozialen<br />
Ungleichheiten und die enormen Unterschiede<br />
beim Zugang zu den Gütern zu<br />
beseitigen“ (Nr. 4; vgl. PP Nr. 21).<br />
Diese beson<strong>der</strong>s gravierende Lage<br />
kennen wir gut; sie macht Lateinamerika<br />
und die Karibik zu dem Kontinent mit <strong>der</strong><br />
größten Ungleichheit auf dem Planeten.<br />
Das ist umso gravieren<strong>der</strong> und skandalöser,<br />
als die meisten Menschen, die hier<br />
leben, katholisch sind. Dieser Zustand<br />
stellt die Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Kirche lei<strong>der</strong><br />
immer noch auf die Probe. Es bedarf<br />
konsequenter Beharrlichkeit, um allen<br />
Gläubigen das Evangelium und dessen<br />
unvermeidlichen Konsequenzen nahe zu<br />
bringen; man braucht aber ebenso eine<br />
starke Dosis Demut, um die eigenen Fehler<br />
und Grenzen anzuerkennen und mit<br />
Menschen an<strong>der</strong>er Orientierung in den<br />
Dialog zu treten, mit dem Ziel, „alle aufzufor<strong>der</strong>n“,<br />
gemeinsam die Aufgabe an-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
zugehen, soziale Gerechtigkeit anzustreben<br />
und die Freiheit des Menschen zu respektieren.<br />
6<br />
Dieser Focus lässt keinen Zweifel zu:<br />
Die Armen, die Solidarität von uns verlangen,<br />
sind jene, denen das Notwendigste<br />
fehlt, um ihre Grundbedürfnisse zu sichern,<br />
<strong>der</strong>en Würde als Menschen sowie<br />
als Töchter und Söhne Gottes nicht respektiert<br />
wird. Am Anfang <strong>der</strong> Rede verweist<br />
<strong>der</strong> Papst bereits auf die Gründe für<br />
diese Situation und mahnt: „Die liberale<br />
Wirtschaft mancher lateinamerikanischer<br />
Län<strong>der</strong> (muss) auch die Gerechtigkeit berücksichtigen,<br />
da die sozialen Bereiche,<br />
die sich immer mehr von einer enormen<br />
Armut unterdrückt <strong>o<strong>der</strong></strong> sogar ihrer natürlichen<br />
Güter beraubt sehen, weiter<br />
zunehmen“(Nr. 2) 7 . Sie werden häufig<br />
sogar ihrer menschlichen Würde und ihrer<br />
Rechte beraubt.<br />
Armut, stets identisch mit<br />
gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit,<br />
ist kein Missgeschick, son<strong>der</strong>n<br />
Unrecht.<br />
Armut, stets identisch mit gesellschaftlicher<br />
Bedeutungslosigkeit, ist kein<br />
Missgeschick, son<strong>der</strong>n Unrecht. Das Wort<br />
verweist auf eine komplexe Realität mit<br />
sehr unterschiedlichen Aspekten, die bereits<br />
im biblischen Begriff <strong>der</strong> Armut enth<strong>alte</strong>n<br />
sind und auf die wir gegenwärtig<br />
täglich stoßen. Verschiedene Faktoren –<br />
über den wirtschaftlichen hinaus – spielen<br />
dabei eine Rolle. Armut resultiert aus <strong>der</strong><br />
Art und Weise, wie die Gesellschaft sich<br />
organisiert. Zweifellos spielen die ökonomischen<br />
Strukturen eine entscheidende<br />
Rolle, aber auch mentale und kulturelle<br />
Strukturen, gesellschaftliche Atavismen,<br />
rassistisch-kulturelle Vorurteile (Ignoranz<br />
gegenüber den indigenen und afroamerikanischen<br />
Völkern), geschlechtsspezifische<br />
Vorurteile (die Armut ist mehrheit-<br />
Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
lich weiblich) und religiöse Vorurteile, die<br />
sich im Lauf <strong>der</strong> Geschichte aufgetürmt<br />
haben. Wir reden also von einer Lage, die<br />
durch das Handeln von Menschen entstand,<br />
und daher also auch von Menschen<br />
verän<strong>der</strong>bar ist. Vom Standpunkt<br />
des Glaubens aus betrachtet werden so<br />
viele Menschen marginalisiert, weil Liebe<br />
und Solidarität verweigert werden. Diese<br />
Verweigerung nennen wir Sünde. Bis auf<br />
diesen Kern und dessen Nachwirkungen<br />
muss man zurückgehen, um die umfassende<br />
Befreiung in Christus begreifen zu<br />
können.<br />
Im „Kampf um das Recht“sind<br />
Wahrhaftigkeit und Wirksamkeit<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Die unglaubliche Armut und ihre Ursachen,<br />
die zunehmende Ungleichheit<br />
und Ungerechtigkeit, stehen zur Debatte.<br />
Diese hat die Dinge in ihrem jeweiligen<br />
Zusammenhang zu betrachten: Die<br />
Notlage, <strong>der</strong>etwegen man nicht menschenwürdig<br />
leben kann, muss zweifellos<br />
aufgezeigt und aufgedeckt werden. Aber<br />
das allein reicht nicht aus. Man muss bis<br />
zu den Wurzeln <strong>der</strong> Notlage vorstoßen,<br />
wenn man sie beenden will 8 . Im „Kampf<br />
um das Recht“ – um eine bekannte Formel<br />
von Papst Pius XI. aufzugreifen – sind<br />
Wahrhaftigkeit und Wirksamkeit erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Wird die gesellschaftliche Ungleichheit<br />
nicht beendet, kann das leichte<br />
Wirtschaftswachstum, das sich in einigen<br />
Län<strong>der</strong>n des Kontinents bemerkbar<br />
macht, bei den Ärmsten <strong>der</strong> Armen nicht<br />
ankommen.<br />
Bei diesem Punkt angelangt glaubt<br />
Benedikt XVI., dass angesichts dieser Situation<br />
und aus <strong>der</strong> Perspektive des Glaubens<br />
„die grundlegende Frage“ zu stellen<br />
wäre, „wie die vom Glauben an Christus<br />
erleuchtete Kirche angesichts dieser Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
reagieren solle“. Daher<br />
23
2<br />
Märtyrer in <strong>der</strong> Papstmesse „presentes“<br />
fügt er hinzu: „In diesem Zusammenhang<br />
ist es unvermeidlich, das Problem<br />
<strong>der</strong> Strukturen, vor allem jener, die Ungerechtigkeit<br />
verursachen, anzusprechen.“<br />
Ein ausführlicher Abschnitt <strong>der</strong> Rede ist<br />
eben diesem Punkt gewidmet. Positiv gewendet<br />
muss man sagen: „Die gerechten<br />
Strukturen [sind] eine Voraussetzung,<br />
ohne die eine gerechte Ordnung in <strong>der</strong><br />
Gesellschaft nicht möglich ist.“ [...] „Sowohl<br />
<strong>der</strong> Kapitalismus als auch <strong>der</strong> Marxismus“<br />
haben solche versprochen, aber<br />
– sagt <strong>der</strong> Papst – dieses ideologische Versprechen<br />
hat sich als falsch erwiesen, weil<br />
sie die persönliche Würde und die moralischen<br />
Grundwerte außer Acht ließen<br />
(Nr. 4), ohne die ein humanes und gerechtes<br />
gesellschaftliches Zusammenleben<br />
nicht möglich ist.<br />
Es ist nicht die Aufgabe <strong>der</strong> Kirche,<br />
diese gerechten Strukturen zu schaffen,<br />
aber das hin<strong>der</strong>t sie nicht daran, ein<br />
Wort zu den wirtschaftlich-sozialen Problemen<br />
zu sagen 9 . Aufgabe <strong>der</strong> Kirche<br />
ist es, „die Gewissen zu bilden“. Daran<br />
hatte ich oben bereits erinnert. Der Papst<br />
vertritt hier eine klassische Position, die<br />
jede Theologie, die sich mit diesen Themen<br />
befasst, zu berücksichtigen hat. Das<br />
bedeutet jedoch nicht, sich zurückzuziehen<br />
und <strong>der</strong> Verantwortlichkeit in gesellschaftlich-politischer<br />
Hinsicht aus dem<br />
Weg zu gehen 10 . Im Gegenteil, darauf<br />
zu dringen, dass die Menschen und ihre<br />
Rechte als Personen und Völker Sinn und<br />
Zweck des sozialen Zusammenlebens<br />
in <strong>der</strong> Gesellschaft ausmachen, hat sehr<br />
präzise und konkrete Folgen 11 . Das zeigen<br />
die Schwierigkeiten, denen das Wort<br />
des Evangeliums begegnet, sobald es jenen<br />
verkündet wird, die ihre Interessen in<br />
Frage gestellt sehen. Exemplarisch dafür<br />
stehen die Reaktionen auf die Predigten<br />
von Bischof Romero und auf viele an<strong>der</strong>e<br />
Beispiele im Kontinent.<br />
Bei <strong>der</strong> Aufzählung <strong>der</strong> Ursachen von<br />
Armut verweist <strong>der</strong> Papst auch auf die Rolle,<br />
die die Globalisierung spielt. Er aner-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
kennt, dass dieses Phänomen seine positive<br />
Seite hat und eine Errungenschaft für<br />
die Menschheit bedeuten kann. Aber er<br />
warnt ebenso davor, dass sie „zweifellos<br />
auch das Risiko <strong>der</strong> großen Monopole und<br />
damit die Umdeutung des Gewinns zum<br />
höchsten Wert mit sich“ bringt (Nr. 2). Das<br />
brandmarken gegenwärtig viele. Die internationalen<br />
Zusammenhänge bedingen, ja<br />
bestimmen sogar zahlreiche Vorgänge im<br />
Inneren je<strong>der</strong> einzelnen Nation. Daher ist<br />
<strong>der</strong>en Analyse unverzichtbar.<br />
Evangelisierung und<br />
För<strong>der</strong>ung des Menschen<br />
Die praktische Solidarität mit den<br />
Armen, die unter unmenschlichen Lebensbedingungen<br />
und unter Ausschluss<br />
leiden, lässt erfahren, inwiefern das Evangelium<br />
eine Botschaft ist, die befreiend<br />
wirkt und menschlicher macht und ebendeshalb<br />
Gerechtigkeit einklagt. Benedikt<br />
XVI. erinnert daran, „daß sich die Evangelisierung<br />
immer zusammen mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
des Menschen und <strong>der</strong> echten<br />
christlichen Befreiung entf<strong>alte</strong>t hat“ (Nr.<br />
3). Dann folgt in <strong>der</strong> Rede <strong>der</strong> bereits zitierte<br />
Text aus <strong>der</strong> Enzyklika Deus Caritas<br />
est von <strong>der</strong> „Verschmelzung“ zwischen<br />
Das Eintreten für Gerechtigkeit<br />
und für die För<strong>der</strong>ung des Menschen<br />
als unverzichtbarer Bestandteil“<br />
zur Evangelisierungsaufgabe<br />
<strong>der</strong> Kirche<br />
Gottes- und Nächstenliebe. För<strong>der</strong>ung<br />
des Menschen ist also we<strong>der</strong> eine Vorphase<br />
<strong>der</strong> Evangelisierung noch davon sauber<br />
zu trennen. In den vergangenen Jahrzehnten<br />
ist das Bewusstsein dafür, dass<br />
beide engstens miteinan<strong>der</strong> verbunden<br />
sind, gewachsen. In diesen Zusammenhang<br />
gehört, dass Papst Johannes Paul II.<br />
in Puebla sagte, dass „das Eintreten für<br />
Gerechtigkeit und für die För<strong>der</strong>ung des<br />
Gutierrez – Benedikt XVI. und die Option für die Armen<br />
Menschen als unverzichtbarer Bestandteil“<br />
zur Evangelisierungsaufgabe <strong>der</strong> Kirche<br />
gehöre (Johannes Paul II, Eröffnungsansprache,<br />
III.2) 12 .<br />
Mit seinem Verweis auf die Emmaus-<br />
Erzählung des Evangeliums erinnert Benedikt<br />
XVI. daran, dass die Eucharistie<br />
„Zentrum des christlichen Lebens“ sei<br />
(Nr. 4). Beim Brechen des Brotes gedenken<br />
wir des Lebens, des Zeugnisses, des<br />
Todes und <strong>der</strong> Auferstehung Jesu. Deshalb<br />
ist die Eucharistie kein Akt, <strong>der</strong> sich<br />
im privaten Innenraum abspielt; sie ruft<br />
uns vielmehr dazu auf, allen Menschen<br />
zu bezeugen und zu verkündigen, dass<br />
Jesus „Weg, Wahrheit und Leben“ ist. Sie<br />
„löst das Engagement für die Evangelisierung<br />
aus und gibt <strong>der</strong> Solidarität Auftrieb;<br />
sie weckt im Christen den starken<br />
Wunsch, das Evangelium zu verkünden<br />
und von ihm in <strong>der</strong> Gesellschaft Zeugnis<br />
zu geben, um sie gerechter und menschlicher<br />
zu machen“ (ebenda) 13 . Die Eucharistie<br />
wird zum Zeichen <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
und zum Werkzeug ihrer vollständigen<br />
Verwirklichung. Wenn wir mit Christus<br />
verbunden sind, wenn wir einan<strong>der</strong> als<br />
Söhne und Töchter Gottes anerkennen,<br />
fühlen wir uns unumgänglich dazu gedrängt,<br />
für Geschwisterlichkeit und Gerechtigkeit<br />
einzutreten.<br />
Es zeigt sich also, dass die Aussage<br />
des Papstes über die vorrangige Option<br />
für die Armen keine Nebenrolle spielt,<br />
son<strong>der</strong>n einen zentralen Punkt <strong>der</strong> Rede<br />
darstellt. Sie erhält in dem dargestellten<br />
pastoralen, sozialen, theologischen<br />
und spirituellen Gesamtzusammenhang<br />
einen solchen Platz, dass ihre tiefe Bedeutung,<br />
ihre Reichweite und ihre For<strong>der</strong>ungen<br />
erst sichtbar werden können.<br />
Das macht es möglich, auch an<strong>der</strong>e, aus<br />
Gründen <strong>der</strong> Zeit und <strong>der</strong> Umstände in<br />
<strong>der</strong> Rede nur kurz angeschnittene Themen<br />
neu zu deuten, die nach Vertiefung<br />
2
2<br />
und Präzisierung verlangen. Das muss<br />
noch geschehen.<br />
Das Thema wurde aufgeworfen und<br />
auf die Tagesordnung <strong>der</strong> Versammlung<br />
von Aparecida gesetzt. Es ist, wie ich am<br />
Anfang bereits sagte, eine <strong>der</strong> Hauptverbindungslinien<br />
zu den vorherigen Bischofsversammlungen.<br />
Diese Kontinuität<br />
haben Papst und Bischöfe in diesen<br />
Tagen nachdrücklich betont. Dass es im<br />
Kontext <strong>der</strong> aktuellen Lage von Lateinamerika<br />
und <strong>der</strong> Karibik wie<strong>der</strong> behandelt<br />
Endnoten<br />
1 Das Pauluszitat findet sich auch im Dokument von<br />
Medellín, im Abschnitt Armut <strong>der</strong> Kirche Nr. 18<br />
2 Ich hatte Gelegenheit, eine detaillierte Studie zu diesem<br />
Text aus dem Matthäus-Evangelium vorzulegen<br />
in: Páginas 201 (Okt. 2001) S. 6-21, „Donde está el<br />
pobre, está Jesucristo“ („Wo <strong>der</strong> Arme ist, da ist Jesus<br />
Christus“).<br />
3 „Außerhalb <strong>der</strong> Nachfolge gibt es keine hinreichende<br />
Nähe zum Ziel des Glaubens, so dass man nicht wissen<br />
kann, wovon man spricht, wenn man sich zu Christus<br />
bekennt!“ (Orig.: Jon Sobrino, Jesúcristo Liberador.<br />
Lectura historica-teologica de Jesús de Nazaret<br />
– San Salvador UCA 1991, S. 103; dt. Übersetzung:)<br />
Christologie <strong>der</strong> Befreiung. Mainz 1998, S. 86<br />
4 Vgl. diesbezüglich die auf die Praxis <strong>der</strong> Methode gestützten<br />
Überlegungen von Luis Fernando Crespo Revision<br />
de vida y seguimiento de Jesús (Lima UNEC-CEP,<br />
1991)<br />
5 M. Diaz Mateos sagt: „Es geht um eine nicht optionale<br />
Option; denn sie verifiziert unsere christlichkirchliche<br />
Identität“ („El grito del pobre atraviesa las<br />
nubes“ (Der Schrei <strong>der</strong> Armen durchdringt die Wolken)<br />
in: El rostro de Dios en la historia, S. 159)<br />
6 vgl. Felipe Zegarra, „La quinta Conferencia del episcopado<br />
de America Latine y el Caribe” en Páginas<br />
200 (August 2006), vor allem die Seiten 16-17.<br />
7 Zu diesen natürlichen Gütern gehören heute – über<br />
jene, die uns bei diesem Satz spontan einfallen, hinaus<br />
– auch Wasser und Luft, wenn wir an die Verschmutzung<br />
und die Erwärmung des Planeten denken und<br />
allgemein an die durch hemmungslose Ausbeutung<br />
hervorgerufene Schädigung <strong>der</strong> Umwelt. Die ökologische<br />
Frage interessiert die gesamte Menschheit,<br />
belastet aber vor allem den gebrechlichsten Teil <strong>der</strong><br />
Menschheit, die Armen.<br />
8 Benedikt XVI. bezieht sich nicht zum ersten Mal auf<br />
die Ursachen <strong>der</strong> Armut. In seiner Enzyklika „Deus ca-<br />
wird, ist von großer Bedeutung für die<br />
Versammlung.<br />
Was sich auch immer daraus ergibt,<br />
wenn wir die Option für die Armen in<br />
christologischer Perspektive tiefer erfassen,<br />
tragen wir dazu bei, unsere Existenz<br />
als Jünger und Missionare besser zu begründen.<br />
Wir werden klarer erkennen,<br />
welche dem Evangelium entstammende<br />
Radikalität <strong>der</strong> christlichen Praxis <strong>der</strong> Option<br />
und <strong>der</strong> Solidarität mit den Armen<br />
sowie dem Einsatz gegen das Unrecht<br />
zukommt, und durch sie zum Vater aller<br />
Menschen finden.<br />
ritas est“ sagte er: „Die Produktionsstrukturen und<br />
das Kapital waren nun [mit <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> Industriegesellschaft]<br />
die neue Macht, die, in die Hände weniger<br />
gelegt, zu einer Rechtlosigkeit <strong>der</strong> arbeitenden<br />
Massen führte, gegen die aufzustehen war.“ (Nr. 26)<br />
9 Wenige Monate zuvor hatte Benedikt XVI. seine Sorge<br />
um diese Fragen in einem Brief an die deutsche Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel zum Ausdruck gebracht.<br />
Darin schlägt er vor, dass „die Europäische Union eine<br />
Führungsrolle übernehmen“ solle, um das Ziel zu erreichen,<br />
„bis zum Jahr 2015 die extreme Armut zu<br />
beseitigen.“ Das sei „eine <strong>der</strong> wichtigsten Aufgaben<br />
unserer Zeit“. Und als unmittelbar dringliche Aufgabe<br />
bezeichnet er es, dass „Vorkehrungen für einen<br />
schnellen, vollständigen und vorbehaltlosen Erlaß <strong>der</strong><br />
Auslandsschulden <strong>der</strong> stark verschuldeten armen Län<strong>der</strong><br />
(heavily indebted poor countries – HIPC) und <strong>der</strong><br />
am wenigsten entwickelten Län<strong>der</strong> (least developed<br />
countries – LDC) getroffen werden.“ (Brief vom 16.<br />
Dezember 2006)<br />
10 In <strong>der</strong> Form einer rhetorischen Frage hatte <strong>der</strong> Papst<br />
in einem früheren Abschnitt bereits bemerkt, dass diese<br />
Einstellung keineswegs „eine Flucht in den Kult <strong>der</strong><br />
Innerlichkeit, in den religiösen Individualismus, eine<br />
Preisgabe <strong>der</strong> Dringlichkeit <strong>der</strong> großen wirtschaftlichen,<br />
sozialen und politischen Probleme Lateinamerikas<br />
und <strong>der</strong> Welt und eine Flucht aus <strong>der</strong> Wirklichkeit<br />
in eine spirituelle Welt“ bedeute (Nr. 3).<br />
11 Auf dieser ethischen Ebene siedelt er ebenfalls die Soziallehre<br />
<strong>der</strong> Kirche an.<br />
12 Zuvor hatte die römische Bischofssynode über „Gerechtigkeit<br />
in <strong>der</strong> Welt“ (1971) hervorgehoben, dass<br />
die Sendung <strong>der</strong> Kirche auch darin bestehe, „die Würde<br />
und die fundamentalen Rechte <strong>der</strong> menschlichen<br />
Person zu schützen und zu för<strong>der</strong>n“ (Nr. 37).<br />
13 Die Eucharistie drängt jeden Christgläubigen dazu,<br />
„sich für eine gerechtere und geschwisterlichere Welt<br />
einzusetzen“ (Sacramentum Caritatis Nr. 88)<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Die Große Kontinentale Mission<br />
Die V. Generalversammlung möchte<br />
<strong>der</strong> Kirche Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik<br />
einen großen missionarischen Impuls<br />
geben. Wir wissen, wie sehr heute die<br />
Kirche in <strong>der</strong> ganzen Welt einen solchen<br />
Impuls braucht. Durch die V. Generalversammlung<br />
schenkt Christus uns die<br />
großartige Gelegenheit, über die Durchführung<br />
einer Großen Mission auf unserem<br />
Kontinent zu entscheiden. Diese<br />
Gelegenheit, diese Stunde <strong>der</strong> Gnade,<br />
dürfen wir nicht verpassen. Wir brauchen<br />
ein neues <strong>Pfingsten</strong>!<br />
Wir haben sie getauft, doch aus<br />
den verschiedensten Gründen ist<br />
es uns nicht gelungen, sie genügend<br />
zu evangelisieren.<br />
In Wirklichkeit ist es so, dass die große<br />
Mehrheit <strong>der</strong> Katholiken unseres Kontinents<br />
nicht mehr am Leben unserer kirchlichen<br />
Gemeinschaften teilnimmt <strong>o<strong>der</strong></strong> es<br />
nie getan hat. Wir haben sie getauft, doch<br />
aus den verschiedensten Gründen ist es<br />
uns nicht gelungen, sie genügend zu<br />
evangelisieren. Der Papst sagte in seiner<br />
Ansprache an die brasilianischen Bischöfe<br />
in São Paulo am 11. Mai diesen Jahres in<br />
Bezug auf unsere Katholiken, die sich vom<br />
kirchlichen Leben abgewandt haben: „Es<br />
scheint klar, dass die Hauptursache für<br />
dieses Problem unter an<strong>der</strong>em auf das<br />
Fehlen einer Evangelisierung zurückzuführen<br />
ist, in <strong>der</strong> Christus und seine Kirche<br />
im Zentrum je<strong>der</strong> Erklärung stehen. Die<br />
Menschen, die für den aggressiven Pro-<br />
Hummes – Die Große Kontinentale Mission<br />
Cláudio Hummes<br />
geb. 1934 in Porto Alegre/Brasilien,<br />
bis Okt. 2006 Erzbischof von São<br />
Paulo, zur Zeit Präfekt <strong>der</strong> vatikanischen<br />
Kongregation für den Klerus<br />
selytismus <strong>der</strong> Sekten, <strong>der</strong> zu Recht Anlass<br />
zur Sorge gibt, am verwundbarsten<br />
sind und die nicht in <strong>der</strong> Lage sind, dem<br />
Ansturm des Agnostizismus, des Relativismus<br />
und Laizismus standzuh<strong>alte</strong>n, sind in<br />
<strong>der</strong> Regel Getaufte, die nicht genügend<br />
im Evangelium unterwiesen wurden und<br />
leicht zu beeinflussen sind, weil sie einen<br />
zerbrechlichen Glauben haben, <strong>der</strong><br />
manchmal verworren, schwankend und<br />
naiv ist, auch wenn sie eine angeborene<br />
Religiosität bewahren.“ 1<br />
In wenigen Worten ausgedrückt: Der<br />
Papst sagt uns, dass wir diejenigen, die<br />
wir getauft haben, nicht genügend evangelisiert<br />
haben. Dabei haben alle, die wir<br />
getauft haben, ein Recht darauf, durch<br />
uns evangelisiert zu werden, denn in<br />
dem Augenblick, da wir sie getauft haben,<br />
haben wir uns verpflichtet, sie zu<br />
evangelisieren und zu Jesus Christus zu<br />
führen. Eine Große Kontinentale Mission,<br />
bei <strong>der</strong> wir auf die Suche gehen nach<br />
jenen Katholiken, die zu wenig evangelisiert<br />
wurden, ist daher we<strong>der</strong> eine Form<br />
von Proselytismus noch bedeutet sie Anti-<br />
Ökumene, handelt es sich doch um jene<br />
Menschen, die wir bereits getauft haben.<br />
Natürlich müssen wir auch die Menschen<br />
evangelisieren, die Jesus Christus und sein<br />
Reich kaum <strong>o<strong>der</strong></strong> gar nicht kennen. Jesus<br />
Christus sandte seine Jünger aus, alle Völker<br />
zu evangelisieren und sie zu seinen<br />
Jüngern zu machen.<br />
In <strong>der</strong> gleichen Ansprache sagte Benedikt<br />
XVI.: „Erfor<strong>der</strong>lich ist, kurz gesagt,<br />
eine Mission <strong>der</strong> Evangelisierung, die al-<br />
2
2<br />
Nachtwallfahrt: „Schluss mit erzwungener Migration“<br />
le lebendigen Energien dieser immensen<br />
Herde hinzuziehen soll. Ich denke daher<br />
an die Priester, an die Ordensmänner, an<br />
die Ordensfrauen und an die Laien, die<br />
sich oftmals unter ungeheuren Schwierigkeiten<br />
für die Verbreitung <strong>der</strong> Wahrheit<br />
des Evangeliums aufopfern.“ 2 An<br />
an<strong>der</strong>er Stelle spricht <strong>der</strong> Papst von missionarischen<br />
Besuchen bei den Menschen<br />
zu Haus:<br />
Erfor<strong>der</strong>lich ist ... eine Mission<br />
<strong>der</strong> Evangelisierung, die alle<br />
lebendigen Energien dieser immensen<br />
Herde hinzuziehen soll.<br />
„In diesem angestrengten Bemühen<br />
um die Evangelisierung zeichnet sich die<br />
kirchliche Gemeinschaft durch pastorale<br />
Initiativen aus, vor allem durch die Entsendung<br />
ihrer Missionare, Laien und Ordensleute,<br />
in die Häuser an <strong>der</strong> Peripherie<br />
<strong>der</strong> Städte und im Landesinneren, die<br />
im Geist des Verständnisses und einfühlsamer<br />
Liebe mit allen in Dialog zu treten<br />
versuchen.“ 3<br />
In <strong>der</strong> gleichen Ansprache zeigt <strong>der</strong><br />
Papst auch auf, dass eine evangelisatorische<br />
Mission nicht getrennt werden<br />
kann von <strong>der</strong> Solidarität mit den Armen<br />
und ihrer ganzheitlichen För<strong>der</strong>ung. Er<br />
äußert dazu: „Wenn jedoch die Menschen,<br />
denen ihr begegnet, in Armut leben,<br />
muss man ihnen helfen, so wie es die<br />
ersten christlichen Gemeinden getan haben,<br />
indem man Solidarität übt, damit sie<br />
sich wirklich geliebt fühlen. Die arme Bevölkerung<br />
an den Rän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Großstädte<br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> auf dem Land muss die Nähe <strong>der</strong><br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Kirche spüren, sei es als Hilfe für die dringendsten<br />
Bedürfnisse, sei es in <strong>der</strong> Verteidigung<br />
ihrer Rechte und in <strong>der</strong> gemeinsamen<br />
För<strong>der</strong>ung einer Gesellschaft, die<br />
auf Gerechtigkeit und Frieden gegründet<br />
ist. Die Armen sind die ersten Adressaten<br />
des Evangeliums, und <strong>der</strong> Bischof muss –<br />
nach dem Bild des guten Hirten – beson<strong>der</strong>s<br />
darauf achten, den göttlichen Balsam<br />
des Glaubens anzubieten, ohne das<br />
»materielle Brot« zu vernachlässigen.“ 4<br />
Diese Große Kontinentale Mission<br />
muss ihren Ursprung darin haben, dass<br />
wir uns dem Impuls des Heiligen Geistes<br />
öffnen, damit sie sich zu einem neuen<br />
<strong>Pfingsten</strong> entwickeln kann. Deshalb<br />
ist sie angewiesen auf das entschiedene<br />
Handeln <strong>der</strong> Bischofskonferenzen, <strong>der</strong><br />
Diözesen, <strong>der</strong> Pfarreien und aller Art Vereinigungen<br />
<strong>der</strong> Gläubigen. Die Mission<br />
muss in die Pastoralpläne dieser verschiedenen<br />
kirchlichen Ebenen aufgenommen<br />
werden und darin sogar eine zentrale<br />
Stellung bekommen. Die Diözesen und<br />
Pfarreien müssen ihre Pastoralpläne überprüfen<br />
und in <strong>der</strong> Lage sein, ihre Gläubigen<br />
zusammenzurufen, vorzubereiten<br />
und auszusenden, damit sie in ihrem eigenen<br />
Territorium missionieren und so an<br />
<strong>der</strong> Mission „ad gentes“ teilnehmen können.<br />
Dieses missionarische Handeln muss<br />
zu einem dauerhaften Charakteristikum<br />
<strong>der</strong> Gemeinden werden. Die Große Mission<br />
auf dem gesamten Kontinent könnte<br />
sich bis zur Einberufung <strong>der</strong> VI. Generalversammlung<br />
erstrecken, nicht, um die<br />
missionarische Bewegung dann zu beenden,<br />
son<strong>der</strong>n um eine Bewertung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />
vorzunehmen und danach über<br />
ihre Zukunft zu entscheiden.<br />
Diese Mission muss auf die ganze<br />
Gesellschaft ausgedehnt werden,<br />
auch wenn die Armen ihre privilegierten<br />
Adressaten sind ...<br />
Hummes – Die Große Kontinentale Mission<br />
Diese Mission muss auf die ganze<br />
Gesellschaft ausgedehnt werden, auch<br />
wenn die Armen ihre privilegierten Adressaten<br />
sind, wie <strong>der</strong> Papst sagte. Es geht<br />
um die Armen am Rand <strong>der</strong> Städte und<br />
im Landesinneren, aber auch um alle<br />
Menschen aus den unterschiedlichsten<br />
Schichten <strong>der</strong> Bevölkerung, aus allen Institutionen<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft, aus Politik<br />
und Wirtschaft, aus <strong>der</strong> Kultur und den<br />
gesellschaftlichen Kommunikationsmedien<br />
usw. Es ist aber gut, daran zu erinnern,<br />
dass es außer <strong>der</strong> Evangelisierung, die<br />
sich an die Gesellschaft als Ganzes richtet,<br />
wichtig ist, mit jedem Einzelnen Kontakt<br />
zu bekommen, insbeson<strong>der</strong>e heute,<br />
in <strong>der</strong> postm<strong>o<strong>der</strong></strong>nen und urbanen Gesellschaft,<br />
in <strong>der</strong> die Menschen sich sehr<br />
abseits fühlen und ganz persönliche Begegnungen<br />
brauchen, in denen sie Anerkennung<br />
und Wertschätzung finden,<br />
in denen sie Solidarität und geschwisterliche<br />
Liebe erfahren.<br />
Liebe Brü<strong>der</strong> und Schwestern, alles<br />
deutet darauf hin, dass Jesus Christus die<br />
Kirche Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik zu<br />
dieser Großen Kontinentalen Mission einlädt.<br />
Der Heilige Geist, Hauptakteur und<br />
Seele <strong>der</strong> Mission <strong>der</strong> Kirche, bietet uns<br />
sein Licht, seine Anregung, seine Stärke<br />
und seinen Segen dafür an. Habt keine<br />
Angst, sagt Jesus zu uns: „Stechen wir in<br />
See!“ Bringen wir unsere Boote aufs Meer.<br />
Jesus Christus wird mit uns sein bei diesem<br />
Fischfang, <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>bar sein wird.<br />
Übersetzung aus dem Spanischen:<br />
Maria Schwabe<br />
Endnoten<br />
1 Ansprache Benedikt XVI. an die brasilianischen Bischöfe,<br />
São Paulo, 11. Mai 2007<br />
2 ebd.<br />
3 ebd.<br />
4 ebd.<br />
2
30<br />
Kardinal Cláudio Hummes<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Das Martyrium<br />
ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
Meine Brü<strong>der</strong> und Schwestern,<br />
ich begrüße euch und alle, die uns<br />
durch Radio und Fernsehen begleiten;<br />
ganz beson<strong>der</strong>s begrüße ich alle Pilger<br />
und Pilgerinnen, die zu diesem Gottesdienst<br />
vor dem Pfingstfest gekommen<br />
sind. Bitten wir darum, dass <strong>der</strong> Heilige<br />
Geist mit neuer Kraft auf die Kirche Jesu<br />
Christi herabkomme. Möge er auf euch<br />
herabkommen, liebe Pilgerinnen und Pilger,<br />
die Ihr hierher gekommen seid, um<br />
Unsere Liebe Frau von Aparecida, die Patronin<br />
Brasiliens, zu grüßen. Euch, die ihr<br />
gekommen seid, um zu danken für die<br />
Gnade, die ihr empfangen habt; die ihr<br />
gekommen seid, um euren Glauben und<br />
eure Zugehörigkeit zu Jesus Christus zu<br />
erneuern. Ihr, die ihr auch gekommen<br />
seid, um eure Bitten vorzutragen, die ihr<br />
euer Leid mitgebracht habt, eure Ängste,<br />
eure Probleme, vielleicht auch die<br />
Armut, die euch bedrückt, <strong>o<strong>der</strong></strong> die Arbeitslosigkeit,<br />
von <strong>der</strong> ihr betroffen seid.<br />
Ich grüße euch, die ihr gekommen seid,<br />
um zu loben und zu beten. Ihr seid gekommen,<br />
um – wie es in dem Lied heißt<br />
– eure Verbundenheit mit <strong>der</strong> Mutter<br />
Gottes, Unserer Lieben Frau von Aparecida,<br />
auszudrücken. Sie empfängt jeden<br />
Einzelnen von euch mit großer Liebe und<br />
großer Zuwendung, sie hört eure Bitten<br />
und Ängste, eure Freuden und alles, was<br />
ihr vor Gott bringt durch die Vermittlung<br />
Unserer Lieben Frau.<br />
Hummes – Das Martyrium ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
Predigt von Kardinal Cláudio<br />
Hummes, während <strong>der</strong> V. Generalversammlung<br />
in Aparecida<br />
Wir Bischöfe, Priester, Laien, Ordensmänner<br />
und Ordensfrauen sind aus allen<br />
Län<strong>der</strong>n Lateinamerikas und <strong>der</strong> Karibik<br />
gekommen, um an <strong>der</strong> V. Generalversammlung<br />
des Episkopats Lateinamerikas<br />
und <strong>der</strong> Karibik teilzunehmen. Der Papst<br />
hat uns zusammengerufen. Er, <strong>der</strong> vor<br />
wenigen Tagen hier in Brasilien war, hat<br />
uns alle tief beeindruckt. Er war für uns<br />
gleichsam ein Licht, mit seiner Liebenswürdigkeit,<br />
seiner Freundlichkeit und seinem<br />
Herzen, das das Herz eines Vaters,<br />
eines Bru<strong>der</strong>s, eines Freundes und eines<br />
Hirten ist. Er war bei uns, er hat uns die<br />
Richtung gewiesen, er hat uns mit seinen<br />
Worten erleuchtet und uns Mut gegeben,<br />
er hat bei den verschiedenen Begegnungen<br />
die Kirche Lateinamerikas auf ihrem<br />
Weg durch die Geschichte gestärkt.<br />
Für uns ergibt sich daraus eine große Verantwortung<br />
und eine große Hoffnung.<br />
Wir wissen, dass ihr um die Gegenwart<br />
des Heiligen Geistes betet und dafür, dass<br />
wir uns ihm öffnen mögen.<br />
Der Papst hat die Bitte geäußert,<br />
dass wir über etwas sehr Wichtiges für<br />
das Leben <strong>der</strong> Kirche Lateinamerikas, ja<br />
<strong>der</strong> ganzen Welt, nachdenken mögen:<br />
Wir sollen Jünger und Jüngerinnen Jesu<br />
Christi sein und unser getauftes Volk<br />
zu einer ganz persönlichen, starken und<br />
gemeinschaftlichen Hinwendung zu Jesus<br />
Christus führen. Wie soll das geschehen,<br />
jeden Einzelnen zu Jesus Christus zu<br />
führen, zu einer intensiven persönlichen<br />
31
32<br />
Begegnung, die dann zu einer gemeinschaftlichen<br />
Begegnung wird? Schon Johannes<br />
Paul II. hat uns gesagt, dass das<br />
Leben eines Christen mit einer intensiven<br />
Begegnung mit Jesus Christus beginnt.<br />
Wir, die wir als Kin<strong>der</strong> getauft wurden,<br />
durften die Gnade erfahren, dass jemand<br />
da war, <strong>der</strong> uns die erste Botschaft überbrachte<br />
von Jesus Christus, <strong>der</strong> gestorben<br />
ist und vom Tode auferstanden ist; jemand,<br />
<strong>der</strong> uns die Botschaft von seinem<br />
Reich brachte. Wir hatten die Gnade,<br />
dass wir eine solche persönliche Erfahrung<br />
mit ihm machen durften. Doch die<br />
meisten Menschen haben diese Gnade<br />
nicht erfahren. Sie hatten niemand, <strong>der</strong><br />
sie geführt hätte, und so blieben sie fern,<br />
mit einem Glauben, <strong>der</strong> unklar, schwankend,<br />
ja zerbrechlich ist. In einer solchen<br />
Begegnung mit Jesus Christus aber werden<br />
wir in <strong>der</strong> Tat zu Jüngern und Jüngerinnen<br />
Christi. Aus ihr geht man verwandelt<br />
hervor, wie die ersten Jünger, von<br />
denen im Johannesevangelium berichtet<br />
wird, dass sie Jesus fragten: „Meister, wo<br />
wohnst du?“ Seine Antwort ist: „Kommt<br />
und seht“, und sie blieben einen ganzen<br />
Nachmittag bei ihm und kehrten verwandelt<br />
und begeistert zurück und haben<br />
Christus niemals mehr verlassen. Sie<br />
folgten ihm und gaben sogar ihr Leben<br />
für ihn hin. So verwandelt er jene, die ihm<br />
offenen Herzens begegnen.<br />
In einer solchen Begegnung mit<br />
Jesus Christus aber werden wir in<br />
<strong>der</strong> Tat zu Jüngern und Jüngerinnen<br />
Christi. Aus ihr geht man<br />
verwandelt hervor<br />
Genau das sagte <strong>der</strong> Papst. Mögen<br />
wir es in unseren Gedanken fest verankern:<br />
die Kirche in Lateinamerika muss<br />
sich auf die Suche begeben nach all diesen<br />
Getauften, nach den vielen Menschen,<br />
die nicht am Leben unserer Ge-<br />
meinschaften teilnehmen, sei es in den<br />
Pfarrgemeinden, den Kirchlichen Basisgemeinden,<br />
in an<strong>der</strong>en gemeinschaftlichen<br />
Vereinigungen; auf die Suche nach<br />
jenen, die allein sind und keinen Kontakt<br />
haben; nach denen, die von sich sagen,<br />
dass sie katholisch sind und ihre Kirche<br />
lieben, doch für die die Kirche manchmal<br />
zu weit entfernt ist. Wir erreichen nicht<br />
alle, doch sie möchten, dass wir nahe bei<br />
ihnen sind, dass wir mit ihnen sprechen<br />
und ihnen zuhören. Sie möchten die Wärme<br />
und Liebe ihrer Kirche spüren.<br />
Genau das schlägt uns <strong>der</strong> Papst vor,<br />
wenn er uns aufruft, missionarische Jünger<br />
zu sein. Die Kirche muss sich in den<br />
Pfarreien und den Bewegungen mit den<br />
Laien zusammen in missionarische Gruppen<br />
aufteilen, die von ihren Priestern als<br />
Hirten angeleitet werden. Sie muss sich<br />
eine Struktur geben bei <strong>der</strong> Suche nach<br />
jenen, die in ihrem Territorium, in ihrem<br />
Pfarrgebiet leben. Unsere Pfarreien zählen<br />
zuweilen dreißig-, vierzig- <strong>o<strong>der</strong></strong> fünfzigtausend<br />
Getaufte, von denen nur tausend<br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> zweitausend am Leben <strong>der</strong><br />
Kirche teilnehmen. Damit dürfen wir<br />
nicht zufrieden sein. Daher möchten wir<br />
bei dieser Konferenz die große Mission<br />
anregen, die ihr Augenmerk auch auf die<br />
Not unserer Menschen richtet, auf Armut<br />
und Arbeitslosigkeit, auf Leid und Krankheit<br />
und auf die Ängste des Volkes. Wir<br />
müssen mit ihm solidarisch sein.<br />
Der Papst sagte in seiner Ansprache:<br />
„Die bevorzugte Option für die Armen ist<br />
implizit enth<strong>alte</strong>n in unserem Glauben an<br />
Jesus Christus.“ Wir dürfen nicht nachlassen<br />
in unserem Bemühen, Elend und Hunger,<br />
Armut und Leid unseres Volkes zu bekämpfen.<br />
Die Kirche muss sich in dieser<br />
Hinsicht weiter zielstrebig im Namen Jesu<br />
Christi einsetzen. Die Evangelisierung<br />
kann von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Menschen<br />
nicht getrennt werden, von <strong>der</strong> Verteidigung<br />
<strong>der</strong> Menschenwürde und <strong>der</strong> Men-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
schenrechte. Das erste Recht ist jedoch<br />
das Recht auf Leben, das Recht, als Menschen<br />
würdig leben zu können.<br />
Die Evangelisierung kann von <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung des Menschen nicht<br />
getrennt werden, von <strong>der</strong> Verteidigung<br />
<strong>der</strong> Menschenwürde und<br />
<strong>der</strong> Menschenrechte.<br />
Lassen wir uns von Paulus und seiner<br />
Begegnung mit Jesus Christus auf<br />
<strong>der</strong> Straße nach Damaskus inspirieren.<br />
Der heilige Paulus hat Jesus Christus niemals<br />
verlassen. Er sagte: „Ich war bereits<br />
von Jesus Christus ergriffen.“ So müssen<br />
auch wir die Menschen führen, dass sie<br />
von Jesus Christus ergriffen werden. Paulus<br />
wird in Rom das Martyrium erleiden,<br />
doch selbst im Gefängnis hatte er noch<br />
mutig Jesus Christus all jenen verkündet,<br />
die sich ihm näherten. Er hat sie alle empfangen<br />
und zu ihnen von Jesus Christus<br />
gesprochen. Ein starkes Feuer hörte nicht<br />
Hummes – Das Martyrium ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
auf zu brennen in ihm, bis hin zu seinem<br />
Martyrium. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: Das<br />
Martyrium ist <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Evangelisierung.<br />
Es gibt keine erhabenere Evangelisierung<br />
als die, sein Leben für Jesus<br />
Christus zu geben.<br />
Beten wir zum Heiligen Geist, dass er<br />
auf die Kirche herabkomme, dass er uns<br />
erleuchte und den Mut schenken möge,<br />
uns an dieser großen Mission <strong>der</strong> Kirche<br />
zu beteiligen. Wir dürfen es nicht zulassen,<br />
dass jemand ohne diese Begegnung<br />
mit Jesus Christus bleibt, denn er ist unsere<br />
Rettung.<br />
Beten wir auch zu Unserer Lieben<br />
Frau von Aparecida. Sie war die Erste, die<br />
ihren Sohn den an<strong>der</strong>en zeigte, und so<br />
müssen auch wir ihren Sohn heute allen<br />
Menschen zeigen, wir, die wir seine Jünger<br />
sind. Erneuern wir in uns diese Liebe<br />
und Zugehörigkeit zu Jesus Christus<br />
und überbringen wir unsere Freude, Katholiken<br />
und Katholikinnen zu sein, den<br />
an<strong>der</strong>en Menschen. Amen.<br />
Übersetzung aus dem Portugiesischen:<br />
Maria Schwabe<br />
33
3<br />
Das Volk Gottes mit Jesus dem Befreier unterwegs nach Aparecida<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Das Projekt von Aparecida<br />
Die Konferenz von Aparecida hat ein<br />
ehrgeiziges Projekt. Es geht um nichts<br />
weniger als um eine radikale Umkehr<br />
des kirchlichen Systems. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />
ist die kirchliche Pastoral darauf<br />
konzentriert, das Erbe <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
zu wahren. Alle Institutionen wurden<br />
diesem Zweck unterworfen. Das System<br />
wurde im XII. Jahrhun<strong>der</strong>t installiert und<br />
seitdem nur unwesentlich verän<strong>der</strong>t. Mit<br />
dem Projekt von Aparecida wird nun alles<br />
auf die Mission hin orientiert. Die praktische<br />
Umsetzung dieses Projektes wird<br />
das gesamte XXI. Jahrhun<strong>der</strong>t in Anspruch<br />
nehmen. Denn die Bischöfe haben<br />
zwar das Projekt entworfen, aber das<br />
erste Problem besteht bereits darin, den<br />
Klerus zu überzeugen. Die heutige Generation<br />
ist auf diese völlige Umkehrung<br />
ihrer Aufgaben nicht vorbereitet. Es wird<br />
notwendig sein, die Ausbildung radikal<br />
zu verän<strong>der</strong>n und neue Generationen<br />
von Priestern vorzubereiten, die sich von<br />
den heutigen erheblich unterscheiden.<br />
Die gesamte Kirche missionarisch<br />
zu gest<strong>alte</strong>n, ist eine gigantische<br />
Aufgabe.<br />
Die gesamte Kirche missionarisch zu<br />
gest<strong>alte</strong>n, ist eine gigantische Aufgabe.<br />
Während des ersten Jahrtausends hatten<br />
die Mönche die Mission zu ihrer Aufgabe<br />
gemacht. Viele von ihnen wurden Bischöfe<br />
und berühmte Kirchengrün<strong>der</strong>.<br />
Die Kirche war überwiegend agrarisch<br />
strukturiert. Im XI. und XII. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
José Comblin<br />
geb. 1923 in Brüssel, seit 1958 in<br />
Brasilien leben<strong>der</strong> Theologe<br />
schuf man das Pfarreiensystem. Aber <strong>der</strong><br />
Pfarreiklerus war, da er keine Ausbildung<br />
erfahren hatte, ungebildet.<br />
Schon im XIII. Jahrhun<strong>der</strong>t beklagte<br />
sich Thomas von Aquin darüber, dass<br />
<strong>der</strong> Klerus nicht missionarisch sei und das<br />
Evangelium nicht verbreite, und wies darauf<br />
hin, dass im Gegensatz dazu aber die<br />
Bettelmönche an <strong>der</strong> Evangelisierung arbeiteten.<br />
Dieselbe Klage ist in allen Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />
bis heute zu hören. Vom XIII.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t an übernahmen die Bettelmönche<br />
die Missionstätigkeit und danach<br />
Gesellschaften von Missionspriestern,<br />
wie z.B. die Missionsgemeinschaft<br />
von Vinzenz von Paul, die Redemptoristen<br />
des Alfons von Ligouri und an<strong>der</strong>e.<br />
In Lateinamerika übernahmen zunächst<br />
vor allem die <strong>Franziskaner</strong> die<br />
Missionstätigkeit; sie stellten mehr als die<br />
Hälfte <strong>der</strong> Missionare. Die Dominikaner<br />
waren am stärksten im XVI. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
aktiv. Die Karmeliten und Augustiner,<br />
ebenso wie die Benediktiner kamen mit<br />
weniger Missionaren. Später kamen noch<br />
verschiedene an<strong>der</strong>e Orden hinzu.<br />
Im XX. Jahrhun<strong>der</strong>t übernahmen<br />
die Orden und Kongregationen die Pfarreien,<br />
so dass nur eine kleine Min<strong>der</strong>heit<br />
sich <strong>der</strong> Missionstätigkeit widmete. Außerdem<br />
verwendeten sie Methoden aus<br />
dem XVII. und XVIII. Jahrhun<strong>der</strong>t, die für<br />
das XX. Jahrhun<strong>der</strong>t völlig ungeeignet<br />
waren. Sie kümmerten sich um die ländlichen<br />
Zonen, während 80 % <strong>der</strong> lateina-<br />
3
3<br />
merikanischen Bevölkerung sich auf den<br />
Weg in die Städte begab.<br />
Die Missionstätigkeit soll Priorität<br />
haben und die Verwaltung<br />
<strong>der</strong> kleinen Min<strong>der</strong>heit, die noch<br />
die Pfarreien aufsucht, an die<br />
zweite Stelle rücken.<br />
Und nun gibt es ein Projekt <strong>der</strong> Bischöfe,<br />
das einen Mentalitätswandel und<br />
eine Verh<strong>alte</strong>nsän<strong>der</strong>ung verlangt. Die<br />
Missionstätigkeit soll Priorität haben und<br />
die Verwaltung <strong>der</strong> kleinen Min<strong>der</strong>heit,<br />
die noch die Pfarreien aufsucht, an die<br />
zweite Stelle rücken. Dafür muss die Priesterausbildung<br />
radikal verän<strong>der</strong>t werden.<br />
Die Ordensleute müssen dann zu ihrer<br />
ursprünglichen Berufung zurückkehren<br />
und aufhören, Pfarreien bzw. Hilfswerke<br />
zu verw<strong>alte</strong>n.<br />
Vor einigen Jahren habe ich geschrieben,<br />
dass ich Dom Hel<strong>der</strong> Camara für den<br />
exemplarischen Bischof des XXI. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
h<strong>alte</strong>. Dom Hel<strong>der</strong> war ein Missionar<br />
und hatte einen exzellenten Mitarbeiter<br />
für die Verwaltungsaufgaben. Vor allem<br />
nach seiner Bekehrung im Jahr 1955 und<br />
<strong>der</strong> neuerlichen Bekehrung, nachdem er<br />
das Bischofsamt in Recife übernommen<br />
hatte, wurde Dom Hel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch<br />
des persönlichen Kontaktes, ein Mensch,<br />
<strong>der</strong> Menschen, mit denen er in Kontakt<br />
trat, in seinen Bann ziehen und verän<strong>der</strong>n<br />
konnte, so dass sie die Notwendigkeit<br />
verspürten, ihr Leben zu än<strong>der</strong>n. Er besaß<br />
die Gabe, in den Menschen die Berufung<br />
zum christlichen Missionar zu wecken.<br />
1. Die bedeutendsten Themen<br />
des Schlussdokuments<br />
Erstens müssen wir das Hauptthema<br />
hervorheben, das für die Gesamte<br />
Generalversammlung gewählt worden<br />
war. Vor 30 Jahren sprach man In Latein-<br />
amerika überhaupt nicht von Mission. Im<br />
Bewusstsein des einfachen Volkes waren<br />
Missionare die Ordensleute, die von Europa<br />
und Nordamerika kamen, um den<br />
Klerus <strong>der</strong> Ortskirchen zu verstärken,<br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> es waren die Prediger bei „Volksmissionen“.<br />
Das war ein Erbe <strong>der</strong> Kolonialzeit.<br />
Missiologie gehörte nicht einmal zum<br />
Programm <strong>der</strong> Priesterausbildung. Missiologie<br />
war das Spezialgebiet einiger<br />
weniger, die sich den entferntesten bzw.<br />
am wenigsten bevölkerten Gebieten widmen<br />
wollten, z.B. dem Amazonasgebiet.<br />
Als Missionare g<strong>alte</strong>n alle, die die Indios<br />
evangelisieren wollten, und die Mehrheit<br />
von ihnen waren Auslän<strong>der</strong>.<br />
Das soll nicht heißen, dass es keine<br />
missionarisch gesinnten und tätigen Katholiken,<br />
Priester, Ordensleute und vor<br />
allem Laien gab. Ihnen war vielmehr gar<br />
nicht bewusst, dass sie Missionare waren;<br />
denn diese missionarisch gesinnten Menschen<br />
waren nicht äußerlich erkennbar<br />
und verfügten über keinen definierten<br />
Status. Sie waren vielmehr anonyme Missionare.<br />
Gegenwärtig ist das Bewusstsein<br />
dafür, dass in einer immer<br />
stärker säkularisierten Gesellschaft<br />
Mission notwendig ist, sehr<br />
ausgeprägt.<br />
Seitdem gab es immer mehr Erfahrungen,<br />
die als missionarisch erlebt wurden.<br />
Das Wort Missionar selbst wurde<br />
vom einfachen Volk immer mehr verwendet,<br />
weil es bestimmte Menschen<br />
als Missionarinnen und Missionare identifizierte.<br />
Viele Gruppen charakterisierten<br />
sich selbst als missionarisch. Gegenwärtig<br />
ist das Bewusstsein dafür, dass in einer<br />
immer stärker säkularisierten Gesellschaft<br />
Mission notwendig ist, sehr ausgeprägt.<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Die V. Generalversammlung von Aparecida<br />
hat aufgegriffen, was sich in den letzten<br />
30 Jahren entwickelt hat.<br />
Zweitens müssen wir hervorheben,<br />
dass die Konferenz sich dafür entschied,<br />
zur Methode von Puebla und Medellín<br />
zurückzukehren, also das Schema „Sehen-Urteilen-Handeln“<br />
<strong>der</strong> katholischen<br />
Aktion wie<strong>der</strong> aufzugreifen (Nr. 19). Mit<br />
starkem Nachdruck wird diese Kontinuität<br />
betont (Nr. 391-398). Es fällt nicht<br />
schwer, in dieser nachdrücklichen Erinnerung<br />
so etwas wie ein stillschweigendes<br />
Eingeständnis von Bekenntnis und Reue<br />
zu entdecken. Es ist nicht zu leugnen,<br />
dass <strong>der</strong> Einfluss von Medellín und Puebla<br />
in den letzten Jahren nachgelassen hatte.<br />
Es fehlte auch nicht an Priestern, die ganz<br />
einfach behaupteten, Medellín gehöre<br />
<strong>der</strong> Vergangenheit an und spiele für die<br />
heutige Kirche keine Rolle mehr. Deshalb<br />
ist es umso opportuner, hervorzuheben,<br />
dass die Konferenz von Aparecida nachdrücklich<br />
daran erinnert.<br />
Die Kontinuität mit Medellín<br />
und Puebla wird vor allem an den<br />
beiden Grundthemen „Option für<br />
die Armen“ und „Kirchliche<br />
Basisgemeinden“ erkennbar.<br />
Die Kontinuität mit Medellín und<br />
Puebla wird vor allem an den beiden<br />
Grundthemen „Option für die Armen“<br />
und „Kirchliche Basisgemeinden“ erkennbar.<br />
Eben diese Themen wurden ja entwe<strong>der</strong><br />
heftig attackiert <strong>o<strong>der</strong></strong> als Ladenhüter<br />
beiseite geschoben. Bei <strong>der</strong> römischen<br />
Synode von 1997 „Ecclesia in America“<br />
waren sie ganz verschwunden. Wenn<br />
auch in bestimmten Län<strong>der</strong>n (vor allem<br />
in Brasilien) offizielle Texte noch von <strong>der</strong><br />
Option für die Armen und den Basisgemeinden<br />
sprachen, war die generelle Lage<br />
doch völlig an<strong>der</strong>s. Es genügt an das<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
Dokument zu erinnern, das P. Maríns, <strong>der</strong><br />
unermüdliche Apostel <strong>der</strong> Basisgemeinden<br />
in ganz Lateinamerika, einmal veröffentlichte.<br />
Es war ein Dokument bitterer<br />
Trauer. In Brasilien kann man sich nur<br />
schwer vorstellen, wie weit bereits in verschiedenen<br />
(wenn nicht vielen) an<strong>der</strong>en<br />
Län<strong>der</strong>n die Option für die Armen und die<br />
Basisgemeinden verschwunden waren.<br />
Die Generalversammlung von Aparecida<br />
erneuert die Option für die Armen<br />
(Nr. 397/398/399). Sie verwendet dafür<br />
keine konventionelle Formel. Der Text<br />
sagt eindeutig: „Wir greifen die Option<br />
für die Armen mit neuer Entschiedenheit<br />
auf“ (399). Auch hier erkennt man ein bescheidenes<br />
Indiz für Reue und für die Einsicht,<br />
dass diese Option in <strong>der</strong> kirchlichen<br />
Pastoral ihre Dringlichkeit verloren hatte;<br />
sie besaß im praktischen Leben keine Priorität<br />
mehr. Darüber hinaus anerkennt <strong>der</strong><br />
Text, dass die Armen Subjekte <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
und <strong>der</strong> menschlichen Entwicklung<br />
sind (398). Man vergleiche dazu den<br />
gesamten Abschnitt 391 bis 398.<br />
Der Text verwendet sogar zwei Mal<br />
das Wort „Befreiung“, das auf dem Index<br />
<strong>der</strong> verbotenen Wörter stand. Zwar wird<br />
das Wort „Befreiung“ durch das Adjektiv<br />
„authentisch“ (399) bzw. „ganzheitlich“<br />
nuanciert, aber zumindest steht es im<br />
Text. Und das bedeutet, dass man es in<br />
Zukunft wie<strong>der</strong> verwenden darf (385).<br />
Das Schlussdokument spricht ausdrücklich<br />
von den kirchlichen Basisgemeinden<br />
(Nr. 178-179). Dieser Teil hat<br />
unter den Korrekturen aus Rom am stärksten<br />
gelitten; denn <strong>der</strong> Text <strong>der</strong> Bischöfe<br />
war viel eindeutiger. Außerdem erwähnt<br />
<strong>der</strong> Text alle positiven Früchte <strong>der</strong> Basisgemeinden,<br />
indem er anerkennt, dass sie<br />
die Option für die Armen symbolisch darstellten.<br />
Die Bischöfe hatten geschrieben:<br />
„Das Leben sowie die prophetische und hei-<br />
3
3<br />
Der Weg <strong>der</strong> Erinnerung an Rio 1955, Medellin 1968, Puebla 1979, Santo Domingo 1992<br />
ligmachende Sendung <strong>der</strong> Kirchlichen Basisgemeinden<br />
in <strong>der</strong> missionarischen Nachfolge<br />
Jesu wollen wir mit Entschiedenheit<br />
bestätigen und mit neuen Impulsen ausstatten.<br />
Die Basisgemeinden waren nach<br />
dem II. Vatikanischen Konzil bedeutsame<br />
Wirkungen des Heiligen Geistes in <strong>der</strong> Kirche<br />
von Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik.“<br />
(194) Diese Sätze fielen <strong>der</strong> Zensur zum<br />
Opfer, so dass <strong>der</strong> Text erheblich abgeschwächt<br />
wurde. An<strong>der</strong>e Korrekturen befinden<br />
sich auf <strong>der</strong> gleichen Linie. Aber<br />
es gibt eben auch den Text <strong>der</strong> Bischöfe,<br />
<strong>der</strong> zu Rate gezogen werden kann. Und<br />
dieser ist für das Bewusstsein in Lateinamerika<br />
von größerer Bedeutung als die<br />
Zensuren.<br />
Im Text <strong>der</strong> Bischöfe wird zugestanden,<br />
dass die CEBs sich trotz ihrer großen Bedeutung<br />
nicht angemessen entf<strong>alte</strong>n konnten,<br />
weil eben viele Bischöfe sie restriktiv behandelten.<br />
Jetzt wollen die Bischöfe diese Restriktionen<br />
aufheben und den Gemeinden<br />
<strong>der</strong> Armen neues Leben geben.<br />
Trotz <strong>der</strong> einschränkenden Eingriffe<br />
in den Schlusstext lohnt es sich, die<br />
Nummern 178 und 179 aufmerksam zu<br />
lesen.<br />
Die besten Kapitel des Dokuments<br />
sind die Kapitel 7 und 8 über die Mission.<br />
Darin finden wir die stärksten Aussagen.<br />
„Die Kirche muss heftig erschüttert werden,<br />
damit sie die Armen nicht mehr marginalisiert,<br />
indem sie es sich bequem macht,<br />
stagniert und halbherzig agiert.“ (362)<br />
„Die pastorale Umkehr unserer Gemeinden<br />
macht er erfor<strong>der</strong>lich, dass wir<br />
von einer nur bewahrenden Pastoral zu einer<br />
entschieden missionarischen Pastoral<br />
übergehen.“ (370)<br />
„Die Pastoral <strong>der</strong> Kirche darf den historischen<br />
Kontext nicht aus den Augen verlieren“<br />
(367)<br />
Man lese aufmerksam die Nummer<br />
362 bis 370.<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Die Verän<strong>der</strong>ung muss alle Institutionen<br />
<strong>der</strong> Kirche erfassen. Das beginnt<br />
mit <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> Pfarrei. Sie muss in<br />
kleinere Einheiten unterteilt werden<br />
(372), in kleinen Gruppen, in denen Beziehungen<br />
eher möglich sind. Wir sollten<br />
aufmerksam dafür sein, dass diese kleinen<br />
Gemeinden nicht die Struktur und das<br />
Vorgehen <strong>der</strong> Pfarrei reproduzieren. Aber<br />
es ist schon sehr gut, dass die Generalversammlung<br />
andeutet, wie schlecht die<br />
Pfarrei funktioniert und dass sie für unsere<br />
Zeiten zunehmen<strong>der</strong> Urbanisierung und<br />
Säkularisierung keine adäquate Institution<br />
mehr darstellt.<br />
Das Kapitel 8 arbeitet daran, dass<br />
die Sozialpastoral erneut bestätigt und<br />
verstärkt werden soll (401-404). Das<br />
Dokument zählt die neuen Kategorien<br />
von Armen auf, die in den letzten Jahren<br />
aufgetaucht sind bzw. sich entwickelt<br />
haben.<br />
Schließlich greift das Dokument die<br />
aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen auf: die<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
Ökologie, die Umweltprobleme und die<br />
Stadtpastoral. Das Programm für die<br />
Stadtpastoral ist ziemlich komplett; es<br />
umreißt Aufgaben, die nur durch die Mitarbeit<br />
von Millionen ausgebildeter Menschen<br />
zu verwirklichen sind. Die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
durch die Stadtpastoral haben<br />
katholische Soziologen bereits am Ende<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts definiert. Jetzt, hun<strong>der</strong>t<br />
Jahre später, macht sich die Hierarchie<br />
diese Herausfor<strong>der</strong>ung zu eigen. Die<br />
katholische Kirche steckt immer noch in<br />
einer agrarischen Mentalität und in agrarischen<br />
Strukturen. In <strong>der</strong> agrarischen<br />
Gesellschaft sind Pfarrei und Gesellschaft<br />
nahezu identisch. Jetzt hat sich die Lage<br />
so grundlegend verän<strong>der</strong>t, dass die allermeisten<br />
Bürger am Rande <strong>der</strong> Kirche leben<br />
und nur bei Geburts- <strong>o<strong>der</strong></strong> Sterbefällen<br />
zu ihr kommen bzw. im Krankheitsfall<br />
sich an die Heiligen wenden.<br />
Im zweiten Kapitel wird die Realität<br />
Lateinamerikas ausführlich behandelt.<br />
Diese Darstellung ist auf die Hilfe von<br />
Experten und Wissenschaftlern zurückzuführen;<br />
sie bietet sehr ausführliche<br />
und detaillierte Informationen. Hier haben<br />
wir ein Beispiel für die Zusammenarbeit<br />
von Hierarchie und Laien. Dennoch<br />
schafft es das Dokument nicht, den Kapitalismus<br />
und das heutige System <strong>der</strong><br />
Globalisierung zu verurteilen, obwohl<br />
es seine Schändlichkeiten beim Namen<br />
nennt. Das Dokument konnte eben nicht<br />
weiter gehen als die Kirchliche Soziallehre,<br />
die in jüngster Zeit so laut beschwiegen<br />
wurde.<br />
Auch in den an<strong>der</strong>en Kapiteln stecken<br />
noch viele wichtige Anregungen für<br />
die Realisierung des gesamten Projektes.<br />
Aber <strong>der</strong> Platz eines Artikels reicht nicht,<br />
um all diese Anstöße zu kommentieren.<br />
Sicherlich werden noch weitere ausführliche<br />
Kommentare zum Dokument von<br />
Aparecida publiziert, die das Gesamtdokument<br />
analysieren werden.<br />
3
0<br />
2. Einige Zweifel<br />
Das Projekt von Aparecida ist so radikal,<br />
dass sich Zweifel melden: Wer soll<br />
das Programm in die Praxis umsetzen?<br />
Die Geschichte beweist, dass alle tiefgreifenden<br />
Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Kirche von<br />
neuen Menschen durchgesetzt wurden,<br />
die stets aus <strong>der</strong> Entscheidung für ein Leben<br />
in Armut neue Gruppen bildeten und<br />
einen neuen Lebensstil kreierten. Die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
gingen nie von den etablierten<br />
Führungsschichten <strong>o<strong>der</strong></strong> den installierten<br />
Strukturen aus. Diese schaffen es<br />
einfach nicht, ihre traditionellen Rollen<br />
hinter sich zu lassen. Deshalb die Vermutung,<br />
dass <strong>der</strong> heutige Klerus nicht in <strong>der</strong><br />
Lage ist, dieses Programm umzusetzen.<br />
Die Verän<strong>der</strong>ungen gingen nie<br />
von den etablierten Führungsschichten<br />
<strong>o<strong>der</strong></strong> den installierten<br />
Strukturen aus.<br />
Nie werde ich vergessen, was sich an<br />
<strong>der</strong> Wende vom XII. zum XIII. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
ereignete. Damals gab es eine Lawine von<br />
religiösen Phänomenen ähnlich den um<br />
sich greifenden Pfingstbewegungen von<br />
heute. Neue religiöse Animateure traten<br />
in Erscheinung, denen es gelang, eine<br />
große Anzahl von Katholiken anzusprechen<br />
und zu bekehren. In kürzester Zeit<br />
entstand eine Netz von Gemeinden unter<br />
verschiedensten Bezeichnungen, <strong>der</strong> gebräuchlichste<br />
wurde <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Albigenser.<br />
Niemandem gelang es, diese Bewegung<br />
zu stoppen. Papst Innozenz III.<br />
bat den Zisterzienser-Orden, zur damaligen<br />
Zeit <strong>der</strong> mächtigste Orden, die Mission<br />
zu übernehmen, um die Häretiker zu<br />
bekehren <strong>o<strong>der</strong></strong> zumindest die Expansion<br />
<strong>der</strong> Bewegung zu stoppen. Dieses Bemühen<br />
scheiterte völlig. Die Zisterzienser<br />
kamen aus reichen Klöstern und wussten<br />
nicht, wie man mit Armen zu reden hat.<br />
Sie waren reiche Missionare ohne missionarische<br />
Fähigkeiten.<br />
Fast gleichzeitig traten Franz von Assisi<br />
in Italien und Domingo de Guzman in<br />
Spanien auf den Plan. Sie entschieden sich<br />
für den Weg <strong>der</strong> Armut und lebten wirklich<br />
ein dem Evangelium entsprechendes<br />
Leben. Sie evangelisierten das einfache<br />
Volk auf dem Land und in den Städten.<br />
Ihnen gelang, was die mächtigen Orden<br />
nicht schafften. In wenigen Jahren entstanden<br />
durch sie die sogenannten <strong>Franziskaner</strong><br />
(Min<strong>der</strong>brü<strong>der</strong>) und die Dominikaner<br />
(Predigerbrü<strong>der</strong>), die in kurzer<br />
Zeit Tausende zählten. Sie lebten mitten<br />
unter den einfachen Leuten und wurden<br />
zu Wan<strong>der</strong>missionaren, die immer wie<strong>der</strong><br />
die armen Leute aufsuchten. Sie gaben<br />
<strong>der</strong> Kirche ein an<strong>der</strong>es Gesicht. Sie lebten<br />
eine an<strong>der</strong>e Struktur, in <strong>der</strong> sich die armen<br />
Leute wie<strong>der</strong> erkannten. Das war bei<br />
den monastischen Orden nicht <strong>der</strong> Fall.<br />
Der Pfarreiklerus griff zwar die von den<br />
Bettelmönchen bewirkten Bekehrungen<br />
auf, war aber selbst nicht zu einer solchen<br />
Verän<strong>der</strong>ung fähig.<br />
Heutzutage gibt es in <strong>der</strong> Kirche ähnliche<br />
Christen, die in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Armen<br />
mitleben. Aber sie sind kaum bekannt und<br />
wenig geschätzt, eher toleriert als unterstützt,<br />
weil sie nicht dem offiziellen Schema<br />
entsprechen; sie haben im Kirchenrecht<br />
keinen Platz. Meist sind es Laien,<br />
aber es gibt auch Bischöfe und Priester,<br />
die ihre Bekehrung erlebt haben und sich<br />
von <strong>der</strong> Struktur lösten, in die sie verwickelt<br />
waren.<br />
Persönlich glaube ich, dass die Missionare,<br />
die fähig sind, in Zukunft die Physiognomie<br />
<strong>der</strong> Kirche zu än<strong>der</strong>n, Laienmissionare<br />
sein werden.<br />
Wie soll man mit <strong>der</strong> Umsetzung des<br />
Programms von Aparecida beginnen?<br />
Man wird es nicht von oben nach unten<br />
durchsetzen können. Man wird nicht mit<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
einem theoretischen Entwurf anfangen<br />
können. Die Umsetzung wird nur mit freiwilligen<br />
Menschen beginnen können, die<br />
bereit sind, ein Abenteuer auf sich zu nehmen,<br />
diesmal mit Unterstützung durch<br />
die Hierarchie. Man sollte ihnen kein ausgearbeitetes<br />
Programm mitgeben, weil<br />
<strong>der</strong> heilige Geist ihnen zeigen wird, was<br />
zu tun ist. Wenn ihr missionarisches Handeln<br />
nicht von ihnen selbst kommt, wird<br />
es keine Wirkung zeigen, weil es kein lebendiges<br />
menschliches Zeugnis ist; das<br />
allein aber kann die Herzen <strong>der</strong> Zuhörer<br />
erreichen.<br />
Die Umsetzung wird nur mit<br />
freiwilligen Menschen beginnen<br />
können, die bereit sind, ein<br />
Abenteuer auf sich zu nehmen,<br />
diesmal mit Unterstützung<br />
durch die Hierarchie.<br />
Durch das Aufstellen von Plänen<br />
kommt man nicht schneller voran. Niemand<br />
hat die Geburt bzw. das Leben<br />
eines Franz von Assisi geplant. Er trat auf<br />
und <strong>der</strong> Papst bestätigte ihn. In den letzten<br />
Jahren haben viele Diözesen an vielen<br />
Orten Missionsjahre und Volksmissionen<br />
durchgeführt – ohne jeden Erfolg.<br />
Alles blieb nur Papier, denn man überließ<br />
die Mission den Pastoralen Akteuren <strong>der</strong><br />
Diözesan- und Pfarrei-Struktur, statt sich<br />
auf freiwillige Menschen zu stützen; diese<br />
fühlten sich wenig geschätzt sowie in<br />
ihrer missionarischen Berufung eher toleriert<br />
als unterstützt. Die Mission darf<br />
nicht auf die Pfarrgemeinde konzentriert<br />
werden, weil die Armen die Pfarrgemeinde<br />
kaum aufsuchen. Die Armen spüren<br />
auch, dass die Pfarrgemeinde nicht zu ihrer<br />
Kultur gehört.<br />
Man kommt auch nicht schneller voran,<br />
wenn man Kurse hält, um die kirchliche<br />
Lehre zu verbreiten; denn <strong>der</strong> Hei-<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
lige Geist wird den Missionaren zeigen,<br />
was sie sagen und was sie tun sollen. Was<br />
man dagegen tun kann, ist, gemeinsam<br />
auf die Stimme des Geistes zu warten.<br />
Die Hauptaufgabe <strong>der</strong> Hierarchie besteht<br />
darin, mit Hilfe <strong>der</strong> christlichen Tradition<br />
herauszufinden, wo <strong>der</strong> Heilige Geist<br />
wirkt, und eine Spiritualität anzustoßen,<br />
die aufmerksam darauf wartet, was <strong>der</strong><br />
Geist sagt, und sich ihm verpflichtet.<br />
<strong>der</strong> Heilige Geist wird den Missionaren<br />
zeigen, was sie sagen und<br />
was sie tun sollen.<br />
In Lateinamerika ist die Unterstützung<br />
durch die Bischöfe und Priester<br />
wichtig. Insbeson<strong>der</strong>e die Katholiken unter<br />
den Armen sind ängstlich, unsicher,<br />
trauen ihren eigenen Begabungen nicht.<br />
Man muss sie darin unterstützen, zeitweilig<br />
auch Fehler und Scheitern auszuh<strong>alte</strong>n.<br />
Es wird nicht gleich beim ersten<br />
Mal klappen. Die Hierarchie wird alle verschiedenen<br />
Charismen aufeinan<strong>der</strong> abstimmen<br />
müssen.<br />
Wie soll die Ausbildung aussehen?<br />
Was versteht man unter Ausbildung von<br />
Missionaren? Die heutige Ausbildung in<br />
den Seminaren bzw. den theologischen<br />
Fakultäten betreibt exakt das Gegenteil.<br />
Das heutige System betreibt eine akademische<br />
bzw. eine akademisch orientierte<br />
Ausbildung. In Brasilien legte man größten<br />
Wert darauf, dass die Seminarstudien<br />
vom Bildungsministerium anerkannt<br />
würden. Das Bildungsministerium wird<br />
mit Sicherheit kein missionarisches Projekt<br />
verfolgen.<br />
Offizielle Diplome scheinen geradezu<br />
die Garantie für alle jene, die keine starke<br />
Berufung zu missionarischen Dasein<br />
empfinden. Ich habe nichts gegen akademische<br />
Diplome, aber diese haben mit<br />
<strong>der</strong> Mission nichts zu tun. Akademische<br />
1
2<br />
Ausbildung entfernt vom einfachen Volk<br />
und macht die Predigt leer. Die Priester<br />
wurden dazu vorbereitet, kleine Theologieprofessoren<br />
zu sein. Das erklärt bereits<br />
viel über die Probleme <strong>der</strong> Kirche, die das<br />
Dokument von Aparecida beim Namen<br />
nennt.<br />
Missionarische Bildung braucht<br />
zuallererst eine eindeutig radikale<br />
Spiritualität ...<br />
Missionarische Bildung braucht zuallererst<br />
eine eindeutig radikale Spiritualität,<br />
die sich auf die Bibel im allgemeinen<br />
und auf die Evangelien im beson<strong>der</strong>en<br />
konzentriert, das heißt auf das irdische<br />
Leben Jesu.<br />
Zweitens besteht diese Bildung darin,<br />
sich ganz häufig mit Menschen, Familien<br />
und Gruppen zu treffen. Der Missionar<br />
muss lernen, an allen Orten des<br />
gesellschaftlichen Lebens präsent zu<br />
sein als Symbol für ein neues Leben, das<br />
von Glaube, Hoffnung und Liebe getragen<br />
wird. Es geht nicht darum, bei gesellschaftlichen<br />
Ereignissen aufzutreten,<br />
son<strong>der</strong>n Menschen zu finden und zu<br />
kennen, die für den Anruf des Heiligen<br />
Geistes sensibel sind, und die Worte zu<br />
sagen, die ins Schwarze treffen.<br />
Jesus offenbart sich durch das<br />
Leben bestimmter Menschen,<br />
nicht durch die kirchliche Lehre.<br />
Unterricht in kirchlicher Lehre hat<br />
niemals jemanden bekehrt. Jesus offenbart<br />
sich durch das Leben bestimmter<br />
Menschen, nicht durch die kirchliche<br />
Lehre. Missionare werden nicht durch<br />
Kurse, Seminare bzw. abstrakte Debatten<br />
gebildet. Man muss die Sprache des einfachen<br />
Volkes lernen. Einige Priester und<br />
Bischöfe machen das beispielhaft; sie sind<br />
Missionare, die sich durch die Gnade<br />
Gottes verwandelten und die Schemata<br />
akademischer Bildung, die sie erlernten,<br />
hinter sich ließen. Ein Beispiel dafür ist<br />
Fray Carlos Mesters.<br />
Die Ausbildung durch Indoktrinierung<br />
tauchte nach <strong>der</strong> Französischen Revolution<br />
auf, um den Glauben <strong>der</strong> Priester<br />
zu festigen, da sie lernen sollten, den Häresien<br />
<strong>der</strong> Zeit zu wi<strong>der</strong>stehen. Der Wi<strong>der</strong>stand<br />
gegen Häresien hat seine Dringlichkeit<br />
verloren.<br />
Die westliche Kirche ignoriert den<br />
Heiligen Geist.<br />
Ich darf es nicht unterlassen, auf ein<br />
Problem aufmerksam zu machen, das<br />
nicht allein das von Aparecida ist, son<strong>der</strong>n<br />
das <strong>der</strong> gesamten Kirche des Okzidents,<br />
<strong>der</strong> westlichen Konzilien, <strong>der</strong> Dokumente<br />
des Lehramts, sogar jener des II.<br />
Vatikanums. Die westliche Kirche ignoriert<br />
den Heiligen Geist. Zwar wird <strong>der</strong> Heilige<br />
Geist – auch im Dokument von Aparecida<br />
– sehr häufig erwähnt, allerdings<br />
nur, um den Standpunkt <strong>der</strong> Hierarchie<br />
bzw. des Klerus zu stützen. Die Hierarchie<br />
definiert, was die Kirche zu tun hat, und<br />
anschließend verlangt sie vom Heiligen<br />
Geist, dass er die getroffenen Entscheidungen<br />
umsetzen möge. An<strong>der</strong>s gesagt:<br />
Man unterstellt, dass alles, was von <strong>der</strong><br />
Hierarchie kommt, vom Heiligen Geist<br />
stammt, es ist sozusagen ein und dasselbe.<br />
Der Heilige Geist wirkt in <strong>der</strong> Welt und<br />
gibt eindeutige Hinweise darauf, was er<br />
will, aber man beeilt sich nicht, darum zu<br />
beten, dass <strong>der</strong> heilige Geist komme, um<br />
meinen Geist zu erleuchten.<br />
Die Ostkirchen sind in dieser Hinsicht<br />
viel sensibler als die Westkirche. In Lateinamerika<br />
ist die Ostkirche kaum präsent<br />
und fast ohne jeden Einfluss. Die Lateina-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Im Zelt <strong>der</strong> Märtyrer<br />
merikanische Kirche ist fast ausschließlich<br />
ein Kind des Westens.<br />
Die Lehre des Neuen Testamentes,<br />
sowohl in <strong>der</strong> Theologie des Paulus als<br />
auch in <strong>der</strong> des Johannes unterscheidet<br />
sich davon erheblich. Für Paulus wird<br />
die Kirche durch die Gaben des Heiligen<br />
Geistes geführt (1 Kor 12,4-11; 27-30).<br />
Die erste Gabe ist die des Apostolats (1<br />
Kor 12,28). Wenn Paulus von Aposteln<br />
spricht, meint er nicht die Zwölf, son<strong>der</strong>n<br />
all jene Jünger, die – wie er – zu Missio-<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
naren wurden, weil <strong>der</strong> Heilige Geist sie<br />
ausgesandt hatte.<br />
Die Gabe <strong>der</strong> Leitung wird erst an siebenter<br />
Stelle erwähnt. An zweiter Stelle<br />
stehen die Propheten, die eine große Bedeutung<br />
haben (1 Kor 14). Diese Gaben<br />
sind ausgeteilt und tauchen unvorhergesehen<br />
plötzlich auf. Niemand hat Paulus<br />
zum Missionar ausgebildet, niemand hat<br />
ihn darauf vorbereitet, ein Missionar zu<br />
werden. Er hat eine Gabe des Heiligen<br />
Geistes empfangen und dem Volk <strong>der</strong> Jesusgemeinde,<br />
die er zusammengeführt<br />
3
hatte, einen glaubwürdigen, gewissen<br />
Weg gewiesen.<br />
Wie stets ist <strong>der</strong> Heilige Geist auch in<br />
<strong>der</strong> heutigen Kirche präsent. Er weist Wege<br />
in die Nachfolge Jesu. Die Theologie<br />
des Evangelisten Johannes hebt hervor,<br />
dass <strong>der</strong> Heilige Geist darüber belehrt,<br />
wohin das Leben in <strong>der</strong> Nachfolge Jesu in<br />
den verschiedensten Lebenslagen führen<br />
kann. Jesus hat kein Apostolatsprogramm<br />
hinterlassen, son<strong>der</strong>n verheißen, dass <strong>der</strong><br />
Heilige Geist kommen und zeigen werde,<br />
auf welche Weise wir Jesu Lebensweise in<br />
den unterschiedlichsten geschichtlichen<br />
Situationen aktualisieren können. Jesus<br />
wollte die Geschichte nicht in einen fixen<br />
Rahmen einsperren, son<strong>der</strong>n versprach,<br />
dass <strong>der</strong> Geist da sein werde, um in je<strong>der</strong><br />
Lage neu zu lehren, was Jesus in dem bestimmten,<br />
eng umgrenzten Kontext von<br />
Galiläa tat und lehrte (Joh 14, 26; 16,13-<br />
15).<br />
Es ist also nicht angemessen, <strong>der</strong><br />
Konferenz von Aparecida einen Vorwurf<br />
zu machen, weil die gesamte Kirchengeschichte<br />
des Westens von dieser Ignoranz<br />
geprägt ist. Um zu den Lehren des Neuen<br />
Testamentes über den Heiligen Geist zurückzukehren,<br />
ist also eine noch radikalere<br />
Bekehrung notwendig.<br />
3. Die problematischen<br />
Anteile des Textes<br />
Der aus meiner Sicht schwächste Teil<br />
des Dokumentes ist die Christologie. Das<br />
war zu erwarten. Die Notifikation über<br />
die Werke von Jon Sobrino wurde nicht<br />
zufällig am Vorabend <strong>der</strong> Konferenz von<br />
Aparecida publiziert. Die Christologie<br />
ist tatsächlich heutzutage das wichtigste<br />
theologische Problem. Die entscheidende<br />
Frage lautet: Welche Bedeutung<br />
hat das Menschsein Jesu? Welche Bedeutung<br />
haben die Worte und Taten Jesu, wie<br />
sie von den Evangelien erzählt werden?<br />
Worin besteht das Menschsein Jesu? Was<br />
heißt es überhaupt, ein Mensch zu sein?<br />
Der Text erinnert an viele schöne Dinge<br />
aus den Evangelien, die Jesus ausweisen<br />
als einen Weisheitslehrer mit einem Lebensstil,<br />
dem die Jünger folgen sollen. Da<br />
werden viele schöne Taten und Worte aus<br />
dem Leben Jesu aufgezählt. Aber sie werden<br />
nicht miteinan<strong>der</strong> verbunden und<br />
<strong>der</strong> Zusammenhang <strong>der</strong> einzelnen Worte<br />
und Taten mit dem menschlichen Leben<br />
Jesu nicht hergestellt. (129-135).<br />
Diese Aufzählung sagt nichts darüber<br />
aus, was das Leben des Menschen Jesus<br />
bedeutet, also nichts über sein missionarisches<br />
Amt. Das Leben <strong>der</strong> Menschen<br />
muss im jeweiligen historischen Kontext,<br />
in dem es sich ereignet, interpretiert werden.<br />
Aber in diesem Abschnitt spricht<br />
man über den historischen Kontext nicht,<br />
so als ob Jesus sich außerhalb <strong>der</strong> Geschichte<br />
bewege, wie ein Lehrer, <strong>der</strong> die<br />
Jahrhun<strong>der</strong>te überfliegt. Je<strong>der</strong> Mensch arbeitet<br />
an seinem Lebensprojekt, indem er<br />
sich von seinem historischen Kontext herausfor<strong>der</strong>n<br />
und dazu bringen lässt, sich<br />
über Ziele und Mittel klar zu werden und<br />
zu entscheiden. Der Mensch verfolgt ein<br />
Projekt, indem er seinem Leben ein Ziel<br />
gibt. Wenn Jesus Mensch war, musste er<br />
sich auch so verh<strong>alte</strong>n.<br />
Der Mensch verfolgt ein Projekt,<br />
indem er seinem Leben ein Ziel<br />
gibt. Wenn Jesus Mensch war,<br />
musste er sich auch so verh<strong>alte</strong>n.<br />
Fangen wir mit <strong>der</strong> Verkündigung Jesu<br />
an, mit dem Reich Gottes (101-128).<br />
Was haben die campesinos von Galiläa<br />
unter Reich Gottes verstanden, als Jesus<br />
vor ihnen davon sprach? Sie litten unter<br />
dem schweren Joch des römischen<br />
Reiches, des Kaiserreiches. Da tritt Jesus<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
auf und verkündet, dass dieses Reich in<br />
sich zusammenbrechen werde. Eben darauf<br />
hofften alle, zumindest die Armen,<br />
die sich von <strong>der</strong> harten Hand römischer<br />
Gewalt unterdrückt fühlten. Die meisten<br />
Menschen glaubten aber, dass dies erst<br />
in einer neuen Welt geschehe, wenn diese<br />
Welt den apokalyptischen Vorhersagen<br />
entsprechend zerstört wäre. Jesus verkündet<br />
aber, dass es in dieser Welt geschehen<br />
werde. Das Reich Satans, das in <strong>der</strong><br />
römischen Macht Gestalt angenommen<br />
hatte, wird fallen und ein an<strong>der</strong>es Reich<br />
wird kommen.... Jesus wusste sehr<br />
Das Reich Satans, das in <strong>der</strong><br />
römischen Macht Gestalt angenommen<br />
hatte, wird fallen und<br />
ein an<strong>der</strong>es Reich wird kommen<br />
genau, worüber die einfachen Menschen<br />
seines Volkes sich unterhielten, worüber<br />
sie sich beklagten und worauf sie hofften.<br />
Zu diesen Menschen sprach er. Nur<br />
so versteht man, dass das einfache Volk<br />
von Galiläa ihn begeistert aufnahm und<br />
bejubelte.<br />
Nachdem er dies verkündet hatte,<br />
musste Jesus darlegen, welch radikaler<br />
Unterschied zwischen dem Reich Gottes<br />
und dem Reich des Kaisers besteht und<br />
welche Gestalt das Reich Gottes haben<br />
sollte. Sogar die Zwölfergruppe hatte<br />
großen Schwierigkeiten, das, was Jesus<br />
darlegte, zu akzeptieren.<br />
Im Dokument kommt überhaupt<br />
nicht vor, dass das Evangelium<br />
Jesu für die einen eine Gute<br />
Nachricht war und für die<br />
an<strong>der</strong>en eine schlechte.<br />
Im Dokument kommt überhaupt<br />
nicht vor, dass das Evangelium Jesu für<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
die einen eine Gute Nachricht war und<br />
für die an<strong>der</strong>en eine schlechte. Jesus hat<br />
nicht alle Menschen gleich behandelt.<br />
Die Gute Nachricht richtet sich an die Armen;<br />
die Schlechte Nachricht an die Reichen<br />
(Lk 6,20-26). Das Evangelium Marias<br />
spricht die gleiche Sprache: „Er stürzt<br />
die Mächtigen vom Thron und erhöht die<br />
Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er<br />
mit seinen Gaben und lässt die Reichen<br />
leer ausgehen.“ ( Lk 1,52-53)<br />
Die Compassion mit den Unterdrückten<br />
und die Empörung über die Unterdrücker<br />
kennzeichnet die psychologische<br />
Grundstruktur Jesu. Warum liest man davon<br />
nichts in einem Dokument, das die<br />
Option für die Armen erneuern will? Der<br />
zweite und <strong>der</strong> dritte Teil des Dokumentes<br />
stehen im Wi<strong>der</strong>spruch zueinan<strong>der</strong>.<br />
Zweitens, Jesu Konflikt mit den führenden<br />
Leuten des Staates, denen er vorwirft,<br />
sie seien Usurpatoren und Unterdrücker,<br />
kommt im Dokument nicht vor.<br />
Was für die Evangelien so wichtig ist – <strong>der</strong><br />
Konflikt mit den Hohenpriestern, mit den<br />
Gesetzeslehrern, mit den Pharisäern, mit<br />
Jesus entlarvt die Herrschaft <strong>der</strong><br />
mit den Römern verbündeten<br />
Granden und bleibt diesem<br />
Lebensauftrag treu, auch wenn<br />
sie ihn dafür umbringen.<br />
den damals bedeutenden Leuten (Mk 11-<br />
13; Mt 23; Lk 20; Joh 8) –, kommt im Dokument<br />
nicht vor. Dabei ist dieser Konflikt<br />
<strong>der</strong> Leitfaden für die Evangelien. Alle legen<br />
dar, wie Jesus durch seine Sendung<br />
in den Tod gerät. Bereits von Anfang an<br />
wollen ihn die Führungskräfte umbringen.<br />
Jesus entlarvt die Herrschaft <strong>der</strong> mit<br />
den Römern verbündeten Granden und<br />
bleibt diesem Lebensauftrag treu, auch<br />
wenn sie ihn dafür umbringen.
Der Tod Jesu ist eine Konsequenz<br />
seines Handelns, so etwas wie Ziel und<br />
Vollendung seines Dienstamtes. Das Dokument<br />
spricht von dem Jesus, <strong>der</strong> sein<br />
Leben hingibt (139). Jesus starb, weil er<br />
seiner Sendung treu bleiben wollte, die<br />
Korruption <strong>der</strong> Führungskräfte seines<br />
Volkes zu entlarven, weil sie dem einfachen<br />
Volk eine unerträgliche Last aufbürdeten.<br />
Jesus war Jude und als Jude darüber<br />
empört, wie die Führungskräfte mit<br />
dem Gesetz umgingen. Jesus wollte sein<br />
Volk von <strong>der</strong> Lüge und <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong><br />
Eliten befreien. Die Eliten unterdrückten<br />
durch ihre Gesetzesinterpretation das<br />
Volk <strong>der</strong> Armen.<br />
Darin bestand das Projekt Jesu. Denen,<br />
die ihm nachfolgen, schlägt er vor,<br />
in allen historischen Epochen den gleichen<br />
Weg einzuschlagen. Der Kern <strong>der</strong><br />
Sendung ist Verfolgung, Tod, Tod am<br />
Kreuz, ein schändlicher Tod.<br />
Das Dokument macht höchstens ein<br />
paar sehr zurückh<strong>alte</strong>nde Andeutungen<br />
zum Tode Jesu, ohne zu sagen, warum<br />
er starb und was dieser Tod menschlich<br />
bedeutet. Der Text macht nur ein paar<br />
Andeutungen zu den Märtyrern aus Lateinamerika,<br />
ohne jedoch zu erläutern,<br />
worin das Martyrium bestand (140 und<br />
98), als ob das Martyrium als solches einen<br />
Wert habe, als ein Beispiel heldenhaften<br />
Lebens. Das Dokument fügt die<br />
Martyrer nicht in ihren historischen Kontext<br />
ein, und deshalb wird auch Jesu Tod<br />
historisch nicht kontextualisiert. Es ist, als<br />
biete er ein tugendhaftes Beispiel ohne<br />
beson<strong>der</strong>es Motiv, ohne Bindung an sein<br />
prophetisches Amt.<br />
Das Dokument redet ganz einfach<br />
davon, dass Jesus sein Leben hingab. Das<br />
kann vieles bedeuten, aber ohne den historischen<br />
Kontext ins Gedächtnis zu rufen<br />
und den Platz, den <strong>der</strong> Tod im Leben<br />
des Menschen Jesus hatte.<br />
In den Evangelien steht das Kreuz im<br />
Zentrum <strong>der</strong> christologischen Darstellung<br />
des menschlichen Lebens Jesu. In<br />
<strong>der</strong> Christologie des Dokumentes steht<br />
es nicht im Zentrum. Wir haben den Eindruck,<br />
dass <strong>der</strong> Text jeglichem Bezug<br />
zum Konflikt mit den Römern bzw. mit<br />
den Autoritäten Israels aus dem Weg gehen<br />
wollte. Das Dokument bietet ein konfliktfreies,<br />
aus purer Güte bestehendes<br />
Evangelium an. Warum ein konfliktfreies<br />
Evangelium? Um nicht die Bedeutung<br />
des Martyriums anerkennen zu müssen,<br />
das so viele gekreuzigte Lateinamerikanerinnen<br />
und Lateinamerikaner in <strong>der</strong> zweiten<br />
Hälfte des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
erlitten. Die Eliten wollen ihre historische<br />
Verantwortung für dieses Martyrium im<br />
Die Eliten wollen ihre historische<br />
Verantwortung für dieses Martyrium<br />
im XX. Jahrhun<strong>der</strong>t verschleiern.<br />
XX. Jahrhun<strong>der</strong>t verschleiern. Die Erinnerung<br />
an diese Märtyrer erzürnt die führenden<br />
Kreise vielen Nationen.<br />
Deswegen sind die Hinweise auf die<br />
Märtyrer so zurückh<strong>alte</strong>nd. Die Märtyrer<br />
werden als Helden präsentiert, aber man<br />
sagt nicht, warum sie sterben mussten.<br />
Wer also will ein konfliktfreies Evangelium?<br />
Genau ein solches Evangelium stellt<br />
das Bürgertum zufrieden. Im Dokument<br />
findet sich eine bürgerlich inspirierte<br />
Christologie. Diese bringt nicht zum Ausdruck,<br />
was die Armen empfinden und<br />
wie sie Leben und Tod Jesu deuten. Wir<br />
befinden uns also in einem Konflikt zwischen<br />
zwei Christologien, einer bürgerlichen<br />
und einer aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Armen.<br />
Diesen Konflikt gibt es in <strong>der</strong> Kirche von<br />
Anfang an.<br />
Die gleiche unhistorische Darstellung<br />
findet sich in <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong><br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
kirchlichen Realität im ersten Teil des Dokuments.<br />
Der Text zählt positive und negative<br />
Aspekte <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />
Kirche auf (98-100), aber diese positiven<br />
und negativen Aspekte werden nicht mit<br />
dem historischen Kontext in Verbindung<br />
gebracht. Es scheint, als sei alles unterschiedslos<br />
gleich bedeutsam.<br />
Strukturen werden nicht analysiert.<br />
Der Text schreibt „einigen Katholiken, die<br />
sich gelegentlich vom Evangelium entfernt<br />
haben“ Verantwortung und Schuld<br />
zu (100 h). Die negativen Aspekte sind<br />
auf „Mängel und Zweideutigkeiten“ einiger<br />
Mitglie<strong>der</strong> (<strong>der</strong> Kirche) zurückzuführen.<br />
Wenn das wirklich das Problem<br />
gewesen wäre, dann hätte man keine gesamtkontinentale<br />
Versammlung durchführen<br />
müssen. Dann hätte es genügt,<br />
diesen wenigen Katholiken einen guten<br />
Beichtvater zu schicken.<br />
Es ist meist so, dass die kirchlichen Dokumente<br />
die Strukturen <strong>der</strong> Kirche nicht<br />
in Frage stellen. Ganz gewiss sind die Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Kirche heute nicht schlimmer<br />
als früher. Es handelt sich nicht um die<br />
Probleme einzelner Menschen, son<strong>der</strong>n<br />
um strukturelle Probleme. Etwas davon ist<br />
im Dritten Teil des Dokumentes implizit<br />
zu erkennen, wenn es z. B. über die Pfarreien<br />
spricht. Aber eine tiefer reichende<br />
Analyse wäre sicher nützlich. Eines Tages<br />
wird man daran gehen müssen.<br />
Sehr überraschend ist, dass man über<br />
die Pfingstbewegungen fast gar nichts<br />
sagt. Einige wenige Andeutungen sind<br />
zu finden (100g). Harvey Cox hat einmal<br />
geschrieben, dass es sich dabei um<br />
das bedeutendste religiöse Phänomen<br />
des XX. Jahrhun<strong>der</strong>ts handle, fast ebenso<br />
bedeutsam wie die Reformation des<br />
XVI. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Dieses Phänomen<br />
wird überhaupt nicht analysiert, als ob es<br />
keine Sache von Bedeutung sei und kein<br />
Problem darstelle.<br />
Comblin – Das Projekt von Aparecida<br />
Aber die Pfingstbewegung erlebt eine<br />
starke Expansion in allen Kontinenten<br />
und auch in Lateinamerika. Viele Katholiken<br />
verlassen die Kirche, um sich einer<br />
Pfingstgemeinde anzuschließen. Sie haben<br />
zahllose Pastoren. In den armen Zonen<br />
sind bereits mehr Pfingstler als Katholiken<br />
anzutreffen.<br />
Die Gründe für diese Auswan<strong>der</strong>ung<br />
von Katholiken müsste man gründlich<br />
analysieren. Die Pfingstbewegung weiß<br />
eine Antwort auf die Bedürfnisse eines<br />
großen Teils <strong>der</strong> einfachen Bevölkerung.<br />
Es lohnt sich, ihre Botschaft, ihre Methoden<br />
und ihre Organisationsformen zu<br />
studieren. Die Augen davor zu verschließen,<br />
als ob es das Phänomen nicht gebe,<br />
könnte eine Vogel-Strauß-Politik sein.<br />
Wenn man die heutige Gesellschaft,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die zeitgenössische Kultur<br />
beschreibt, übersehen viele, dass<br />
zwei stark voneinan<strong>der</strong> getrennte Gesellschaften<br />
und zwei sich deutlich voneinan<strong>der</strong><br />
unterscheidende Kulturen<br />
existieren. Da ist einerseits die von den<br />
Wissenschaftlern und Philosophen untersuchte<br />
Kultur, die Kultur <strong>der</strong>er, die zur<br />
Gesellschaft gehören, und da ist an<strong>der</strong>erseits<br />
die Kultur <strong>der</strong>er, die aus <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
ausgeschlossen sind.<br />
Aber die Versammlung von Aparecida<br />
stellt selbst ein unvorhergesehenes<br />
Ereignis dar. Es wächst<br />
ein neues Bewusstsein.<br />
Aber die Versammlung von Aparecida<br />
stellt selbst ein unvorhergesehenes Ereignis<br />
dar. Es wächst ein neues Bewusstsein.<br />
Die Bischöfe haben die Anliegen einer für<br />
die Zeichen <strong>der</strong> Zeit sehr sensiblen Min<strong>der</strong>heit<br />
aufgegriffen. Das Schlussdokument<br />
macht den Alten neue Hoffnung<br />
und bietet den Jungen einige klare Orientierungen.
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />
Am Ende <strong>der</strong> fast dreiwöchigen Beratungen<br />
hatten die 164 stimmberechtigten<br />
Bischöfe – die 102 eingeladenen<br />
Gäste waren nicht stimmberechtigt –<br />
nahezu einhellig ein Dokument verabschiedet,<br />
das am 11. Juni dem Papst zur<br />
Approbation vorgelegt und nach <strong>der</strong> Zustimmung<br />
des Papstes am 12. Juli vom<br />
Lateinamerikanischen Bischofsrat (CE-<br />
LAM) bei einer Sitzung in Havanna/Cuba<br />
veröffentlicht wurde. Vergleicht man<br />
den in Aparecida beschlossenen Text mit<br />
dem vom CELAM veröffentlichten Text,<br />
stellt sich heraus, dass mehr als 200 Verän<strong>der</strong>ungen<br />
am Text vorgenommen<br />
wurden, ohne dass erkennbar wäre, wer<br />
mit welcher Autorisierung welche Verän<strong>der</strong>ungen<br />
veranlasst und durchgeführt<br />
hat. Aus <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen lassen<br />
sich drei Typen von Verän<strong>der</strong>ungen<br />
registrieren:<br />
Beschlussdokument von<br />
Aparecida (31. Mai 2007)<br />
Der unterdrückte Text ist in kursiver<br />
unterstrichener Schrift markiert.<br />
19. Dieses Dokument setzt die Praxis<br />
<strong>der</strong> Methode „Sehen – Urteilen – HandeIn“<br />
fort, die in früheren Generalversammlungen<br />
des Lateinamerikanischen Episkopats<br />
verwendet wurde. Viele in diesem<br />
Sinne verfasste Beiträge und Anregungen<br />
aus dem gesamten Kontinent sagen aus,<br />
dass diese Methode dazu beigetragen ha-<br />
Arntz – Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />
Norbert Arntz,<br />
geb. 1943 in Kleve, Pfarrer und<br />
Mitarbeiter in <strong>der</strong> <strong>Missionszentrale</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />
1. redaktionelle, stilistische, grammatikalische<br />
Verän<strong>der</strong>ungen<br />
2. Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Platzierung von Abschnitten<br />
mit <strong>der</strong> Folge, dass die<br />
Nummerierung fast des gesamten<br />
Dokumentes verän<strong>der</strong>t wurde.<br />
3. Inhaltliche Än<strong>der</strong>ungen, die Aussagen<br />
des beschlossenen Schlussdokumentes<br />
zensieren, ergänzen, abschwächen,<br />
verdrehen <strong>o<strong>der</strong></strong> durch<br />
an<strong>der</strong>e Aussagen ersetzen.<br />
Eine ausführlichere Dokumentation<br />
muss an an<strong>der</strong>er Stelle erfolgen. Hier<br />
wollen wir nur an einigen Beispielen exemplarisch<br />
belegen, wie in den beschlossenen<br />
Text eingegriffen wurde<br />
Vom Vatikan veröffentlichter<br />
Text (11. Juli 2007)<br />
Hinzugefügte Textstellen sind in kursiver<br />
unterstrichener Schrift markiert.<br />
19. In Kontinuität mit den bisherigen<br />
Generalversammlungen des Lateinamerikanischen<br />
Episkopats wird auch in diesem<br />
Dokument die Methode „Sehen –<br />
Urteilen – Handeln“ angewendet. Diese<br />
Methode will mit dem Blick des Glaubens<br />
durch Gottes geoffenbartes Wort und durch<br />
den lebendig machenden Empfang <strong>der</strong> Sa-
0<br />
be, unsere Berufung und Sendung in <strong>der</strong><br />
Kirche intensiver zu leben, dass sie unsere<br />
theologisch-pastorale Arbeit verbessert<br />
und überhaupt dazu motiviert habe,<br />
die Verantwortung in <strong>der</strong> jeweiligen konkreten<br />
Situation unseres Kontinents zu<br />
übernehmen. Diese Methode macht uns<br />
fähig, in <strong>der</strong> Perspektive des Glaubens die<br />
Realität zu betrachten und systematisch<br />
darzulegen, zu ihrer von kritischer Sympathie<br />
bestimmten Beurteilung und Bewertung<br />
Kriterien zur Hand zu haben, die<br />
von Glaube und Vernunft bestimmt sind,<br />
und einen Plan zu entwickeln, um als Jünger<br />
und Missionare Jesu Christi handeln<br />
zu können. Unverzichtbare Voraussetzungen<br />
für die Tauglichkeit dieser Methode<br />
sind <strong>der</strong> überzeugte, frohe und vertrauensvolle<br />
Glaube an Gott Vater, Sohn<br />
und Heiliger Geist, sowie die Zugehörigkeit<br />
zur Kirche<br />
20. ...Die tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen,<br />
die wir erfahren, bedrängen uns<br />
we<strong>der</strong> noch verwirren sie uns...<br />
89. ...Die Kirche begleitet die Indígenas<br />
und AfroamerikanerInnen beim<br />
Kampf für ihre Rechte....<br />
98. Die Katholische Kirche in Lateinamerika<br />
und <strong>der</strong> Karibik hat trotz ihrer<br />
menschlichen Schwächen und ihres zwiespältigen<br />
Verh<strong>alte</strong>ns Christus bezeugt<br />
104. ... Vielerorts lässt sich ein<br />
Aufblühen von kirchlichen Basisgemeinden<br />
feststellen, die in Verbundenheit<br />
mit den Bischöfen und dem<br />
kirchlichen Lehramt stehen....<br />
kramente Gott suchen, damit wir im täglichen<br />
Leben die Realität, die uns umgibt,<br />
im Licht seiner Verheißung betrachten, sie<br />
Jesus Christus – Weg, Wahrheit und Leben<br />
– entsprechend beurteilen, und als Kirche,<br />
mystischer Leib Christi und Sakrament des<br />
allumfassenden Heils, an <strong>der</strong> Ausbreitung<br />
des Reiches Gottes arbeiten, das auf <strong>der</strong><br />
Erde gesät und im Himmel geerntet wird.<br />
Viele in diesem Sinne verfasste Beiträge<br />
und Anregungen aus dem gesamten<br />
Kontinent sagen aus...<br />
... zu ihrer von kritischem Sinn bestimmten<br />
Beurteilung....<br />
Unverzichtbare Voraussetzungen für<br />
die Wirksamkeit dieser Methode<br />
20. ...Die tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen,<br />
die wir erfahren, bedrängen uns,<br />
aber sie verwirren uns nicht....<br />
89. ...Die Kirche begleitet die Indígenas<br />
und AfroamerikanerInnen beim<br />
Kampf für ihre legitimen Rechte....<br />
98. Die Katholische Kirche in Lateinamerika<br />
und <strong>der</strong> Karibik hat trotz menschlicher<br />
Schwächen und zwiespältigen Verh<strong>alte</strong>ns<br />
einiger ihrer Mitglie<strong>der</strong> Christus<br />
bezeugt<br />
99-e. ... Mancherorts lässt sich ein<br />
Aufblühen von kirchlichen Basisgemeinden<br />
nach den Kriterien <strong>der</strong> vorangegangenen<br />
Generalversammlungen feststellen,<br />
die in Verbundenheit mit den Bischöfen<br />
und dem kirchlichen Lehramt stehen....<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
106. ... Der ökumenische und interreligiöse<br />
Dialog ist nicht in allen Kirchen mit<br />
gleicher Intensität vorangebracht worden,<br />
so dass alle Teilnehmenden dadurch<br />
hätten bereichert werden können.<br />
109. Wir beklagen einen gewissen<br />
Klerikalismus, Bestrebungen, zu einer<br />
vorkonziliaren Ekklesiologie und Spiritualität<br />
zurückzukehren, bzw. die konziliare<br />
Erneuerung reduktionistisch zu deuten<br />
und zu verwenden; fehlenden Sinn<br />
für Selbstkritik, dass es keine dem Evangelium<br />
entsprechende Autoritätsausübung<br />
und keinen authentischen Gehorsam<br />
gibt; moralistische Einstellungen,<br />
die die zentrale Bedeutung Jesu Christi<br />
in den Hintergrund rücken;<br />
wir beklagen Unredlichkeiten gegenüber<br />
<strong>der</strong> Lehre, <strong>der</strong> Moral und <strong>der</strong><br />
kirchlichen Gemeinschaft;<br />
wir beklagen unsere kraftlose Weise, die<br />
Option für die Armen zu leben;<br />
wir beklagen, dass es in den Orden Tendenzen<br />
des Rückfalls in säkularisierende<br />
Verh<strong>alte</strong>nsweisen gibt; wir beklagen, dass<br />
Frauen diskriminiert werden und in den<br />
pastoralen Entscheidungsgremien häufig<br />
nicht zu finden sind.<br />
194. Das Leben sowie die prophetische<br />
und heiligmachende Sendung <strong>der</strong><br />
Kirchlichen Basisgemeinden in <strong>der</strong> missionarischen<br />
Nachfolge Jesu wollen wir mit<br />
Entschiedenheit bestätigen und mit neuen<br />
Impulsen ausstatten. Die Basisgemeinden<br />
waren nach dem II. Vatikanischen Konzil<br />
bedeutsame Wirkungen des Heiligen Geistes<br />
in <strong>der</strong> Kirche von Lateinamerika und <strong>der</strong> Karibik.<br />
Das Wort Gottes gilt ihnen als Quelle<br />
ihrer Spiritualität, die Orientierung durch<br />
die Hirten als Leitung, die sie mit <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
<strong>der</strong> Kirche verbindet. Sie setzen<br />
sich mit ihrem evangelisierend-missionarischen<br />
Engagement unter den ganz<br />
Arntz – Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />
99-g. ... Der ökumenische Dialog ist<br />
nicht in allen Kirchen mit gleicher Intensität<br />
vorangebracht worden. Auch <strong>der</strong> interreligiöse<br />
Dialog kann alle, die an den verschiedenen<br />
Treffen teilnehmen, bereichern,<br />
solange er den Leitlinien des kirchlichen<br />
Lehramtes folgt.<br />
100-b. Wir beklagen Bestrebungen,<br />
zu einer gewissen Art von Ekklesiologie<br />
und Spiritualität zurückzukehren,<br />
die <strong>der</strong> Erneuerung durch das II. Vatikanische<br />
Konzil wi<strong>der</strong>sprechen bzw.<br />
die konziliare Erneuerung reduktionistisch<br />
deuten und verwenden. Wir beklagen,<br />
dass es keine dem Evangelium<br />
entsprechende Autoritätsausübung und<br />
keinen authentischen Gehorsam gibt;<br />
wir beklagen Unredlichkeiten gegenüber<br />
<strong>der</strong> Lehre, <strong>der</strong> Moral und <strong>der</strong><br />
kirchlichen Gemeinschaft;<br />
wir beklagen unsere kraftlose Weise, die<br />
Option für die Armen zu leben ;<br />
wir beklagen, dass es in den Orden Tendenzen<br />
des Rückfalls in säkularisierende<br />
Verh<strong>alte</strong>nsweisen gibt, die von einer bloß<br />
soziologischen, aber nicht dem Evangelium<br />
entsprechenden Anthropologie beeinflusst<br />
sind.<br />
179. Den Kirchlichen Basisgemeinden<br />
in <strong>der</strong> missionarischen Nachfolge Jesu gilt<br />
das Wort Gottes als Quelle ihrer Spiritualität,<br />
die Orientierung durch die Hirten<br />
als Leitung, die sie mit <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
<strong>der</strong> Kirche verbindet. Sie setzen sich mit<br />
ihrem evangelisierend-missionarischen<br />
Engagement unter den ganz einfachen<br />
und am Rande <strong>der</strong> Gesellschaft lebenden<br />
Menschen ein; sie machen die vorrangige<br />
Option für die Armen sichtbar. Aus ihnen<br />
sind verschiedene Dienste und Ämter für<br />
das Leben in Kirche und Gesellschaft hervorgegangen.<br />
Wenn sie in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
mit ihrem Bischof bleiben und sich in<br />
1
2<br />
einfachen und <strong>der</strong> Kirche entfremdeten<br />
Menschen ein; sie machen die vorrangige<br />
Option für die Armen sichtbar. Aus ihnen<br />
sind verschiedene Dienste und Ämter für<br />
das Leben in Kirche und Gesellschaft hervorgegangen.<br />
195. Die kirchlichen Basisgemeinden,<br />
in Verbundenheit mit ihrem Bischof und<br />
dem Pastoralplan <strong>der</strong> Diözese sind ein Zeichen<br />
von Vitalität in <strong>der</strong> Kirche, Instrument<br />
für Bildung und Evangelisierung<br />
und ein wertvoller Ausgangspunkt für die<br />
andauernde Kontinentalmission. Sie können<br />
die Pfarreien von innen her lebendiger<br />
machen und dadurch zu einer Gemeinschaft<br />
von Gemeinschaften. Nach dem<br />
bisher zurückgelegten Weg mit Erfolgen<br />
und Rückschlägen ist <strong>der</strong> Moment einer tiefreichenden<br />
Erneuerung dieser ertragreichen<br />
Erfahrung <strong>der</strong> Kirche in unserem Kontinent<br />
gekommen, damit sie ihre missionarische<br />
Wirksamkeit nicht verlieren, son<strong>der</strong>n erweitern<br />
und vermehren entsprechend den stets<br />
neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zeit.<br />
196. Neben den CEBs, gibt es an<strong>der</strong>e<br />
verschiedenartige kleine kirchliche<br />
Gemeinschaften, Gruppen, für Leben,<br />
Gebet und Nachdenken über das Wort<br />
Gottes, und sogar Netzwerke solcher Gemeinschaften.<br />
Der Heilige Geist wird sie<br />
aufblühen lassen, um durch sie den neuen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Evangelisierung<br />
zu begegnen. Die positive Erfahrung dieser<br />
Gemeinschaften macht es erfor<strong>der</strong>lich, sich<br />
beson<strong>der</strong>s darum zu kümmern, dass sie in<br />
<strong>der</strong> Eucharistie den Mittelpunkt ihre Lebens<br />
finden können, dass sie kirchlich und gesellschaftlich<br />
in Solidarität und Integration<br />
wachsen.<br />
den Pastoralplan <strong>der</strong> Diözese einglie<strong>der</strong>n,<br />
werden die CEB’s zu einem Zeichen von<br />
Vitalität in <strong>der</strong> Ortskirche. Wenn sie so gemeinsam<br />
mit den Gruppen <strong>der</strong> Pfarrei, den<br />
kirchlichen Vereinen und Bewegungen handeln,<br />
können sie dazu beitragen, die Pfarreien<br />
lebendiger werden zu lassen und<br />
sie zu einer Gemeinschaft von Gemeinschaften<br />
machen. Bei ihrem Bemühen,<br />
sich den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> heutigen<br />
Zeit zu stellen, sollen die kirchlichen Basisgemeinden<br />
darauf achten, den kostbaren<br />
Schatz <strong>der</strong> Tradition und des kirchlichen<br />
Lehramtes nicht zu entstellen.<br />
180. Als Reaktion auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Evangelisierung gibt es<br />
neben den kirchlichen Basisgemeinden<br />
an<strong>der</strong>e gültige Formen kirchlicher Gemeinschaften,<br />
und sogar Netzwerke von<br />
Gemeinschaften, von Bewegungen, Gruppen<br />
für Leben, Gebet und Nachdenken<br />
über das Wort Gottes. Alle kirchlichen Gemeinschaften<br />
und Gruppen werden in dem<br />
Maße fruchtbar wirken, wie die Eucharistie<br />
Mittelpunkt ihres Lebens ist und das Wort<br />
Gottes Leuchte für ihren Weg und ihr Tun in<br />
<strong>der</strong> einzigen Kirche Jesu Christi.<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
191. Die Eucharistie, Zeichen <strong>der</strong><br />
Einheit (...) Geheimnis des Gottessohnes,<br />
<strong>der</strong> arm geworden,...<br />
406. ...Diese Option (für die Armen)<br />
stammt aus unserem Glauben<br />
an Jesus Christus, den menschgewordenen<br />
Gott, <strong>der</strong> unser Bru<strong>der</strong> geworden<br />
ist. (vgl. Hebr 2,11-12)<br />
Arntz – Ein gefälschtes Schlussdokument?<br />
176. Die Eucharistie, Zeichen <strong>der</strong> Einheit<br />
(...) Geheimnis des Gottessohnes, <strong>der</strong><br />
Mensch geworden (vgl. Phil 2,6-8),...<br />
392. .... Diese Option (für die Armen)<br />
stammt aus unserem Glauben an Jesus<br />
Christus, den menschgewordenen Gott,<br />
<strong>der</strong> unser Bru<strong>der</strong> geworden ist. (vgl. Hebr<br />
2,11-12). Sie gilt aber we<strong>der</strong> exklusiv noch<br />
schließt sie jemanden aus.<br />
3
Bisher erschienene Titel zu den Themen …<br />
Befreiungstheologie<br />
Nr. 1, Leonardo Boff OFM,<br />
PUEBLAS HERAUSFORDERUNG AN DIE<br />
FRANZISKANER<br />
Nr. 5, Bernhardino Leers OFM (vergriffen),<br />
KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN<br />
Nr. 6, L. Boff OFM/U. Zankanella (vergriffen),<br />
KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN IM DIALOG<br />
Nr. 14, Honorio Rito OFM,<br />
THEOLOGIE DER BEFREIUNG - Eine kritische<br />
Wertung aus franziskanischer Sicht<br />
Nr. 27, Alosio Lorschei<strong>der</strong>, Paulo Evaristo Arns,<br />
Leonardo und Clodovis Boff,<br />
BEFREIUNG UND THEOLOGIE – Beiträge zur<br />
aktuellen Diskussion<br />
Nr. 30, Kardinal Paulo Evaristo Arns,<br />
VOLK GOTTES VON SAO PAULO – Auf dem<br />
Weg zu seiner Befreiung<br />
Nr. 31, Dom Valfredo Tepe, Clodovis und<br />
Leonardo Boff,<br />
ROM UND DIE BEFREIUNGSTHEOLOGIE –<br />
Schritte zur Verständigung<br />
Nr. 43,* ENDE EINER HOFFNUNG –<br />
Dokumentation des Konfliktes um das CLAR-<br />
Projekt „Wort und Leben“<br />
Nr. 57,* ARBEITERPASTORAL –<br />
Gottes befreiende Botschaft<br />
Nr. 62,* ANNÄHERUNG AN DIE ANDEREN –<br />
Befreiungstheologische Sommerschule<br />
Nr. 71,* QUO VADIS, KIRCHE IN AMERIKA? –<br />
Römische Bischofssynode - Hoffnungen und<br />
Enttäuschungen<br />
Nr. 82,* HOFFNUNGSTRÄGER BASISGEMEIN-<br />
DEN –<br />
Das 10. Treffen <strong>der</strong> brasilianischen Basisgemeinden<br />
im Juli 2000<br />
Nr. 89,* WENN LEBEN, GLAUBEN UND<br />
DENKEN EINS SIND ... –<br />
Befreiungstheologie aktuell<br />
Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />
Nr. 3, Englischsprachige Konferenz <strong>der</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong>, FRANZISKUS UND DER NEUE<br />
MATERIALISMUS –<br />
Eine franziskanische Antwort auf die Umweltkrise<br />
Nr. 26, Jan Groot Wassink,<br />
FRANZISKANISCHE BRUDERSCHAFT IN<br />
NATUR UND GESELLSCHAFT – Ausweg aus<br />
den Irrwegen einer wissenschaftlich-technischen<br />
Kultur<br />
Nr. 38,* UMKEHR ZUM LEBEN –<br />
Franziskanische Positionen zur atomaren<br />
Bedrohung<br />
Nr. 46,* UNSERE MUTTER ERDE –<br />
Lebensraum für alle<br />
Nr. 50,* INDIO-FRANZISKANISCHE UTOPIEN<br />
– Zur Strategie des Überlebens<br />
Nr. 65,* MUTTER ERDE - NEUE ERDE –<br />
Reflexionen und Texte aus Lateinamerika<br />
Nr. 70,* WENN LEBEN VERFÜGBAR WIRD –<br />
Überbevölkerung, Geburtenkontrolle und<br />
an<strong>der</strong>e Fragen<br />
Evangelisierung<br />
Nr. 8, Claudio Schnei<strong>der</strong> OFM, Brasilien,<br />
FRANZISKANISCHE GEMEINSCHAFTEN: EIN<br />
DIENST AN DER KIRCHE<br />
Nr. 11, Hermann Schalück OFM,<br />
SENSIBILITÄT UND SOLIDARITÄT – Impulse<br />
zur franziskanischen Evangelisation<br />
Nr. 19, Ordensrat OFM,<br />
DAS EVANGELIUM FORDERT UNS HERAUS –<br />
Überlegungen zur Evangelisierung in Bahia<br />
1983<br />
Nr. 21,* DAS LEBEN TEILEN –<br />
Franziskanischer Dialog in Asien<br />
Nr. 24, Anselm Moons OFM,<br />
EVANGELISIERUNG ALS LERNPROZESS –<br />
Auswertung und Dokumentation<br />
Nr. 29, Kilian Holland OFM,<br />
AFRIKAS DILEMMA – Betteln <strong>o<strong>der</strong></strong> das eigene<br />
Brot backen<br />
Nr. 33, Andreas Müller (Hrsg.),<br />
EVANGELISIERUNG FÜR EINE NEUE MENSCH-<br />
HEIT UND EINE NEUE GESELLSCHAFT –<br />
Internationaler Missionsrat <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>,<br />
Nairobi 1987<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Nr. 37,* WORT UND LEBEN –<br />
500 Jahre Evangelisierung<br />
Lateinamerikas,Umkehr und Neubesinnung<br />
Nr. 39,* DAS WORT BERUFT DAS GOTTES-<br />
VOLK –<br />
Erste Etappe des Projektes „Wort und Leben“<br />
<strong>der</strong> lateinamerikanischen Ordensleute<br />
Nr. 42,* 1992 KEIN GRUND ZUM FEIERN –<br />
Die Kirche und die Eroberung eines Kontinents<br />
Nr. 44,* DEIN WORT IST LEBEN –<br />
Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 45,* 500 JAHRE INDIOWIDERSTAND –<br />
500 Jahre Evangelisierung in Lateinamerika<br />
Nr. 47,* DEIN WORT IST LEBEN / 2 –<br />
Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 48,* 500 - 1492 – 1992Nr. 49,* 1492 –<br />
1992,<br />
500 JAHRE - Gold und Gott<br />
Nr. 51, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.),<br />
NACH 500 JAHREN - NEUENTDECKUNG<br />
AMERIKAS – Zeugnisse vom Indio-Wi<strong>der</strong>stand<br />
Nr. 52,* DEIN WORT IST LEBEN /3 –<br />
Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 53,* DEIN WORT IST LEBEN /3 (2. Teil) –<br />
Bibelmeditationen lateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 54,* DEIN WORT IST LEBEN /3 (3. Teil) –<br />
Bibelmeditationen Iateinamerikanischer<br />
Ordensleute<br />
Nr. 55,* SANTO DOMINGO 1992 –<br />
IV. Generalversammlung <strong>der</strong> Lateinamerikanischen<br />
Bischofskonferenz, Werden – Verlauf -<br />
Wertung<br />
Nr. 64,* FRANZISKANISCHE SPIRITUALITÄT<br />
UND EVANGELISATION -<br />
Dokumente <strong>der</strong> XIV. UCLAF<br />
Nr. 79,* 500 JAHRE BRASILIEN -<br />
Für die „Entdeckten eine schlimme Entdeckung“<br />
Nr. 83,* AUF DEM WEG ZU EINER INDISCHEN<br />
KIRCHE<br />
Facetten einer Studienreise<br />
Bisher erschienene Titel<br />
Nr. 92,* PFINGSTEN STATT BABEL -<br />
Zur Mystik und Spiritualität im Weltsozialforum<br />
Nr. 94,* „LÖSE DIE FESSELN VON DEINEM<br />
HALS“ (Jes 52,2) –<br />
Das Exodus-Motiv als Leitfaden für eine<br />
Bibelwerkstatt<br />
Nr. 96,* OSCAR ARNULFO ROMERO – ZUM<br />
25. JAHRESTAG SEINER ERMORDUNG.<br />
„Anti-imperiale“ Spiritualität<br />
Nr. 97,* IHR KÖNNT NICHT GOTT DIENEN<br />
UND DEM KAPITAL –<br />
Lateinamerikanische Bibelwerkstatt<br />
Franz und Klara von Assisi<br />
Nr. 17, Anton Rotzetter OFMCap,<br />
IMPULSE FÜR EINE FRIEDENSSTRATEGIE BEI<br />
FRANZ VON ASSISI<br />
Nr. 22,* FRANZ VON ASSISI IM KONTEXT<br />
DER KULTUREN<br />
Nr. 56,* 800 JAHRE KLARA –<br />
Die weibliche Wurzel <strong>der</strong> franziskanischen<br />
Familie<br />
Nr. 87,* FRANZISKUS DER SCHARNIER-<br />
MENSCH<br />
<strong>Franziskaner</strong>orden<br />
Nr. 7, Vinzenz Bohne OFM,<br />
FRANZISKANISCHE JUGEND, Brasilien<br />
Nr. 23,* DIE ZEICHEN DER ZEIT –<br />
Standortbestimmung für einen Orden<br />
Nr. 25,* STREIFLICHTER –<br />
<strong>Franziskaner</strong> auf neuen WegenNr. 63,*<br />
FRANZISKANER IM OSTEN – Verantwortung<br />
für eine neue Wirklichkeit<br />
Frieden<br />
Nr. 41,* AKTIVE GEWALTFREIHEIT –<br />
Eine franziskanische Initiative<br />
Nr. 61,* BURUNDI -<br />
Paradies im Untergang?<br />
Nr. 68,* SPIRITUALITÄT DER GEWALTFREIHEIT<br />
– Eine Grundpflicht des franziskanischen<br />
Charismas<br />
Nr. 69,* AUSWEG AUS DEM TRAUMA –<br />
Bosnien und Kroatien zwischen Machtpolitik<br />
und Glaubenskampf
Nr. 85,* FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER<br />
RELIGIONEN<br />
Das Engagement <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao<br />
/ Philippinen<br />
Nr. 90,* GEWALTFREI MIT FRANZISKUS -<br />
gewaltfrei durch Franziskus<br />
Nr. 98,* EUROPA FRANZISKANISCHE<br />
BEWEGEN<br />
Gerechtigkeit<br />
Nr. 18,* ZWISCHEN ANSPRUCH UND<br />
WIRKLICHKEIT – Franziskanische Menschen<br />
stellen sich <strong>der</strong> Armut<br />
Nr. 32,* DEN HUNGERNDEN DAS LAND –<br />
Die Kirche Brasiliens im Konflikt um die<br />
Landreform<br />
Nr. 35,* INTERNATIONALE VERSCHUL-<br />
DUNGSKRISE<br />
Nr. 40,* BERGPREDIGT ODER SACHZWÄNGE<br />
– T<br />
heologische Anfragen an die Eigengesetzlichkeit<br />
<strong>der</strong> Ökonomie<br />
Nr. 66,* NEOLIBERALISMUS –<br />
Das neue Kreuz des Südens<br />
Nr. 67,* MENSCHENRECHTE –<br />
Unsere Anwaltfunktion für die Entrechteten<br />
Nr. 74,* EIN „GNADENJAHR“ 2000 –<br />
Initiativen und Kampagnen für einen<br />
Schuldenerlaß zur Jahrtausendwende<br />
Nr. 75,* WOHNUNG, NAHRUNG, BILDUNG –<br />
... wirtschaftliche, soziale und kulturelle<br />
Menschenrechte schützen!<br />
Nr. 80,* DAS ERLASSJAHR 2000 DARF NICHT<br />
STERBEN<br />
Plädoyer aus dem Süden<br />
Nr. 81,* COLLOQUIUM 2000 –<br />
Glaubensgemeinschaften und soziale<br />
Bewegungen im Streit mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />
Nr. 84,* VERSCHWUNDEN IN ARGENTINIEN<br />
–<br />
Neue Wege gegen Straflosigkeit und<br />
Vergessen<br />
Nr. 86,* „PORTO ALEGRE“ IN AFRIKA –<br />
Alternativen zur neoliberalen Globalisierung<br />
im Südlichen Afrika<br />
Nr. 88,* VISION UND WIDERSTAND IM<br />
GLOBALISIERUNGSPROZESS<br />
Nr. 91,* BÜNDNIS GEGEN HUNGER –<br />
Brasiliens Kampf gegen Hunger und Verelendung<br />
Nr. 93,* GRUNDLEGENDE RECHTE INDIGE-<br />
NER VÖLKER STÄRKEN: BEITRITT ZUR ILO-<br />
KONVENTION 169! – Materialien zur<br />
Kampagne in Deutschland<br />
Nr. 95,* VERTRIEBEN IM EIGENEN LAND –<br />
„Demokratische Sicherheit“ in Kolumbien<br />
Interreligiöser Dialog<br />
Nr. 20,* MIT ANDEREN AUGEN SEHEN –<br />
Erfahrungen und Impulse zum Religionsdialog<br />
Nr. 60, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.),<br />
DER TRAUM VON EINER INDIANISCHEN<br />
KIRCHE – Versuch einer lnkulturation<br />
Nr. 73,* DIALOG DER RELIGIONEN –<br />
Wege zur Wahrheit<br />
Nr. 76,* INTERRELIGIÖSE BASISGEMEINDEN<br />
IM INDISCHEN KONTEXT<br />
Nr. 85,* FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER<br />
RELIGIONEN<br />
Das Engagement <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao<br />
/ Philippinen<br />
Nr. 99,* DAS EINE GEHEIMNIS UND DIE<br />
VIELEN<br />
RELIGIONEN<br />
Nr. 100,* ZUM DIALOG BERUFEN - Jubiläumsausgabe<br />
zum franziskanischen Auftrag in<br />
unserer Zeit<br />
Mission<br />
Nr. 2, Andreas Müller OFM,<br />
10 JAHRE MISSIONSZENTRALE DER FRANZIS-<br />
KANER<br />
Nr. 4, KOMM HERÜBER UND HILF UNS –<br />
Franziskanische Predigten zur Dialogmission<br />
Nr. 9, Killian Holland OFM,<br />
MIT DEN MASSAI UNTERWEGS<br />
Nr. 10, Anselm Moons OFM,<br />
FRANZISKANISCHE SENDUNG HEUTE –<br />
Skizzen zum gewandelten Missionsverständnis<br />
Nr. 13, Peter Amendt OFM,<br />
DEM EVANGELIUM HEUTE BEGEGNEN –<br />
Notizen vom Missionskongreß in Mainz/Juni<br />
1981<br />
Nr. 15,* DEN AUFBRUCH WAGEN –<br />
Die missionarische Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong> heute<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 102 – Bischofsversammlung Aparecida 2007
Nr. 16,* SCHWESTERN OHNE KLOSTERMAU-<br />
ERN –<br />
<strong>Franziskaner</strong>innen inmitten <strong>der</strong> Armen<br />
Nr. 28, Karl Möhring OFM,<br />
MISSIONSLAND DEUTSCH-LAND – Erfahrungen<br />
und Reflexionen eines <strong>Franziskaner</strong>s<br />
aus dem Arbeitermilieu<br />
Nr. 34,* DIE ARMEN HABEN MICH BEKEHRT –<br />
Porträt des Erzbischofs von Fortaleza Kardinal<br />
Aloisio Lorschei<strong>der</strong><br />
Nr. 58,* DER FRANZISKANISCHE MISSIONS-<br />
AUFTRAG IN EINER VERÄNDERTEN WELT –<br />
Erinnerung und Erneuerung<br />
Nr. 59,* DIE SUCHE NACH GANZHEIT –<br />
Die feminine Dimension des franziskanischmissionarischen<br />
Charismas<br />
Bisher erschienene Titel<br />
Nr. 101,* CLARA, ELISABETH, AGNES –<br />
Franziskanische Frauen schreiben Geschichte<br />
Nr. 102,* BISCHOFSVERSAMMLUNG<br />
APARECIDA 2007– <strong>Neues</strong> <strong>Pfingsten</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>alte</strong><br />
<strong>Gleise</strong>?<br />
Ökumene<br />
Nr. 36,* FRANZISKANER IN SKANDINAVIEN –<br />
Öffnung zur Ökumene<br />
Nr. 72,* DIE NEUEN HEILSBRINGER –<br />
Ein Beitrag zur Sektenproblematik<br />
Alle mit *) gekennzeichneten Ausgaben: <strong>Missionszentrale</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> (Hrsg.)
Schluss Punkt<br />
Was immer<br />
mit Christus zu tun hat,<br />
hat mit den Armen zu tun,<br />
und alles, was<br />
mit den Armen zu tun hat,<br />
weist auf<br />
Jesus Christus hin.<br />
Schlussdokument Aparecida Nr. 393